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RIJKSUNIVERSITEIT TE UTRECHT
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4.
PRAKTISCHE
ARZNEIMITTELLEHRE
Fun
THIERAERZTE.
VON
DB. CARL HEINRICH HERTWIG,
PHOPESSOB AN DER KÜNrGL. TBIERAnZNEISCBCLE ZU BEHLIN U. S. W.
Wutte, Jefi!; ü-emtefute iiiid =.uei;t-e,Uesj;e Jloujffane
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BERLIN.
VERLAG VON VEIT laquo;y COMP. 1847.
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V o r w o r t.
Ubgleich über die tbierärztliche Arzneimittellehre bereits mehrere deutsche Schriften vorhanden sind, so scheint doch keine derselben ihrem Zwecke und dem jetzigen Standpunkte der Wissenschaften zu entsprechen; denn der angehende Tliierarzt, der sich über diese wichtige Doctriu unterrichten muss, und ebenso der forschende Menschenarzt, der durch comparatives Studium seine Kenntnisse über die Arzneiwirkungen vermehren will, stösst in jenen Schriften l'asst überall anlquot; grosse Lücken und Mängel, besonders in Betreff der Wirkungen, der Gabe und Anwendung der einzelnen Arzneikörper beim Rindvieh, bei Schafen, Ziegen und Schweinen; und selbst in Beziehung auf das Pferd und den Hund sind die An­gaben sehr oft unvollständig, in zu allgemeinen Aus­drücken und daher zweifelerregend. Der praktische Thierarzt bemerkt dasesen ausser den bezeichneten Mängeln in jenen Schriften auch noch grosse, und in ihren Folgen gefährliche Irrthümer, wie z. 15. dass die sämmtlichen narkotischen Arzneimittel selbst in sehr gros-sen Gaben bei pnanzenfressenden Thieren keine Wir­kung erzeugen, — dass die Digital!laquo; den Pferden in ganzen Unzen, — die getrocknete Belladonna sogar wie Heu gegeben werden könne, ohne dass besondere Zu­fälle davon entstehen, u. dgl. m.
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Es spricht sich daher das Verlangen nach einem Handbuche der diieiärztlichen Malcria medica, welches eine mehr vollständige und erfahruogsmässige Belehrung gewiibrle, von allen Seiten aus, und seit fast 10 Jahren bin ich sowohl von hohen Vorgesetzten, Avie auch von seiir vielen Thierarzten häufig aufgefordert worden, ein solches Handbuch im Sinne meiner, in der Konigl. Thier-arzncisclmlo über diesen Gegenstand gehaltenen Vorle­sungen herauszugeben.
Wenn ich bisher diesen Aufforderungen nicht nach­gekommen bin, so lag die Ursache darin, dass ich e.s für Pllicht hielt, zuerst noch durch einige Zeit die sämmt-lichen, in der Thierarzneikunde gebräuchlichen Arznei­mittel einer fortgesetzten praktischen Untersuchung zu unterwerfen. Dies ist nun geschehen, tiicils durch die, nach bestimmten Heil-Indicationen ausgeführte Anwen­dung der meisten Mittel bei einer sehr grossen Anzahl kranker Thiere von allen Arten, thcils durch mehr als 1501) Versuche an gesunden Pferden, Kindern, Scha­fen u. s. w. Ich habe dabei weder Mühe noch Kosten (welche letztere durch den Ankauf der Thiere entstan­den) gespart, und selbst die meisten Versuche, welche bereits von Andern, namentlich von Vitet, Gilbert, Viborg, Smith, J. Withc und Orfila gemacht wor­den sind, wiederholt, um mich von der Ilichtigkeit der­selben zu überzeugen. Um jedoch die Verdienste An­derer nicht zu schmälern, sondern vielmehr dankbar anzuerkennen, habe ich im vorliegenden Buche, wenn es mir nöthig schien. Versuche speziell anzuführen, die­jenigen von bewährten Schriftstellern fast immer den meinigen vorgezogen, — wenn übrigens die Resultate von beiden gleich waren. Dies habe ich hinsichtlich derjenigen Versuche, welche von E. Viborg in seinen „Sammlungen für Thierärzte und Oekonomenquot; mitgetheilt sind, um so lieber gethan, da diese werth-volle Schrift im Buchhandel kaum noch zu erhalten ist. Auf diese Weise sind an manchen Stellen einige Citale unvermeidlich gewesen, die ich sonst zur Ersparung des Raumes gern weggelassen hätte.
Die angeführten Versuche an gesunden Thieren und mit zu grossen und todllichen Gaben der Medicamente, werden Manchem als überflüssig erscheinen, da hiervon
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kein unmittelbarer Gebraucli für die gewöhnliche lliier-ärztliche Praxis gemaclit werden kann; ich hielt aber ihre kurze Angabe, wenigstens bei den wichtigem Mit­teln, nicht allein aus den, in sect;. 118—120 der vorlie­genden Schrift angeführten Gründen, sondern auch des­halb für nöthig, weil mitunter gerichtliche Klagen und Untersuchungen über die Anwendung der Arzneimittel in zu grossen Gaben vorkommen, und wrei! die Thier-iirzte sich in solchen Fällen bisher mehrcnthcils vergeb­lich nach einer Grundlage umsahen, auf welche sie sich in ihrer Vertheidigung, oder auch bei der Bcurtheilung Anderer, beziehen konnten. Denn eine Veterinär-Toxi­kologie besteht bis jetzt gar nicht, und die vorhandenen Handbücher der gerichtlichen Thierheilkunde sind (ob­gleich das von J. El, Veith einige gute Notizen enthält) in dieser Beziehung sämmtlich zu arm und in ihren An­deutungen viel zu allgemein.
Ebenso werden Manche in der grossen Menge der hier abgehandelten Arzneimitlei einen Ansloss finden. Ich bemerke jedoch hingegen, dass das buch ein Lehr­buch sein soll, in welchem sich Jeder über die wich­tigsten und gebräuchlichen Mittel unterrichten kann, ohne dass ihm in der Zahl und Auswahl derselben für den praktischen Gebrauch ein Zwang aufgelegt wird; ich komme mit weniger als 30 Arzneimitteln aus, und auf meinen Reisen habe ich sehr beschäftigte und recht gute thierärztliche Praktiker kennen gelernt, die sich ebenfalls auf eine nicht grössere Anzahl von Medica-monten beschränkten. Allein, überall fand ich die Aus­wahl verschieden, und was der Eine hochschätzte und häufig benutzte, wurde vom Andern verachtet und nie­mals angewendet. Eine strenge und zu enge Gränze lässt sich daher in einem Lehrbuchc der Arzneimittel­lehre niemals ziehen.
Das Pharmakologische habe ich am Anfange der einzelneu Artikel stets nur in möglichster Kürze so weit berührt, wie es zur Verständigung über die wirksamen Bestandlheile, über die Wirkung und Anwendung drin­gend nöthig zu sein schien, da mein College, Herr Apo­theker und Lehrer Erdmann, eine vollständige Phaiv makologie für Thierärzte, nach derselben Eintheilung,
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welche im vorliegenden Buche benutzt ist, herausge­ben wird.
Bei dem grossen Umfange des Gegenstandes und bei den nicht unbedeutenden Schwierigkeiten, welche sich der Bearbeitung desselben entgegenstellten, war es nicht möglich, manche Ünvoilkommcnhcit im Inhalt zu vermeiden; und ebenso konnte ich bei meinen über­häuften und sehr anstrengenden Dienstgcschai'ten dieje­nige Sorgfalt auf den Styl nicht verwenden, welche ich selbst in dem Buche zu quot;linden wünschte. Dennoch hoffe ich, billige Sachkenner werden aus ihm ersehen, dass ich das Gute gewollt und etwas Nützliches gethan habe.
Igt;r. Hertwig.
Vorwort zur zweiten Auflage.
in deser zweiten Auflage der Arzneimittellehre ist die Einrichtung des Buchs im Wesentlichen unverändert ge­blieben, weil dieselbe (nach sehr vielen mir zugekom­menen ürlheilen von Sachverständigen) eine einfache leichte Lebersicht des ganzen Materials und eine na­türliche Vertheilung der einzelnen Gegenstände, ohne Wiederholungen zu machen, gestattet. Durch Benutzung der, seit dem Jahre 1833 mir bekannt gewordenen Fort­schritte im Gebiete der Arzneimittellehre sind jedoch viele Zusätze und einige Berichtigungen entstanden, durch' welche das Buch um 4 Bogen stärker und die Zahl der Paragraphen etwas abgeändert worden ist.
kh habe auch bei diesen Zusätzen wieder die Na­men Dcrjenisen senannt, von denen Beobachtungen über
•'nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; önbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Onbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 'nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; ••II
die Wirkung oder Anwendung eines Arzneimittels be­nutzt worden sind, um so Jedem das Seinige zu erhal­ten und zugleich um den Leser mit den Quellen bo-
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kannt zu machen. Vielleicht lindet hienn auch man eher Tliierarzt eine Aufforderung, seine Beobachtunger) über das eine oder das andere Arzneimittel in den thierärzt-lichen Zeitschriften mitzulhcilen und hierdurch zur Be­reicherung und zur grösserea Vervollkommnung der thierärztlichen Arzneimittellehre etwas beizutragen. Diese Gründe für die im Buche befindlichen Citate leuchten jedem Unbefangenen gewiss von selbst ein; es schien mir aber nöthig, sie denen vorzulegen, welche die Ci­tate als Gelehrtthuerei darstellen, oder welche, vom Egoismus verleitet, in ihren Schriften nur allein sich selbst citiren. —
Hertwig*.
Vorwort zur dritten Auflage.
Auch bei dieser dritten Auflage bin ich in der Einrich­tung des Buchs demselben Plane, gefolgt, welcher ihm in den beitien ersten Auflagen zur Grundlage diente und der sichquot; als bewährt erwiesen hat. Ebenso habe ich die, in den früheren Auflagen ausgesprochenen An­sichten über die Wirkungen der Arzneimittel in der Hauptsache beibehalten; denn wenngleich in den letzten Jahren viele schätzbare Fortschritte in der Physiologie gemacht und selbst neue Systeme der Physiologie und der Pathologie darauf gegründet worden sind, so lindet man doch bei genauer Erwägung: dass hierdurch die Wirkung der einzelnen Arzneimittel im gesunden und im kranken Thierkorper nicht wesentlich anders erklärt wird, als es hier angedeutet ist.
Uebrigens habe ich Alles, was mir zur Vervollstän­digung unserer Kenntnisse von der Wirkung der ein­zelnen Arzneimittel wichtig erschien, aus den (hierärzt-
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liehen und andern Schriften der neueren Zeit gesammelt, und sowohl hierdurch, wie auch durch fortgesetzte ei­gene Versuche und Beobachtungen sind eine grosso Menge von Zusätzen entstanden, so dass an vielen Stellen das Buch als völlig umgearbeitet betrachtet wer­den kann, — wie dies der geneigte Leser bei einem Vergleich mit der zweiten Auflage von selbst finden wird.
Ilt'Hwig-.
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Allgemeine Uebersicht des Inhalts.
Seile
Einleitung...................nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;1
Allgemeine Arznciwirkungslclirc.
Erstes Kapitel. Theorie der Arzneiwirkungen ....nbsp; nbsp; nbsp;10 I. Von den Kräften, durch welche die Wirkungen der Arzneimittel im thierischen Organismus er­folgen...............nbsp; nbsp; nbsp;10
II.nbsp; nbsp;Von der Weise, auf welche die Arzneimittel im Thierkörper aufgenommen werden und zur Wirk­samkeit gelangen...........nbsp; nbsp; nbsp; 19
III.nbsp; nbsp; Von den verschiedenen Wirkungen der Arznei­mittel ...............nbsp; nbsp; nbsp;26
IV.nbsp; nbsp;Von den Bedingungen, durch welche die Wirkun­gen der Arzneimittel verändert werden könnennbsp; nbsp; nbsp; nbsp;5S
Zweites Kapitel. Eintheilung der Arzneimittel ....nbsp; nbsp; nbsp;95 Drittes Kapitel. Quellen und Geschichte der Arzneimit­tellehre..................nbsp; nbsp; 101
Speciclle Arzneiwirkungslehre.
Erste Klasse: Indifferente Arzneimittel.......nbsp; nbsp; 121
I. Abtheilung: Eiweisstoff- und gallerthaltige Mitielnbsp; nbsp; 126
II. — Schleim- und gummihaltige Mittel .nbsp; nbsp; 136
III.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;— Mehl u. Stärkemehl enthaltende Mittelnbsp; nbsp; 149
IV.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; — Süsse oder zuckerhaltige Mittel . .nbsp; nbsp; 161
V.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;— Fett- und ölhaltige Mittel' ....nbsp; nbsp; 170 VI. — Wachs...........nbsp; nbsp; ISO
Zweite Klasse: Bittere Mittel..........nbsp; nbsp; 131
A.nbsp; nbsp;Reine bittere Mittel..........nbsp; nbsp; 1S7
B.nbsp; nbsp;Auflösende und schleimige bittere Mittel . ,nbsp; nbsp; l'JÜ
C.nbsp; nbsp; Aromatische oder erregende bittere Mittel . .nbsp; .192
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Seile Dritte Klasse: Adstringirende oder zusammenziehende Arz­neimittel .................nbsp; nbsp; 197
A.nbsp; nbsp;Reine adstringirende Mittel.......nbsp; nbsp;205
B.nbsp; nbsp;Schleimige adstringirende Mittel .......nbsp; nbsp;212
C.nbsp; nbsp;Bittere adstringirende Mittel.......nbsp; nbsp;216
D.nbsp; nbsp;Aetherisch-öiige adstringirende Mittel ....nbsp; nbsp;222
E.nbsp; nbsp;Säuerlich adstringirende Mittel......nbsp; nbsp;226
F.nbsp; nbsp;Adstringirende Mittel mit Alkaloiden ....nbsp; nbsp;227 Vierte Klasse: Aetherisch - ölige (gewürzhafte) Mittel,
Kampher, harzige und empyreumatische Mittel . . .nbsp; nbsp;229 I. Abtheilung: Aetherisch ölige oder gewürzhafte
Mittel..........nbsp; nbsp;230
II. — Kampher..........nbsp; nbsp;291
III.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;— Harzige und balsamische Arzneimittelnbsp; nbsp;311
IV.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;—nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Brenzliche, oder empyreumatisch-
ölige Mittel........nbsp; nbsp;341
Fünfte Klasse: Weingeist- und ätherhaltige Mittel . . .nbsp; nbsp;361
Sechste Klasse: Scharfe Mittel..........nbsp; nbsp;374
Siebente Klasse: Betäubende (narkotische) Mittel , . .nbsp; nbsp;443
Achte Klasse: Chemisch - einfache Arzneistoffe ....nbsp; nbsp;510
Neunte Klasse: Säuren, saure Mittel........nbsp; nbsp;542
Zehnte Klasse: Reine Alkalien und Erden......nbsp; nbsp;574
Eilfte Klasse: Salze der Alkalien und Erden.....nbsp; nbsp; 601
Zwölfte Klasse: Metallische Arzneimittel......nbsp; nbsp;651
Register...................nbsp; nbsp;751
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Einleitung.
sect;• i-
Her thioriscbe Organismus ist ein selbstthätiger Körper, der das Vermögen besitzt, durch eigene Kräfte und Organe sich gegen die Einwirkungen der ihn umgebenden iiussern Einflüsse niebt nur bis zu einem gewissen Grade zu erhalten, sondern auch die­selben zu seiner Erhaltung sich anzueignen.
sect;•2-
Diese Selbsrthiirigieit des thierischen Organismus für seine Er­haltung ist zwar hauptsächlich durch die sogenannte Lebenskraft, welche sich durch Empfindung (Sensibilität), Reizbarkeit (Irritabili­tät) und Bildungsthätigkeit (Vegetation) äussert, bedingt, dabei aber auch von der Art und dem Grade der äussern Einflüsse abhängig.
sect;.3.
Als äusserc Einflüsse, oderäusserePotenzen, Aussendinge, Aussenwelt u. s. w. betrachtet man Alles, was ausserhalb des Thier-körpers besteht und mit demselben auf irgend eine Weise, mittel­bar oder unmittelbar in Berührung kommt. Die Menge und Ver­schiedenheit der äussern Einflüsse ist daher unendlich gross; denn Nahrungsmittel und Getränk, Luft, Licht, Wärme und Kälte, Elek­trizität, Magnetismus, alle mechanischen und chemischen Einwir­kungen, und seihst die grösstentheils noch unbekannten Einwirkun­gen der übrigen Weltkörper auf unsre Erde und deren Bewohner, gehören hierher.
Die äussern Einflüsse können den thierischen Organismus auf eine dreifach verschiedene Weise berühren und auf denselben ein­wirken, nämlich: a) mechanisch (d. h. durch ihre äussere Form,
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durch Schwere, Bewegungu.s.w.)j oder b) chemisch (d. h. durch ihre Besfandfhcile und deren Beziehungen und Wechsehvirkunsen auf die Besiandtbeile des Körpers); oder c) dynamisch (d. h. durch andere eigenthümliche, nocli unbekannte Kräfte, Z.B.Wärme, Elektrizität und dgl.). Diese verschiedenartige örtliche Berührung des Organismus durch die äussern Einflüsse bezeichnet man als deren Einwirkung (Actio). Bei derselben wird zuerst immer die Materie des Thieres betroffen, zugleich aber auch die damit ver­bundene Lebenskraft affizirt und zu Gegenwirkungen (Reaktionen) veranlasst, welche sich Inder veränderten Thätigkeit der be-froffenen Theile und der mit denselben auf irgend eine Weise in Verbindung stehenden Organe zeigen. So entstehen die Wir­kungen der äussern Einflüsse, welche daher weder blos ürllichc, oder blos materielle Erscheinungen, noch von den Eigenschaften der äussern Einflüsse allein abhängig sind, sondern nur zum Tbeil von diesen, zum Theil aber von der Lebenskraft eines Thieres er­zeugt, werden, und somit als das gemeinschaftliche Pro­dukt einer Innern und einer äussern Kraft, zugleich er­scheinen.
sect;.5.
Da alle Wirkungen der äussern Einflüsse nur durch die Mit­wirkung der Lebenskraft entstehen und sich durch veränderte or­ganische Thätigkeit zeigen, so müssen dieselben nach Ihrer Ver­schiedenheit auch für den Lebensprozess selbst von verschiedener Bedeutung sein. Diess zeigt auch die tägliche Erfahrung, indem entweder: a) unter gewissen Einflüssen der ganze Lebensprozess in einem, der Erhaltung des Organismus entsprechenden Grade gleich-massig fortbesteht; oder b) indem bei abgeänderten Einflüssen die Lebensthätigkeii entweder zu sehr erhöhet, oder zu sehr vermindert wird; oder c) indem dieselbe in einzelnen Organen oder Systemen eine veränderte qualitative Richtung nimmt.
Diese Verschiedenheiten des Lebensprozesses werden im Allge­meinen unter zwei verschiedenen Zuständen betrachtet, die n an als Gesundheit und als Krankheit bezeichnet.
sect;. 6.
Gesundheit ist derjenige Zustand eines lebenden Thieres, wo alle Verrichtungen des Organismus mit einander übereinstim­mend der Periode und dem Zwecke des Lebens entsprechen, und mit Wohlbefinden leicht und kräftig von statten gehen. —
Sie wird erhalten, wenn die äussern Einflüsse in Beschaffenheit, Menge und Stärke, zu dem Organismus in einem solchen Verhält­nisse stehen, dass sie von ihm aufgenommen und mit Leichtigkeit ertragen werden können, so dass die normale Mischung, Form und
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Verbindung der organischen Gebilde nicht gestört und deren Thii-tigkeit nicht zweckwidrig geändert wird.
sect;• '•
Krankheit ist jede Abweichung des lebenden Organismus vom gesunden Zustande, die sich durch Störung der naturgemässen Ver #9632; richtnngen und des Wohlbefindens zu erkennen giebt.
Sie entsteht, wenn die äussem Einflüsse durch Menge, Stärke oder qualitative Eigenschaften in einem Missverhältniss zu dem Or­ganismus stehen, so dass sie entweder dessen Kräfte, oder Materie (Mischung, Firm und Zusammenhang der Organe) zweckwidrig umändern, und besonders hinsichtlich der erstem die Lebensthätig-keit bald im Allgemeinen erhöhen oder vermindern, bald aber auch nur ihre Modifikationen (Sensibilität, Irritabilität, Vegetation) in ein Missverhältniss gegen einander bringen.
sect;.. S.
Krankheit ist also kein selbstständiger, von der Gesundheit we­sentlich verschiedener Zustand des Lehens, sondern nur eine Ab­weichung von derselben, bald in einzelnen Organen, bald im gan­zen Organismus, bald in den festen, bald in den flüssigen Theilen und oft in beiden: denn im kranken Zustande waltet dieselbe Le­benskraft, wie im gesunden, und wenngleich in dem erstem ihre Aeusserungen nicht so frei und übereinstimmend erfolgen, wie im letztern, so ist doch mchrentheils ihr Bestreben zur Erhaltung des Organismus noch deutlich wahrzunehmen, und oft sogar in einem noch viel hohem Grade als selbst im gesunden Zustande.
sect;. 9.
Auch im kranken Zustande ist der Organismus von den äus­sem Einflüssen noch abhängig, und die Lebenstbätigkeit ist durch dieselben mehrentheils noch leichter als im gesunden Zustande um­zustimmen, weil: a) der kranke Organismus bei seiner veränderten Empfindlichkeit und Heizbarkeit für viele Einflüsse weit empfäng­licher ist, und b) weil er die Uebereinstimmung aller seiner Ver­richtungen zu einem gemeinschaftlichen Zwecke verloren hat und dadurch viel unfähiger geworden ist, den äussem Einwirkungen zu widerstehen und sie zu beherrschen.
sect;• 10.
In jenem, auch im kranken Zustande, noch fortdauernden Be­streben des Organismus für seine Erhaltung und in seiner bestän­digen Abhängigkeit von den äussem Einflüssen, wie auch in der oft vorhandenen Möglichkeit, dass die krankmachenden Einflüsse entfernt, oder in ihren Wirkungen gemindert, oder durch zweck-mässigere ersetzt werden können, ist die Möglichkeit zur Heilung der Krankheiten begründet.
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sect;. 11.
Die Heilung oder der Heilungsprozess ist eine solche in­nere Veränderung im kranken Organismus, durch welche der kranke Zustand beseitiget und in den der Gesundheit wieder umgewandelt wird.
Sie kann im Allgemeinen auf zweierlei Weise vermittelt wer­den, nämlich; a) entweder allein durch die eigenen Kräfte des Or­ganismus, durch die sogenannte Hellkraft der Natur, — oder b) durch die zweckmässige Einwirkung und Leitung äusserer Ein­flüsse, d. i. durch Heilmittel oder Kunsthitlfe.
sect;• 12.
Als Heilkraft der Natur bezeichnet man jenes innere, im lebenden Organismus liegende und aus dem Leben selbst hervor­gehende Bestreben desselben, sich zu erhalten, die, durch äussere Einlliisse entstandenen Störungen des Lebensprozesses wieder auf­zuheben und diesen in das normale Verhältniss zurück zu fuhren.
Sie ist also keine besondere, von der Lebenskraft verschiedene Kraft, sondern nur diese selbst, in ihrem Wirken für die Heilung. Sie ist daher auch bei dem Heilungsprozess einer jeden Krankheit thätig und ohne sie ist keine Heilung durch Heilmittel möglich; da sie aber sehr häufig entweder in einem zu hohen Grade aufgeregt, oder entgegengesetzt zu wenig und nicht ausdauernd genug thätig erscheint, oder auch eine der Heilung nicht entsprechende qualita­tive Richtung zeigt, so muss sie oft durch die Heilmittel geleitet, unterstützt und geregelt werden.
sect;. 13.
Als Heilmittel betrachtet man, im weitesten Sinne des Wor­tes, Alles, was durch seine Einwirkung auf den kranken Thierkörpcr im Stande ist, den Uebergang der Krank­heit in Gesundheit, d. i. die Heilung, zu vermitteln.
Da nun jeder äussere Einfluss, welcher mit dem Organismus in Berührung kommt, nach seinen Eigenschalten u. s w. eine be­stimmte Reaktion veranlassen und somit eine Umänderung derLe-hensthätigkeit herbeiführen kann (sect;. 4. 5.), so kann auch Alles, was ausserbalb des Organismus besteht, zum Heilmittel werden, —je­doch nur, wenn dieEinwirkung unter Verhältnissen und Bedingungen stattfindet, welche dem kranken Zustande des Organismus genau entsprechen.
sect;. 14.
Hieraus ergiebt sich: a) dass die Heilmittel eben so unendlich zahlreich und verschieden sind wie die aussein Einflüsse selbst (g. 3.); und — b) dass es keine absolute (d. h. für sich allein
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und unier allen Umstanden heilend wirkende Mittel giebt, BOndem dass die iiusseren Einflüsse nur dann zu Heilmitteln werden, wenn sie unter entsprechenden Bedingungen auf den kranken Organismus einwirken. Denn unter andern Bedingungen können dieselben Einflüsse bald als Nahrungsmittel, bald als krankmachende Schädlichkeiten oder als Gifte einwirken.
sect;• 15. Der Inbegriff alles Wissenswürdigcn über die sämmtlichen Htil-mittel bildet die gesammte Heilmittcllehre (Jamatologia). Da aber diese in ihrem Umfange eben so uuermesslich sein würdet wie die Menge der Heilmittel imeudlicb gross ist (sect;. 14.), so is, ihre ganz vollständige Darstellung als eine begrenzte Doktrin nicht gut möglich, und man hat daher, der bessern Uebersicht wegen, die sämmtlichen Heilmittel nach ihren vorherrschenden Kräften und nach der Art ihrer Einwirkung auf den Organismus unter mehrere Hauptabtheilimgeu gebracht, und jede derselben als eine besondere Doktrin betrachtet.
sect;• 16. Nach den hier angedeuteten Verschiedenheiten unterscheidet man nämlich: mechanische, physikalische und diätetische Heilmittel und sogenannte Arzneimittel.
A)nbsp; Mechanische Heilmittel sind diejenigen, welche durch Druck, Stoss, Reibimg u. dgl. auf den Thierkürper einwirken und die Heilung durch Trennung oder Vereinigung oder Verdichtung der organischen Substanz u. dgl. vermitteln. Zu ihnen gehören die chirurgischen Instrumente, Maschinen und Bandagen, und die Kenntniss ihres sämmtlichen Vorraths wird in der Akologie (Aco-logia), und in der chirurgischen Maschinen- und Bandagenlehre dargestellt.
B)nbsp; Physikalische oder physische Heilmittel sind solche, die ans der beständigen Wechselwirkung der meisten Substanzen auf einander als besondere Naturkräfte hervorgehen, und griisston-tbells als sogenannte unwägbare Stoffe (Imponderabilien) bestehenj wie besonders Licht, Wärme, Luft, Schall, Electricität, Galvanismus, Magnetismus u. s. w.
C)nbsp; Diätetische Heilmittel sind Substanzen, die durch ihre Mischung in einer solchen Beziehung zum gesunden Thierkürper stehen, dass sie, im passenden Verhältniss angewendet, dessen Thä-tigkeit in einem massigen Grade erregen, vorzüglich aber sie er­halten, indem sie durch den Verdauungs- und Assimilationsprozess der organischen Mischling des Körpers einverleiht werden, und so nicht nur die durch den Lehensprozess verbrauchten und ausge
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schiedeueo Bestandrheile ersetzen, sondern audi zur Erzeugung und Ausbildung neuer Theile den Stoff geben. Sie sind zum Fortbe­stellen des Lebens im gesunden und kranken Zustande durchaus nöthig, und werden deshalb gewöhnlich Nahrungsmittel oder Lebensmittel genannt. DieKenntniss von ihren Wirkungen und von ihrer zweckmässigeu Benutzung zur Erhaltung der gesunden und zur Wiederherstellung der kranken Thiere, wird in der Zoo-Düitetik gelehrt.
D) Arzneimittel (Pharmaca, Medieainenta), sind solche Sub­stanzen, wekbe zwar auch zunächst durch ihre eigenthümliche Mi­schung und Bestandtheile auf den Organismus einwirken, jedoch so, dass sie vorzüglich dessen Thätigkeit auf eine ungewöhnliche Weise umstimmen, aber dabei der organischen Materie entweder gar keinen, oder doch nur einen ganz unverhältuissmässig gerin­gen Stuff zum Ersatz der verbrauchten Bestandtheile abgehen, in­dem ihre eigenen Bestandtheile von der Art und in einem solchen Verhaltniss zu einander sind, dass sie nicht wirklich assimilirt wer­den können. Die Arzneimittel sind daher für sich allein auch nicht im Stande, die Gesundheit zu erhalten, wohl aber dieselbe zu stö­ren, wenn sie hei gesunden Thieren angewendet werden, weil sie durch die gewöhnliche Einwirkung auf die Kräfte des Organismus das normale Verhaltniss der organischen Verrichtungen sturen, und somit den Lebcnsprozess selbst aus dem Gleichgewicht bringen.*)
*) Anmerkung. Mit dieser ErkUining über das Verluilmiss der Arzneimitlei zum Organismus, ist die ErkUining von den Giflen sehr ver­wandt. Beide wirken vorzüglich durch das Veiiuillniss ihrer chemischen Beslandlheile und dynamischen Kräfte, beide können unter einsprechen­den Umsläuden heilsam oder auch schädlich und tiidllich sein. Als Arz-neimillel exisliten diese Substanzen aber nur in Beziehung auf den kran­ken Organismus und in der Idee, denselben zur Genesnnc.: umzuslinimen; sie entspreeben dieser Idee nur in einer gewissen (iabe und Art der Anwendung. Gifte beziehen sich auf den gesunden und kranken Orga­nismus, und es können dies dieselben Substanzen sein, dl..' auch als Arz­neimittel dienen, wenn sie in zu grossen Gaben und ungeschickt ange­wendet werden. Eine Strenge Grenzlinie zwischen beiden ist daher nicht möglich feslzuselzen, so wie es auch sehr schwer ist, eine genügende Delinition von dem was Gift ist, zu geben. Die besle scheint noch fol­gende zu sein: „Gift ist jede, dem thie rise hon Organismus fremde Substanz, welche in grösseror oder geringerer Gabe demselben beigebracht, schnell oder langsam auf eine chemisch - dy narais ehe Weise die Gesundheit stört, oder das Leben gänzlich vernichtet — und sich in demsel­ben nicht wieder erzeugt. (Der lelzlero Punkt dient zur Unter­scheidung des Giftes von dem Contagium.) — In thieraizllicher Hinsicht ist es noch viel schwieriger, zu bestimmen: was Alles zu den Giflen
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— Alles Wissenswlirdige von ihnen zusammeugenommen nililet die Arzneimittellebre (Pbarmacologia, Malerin medica).
sect;• 17-Die thicrilrzfliuin' Arzneimittellehre (Pbarmacologia ve­terinarian Zoo-Pharmacologia) beschäftiget sich mit der Erkeanuug, Zubereitung, Wirkung und Benutzuiig der zur Heilung kranker Haustbiere gebräuchlichen Arzneimittel, und sie umfasst demnach:
a)nbsp; nbsp;die naturhistorische Beschreibung der Arzneimittel hinsichtlich ihres Ursprunges, ihrer Kennzeichen und physischen Eigen­schaften, oder, die medizinische Waarenkunde, oderDro-gui'iilehre (Pharmacograpbia, Pharmacoguosis);
b)nbsp; nbsp;die Vorschriften zur zweckmässigeu Gewinnung, Aufbewahrung und Zubereitung der Arzneimittel, oder die Äpothekerkuust (Pharmacia), und
c)nbsp; nbsp;die Darstellung der Kräfte und Wirkungen, welche die Arznei mittel bei ihrer Anwendung auf denThierkürper unter verschie­deneu Verhältnissen entwickeln, — die Arzneiwirkungs­lehre (Pharraacodynamica).
sect;. 18. Der Inhalt dieser drei Abtheilimgen der Arzneimittellehre zu­sammen gewährt erst eine vollständige Kenntniss der Arzneimittel, und sie sind in dieser Beziehung von gleicher Wichtigkeit und von gleichem Wortlie. Da sie aber in ihrer Vereinigung noch ein zu umfangreiches Gebiet von Kenntnissen und Fertigkeiten darstellen, so werden sie jetzt fast überall, sowohl bei der theoretischen Be­frachtung (beim Unterricht) wie auch im praktischen Leben als na­türliche begränzte, und für sich lirstehende Gegenstände behandelt, um so das Studium jedes einzelnen Theiles für bestimmte Zwecke desto ausführlicher und gründlicher betreiben zu können. — Aus diesem Grunde soll auch hier nur die Lehre von den Arznei-einwirkungen abgehandelt werden.
sect;#9632; 19-Da die Wirkungen der Arzneimittel nur bei der Anwendung derselben auf den thierischen Organisnius entstehen, und eben so wie die Wirkungen der Heilmittel im Allgemeinen von verschiede­nen Bedingungen, namentlich aber von der Mitwirkung der Le bensthäligkeit abhängig sind, so ergiebt sieh, dass sie nur allein durch Beobachtungen, Versuche und Erfahrungen an lebenden und
aereclmcl werden soll, als in monschenärzllicber; weil maticlier Slnff bei den Thieren einer Gattung als liefiiges Gin wirkt, bei Tliieren ande­rer Gattungen aber entweder nur eine geringo Scliädliclikeit zeigt, oder sogar unscliädlioli und nicht giflig ist.
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besonders an kranken Thieren erforscht werden können. Die Lehre von den Arzneiwirkungen ist daher eine Erfahrungswisseuscbai^ welche in ihrem wesentlichen Theile aus einer Zusammenstellung von empirischen Kenntnissen über die Arzneiwirkungen besteht und zur Wissenschaft dadurch wird, dass in ihr die Summe aller vor­handenen Erfahrungen zu bestimmten allgemeinen Resultaten zu­rückgeführt, mit den Grundsätzen der verwandten Zweige derThier-heilkunde, namentlich mit denen der Physiologie, Pathologie und Therapie in Einheit gebracht, und so nach den Prinzipien jeder an­dern Wissenschaft zu einem regelmässigen Gebäude verbunden wer­den. —#9632; Leider ist jetzt die Thierarzneikunde noch sehr arm an wirklichen, ächten Erfahrungen über die Wirkungen der Arzneimit­tel auf unsere verschiedenen Hausthiere, und die Arzneiwirkungs­lehre zeigt daher noch grosse Lücken und Mängel, besonders im Vergleich zu den übrigen beiden Theilen der Arzneimittellehre, welche durch ihre Hiilfswissenschaften (Naturgeschichte, Botanik, Chemie u, s. w.) einen hohen Gfrad von Vollkommenheit erreicht haben.
sect;. 20. Aber auch in ihrer jetzigen Unvollkommenheit ist die Lehre von den Arzneiwirkungen für den praktischen Thierarzt einer der wichtigsten Theile seines nöthigen Wissens, weil sie die Einsicht in die innere Beschaffenheit des Heilungsprozesses sehr wesentlich fördert, und zugleich die Gründe lehrt, warum und wie in jedem Krankheitsfalle gerade das eine oder das andere einzelne Mittel, welches durch die therapeutischen Indikationen nur im Allgemeinen angedeutet werden kann, anzuwenden ist. Sie setzt daher bei der Auswahl der passenden Arzneimittel dem Zufall, dem Schwanken und der schildlichen Willkühr Grenzen, und ihre Eenntniss hat so­mit einen unmittelbaren und sehr grossen EinOuss auf die Zwecke und Erfolge der praktischen Thierheilkunst.
sect;#9632; 21-Die Arzneiwirkungslehre umfasst zwei Theile, nämlich einen allgemeinen oder theoretischen, und einen speziellen oder praktischen Theil. a) Die allgemeine Arzneiwirkungslehre beschäftiget sich:
1)nbsp; mit der Darstellung der Kräfte und Wirkungen der Arznei­mittel überhaupt (Theorie der Arznei Wirkungen);
2)nbsp; mit der Classification oder Eintheilung der Arzneimittel, und
3)nbsp; mit den Quellen und der Geschichte der Arzneimittel­lehre.
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b) Die Bpczidle Arzneiwirkungslehre enthält dagegen von jedem einzelnen Arzneimittd;
1)nbsp; seine Eigenthümlichkeit und seine Wirkungen aufdicTluere von verschiedenen Gattungen;
2)nbsp; die Gründe für und wider die Anwendung bei bestimmten Krankheiten j
3)nbsp; die Bestimmung der Gabe, Form, Art und Wiederholung der Anwendung bei verschiedenen Krankheiten der einzelnen Hausthiere, und
4)nbsp; die wirksamsten Zusammensetzungen und Verbindungen mit andern Mitteln für bestimmte Heilzwecke.
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Allgemeine Arzneiwirkungslehre.
Erstes Kapitel.
Theorie der Arzneiwirkungeu.
sect;#9632; 22.
Als Wirkungen eines Arzneiinittels befrachtet man die gauze Summe der Veränderungen in den Erscheinungen der Lebensthätigkeit, so wie in der Mischung und Beschaffenheit der fc'äfro u. s. w., welche nach seiner Einverleibung in den Thierkörper durch eine gewisse Zeit in demselben erfolgen, und die ohne diese Einverleibung nicht erfolgt sein würden. Sie sind aus den Einwirkungen der Arznei­mittel und aus den Reaktionen des Organismus zusammengesetzt.
sect;#9632; 23. Es ist die Aufgabe der wissenschaftlichen Thierheilkunde, eine mögliehst richtige Theorie darüber aufzustellen; wie die verschiede­nen, in der Erfahrung nachgewiesenen, und mancherlei Abänderun­gen unterworfenen Wirkungen der Arzneimittel bei ihrer Anwen­dung auf den thierischen Organismus entstehen, oder, wie der letz­tere und die Arzneimittel bei ihrer gegenseitigen Berührung sich verhalfen. Dieselbe muss daher nachweisen: 1) durch welche Kräfte die Arzneimittel überhaupt im thierischen Körper wirken; 2) wie und auf welche Weise die Arzneien im Körper zur Wirkung ge­langen; 3) wie verschieden die Arzneiwirkungen hervortreten, und •i) durch welche Umstände die gewöhnlichen Wirkungen eines Mit­tels modifleirt oder ganz unterdrückt werden können.
I. Von den Kräften, durch welche die Wirkungen der Arzneimittel im thierischen Organismus erfolgen.
sect;• 24. Die Kräfte eines Arzneimittels können für sich selbststündig nicht gedacht werden (da es nirgends eine Kraft ohne Materie giebt),
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siinrtorn sie sind immer an seine Bestuudtheile und deren Bigen-schaften gebunden, und vermöge derselben äussem die Arzneimit­tel, wenn sie mit dem thierischen* Organismus in Berührung kom­men, mechanische, chemische und dynamische Kräfte, indem sie auf ihn in der einen oder in der andern Art einwirken. Die Einwirkung ist jedoch nur bei wenigen Ansneimittelu bekannt, und zwar nur bei denen, wo die Physik und die Chemie über ihr Verhalten zu den organischen Bestandtheilen eine hinreichende Auf klärung gegeben haben; wo dies noch nicht geschehen ist, fehlt eraquo; auch noch an einer genügenden Erklärung der Einwirkung. Sehr häufig ist die Letztere mit der eigentlichen Wirkung des Arznei­mittels verwechselt worden, indem man alle Erseheimmgen der Arz-neiwirkung einseitig als blosse Folge der mechanischen, der chemi sehen oder dynamischen Krätle eines Mittels erkliirte.
sect;. 25.
Auf mechanische Weise wird der Organismus bei der Anwen­dung eines jeden Arzneimittels nothweudig berührt, da sieh keine Einverleibung eines materiellen Stoffes in den Körper ohne gegen­seitige Berührung denken lässt; doch kann durch diese Art von Einwirkung gewiss am allerwenigsten die eigenthütnliche Wirkung eines Arzneimittels bestimmt werden, weil J) die allermeisten Arz­neimittel weder durch ihre Masse und Form, in denen sie gewöhn­lich angewendet werden, noch durch die Art ihrer Anwendung eine nur etwas bedeutende mechanische Kraft äussern können;—2) weil verschiedenartige Arzneien, wenn sie auch in gleicher Menge, Form u. s. w. angewendet werden, dennoch nach ihren innern Eigen-thümlichkeiten sehr verschiedenartige Wirkungen erzengen; und hauptsachlich, weil •#9632;!) der Organismus durchaus nicht nach den Gesetzen der Mechanik, sondern nach denen seiner eigenen Lebens­kraft gegen äussere Einwirkungen reagirt, wenn auch die letztem durch mechanische Kräfte erzeugt worden sein sollten.
Die mechamsche Einwirkung der Arzneimittel kommt daher nur in so fern in Betrachtung, als sie örtliche Erscheinungen ver-anlasst und dadurch die Erscheinungen der eigentlichen Wirkung etwas inodificiren kann, wie z.B. bei ausserordeutlich grosseu, oder zu schnell wiederholten Gaben, welche den Magen anfüllen; oder bei sehr schweren und unauflöslichen Substanzen, welche auf die betroffenen Stellen drücken, z. B. metallisches Quecksilber, rohes Spiessglanz, gefeiltes Eisen, Zinn und dergl.; — oder auch, bei einzelnen Formen der Mittel und der Art ihrer Anwendung, z. B grobe Pulver, feste Bissen und Pillen, Pilaster, schwere Breium­schläge, Einspritzungen u. s. w.
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sect;. 26.
Eine chemische Einwirkung muss bei der Anwendung ei­nes jeden Arzneimittels stattfinden, weil: a) die Eigenschaften und Kräfte der Arzneimittel (wie aller andern Substanzen) hauptsächlich von ihren Bestandiheilen und ihrer Mischung abhängig sind; und b) weil, den genauesten Untersuchungen zufolge, die Bestandtheile der Arzneimittel mit denen des Thierkürpers nach den Gesetzen der chemischen Verwandtschaft in Wechselwirkung treten, so dass ge­genseitig Zersetzungen und neue Verbindungen entstehen. Dies wird dadurch näher erwiesen, dass:
1)nbsp; Arzneimittel von gleichen chemischen Bestandtheilen und von gleichen Mischungsverhältnissen im lebenden Thierkorper, — wenn dieser nicht selbst Verschiedenheiten darbietet, — stets die­selben Wirkungen erzeugen.
2)nbsp; nbsp;Arzneimittel von ähnlicher chemischer Zusammensetzung bringen auch meistens (jedoch nicht immer) ähnliche Wirkungen hervor; z. B. die Mineralsäuren, die verschiedenen Mittel mit Gerb­stoff, mit ätherischem Oel, die verschiedenen Fette u. dgl. — Die Verschiedenheiten, welche die einzelnen Mittel bei Betrachtung ih­rer vollständigen Wirkung wahrnehmen lassen, hängen zum Theil von der Beschaffenheit der neu gebildeten Verbindung, zum Theil auch von der gleichzeitig eingetretenen Veränderung der festen und flüssigen Theile des Körpers ab. (Siehe sect;. 43.)
3)nbsp; Arzneimittel von verschiedener chemischer Zusammensetzung erzeugen immer verschiedene Wirkungen, wenn auch einzelne Er­scheinungen der letztern dieselben sind; z. B. die Alkalien, die Säu­ren, der Weingeist u. dgl.
4)nbsp; Solche Arzneimittel, die aus Substanzen zusammengesetzt sind, deren Wirkung im Einzelnen verschieden ist (z. B. aus arse­niger Säure und Kali, aus Kohlensäure und Kali), zeigen bald mehr die Wirkung der einen, bald mehr die der andern Substanz. Die Ursache dieses verschiedenen Verhaltens ist bis jetzt noch nicht bekannt.
5)nbsp; Viele Arznei-Substanzen zerstören das organische Gewebe und die Mischung des lebenden Thierkürpers, indem sie sich ganz auf dieselbe Weise wie am todten Körper, mit den Bestandtheilen desselben chemisch verbinden; z. B. salpetersaures Silberoxyd wird mit der Chlorwasserstoffsäurc der thierischen Säfte zu Hurnsilber verbunden.
fi) Wenn die im Magen und Darmkanal abgesonderten Säfte zu viel Säure enthalten (z. B. bei der Lecksucht des Rindviehes), so kann man dieselbe durch Anwendung kalischer Mittel neutra-
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lisiren und fiir den Augenblick ihre schädlichen Wirkungen ver hindern.
7) Ehen so kann man Gase, die sich in den Baucheingeveiden in zu grosser Menge entwickelt haben (z. B. bei der Trommelsucht des Rindviehes u. s. w.), durch Anwendung solcher Mittel, die sie chemisch absorbiren und binden, z. B. Ealkwasser, Aschculauge, Aetz-Ammouium u. dgl. die Symptome der Krankheit beseitigen.
S) Aetzende Substanzen und mehrere mineralische Gifte kön­nen, so lange sie sich noch im Magen oder Darmkanal befinden, durch solche Mittel, welche ihre chemische Beschaffenheit umwan­deln, unschädlich gemacht werden (z. B. Aetz-Sublimat durch Ei-weiss oder Leim, Kupfersalze durch Zucker).
'J) Wenn der Urin zu reich an Harnsäure ist, und wenn Harn steine oder Gries in den Nieren oder in der Blase sich erzeugen, so kann man jene krankhafte Beschaffenheit, des Urins und diese abnormen Erze.ignisse durch Mittel beseitigen, welche ihrer che­mischen Beschaffenheit entgegengesetzt sind.
10)nbsp; Eisenfeile, Spiessglanz und dergl. verlieren bei der inner­lichen Anwendung ihre metallische Beschaffenheit und werden durch die im Magen vorhandene Säure oxydulirt, also ehemisch verän­dert; dagegen verlieren manche Oxydule und selbst Oxyde im Kör­per ihren Sauerstoff und werden in reguliuisches Metall umgewan­delt, wie zuweilen die Quecksilber-Präparate.
11)nbsp; Salpeter, Weinstein und andere Salze, eben so die Alkalien, Pflanzensäuren u. a. Substanzen werden im Thierkörper zersetzt und in den verschiedenen Flüssigkeiten desselben, namentlich in dem Harn u. s. w. werden ihre Bestandtheile, bald frei, bald in andern Verbindungen, wiedergefunden.
sect;• 27-
Die chemischen Einwirkungen der Arzneimittel sind hiernach von der grössten Wichtigkeit, theils, weil sie so vielfältig und aus­gebreitet erfolgen und daher eben so vielfältige und verschiedenar­tige Reaktionen bedingen, theils auch, weil sie dem Heilzwecke oft fur sich allein vollständig genügen, z. B. bei dein Gebrauch man­cher Mittel zum Zerstören krankhafter Gebilde, — oder gegen Säu­ren, Gase und Gifte in dem Verdauungskanal. Doch, sind auch hier die Erscheinungen der Einwirkung nicht mit der vollständigen Wirkung zu verwechseln; denn sie stehen, so weit sie von der che­mischen Wahlverwandtschaft abhängen, nicht unter dem Einflüsse der Lebenskraft, und die letztere wird sogar vernichtet, wenn die chemische Aktion der Stoffe im Körper zu sehr vorwaltet, wie z.B. bei Aetzmitteln und chemischen Giften. Wenn daher die Wirkung vollständig erfolgen soli, so muss nach der chemischen Einwirkung
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die organische Gegenwirkung eintreten, — wie sich dieselbe z. B. in der Reizung, Entzündung, Eiterung und Qranulationsbildung nach geschehener Anwendung eines Aetzmlttels zeigt.
sect;• 28.
Sehr viele Arzneimittel bringen bei ihrer Anwendung auf den Thierkörper keine bemerkbare Einwirkung hervor, erzeugen aber dennoch eine kräftige Reaktion in ihm. Da nun hei diesen Mitteln die Wirkung auf mechanische Weise gar nicht, auf chemische aber nicht genügend erklärt werden kann; — da überhaupt die Wir­kungen der Arzneimittel so sehr verschieden und bei jedem einzel­nen Mittel so sehr eigenthllmlich sind, dass man sie, selbst wenn man eine Mitwirkung chemischer und mechanischer Kräfte zugieht, doch nicht aus diesen allein genügend erklären kann; so muss man annehmen: dass jedes Arzneimittel ansser jenen physischen noch andere eigeuthOroliche Kräfte besitzt, die man, da sie nicht näher und bestimmter bezeichnet werden können, dynamische Kräfte genannt hat.
sect;• 29.
Diese dynamischen Kräfte der Arzneimittel sind nur bei ihrer Einverleibung in den lebenden thierischen Organismus, aus den hiernach entstehenden eigeuthümlichen Reaktionen der Lebens-thätigkeit, oder mit anderen Worten, aus ihren Wirkungen zu er­kennen. Da also jede Arzneiwirkung von der dynamischen Kraft der Arzneimittel und der Lebenskraft zugleich erzeugt wird, so kann man sie mit Recht im Aligemeinen als eine dynamische Wirkung bezeichnen.
sect;. 30.
So wie aber jedes Arzneimittel durch besondere physische Ei­genschaften, namentlich durch die Art, Menge und Verbindung sei­ner Moleküle, besonders der chemischen Grundstoffe und der nä­hern Bestandtheile durch spezifische Schwere, Farbe, Geruch u. s.w. einen spezifischen Körper darstellt, so sind auch die hiervon abhängigen dynamischen Kräfte und Wirkungen eines jeden einzelnen Arzneimittels spezifisch, d.h. eigenthüm-lich und von den Kräften und Wirkungen aller andern Mittel ver­schieden, und man kann daher in diesem Sinne jedes Arznei­mittel als ein spezifisches Mittel betrachten.
Hieraus geht zwar hervor: dass die dynamischen und spezifi­schen Kräfte der Arzneimittel von der Materie derselben abhängig sind; doch ist es bis jetzt trotz aller Bemühungen noch nicht ge­lungen, jene Kräfte ans den materiellen Eigenschaften dieser Mittel erklären zu können, — und aus dem sect;. 19. und 2^). angegebenen Grunde muss wohl auch jede solche Erklärung, die sich mir auf
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die Grimdstoffc, Bestandtheilo und Kräfte der Arzneimittel allein bezieht, stets nngonügeud bleiben.
sect;• 31.
Die spezifischen Kräfte eines Arzneimittels zeigen sich da­durch, dass dasselbe bei seiner Anwendung auf den thierisehen Or­ganismus nieht gerade am Orte der Anwendung seine Hauptvir-kung zeigt, auch nicht den ganzen Organismus gleicbmässig alTi-cirt, sondern dass es immer auf ein bestimmtes System, auf einen organischen Apparat — oder selbst auf ein besonderes Organ vorherrschendwirkt, und dessen Funktion bald allgemein, bald auch nur in den einzel­nen Modifikationen der Lebenskraft ergreift und eigen-thümlich umändert. So wirken z. 13. das Opium vorherrschend auf das grosse Gehirn, der Kampher auf das kleine Gehirn und das verlängerte Mark, desgleichen auf die Nieren, die Brecbuuss auf das Rückenmark, der Brechweinstein auf den sympathischen Nerven, die Aloe auf die Leber, die Canthariden auf die Harn­werkzeuge u. s. w.
sect;. 32.
Wie die spezifischen Wirkungen der Arzneimittel entstehen? — ist nicht genau zu erweisen, da sie in Veränderungen des uner­klärlichen Lebensprozesses der einzelnen Organe selbst bestehen, und nur aus ihren äussern Erscheinungen zu erkennen sind. Aus diesen geht aber hervor: 1) dass jedes Arzneimittel sich wie ein spezifisches Reizmittel für ein gewisses Organ verhält, und daher auch wahrscheinlich zuerst die spezifische Sensibilität desselben af-ficirt; 2) dass diese Affektion bei manchen Arzneimitteln durch Fort­leitung der, an dem Orte der Anwendung entstandenen ümstim-inung der Nerventhätigkeit allein bewirkt wird, bei den meisten aber durch die materielle Hinleituiig oder vielleicht mehr eine An­ziehung der Arzueistoffe zu dem Organ der spezifischen Wirkung, entsteht; 3) duss sowohl mit jeder spezifischen wie mit jeder an­dern Arzneiwirkung eine Veränderung in dem materiellen Zustande (in der Organisation) des betreffenden Organs verbunden sein muss, weil a) die Beschaffenheit der Materie des Körpers von derLebens-thätigkeit überhaupt abhängig ist, und daher auch jede veränderte organische Thätigkeit eine Veränderung in der Beschaffenheit und Mischung verursacht, und b) weil nach einem allgemeinen bestätigt gefundenen organischen Verhalten oder Gesetz jede Reizung mit einem vermehrten Zufluss der Säfte zu dem gereiz­ten Theile verbunden ist, — wodurch allein schon bedeutende Veränderungen in der Organisation desselben entstehen können, wenn auch dieselben nach aufgehobener Reizung wieder vorüber-
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gehen: — und 4) wenn Arzneimittel gewisse Sekretionen erregen, so werden sie gewöhnlich mit denselhen durch das betreffende Or­gan wieder aus dem Körper ausgeschieden.
sect;• 33. Da also die Arzneimittel in der Lebensthätigkeit und in dem materiellen Zustande des Thierkörpers Veränderungen hervorbrin­gen, die Krankheiten aber wesentlich auch in solchen Veränderun­gen bestehen, so ergiebt sich: dass jede Arzneiwirkung eine Stö­rung der Verhältnisse, eine Art künstlich erzeugter Krankheit ist, die sich nach der Verschiedenheit der bei der Wirkung afficirten Organe u. s. w. äusserlich durch entsprechende Symptome, wel­ches die Erscheinungen der Arzneiwirkung sind, zu erken­nen giebt.
sect;#9632; 34. Die Wirkung eines Arzneimittels behält, wenn es dieselbe spe­zifische Beschaffenheit besitzt, auch stets dieselbe spezifische Rich­tung auf ein bestimmtes Organ oder System, es mag auch noch so verschieden an oder in den Körper gebracht werden, und das spezifisch afficirte Organ mag in einem gesunden oder krankhaften Zustande sich befinden. Aber die Erscheinungen dieser spezifischen Wirkungen können dennoch sowohl in der Art, wie in der Stärke, durch die verschiedenen äussern und inneren Verhältnisse, die bei der Anwendung eines Mittels zugegen sein können, ausserordent-lich modifizirt werden. So wird z. B. der Brechweinstein bei allen unsern Hausthioren, sie mögen gesund oder krank sein, zwar stets eine Wirkung auf den grossen sympathischen Nerven und auf die Organe zeigen, die von ihm ihre Nerven erhalten; aber nur bei dem Schweine, hei dem Hunde, der Katze und bei einigen Vögeln kann er, in hinreichender Menge angewendet, Erbrechen hervorbringen, und zwar eisen sowohl, wenn er durch das Mau.' in den Magen gebracht, wie auch, wenn er in die Blutadern eingespritzt ist; in geringerer Menge angewendet^, bewirkt er nur Ekel und vermehrte Absonderung im Schlundkopf, im Schlünde, Magen u. s. w.; in sehr grosser Menge erzeugt er Entzündung der Lunge, des Magens und der Gedärme; bei vorhandener Vergiftung durch betäubende Stoffe, bringt bei Schweinen die sonst wirksame Menge des Mittels kein Erbrechen hervor u. dergl. (Siehe weiter unten sub IV.).
sect;. 35. Die spezifische Wirkung eines Arzneimittels bildet niemals des­sen alleinige oder ganze Wirkung (Total-Wirkung), da auch noch theils die örtliche Einwirkung und materielle Weiterverbreitung der Arzneistoffe Reaktionen und eine veränderte Lebensthätigkeit in den betroffenen Organen veranlasst, theils aber hierdurch und durch
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ilie spezifische Wirkung selbst die Lebeusthätigkeit in andern Or­ganen auf consensuelle oder antagonistische Weise verändert wird Die Totalwirkung zeigt sich daher in einer ganzen Reihe von Erscheinungen der veränderten Lebeusthätigkeit, welche in ihrer Beschaffenheit, Stärke, Dauer und Ausbreitung über mehrere Organe bei einem und demselben Mittel sehr verschieden sein können, je nachdem die Anwendung in verschiedener Menge, Wiederholung, Form und in der Verbindung mit andern Mittein auf verschiedene Organe und bei verschiedenen Lelenszuständen geschiehet.
Auch ist die spezifische Wirkung weder in der Grüsse, Stärke und Dauer der Erscheinungen, noch für bestimmte thierärztlicbe Heilzwecke immer als die Hauptwirkung zu betrachten, denn sie wird bei sehr vielen Arzneimitteln durch die Erscheinungen der örtlichen Einwirkung oder durch die der consensuellen und anta­gonistischen Wirkung weit übertroffen, und diese werden deshalb von manchen TMerärzten nur allein beachtet und zur Beseitigung der vorhandenen Krankbeitszustände benutzt.
sect;. 36.
Die Heilung krankhafter Zustände des thierischen Organismus mit Hülfe der Arzneimittel erfolgt durch dieselben (im Vorherge­henden angedeuteten) Kräfte, und die Heilwirkungen selbst werden auf dieselbe Weise entwickelt. Absolute Heilkräfte (sect;.14.) be­sitzen die Arzneimittel nicht, und es kommt daher bei ihrer Aus­wahl für einzelne Kranklieitszustände #9632;— abgesehen von den übri­gen therapeutischen Indikationen — vorzüglich darauf an: ans al­len vorhandenen Krankbeits-Symptomen das ursprünglich oder vor­herrschend leidende Organ oder System (Sitz und Form der Krank­heit), die qualitative Art (den Charakter) und den Grad der krank­haften Lebeusthätigkeit richtig zu erkennen und hiernach dasjenige Arzneimittel in passender Gabi', Form u. s. w. anzuwenden, wel­ches nach seinen, aus der Erfahrung bekannten Wirkungen am meisten geeignet ist, gerade diese abnorme Lebeusthätigkeit und diesen Zustand der kranken Organe gründlich, schnell und leicht umzuändern.
Diese Umänderung aber kann durch die Wirkung der Arznei­mittel auf zweierlei, fast entgegengesetzte Art erreicht werden; näm­lich entweder a) indem die angewendeten Mittel eine der krankhaf­ten Thätigkeit in jeder Hinsicht entgegengesetzte Thätigkeit erre­gen (z. B. adstringirend wirken bei zu grosser Erschlaffung der Gebilde, — betäubend bei zu sehr aufgeregter Sensibilität u. derirl), — bis tier normale Zustand oder die möglichste Annäherung hierzu erreicht ist (auf allöopatbiscbe und antipathischo Heilungsweise);
Hartir ig ArzncimiUcIIcIite.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;g
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— oder indem sie h) eine solche Thäfigkcit hervorrufen, welche dem vorhandenen Erankheitszustande, und somit auch den Krank-heitssymptomeu ähnlich ist (auf homöopathische Heilungsweise), und durch welche daher die letztem bis zu einem gewissen Grade gesteigert werden können. Wie die Heilung auf tue erstere Art vermittelt wird, leuchtet von selbst ein; die andere Art der Heil Wirkung aber liissf sich nur dadurch erklären, dass es
1)nbsp; viele Krankheiten giebt, welche einen bestimmten (normalen) Verlauf haben und zur gründlichen Heilung nur gelangen, wenn dieser Verlauf mit vollkommener Ausbildung der ganzen Krank­heit beendet werden kann. Ist also diese Ausbildung einer solchen Krankheit auf irgend eine Weise von ihrem bekannten Normal-Ty­pus abweichend, so kann eine künstliche Beförderung desselben, namentlich bei zu geringer Thätigbeit des Organismus, durch ent­sprechende Arzneimittel erfolgen und nützlich seyn;
2)nbsp; dass viele Krankheiten, deren günstige Entscheidung auch nicht eben von einem solchen bestimmten Verlauf abhängig ist durch die Erankheits-Symptome doch häufig eine Tendenz zu ge­wissen andern krankhaften Thätigkeiten zeigen, welche, der Erfäh­rung zufolge, die Heilung herbeifuhren, aber für sieb allein nicht Ivollständig genug entwickelt werden können, und daher durch ähn-
ich wirkende Mittel befördert werden müssen. Und
3)nbsp; dass nach einem allgemein bestätigt gefundenen Verhalten der Lebenskraft „eine schwächere dynamische Affektion im leben­den Organismus von einer stärkeren dauerhaft aufgehoben wird, wenn diese (der Art nach von ihr abweichend) jener sehr ähnlich in ihrer Aeusserung ist.quot;
In welchen Fällen die heilsame Umänderung der Lebensthätig-keit auf die erste oder auf die andere Weise durch entsprechende Arzneimittel vorzüglicher ist, muss die Therapie lehren.
Da aber die unmittelbare Umänderung der krankhaften Thä-tigkeit des ursprünglich oder vorzüglich ergriffenen Organs nicht immer möglich, und eben so nicht immer hinreichend für die gänz­liche Beseitigung aller Krankheitserscheinungen ist, weil theils die spezifischen Mittel für manche Organe und deren verschiedenartige Veränderungen noch nicht bekannt genug sind, und weil ferner aussei dem dynamischen Missverhältniss auch häufig noch mate­rielle schädliche Stoffe (bald die ersten Ursachen, bald die Produkte der Krankheit) im Körper zugegen sind und die gründliche Hei­lung hindern, so ergiebt sich: dass die Heilwirkung auch mittelbar theils in consensuellen und antagonistischen Veränderungen, theils in materieller Umänderung oder Ausleerung und Entfernung der krankhaften Stoffe begründet sein kann.
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II. Von der Weise, aufweiche die Arzneimittel im'Thier
körper aufgenommen werden und zur Wirksamkeit
gelangen.
sect;• 37. Die Arzneimittel kommen bei ihrer Anwendung auf denThier-
korper entweder mit dessen Oberflächen (mit der Haut oder den Schleimhäuten), oder mit verletzten Stellen und geöffneten Blutgc-fiissen in gegenseitige Berührung und erzeugen hier zuerst eine Einwirkung mit bald mehr, bald weniger deutlich bemerkbaren ört­lichen Erscheinungen. Bei den meisten Arzneimitteln finden sich aber sehr bald noch Erscheinungen sehr regelmässig an andern, selbst an den entferntesten Theilen des Körpers hinzu, und diese letztern Erscheinungen beweisen also, dass die Wirksamkeit der Arzneimittel übi^ die Grenze ihre.quot; lokalen Einwirkung hinausgeht. Da man diese Weiterverbreitung der Arznei Wirkung stets nur bei der Anwendung auf den lebenden Thierkörper, niemals am todten sieht, und da es somit gewiss ist, dass sie nur durch die organische Tbätigkeit des Körpers zu Stande gebracht wird: so ist es auch nüthig, zu untersuchen: von welchen Organen und wie die Arzneikräfte aufgenommen und zur Entwicklung ihrer weitern Wirkungen gebracht w7erden?
sect;• 38.
Die Physiologie hat nachgewiesen, dass von Seiten des thieri-schen Organismus die Aufnahme aller äusseren Einflüsse, und so­mit auch die der Arzneimittel nur auf eine zwiefache Weise (sect;. 32.) und von zwei organischen Systemen möglich ist: nämlich a) dyna­misch, durch blosse Berührung empfindlicher Flächen des Körpers — also vom Nervensystem; und b) durch materiellen Uebergang in die Säfte des Körpers, — durch das Gefässsystem, vorzüglich vermittelst der Aufsaugung (Absorption, Resorption) seltener, und nur künstlich bewirkt, durch gewaltsames Einbringen in die grös-sern Gefässe vermittelst der Infusion.
sect;. 39.
a) Durch die Berührung empfindlicher Flächen entsteht zwar bei der Anwendung eines jeden Arzneimittels ein Theil der Wir­kung, nämlich die mit der Einwirkung verbundene örtliche Affek-tion der Irritabilität und Sensibilität; bei manchen Arzneimitteln scheint aber auf diese Weise die ganze spezifische Wirkung mit ihren sämmtlichen Erscheinungen zu erfolgen, da dieselbe so schnell und so vollständig eintritt, z.- B. bei der Blausäure, dass man sie weder aus der örtlichen Reaktion allein, noch aus der hiervon ent­standenen cousensuellen und antagonistischen Wirkung erklären
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kann. Höchst wahrscheinlich entstellen diese schnellen, flüchtigen Wirkungen nur aus einem dynamischen Eindruck auf die Nerven (als spezifische Reizung oder spezifische Unistiinmung), oder aus einer dynamischen Wechselwirkung, welche zwischen den Arznei­kräften und der Nervenkraft stattfindet, und die daher nur durch das Nervensystem vermittelt wird. Dies geschieht von dem letz­tern ganz auf die ihm eigene Weise, indem nur allein die freien, peripherischen Endpunkte der Nerven die Einwirkung der Arznei-kriifte aufnehmen, die grossern Nervenzweige aber die entstandene Reizung bis zum Gehirn oder Rückenmark, und hierauf auch wie­der von hier die spezifischen Reaktionen zu andern Organen hin­leiten. — 80 wie die mit der Berührung der Nervenenden verbun­dene spezifische Umstimmimg derNerventhätigkeit (tier dynamische Eindruck oder die Reizung) von den spezifischen Kriiften eines Arz­neimittels abhängig ist, eben so ist auch diese Art der Aufnahme selbst grössfentheils durch die Art seiner Bestandtheiie bedingt; denn man sieht, dass vorzüglich flüchtige und stark riechende Arz­neien, z. B. die Aetherarten, spirittiüse Mittel, die Blausäure, Kam­pher u. s. w. ihre Wirkung durch blosse Berührung des Körpers entwickeln. Eine materielle Aufnahme dieser oder anderer flüch­tiger Stoffe durch die Nerven findet nicht statt; aber sie können durch die Blut- und Lymphgefasse materiell aufgenommen werden und dadurch auf eine zweite Weise zugleich zur Entwickelung ih­rer spezifischen Wirkung gelangen. Mit dieser dynamischen Wir­kung selbst sind jedoch immer materielle Veränderungen im Kor­per verbunden, wenn auch nicht die materielle Aufnahme der Arz-ueistoffe erfolgt ist. — In früherer Zeit, wo man den materiellen Uebergaug der Arzneimittel durch die Absorption ücht genügend kannte, suchte man die Arzneiwirkungen fast allein aus der Berüh­rung und Umstimmung der Nerven zu erklären; in der neuern Zeit ist diese Erklärung jedoch mit Recht nur bei wenigen Mitteln als anwendbar befunden worden, weil sie sich schwer nachweisen lässt, die Absorption aber bei den meisten Mitteln wirklich nach­gewiesen ist.
sect;#9632; 40.
b) Die materielle Aufnahme der Arzneistoffe durch Gelasse in die Substanz des Thierkörpers (Aufsaugung. Einsaugung, Resorption, Absorption) findet bei der Anwendung fast aller Arz­neimittel statt, wie dies durch eine sehr grosso Anzahl physiologi­scher Versuche und clinischer Beobachtungen bewiesen ist. Die wichtigsten hierher gehörigen Thatsachen sind folgende:
1) Die (Quantität einer, mit dem Körper in Berührung gebrach­ter Arzneisubstanz wird nach und nach Immer mehr vermindert
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auch wenn rlnrrli Verdunstung und dergL kc\igt; V'erlusr entstehen konnte.
2)nbsp; Solche Arzneimittel, die nach und uach absorbirt werden, bringen au entfernten Organen Wirkungen hen'or, die mit dem Ver­schwinden der Arzneisubstanz an der Auweuduugsstelle in einem entsprechenden Verhältnisse stehen.
3)nbsp; Sehr viele Arzneistoffe sind im Chylus und im Blute wie­dererkannt worden, und zwar manche durch ihren Gferuch und ihre Farbe, andere mir mittelst chemischer Reagentien, und selbst nur nach geschehener Zerstörung der organischen Bestandtheile des Bluts und des Chylus. Mehrere Substanzen, die man in den se-zernirten Flüssigkeiten und in den listen Theilen des Thierkörpers wiedererkennen kann, z. B. die Färberröthe, Rhabarber u. a., hat man zwar his jetzt im Blute und im Chylus nicht entdecken küu-nen, obgleich sie in diesen Süllen vorhanden sein müssen. Da aber die Uutersuchungen hierüber se.'ir schwierig und zum Theil mit den gewöhnlichen Methoden und Bülfsmitteln gar nicht auszufüh­ren sind; so darf man aus dem bisherigen Nichtauffinden dieser .Substanzen doch nicht schliessen, dass dieselben in das Blut nicht übergeben.
4)nbsp; Manche angewendete Substanzen finden sich in den festen Theilen des Thierkörpers wieder, z. B. der Farbestoff der Färber­röthe in den Knochen.
5)nbsp; Sehr viele Arzneistofffe werden in den Aussonderungen der Thiere wiedergefunden, und zwar verbältnissmässig in weit grös-serer Menge und leichter als im Blute und im Chylus: doch sind viele Stoffe hierbei chemisch zersetzt. — Im Urin kommen die mei­sten Stoffe, z^ B. Jod, Rhabarber, Schwefel, Alkalien, Säuren, Salze, Metalle und ihre Verbindungen, u. dergl. vor. — In der Luugen-ausdünstung bemerkt man hauptsächlich die flüchtigen, leicht ver­dunstenden Stoffe, z. B. ätherische Oele, Kampher, Weingeist, Phos-phor. — Im Schweisse sind nur wenige Siotie mit Sicherheit nach­gewiesen, wie Schwefel, Phosphor, die Qüchtigen Bestandtheile der Zwiebeln, des Knoblauchs. Wahrscheinlich wird auch Terpentinöl, Quecksilber, Ammoniak u. dergl. durch die Lungen- und die Hatit-ausdhnstnng ans dem Blute wieder entfernt. — In die Milch ge­hen sehr viele Stofte über und geben sieh durch Geruch, Geschmack und Farbe, durch ehemische Reagentien und selbst durch ihre ei-genthümliche Wirksamkeit auf Menschen und andere Thiere zu erkennen, wenn diese die Milch gemessen. So ist es mit dem Bit­ler- und Farbstoff vieler Pflanzen, mil dem scharfen Stoff mancher Pu rgimittel, mit Harz, Jod, Zucker n. a.
(i) Wenn die Absorption eines Arzneimittels gehindert wird
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•)•gt;
oiler nicht stattöudet, so eutstebeu blos örtliche Wirkungen; l. ß. wenn die Gelasse au der Applikationsstelle gelähmt, unterbunden, durcbscbuitteu, oder auf eine andere Weise uuthätig gewordeu sind; oder, — wenn die Arzneimittel unlöslich sind, und eben so, wenn sie an den Stellen der Einwirkung mit solcheu Stoffen zusammen­kommen, mit denen sie unlösliche Verbindungen bilden. So sind a. B. salpetersaures Silberoxyd oder essigsaures Bleioxyd in Ver­bindung mit Eiweissstoff im Wasser unlöslich, und werden daher für sich allein nicht absorbirt.
7)nbsp; Manche Arzneimittel bringen in den entfernten Organen ganz dieselben Erscheinungen hervor, welche am Orte der ersten Berüh­rung eintreten, obgleich der letztere eine verschiedene Funktion aus­übt. So erregen die Gauthariden und die arsenige Säure, wenn sie in hinreichender Menge ansserlicb angewendet werden, erstere in den sämmtlichen Harnwerkzeugen, und letztere im Magen ganz ähnliche Reizung, Entzündung und Zerstörung wie an der Anwen­dungsstelle.
8)nbsp; Nach der Anwendung mancher Arzneimittel und Gifte be­sitzen die flüssigen und festen Theile des betroffenen Thieres die­selbe Wirkungskraft auf andere Thiere, wie jene Mittel selbst, — auch wenn hierbei die ursprünglich berührten Theile ausser der Betrachtung bleiben. So wirken oft Abluhrungs- und Brechmittel, auch betäubende Mittel und einige Metalle durch die Milch eines Thieres auf andere Thiere (und selbst, auf Menschen); der Genuss des Fleisches von Thieren, die durch Arsenik getödtet sind, wirkt auf andere vergiftend u. dergl.
Aus diesen auffallenden Thatsachen bat man es schon lange erkannt, dass ein materieller üebergang der Arzneistoffe in die Ma­terie des Thierkörpers stattfindet, und dass hierbei die meisten Stoffe in das Blut gelangen; ob aber die Aufnahme derselben durch die Blutadern selbst und allein, oder durch die Lympbgefässe allein geschieht? war eine, bis in die neuere Zeit bestrittene Frage ge­blieben, da man sowohl im Venenblute verschiedener Organe, als auch in der Lymphe und im Chylus Arzneistoffe gefunden hat. Eine genaue und unpartheiische Untersuchung zeigt, aber, dass die Absorption weder einseitig von den Blutadern, noch von den Saug-adern allein vollführt wird, sondern dass viele Stoffe von den letz­tern, die meisten aber von den erstem, und viele von beiden zu­gleich aufgenommen werden.*)
*) Nach Dr. Behr's Versuclien nehmen z. B. die Lympligofässe zwar Salze, aber keine narkotische Mlltel auf, und wenn man andere
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sect;. 42. Die Aufsaugimg selbst geschieW vorzüglich durch die feinsteu
Zweige oder Wurzeln der genannten Gefässe, und sie ist daher immer um so starker, je reicher ein Theil an feineu Blut-und Saug­adern ist, je mehr oberflächlich dieselben liegen und je grosser die Berührungsfläche für die angewendeten Arzneimittel ist. Sie fin­det überall im Körper statt, wo Venen und Lymphgefässe beste­hen, scheint aber am lebhaftesten an den häutigen Flächen, und zwar vorzüglich an den serösen Häuten, etwas schwächer an den Schleimhäuten, und noch etwas schwächer an der äussern Haut ZU erfolgen. iM dicken, fetten und vollblütigen Thieren äussert sie sich schwächer als bei magern, und sie kann durch vorausgegan­genes Reiben eines Theiles, durch Beraubung seiner Oberhaut, durch Muskelbewegung, durch magere Diät und durch reichliche oder schnelle Säfteeiilziehnng (Aderlassen, Purgiren und dergl.) sehr be­fördert werden. — Mit dem Grade der Absorption steht auch meh-rentheils der Grad der spezifischen Arzneiwirkung in einem glei­chen Verhältnisse.
sect;. 43. Wenngleich nach dem oben Gesagten die Resorption durch die eigene Thätigkeit der Gefässe bewirkt wird, so ist sie doch nicht von dieser allein abhängig, sondern sie wird auch: a) von der Beschaffenheit der angewendeten .Substanzen, so wie b) von der Beschaffenheit der Theile und der Flüssigkeiten an den Stellen der Einwirkung bedingt. Als Erfahrungssatz steht hierbei fest: dass nur auflösliche Substanzen resorbirt werden; — und der ma­terielle üebergang der Arzneien erfolgt daher auch um so leichter, schneller und vollständiger, je mehr dieselben an und für sich auf­löslich in den thierischen Säften sind, jemehr sie aufgelost und flüssig in den Körper gelangen, oder, jemehr sie geeignet sind, mit den an der Einwirkungsstelle vorhandenen Stoffen auflösliche neue Verbindungen zu bilden. Unter entgegengesetzten Umständen fin­det die Resorption wenig oder gar nicht statt, sondern es entsteht blos eine lokale Einwirkung durch Berührung, worauf zuweilen durch Sympathie eine weitere Umstimmung im Körper erfolgt. — Manche Stoffe werden unverändert resorbirt und wirken deshalb auf alle Gebilde, zu denen sie gelangen, ganz gleichartig, z. B. die Fette; diejenigen Stoffe aber, die bei der ersten Einwirkung che-
Suhslanzen, z. B, Salze, mit narkotischen vermischt, in Wunden bringt, verlieren lt;lie Lymphgefässe ilie Fähigkeit, auch diese andern Substanzen aufeusaugen (Zeilscbr, f. raUopelle Medizin von Uenle und Pfcufer, Bd. I. Hfl. U.
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misch verändert lind dann erst resoibirt werden, bringen an den entfernteren Theilen eine andere Wirsung hervor, als am Orte der ersten Einwirkung. — Vcu manchem Arzneimittel entstehen mehr­fache Zersetzungen und neue Verbindungen, Je nach den verschie­denen Theilen, mit denen es nach und nach in Berührung kommt. Gelangt z. B ein Mittel in die Maulhöble, in den Magen, den Darm­kanal oder auf die Haut, so kommen zunächst die hier abgeson­derten Flüssigkeiten, im Magen und Darmkanal auch der ganze Inhalt dieser Organe, und dann erst die Oberflächen derselben in Betracht; und sowohl mit jenen Flüssigkeiten, als auch mit den organischen Stoffen der Schleimhaut, entstehen bald lösliche, bald unlösliche Verbindungen. Hierauf beruhet es wahrscheinlich, dass einige Arzneimittel, die im Wasser unlöslich sind, z. B. Calomel, Schwefel u. dergl. dennoch resorbirt werden. Auch ist es aus dem­selben Grunde zu erklären: warum manche Mittel an einer Stelle des Körpers mehr resorbirt werden und kräftiger wirken, als an der andern, oder, warum einige Mittel (z. B. die arsenige Säure und der Kupfervitriol) die auf der Haut oder in grossen Gaben auch innerlich angewendet, neben ihrer spezifischen Wirkung auch eine heftige örtliche Einwirkung erzeugen, während die letztern von kleinen Gaben bei innerlicher Anwendung nicht eintritt. Kleine Quantitäten dieser Mittel werden nämlich durch die Sekrete der Magen- und Darmschleimhaut vollkommen gesättiget, so dass sie dieselbe nicht mehr chemisch angreifen, während bei grossen Ga­ben die Schleimhaut seihst zu der neuen Verbindung mit dem Me­dikament beitragen muss, da das Sekret hierzu nicht hinreichend ist.
sect;. 44, Durch die materielle Aufnahme der Arzneistoffe in die Getässe muss zwar immer zuerst eine Veränderung in der Mischung und Beschaffenheit der Lymphe und des Blutes, und eben so eine ver­änderte Reaktion der betreffenden Gefässe bewirkt werden; allein diese ersten Wirkungen sind bei sehr vielen Arzneimitteln, und selbst, bei solchen, die scharfe Stoffe enthalten, nur ganz unbedeu­tend und wenig bemerkbar. Da aber auf diese Umänderung der Gefassthätigkeit und der thierischen Säfte die Arzni'iWirkung nie­mals beschränkt bleibt, sondern sich hauptsächlich durch Verände­rung der Lebensthärigkeit bald im ganzen Körper, bald in einzel­nen Organen und sehr verschiedenartig äussert, so kann man wohl nicht annehmen, dass die durch die Aufsaugung in den Körper gelangten Arzneistoffe ihre eigentlichen Wirkungen nur durch die mehr oder weniger heterogene Beschaffenheit ihrer Stoffe im Ver­gleich zur Blutraasse und zur organischen Materie überhaupt, her­vorbringen, sondern es ist vielmehr wahrscheinlich: dass sie mit
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den Säften in das Innere der Gebilde gelangen, hier mit den Aus­breitungen der Nerven überall in innige Berührung treten und nun im Verhältniss der Stärke und Richtung ihrer Kräfte zum Nerven­system ihre spezifischen Wirkungen entwickeln, hieraijf abir meh-rentheils durch das eine oder das andere Excretionsorgan wieder aus dem Körper entfernt werden. — Haben aber die absorbirteu Stolfe keine sehr heterogenen Eigenschaften, besonders in Beziehung zum Nervensystem, so werden sie häufig als Mittel für dieBildungs-tbätigkeit an einzelne Organe abgesetzt, wie dies z. B. bei den mehligen, schleimigen, eiweisshaltigcn, feiten u. a. Mitteln der Fall ist, die als Nahrungsmittel dienen.
sect;. 45.
Dieser ganze Prozess der Arzneiwirkung durch Absorpfiou u. s. w. wird bei manchen Mitteln und unter günstigen Umständen sehr schnell,*) bei andern aber etwas langsamer und auf die Weise vollführt, dass die aufgenommenen Stoffe erst mit dem Blute den ganzen Kreislauf, und zwar vielleicht mehrmals, durchgehen müs­sen, ehe sie auf ein Organ ihre volle Wirkung ausüben und ehe sie wieder entleert werden. So z. B. wird das Terpentinöl, wenn es innerlich angewendet, oder äusserlich in die Haut eingerieben ist, oft schon nach einer halben Minute zum Theil wieder mit der ausgeathineten Luft ausgeschieden, während die Aloe erst mit 20 bis 2i Stunden purgirende Wirkungen hervorbringt, und die Fär-berrötbe sich gewöhnlich erst eben so spät in der Milch erkennen lässt. — Bei vielen aufgesogenen Stoffen wird höchst wahrschein­lich die schnelle Wirkung durch unmittelbaren Eindruck auf die Nerven gleichzeitig vermittelt und dadurch sehr befördert.
sect;. 4(1.
Ausser diesen beiden Arten, wie die Arzneimittel im Tbierkör-per zur Wirkung gelangen, hat man auch noch eine dritte Art an­genommen, nämlich das Eindringen (die Penetration) der Arz­neistoffe durch die Poren der organischen Gebilde. Ein sol­ches Eindringen und Durchdringe?) lässt sich allerdings von sehr vielen Stoffen, z. B. von fetten und ätherischen Oelen, von färben­den Stoffen, von Grünspan, von Wasser, Weingeist, von den mei­sten Gasarten und dergl., in mehreren oberflächlichen Theilen des Körpers, wie in der Haut, in den Sehleimhäuten, im Zellgewebe,
*) Nach Hering's mid meinen Versuchen erfolgt der ümirieb ci-ner, liui Pferden in das Blut injizirten Substanz durch den grossen und Kleinen Kreislauf, und somit durch den ganzen Körper, binnen etwa (6 his SO Sekunden; Blake sähe ihn heim Pferde in i6 Sek., heim Ka­ninehen in M, heim Hunde in tO und bei Hühnchen schon in 6 .Sekun­den erfolgen.
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iu hornigen Tbeilcn u. s. w. nachweisen und auch aus der Poro­sität des ganzen Körpers erklären. Allein, die physiologische Un­tersuchung dieses Vorganges zeigt, dass derselbe a) in keiner le­bendigen Thätigkeit besteht, sondern nur in einer örtlichen, rein physischen (mechanischen und chemischen) Einwirkung, die auch ganz auf dieselbe Weise am todten Thierkorper erfolgt, wie dies das Durchschwitzen der Galle durch die Häute der Gallenblase, die Todtenflecke u. s. w. zeigen; und b) dass vermittelst des Eindrin­gens der Arzneistoffe durch die Poren eine vollständige Wirkung nicht vermittelt wird, sondern dass die in's Zellgewebe u. s. w. gekommenen Mittel immer erst entweder mit den Enden der Ner­ven in Berührung treten oder von den Gef'ässen absorbirt werden müssen, um zur vollkommenen Wirkung zu gelangen. — Doch ist es gewiss, dass durch das Kindringen der Arzneistofffe durch die Haut u. s. w. nicht nur die Resorption sehr erleichtert und beför­dert wird, sondern dass auch viele örtliche, und eben so manche sympathische Heilwirkungen hierdurch erzeugt werden, z.B. durch Anwendung fettiger und schleimiger Mittel bei trockenen, sehr ge­spannten Oberflächen entzündeter Theile.
111. Von den verschiedenen Wirkungen der Arzneimittel.
8- -raquo;'#9632; Die Wirkung einer Arznei beginnt mit dem Moment und an dem Orte, wo ihre Kraft mit dem Organismus in Berührung und mit seinen Kräften in Wechselwirkung tritt, verbreitet sich aber dann auf verschiedene Weise und im verschiedenen Grade über andere Organe (sect;. 32. Uli—46.), so dass zuletzt, wohl der ganze Or­ganismus an diesen Wirkungen Theil nimmt. Die Totalwirkung besteht daher aus einer bald grössern bald kleinen Reihe von Ver­änderungen in der Beschaffenheit und Mischung der Materie und in der l-chensthätigkeit (sect;. 35.), welche man tbei's A. nach den Kräften, durch welche sie erzeugt werden, theils B. nach der Art und nach dem Verhältniss der Reihef.ilge, wie sie hervortreten, theils aber C. nach den äussern Erscheinungen sehr verschiedent­lieh als besondere Wirkungen bezeichnet.
sect;• 48. A. Es ist bereits erörtert worden, dass man die Wirkungen der Arzneimittel nach den Kräften derselben als dynamische (sect;. 29.) und als spezifische (sect;. 30-31) betrachtet. Hinsichtlich der letztern ist aber hier noch zu bemerken, dass viele Arzneimit­tel mit ihrer eigenthümlichen Beziehung zu bestimmten Systemen
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oder Organen auch zugleich besondere heilsame Beziehun­gen zu einzelnen Krankheiten zeigen, und dass man in der praktischen Heilkunde gewöhnlich nur in diesem letztem Sinne von spezifischen Wirkungen und von spezifischen Mitteln sprichtquot;. Ein spezifisches Mittel (Spezifikum) ist hiernach dasjenige, welches ge­gen eine Krankheit sichere Hülfe verschafft, und dein kein anderes in dieser Hinsicht gleichzustellen ist. So ist z. B. die Salzsäure als ein Spezifikum gegen die Rinderpest, die Wurzel und das Kraut der Tollkirsche gegen die Huudswuth, der Schwefel gegen Rotz und Wurm gerühmt worden. — Dass manche Mittel solche spezi­fische Wirkungen gegen gewisse Krankheiten äussem, ist gewiss, und aus der spezifischen Richtung der Arzneikrail auf gewisse Sy­steme oder Organe, in denen diese Krankheiten eben IhreuSitzha­ben, ist diese Wirkung auch erklärlich. Da jedoch die Arzneimit­tel keine absolute Heilkraft besitzen (sect;. 36.), und da jeder einzelne Krankheitsfall durch die Individualität des kranken Thieres, durch das Stadium, den Grad der Krankheit u. s. w. Eigeuthümlichkeiten erhält, die ihn von anderen ähnlichen Fällen verschieden machen; so ergiebt sich, dass selbst bei den geriibmtesten spezifischen Mit­teln die Heilwirkung niemals ganz sieher sein kann, wenn man die­selben ohne Unterschied für alle Krankheiten derselben Art benutzt. Ein solches Heilverfahren ist geineine Empirie, so wie überhaupt die letztere mehreiitheils die Mutter und die Stütze der spezifischen Heilmittel ist.
sect;• W
B. Nach der Art und nach der Zeitfolge, wie die einzelnen Wirkungen nach der Anwendung der Arzneimittel hervortreten, un­terscheidet man sie in primäre und sekundäre, in örtliche und allgemeine, in cousensuelle und antagonistische und in d irekte und indirekte,
sect;• 50.
Die primären (oder ersten) Wirkungen entstehen unmittel­bar aus der Wechselwirkung der Arzneikraft mit der Lebenskraft, und ihre Erscheinungen treten fast immer an dem Orte, an wel­chem die Einwirkung des Mittels stattgefunden hat, zuerst auf, sind aber nicht immer auf das zuerst berührte Organ beschränkt, sondern die Kraft der Arznei greift bei dem weitern dynamischen oder materiellen Uehergange des Mittels weiter um sich und er­langt dahei einen verschiedenen Grad der Ausdehnung und der Stärke, je nachdem seine Beschaffenheit und Menge, und das Ver-hältniss des Organs der Aufnahme und des ganzen Organismus dies gestatten (sect;. 26. 39. 41?.). Die primären Wirkungen sind da­her wohl zum grossen Theil' durch die Einwirkung bedingt, doch
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aber nicht mit ihr zu venvechstln, da die letztere nur von der Art der Kräfte der Arzneimittel und von der Art und dem Orte ihrer Anwendung abhängig ist.
Man kann die primären Wirkungen einer Arznei so weit an­nehmen, als fdch im Wesenüicheu dieselben Erscheinungen wie am Orte ihrer ersten Einwirkung wahrnehmen lassen; z. B. die Zu­fälle von Heizung nach der Anwendung des Weingeistes; — die Er-schlaffung und Reiztnilderuug nach Einwirkung der schleimigen und fetten Mittel.
Bei den meisten Arzneimitteln erscheint die primäre Wirkung (abgesehen von der mechanischen oder chemischen Einwirkung auf die Materie des Körpers) in einer mil örtlicher Reizung verbunde­nen Umstimmung der Lebensthätigkeit zu bestehen, wel­che durch die Arzneikraft in eigeuthümlicher Art her-VOrgerufen und durch die Sensibilität und Irritabilität vermittelt wird. Ausnahmen hiervon sind nur bei den soge­nannten indifferenten Mitteln, z. B. bei den schleimigen, bei der Gallerte, dem Eiweiss und dergl. mit einigem Grunde zu ma­chen, da bei ihrer Anwendung eine Reizung nur sehr undeutlich oder gar nicht wahrzunehmen ist.
Die primären Wirkungen erfolgen sicherer und gleichartiger als die sekundären und sind für die Heilung von grosser Wichtig­keit, aber bis jetzt weder hinreichend bekannt noch Gehörig beachtet.
sect;. 51.
Als sekundäre Wirkungen (Folge- oder Nachwirkungen) be­trachtet man diejenigen, welche ohne fortdauerndes Mitwirken der Arzneikraft, sondern nur durch die blt;'i den primären Wirkungen bereits veränderte Lebensthätigkeif hervorgehen. Sie treten daher zwar immer erst nach den primären Wirkungen auf und sind durch diese bedingt, stehen aber mit ihnen mehrentbeils weder in der Art noch in der Stärke und Ausbreitung in einem glechen Verhältniss. Bei den Mitteln, welche vorherrschend auf das Nt rvensystem wir ken, wie die flüchtigen Reizmittel, viele betäubendlaquo; Mittel u. dergl., findet man gewöhnlich den Grad der sekundären Wirkung verhäll-nissmässig zu dem der primären, aber die Art (der Charakter) der Lehensthätigkeit ist bei beiden ganz entgegengesetzt, nämlich bei der primären (im Allgemeinen und ohne Rücksicht auf die spezi­fische Weise der einzelnen Mittel) erhöhet, bei der sekundären hcr-abgestimmt. Man kann daher bei diesen Mitteln als Grundsatz annehmen: dass, je grosser die Erregung hei der primären Wirkung ist, desto grosser ist auch die nachfolgende Erschöpfung der Lehensthätigkeit. Bei vielen andern Mit­teln (z. 13. bei den bittern, den zusamraenzielienden) lässt sich die-
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ses nicht in derselben Art behaupten, sondern der Charakter ihrer sekundären Wirkungen ist dem der primären ähnlich. In derAus-breitung über andere Organe sind die sekundären Wirkungen fast ohne Ausnahme prüsser als die primären, und eben deshalb sind auch ihre Erscheinungen mehrentheils mennigfältiger und wiflal-lender als die der letztem. Die sekundären Wirkungen fehlen nie­mals; da sie aber sehr viel von den conseusuelleu Verhältnissen des zuerst berührten Organs, von der Stimmung des ganzen Körpers u. s. w. abhängig sind, so erscheinen sie nicht immer so sicher wie die primären. Dennoch aber sind sie zur Vermit-telung des Heilprozesses von wesentlichem Nutzen, und die the­rapeutischen Indikationen sind bisher fast allein auf sie gerichtet gewesen. (Z. B. die primäre Wirkung des Opiums ist eine Aufre­gung der Thätigkeit in den Verdamingseingeweiden, desgl. im Ge-fässsystem, im Gehirn und den Sinnesorganen, daher Vermehrung des Appetits, Verbesserung der Verdauung, verstärkte Resorption der Flüssigkeiten im Darmkaual, Heilung des Durchfalls u. s. w.; die sekundäre Wirkung desselben ist eine eigenthümliche Herab­stimmung aller Funktionen des Gehirns und des Nervensystems, besonders Verminderung der Sensibilität, daher Milderung der Schmerzen u. s. w.)
sect;#9632; 52. Die iirtl icheu Wirkungen sollen, nach der gewöhnlichen An­sicht hierüber, blos auf den Ort dor Anwendung eines Arzneimit­tels beschränkt sein, und man glaubt besonders, dass viele Mittel bei der äusserlichen Anwendung solche beschränkte Wirkungen zei­gen; — als allgemeine Wirkungen betrachtet man dagegen die­jenigen, durch welche die Verrichtungen eines ganzen Systems oder des ganzen Körpers verändert werden, und die also eine weite Aus­breitung erreichen. Jene Ansicht von den örtlichen Wirkungen ist aber der Erfahrung und allen richtigen physiologischen Begriffen über den thierischen Organismus, und besonders über die Einheit der Lebenskraft und über den innigen Zusammenhang aller Organe und ihrer Funktionen, ganz zuwider; denn wenn auch oft die Er­scheinungen der örtlichen Einwirkung und der hierdurch unmittel­bar erzeugten Reaktionen am meisten sichtbar sind, so bestehen sie doch niemals allein, und sie dürfen daher immer nur als ein Theil der ganzen Wirkung betrachtet werden. —#9632; In der neueren Zeit hat man auch zuweilen die spezifischen Wirkungen mancher Mittel auf bestimmte Organe als örtliche Wirkungen bezeichnet, je­doch ebenfalls nicht ganz richtig, da die speziflsahen Wirkungen gerade den Beweis geben, dass die Arzneikraft in den ganzen Kör­per übergegangen und daher'die Wirkung um so mehr eine allge-
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meine ist.—Nur von einer örtlichen Einwirkung lässt sich spre­chen, und zwar besonders bei solchen Mitteln, die nicht resorbirt werden können (sect;. 40. No. 0. sect;. 4;i).
sect;. 53. Bei der Ausbreitung der Arzneiwirkung im Organismus wird die Funktion mancher Organe auch auf consensuellc und antago­nistische Weise ergriffen, und es entstehen hierdurch die consen-suelleu und antagonistischen Wirkungen. Die erstem stim­men in der Art der Erscheinungen stets mit den primären Wir­kungen überein und werden deshalb auch oft zu diesen gerechnet; die letztem aber sind immer von entgegengesetzter Art. Beide setzen eine veränderte Thätigkeit in andern Organen voraus, und beide können in jedem Organe, doch niemals gleichzeitig, hervor­gerufen werden; denn ihr Entstehen ist nur von der Stimmung und von dein Verhältniss des Organs der Aufnahme zu den übrigen Organen und von der Art der örtlichen Erregung durch die Kraft der Arznei abhängig.
Mit den bisher erläuterten verschiedenen Wirkungen, nament­lich mit den primären und sekundären, ist der Begriff von direk­ter (unmittelbarer) und indirekter (mittelbarer) Wirkung ver­wandt. Bei der direkten Wirkung wird die Funktion und der Zu­stand eines Organs durch das angewendete Arzneimittel geradezu auf eine gewisse Weise verändert; bei der indirekten aber wird im­mer zuerst entweder eine andere Art von Thätigkeit hervorgerufen, oder es wird die Verrichtung anderer Organe umgeändert, ehe die beabsichtigte Heilwirkung auf das kranke Organ erfolgt. (So kann z. B. zu starke Absonderung im Darmkanal aus Schwäche der ab­sondernden Gefasse und der Schleimhaut überhaupt, direkt durch bittere und zusammenziehende Arzneimittel, — indirekt durch in­nere oder äussere Anwendung der urintreibent'en Mittel geheilt werden, und zwar, indem die erstem auf die erschlaffte Schleimhaut selbst einwirken, ihr mehr Tonus geben, ihre Gefasse verengern, und hierdurch die Absonderung vermindern; die .etztern aber, in­dem sie in das Blut übergehen, in den Nieren eir.e vermehrte Ab­sonderung, und hierdurch antagonistisch und sekundär eine ver­minderte Absonderung im Darmkanal verursachen.)
sect;. 55.
C. Die grössfe Verschiedenheit zwischen den Wirkungen wird durch die äussern Erscheinungen derselben und durch ihre nächsten Beziehungen zum kranken Organismus bedingt, und man unterscheidet hiernach vorzüglich: a) eine erre­gende oder reizende, — b) eine erhitzende, — c) eine kühlende,—#9632;
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d) cine betäubende, — e) pine krampfsiillende, — f) eine beruhi­gende, schmerzstillende, — g) eine Kiesen erregende, — h) eine Speichelfluss erregende, — i) eine Auswurf befördernde, — k) eine Ekel und Erbrechen erregende, #9632;— 1) eine abführende, — n;) eine wurmtreibeude, — n) eine blähungtreibeude, — o) eine urintrei-bende, — p) eine schweisstreibende, q) eine zusammenziehende, — r) eine stärkende, — s) eine schwächende, — t) eine erschlaffende, erweichende, — u) eine zertheilende, — v) eine entzündungswidrige, —• w) eine Eiterung befördernde, — x) eine faulnisswidrige, — y) eine säurewidrige, —#9632; z) eine steintreibende, — aa) eine scharfe, blasenziehende, — bb) eine ätzende Wirkung.
Diese Wirkungen entstehen bald primär, bald sekundär u. s. w., und nach ihnen werden gewObnb'ch auch diejenigen Arzneimittel, durch deren Kräfte sie am sichersten erzeugt werden, auf dieselbe Weise wie die Wirkungen seihst bezeichnet; obgleich dies bei vie­len Mitteln sehr wenig gründlich geschiehet.
sect;#9632; 56
a) Eine erregende oder reizende Wirkung ist zwar nach der Anwendung der meisten Arzneimittel auf den lebenden Körper, wenigstens bei den primären Wirkungen wahrzunehmen, und man konnte daher im weitesten Sinne fast jedes Arzneimittel ein erre­gendes oder reizendes Mittel nennen; allein im engern und gewöhnliehen Sinne versteht man hierunter nur solche Mittel, wel­che die Lebensthätigkeit sehr schnell im ganzen Körper zu einem höhern Grade aufregen und die Verrichtungen aller Organe, be­sonders aber die des Gehirns und des Nervensystems lebhafter machen.
Diese Wirkung erfolgt hei manchen Arzneimitteln ausserordent-licb schnell, ist aber nur von kurzer Dauer, während sie bei an­dern etwas langsamer eintritt und durch längere Zeit besteht. Man nennt hiernach die ersteren flüchtige Reizmittel (Medicamenta excitantia volatilia), die letzteren aber anhaltende, permanente oder fixe Reizmittel (M. excitantia fixa). Zu jenen gehören z.B. die verschiedenen Aether, der Weingeist, die sogenannten versüss-ten Säuren, Kampher, Hirschhornsalz, Salmiakgeist, viele freie äthe­rische Oele und solche Pflanzen, in denen als vorwaltender Bcstand-theil ein kampherartiges ätherisches Oel enthalten ist, wie z. B. Pfeffermiuzkraut und dergl.; zu den fixen Reizmitteln werden da­gegen alle Mittel aus dem Pflanzenreiche gerechnet, welche ätheri­sches Oel oder einen andern flüchtigen Stoff in Verbindung mil Bitterstoff, mit adstringirendem Prinzip und dergl: enthalten, wie z. B. die Angelikawurzel, die Baldrianwurzel, Kalmuswurzel, Wol-verleibhimen, Kamillenblumen und dergl.
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Die Erscheinungen, welche mit den Wirkungen dieser Mittel im Alicemeinen verbunden sind, sind bei deren innerlicher Anwen­dung: vermehrte Thätigkeit des Magens und Darmkauais, verstärk­ter Appetit, verstärkte wurmftSrmige Bewegung mit vermehrter Re­sorptionskraft und mit dünnflüssigerer Absonderung der Darmsäfte, — lebhaftere Sinnesthätigkeit, erhühete Cuntractilität des Herzens, häufigerer Puls, freiere Sekretionen und dergl, — Ausser diesennbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;
allgemeinen Erscheinungen zeigt jedes einzelne hierher gehörige Mittel nach seiner Eigeutliiimlichkeit auch noch andere, zum Theii spezifische Wirkungen, und nach Verhälrniss des Krankheitszusfau-des können sie bald blos erregende, bald erhitzende, krampfstillende, zertheilende, stärkende u. a. Wirkungen veranlassen.
Die flüchtigen Heizmittel regen blos die Lebeusthätigkeit auf und sind für sich allein nicht im Stande, den Körper wirklich zu stärken; es wird im Gegentheil bei diessr Aufregung ein Theil sei­ner Kräfte verzehrt, und sie hinterlassen daher als Kachwirkung gewöhnlich eine verhältnissmässige Maltigkeit. Die fixen Reizmit­tel können dagegen den Körper wirklich und mehr anhaltend stärken.
sect;• 57.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;i,
b) Die Annahme einer erhitzenden Wirkung gründet sich auf die Beobachtung, dass nach der Anwendung mancher Arznei­mittel die Wärme des Thierkörpers bedeutend erhöhet wird. Dernbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;p Erzeugungsprozess der thierischen Wärme ist zwar bis jetzt noch nicht gründlich erforscht, aber die hierüber gemachten Versuche und Beobachtungen lehren doch, dass er nicht selbstständig besteht und nicht von einem einzelnen System oder Organ vermittelt wird; sondern dass die Wärme das Produkt aller organischen Funktionen, aber namentlich von der Thätigkeit des ganzen Blutgelasssystems und des Gehirns, von der Respiration, der Verdauung, Ernährung und Muskelbewegung abhängig ist, und dass ihre Entwickelung um so stärker geschieht, je lebhafter oder mit je grösserer Anstren­gung die organischen Verrichtungen von statten gehen. (Im kran­ken Zustande wird die Wärme auch wohl noch auf andere Weise, besonders aber bei typhösen Krankheiten durch beginnende Zer­setzung der Säfte, vermehrt.)
Die Arzneimittel, welche eine allgemeine erhitzende Wirkung
veranlassen (M. calorifica), müssen also die Lebeusthätigkeit in al­len Organen gleicbmässig erhöhen, was aber von keinem einzelnen
^
Mittel vollständig geschehen kann. Am meisten noch entsprechen dieser Bedingung die im vorigen sect;. bereits genannten Reizmittel, vorzüglich Weingeist, die terpentinartigen ätherischen Oele, eben so die Harze, Gummiharze, die Balsame, das Opium, mehrere scharfe und adstringirende Stoffe, auch der Schwefel und das Eisen. Ans
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serdem wird auch die Wänneeutwickelung sehr befördert durch reichliche, kräftige Nahrung, durch das Einathiuen einer sauerstoB-reichen Luft, durch anstrengende Bewegung, Frottiren des Körpers, warmes Bedecken und Mittheilung künstlich erzeugter äusserer Wärme.
Die Erscheinungen der erhitzenden Wirkungen sind denen der reizenden sehr ähnlich, jedoch heftiger auf das Blutgefässsystein gerichtet als hei diesen, und im hohem Grade der Wirkung nähern sie sich selbst den Erscheinungen der Entzündung: die Thätigkeit in den Verdauungseingeweiden wird vermehrt, die Arterien werden voller, ihre Pulse schneller und kräftiger, die Venen der Haut fül­len sich stärker mit Blut und werden sichtbarer, und die Schleim­haut in der Nase, am Maul u. s. w. wird röther, die ausgeathmete Luft ist wärmer, das Innere des Mauls und die äussere Haut des­gleichen, der Durst ist vermehrt, zuletzt zeigt sich Seh weiss u. s.w.; — beim Menschen ist hierbei noch ein subjektives Gefühl von in­nerlich und äusserlich vermehrter Wärme zugegen, und gewiss ha­ben die Thiere unter diesen Umständen dieselbe Empfindung. Auch wird bei diesen Wirkungen immer die Beschaffenheit des Blutes geändert, und namentlich wird dasselbe mehr geruthet, niahr ex-pandirt und zur Entzündung geneigt. Ob diese Umänderung durch unmittelbare Einwirkung auf die Blutkügelcben oder durch einen Reiz auf die Fasern des Herzens und der Gefasse erfolgt, st nicht mit völliger Sicherheit zu entscheiden; wahrscheinlich aber ist es, dass die Wirkung auf beide Theile zugleich stattfindet.
sect;#9632; 58.
c) Der erhitzenden Wirkung steht die kühlende, welche sich durch Verminderung der Temperatur ausspricht, entgegen, und es finden daher auch bei ihrer Erzeugung entgegengesetzte Bedingun­gen statt. Da nämlich die Wärmeerzeugung von der organischen Thätigkeit und unter gewissen Umständen im kranken Zustande auch wohl von e'ner beginnenden Zersetzung der organischen Ma­terie, besonders der Säfte abhängig ist, so kann ihre Verminderung in dem erstem Falle nur durch Herabstimmung des krankhaft aul­geregten Lebensprozesses (z B. bei Congestionen, bei Entzündun­gen), — im letztern Falle dagegen (z. B. bei Faul- und Nervenfie-bem), durch qualitative Umstimmung desselben, besonders durch Beseitigung der Missverhältnisse zwischen der Nerven- und Gefäss-thätigkeit, durch Verbesserung der Mischung des Bluts u. s.w. er­reicht werden.
Hieraus ergiebt sich, dass die kühlende Wirkung nicht stets so gleichartig ist, wie die erhitzende, und dass eben so die Mittel (kühlende Mittel, Refrigerantia), welche bei verschiedenartigen
llertwig Ar/-ni iiiiilU'II-liro.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;3
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pathologischen Zuständen diese Wirkung erzeugen, von verschiede­ner Qualität sein müssen. Bei dem blos oder hauptsächlich quan­titativ verstärkten Lehcnsprozess, besonders im Blutgeßisssystem, wirken die meisten Neutral- und -Mittelsalze (z. B. Salpeter, Glau­bersalz, Doppelsalz, Weinstein, Bittersalz) und die Pflanzensäuivn als kühlende Arzneimittel, und ausserdem wird durch Blutentzie­hung, durch strenge, magere Diät, durch Ruhe und durch Anwen-nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;laquo;fe dung der äussern Kälte (tier kalten Luft, des kalten Wassers, des Eises u. s. w.) eine kühlende Wirkung hervorgebracht; dagegen sind bei Faul- und Nervenfiebern sehr häufig mir die flüchtigen und fixen Reizmittel, die Mineralsäuren und die adstriugirenden Mittel im Stande, die brennende Hitze zu mindern.
Die Mittel der letztern Art wirken zuerst immer erregend und zusammenziehend, und die iibermässige Wärmeentbindnng wird erst dadurch beschränkt, dass die in einzelnen Organen gesunkene und unregelinässige Lebeusthätigkeit im ganzen Körper auf einen gleicbmässigen Grad erhöhet und dadurch die weitere Zersetzung der Säfl-e gehindert wird. Die Erscheinungen der Wirkung sind diesen Verhältnissen entsprechend. — Ganz anders ist es bei den kühlenden Salzen und den vegetabilischen Säuren. Diese müssen zwar an der Stelle der Anwendung und Berührung auch zuerst eine Reizung erzeugen; dieselbe ist aber so gering und so eigen-nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;^gt;
thümlich, dass sie als betbätigende Reizung fast gar nicht auf das Gefäss- und Nervensystem fortgepflanzt wird. Dagegen entsteht aber schon örtlich durch die Auflösung der Salze eine kühlende Wirkung, indem den nahe liegenden organischen Gebilden Wärme entzogen wird. Ausserdem gehen Salze und Säuren (wenn auch etwas verändert) in das Blut über, machen dasselbe dünnflüssiger, mindern seinen Gehalt an Faserstoff und hierdurch auch seine Nei­gung zu gerinnen, machen die Pulse schwächer, weicher, die Schleim­haut in der Nase und im Maul blässer, die innen; und äussere Temperatur geringer, und alle Absonderungen reichlicher, denDarm-koth lockerer oder weicher, den abgesonderten Schleim zäher u. s. w. — Diesen Erscheinungen sind die nach Blutentziehungen, bei fort­gesetzter strenger Diät und dergl. sehr ähnlich.
Gewöhnlich pflegt man nur die zuletzt betrachteten Mittel als
kühlende zn bezeichnen. Dieselben können in anderer Beziehung zugleich als schwächende und eutzündungswidrige Mittel
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betrachtet werden.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; lt;f
sect;• 59. d) Die betäubende (narkotische) Wirkung (Narcosis) besteht in einer Herabstimmung der Nervenkraft, besonders der Sensibili­tät, und äussert sich nach dem Grade, nach der Ausbreitung und
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laquo;|,
nach der Art odor dem Charakter sehr verschieden. Hinsichtlich des Grades bemerkt mau sie von der leichtesten Verminderung des Gefühls bis zur gänzlichen Betäubung der Empfindlichkeit und des RQdcwirkungsvennügens (Lähmung), und eben so des tbieriscben
Bewusstseins (Stupor und narkotischer Schlaf). Die geringeren Grade dieser Wirkung sind an gesunden Thieren off kaum wahr­nehmbar, an kranken aber doch mehrentheils sehr deutlich zu be­merken und oft heilsam, indem sie die kraukhaft aufgeregte Em­pfindlichkeit mindern, Krämpfe und Schmerzen stillen u. s. w. Die höliern und höchsten Grade sind dagegen immer sehr auffallend, werden aber nur selten zu Heilzwecken benutzt, weil sie in einer wirklichen Vergiftung bestehen und sehr gefahrlich sind. — Hin­sichtlich der Ausbreitung zeigt sich die die betäubende Wirkung hei manchen narkotischen Mitteln am ganzen Nervensystem ziem lieh gleichmässig, bei andern aber vorherrschend auf das Gehirn, auf einzelne Tneile ties Gehirns, auf einzelne Sinnesnerven, auf das Rückenmark, auf die Gangliennerven u. s. w. beschränkt; — und hinsichtlich der Art erscheint sie fast bei jedem einzelnen narkoti­schen Mittel eigenthümlicb, namentlich aber bei einigen Mitteln mit gleichzeitiger Aufrehung, bei andern mit Herabstimmung der Ge fässthätigkeit; einzelne verursachen kaum eine Spur von örtlicher Einwirkung, während andere starke Blutanhäufuug, oder sogar Ent­zündung in verschiedenen Organen, so wie Veränderungen im Blute, in den Se- und Exkretionen erzeugen, u. s. w. — Die Erscheinun­gen sind daher bei den einzelnen Mitteln sehr abweichend von ein ander. (Siebe: spezielle Arzneiwirkungslehre, die Vll. Klasse.)
sect;. 60. e) Eine krampfstillende (antispasmodische oder antispasfi-sche) Wirkung zeigen die Arzneimittel, welche die unwillkührliche, und gewöhnlich auch zu starke und schmerzhafte Zusammenzie­hung (den Krampf) in den Weichgebilden aufheben. Dieser ab­norme Zustand beruhet zunächst zwar immer in dem eigenen Zu-sammenziehungsvermögen (in der Cuntraktilität oder Tonizität) der Weichgebilde, wird aber durch sehr verschiedene Ursachen hervor­gerufen, und zeigt ausserdem noch verschiedenartige Verhältnisse. Denn bald ist dabei die Irritabilität, bald die Sensibilität gegensei­tig zu sehr erhöbet oder auch zu gering; oder die letztere ist qua­litativ verändert, und fast immer sind ungewöhnliche, zu heftige oder eigenthümlich reizende, oder das Blut und die übrigen Säfte plötzlich verändernde Einflüsse bei der Entstehung der Krämpfe im Spiele. Bei der Heilung der letzteren müssen daher jene abnorme Verhältnisse der Irritabilität'und Sensibilität (des Blutes und der Nerven) und zugleich die veranlassenden Ursachen des Krampfes
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beseitiget werden, und die krampfstillende Wirkimg der Heilmittel kann daher entweder in der blossen Ausleerung scharfer reizender Stoffe (z. B. der Eingeweidewürmer, des unverdaulichen, gahrenden Futters, der Blähungen) durch Brechmittel und AWuhrungsmittel, — oder in der Einhüllung solcher Stoffe durch Schleim, fettes Oel und dergl, — oder in Verminderung der zu starken entzündlichen Reizbarkeit und der Congestionea durch Aderlässen, kühlende Salze, strenge Diät, — oder in Herabstimmung der zu grossen Empfind­lichkeit durch betäubende, schleimige, fette Mittel, — oder in Auf­regung der Nervenkraft durch reizende und erhitzende Mittel be­stehen.
Es ergiebt sich hieraus, dass der Begriff der krampfstillenden Mittel (Antispastica, Antispasmodica) sehr ausgedehnt und vieldeu­tig ist, obgleich man im engern Sinne gewöhnlich nur die flüchtig erregenden und die betäubenden Mittel als krampfstillende betrachtet.
sect;• 61. f) Durch die beruhihende, besänftigende, schmerzstil­lende Wirkung soll die ängstliche Unruhe und die übermässig bis zum Schmerz aufgeregte Sensibilität beseitiget weroen. Da aber der Schmerz, ähnlich wie der Krampf, durch verschiedene Ursachen entstehen und in verschiedenen pathologischen Verhältnissen be­gründetsein kann, so muss auch die schmerzstillende Wirkung nach diesen Verschiedenheiten modifizirt sein, und entweder 1) in einer örtlichen Verminderung der zu sehr gesteigerten Empfindlichkeit des Theils selbst, in welchem der Schmerz seinen Sitz hat, — oder 'Z) in einer allgemeinen Betäubung der ganzen Sensibilität, so dass die schmerzhaften Erregungen nicht mehr im Gehirn empfunden werden, — oder 3) in der Heilung des Krampfes oder der Entzün­dung, — oder auch 4) in der Beseitigung mechanischer Störungen (fremder Körper, Knochensplitter, Frakturen und Luxationen, Eiter­ansammlungen, unvollständige Trennungen in Nervei, und dergl.) bestehen.
Die hierzu dienenden Mittel (Sedativa) sind im ersten Falle be­täubende und schleimige Pflauzenstoffe als Breiumschläge und Bä­hungen applicirt; im zweiten Falle die betäubenden Mittel innerlich angewendet; — im dritten Falle die verschiedenen, im vorigen sect;. bezeichneten, so wie die kühlenden und die entzündungswidrigen Mittel; — und im vierten Falle ist mehrentheils nur auf chirurgi­sche Weise das Aufhören des Schmerzes zu bewirken. DieErschei-nungen bei der schmerzstillenden Wirkung können daher wieder sehr abweichend von einander sein.
sect;. 62. g) Bei der Niesen erregenden Wirkung entsteht in der
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Schleimhaut der Nase, und consensuell auch in der Luftröhre und ihren Verzweigungen, in der Lunge, im Zwerchfell und in den Brust- und Bauchmuskeln eine solche Reizung, dass ein heftiges, schnelles und kurzes Ausathmen durch die Nase, uft mit Austrei­bung von Schleim, Eiter oder andern fremden Körpern, welche in der Nasenhohle, in den Vorderkiefer- und Stirnhiihlen ihren Sitz haben (z. B.Oestruslarven), erfolgt. Auch wird dabei ein stärkerer Zulluss des Blutes zum Kopfe, eine Erschütterung der sämmtlichen Brust- und Baucheiugeweide, vermehrte Absonderung des Schleims in der Nase u. s. w. erregt und dadurch zuweilen eine heilsame Aufregung im ganzen Korper hervorgerufen. Alle diese Erschei­nungen werden durch den grossen sympathischen Nerven vermit­telt, und sie können fast durch alle scharfe Stoffe, wenn dieselben als feines Pulver in die Nase gelangen (auch durch scharfe Dämpfe, durch mechanische Reizung der Nasenschleimhaut u. s. w.) erzeugt werden. Doch benutzt man am gewöhnlichsten als sogenannte Niese oder Brausemittel (Sternulatoria) nur scharfe Pflanzen, wie z. B. Taback, schwarze und weisse Niesewurz, Senf, Salbei, Pfeffer, Euphorbinm und dergl. Die Anwendung dieser Mittel ist nur selten nöthig.
sect;. 63. h) Die Speichel oder Speichelflnss erregende Wirkung zeigt sich in einer vermehrten Absonderung des Speichels, -welche zuweilen so bedeutend wird, dass die Thiere den sämmtlichen ab­gesonderten Speichel nicht verschlucken können, sondern denselben zum Thei! aus dem Maule herausfliessen lassen (Speichelflnss). Diese Wirkung entsteht immer durch eine Reizung der Speichel­drüsen, welche entweder auf spezifische Weise durch das Queck­silber, oder blos consensuell durch Reizung der Schleimhaut des Mauls, des Magens und Darmkanals hervorgerufen wird. Im letz­tem Falle können alle reizende und scharfe Stoffe, welche die Schleimhaut des Mauls mir etwas anhaltend berühren, die Abson­derung des Speichels vermehren, wie namentlich die meisten Salze, die ätherischen Oele, Pfeffer, Ingwer, Zimmt, Taback, Bertramwur­zel, Pimpinellwurzel, der stinkende Asand und dergl., und diese Mittel nebst dem Quecksilber wurden daher als Speichel erre­gende Mittel (Salivantia) bezeichnet. Wenn nun auch das Queck­silber bei uusern Haustbieren nicht in dem Grade diese Wirkung zeigt wie bei dem Menschen, so ist sie doch oft genug deutlich zu erkennen, besonders beim Hunde: allein der Speichelflnss erscheint überhaupt bei Thieren nicht so deutlich, weil sie nicht ausspucken können, und deshalb beständig mit der Zunge den ausflicssenden Speichel von den Lippen ablecken und ihn verschlucken. Dagegen
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ist eine Art Speichdfluss bei manchen Krankheiten, namentlich bei denen das Schlingen gehindert ist, z. B. bei Bräune, beim Starr­krampf, bei der stillen Wuth, bei fremden Körpern im Schlünde, und bei Verletzungen im Maule zugegen.
Die genannten Speichel erregenden Mittel wurden ehedem auch als Eaumittel (Masticatoria) bezeichnet, weil man sie den Pferden sehr häufig an das Gehiss befestigte, um so ihre Einwirkung auf das Maid desto länger zu unterhalten und, wie man glaubte, den Appetit zu verbessern und ansteckende Krankheiten abzuhalten. Sie werden jetzt fast gar nicht mehr benutzt.
sect;. 64.
i) Die Auswurf befördernde Wirkung bezieht sich auf die, durch Medikamente veranlasste, erleichterte und verstärkte Ent­leerung von Schleim, Eiter und ausgeschwitztem Faserstoff (zuwei­len auch von Würmern) aus den Respiratiousorganeu, Diese Ent­leerung der genannten Stoffe, welche man im Allgemeinen als Lun-geuauswurf bezeichnet, wird gewöhnlich unter den Erscheinun­gen des Hustens bewirkt, muss aber in den einzelnen Krankheits­fällen auf sehr verschiedene Weise vermittelt werden, da die patho­logischen Zustände, bei welchen die Entleerung nöthig ist, sehr wesentlich von einander verschieden sind. Denn zuweilen ist dabei 1) ein zu hoher Grad von entzündlicher Reizbarkeit, 2) in andern Fallen zu grosse Empfindlichkeit und krampfhafte Zusammenzie-liung. 3) in noch andern Fällen zu geringe Empfindlichkeit, Reiz­losigkeit, Schwäche und Unthätigkeit in der Schleimhaut des Kehl­kopfes, der Luftröhre und ihrer Zweige und in der Lunge zuge­gen, und oft ist 4) zu dicke Consistenz und zu grosse Zähigkeit der Auswurfsmaterie als Ilinderniss ihrer Entleerung zu betrach­ten. — Bei dem ersten Zustande wird der Auswurf durch Salze, namentlich durch Salpeter, Weinstein, Calomel, Brechweinstein, Sal­miak, durch schleimige Getränke, durch Dünste von lauwarmem Wasser, und im hohen Grade des üebels selbst durch einen Ader-lass betoniert. — Bei dem zweiten Zustande passen zu diesem Zwecke gleichfalls schleimige Mittel, lauwarm in flüssiger Form an­gewendet, lauwarme Dämpfe von Wasser eingeathmet, äusserlich angewendete Reizmittel, vorzüglich aber narkotische Mittel (Bilsen­kraut, Blausäure, Opium und dergl.), und eben so die süssen Stoffe (Zucker, Honig, Süssholzwurzel, Mohrrüben). — Dem dritten Zu­stande entsprechen Reizmittel, besonders solche, welche ätherisches Oel, mit Schleim und süssem Stoff verbunden, enthalten (z, B. Fen­chel- und Anissamen, Wachholderbeeren, Alantwurzel, Liebstöckel-und Kalmuswurzel), desgleichen die Schleimharze, die Harze und Balsame, der Theer, einige scharfe und narkotische Stoffe (Meer-
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Zwiebelwurzel, Fingerhutkraut), dor Salmiak, Schwefel, Spiessglanz und seine Präparate, Brechmittel, Dämpfe von Infusionen aromati­scher Pflanzen, von Terpentinöl, Theer und dergl. — Die zu zähe C'onsistcnz der Auswurfsmaterie ist von einem krankhaften Zustande der Respirationsorgane, besonders von exsudativer Entzündung ih­rer Schleimhaut oder auch von Erschlaffung und Auflockerung der­selben, abhängig, und die Materie ist daher durch die genannten Mittel theils zu verändern, theils zur Entleerung zu bringen.
Diese Auswurf In fordernde Mittel (Expectorantia) können ent­weder auf direkte oder auf indirekte Weise zur Wirkung gelangen, und zwar J) direkt, indem man diejenigen, welche fluchtige Be-standtheile enthalten, durch heisses Wasser oder durch blosse Hitze in Dämpfe verwandelt, und diese durch das Einathmcn mit der Schleimhaut der Respirationsorgane in immittclhare Berührung bringt, wie z. B. ätherisches Oel, gewürzhafte Mittel, Harze, Balsame, den Theer. In Verbindung mit Wasserdämpfen ist die Wirkung dieser Mittel stets milder, als wenn sie für sich allein durch trockne Hitze oder durch offenes Feuer verdunstet und dabei zum Tbeil verbrannt (empyn umatisch) werden. Alle fixen Stoffe, und daher auch schlei­mige und sltsse Arzneien, die Manche noch häufig zu Dampfbä­dern benutzen, können, in dieser Form angewendet, nichts wirken, weil ihre Bestandtheile nicht in die Dämpfe übergehen; werden sie aber auf glühenden Kohlen oder auf heissem Eisen verbrannt, so wirkt der hiervon gebildete Hauch als ein Reizmittel auf die be-troffeneu Theile. — 2) Auf indirekte Weise wirken diese Mittel den Auswurf befördernd, indem sie in den Magen u. s. w. gebracht werden, und nach ihren spezifischen Kräften erst die Thätigkeit an­derer Organe umstimmen, und dann consensuell und antagonistisch ihre Wirkung auf die Respirationsorgane äussern. Da jedoch man­che flüchtige Stuife, wie besonders Kampher, ätherisches Oel, Wein­geist und dergl. durch die Lungenausdünsfung wieder aus dem Körper ausgeschieden werden, so scheint es, dass durch solche Arz­neien eine materielle Berührung und Reizung der Respirationsor­gane erfolgt, auch wenn sie zuerst in den Magen gebracht worden sind. Es ergiibt sich hieraus, dass unter der Bezeichnung „Aus­wurf befördernde Mittelquot; (die man auch Brustmittcl zu nennen pflegt) viele sehr verschiedenartige Mittel enthalten sind, und dass eben so die Auswurf befördernde Wirkung sehr verschie­denartig ist.
k) Die Erbrechen erregende Wirkung äussert sich in einer stossweise erfolgenden Ausleerung (Erbrechen) von genossenen Nahrungsmitteln, von Schleim, Magensaft, Galle und andern Stof-
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fen durch den Schlund und das Maul. Diese Ausleerung entsteht durch eine eigenihUmliche Reizung, welche irgend einen Punkt des Speisekanals, besonders am vordem Ende desselben, betroffen hat, und wodurch eine krampfhafte Zusammenziebuug der Bauchmus­keln, des Zwerchfells und des Magens, zugleich mit einer rückgän­gigen (antiperistaltischen), d. h. vom Darmkanal gegen den Schlund gerichteten wurnifonnigen Bewegung des vordem Endes des Dünn­darms erzeugt wird. Dem wirklichen Erbrechen geht gewöhnlich eine besondere Verstimmung des Gemeingefühls voraus, welche, man Ekel nennt, und die sich durch Widerwillen gegen Futter und Getränk, durch stärkere Absonderung des Speichels, durch Schaudern der Haut und durch Mattigkeit zu erkennen giebt.
Das Erbrechen ist nicht bei allen Hausthieren gleichmässig leicht und vollständig zu erregen; bei Hunden, Schweinen, Hüh­nern, Tauben und Papagaieu erfolgt es sehr leicht; bei Katzen, Gänsen, Enten und Affen etwas schwerer; bei dem Rindvieh ist es zwar nicht unmöglich, doch aber schwer und nur unter hierzu günstigen Bedingungen (z. B. durch Einsprützen grosser Gaben von Breehmittcln in die Blutadern und bei bestehender Grasfütte-rung) hervorzurufen; bei Schafen und Ziegen ist die Schwierigkeit noch grosser, und Pferde, Esel und deren Bastarde erbrechen sich in der Regel gar nicht, so lange ihr Magen, der Darmkanal, der Schlund und das Zwerchfell im unverletzten Zustande sind. Bei den letzteren Thieren ist die anatomische Beschaffenheit, dieser Theile, namentlich die spiralförmige Klappe an der Schlundöffnung des Ma­gens und die Lage eines Theils von dem sehr dicken Grimmdarm und Blinddarm zwischen dem Magen und den Bauchmuskeln, das wahrscheinliche Hinderniss: indem hierdurch sowohl der zur Ent­leerung des Magens nöthige Druck der Bauchmuskeln auf densel­ben und gegen das Zwerchfell, als auch das Zurücktreten der Fut­terstoffe und dergl. aus dem Magen in den Schlund, nicht erfolgen kann. Das Erbrechen tritt daher bei diesen Thieren gewöhnlich nur als eine sehr gefahrdrohende Erscheinung im kranken Zustande ein. Dagegen können aber Ekel und selbst Anstrengungen zum Erbrechen beim Pferde und bei den Wiederkäuern durch Arznei­mittel ganz wie bei andern Thieren erzeugt werden.
Der Ekel und das Erbrechen entstehen primär durch eine spe­zifische Reizung der Lungeu-Magennerven und der grossen sym­pathischen Nerven. Dieselbe wird gewöhnlich in der Schleimhaut des Magens, im Scblundkopfe oder im Darmkanal erzeugt, kann aber auch von andern Organen (z. B. von der Luftröhre) ausgehen und wird dann consensneil oder antagonistisch auf den Magen, das Zwerchfell und die Bauchmuskeln fortgepflanzt, worauf als Reak-
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tionen die Erscheinungen des Erbrechens eintreten. Es muss da­bei 1) die Cardia, die im gewöhnlichen Znstande ähnlich wie an­dere Sphinktercn geschlossen ist, sich öffnen, indem die Wirkung der motorischen Nerven, durch welche die Zusainmenziehung der Cardia bestehr, aufgehoben wird; und 2) muss die Stimmritze sich schlicssen und zugleich eine Verengerung der Bauchhöhle und Zu-sammendrückung aller in derselben liegenden Organe erfolgen. Die Contraktion des Magens allein ist zur Erzeugung des Erbrechens nicht ausreichend, sondern die Exspirationsmuskeln müssen dabei mit thätig sein. — Als sekundäre Wirkungen des Erbrechens er­folgen mehrentheils noch folgende Veränderungen: 1) wird die Ab­sonderung des Magensaftes, des Dannsaftes, der Galle und des Saftes der Bauchspeicheldrüse vermehrt und verändert, weil durch jede Reizung eines Theils des Verdauungskanals die, diesem Theile entsprechenden Hülfsorgane consensuell gereizt und in erhöhete Thä tigkeit gesetzt werden; 2) wird die Absonderung und der Auswurf des Schleims aus der Schleimhaut der Respirationsorgane befördert; 3) wird der Andrang des Blutes zur Haut verstärkt und hierdurch die Hantausdünstung zuweilen bis zum Schwciss vermehrt; 4) er­folgt eine lebhaftere Thätigkeit der Lymphgcfüsse und Lymphdrü sen, stärkere Resorbtion, Zertheilung von Ergiessungen und Ver­härtungen, — und 5) tritt eine Aufregung und Umstimmung der Thätigkeit des ganzen Nervensystems ein, theils durch Fortpflan­zung der spezifischen Stimmung der Lungen-Magennervcn und des grossen sympathischen Nerven, theils durch die Erschütterung, wel ehe mit dem Erbrechen jedesmal verbunden ist. — Das Erbrechen ist also eine sehr zusammengesetzte und in ihren Folgen sehr tief in den. Lebensprozess eingreifende Wirkung, durch welche die Hei­lung krankhafter Zustände auf mehrfache Weise vermittelt werden kann.
Diese Wirkung kann durch jede Substanz hervorgerufen wer­den, welche entweder scharfe Bestandtbeile enthält (z. B. alle schar fen Pflanzen, die Canthariden, die ätzenden Kalien, konzentrirte Säu­ren, Metalloxyde, Metallsalze u. s. w.), oder die entgegengesetzt sehr mild und fade ist (z. B. Fett, fettes Oel, Fischthran, Schleim), und durch welche der vordere Theil des Verdauungskanals heftig gereizt, oder auch blos in einem gewissen Grade angefüllt wird. Da jedoch mehrere solche Substanzen das Erbrechen nur unsicher oder nur in einem geringen Grade hervorzurufen vermögen, andere aber sehr üble Nebenwirkungen, besonders Anätznng und Entzün­dung des Magens verursachen, so wählt man als Brechmittel (Emetica) nur diejenigen Stoffe, welche eine spezifische Wirkung auf den Lungen-Magennerven in einem vorzüglichen Grade besitzen
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mid dabei die möglichst wenigen schädlichen Einwirkungen auf den Magen und Darmkanal veranlassen. Dergleichen Mittel sind: der Brechweinstein, der Zinkvitriol, die Brechwurzel, die weisse Nieswurzel und das G-ottesgnadenkraut.
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1) Bei der abführenden Wirkung erfolgen, den äussern Er­scheinungen nach, Entleerungen von Darmkoth und andern Stoffen durch den Mastdarm in kürzern als gewöhnlichen Zwischenzeiten, in grösscrer Menge und von lockerer, weicherer und selbst flüssiger Consistenz. Diese Entleerungen werden zunächst durch eine unge­wöhnliche Reizung der Schleimhaut des Dannkanals verursacht, wodurch in denselben eine schnellere und stärkere wurmformige (peristaltische) Bewegung, zugleich aber auch eine vermehrte und qualitativ veränderte Absonderung der Darmsäfte, der Galle und des Saftes der Bauchspeicheldrüse entstellt. Diese, im Verhältoiss zur Aufsaugung vermehrte und zugleich in der Beschaffenheit ver­änderte Absonderung der Darmsäfte ist eine sehr wesentliche Be­dingung zum Entstehen der abführenden Wirkung, und die blos verstärkte wurmformige Bewegung ist ohne sie zur Erzeugung der­selben niemals hinreichend. Denn wenn dieses der Eall wäre, so müsste dieselbe Wirkung auch durch jedes flüchtig reizende, oder gewürzhafte Mittel hervorgerufen werden können,— was aber nicht möglich ist.
Die Mittel, welche die bezeichnete Wirkung besitzen, werden im Allgemeinen als abführende Mittel bezeichnet, sind aber von verschiedener materieller Qualität und hinsichtlich des Grades und der Art der Wirkung sehr abweichend von einander, so dass man sie schon seit alten Zeiten in zwei Abtheilungen gebracht hat. 1) Die Mittel der ersten Abtheilung wirken sehr gelind und verur­sachen im Darmkanal keine erhitzende Heizung, auch bei ihrem üebergange in das Blut keine entzündliche Aufregung, sondern vielmehr eine Kühlung und Erschlaffung. Sie heissen deshalb ge­linde oder erschlaffende Allführungsmittel, oder Laxir-mittel (Laxantia), und es gehören hierher die bereits im sect;. 58. als kühlende Mittel genannten Salze, das versüsste Quecksilber, Tamarinden, Manna, fette Oele, Honig, Zucker und dergl., wenn sie in grossen Gaben angewendet werden. — 2) Die abführenden Mittel der zweiten Ahtheilung bewirken dagegen eine starke und erhitzende Reizung in den Gedärmen, Unruhe, Kolikschmerzen, schnellen, fieberhaften Puls, Hitze und Trockenheit im Maule und dergl. Man nennt sie erhitzende Abführungsmittel, Pur-girmittcl (Reinigungsmittel, Purgantia), weil man früher die un­richtige Ansicht von ihnen hatte, dass sie nur die verdorbenen
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schädlichen Säfte aus tlcin Kürper führrn und denselben gleichsam reinigen Es gehören hierher die Crotonkömer, das Skammonium-harz, die schwarze Nieswurz, die Aloe, die Coloquinfen, das Gum­migut, der Lcrchenscliwamni, die Jalape, die Rhabarber, die Sen­nesblätter, Zaunrübe und dergl. Einige von diesen Mitteln wirken heftiger als die übrigen und verursachen besonders sehr leicht reis­sende Schmerzen im Darmkanal, heftiges Drangen zur Entleerung des Kothes, Abgang von Blut, Darmentzündung, grosse Erschö­pfung der Kräfte und dergl. Diese Wirkung bezeichnet man als eine drastische (scharfe), und dieMltttl als drastische Purgir-mittel. Dergleichen sind namentlich die Crotonkornor, das Skam-monium, das Euphorbium, die schwarze Nieswurz, das Gummigut, der Lerchenschwamm und zum Theil auch die Aloe.
Die abführende Wirkung erfolgt durch diese Mittel nicht bei allen unsern Hausthieren gleichmässig leicht und stark: arn leich­testen und schnellsten tritt sie beim Hunde und Schweine, schwe­rer und speäter oei den Wiederkäuern, und am schwersten und spä­testen bei dem Pferde ein; auch ist sie bei den grössern Tbieren nur durch ganz unverhältnissmässig grosse Gaben der Mittel zu erzwecken.
Diese Wirkung wird zuerst wohl durch einen unmittelbaren reizenden Eindruck der genannten Mittel auf die Schleimhaut des Dannkanals veranlasst, doch niemals hierdurch allein vollständig bewirkt, sondern die wirksamen Stoffe gehen in das Blut über, und wirken dann nach ihren verschiedenen spezifischen Eigenschaften in verschiedener Art auf den Darmkanal und auf andere, mit die­sem in Verbindung stehende Orgaue zurück, so dass einige die Ab­sonderung wässeriger Flüssigkeiten aus den serösen Gelassen, an­dere die Absonderung des Schleims und noch andere wieder die Absonderung und Ausleerung der Galle und des Saftes der Bauch­speicheldrüse vermehren. — Aus diesem (.fange der Wirkung ist es zu erklären: 1) warum dieselbe bei den meisten Ahflihrungsmit-teln viel später als andere Arzneiwirkungen eintritt; 2) warum die Farbe, der Geruch und die übrige Beschaffenheit der Exkremente bei jedem Mittel verschieden ist, und 3) wie durch die vom Ner­vensystem ausgehende Rückwirkung auf den Darmkanal zuweilen ein sehr erschöpfendes Purgiren und selbst der Tod erfolgen kann, ohne dass eine Darmentzündung entstanden ist.
In ihren Folgen ist diese Wirkung nicht allein auf den Darm­kanal beschränkt, sondern so wie die Wirkung der Brechmittel tief eingreifend in den ganzen Lebensprozess, besonders aber in die Bildungsthätigkeit, welche durch sie mehr als durch jede andere Arzneiwirkung beschränkt und herabgestimmt wird. Dies geschieht
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theils dadurch, dass a) in Folfre der Reizung des Darmkanals ein sehr verstärkter Andrang des Blutes zu den Baucheingeweiden, hier­durch antagonistisch eine Ableitung von andern Organen bewirkt und so die Ernährung der letztern mangelhaft wird; b) dass einige Arzneistoffe (die Salze, das Calomel), indem sie in das Blut über­gehen, dasselbe so verändern, dass es weniger gerinnbar und we­niger zur Bildung geeignet wird; c) dass durch den Verlust der ausgeleerten Säfte dem Korper wirkliche Bildlingsstoffe unmittelbar entzogen werden, und dass zugleich eine entsprechende Verminde­rung der Lebenskraft herbeigeführt wird, — und d) dass dagegen durch denselben Umstand auf antagonistische Weise die Thätigkcit der aufsaugenden Gefässe gesteigert wird. — Hierdurch entstehen sekundäre Wirkungen auf das Gehirn, auf die Augen, auf die Re­spirationsorgane, auf die Nieren, auf die Haut u. s. w., welche je­doch stets denselben, d. h. den schwächenden Charakter zeigen.
sect;. G7. in) Die wurmwidrige oder wurmtreibende Wirkung be­zieht sich auf die Eigenschaft mancher Arzneimittel, die im Magen oder Darmkanal enthaltenen Eingeweidewürmer todt oder lebendig durch den Mastdarm auszutreiben und ihre fernere Entwickelung zu verhindern. Die Mittel, denen man diese Wirkung zuschreibt (wurmwidrige Mittel, Anthelminthica), sind ihrer eigentlichen Wirkung nach von dreierlei Art, nämlich 1) solche, welche durch ihre materiellen Eigenschaften und dynamischen Kräfte die Einge­weidewürmer tödten oder wenigstens betäuben; 2) solche, die ihre Ausführung durch vermehrte Darmbewegung und verstärkte xVb-Bonderung von Darmsäften bewirken; und 3) solche, welche die Be­dingungen zum Entstehen und Bestehen dieser Parasiten im Darm­kanal aufheben. — Zu denen der ersten Art gehören: das Queck­silber und alle seine Präparate, Arsenik, gefeiltes Eisen und Zink, Eisenvitriol, Terpentinöl, brenzliches Thieröl, Chabertsches Oel, Steinöl, Ofenruss, Kamphcr, Farrenkrautwurzel, die sogenannten Wurmsamen, Rainfarrcnkraut, Brecbnuss, Opium, Stinkasand, Knob­lauch und andere Zwiebelarten und dergl. Zu den Mitteln der zweiten Art sind alle Purgirmittel, besonders die drastischen, zu rechneu, und zu denen der dritten Art alle Arzneimittel, welche die Lebensthätigkeit im Darmkanal erhöhen und denselben stärken, die wurmförmige Bewegung und die Aufsaugung bethätigen, die Ver­dauung bessern, die Absonderung das Schleims vermindern, und somit den Würmern ihre schützende Einhüllung und die Nahrung entziehen. Dergleichen Mittel sind alle, welche bittere, aromatische, reizende und adstringirende Kräfte besitzen, wie Enzian, Bitterklee, Wermutb, Kalmus, Baldrian, Wcideurinde, Eichenrinde, die Aloe,
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Jalape, Eisen u. dgl.; nebst Bewegung in freier Luft, und gesunde, kräftige Nahrung in massiger Menge.
sect;. 68.
n) Auch die blähungtreibende Wirkung ist nicht stets auf dieselbe Weise und durch dieselben Mittel zu erwecken. Denn die Anhäufung von Blähungen (Gasarten) im Magen und Dannkanal beruht entweder auf einer zu starken Entwickelung oder auf einem gehinderten Abgange derselben, und die Ursachen hierzu liegen theils im Thierkürper seihst, theils in den Nahrungsmitteln. Hin­sichtlich des Körpers ist besonders Schwäche, zu grosse Reizbarkeit und Krampf in den Verdauungseingeweiden, fehlerhafte Absonde­rung der Galle, des Magen- und Darmsaftes, namentlich zu viel Schleim und Säure in denselben, sehr oft zu beschuldigen; hin­sichtlich der Nahrungsmittel aber ist die Gährung und Verderbniss derselben, zu reicher Gehalt an Kohlensäure, an Wasserstoffgas und dergl. die gewöhnlichste Veranlassung zu Blähungen. — Bei der blähungtrcibenden Wirkung müssen daher bald die Verdauungs­eingeweide durch bittere, erregende und zusammenziehende Mittel gestärkt und die Absonderungen in ihnen verbessert, bald die zu grosse Reizbarkeit und Krämpfe durch betäubende oder durch er­regende Mittel beseitiget, bald die Dannentleerungen durch Kly-stire n. s. w. befördert, die Gährung der Nahrungsmittel durch Säuren, ätherische Oele und dergl. unterdrückt, die vorhandenen Gasarten durch Hallen und andere Mittel absorbirt werden. (Bei Krampf und Lähmung des Darmkanals sind Frottiren des Leibes und Begiessen desselben mit kaltem Wasser oft sehr nützlich, und bei übermässiger Anhäufung der Blähungen ist ihre Entleerung auf operativem Wege zuweilen allein hülfreich.) — Es ist daher ein Irrthum, wenn man, wie es gewöhnlich geschieht, als blähung­treibende Mittel (M. earminativa) blos die erregenden, ätherisch-öligen Mittel bezeichnet.
sect;• 69.
o) Bei der urintreibenden Wirkung (Diuresis) erscheint die Absonderung und Ausleerung des Urins verändert und hauptsäch­lich so vermehrt, dass die Menge des Urins die des genossenen Getränkes übertrifft. Diese Wirkung kann, physiologisch betrach­tet, nur dadurch veranlasst werden, dass eine spezifische Reizung der Nieren in einem massigen Grade und ein stärkerer Zuüuss des Blutes zu denselben stattrindet. — Der Arzncivorrath ist reich an solchen Mitteln, welche urintreibend wirken können (Diuretica); aber diese Wirkung findet nur bei wenigen Mitteln auf eine direkte Weise statt, und bei allen ist sie mit bedeutenden Nebenwirkungen ver­bunden, durch welche sie selbst einen verschiedenen Charakter er
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hält. Nach diesem Charakter unterscheidet man im Allgemeinen eine erhitzende und eine kiihlende nrintreihende Wirkung, undnbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;i
bezeichnet auch die hierher gehörenden Mittel auf dieselbe Weise. Zu den Mitteln der ersten Art gehören diejenigen, welche die Blut-gefasse und die Nieren vermittelst stark reizender, schaiier Stoffe in einen solchen Grad von erhöhter Thätigkeit versetzen, dass die Erscheinungen der erhitzenden Wirkung (sect;. 57.), und oft auch örtliche Zufälle der Reizung in den Nieren und in der Blase, und consen-suell auch in den Geschlechtstheileu, wahrzunehmen sind. Solche Mittel sind namentlich: die spanische Fliegen, Maiwürmer, Maikäfer, Terpentin und alle andere Harze, viele ätherische Oele, das Kraut des rothen Fingerhutes, Samen, Kraut und Wurzel der Petersilie, Senf, Meerrettig, Zwiebeln, Weingeist, Sublimat u. a. — Zu den harntreibenden Mitteln der zweiten Art gehören die, welche neben der spezifischen Wirkung auf die Nieren noch die Irritabilität, be­sonders in den Gtefässen des Hinterleibes vermindern, entzündliche Reizungen beseitigen und das Blut durch Verminderung des Faser­stotfes dünnflüssiger machen, wie dieses die kühlenden Neutral- und Mittelsalze in kleinen Gaben, der Brechweinstein, die verdünnten Pflanzensiuircn, die Kohlensäure und die kohlensauren Kalten und Erden tluin. — Zuweilen rechnet man hierher auch noch die nicht scharfen narkotischen Pflanzen und die schleimigen Mittel, jedoch nicht ganz mit Recht, da durch diese Mittel keine vermehrte Ab­sonderung wirklich erzeugt wird, sondern höchstens nur krampf­hafte Zustände, welche dieselbe hindern, beseitigt werden können.
Die wirksamen Bestandtheile der urintreibenden Mittel gehen in das Blut über und werden niehrentheils materiell, obgleich zum Theil verändert zu den Nieren gebracht und durch diese mit dem Urin wieder aus dem Körper entfernt. Ihre reizende Einwirkung auf die Hamwerkzeuge erfolgt daher grössteutheils durch unmittel­bare Berührung, wie sich dies aus den örtlichen Spuren dieser Einwirkung, besonders bei zu-grossen Gaben oder bei zulange fortgesetzter Anwendung der erhitzenden harntreibenden Mittel (aus der Entzündung der Nieren, der Harnleiter und der Harnblase), — bei den kühlenden Diureticis aber ans der Erschlaffung dieser Theile deutlich zeigt.— Dennoch tritt die urintreibende Wirkung nur sehrun­sicher ein, und zwar weil 1) die Umleitung der wirksamen Arznei­stoffe zu den Niereit sehr oft von dem Krankheitszustande, von den hierbei bestehenden consensueilen und antagonistischen Verhältnissen zwischen den Nieren und andern Organen und von andern Einflüs­sen abhängig ist; so dass sie tinter andern Umstän(selbst bei blos veränderter Temperatur und Witterung) bald auf die Haut, bald auf die Respirationsorgane u. s, w. hinwirken, und somit auch
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scbweisstreibend oder'Auswurfbeförderud sein künnen; — und 2) weil Uriuabsouderuug mir bei eiuem gewissen Grade der Reizung der Niereu möglich zu sein scheint, dieser Grad aber in den verschie­denen einzelnen Krankheiten ausserordentlich schwer zu erforschen, und noch schwerer in der Stärke der Arzneiwirkung abzumessen und zu erzeugen ist. Der Beweis hierzu findet sich darin, dass die erhitzenden harntreibenden Mittel bei Entzündungskrankheiten die Urinabsonderung nicht vermehren, sondern vermindern, wäh­rend die Salze ihre Wirkung thun, und dass man nicht selten bei der Sektion gestorbener Thiere an den Nieren sehr deutlich Spuren der reizenden Einwirkung dieser Mittel findet, ohne dass während des Lebens ein vermehrter Harnfluss eingetreten war.
Die sekundären Wirkungen der urintreibenden Mittel sind de­nen der abfuhrenden Mittel sehr ähnlich, besonders in Beziehung auf die durch sie bewirkte Verminderung der Bildungskraft und auf die verstärkte Thätigkeit der einsaugenden Gefässe; doch sind sie weniger heftig eingreifend als bei jenen Mitteln.
sect;• 70.
]gt;) Eine schweisstreibende (diaphoretische) Wirkung zeigen die Arzneimittel, welche die Ausdünstung durch die unverletzte Haut in einem solchen Grade hervorrufen, dass die ausgedünstete Materie auf der Haut in Tropfen (als Schweiss) erscheint. Die ge­wöhnliche Ausdünstung oder Absonderung durch die Haut erfolgt nämlich im gesunden Zustande und an ruhig stehenden Thieren nur in Gas- oder Dunstform, so dass man sie höchstens riechen, aber nicht sehen und nicht fühlen kann, weshalb man sie auch als unmerkliche Ausdünstung bezeichnet. — Die Stoffe, welche durch die Haut aus dem Körper ausgeschieden werden, sind noch nicht vollständig bekannt, man bemerkt aber dabei vorzüglich: wässerige Dünste, Wasserstoff; Stickstoff, Ammonium, Kohlensäure, Phosphorsäure, manche Bestandtheile von Nahrungs- und von Arz­neimitteln u.s.w. Diese Stoffe sind bei den Thieren jeder Gattung, bei vielen Ragen u, s. w eigeuthümbeh, und sehr wahrscheinlich auch beim Schweiss von denen der unmerklichen Ausdünstung an einem und demselben Thiere quantitativ und qualitativ verschieden. Eben su zeigen sie sich bei verschiedener Witterung (besonders an Hunden), bei verschiedener Nahrung und bei einzelnen Krankheiten sehr abweichend von ihrer gewöhnlichen Beschaffenheit und Menge.
Die Hautausdünstung kann zwar bei allen Thieren verändert und vermehrt, aber doch nicht bei allen bis zum fliessenden Schweiss verstärkt werden; Pferde, Schafe und Schweine schwitzen unter unsern Hausthieren am leichtesten und reichlichsten, Rinder und Ziegen viel schwerer, und bei Hunden und Katzen ist flüssiger
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Schweiss fast niemals zu sehen. Es kann dalier von der schweiss-treibenden Wirkung und von schweisstreibenden Mitteln in Bezie-liung auf Hund und Katze keine Rede sein. Als einen Grund die­ser physiologischen Verschiedenheit kann man die bei den einzel­nen Thiergattungeu sehr verschiedenartig vorhandenen Schweiss-driisen der Haut betrachten; denn dieselben stehen hinsichtlich ihrer Grosse und Menge in einem ziemlich gleichen Verhältniss zu der angegebenen Verschiedenheit der Hautausdünstung.
Die Erzeugung des Schweisses ist zunächst durch eine Auf­regung der aushauchenden Arterien in der Haut und durch ver stärkten Andrang des Blutes nach der iiusseren Oberfläche des Kör­pers bedingt, und die schweisstreibende Wirkung kann daher durch alle Einflüsse vermittelt werden, welche diese Bedingung erfüllen. Dies geschieht vorzüglich; 1) durch einige Arzneimittel auf spezi­fische Weise, wie z. B. durch das Einspriitzen der Tinktur oder des Infusums der weissen Nieswurz in die Blutadern, durch inner­liche Anwendung des Schwefels, lies Spiessglanzcs und seiner Prä­parate, der Fliederblumen und dergl.; #9632;— 2) durch die meisten flüchtigen Reizmittel und die erhitzenden Mittel; 3) durch narko­tische Mittel, besonders das Opium; — 4) durch innerliche und äusserliche Anwendung und Mittheilung künstlich erzeugter Wärme, z. B. in Form von wannen Kräuterbrühen, von dergl. Bähungen, Dunstbädern u. s. w.; — 5) durch schnelle und anstrengende Mus­kelbewegung der Thiere, durch starkes Reiben der Haut, durch Be­deckung mit wollenen Tüchern; und G) bei Entzündungskrankhei-ten durch Aufhebung der entzündlichen Reizung, namentlich ver mittelst reichlicher Blutentziehung.
Diese verschiedenen Einflüsse erregen den Schweiss auf mehr­fache Weise, und zwar theils durch unmittelbare Einwirkung auf die Nerven und durch Erhöhung der Lebensthätigkeit überhaupt, theils mittelbar durch Beseitigung des Hautkrampfes oder des Ent­zündungsreizes. Auch gehen die wirksamen Bestandtheile der be­zeichneten Arzneimittel (1 — 3) in das Blut über, verändern dessen BeschafFenheit und erregen Orgasmus und Congestioneu. Die Er­scheinungen bei der schweisstreibenden Wirkung sind daher gröss-tentheils denen bei der reizenden und erhitzenden Wirkung gleich. Die schweisstreibende Wirkung selbst ist immer eine sekundäre, und bei unsern Hausthieren eine sehr unsichere Erscheinung, welche nur durch wenige Mittel (nur durch die unter 1) angegebenen) mit einiger Bestimmtheit zu erzeugen ist. Es muss daher mehrentheils, um sie hervorzurufen, eine methodische Vereinigung und gleich­zeitige Anwendung mehrerer der genannten Einflüsse stattfinden.
Als Folgen der schweisstreibenden Wirkung entstehen; 1) Ver-
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miiulenmg des Blutes und Veränderung seiner Beschaffenheit, he-sonders durch die stärkere Ausscheidung seiner wässerigen Be-standtheile; 2) stärkere Erregung des Durstes; 3) antagonistische Verniinderung anderer Absonderungen; 4) vmnehrte Thätigkeiv der einsaugenden G-efässe; und 5) bei starken, -wiederholten oder an­haltenden Sclnveissen auch Verzehrung der Kräfte.
sect;#9632;71.
q) Die zusammenziehende (adstringircnde) Wirkung der Arzneimittel besteht wesentlich in der Erzeugung eines starkem Zusammenziehungsvermögens (CJontraktüität) der Weichgebilde, und einer grössem Gerinnbarkeit des Blutes und der Lymphe. Diese Wirkung ist primär fast ganz allein auf die physische Beschaflen-heit der organischen Faser und der Säfte gerichtet, und daher auch mebrentheils zuerst nur in den Veränderungen der physischen Kräfte an der Stelle der Einwirkung bemerkbar; das Nervensystem wird dabei nur wenig affizirt, und schnell eintretende Erscheinun­gen einer allgemeinen Wirkung sind daher mit ihr nicht verbunden. Deshalb ist aber den hierher gehörenden Arzneimitteln (adstringi-renden Mitteln) e ne allgemeine Wirkung nicht abzusprechen, denn sie zeigen eine solche bei innerlicher und durch einige Zeit fortge­setzter Anwendung auf mehrfache Weise, besonders aber dadurch: dass 1) die Cohäsion der organischen Gebilde vermehrt wird, so dass dieselben eine grössere Dichtheit und Derbheit erhalten; 2) dass eben so die Spannkraft (der Tonus) im Herzen, in den Gefassen, Muskeln, Sehnen, Bändern u. s. w., und hierdurch auch das Rück-wirkungsvermögen vermehrt wird; 3) dass das Blut (wie bereits angegeben) mehr gerinnbar und auch röther wird, und 4) dass alle Absonderungen vermindert und theils hierdurch, theils durch die übrigen Wirkungen Durchfall, zu heftige Schwcisse, die soge­nannte Harnruhr u. s. w. geheilt, und eben so auch Blutungen gestillt werden.
Mit Beziehung auf diese Wirkungen hat man ehedem die ad-stringirenden Mittel auch als stärkende (tonische), als anhal­tende, als blutstillende (styptische), und mit Beziehung aut die Verminderung des Eiters oder der Jauche in Wunden und Ge­schwüren, als austrocknende Mittel bezeichnet. — Es gehören hierher alle Arzneimittel aus dem Pflanzenreiche, welche adstringi-rendes Princip (Gerbestoff und Gallussäure) enthalten, wie nament­lich : Galläpfel, Eichenrinde, Tormentillwurzel, Weidenriüde (China, Ratanhia, Catechu) u. a. —#9632; dann die Mineralsäuren und mehrere mineralische Mittel, theils für sich, vorzüglich aber'in Verbindung mit Säuren, wie Eisen, Eisenvitriol, Zinkvitriol, Alaun, die sämint-lichen Blei-Präparate, auch Eis, Schnee, kaltes Wasser und dergl.
Ilertwic Arznoimittvllttlire.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;\
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— Jedes einzelne von diesen Mitteln zeigt sich aber nicht mir im Grade der adstringireuden Wirkung, sondern auch in der Art der­selben und in Beziehung auf Gefusse, Nerven u. a. Organe eigen-thümlich. (Siehe: Spezielle Arzneiwirkungslehre die III. Klasse.)
sect;.72.
r) Durch die stärkende Wirkung soll der Organismus, wenn er auf irgend eine Weise, örtlich oder allgemein, geschwächt ist, sein normales Maass an Kräften wieder erhalten, und zwar so, dass die Lebensäusserungen mit mehr Dauer, Kraft und Stätigkeit geschehen und weniger leicht Erschüpfung darauf folgt. Diese Wirkung ist allerdings durch Arzneimittel zu erzeugen; die Erfah­rung lehrt aber, dass es kein Mittel giebt, welches auf eine direkte Weise die Kräfte des Körpers wirklich vermehren könnte, sondern dass die Stärkung immer nur mittelbar und durch Mittel von ganz verschiedener Wirkung erfolgen kann; da die Schwäche aus ver­schiedenen Ursachen entsteht und in verschiedeneu Verhältnissen des Körpers begründet erscheint. Man hat daher folgende Arten der Schwäche unterschieden: 1) Die Krankheitsschwäche, oder jene Verminderung der Lebenskraft, besonders in den willkührlichen Muskeln, welche immer als Folge einer im Organismus entstande­nen Krankheit eintritt und bald in wirklichem, auf direkte oder indirekte Weise entstandenen Mangel an Kräften, bald nur in einer sügenannten Unterdrückung derselben besteht. — 2) Die Schwäche aus Mangel an den nothwendigsten Lebensreizen, namentlich aus Mangel an Nahrung, Getränk, Wärme und an reiner Luft, oder aus zu starkem Verlust an Säften und Kräften durch Aderlas­sen, Purgiren, Eiterung, zu starke Anstrengung und dergl. —#9632; 3) Die in der Constitution und Beschaffenheit des Körpers beruhende Schwäche, welche besonders aus einem ungleichen Verhältnisse der Lebenskraft in den einzelnen Systemen und Organen entsteht und hiernach bald als arterielle, als venöse, als nervöse und als lympha­tische Schwäche; oder, in Beziehung auf die Lebensthätigkeit, als irritable, als sensible und als torpide Schwäche bezeichnet wird; — und 4) die Altersschwäche, welche in einem natürlichen Schwinden der physischen und dynamischen Kräfte besteht.
Die erste Art der Schwäche kann durch keine besondern Stär­kungsmittel, sondern nur allein durch eine der Krankheit entspre­chende Behandlung überhaupt beseitiget werden, und es können da­her selbst solche Mittel, die man ihren gewöhnlichen Wirkungen nach für schwächend hält, bei gewissen Umständen stärkend sein, wie dies z. B. die Salze bei Entzündungskrankheiten beweisen. Bei der zwei­ten Art der Schwäche können nur die Nahrungsmittel, reine Luft, massige Wärme, Ruhe und solche Mittel, durch welche die etwa in
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einer übermässigen Menge erfolgenden Absonderungen und Entlee­rungen bescbränkt werden, stUrken. Bei der dritten Art der Schwäche dienen, nach ihren Modifikationen, bald die adstringirenden, die bittern und bitter-aromatischen Mittel, das Eisen, die Mineralsäuren, die Phosphorsäure, aber auch die milden, indifferenten Mittel zur Stärkung. Die vierte Art Schwäche ist nur durch Ruhe und gute Diät, vielleicht auch durch die Transfusion des Bluts von jungeu Thieren etwas z;i mindern, aber nicht ganz zu beseitigen.
Ehedem unterschied man die stärkenden Mittel nach den ange­nommenen Beziehungen auf einzelne Organe, und man bezeichnete sie daher als herzstärkend, nervenstärkend, magenstär-kend und dcrgl. Wenngleich diese Beziehungen nicht überall er­wiesen sind, so ist doch nicht zu läugnen, dass manche Arznei­mittel in ihrer spezifischen Wirkung auf gewisse Organe auch die Energie derselben vermehren, und somit eine Stärkung in ihnen veranlassen können.
Aus dem Ganzen ersieht man, dass der Begriff von der stär­kenden Wirkung sehr weit umfassend, und im Allgemeinen ange­wendet, undeutlich ist, und dass daher auch der Begriff von einem stärkenden Mittel nur ganz relativ sein kann.
s) Als schwächend kann die Wirkung eines Arzneimittels betrachtet werden, durch welche alle Lebensäusserungen, und be­sonders auch das Wirkungsvermögen (die Energie) im thierischen Organismus vermindert werden. Diese Wirkung ist zwar mehr di­rekt und stets weit sicherer als die entgegengesetzte (stärkende) durch Arzneien und durch andere Einflüsse zu erreichen; dennoch aber entsteht sie auch sehr oft als Folge anderer Wirkungen, auf sekundäre und indirekte Weise. Sie kann vorzüglich erzeugt wer­den: 1) durch sehr wässerige Nahrung oder durch möglichste Ver­minderung derselben (Hungerkur); 2) durch starke Blutentziehun-gen; 3) durch reichliche Ausleerungen seröser und anderer Säfte bei der abführenden, der schweisstreibenden und urintreibenden Wirkung; 4) durch Entziehung der Wärme, besonders bei örtlicher Anwendung des Eises, Schnees u. s. w.; 5) durch die kühlenden Salze in grossen Gaben; 6) durch die vegetabilischen Säuren; 7) durch schleimige, ölige Mittel; S) durch betäubende Mittel;
9)nbsp; durch flüchtige Reizmittel, wenn sie anhaltend oder in sehr gros­sen Gaben angewendet werden, so dass eine Ueberreizung erfolgt;
10)nbsp; durch Mangel an Licht und reiner Luft; 11) durch zu starke und anstrengende Bewegung.
Die grosse Menge und Verschiedenheit der hier genannten Einflüsse zeigt wieder deutlich, dass auch der Begriff eines schwä-
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chenden Arzneimitfels sehr weit umfassend und nicht sicher be­gründet ist.
sect;• 74.
t) Die erschlaffende, erweichende Wirkung bezieht sich auf eine örtliche Verminderung der zu starken Contraktilitat in den Weichgebilden, wie namentlich bei Entzündungen, bei Krämpfen, bei Verhärtungen und bei Verdickung einzelner Theile; sie wird durch schleimige Mittel, durch alle milden Fette, fetten Oele und halben, durch Gallerte, Honig, durch warmes Wasser und seine Dünste und durch die künstlichen Emulsionen erzeugt, und meh-renthcils durch das Eindringen der genannten Heilstüffe in die Po ren der organischen Materie und durch unmittelbare Erschlaffung und Erweichung der Fasern oder der ausgeschwitzten und verhär­teten organischen Stoffe, theils aber auch durch Einhüllung und Milderung der vorhandenen Reize, und durch Ersatz des mangeln­den Schleims, wenn derselbe zu reichlich ausgeleert, oder wegen zu starker Reizung und Spannung der Theile nicht gehörig abge­sondert wird, vermittelt. Diese Wirkung erfolgt bei innerlicher und äusserlicher Anwendung jener Mittel auf gleiche Weise; sie ist in beiden Fällen fast rein örtlich, kann aber durch Beseitigung der örtlichen Zufälle auch in andern Theilen Krankheitserscheinungen heben, wenn dieselben consensuell entstanden sind. Wegen ihrer verschiedenen Wirkungsweise hat man die bezeichneten Mittel und ihre Wirkungen auch als einhüllende, als entzündungswidrige, als krampfstillende, als schmerzstillende, als eiternngsbefordernde und auflösende bezeichnet.
sect;. 75.
u) Unter einer zertheilenden, auflösenden Wirkung ver­steht man diejenige, durch welche stockende, theils noch in den Gefassen befindliche, theils in die Zwischenräume der Organe und in das Zellgewebe ergossene Säfte wieder in Cirkulation gebracht, die starre Materie flüssig und für die Organe der Rückbildung auf­nehmbar gemacht, und die zur krankhaften Bildung strebende oder in einem gewissen Grade schon entartete thierische Materie der Rückbildung selbst wieder unterworfen wird. Diese Wirkung muss zum Theil durch eine veränderte und vermehrte Thätigkeit der ab­sondernden Gefässe, besonders der serösen, noch mehr und vorzüg­lich aber durch erhöhte Thätigkeit der aufsaugenden Gefasse ver­mittelt werden, und es können daher im Allgemeinen alle Arznei­stoffe, welche auf die HaargefUsse wirken und die Funktion dersel­ben direkt oder indirekt bethätigen, als zertheilende oder auflösende Mittel (Resolventia) dienen. Die Zahl dieser Mittel is; sehr gross, und es gehören besonders hierher: die aus Ralien gebildeten Neu-
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tralsalze, auch der Salmiak und Brechweinstein, überhaupt das Spiessglauz und seine Präparate, desgleichen die sämmtlichen Prä­parate des Quecksilbers, der Schwefel, das Jod, das Brom, das Chlor, die Blausäure, die Kohlensäure, die reinen Kalien, der Kalk, die kohlensauren Salze, die Schwefelkali-Salze, die vegetabilischen Säuren, die narkotischen Mittel, die harzigen, die ätherisch-öligen, die aromatischen, scharfen und bittern Stoffe, und endlich die er­weichenden Mittel, Schleim, Fett u. s. w., besonders in Verbindung mit Wärme und Feuchtigkeit. Ausserdem wird der Zertheihings-prozess noch durch Hunger, durch Blutverlust, durch reichliche Ausleerungen anderer Säfte, durch Muskelbewegung, und örtlich durch Druck und Reibung befördert. — Die zertheilende Wirkung muss daher wieder mit sehr verschiedenartigen Erscheinungen an­derer Wirkungen verbunden und begleitet sein.
sect;. 7G.
v) Die entzündungswidrige, antiphlogistische Wir­kung der Arzneimittel spricht sich vorzüglich durch Verminderung der krankhaft aufgeregten Irritabilität im Gefässsystem und durch Herabstimmung der Plastizität des Blutes und der Bildungsthätig-keit überhaupt aus. Sie kann mehrentheils nur auf indirekte Weise erreicht werden, und zwar im Allgemeinen durch die bei der schwä­chenden Wirkung (sect;. 73.) genannten Mittel und Einflüsse, jedoch mit Ausnahme der anstrengenden Muskelbewegung und der stark reizenden Einflüsse. Da aber die Entzündung in ihrem Charakter d. h. im gegenseitigen Verbältniss der Irritabilität und der Sensi­bilität, so wie im Grade, in der Energie der Blutßefässe u. s. w. sehr wichtige Verschiedenheiten zeigt, so muss sie in einzelnen Fällen bald vorzüglich durch die kühlenden Mittel (sect;. 58.), bald durch die narkotischen (sect;. 59.), bald durch die abführenden (g. 66.), bald durch die erschlaffenden (sect;. 74.) und bald durch die zerthei-lenden und auflösenden Mittel (sect;. 75.) beseitigt werden, und die Erscheinungen bei der entzündungswidrigen Wirkung sind daher, ausser der Verminderung der Entzündungszufille, auch noch mit den eigenthümlichen Wirknngserscheinungen jener Mittel nothwen-dig verbunden. Im engern Sinne werden als entzündungswidrige Mittel (Antiphlügistica) gewöhnlich nur die kühlenden und abfüh­renden Salze bezeichnet; das kräftigste Antiphlogisticum ist aber der Aderlass.
sect;.77.
w) Durch die Eiterung befördernde Wirkung soll die Er­zeugung einer eigenthümlichen Flüssigkeit, die man Eiter nennt, in entzündeten Theilen, in Wunden und Geschwüren befördert wer­den. Die Erzeugung des Eiters geschieht nur durch den Entzün-
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dungsprozess, und zwar in den meisten Fülleu durch denselben ganz allein, oft sogar gegen den Willen und gegen das Bestreben des Thierarztes; und sie darf daher nur in solchen Fällen befördert werden, wo sie bereits im Entstehen oder zur Heilung krankhafter Zustände nuüiwendig ist, der Eiter jedoch entweder zu langsam, in zu geringer Menge oder von schlechter Beschaffenheit entsteht. So wie die Eiterbildung nur durch die Entzündung bewirkt wird, so sind auch ihre Mängel in der Beschaffenheit derselben, und be­sonders entweder a) in einem zu geringen, oder b) in einem zu hohen Grade von entzündlicher Reizung und Spannung der kran­ken Gebilde begründet. Die Beförderung der Eiterung geschieht daher in Fällen der ersten Art durch Herabstimmung des Entzün­dungsprozesses, mit örtlich angewendeten erschlaffenden, erweichen­den und betäubenden Mitteln, besonders in Form von milden Sal­ben, von lauwarmen Breiumschlägen, von warmen Bädern und Dämpfen; in Fällen der zweiten Art aber durch örtlich angewendete Reizmittel (Honig, Sauerteig, ranzige Fette und Oele, Harze, Ter­pentin, Terpentinöl, Pech, Theer, Zwiebeln u. s. w.), welche nach dem Grade der Unthätigkeit und Reizlosigkeit ausgewählt werden müssen.
Die letztern Mittel werden auch als zeitigende oder reifma­chende Mittel (Maturantia) bezeichnet, wenn man sie zur Beför­derung des Eit-erungsprozesses in Abszessen, — und als wund-reinigende oder Digestivmittel, wenn mau sie zur Verbesse­rung des Eiters in Wunden anwendet.
sect;• 78.
x) Die fäulnisswidrige (antiseptische) Wirkung ist auf die Verhütung und Beschränkung der Selbstzersetzung (Fäulniss) der thicrischen Materie, namentlich der Säfte gerichtet. — Man hat zwar eine solche Zersetzung im lebenden Organismus geläugnet, und dies, in Beziehung auf die wirkliche Fäulniss, grösstentheils wohl mit Recht; da dieselbe erst nach dem gänzlichen Verschwin­den der Lebenskraft, entweder örtlich hei dem brandigen Absterben eines Körpertheils, oder allgemein mit dem Tode des ganzen Kör­pers eintritt. Die Erfahrung lehrt dagegen aber auch, dass eine Neigung zur Zersetzung oder selbst ein geringer Grad derselben im Blute und in andern Säften nicht ganz selten sich entwickelt, besonders bei allen asthenischen Fiebern, bei Faul- und Nerven­fiebern (Typhus), bei dem Milzbrande und dergl, und dass örtlich eine wirkliche Absterhung und Fäulniss eintritt. Diese beginnende Zersetzung entsteht mehrentheils aus zu tiefem Sinken der Lehens­kraft in den Organen, zum Theil aber auch ursprünglich aus feh­lerhafter Mischung der Säfte, verursacht durch zu grosse Entzie
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hung oder zu starke Verdünnung derselben, oder durch aufgedrun­gene fremdartige Stoffe, besonders durch Contagien, durch mias­matische Einflüsse und Gifte, und durch gehinderte Cirkulatiou. Die fäulnisswidrige Wirkung muss daher vorzüglich durch Aufre­gung der Lebensthiitigkeit, durch hinlängliche Einverleibung ge­sunder Nahrungsstoffe, durch Verminderung der zu reichlichen Ausleerungen, und zum Theil auch auf chemische Weise durch un­mittelbare Beschränkung der weitem Entmischung, und durch Be­seitigung der Hindernisse in der Fortleitung der Säfte, vermittelt werden. Dies kann, den speziellen Umständen entsprechend, durch flüchtige und fixe Reizmittel, durch die adstringirenden Mittel, na­mentlich durch die Mineralsäuren, die versüssten Säuren, die Citro-nensäure und andere Pflanzensäuren, durch die China-, Eicheu-nnd Weidenrinde und dergl., durch das Kochsalz, die Kälte (kaltes Wasser zum Getränk, zu Begiessungen und Waschungen), reine sauerstoffreiche und kühle Luft, gesunde und leicht verdauliche Nahrungsmittel u. s. w. geschehen.
sect;. 79.
y) Die säurewidrige Wirkung besteht darin, dass eine, bei manchen Krankheiten im Magen in zu grosser Menge und von zu scharfer, widriger Beschaffenheit entwickelte Säure durch Arznei­mittel entweder chemisch gebunden, unwirksam gemacht und aus­geführt, oder dass ihre fernere Erzeugung durch Umstimmung der absondernden Thätigkeit des Magens verhütet wird. Gewöhnlich pflegt man nur die erstere Art der Wirkung als eine säurewidrige zu bezeichnen, und in dieser Beziehung das Kali, Holzasche und Natron, die reine Thonerde, den kohlensauren Kalk (Kreide, Eier­schalen, Austerschalen), die Magnesia (Bittererde), selbst den Aetz-kalk und das Kalkwasser als säurewidrige Mittel zu betrachten. Diese Mittel bewirken zwar, indem sie gleichsam die Säure im Ma­gen absorbiren und sich mit derselben zu einem milden Mittelsalzc verbinden, eine schnelle Verminderung der von der Säure erzeug­ten üblen Zufälle; ihre Wirkung ist aber stets nur oberflächlich und bald vorübergehend. Die gründliche Verhütung der Säurcer-zeugung ist gewöhnlich schwer zu erreichen, weil man ihre Ursa­chen und den dabei bestehenden pathologischen Zustand der ab­sondernden Drüsen und Gefässe des Magens nicht- genügend kennt. Da jedoch mehrentheils Schwäche der Verdauungseingeweide, bald mit zu grosser, bald mit zu geringer Reizbarkeit dabei gleichzeitig vorhanden ist, so leisten bittere, gelind erregende und zusammen­ziehende Mittel in der Regel die besten Dienste. .
sect;. SO.
z) Eine stein- und gri'estreibende Wirkung hat man bei
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einigen Arzneimitteln augeuommeu, welche sich liurch eine solche spezifische Richtung auf die Hamwerkzeuge auszeichnen, dass sie theils die Ah- und Aussonderung des Urins vermehren, theils und vorzüglich aber die Bestandtheile und chemische Beschaflenheit desselben so umändern, dass seine Neigung zur Bildung erdiger Konkretionen in den Nieren, in den Harnleitern und der Blase auf­gehoben wird, oder schon vorhandene Erzeugnisse der Art wieder aufgelöst und mit dem Urin ausgeführt werden, — wenn dies näm­lich ihre Grosse gestattet. Solche Mittel sind: Kali, Natron und Magnesia, sowohl fur sich allein als auch in Verbindung mit Koh­lensäure, das Kalkwasser, die Seifen, die Salzsäure, das Chlorw;is-ser, Chlorkalk, Salpetersäure, Essig, die Bärentraube, Zucker, Mohr­rüben und andere süsse Wurzeln, frische, saftige Pflanzen und dergleichen Früchte.
Wie weit die Möglichkeit besteht, dass durch diese Mittel selbst eine Auflösung und Vernichtung der bereits gebildeten Konkretio­nen erfolge, ist noch nicht entschieden; doch nannte man die Mit­tel nach dieser vorausgesetzten Wirkung auch steinauflösende, oder gar steinzerreibende Mittel (Lithontriptica).
sect;• 81.
aa) Die scharfe, die Haut röthende Wirkung besteht in einer örtlichen Reizung der Haut, wodurch an der gereizten Stelle ein juckendes, brennendes oder beissendes Gefühl, verstärkter Zu-tluss des Bluts, erhöhte Wärme, Anschwellung und, bei weisser Haut auch vermehrte, dunklere Röthung derselben, entsteht. Bei starkem Graden der Reizung erfolgt ausserdem noch ans den Haar-gefässen der Haut eine Ergiessung seröser Flüssigkeiten, welche entweder frei durch die Oberhaut schwitzen, oder sich an einzelnen Stellen unter derselben ansammeln, und sie zu Bläschen erheben; in beiden Fällen pflegt die Oberhaut hiernach bald mehr, bald we­niger vollständig abgestossen zu werden und zugleich mit der ausgeschwitzten Flüssigkeit zu Schuppen oder Schorfen zu ver­trocknen. Wird aber die Reizung der Haut an derselben Stelle auf gleiche Weise fortgesetzt, so kann dadurch auch Eiterung entste­hen. Die scharfe Wirkung besteht also in verschiedenen Graden von Hautentzündung und deren Ausgängen. — Eine solche reizende Wirkung verursachen alle Arzneimittel, welche einen scharfen Stoff, ätherisches Oel oder andere flüchtige Bestandtheile reichlich besitzen, wie namentlich: Senf, Meerrettig, Pfeffer, Spanischer Pfeffer, Zwie­beln, Terpentin, Terpentinöl, Lorbeeröl, Salmiakgeist, rektifizirter Weingeist, Spanische Fliegen und ihre Präparate u. dergl. Diese Mittel werden als Einreihungen, Waschungen oder als Umschläge nnmiftelbar auf die Haut gebracht; der Grad ihre- Wirkung ist
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nicht allein von dem Grade ihrer spezifischen Schärfe, sondern zum Theil auch von der Empfindlichkeit und Zartheit der Haut, und von der Dauer ihrer Berührung mit derselben, abhängig; denn ein und dasselbe Mittel kann, wenn die Oberhaut sehr dick und die Zeit der Berührung nur kurz ist, blos als ein die Haut rötben-des, und unter entgegengesetzten Umständen als ein blasenziehen­des Mittel wirken. Im Allgemeinen erscheint die Wirkung dies?r Mittel bei den Haussäugethieren verhältnissmässig viel heftiger als bei Menschen.
Die ganze Wirkung kann auch durch das Einströmen äusse-rer Hitze in die Haut, z. B. durch siedendheisse Flüssigkeiten, durch heisses Metall, selbst starke Sonnenhitze und dergl. erzeugt, und jederzeit durch vorhergemaebte Frottirungen sehr befördert werden.
Die angedeutete Wirkung der scharfen und der blasenziehen­den Mittel kann im Allgemeinen auf zwiefache Weise zur Heilwir­kung werden, nämlich; 1) indem an dem Orte der Anwendung und oft (durch Consensus, oder durch Uebergang der reizenden Stoffe ins Blut u. s. w.) auch im ganzen Körper, eine starke Aufregung der Lebensthätigkeit erfolgt; 2) aber, indem, nach dem Gesetz des Antagonismus, durch die örtliche Reizung, und bei den blasenzie-den Mitteln auch durch die Ausleerung von Säften, das Blut von andern Organen abgeleitet, die Reizbarkeit und die Vegetation in den letztern gemindert, die Respiration aber gesteigert wird. Auf die erste Weise wirken diese Mittel als belebende, krampfstillende, resorbirende, zertheilende Heilmittel bei Lähmung, Schwund, Krampf, bei asthenisch-torpider Entzündung, bei dergl. Extravasateu und Verhärtungen; auf die zweite Weise werden sie bei Entzündungen tief liegender, innerer, edler Orgaue, bei Rheumatismus, bei Hyper­trophie u. s. w. sehr nützlich.
sect;. 82.
bb) Die ätzende (kaustische) Wirkung besteht darin: dass durch die chemischen Kräfte gewisser Substanzen das organische Gewebe und die Vitalität in den von ihnen unmittelbar betroffenen Organen zerstört wird. Gewöhnlich wird hierbei das organische Gewebe zuerst erweicht, selbst bald mehr, bald weniger flüssig, dann aber in einen harten, trockenen Schorf umgewandelt. Diese Erscheinungen entstehen nur durch die chemische Einwirkung der ätzenden Stoffe, indem dieselben nach den Gesetzen der chemi­schen Wahlverwandtschaft sieh mit den Bestandtbeilen der von ihnen berührten Organe verbinden. Sie entstehen dalier am todten wie am lebenden Körper; an dem Letztern treten aber noch andere Erscheinungen hinzu. Denn gleich bei dem Entstehen dieser Wir­kung und ehe die Zerstörung völlig geschieht, wird die Lcbensthä-
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tigkeit zu Reaktionen angeregt, und Schmerz, stärkerer Zufhiss der Säfte, und darauf Entzündung und Eiterung im Umfange der geätzten Stelle hervorgerufen; auch werden von den meisten Aetz-mitteln die wirksamen Bestandthcile durch Absorption in die Säfte aufgenommen und hierdurch an entfernten Organen spezifische Wirkungen erzeugt. (Siehe z. B. spez. Arzneimittellehre vom Ar­senik.) Die ätzende Wirkung im Ganzen ist daher weder eine blos örtliche, noch eine rein chemische, und sie ist bei jedem Aetzmittel, je nach dessen Eigenfhümlichkeit, in einigen Erscheinungen gewis-sermaassen eine eigenthümliche. Auch der Actzschorf ist nach je­dem dieser Mittel von besonderer Beschaffeuheii Zu den Aetzmitteln gehören: die reinen Alkalien, die reine Kalkerde, die konzentrirten Mineralsäuren, salpetcrsaures Silber- und Quecksilber-Oxyd, Chlor-Zink, ätzendes Chlor-Quecksilber, Chlor-Spiossglanz, rothes Queck­silber-Oxyd, gebrannter Alaun, schwefelsaures Kupfer-Oxyd, Arse­nik. — Ihnen ähnlich wirkt das glühende Eisen. — Die Heilwirkung dieser Mittel besteht in der Zerstörung und Entfernung krankhaf­ter, besonders wuchernder Gebilde, in der Zerstörung ansteckender Stoffe in Wunden und Geschwüren, — in der Erregung eines leb­hafteren Heiltriebes und in der antagonistischen Herabstimmung der Thätigkeit in andern Organen.
FV. Von den Bedingungen, durch welche die Wirkungen der Arzneimittel vorändert werden können.
sect;. S3.
Die Erfahrung lehrt, dass die Wirkungen eines Arzneimittels im kranken Thicrkörper nicht in jedem Falle und nicht unter allen Umständen sicli völlig gleichmässig zeigen, sondern dass sie häu­fig sowohl im Grade der Stärke, wie auch in der Art ihrer Er­scheinungen von den gewöhnlichen Wirkungen abweichen, oder dass sie sogar ganz ausbleiben. Der allgemeinste Grund hiervon besteht darin: dass die Arzneimittel weder absolute (sect;. 14. sect;. 36)i noch nothwendige Wirkungen besitzen, sondern dass ihre Wirkun­gen überhaupt, und somit auch die Modifikationen derselben, von gewissen Bedingungen und Verhältnissen abhängig sind (sect;. 13.),
sect;. 84.
Diese Bedingungen sind daher von der grössten Wichtigkeit, und verdienen stets eine genaue Beachtung. Sie liegen theils A. in den Arzneimitteln, — theils B. im kranken Organismus, — und theils C. in der gleichzeitigen Einwirkung anderer Einflüsse.
Bei den Arzneimitteln beziehen sie sich: a) auf die materielle
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Beschaffenheit und Güte derselben; b) auf ihre Form oder Gestalt bei der Anwendung; c) auf die Konzentration; d) auf die Verbin­dung mit andern Arzneimitteln; e) auf die Gabe; f) auf die Art und Dauer der Einwirkung, und g) auf die Wiederholung der An­wendung. — Auf Seiten des kranken Organismus sind es; h) die Thiergattung; i) das Alter; k) das Geschlecht; 1) die Constitution und das Temperament; m) der Krankheitszustand, und n) der Crt und das Organ zur Applikation; und hinsichtlich der äussern Ein­flüsse sind es: o) das diätetische Verhalten der Thiere, besonders ihr Futter undGretränk; p) die Luft (ihreReinheit, Temperatur, Elek­trizität); und q) Klima, Jahreszeit und Witterung.
sect; 85. a) Da die spezifischen Kräfte eines jeden Arzneimittels von seinen eigenthiimlichen materiellen Bestandtheilen und Eigenschaf­ten abhängig sind, so erscheint als die erste wesentliche Bedingung für die Erzeugung sicherer und gleichartiger Wirkungen: die gleichartige Qualität der Arzneimittel. Dieselbe kann je­doch geändert werden: 1) bei Arzneimitteln aus dem Thierreiche, durch das Alter, die Art der Ernährung, den gesunden oder krau ken Zustand der Thiere, durch das Klima, die Jahreszeit u. s. w.; so enthält z. B. das Fleisch junger Thiere viel mehr Gallerte, das Fleisch alter Thiere dagegen mehr Osmazora, Faserstoff und Eiweiss; eben so ist die Milch nach Verschiedenheit der Nahrungsmittel von sehr verschiedenen Eigenschaften. — 2) Bei vegetabilischen Arzneimit­teln sind Veränderungen bedingt: a) durch den Standort der Arzneipflanzen; denn die Erfahrung zeigt, dass fast alle wild­wachsende Pflanzen wirksamer sind, als die in Gärten eultivirten; dass Pflanzen von derselben Spezies auf sonnigen, trocknen Orten und auf Bergen mehr aromatische, an schattigen, feuchten Orten mehr fade und wässerige, und im Sumpfboden mehr scharfe Be-standtheile in sich entwickeln, als dies auf entgegengesetzten Stand­orten geschieht, b) Durch das Klima, indem viele Pflanzen in ge­wissen Ländern und unter gewissen Breitegraden ihre eigenthiim­lichen Bestancltheile und Kräfte vollständig entwickeln, wie z. B. diejenigen, welche Kampher, Schleimharze und dergl. enthalten, c) Durch das Airer der Pflanzen; denn der Erfahrung zufolge ent­halten sehr junge Pflanzen viel mehr Schleim, als zur Zeit ihrer völligen Ausbildung, dafür aber wenig oder gar keine von den ihnen später eigenthümlichen Substanzen; z. B. fast alle Giftpflan­zen sind in der ersten Zeit nach dem Aufkeimen unschädlich, und das Bilsamkraut ist im ganzen ersten Jahre nur von sehr gerin­ger Wirksamkeit, d) Durch die Zeit des Einsammelns, weil in den Pflanzen nicht zu allen Zeiten die wirksamen Bestandtheilc
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gleichtnässig entwickelt sind, sondern z. B. in den perennirenden Wurzeln mehrentheils im Friihlinge, vor dem Treiben der Stengel und Blätter, — bei den einjährigen dagegen mehr im Herbst, nach völliger Ausbildung der Pflanzen, — bei den Rinden am besten im Frühjahre, besser in den jungen Stämmen und Zweigen als in den alten u. dgl. — 3) Bei zubereiteten Mitteln durch die Art und Methode ihrer Bereitung. Manche Arzneistoffe werden 'zwar in dem einfachen Zustande angewendet, in welchem sie die Natur erzeugt hat; aber die meisten werden vorher auf gewisse [Weise zubereitet, oder selbst erst durch künstliche ehemische Prozesse ge­wonnen. Für manche Mittel giebt es mehr als eine Bereitungsart, und deshalb sind auch ihre Bestandtheile und Wirkungen wenig­stens quantitativ verschieden, z. B. bei der Blausäure, bei dem Brechweinstein, bei manchen Extrakten und andern. — 4) Bei allen Arzneimitteln durch die Art und Dauer der Aufbewahrung. Luft, Licht, Wärme und Feuchtigkeit entziehen den Arzneimitteln einzelne Bestandtheile oder verursachen Zersetzungen, wie beson­ders bei Blausäure, Hollenstein, bei kohlensauren Kalien, bei dem Aetz-Kali, den Schwefel-KaUen u. s. w. Die Wirkung eines frisch eingesammelten oder frisch bereiteten Mittels ist daher fast immer viel kräftiger, als die eines alten und verlegenen. — 5) Durch ab­sichtliche, zum Betrug gemachte Verfälschungen, wie z. B. bei dem Opium durch Beimengung des Süssholzsaftes, bei dem Stinkasand durch ein Gemenge von Zwiebelsaft, bei dem Saf-i fran durch getrocknete feine Fleischfasern, bei der Arnika durch die Blütheii von Doroulcum austriacum u. s. w. bewirkt werden.
sect;. 86. b) LTnter der Form der Arzneimittel oder der zubereiteten Arz­neien versteht man sowohl ihre äusserc Gestalt als auch die, der­selben zum Grunde liegenden Consistenz. In Beziehung auf die letztere unterscheidet man im Allgemeinen 1) eine trockene und feste, 2) eine weiche oder breiartige, 3) eine tropfbar flüs­sige und 4) eine elastisch flüssige (Dampf- oder Gasform). Zu der ersten gehören die Pulver; zu der zweiten die Pillen, Lat­wergen, Bissen, Breie, Salben und Pflaster; zu der dritten die Auf­lösungen, Infusionen, Abkochungen, Tinkturen, Mixturen, Emulsio­nen und Liniments; und zur vierten gehören die Dämpfe und Gas­arten. Die meisten Arzneien sind in mehr als eine Form zu brin­gen und anzuwenden; aber die Erfahrung zeigt, dass nicht jedes Medikament in allen Formen gleich zweckmässig zu benutzen ist, dass in manchen Formen die wirksamen Bestandtheile unverändert bleiben, in manchen freier entwickelt und wirksamer gemacht, in andern aber eingehüllt und beschränkt werden können. Ausserdem
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ist aber auch nicht jede Forin für die verschiedenen Applikafions-stellen, nicht bei allen Krankheiten und selbst nicht für die Thiere jeder Gattung gleichmässig geeignet. Unter gleichen Umständen hält mau diejenige Form für die beste, bei welcher am wenigsten chemische Veränderungen der Bestandfheile erfolgen, und bei der alle wirksamen Bestandtheile des Mittels zur gleichmässigeu Ent-wickelung gelangen; doch kann der Heilzweck hiervon eine Aus-nahine verlangen und mir die Enfwickelung des einen Bestand-theiles wünschenswerth machen*).
1) Die Pulverform enthält die einfachen Arzneien am mei­sten unverändert, da das Pulverisiren nur in der |inechanischen Trennung und Verkleinerung, ohne irgend eine chemische Umän­derung derselben besteht. Daher sind auch die Wirkungen eines pulv. Arzneimittels nicht wesentlich verschieden von denen, welche bei der Aivwennung desselben Mittels in fester Substanz (in einem Stücke) entstehen dagegen sieht man aber durch diese Verschie­denheit des Aggregatznstandes sehr oft Verschiedenheit in der Stärke, in der Ausbreitung und in der Schnelligkeit der örtlichen Einwirkung und somit auch in der ganzen Wirkung bedingt. Denn die pulv. Arzneisubstanz besitzt mehr Berührungspunkte als ein festes Stück derselben; sie verbreitet sich bei dem geringen Zusammenhange ihrer Theile mehr und schnell auf eine grössere Oberdäche, tritt schneller und gleichmässiger mit den vorhandenen Säften in Verbindung, und es erfolgen eben so die Reaktionen von mehreren Seiten des Körpers. Es ist sogar nach neueren mikro­skopischen Untersuchungen sehr wahrscheinlich, dass feine Pulver in die aufsaugenden Gefisse aufgenommen werden und somit die Arzneisubstanz unverändert in die Säfte gelangt. Ist aber dieselbe Arznei nur in einem Stücke angewendet, so bleibt seine Einwir­kung auf eine Stelle beschränkt, seine chemische Natur unverän­dert, die Wirkung wird langsamer, aber oft ortlich zu eingreifend, selbst zerstörend. Die meisten Mittel wirken jedoch in Pulverform etwas langsamer als In Auflösungen, weil sie an dem Orte ihrer Anwendung erst aufgelöst oder auf andere Wsise, %. B. bei inner­licher Anwendung durch die Verdauung zur Wirkung vorbereitet werden müssen. Diese Anwendung setzt daher eine immer noch nicht zu sehr geschwächte Verdauungskrail voraus, besonders bei
*) Die Regeln zum Verordnen einer Arzneiform mis der Apolheke lelirt die Bezeptirkuode. Siehe hierüber: Eckel, G. F., fhieriirzll, Rezep-tirkunst. Wien raquo;826. 8vo. 2lo Aull. 1845; und — Kreuzer, J. M., llundh. der ihieriirzll. Arznelvoro'rdnungslehre. Augsburg lS.i7. Svo.
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solchen Pulvern, welche holzige, schwer auflösliche oder mit unver­daulichen Stoffen gemengte Pflanzenhestandtheile enthalten. — Aus-serdein vertheilen sich die Pulver im Magen und Darmkanal un-gleichinässiger als flüssige Arzneien, und sie können daher, wenn sie stark reizende, scharfe Bestandtheile enthalten, sehr leicht an einzelnen Stellen eine zu heftige örtliche Wirkung, selbst Entzün­dung und Aetzung verursachen. Die Thiere erleiden diese örtli­chen Einwirkungen bei der Anwendung solcher Pulver noch mehr im Maule, weil sie jedes Pulver erst kauen und dadurch auf län­gere Zeit mit der Zunge, den Backen u. s. \v. in Berührung brin­gen, ehe sie es verschlucken. Bei Schweinen entsteht sogar leicht eine heftige Bräune und selbst der Tod durch scharfe feine Pulver. Diese Form der Medikamente ist deshalb zur innerlichen Anwen­dung bei kranken Thieren nur sehr wenig geeignet und fast nur noch bei den sogenanten Fresspulvern, Drusenpulvern und Lecken (letztere für Schafe) gebräuchlich.
Aeusserlich wirken die Pulver theils nach ihren cigenthümlichen chemischen und dynamischen Kräften, theils aber auch mechanisch, durch den Reiz hei der Berührung, und in Wunden und Geschwü­ren noch durch Absorption der abgesonderten Flüssigkeiten, daher austrocknend.
sect;. sa
2) In der weichen oder breiartigen Consistenz sind mehrentheils Pulver, und neben ihnen verschiedene, flüssige oder weiche Binde­mittel zusammengemengt enthalten. Von der Beschaffenheit der Letz­tern hängt es zum grössten Theile ab, ob die wirksamen Stoffe der Arznei schnell oder langsam aufgelöst, mit einer grüssern oder geringern Oberfläche der betreffenden Organe in Berührung ge­bracht werden. So z. B. gestatten Althaewurzelpulver, Mehl, Ei-weiss, Fett, Talg und manche Extrakte nur eine langsame, dage­gen Honig, Zucker, Syrup, Süssliolzsaft, Seife eine schnelle Auflö­sung der mit ihnen verbundenen Arzneimittel. — Ueber die, von den hierher gehörigen Formen bedingte Verschiedenheit der Wir­kungen ist hiernach zu bemerken:
a) Bei den Pillen. Sie wirken fast ganz so wie die Pulver, aus denen sie bestehen. Auch hier ist ein gewisser Grad von Ver­dauungskraft erforderlich, tun die Wirkung zur Entwickelung zu bringen, und zwar nicht allein wegen der unauflöslichen Beschaf­fenheit der in den Pillen enthaltenen Pulver, sondern zuweilen auch wegen der Pillenmassc selbst, besonders wenn schwer auflösliche Bindemittel zur Bereitung der Pillen benutzt sind, oder wenn die Letztern bereits alt und hart geworden sind. In diesem Falle lö­sen sie sich gewöhnlich nicht im Magen ganz auf, und ihre Wir-
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kung entwickelt sich dann auch nicht in ihm, sondern erst im Dickdarm, daher spät und unvollstiiadig. Werden solche harte Pillen in schnell auf einander folgenden Zwischenzeiten eingegeben, so kommen leicht mehrere Gaben in dem Verdauungskauale zusam­men mid bringen gemeinschaftlich eine ungewöhnlich heftige Wir­kung hervor. — Hunde brechen sehr häufig die Pillen wieder aus, noch ehe dieselben ihre Wirkung beginnen. Dagegen hat dies? Form den Vorzug, dass scharfe Substanzen vollständig eingehüllt und ohne nachtheilige Einwirkung auf das Maul oder auf den Schlund in den Magen gebracht, und dass die einzelnen Gaben der Medikamente sehr genau abgetheilt werden können.
b)nbsp; Die Latwerge enthält ebenfalls die wirksamen Bestand-theile der Arzneien, aus denen sie besteht, ohne wesentliche Verän­derungen. Da sie wt-icher ist als die Pillen, so ist sie auch leich­ter im Magen auflöslich, wirkt daher etwas schneller und gleich-massiger, und besitzt dabei doch noch die meisten Vorzüge der Pillcnform. Wenn aber zur Bereitung der Latwergen süsse, leicht in Gähruug übergehende Säfte benutzt worden sind, so entsteht zuweilen eine Gährung der Arznei und hierdurch eine schädliche Umänderung ihrer Bcstandtheile und Wirkungen.
c)nbsp; Die Eigenschaften der Bissen, kommen mit denen der Pil­len und Latwergen, zwischen welchen sie hinsichtlich der Consi-stenz fast in der Mitte stehen, fast ganz überein.
d)nbsp; Bei Breiumschlägen kann durch schlechte Bereitung und fehlerhafte Anwendung die sonst gewöhnliche Wirkung ihrer Be-standtheile verändert erscheinen; z. B. wenn aromatische Kräuter stark gekocht, wenn die Breimassen zu schwer und drückend ge­macht oder zu heiss augewendet, oder zu selten und in verschie­denen Wärmegraden gewechselt werden.
c) Die Salben werden, wenn sie Fett enthalten, mit der Zeit ranzig und scharf, und bedingen hierdurch eine grössere Reizung, als sie für sich allein haben sollten. Salben ohne Fett (z. B. die aus Eigelb und dergl. bestehenden Digestivsalben) zersetzen sich leicht auf andere Weise, und solche, die reich an metallischen Be-standtheilen sind, lassen dieselben sehr leicht auf den Boden des Gefisses fallen, besonders wenn sie durch die Wärme mehr weich oder flüssig geworden sind. Hierdurch werden ungleiche, bald zu geringe, bald zu heftige Wirkungen bedingt. — Werden Salben auf die Haut stark eingerieben, so kann das Reiben eine unge­wöhnliche reizende Nebenwirkung erzeugen; ein hlosses Aufstrei-chen auf die behaarte Haut ist dagegen meistens mit zu geringen Wirkungen begleitet, besonders bei den Salben, welche scharfe Stoffe enthalten und durch welche Reizung bezweckt werden soll.
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f)nbsp; Der Salbe sehr ähnlich, aber flüssiger als sie, ist das Li­niment, von dem Alles ziemlich eben so gilt, was von der Salbe gesagt worden ist.
g)nbsp; Die Pflaster sind grüsstenthcils durch Schmelzen und Zu-sammeninengen von Harzen, Wachs u. dergl. bereitet. Durch das Schmelzen, besonders bei zu starker Hitze, können aber die aroma­tischen und andere flüchtige Stoffe zerstört werden, und dann die Pflaster eine ungleiche Wirkung zeigen. — Im Ganzen finden die Pflaster bei kranken Thieren nur eine sehr beschrankte und seltene Anwendung, weil die behaarte und durch den Hautmuskel sehr be-wecliche Haut, mehrentheils ein grosses Hindcrniss dabei ist.
sect;• 89.
3) Die flüssigen Arzneiformen sind am meisten geeignet, eine schnelle und gleichmässige Wirkung zu bedingen, da in ihnen die wirksamen Bestandtheile am leichtesten mit einer grössern Fläche des Thierkörpers schnell und gleichmässig in Berührung gebracht und auch leichter absnrbirt werden können. Diese Formen der Arzneien verdienen daher bei grosser Schwäche der Verdauungs­eingeweide, bei den meisten acuten Krankheiten, und besonders bei den innerlichen Krankheiten der wiederkäuenden Thiere den Vorzug vor den übrigen, und zwar bei den letztern deshalb, weil die flüs­sigen Mittel (hauptsächlich wenn man sie in kleinen Quantitäten einschüttet) sicherer in den vierten Magen und in den Darmkanal gelangen als trockene und feste Mittel. Die Letztern kommen da­gegen, besonders wenn sie in grossen Portionen gereicht werden, mehrentheils in den Wanst und in die Haube, wo sie neben den grossen Futtermassen nur langsam und schwach wirken. Wenn aber die flüssigen Arzneien nicht mit gehöriger Vorsicht den Thie­ren eingegeben werden, so dringen sie zuweilen in den Kehlkopf, und weiter in die Luftröhre und Lunge, und verursachen daselbst, nach Verschiedenheit ihrer Qualität, Reizung in verschiedenen Gra­den, Husten, Erstickungszufällo, Bräune, Lungenentzündung, und selbst den Tod; — Zufälle, die man ganz unrichtig zuweilen als eigenthümlichc Wirkungen der Arzneimittel betrachtet. Dergleichen widrige Zufälle entstehen vorzüglich leicht, wenn die Thiere schon an Respirationsbeschwerden leiden, besonders bei Pferden, Schwei­nen, Hunden und Katzen, weniger bei Schafen und Ziegen, und am wenigsten bei dein Rindvieh. Es ist deshalb eine praktische Regel: in allen Fällen, wo das Athemholen erschwert ist, flüssige Arzneien den Thieren nicht einzugeben.
Ausserdem können die flüssigen Arzneimittel durch die zu ihrer Bereitung benutzten Flüssigkeiten auf mehrfache Weise von ihrer ursprünglichen Qualität, und somit auch von ihren eigen-
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thümlichen Wirkungen abweichend gemacht werden. Dies geschie-het vorzilglich: A) durcli die Art der Flüssigkeit, welche als Lö­sungsmittel dient; denn wenn dieselbe nicht chemisch reines Was­ser, sondern kohlensüurehaltiges, kalkhaltiges oder salziges Brun-nemvasser, Essig, Weingeist u. s. w. ist, so tritt ein neuer wirksa­mer Stoff' zu dem Arzneimittel hinzu, und dasselbe ist daher tls eine neue Mischung zu betrachten. Dabei kommt noch sehr viel darauf an: ob das Lösungsmittel einen Arzneikörper ganz oder nur zum Theil in sich aufnimmt (z. B. Wasser als Auflösuugsmit-tel der Schleimharze nimmt nur das Gummi auf) —#9632; ob es die Bestandtheile in ihren eigenthttmlichen Verbindungen lässt, oder sie trennt und in andere Verbindungen bringt. B) Durch die Menge der benutzten Flüssigkeit; denn hiervon hängt es ab, ob die Arznei die wirksamen Bestandtheile eines Mitfels sehr conzen-trirt oder sehr verdünnt enthält, u. s. w. (Siehe !?#9632; 91-) C) Durch den Grad und dh Dauer der Einwirkung der Wärme bei der Be­reitung, so wie auch auf den Grad der Wärme bei der Anweu-wendung mancher Auflösungen, der Aufgüsse, Dekokto u. a. flüs­sige Arzneien.
a)nbsp; In der Auflösung ist die ganze Substanz eines Arznei­mittels chemisch mit der Flüssigkeit verbunden. Zu den Auflö-sungsfliissigkeiten benutzt man. den chemischen Eigenthümlichkei-ten der Mittel und den Heilzwecken entsprechend, Wasser, Wein­geist, ätherische und fette Oele, Säuren u. dgl, und es gelten da­her hinsichtlich der, durch sie bedingten Veränderungen die im Vorstehenden gemachten Andeutungen.
b)nbsp; In den Aufgüssen oder Infusionen sind nur die flüch­tigen und leicht auflöslichen Bestandtheile eines vegetabilischen Arzneistoffes enthalten, die Wirkungen daher meistens etwas milder und schneller vorübergehend, oft aber auch flüchtiger als bei den­selben Mitteln, wenn sie in Pulverform angewendet werden. Auf­güsse von solchen Arzneimitteln, welche blos fixe Bestandtheile enthalten, wirken weit schwächer als die Dekokte von denselben Mitteln.
c)nbsp; Die Abkochung enthält mehrentheils die fixen, schwer auflöslichen Bestandtheile eines Mitfels, welche aus ihm durch die Siedhitze ausgezogen worden sind; besitzt dasselbe auch flüchtige Stoffe, so werden diese beim Kochen entweder ganz zerstört, oder doch sehr geschwächt. Rein flüchtige Mittel, im Dekokt angewandt, wirken daher schwach und unregelmässig, dagegen die Dekokte von fixen (z. B. von bittern und adstringireuden) .Mitteln wirken in dieser Form leichter und schneller, als dasselbe Mittel in Pul­verform.
HertwJs Arzneianttt'Ilelire.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; il
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d)nbsp; In der Tinktur wird die spezifische Wirkung der Arznei-istofife theils durch die Mitwirkung des Weingeistes, theils aber da­durch sehr verändert, dass durch den letztem zwar die meisten, aber doch nicht alle Bestandtheile aufgenommen werden, wodurch dann die Wirkung einseitiger wird, als sie bei dein ursprünglichen Arzneimittel ist.
e)nbsp; Die Mixtur enthält in einer Flüssigkeit mehrere Arznei­mittel, sowohl auflösliche als auch unauflösliche, gemengt. Sind die Mittel anflöslich, so lieisst die Mixtur eine einfache, sind sie unauflösücb, so heisst sie Schüttelmixtur, weil sie im letztern Falle vor dem Gebrauch jedesmal umgeschütteli werden muss, da­mit die auf den Grund gesunkenen unlöslichen Bestandtheile sich wieder gleicbmässig in der Flüssigkeit vertheilen. Wird dies un­terlassen, so ist die Wirkung von verschiedenen Gaben derselben Arznei sehr ungleich. Ausserdem erfolgen in den Mixturen sehr oft gegenseitige Zersetzungen der in sie gebrachten Mittel.
f)nbsp; Die Emulsion ist der Mixtur im Wesentlichen ganz ähn­lich, jedoch viel consistenter als sie. In ihr sind gewöhnlich schwer auflösliche, oder ganz unauflösliche, oder scharfe Substanzen durch ein Bindemittel (Schleim, Eiweiss, Eigelb) mit der Flüssigkeit ver­bunden. Manche Arzneimittel wirken daher in dieser Form milder und weniger örtlich reizend, als in Substanz angewandt; auch ge­hen die schweren und unauflöslichen Mittel auf den Boden des Gelasses, und die Emulsionen erzeugen dann ebenfalls sehr un­gleiche Wirkungen, wenn sie nicht vor der Anwendung gut umge­schüttelt werden. Ausserdem zersetzen sich die Emulsionen leicht, gehen in Gährung über, und verändern dann die Wirkungen auf qualitative Weise.
sect;• 90. 4) Die elastisch-flüssige oder die Dampf- und Gas­form ist bei einzelnen Arzneimitteln im gewöhnliehen Zustande derselben vorhanden, z. B. bei Sauerstoff, Chlor, Kohlensäure; manche Heilmittel nehmen diese Form schon bei der gewöhnlichen Temperatur an (z. B. Aether, Alkohol, Blausäure); — bei andern ist sie vollständig nur durch Einwirkung eines höhein Wärmegra­des, bald mit, bald ohne Mitwirkung von Flüssigkeiten zu erhalten (z.B. bei Essig, Terpentinöl, Theer, aroin. Pflanzen); —und bei meh­reren Mitteln erzeugt man sie durch wirkliches Verbrennen (z. B. bei Wachholderbeeren, Wach holderholz, Bernstein, Zucker, Schwe­fel). Bei den Mitteln der ersten und zweiten Art erfolgt die Wir­kung durch ihre eigentluimlichen Bestandtheile allein und deshalb ohne bemerkbare Veränderung. Bei denen der dritten Art sind die zur Dampferzeugung benutzte Wärme und Feuchtigkeit stets
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mitwirkende Einflüsse, welche bald mehr, bald weniger Nebenwir­kungen bedingen, indem sie in geringern Grade die Lebensthätig-keit erhöhen, namentlich die Absonderungen, die Resorption und den ganzen Stoffwechsel befördern, — bei höhern Graden aber durch Verbrühen stark reizen, und selbst die Oberfläche der be­troffenen Organe zerstören. Ausserdem kann auch durch grellen Wechsel in der Einwirkung der warmen Dumpfe und der kältern Atmosphäre eine nachtheilige Wirkung erfolgen. — Bei der Dampf-(eigentlich Rauch-) Erzeugung durch das Verbrennen der Arznei­mittel werden nicht blos die flüchtigen Bestandtheile der Letztem verdunstet, sondern die Mittel werden dabei grösstcntheils zerstört und die verdunstenden Stoffe werden zum Tbeil chemisch verändert, namentlich empyreumatisch, deshalb mehr reizend; so z. B enthält der Dampf von verbranntein Schwefel nicht mehr den Letztern, sondern schweflige Säure, — der Rauch von verbrannten Wachhol-derbeeren nicht bios ätherisches, sondern auch brenzliches Oel. — Ausserdem ist bei allen Mitteln In der elastisch-flüssigen Form noch zu bemerken, dass die wirksamen Bestandtheile durch die zwischen ihnen befindliche Luft oder durch dampfförmiges Wasser stets in einem grössern Räume vertheilt erhalten werden, und des­halb für sich allein sehr selten eine starke örtliche Einwirkung er­zeugen. Doch kann die Menge dieser Luft- oder Wassertheile sehr verschieden sein und hierdurch das Mittel eine verschiedene Gon-zentration und Stärke erhalten. Uebrigens dringen die elastisch-flüssigen Arzneimittel in die organische Substanz des Tbierkörpers leicht ein, und werden schnell absorbirt. Sie wirken sowohl durch unmittelbare Berührung, als auch durch Uebergang in die Säfte. Ihre Anwendimg findet hauptsächlich bei örtlichen Krankheiten der Nasen-, der Stirn- und Rachenhöhle, der Luftröhre und der Bron­chien, des Mastdarms und der Haut, so wie bei manchen Wunden, Geschwüren und Geschwülsten statt, zuweilen auch bei allgemeinen Krankheitszuständen, wie namentlich bei rheumatischen und katar­rhalischen Leiden, bei Faulfieber und dergl.
sect;• 91-c) Unter Conzentration versteht man das Verhältniss der wirksamen Bestandtheile einer Arznei zu dem ganzen Volumen derselben. Dieses Verhältniss ist in vielen Mitteln schon von Na­tur sehr verschieden, und ausserdem kann es in allen durch künst­liche Zubereitungen noch weit mehr verändert werden, wie beson­ders bei flüssigen Formen durch die Menge der benutzten Auflö-snngsmittel, bei Latwergen, Pillen u. s. w. durch .die Menge der Bindemittel, bei Salben durch die Quantität des Fetfes, bei wirksa­men Pulvern durch den Zusatz von andern, weniger wirksamen
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Pulvern u. dergl. Je nach der Stärke der Conzentration ist auch die Wirksamkeit der Mittel sehr abweichend, und zwar nicht allein im Grade der örtlichen Einwirkung, sondern auch oft in der Art der Wirkung. Jene ist immer am heftigsten und gleichmässigsten, wenn ein Mittel recht conzentrirt, d. i. in reiner Substanz ange­wendet wird; dagegen weichen die Erscheinungen der Wirkung um so mehr ab, je mehr vertheilt und verdünnt das Mittel durch andere Substanzen ist. So z.B. verursacht Brechweinstein in Sub­stanz oder in recht concentrirtor Verbindung mit Wasser oder mit Fett in der Haut, Schleimhaut u. S w. Entzündung und Anätzung, — in einer massigen Menge Wassers gelöst erregt er bei Hunden, Schweinen u. s. w. Erbrechen, — mit viel Wasser bewirkt er das Letztere sehr selten, dagegen gewöhnlich Laxiren, oder reich liches Uriniren. Der Grund dieser Verschiedenheit ist wahrschein­lich derselbe, welcher bereits hinsichtlich der verschiedenen Absor­ptionsfähigkeit der Mittel (sect;. 43.) und der grössern Wirksamkeit der Pulver (sect;. 87.) angegeben ist.
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d) Die Verbindung oder Zusammensetzung mehrerer Arz­neimittel mit einander ist eine der wichtigsten und gewöhnlichsten Ursachen der Veränderungen ihrer Wirkungen; denn es kann hier­durch 1) eine chemische Umwandlung der ganzen Arznei oder des Hauptmittels entstehen, — oder 2) wenn auch dies nicht geschie­bet, so können die einzelnen, zu einer Arzneimasse verbundenen Mittel in ihren dynamischen Kräften sehr verschieden, bald ver­wandt und den beabsichtigten Wirkungen förderlich, bald entge­gengesetzt und hinderlich sein, — und 3) vermindern die zu einem wirksamen Mittel hinzugesetzten übrigen Mittel auch die Conzen­tration (sect;. 91). — Auf jene erstere Weise erfolgen gegenseitige Verbindungen und Zersetzungen oft so, dass der neu entstandene Körper mit den einzelnen, ihm zu Grunde liegenden Stoffen keine materielle Aehnlichkeit besitzt und daher auch von ganz anderer, zuweilen von ganz unbekannter Wirkung ist. Manche Stoffe wer­den durch solche materielle Veränderungen erst recht wirksam (wie z. B. das rohe Spiessglanz in Verbindung mit Säuren, der weisse Arsenik durch Verbindung mit Kali), in andern Fällen wird aber die bekannte Wirkung eines Arzneistoffes sehr geschwächt, oder verändert oder sogar ganz aufgehoben (z. B. bei Blausäure in Verbindung mit Eisen-Präparaten, Eisen-Vitriol mit kohlensaurer Magnesia, ätzender Sublimat mit Spiessglanzleber, oder mit Seifen U. dergl.). — Auf die zweite Weise erfolgt die Veränderung der Arzneiwirkung wohl nicht dadurch, dass die dynamischen Kräfte einer Arzneisubstanz unmittelbar durch die Kräfte eines andern, mit ihm
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verbimdeiien Stoffes vermehrt oder aufgehoben werden; denn wäre dies der Fall, so musste aus der Zusammensetzung zweier Mittel von entgegengesetzten Kräften eine ganz unwirksame Masse her­vorgehen, — was aber die Erfahrung nicht bestätigt. Es ist da­her wahrscheinlicher, dass hierbei durch das gemeinschaftliche Hin­wirken mehrerer Stoffe auf ein Organ oder auf ein ganzes System, die Thätigkeit desselben auf mehrfache Weise aufgeregt oder ver­ändert wird, oder dass selbst durch die Wirkung mehrerer Mittel auf verschiedene Organe und Systeme durch den Consensus oder Antagonismus derselben die Wirkung des einen Mittels bald sehr befördert, bald unterdrückt oder qualitativ modifizirt wird. — Es gehört daher, abgesehen von der erforderlichen gründlichen Einsicht, in den Krankheits- und Heilungsprozess, eine sehr genaue und vollständige Keuntniss von den chemischen und dynamischen Ei­genschaften der Arzneimittel dazu, um bei der Verbindung meh­rerer Mittel in eine Arznei keine Fehler zu machen und doch die Zwecke zu erreichen, welche man durch solche Verbindungen be­absichtiget. Die vorzüglichsten dieser Zwecke sind: 1) die zuwei­len nothwendige Erfüllung mehrerer Heilindikationen bei compli-zirten Krankheitszustäaden; 2) die Beschränkung oder Verstärkung oder qualitative Umänderung der bekannten Wirkung eines Mit­tels, wenn dieselbe für den vorhandenen Krankheitszustand nicht, völlig geeignet ist; und 3) um eine bestimmte, fur die Anwendung nörbige Form der ganzen Arznei, z. B. Pillen, Mixturen u. dergl. zu erhalten. Ausserdem werden auch noch manche Zusammen­setzungen angewendet, weil die Erfahrung ihre Wirkungen in ge­wissen Krankheiten als vorzüglich heilsam gezeigt hat. Ist das Letztere wirklich der Fall, so darf man selbst solche Compositionen benutzen, welche den Grundsätzen der Chemie nicht entsprechen, wie z. B. das nach der alten Methode aus Aetz-Sublimat und Kalk­wasser bereitetePhagedänische Wasser, dessen eigenthümliche und milde Wirkung bei schmerzhaften veralteten Geschwüren be­währt ist, und das durch die chemisch richtigere Auflösung des Sublimats in destillirtem Wasser mit dem Zusatz von Salmiak nicht ersetzt wird. Wo aber die Erfahrung über die Wirkung der zu­sammengesetzten Arzneien mangelt, oder wo keine bestimmten Zwecke solche Zusammensetzungen ausdrücklich vorschreiben, ge­bietet es stets die Pflicht, nur einfache Arzneimittel anzu­wenden.
sect;. 93. e) Die Gabe (Dosis) eines Arzneimittels ist die bestimmte Quantität desselben, welche auf .einmal und in einem bestimmten Zeiträume, dem kranken Thierkurper einverleibt wird. Auf Seiten
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einps Avznoistoffes ist das quantitative Veiiiältniss ein höchst wichtiger Umstand, der die Wirkungen nicht allein quantitativ, sondern auch scheinbar qualitativ verändert Letzteres gilt wenigstens von den sichtbaren Erscheinungen der Wirkungen, welche bei angewende­ten kleinen Gaben oft so verschieden von denen der mittlern und arossen Gaben sind, dass kaum noch eine Aehnlichkeit zwischen ihnen zu bestehen scheint. Dass aber die innere, wesentliche und spezifische Wirkung eines Arzneistoffes durch die blosse Verschie­denheit der angewendeten Menge wirklich verschieden gemacht wird, ist nicht zu glauben, da doch ein Gran eines Mittels dieselben qualitativen Eigenschaften, und daher auch dieselben dynamischen Knifte aussein muss, wie die hundert übrigen Grane, von denen jener eine genommen ist. Dies zeigt auch die aufmerksame Beob­achtung der Wirkungen nach der Anwendung verschiedener Quanti­täten einer Arznei, wo man im Wesentlichen nur Unterschiede des Grades der Stärke und der Ausbreitung über mehrere Organe ent­decken kann. Denn wenn auch, z. B. ein Gran des Brechweinsteins einem Hunde nur Ekel, drei Grane dieses Mittels aber wirkliches Erbrechen machen, — oder wenn ein Quentchen der Aloe hei einem Pferde den Durchfall heilt, eine Unze desselben Mittels aber einen Durchfall künstlich erzeugt, so werden doch diese Wirkungen bei dem ersten Mittel in beiden Fällen auf dieselbe Weise durch die veränderte Stimmung der herumsehweifenden und der grossen sym­pathischen Nerven, bei dem zweiten Mittel vorzüglich durch stär kere spezifische Heizung und dadurch veränderte Absonderung in der Leber und in der Darmscbleimhaut vermittelt. Diese, durch die verschiedene Quantität des Arzneistoffes bedingten Modifikatio­nen der Wirkung beruhen vorzüglich darauf: dass die Wirkung (besonders die chemische) überhaupt an eine gewisse Menge der Materie gebunden ist, und daher nur mit einer bestimmten Gabe erfolgen kann; denn in zu geringer Menge angewandt, erhält ein Mittel entweder nur eine so kleine Berührungsstelle, dass die Ein­wirkung, nebst der hierauf folgenden organischen Reaktion, nur örtlich bleibt, schnell vorübergeht, und vom Körper ertragen wird, ohne dass die ganze Thätigkeit eines Organs, oder eines ganzen Systems verändert erscheint; oder wenn auch so sehr kleine Gaben durch Absorption in die Säfte gelangen, so verlieren sie in der Menge derselben ihre Eigenschaften; bei zu grossen Gaben wird dagegen die organische Thätigkeit gleichsam überwältigt, es erfolgt entweder dynamisch eine Ueberreizung der Kräfte in den betreffen­den Organen, so dass sie zuerst in unmässiger Heftigkeit und zu hastiff, dann aber auch erschöpft, träge und abgestumpft sich äus-sem; oder es werden die chemischen und mechanischea Eigen-
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schaffen der Mittel vunvaltond, und bringen örtlich zu heftige Ein­wirkung, selbst Zerstörung hervor, und veranlassen dadurch auch consensuell ganz ungewuhnliche Erscheinungen.
Die vollständige und regelmässige Wirkung wird daher nur durch eine solche Gabe erzeugt, welche zwischen der zu grossen uiul der zu kleinen steht, und die man im Allgemeinen als eine mittlere bezeichnen kann. Diese mittlere Gabe ist jedoch bei kei­ner Arznei unbedingt feststehend, sondern sie muss fur Thiere von verschiedenen Gattungen, und dien so bei jedem einzelnen Thiere nach Verschiedenheit des Alters, der Grosse und Constitution des Körpers, der vorausgegangenen und gegenwärtigen Einflüsse, besonders aber nach Verschiedenheit des Krankheitszustandes uud der dabei festgestellten Heilzwecke sehr verschieden abgemessen werden. (Siehe die folg. gg.) Für jeden einzelnen Kraukbcitsfall giebt es daher eine besondere entsprechende Gabe, deren richtige Bestimmung eben so sehr die Fähigkeit des Thierarztes in An­spruch nimmt, wie die geschickte Auswahl und Verbindung der Arzneimittel selbst, und das um so mehr, da sich bestimmte und allgemein geltende Regeln hierzu nicht geben lassen; denn nur die Erfahrung über die Wirkung der verschiedensten Gaben eines jeden Arzneimittels bei den einzelnen Thieren und die richtige Beur tbeilung alier vorhandenen Umstände und Verhältnisse kann hier­bei leiten.
Ans diesen Gründen kann man auch in der speziellen Arznei­mittellehre nach den gesammelten Erfahrungen nur im Allgemeinen eine mittlere Gabe der einzelnen Arzneimittel bezeichnen, tun da­durch wenigstens einen annähernden Maassstab zur Richtung für die Bestimmung der Gaben in besondern Fällen anzugeben.
Als allgemeine Regeln lassen sich hier nur noch empfehlen:
1)nbsp; Da man die individuelle Empfindlichkeit eines Thieres für den Arzneistoff nicht immer im voraus ganz genau bestimmen kann, so ist es rathsam, mit kleinen Gaben zu beginnen und all-mäblig so lauge zu steigen, bis die beabsichtigte Wirkung einge­treten ist. Doch macheu akute und andere lebensgefährliche Krank­heilen mehrentheils hiervon eine Ausnahme, indem sie sogleich grossc Gaben verlangen, die schnell eine entscheidende Wirkung erzengen.
2)nbsp; Je mehr ein Arzneimittel dem Organismus fremdartig ist, und dem Begriffe der Gifte entspricht, je mehr es in einzelnen Or­ganen oiler Systemen tief eingreifende Veränderungen hervorzubrin­gen vermag, und dadurch dem ganzen Lebeusprozesse leicht nach­theilig wird; je mehr es der Assimilation widerstrebt, um so klei­ner wird die Gabe sein müssen, um die heilsame Umstimmung zu
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erzeugen und Nachtheil zu verhüten. Weniger wirksame, den Nahrungsmitteln in der Wirkung nahestehende, und der thierischen Organisation mehr homogene Mittel, müssen dagegen in weit grös-sern Gahen gereicht werden, wenn sie heilsame Wirkungen her vorbringen sollen.
sect;• 94-
f)nbsp; Die Dauer der Anwendung und Einwirkung einer Arznei muss sich vorzüglich nach den Eigenschaften derselben, nach der Empfindlichkeit und Beschaffenheit des Applikationsor-gans, nach den Heilzwecken, und nach den schon eingetretenen Wirkungen richten, denn sie kann sehr viel zur Verschiedenheit des Grades der Wirkung beitragen, namentlich bei Arzneimitteln, welche einen scharfen oder giftigen Stotf enthalten, oder welche hart, fest und schwer auflöslich sind. Die ersteren verursachen bei kurzer Zeit der Berührung der organischen Gebilde nur eine massige Reizung, bei längerer Berührung Entzündung, selbst An­ätzimg und Zerstörung, und man kann daher durch solche Mittel (z. B. durch die Canthariden), bi sonders wenn sie blos äusserlich augewendet werden, sehr verschiedene Heilzwecke erreichen. — Bei den schwer auflöslichen Mitteln verhält es sich ähnlich; wenn diese zu schnell durch den Nahnmgskanal gehen, z. B. bei Durchfällen, oder wenn sie durch entstehendes Erbrechen, wieder aus dem Ma­gen entleert werden, so können sie ihre Wirkung nur unvollstän­dig oder gar nicht entwickeln.
sect;. 95.
g)nbsp; Die öftere oder seltnere Wiederholung der Arzneien wird gewöhnlich nach der bekannten Dauer und Stärke ihrer pri­mären oder sekundären Wirkungen, zum Theil auch nach den Heilzwecken bestimmt. Bei anhaltenden Krankheiten wird nämlich selten die gewünschte Umänderung des Zustandes durch eine ein­zige Arzneigabe erreicht, und man sucht deshalb, sobald c.'ie Wir­kung derselben vorüber zu sein scheint, oder wo sie nicht vollstän dig genug eingetreten ist, eine erneuerte Wirkung, durch eine neue Gabe der Arznei zu erzeugen. Je flüchtiger, rascher und schneller vorübergehend daher eine Arznei wirkt, in desto kurzem Zeiträu­men müssen die Gaben wiederholt werden; je mehr sie aber ihre Kräfte langsam und andauernd entwickelt, um so weiter ausein­ander entfernt können die einzelnen Gaben von einander gereicht werden.
Mittel, welche schnell umstimmend auf die Thätigkeit des Ner­ven- und Gefässsysfems, auf die Sensibilität und Irritabilität wir­ken, müssen in kürzern Zwischenzeiten wiederholt werden, als solche
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deren Wirkung blos auf die Umgestaltung der thierischen Materie (auf die Vegetation und Koproduktion) gerichtet ist.
Oft richtet sich auch die schnellere oder langsamere Wieder-holung einer Arznei darnach, ob man ihre primären oder sekun­dären Wirkungen zur Erreichung eines bestimmten Heilzweckes benutzen will. —
Bei nicht gehöriger Beobachtung dieser Umstände kann es geschehen, dass eine zweite Gabe einer Arznei angewendet wird, während die Wirkung der ersten noch nicht ganz vorüber ist; die gemeinschaftliche Wirkung wird nun zu heftig, oder die primären Wirkungen der zweiten treffen mit den sekundären der ersten Gabe zusammen, und heben einander auf oder modifizireu sich bedeutend. Bei oft wiederholter Anwendung einer Arznei wird die Empmnplich-keit des Organismus fur sie abgestumpft, das Rückwirkungsvermögen gemindert, und dadurch auch die Wirkung immer mehr geschwächt, so das auch die Gabe immer mehr verstärkt werden muss, wenn man fortwährend eine deiche Wirkung des Mittels erzwecken will.
sect;#9632; 96- quot;
h) Eine der wichtigsten Ursachen, durch welche die Wirkung der Arzneimittel bei uuseru Hauslhieren modifizirt wird, ist in der Verschiedenheit der Organisation, des Lebensprozesses und der Körpergrösse bei den Thieren von verschiedener Gat­tung begründet. Denn eben so abweichend, wie das Pferd, die Wiederkäuer, das Schwein, der Hund, die Katze und das Federvieh in ihrem äussern Habitus, im Baue und der Beschaffenheit der wichtigsten Organe, und in ihrer Lebensweise von einander sind, eben so verschieden zeigen sich auch die Modifikationen der Le­benskraft (Sensibilität, Irritabilität und Vegetation), und daher eben so verschieden die Empfänglichkeit für gewisse äussere Ein­flüsse, und das Rückwirkungsvermögen auf der Einwirkung.
Die hierdurch bedingten Abweichungen der Arzneiwirkungen bei den verschiedenen Hausthieren beziehen sich theils auf die Qualität der Wirkungserscheinungen, theils auf den Grad ihrer Stärke. Hinsichtlich der erstem ist bereits in den vorhergehen­den sect;sect;. (63. 65. 66. 70.) angegeben worden, wie die speichelerre­gende, die brechenerregende, abführende und scbweisstreibende Wirkung bei manchen Thieren sehr leicht und stark, bei andern gar nicht erfolgt, und es ist nur noch in Beziehung auf den Wir­kungsgrad zu erinnern: dass die pflanzenfressenden Thiero im Allgemeinen eine geringere Empfindlichkeit für die meisten Arznei­mittel zeigen, als die fleischfressenden, und dass namentlich auf die letztern viele Arzneien aus dem Pflanzenreich in kleinen Gaben sehr heftig, selbst tödteud einwirken, welche bei den erstem in un-
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verhältnissmässig grossen Gaben eine kaum bemerkbare ähnliche Wirkung erzeugen. So z, B. macht das Opium bei Pferden, Rin­dern und Schafen in der Gabe von einer Unze nur eine geringe Betäubung, während sich die letztere bei Hunden nach einer hal­ben bis ganzen Drachme im höchsten Grade zeigt (wenn das Mit­tel nicht etwa weggebrochen wird); die Jalapemvurzel wird von Pferden in Gaben von zwei Unzen und darüber, und von Schafen zu drei bis vier Drachmen ertragen, ohne Purgiren zu erregen, was aber bei Hunden durch eine halbe Drachme dieses Mittels be­wirkt wird; — Krähenaugen ertrug ein Huhn in zwanzig Tagen 1114 Gran, d. i. so viel, als nöthig wäre, um zwei und neunzig Hunde zu tödten; — Schollkraut wird von den Schafen fast bis zur Sättigung verzehrt, ohne eine nachtheilige Wirkung; und eben so soll Schierling von den Ziegen und Bilsenkraut von den Schwei­nen in grosser Menge ohne Nachtheil genossen werden können. — Doch würde man sehr irren, wenn man als allgemeine Regel an­nehmen wollte: dass alle vegetabilische Mittel auf pflanzenfressende Thierc nur sehr schwach wirken; denn man sieht bei denselben von mehreren Mitteln der Art, selbst wenn sie in massigen Gaben angewendet werden, heftige Wirkungen erfolgen, wie z. B. bei Pferden von der Wurzel und dem Kraute der Tollkirsche, von dem Kraute des rothen Fingerhutes, von der schwarzen Kieswurzel, bei Schafen von mehreren Ranunkeln im frischen Zustande u. a.; wo­gegen einzelne dieser Thiere wieder manche mineralische Mittel, z. B. das Pferd den Arsenik und den Kupfervitriol, in ganz aus-serordentlich grossen Gaben (d. h. im Verhältniss zum Schwein. zum Hunde und zur Katze) ertragen.
Es ist daher wohl anzunehmen: dass zum Tbeil die Art und Beschaffenheit der Nahrungsmittel und die von denselben abhän­gige Beschaffenheit der Flüssigkeiten im Magen und Darmkana! (z. B. die bei Pflanzenfressern sehr oft in grosser Menge vorhan­dene Gallussäure), die Arzneistoffe bei innerlicher Anwendung che­misch verändern, und somit auch ihn; Wirkungen modifiziren; dass aber die letztere hauptsächlich von dem Grade der Ausbildung der wichtigem Organe und Systeme und von dem Vorherrschen ihrer Thätigkeit bei den einzelnen Thieren abhängig ist. Man kann in dieser Beziehung deutlich bemerken: dass bei dem Pferde das Blutgefässsystem, die Respirationsorgane und Muskeln (die Irri­tabilität), bei dem Hunde und der Katze das Nervensystem (die Sensibilität) und bei den Wiederkäuern die Verdauungsorgane (die Reproduktion) mehr vorwaltend erscheinen, als bei den übrigen Thiergattnngen, und es müssen daher wohl die Wirkungen der­jenigen Arzneien bei den einzelneu Thieren am stärksten und deut-
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liebsten hervortreten, welche auf die schun vorherrscheaden Grund­kräfte gerichtet sind; denn es zeigt sich fast überall, an gesunden und kranken Thieren, dass Mittel, welche die vorherr­schende Richtung (Tendenz) der Grundkräfte begünsti­gen, in gewissen Gahen stets heftiger wirken als an­dere, welche eine jener Richtung entgegengesetzte Thä-tigkeit herverrufen.
Die Thiergattung verlangt daher nicht blos bei der Auswahl der Art der Mittel eine Berücksichtigung, sondern sie bedingt auch vorzüglich die Gabe derselben. Hinsichtlich der letztern hat man sich bemühet, ein allgemeines Verhiiltniss zwischen den Gaben für die Thiere der einzelnen Gattungen zu bestimmen, indem man an­nahm: dass, wenn bei gleichen Umständen die Gabe für ausge­wachsene Pferde oder Rinder einen ganzen Theil des Mittels beträgt, sie für Schafe, Ziegen und Schweine nur den vierten, für Hunde, Katzen und Affen den zwölften, und für das gewöhn­liche Hausgeflügel nur den vierundzwanzigsten Theil enthal­ten soll; z. B. für:
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Dieses Verhältniss ist zwar bei vielen Arzneistnffen als ziem­lich richtig zu betrachten, bei andern aber nicht, wie .dies schon zum Theil die oben (in diesem sect;.) angeführten Beispiele (Opium, Krähenaugen, Arsenik u. s. w.) bestätigen. Es muss deshalb auch hier wieder erinnert werden: dass solche allgemeine Bestimmungen höchstens nur dazu dienen können, ganz grobe Missgriffe zu ver­hüten, und dass die Wirkung eines jeden einzelnen Arzneistofffes in verschiedenen Gaben bei den sämmtlichen Hausthieren durch die Erfahrung bestimmt werden muss (sect;. 93 und 97.),
sect;. 97.
i) Das verschiedene Alter der Thiere verursacht ebenfalls qualitative und quantitative Abweichungen in der Wirkung der Arzneimittel dadurch, dass der Organismus in jeder besonderu Le­bensperiode sich verändert, und in der Beschaffenheit und Entwik-kelung der Organe, wie in der Beschafifenheit und Menge der Säfte, und in der Stärke und Richtung der Lebenskraft verschieden ist, im Vergleich zu andern Perioden. Im Allgemeinen kann man drei Hauptperioden unterscheiden,. nämlidi die der jugendlichen Ent-wickelung, der vollkommenen Ausbildung, und die der Abnahme.
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Im frühesteu jugendlichen Alter haben die flüssigen Theile noch ein Uebergewicht über die starren; mehrere Organe sind noch sehr unvollständig entwickelt, aber die Bildungsthätigkeit erscheint sehr vorwaltend über die Irritabilität, und Sensibilität. Deshalb schreitet der Bildungsprozess um so rascher fort, die Thätigkeit der drüsigen Organe und der Lymphgefässe ist um so grosser, je jünger ein Thier ist; aber bei der zarten und schwachen Organi­sation ist auch die Empfänglichkeit für äusscre Einflüsse grosser, und doch das Rückwirkungsvermögen schwächer als bei erwachse­nen Thieren, und es erfolgt leicht eine Ueberreizung der Organe und Erschöpfung der Kräfte. — Später entsteht bei der Ausbil­dung der Zähne, der Renitalien und anderer Organe, ein stärkerer und ungleichmässiger Blutandrang, z. B. zu dem Kopfe u. s. w.; überhaupt wird die Thätigkeit der Blutgefässe und zugleich auch die Irritabilität immer mehr vorherrschend, je mehr das Thier sich seiner vollständigen Ausbildung nähert. Daher bringen im jugend­lichen Alter alle stark reizende und vorherrschend auf die Thätig­keit des Nerven- und Blutgefässsystems wirkenden Mittel, beson­ders aber die narkotischen, sehr leicht und selbst in kleinen Gaben heftige und selbst gefährliche Wirkungen hervor, während dagegen solche Mittel, die beschränkend auf die Bildungsthätigkeit wirken, wie namentlich das Quecksilber, in ziemlich grossen Graben ertra­gen werden.
In der Periode seiner vollkommenen Ausbildung zeigt der Kör per das angemessenste Verhältniss der festen Theile zu den flüssi­gen, und .dabei ein, der Thiergatiung entsprechendes gleichmässi-ges Zusammenwirken der drei Modifikationen der Lebensthätigkeit sein Leben äussert sich mögliebst frei und selbstständig, und mit den kräftigsten Rückwirkungen gegen die äussem Einflüsse, wel­che letztere daher auch leichter überwältigt, in ihrer Fremdartig­keit beschränkt, oder selbst dem Organismus einverleibt werden. Es zeigen sich daher auch die Arzneiwirkungen sehr recelmässig und gleichartig, und diese Periode ist die geeignetste zur Ergriiu-dung der Wirkungsweise der Heilmittel und zur Bestimmung eines Mittelmaasses in der Gabe derselben.
Nachdem der Organismus in diesem Zustande, wenigstens ohne aufTallende Umänderung durch einige Zeit bestanden hat, tritt eine immer mehr zunehmende Verminderung der Säfte, Zu­sammenschrumpfung, Verhärtung und Verirdung der festen Theile, Mangel an Nerven- und Muskelkraft, Sinken der Thätigkeit des Herzens und der Arterien und Verminderung der Absonderungen, der Temperatur u. s. w. ein; die Reizempfänglichkeit erlöscht im­mer mehr, und eben so erscheint das Reaktionsvermögen immer
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schwächer. Deshalb werden jetzt alle Reizmittel in ziemlich starken Gahen ertragen, obgleich sie der schnellen Erschöpfung der Kräfte wegen, doch einige Vorsicht und kürzere Zwischenräume bei der Wiederholung verlangen; alle schwächenden, auflösenden und den Lebensprozess beschränkenden Mittel bringen leicht nachtheilige Wirkungen hervor, und dürfen immer nur in schwächern Gaben angewendet werden, als bei Thieren im Zustande der vollkomme nen Ausbildung.
Diese Lebensperioden verlangen daher nicht allein bei der Auswahl der Arzneimittel, sondern auch vorzüglich bei der Be­stimmung der Gabe derselben, eine genaue Berücksichtigung. Sie treten bei den Thieren von verschiedener Gattung in einem ver­schiedenen Alter ein, so dass die vollkommene Ausbildung bei dem Pferde in das sechste, bei dem Rind und Schaf in das vierte, bei dem Schwein in das dritte, bei dem Hunde und der Katze gegen das Ende des ersten Jahres fallt. — Nimmt mau die, dieser Pe­riode aus Erfahrung entsprechende mittlere Arzneigabe als Maass­stab an (sect;. 93. 96.)) und beachtet man, dass die Gabe um so klei­ner sein rnuss, je jünger ein Thier ist, so lässt sich dieselbe für jüngere Thiere in folgenden Verhältnissen andeuten:
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Man giebt z. B. von einem Arzneimittel:
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3 bis 6 Monal alt ^
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III.nbsp; nbsp; nbsp;Für Schafe: von 2 bis 4 Jahr all 1 Theil,
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IV. Für Schweine:
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Dieses Verhältniss der Arzneigaben kann jedoch weder bei al­len Mitteln, noch für alle Fülle als feste Regel betrachtet werden, da in ihm mir die Quantität, aber nicht die qualitative Wirkung der Mittel in den verschiedenen Lebensperioden berücksichtiget ist, — da auch die Ausbildung, Qrösse und Stärke des Thierkiirpers nach Verschiedenheit der Raye, des Klimas, der Ernährung u.s. w. bald etwas früher, bald etwas später eintritt, und da auch die Art und der Cfrad der Krankheit sehr grossen Einfluss auf die Bestim­mung der Gabe haben. Das vorstehende Schema kann daher wieder nur als Anhaltepunkt und zur Verhütung von groben Feh­lern dienen.
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sect;. 98.
k) Das verschiedeae Geschlecht hat ebenfalls einen Einfluss auf die Arznehvirkimgen, obgleich nicht einen so wichtigen, wie heim Menschen. Der Organismus männlicher Thiere zeichnet sich im Allgemeinen durch feste, derbe Faser, durch ziemlieh gleich-massige Entwickdung der Irritabilität, Sensibilität und Bildungs-thütigkeil und durch Kraft und Widerstand gegen die äussern Einflüsse aus. Die vollständigen Wirkungen erfolgen daher erst bei einer vollen Gabe der Mittel, sind aber kräftig und gleichmäs-sig. Bei weiblichen Thieren bemerkt man grössere Weichheit der Faser, mehr lockeres Zellgewebe, grösseren Reichthmn an Säften, grössere Empfindlichkeit, aber schwächeres RückwirkungsvermOgen; die ßildungskraff ist während eines grossen Theils des Lebens vorwaltender, und der Körper erreicht seine Vollkommenheit früher als bei männlichen Thieren. Daher wirken Arzneimittel, welche dem Bildungsprozess entgegen stehen, mehrenfheiis nur in eben so grossen oder oft auch erst in grüssern Gaben als bei den Letztem; die meisten Reizmittel wirken dagegen schneller, und durch einige Zeit auch heftiger, aber auch schneller vorübergehend als bei die­sen. Ausserdem werden noch die Arzneiwirkungen bei den weib­lichen Thieren durch die Brunst und durch die Trächtigkeit zu­weilen sehr bedeutend modifizirt, besonders dem Grade nach ver­stärkt, und man muss deshalb, namentlich bei dem letztern Zu­stande, solche Arzneien, die eine spezifische Wirkung auf die Ge-scblechtstheile zeigen, die den bildenden Prozess sehr beschränken, die Absonderungen dagegen stark vermehren (z. ß. die drastischen Purgirmittel, die scharfen, urintreibenden Mittel), eben so die er­hitzenden Mittel u. dergl., nur mit grosser Vorsicht und in massi­gen Gaben anwenden. Eben so kann auch zur Zeit des Gebäreng und des Säugens die Arzneiwirkung verändert erscheinen.
sect;. 99.
1) Aussei- den angegebenen, durch die Gattung, das Alter und das Geschlecht bedingten allgemeinen Verschiedenheiten, zeigt jedes Thier auch noch besondere Eigenthümlichkeiten, die ihm als Individuum zukommen, und die sich theils körperlich in der Con-stitution oder Leibesbeschaffenheit, theils mehr dynamisch in dem Temperament zu erkennen geben. Beides ist blos der besondere Ausdruck des Lebensprozesses, der bei dem einzelnen Thiere nach Verschiedenheit der ererbten Anlagen, der Nahrung und der übrigen äusseren Einflüsse, welche bis zu einer gewissen Zeit des Lehens eingewirkt haben, unendlich verschieden her­vortritt.
Die Constitution erscheint wesentlich in dein gegenseitigen Ver-
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hältiiiss der drei Modifikationen der Lebensthätigkeit (Vegetation, Irritabilität und Sensibilität) begründet. Ist nämlich die Lebens­kraft überall in dem Grade thätig, und ist die Entwickelung der Organe in der Vollkommenheit geschehen, wie es die Gattung, das Geschlecht, die Race und das Alter erfordern, so wird das Thier auf die äussern Einwirkungen eine verhältnissmässig kräftige Re­aktion zeigen. Man bezeichnet diese Beschaffenheit des Körpers als starke, kräftige Constitution. Die Wirkungen der Arznei­mittel erfolgen bei derselben sehr gleichmässig, kräftig und in ge­höriger Dauer. Aber nur selten findet man in einem Thiere die sämmllichen Organe und die sämmtlichen Funktionen so gleich-massig entwickelt, sondern es sind einzelne Orgaue und selbst ganze Systeme bald mehr ausgebildet und in ihrer Thätigkeit vor­waltend, bald wieder ungleich zurückgehlieben; und dies hat die Folge, dass der Organismus bei verschiedenen Individuen derselben Thierart bald an der einen, bald an der andern Stelle den äussern Einwirkungen mehr zugänglich geworden ist, und in den Reaktio­nen auf dieselben Verschiedenheiten zeigt. So kann z. B. der Brechweinstein bei einem Pferde mit sehr reizbaren Nieren urin-treibeud, bei einem andern mit schlaffer Haut schweisstreibend wirken.
Im Allgemeinen berücksichtiget man die Abweichungen der Leibesbeschatfenheit darnach: ob die Thätigkeit der Arterien, oder die der Venen, oder der Lymphgefässe oder des Nervensystems vorherrschend ist, und man unterscheidet hiernach: 1) eine arte­riöse, 2) eine venöse, 3) eine lymphatische und 4) eine nervöse Constitution.
Bei der erstem ist die Thätigkeit des Herzens, der Arterien und der Lunge sehr lebhaft, daher auch die Beschaffenheit des Blutes mehr arteriell und zum Gerinnen geneigt, die Muskelfaser ist derb und gespannt, ihre Reizbarkeit und das Reaktionsvermö­gen stark, im Ganzen die Irritabilität vorwaltend. Man nennt sie daher auch die irritable Constitution. Reizende und erhitzende Arz­neien wirken hier sehr stark und oft zu kräftig; die Lelensthätig-keit herabstimmende Mittel werden dagegen selbst in grossen Ga­ben ohne heftige Wirkung ertragen.
Bei der venösen Constitution sind die Venen sowohl in der materiellen Entwickelung, wie in der Thätigkeit über die Arterien vorherrschend, besonders in den Baucheingeweiden. Der Körper erscheint mehr trocken, das Auge ist matt, die Schleimhaut im Maule u. s. w. hat ein rothbläuliches Ansehen, das Blut ist dunkel und zähe, alle Verrichtungen gehen langsam von statten, die äus­sern Einflüsse werden schwach empfunden, und bewirken nur
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schwache, aber ziemlich andauernde Reaktionen. Flüchtige Erre-gungsmittel, besonders ätherische Oele und Harze wirken hier meh-rentheils wohlthätig, müssen aber in grossen Gaben gereicht wer­den; dagegen die Wirkung von solchen Mitteln, welche die Lebens­kraft mindern, namentlich den Blldungsprozess beschränken und die Mischung des Blutes schlechter machen, daher auch besonders die betäubenden Mittel, hier oft zu heftig und unregelmässig er­scheinen. —
Die lymphatische Constitution zeigt sich durch lockeres Zellgewebe und schwammige, weiche Textur, durch blasse Farbe der Schleimhaut, durch wässeriges, an Cruor armes Blut, durch ein Uebermaass von Fett und Gallerte, und von lymphatischen, wäs­serigen Säften, durch geringen Zusammenhang der Gebilde, und durch sehr geringe Empfindlichkeit und schwaches Reaktionsvermögen derselben. Sie heisst daher auch die torpide, schlaffe Consti­tution. Alle Arzneien wirken hier in den gewöhnlichen Gaben nur sehr schwach, manche auch gar nicht; Reizmittel werden vorzüg­lich gut ertragen, aber schwächende und kühlende Mittel konneu in grossen Gaben und bei fortgesetzter Anwendung leicht üble Folgen, besonders einen kachektischen Zustand erzeugen. —
Die nervöse Constitution spricht sich weniger durch eine be­merkbare Beschaffenheit des Körpers, sondern vorzüglich durch eine überwiegende Thätigkeit des Nervensystems entweder im All­gemeinen, oder speziell im Gehirn, oder im Rückenmark, oder in den Gangliennerven aus. Zuweilen ist sie jedoch mit einem zar­ten Körperbau verbunden. Grosse Empfindlichkeit gegen äussere Einflüsse mit schneller, aber nur kurze Zeit andauernder und oft unregelmässiger Reaktion und sehr leichtes Entstehen konsensueller und antagonistischer Erscheinungen, bilden hier den Charakter. Sie wird deshalb auch als zarte und schwache Constitution be­zeichnet. Die Arzneien, besonders die reizenden, bringen daher mehrentheils schon in massigen Gaben ziemlich heftige und oft ganz ungewöhnliche Wirkungen hervor; sie müssen deshalb in kleinen Gaben angewandt und in kurzer Zwischenzeit wiederholt und nach ihren spezifischen Beziehungen zum Gehirn , Kücken­mark u. S.W. bei der Auswahl genau beachtet werden.
Die Temperamente der Thiere zeigen sieb besonders durch die Aeusserungen der Gehirnfunktionen, namentlich durch den Willen, durch Empfindung und Bewegung. Sie sind weniger deutlich un­terschieden, als bei Menschen, und auch noch nicht genügend be­kannt. Man pflegt fast nur allein Unterschiede inr Grade der Le-bensthätigkeit als verschiedene Temperamente zu betrachten, und hiernach z. B. ein lebhaftes, feuriges und ein phlegmatisches, tor-
llertwijc Arzneiiuilfellebic.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; (i
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pides Temperament zu imterscheideu; allein die Verschiedenheiten sind gewiss noch mannigfaltiger. Ihr Einflnss auf die Wirkungen der Arzneimittel scheint sehr ähnlich dem bei den verschiedenen Constitutionen zu sein.
sect;. 100.
m) Der Krankheitszustand ist eine höchst wichtige Ur­sache zu Abweichungen in der Aizneiwirknng von dem regelmüs-sigen Typus. Denn da bei den verschiedenen Krankheiten, je nach ihrer Art, ihrem Sitz, ihrem Charakter und ihrem Grade auch die Lebensthiitigkeit theils im Allgemeinen, theils vorherrschend in ein­zelneu Systemen oder Orgauen, quantitativ und qualitativ verän­dert ist, und da auch die materielle Beschaffenheit, namentlich in den abgesonderten Säften hierbei verändert wird, die Letzteren aber zunächst auf die Umänderung der Medikamente, und somit auf deren örtliche und allgemeine Wirksamkeit grossen Einfluss haben, indem oft selbst neue chemische Verbindungen zwischen den Säf­ten und den Bestandtheilen der Arzneimittel entstehen; so ergiebt sich, dass sowohl die Einwirkungen der Arzneimittel auf den Kör­per, wie auch die Reaktionen desselben auf sie, durch die aussei­ordentlich verschiedenartigen Krankheitszustände modificirt werden können, und wie daher die letztern auf die Auswahl der einzelnen Mittel und auf die Bestimmung ihrer Gabe den wichtigsten Ein­fluss haben müssen. So erzeugen z. B. bei Ansammlungen von Wasser in den Himhöhlen (bei dem sogenannten Dummkoller) die abführenden Mittel oft selbst in doppelter Gabe wenig oder gar kein Purgiren. Das Verhältniss der Wirksamkeit eines Arzneistof­fes zu verschiedenen Krankheitszuständen lässt sich nur durch zweckmässig unternommene Versuche ermitteln, und man muss sich daher vorzüglich an bewährte Beobachtungen halten, deren Resultate in der speciellen Arzneimittellehre benutzt sind. So zahl­reich dieselben auch sind, so bleibt doch noch sehr viel der fernem Untersuchung und dem eigenen Urtheile der Thierärzte überlas­sen, weil jeder Krankheitsfall ein besonderer ist, und weil ausseiquot; der Krankheit selbst noch die übrigen modificirenden Einflüsse be­rücksichtigt werden müssen. Deshalb lässt sich auch von keinem gegen eine Krankheit empfohlenen Mittel eine, für alle Fälle ganz entsprechende Gabe im Allgemeinen bestimmen.
sect;. 101.
Die Heilmittel können mit dem Organismus an seiner ganzen innern und äussern Oberfläche in Berührung gebracht werden; aber vorzüglich benutzt man als Wege zu ihrer Einverleibung;
1) den Magen und Darmkanal; 2) den Mastdarm; 3) die Luft-
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röhre und Lungen; 4) die äussere, unverletzte Haut: 5) Wunden und Geschwüre, und (i) die geöffnete Blutader.
Der Ort der. Anwendung der Arzneimittel bedingt jedoch nach der verschiedenen Beschaffenheit der hetreffenden Eiuverleibuugs-organe mancherlei Abweichungen von den gewöhnlichen Arznei­wirkungen, die zwar nicht in den wesf-ntlichen Veränderungen der Wirkung selbst, Sündern hauptsächlich nur in dem Grade dereel-ben, wie im Grade und der Art der örtlichen Reaktion, begründet sind. Von grosser Wichtigkeit ist dabei an den, von der Arznei unmittelbar berührten Gebilden, aussei- dem besondem Lebenszu­stande (Gesundheit und Krankheit derselben) noch: a) ihr Reich-thum an Nervenausbreitungen und an absorbirenden Gelassen; b) ihre physiologische Funktion; c) die Beschaffenheit und Menge der vorhandenen Säfte und anderer Substanzen, und d) ihr Verhältuiss zum übrigen Körper und besonders zu den kranken Organen. — Da diese Umstände an verschiedenen Orten, die für die Applika­tion der Arzneimittel benutzt werden, sehr verschieden sind und daher bei der Auswahl dieser Orte, für einzelne Krankheitsverhält­nisse berücksichrigt werden müssen, so ist es nöthig, das Wich­tigste davon noch anzurühren.
1) Der Magen und der vordere (obere) Theil des Darm­kanals sind für die innerliche Anwendung der Arzneien die ge­wöhnlichsten und wichtigsten Organe. Obgleich in Struktur, Form und Ausdehnung bei den Thieren von verschiedener Gattung sehr verschieden, besitzt doch sowohl der Magen als der Darmkanal bei allen Thieren dieselbe vielseitige Nervenverbindung, durch denNer-vus vagus und sympathicus magnus, durch das Sonnengetlecht und durch die übrigen Nervengeflechte, mit dem Gehirn und Rük-kenmark, mit den Sinnesorganen, mit der Lunge und dem Herzen, mit der Haut, mit den Extremitäten, und vorzüglich mit den übri­gen Baucheingeweiden. Hierin ist der grosso Consensus und An­tagonismus zwischen dem Verdauungskanal und allen andern Or­ganen begründet. Ausserdem aber besitzen der Magen und Darm­kanal beide auch in ihrer Schleimhaut eine ausserordentliche Menge von absorbirenden Gefässen und hierdurch eine sehr lebhafte Auf­saugung. Der Magen (bei den Wiederkäuern besonders der vierte) und der Darmkanal sind daher zur Erzeugung sehr schneller, kräf­tiger und ausgebreiteter Arzneiwirkungen, primärer und sekundä­rer Art, ganz vorzüglich geeignet. Der Erstere ist zugleich der Centraipunkt der Verdauung und solche Mittel, ^yelche zur Ent-wickelung ihrer Kraft nothwendig der Verdauung (oder der Auf­lösung in dem Magensäfte) bedürfen, und besonders auch solche, die auf das Assirailationsgeschäft einen primären Einfluss ausüben
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sollen, können daher von keinem andern Organ, wie vom Magen ans, gehörig kräftige Wirkungen erzeugen. Eben so können sich solche Mittel, deren Wirkung sich aufUinstiminung der Thätigkeit oder der Empiindlahkeil: der grossen sympathischen und des Lun-gen-Magennerveu beziehen soll, wie z. B. Brechmittel, Purgier- und Laxiermittel, nur am sichersten durch den Magen, ail dem jene Nerven sich verbreiten, und in ihm den besondem Charakter der Empfindlichkeit bedingen, ihre Wirkungen darstellen. Dabei ist aber zu bemerken, dass die eigne örtliche Empfindlichkeit des Ma­gens und Darmkanals, durch die beständige Berührung seiner in-nern Fläche von Futterstoffen und Getränk, gegen äussero Einwir­kungen gleichsam abgehärtet ist, und er erträgt und verarbeitet deshalb ganz leicht auch solche Arzneien, welche an andern Stel­len einen heftigen und die reine Arzneiwirkung störenden örtlichen Eindruck erzeugen. Wird aber einmal durch chemische oder me-chanische Einwirkungen seine organische Beschaffenheit zu sehr ergriffen, so sind auch die nunmehr erfolgenden sekundären Wir­kungen bedeutender und stärker als bei andern Einverleibungsor­ganen. — Dagegen ist aber auch sehr oft die eigne Empfindlich­keit des Magens zu gross, und es entstehen dadurch ganz uner­wartete, consensuelle und antagonistische Wirkungen der Arzneien, oder Letztere werden bei Thieren die sich erbrechen können, na­mentlich bei Hunden, sehr schnell und ohne dass sie ihre spezifi­schen Wirkungen entwickeln konnten, wieder ausgebrochen. Aus-serdem können die Arzneien im Magen und Darmkanal noch durch die hier angehäuften Futterstoffe (besonders bei den Wiederkäuern im ersten und zweiten Magen, und beim Pferde im Magen, im Blind- und Grimmdarm) zu sehr eingehüllt, verdünnt und in ih­rer Wirkung geschwächt werden; noch mehr aber werden dieselben sehr häufig durch Verbindung mit den einheimischen Säften, na­mentlich mit dem essig- und salzsauren Magensaft, mit der Galle, dem Saft der Bauchspeicheldrüse, dem Darmschleim u. s. w. che­misch umgewandelt und dadurch ihre Wirkungen bald beschränkt, bald aber auch wirklich umgeändert. (sect; 06.)
2) Im Mastdarm ist zwar die fortgesetzte Schleimhaut des übrigen Darmkanals auch wieder das Gebilde, durch welches die Wirkungen der hierauf angewandten Medicamente vermittelt wer­den; dieselbe ist jedoch hier viel weniger reich an Nervenausbrei­tungen und an ahsorbirenden Gefässen, und die Fortleitung des Blutes geschieht in den sehr schlaffen Venen viel langsamer, als am Magen und am vordem Theile des Darmes. Auch ist der Con­sensus und Antagonismus zwischen dem Mastdarm und andern Organen weniger ausgebreitet und schwächer, und nur an den
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naheliegemleu Darmfheilen, an den Nieren, der Harnblase und den R-eschlechtstheilen etwas lebhaft. Die allgemeine Wirkung ier mei-sfen Arzneien erfolgt daher bei der Anwendung auf den Mastdarm in einem schwachem Grade, langsamer und weniger ausgebreitet, als bei der Anwendung in den Magen, so dass man z. B. bei den ernährenden, den anhaltend und flüchtig reizenden, und andern Mitteln kaum durch eine drei- bis achtfach verstärkte Gabe soiche Wirkungen in ihm hervorrufen kann, wie in dem Magen durch eine einfache Gabe. Bei den meisten narkotischen Mitteln scheint jedoch die Wirkung, wenn sie auch langsamer eintritt als vom Ma­gen her, doch keinen so sehr bedeutenden Unterschied im Grade zu erleiden. Mit der örtlichen Wirkung verhält es sich dagegen bei den Reizmitteln fast umgekehrt; denn der Mastdarm ist an die Einwirkung fremdartiger Stoffe (mit Ausnahme der Exkremente) nicht gewohnt, und daher sehr empfindlich gegen sie, so dass er sie bei weitem nicht in der Art und in dem Grade erträgt, wie der Magen. Sehr stark reizende, oder in zu grossen Quantitäten in den Mastdarm gebrachte Mittel, veranlassen leicht eine zu hef­tige Contraktion desselben, wodurch sie zu früh, und ohne gewirkt zu haben, wieder entleert werden. Deshalb müssen alle Mittel, wenn sie bei dieser Anwendung eine allgemeine oder spezifische Wirkung erzeugen sollen, immer nur in geringer Quantität, und wenn sie stark reizend sind, immer mit milden, schleimigen oder fetten Substanzen gemengt, applicirt werden. Eine Ausnahme hier­von findet statt, wenn man durch Erzeugung einer örtlichen Rei­zung ableitend von andern Organen, oder wenn man blos aus­leerend wirken will. — Qualitative Veränderungen der angewen­deten Arzneien entstehen zwar hier auch, aber auf andere Weise als im Magen, weil die im Mastdarm vorhandenen Stoffe nicht sauer, sondern (wenigstens im gesunden Zustande) alkalisch reagi-ren. Dies ist fur die Wirksamkeit solcher Mittel, die durch die Säuren des Magensaftes vollständiger auflöslich werden, wie z. B. das essigsaure Blei, von grosser Bedeutung; denn diese Mittel kön­nen bei der Anwendung in den Mastdarm nur eine unvollständige Wirkung erzeugen, weil sie hier nur zum Theil aufgelöst und re-sorbirt werden. Ausserdem zeigen auch solche Arzneien, deren Kräfte nur durch vorausgegangene Verdauung entwickelt werden können, z. B. die bittern und adstringirenden Mittel, bei der An­wendung auf den Mastdarm mir unvollständige allgemeine Wir­kungen. — Die hier gebräuchlichsten und zweckmässigsten Formen der Medikamente sind die flüssige und die dunstartige, als gewöhn­liche Klystiero und als Ranchklystiere; Salben und sogenannte Af­terzapfen sind bei Thieren wenig gebräuchlich, und die Mittel ge-
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statten in diesen Formen nur eine nnvollstündige und zu langsame Entwicklung der Wirkungen.
3) Die innere Fläche der Respirationsorgane, namentlich der Lungen und der Luftröhre, besitzt in ihrer Schleimhaut eine eigenthümliche Empfindlichkeit und Reizbarkeit, diese Theile stehen aber mit andern Organen in geringerer Nervenverbindung als der Magen. Dagegen geschieht hier die Aufsaugung ausser-ordentlich lebhaft, und in den Lungenbläschen, woselbst die Schleim­haut ausserordentlich weit ausgedehnt, verdünnt und zart ist, er­folgt bei dem Kespirationsprozess selbst durch blosse Durchdrin­gung (Penetratio !j. 4(i.) ein so reichlicher und unmittelbarer Ueber-gang materieller Stoffe in das Blut, wie dies an keinem andern Orte geschieht. Doch ist nicht blos die Aufnahme der Stoffe in das Blut, sondern auch ebenso die Ausscheidung anderer Stoffe aus demselben, durch das Arbmen sehr lebhaft, und namentlich werden manche Arzneistoffe (z. B. ätherisch-ölige, spirituöse Mittel, harzige Stoffe, Kampher, Stinkasand, der flüchtig-scharfe Stoff der Zwie­beln, Phosphor u. m.) theils unverändert, theils in ihre Bestand-theile zersetzt, mit Wasserdämpfen u. dergl. gemengt, wieder aus dem Körper entfernt, wenn sie durch andere Applikationsorgane ihm einverleibt worden sind.— Die innere Fläche der Respirations-organe ist ihrer physiologischen Bestimmung nach beständig der Atmosphäre ausgesetzt und fast nur allein zur Aufnahme von luft­artigen Stoffen und Dünsten geeignet. Die unmittelbare Einwir­kung fremder Substanzen von anderer Consistcnz wird, jener gros-sen und eigenthümlichen Empfindlichkeit wegen, nicht ohne Nach­theil ertragen; selbst stark reizende Gasarten und Dämpfe veran­lassen leicht einen heftigen, convulsiviscben Husten, und werden dabei entweder wieder ausgestossen, oder sie verschliessen sich selbst, durch Erregung einer krampfhaften Zusammenziehung der Stimmritze, den ferneren Eintritt; zuweilen erzeugen sie auf gleiche Weise auch plötzlich Erstickungszufälle, oder heftige und lebens­gefährliche Entzündungen. Die Wirkungen der Medikamente kön­nen daher bei der Anwendung auf die Respirationsorgane theils dadtirch, dass sie bei der Umwandlung in die luftartige und dunst­artige Form (wahrscheinlich auch etwas durch den hier vorhande­nen Schleim) materiell und chemisch verändert (sect;. 90.), theils durch Erzeugung heftiger Nebenzufälle in den höchst reizbaren Theiien, sehr bedeutend modiflzirt werden. Deshalb und zugleich weil die Lunge mit andern Organen nur durch geringe Nervenverbindung in einem, im Vergleich zum Magen und zur Haut, nur schwachen Consensus und Antagonismus steht und daher zur Erzeugung all­gemeiner Arzneiwirkungen nicht gut geeignet ist, wird dieser Ein-
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verleibungsweg im Ganzen weniger benutzt, als die übrigen. Der-selbe gewährt jedoch bei örtlichen Krankheitszi.'ständen der Respi-rationsorgane, und wenn man die Mischung und BeschaffenLeit des Blutes schnell umändern will, grosse Vortbeile, die durch andere Einverleibungswege nicht erreicht werden können.
4) Die äussere Haut gestattet für die Anwendimg der Arz­neimittel eine sehr ausgebreitete Berührungsfläche. Sie ist sehr reich an Nerven, welche theiis vom Gehirn, theils vom Rückenmark abstammen, und nicht blos unter sich, sondern auch mit den gres-sen sympathischen Nerven in Verbindung stehen. Hierdurch er­hält sie fast auf allen Punkten einen so bedeutenden Grad von Sensibilität, dass sie zum allgemeinen Organ des Gefühls wird. Noch viel reicher als an Nerven ist sie aber an feinen Blut- und Lymphgelässen, durch deren beiderseitige Thiitigkeit ein beständi­ger und sehr lebhafter Stotfwechsel, theils durch Aufsaugung frem­der Stoffe von aussen her, vorzüglich aber durch eine sehr starke Absonderung dunstartiger und seröser Feuchtigkeiten, aus ihr (Haut-ausdünstung Ji. 70.) bewirkt wird. — Durch jene Nervenverbinclun-gen, besonders aber durch ihr Verhältniss als Absonderungsorgan, steht die Haut mit fast allen innern Organen, namentlich mit dem Magen und Darmkanal, mit den Nieren, der Lunge und Luftröhre, den serösen und fibrösen Häuten u, s. w. in sehr innigen wechsel­seitigen Beziehungen, die sich, nach Verhältniss der Umstände, oft durch Consensus, am häufigsten und stärksten aber durch Anta­gonismus aussprechen.
Die Bedingungen zur Aufnahme der Arzneistoffe und zur Ent­wicklung und Verbreitung ihrer Wirkungen, scheinen hiernach in der Haut recht günstig zu sein. Die Erfahrung zeigt jedoch, dass die meisten Mittel, bei der Anwendung auf dieses Organ eine viel langsamere, viel schwächere, weit weniger atisgebreitete, und über­haupt eine weniger regelmassige allgemeine Wirkung zeigen, als bei der Anwendung auf den Magen und Darmkanal; dass da­her, um mir einigermaassen eine allgemeine Wirkung zu erzwecken, stets ganz ausserordentlich grosse Gaben erforderlich sind; und dass dennoch manche spezifische Wirkungen ganz ausbleiben, wie z. B. bei Thieren, die sich erbrechen können, die brecherregende Wirkung des Brechweinsteins. — Die Ursachen hiervon liegen zum Theil darin: a) dass die Haut bei den meisten Thieren ein ziemlich für sich bestehendes und mit dem .übrigen Körper nur schwach zusammenhängendes Gebilde (der Balg) ist, dessen Gefässe und Nerven zwar zahlreich, aber grösstentheils nur sehr dünn sind, und einen sehr langen Verlauf in. der Haut selbst machen, ehe sie zu einem Centralorgan gelangen; — b) dass die Haut wegen der sehr
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geringen Quantität thierischer Säfte auf ihrer Oberfläche, und we­gen des Mangels an Säure in diesen Säften nicht im Stande ist, die Arzneistoffe so zu verändern, wie dies in dein Magen und Darinkanal geschieht und wie es zum Uebergange der Stoffe in das Blut erforderlich ist: dass daher manche Substanzen, z.B. die ernährenden (die des Verdauungsprozesses bedürfen), oder die che­misch einwirkenden Stoffe (die zuerst neue Verbindungen eingehen müssen), von der Haut gar nicht aufgenommen werden, oder wenn dies auch geschiehet, dass sie fast unverändert und deshalb gress-tentheils unwirksam durch den Körper gehen; c) dass die Haut an ihrer äussern Fläche mit der unempfindlichen und ganz gefässlo-sen Epidermis bedeckt ist, welche nur durch sehr feine Oeffnungen (Poren) den Arzneistoffen den Zugang zur Haut selbst gestattet,*) und — d) dass ebenso durch die Haare die freie Einwirkung die­ser Stoffe etwas gehindert oder beschränkt wird.
Aus diesen Gründen, und weil mau die Quantität der aufge­nommeneu Arzueistoffe nicht ausmitteln kann, wird die Haut für sich allein bei innerlichen Krankiieifszuständeu nur selten zur An­wendung der Arzneimittel für den Zweck benutzt, um allgemeine Wirkungen zu erzeugen, wie z. B. da, wo der Zugang durch das Maul in den Magen oder auch das Schlingen gehindert ist, wie bei dem Trismus, bei Schlagfluss, bei heftigen Krämpfen u. s. w. — Dagegen gewährt die Anwendung der Heilmittel auf die Haut sehr oft eine ganz vortreffliche Uuterstüfzuug und Verstärkung der innerlich angewendeten Arzneien; und bei dem innigen Wechsel­verhältnisse der Haut mit andern edeln Organen leisten besonders solche Mittel sehr viel, welche den Lebensprozess der Haut selbst auf eine kräftige Weise ergreifen, oder selbst neue, künstlich er­zeugte Absonderungen in ihr erregen (wie z. B. die scharfen, bla­senziehenden und ätzenden Mittel), um antagonistisch die krankhaft aufgeregte Thätigkeit der innem Organe zu mindern. Dergleichen Mittel können hier um so mehr zur Anwendung kommen, da die Haut, bei ihrer grossen Empfindlichkeit doch Verletzungen, wenn
') In ilci' Henschenheilkunde hnt man seil einigen Jahren büufig die ArzneimiUel auf die, vorher durch ein Blasenpflasler von ihrer Epidermis enlblössle Haut applizirt, um die Autsaugung der Arzneistoffe hierdurch zu erleichtern. Diese Methode der Anwendung heissi die enderrna-ttsche (Methüdus endermatica). Die in Ihr benutzten Mittel müssen 1) leicht auflöslicb sein, ohne dass hierzu eine Saure erforderlich ist (z. B. die Pflanzen-Aikaloide, die Salze derselben, manche Extrakte und Melall-prüparate); denn die hier abgesonderle Plüssigkeit enthüll keine Siiiire; #9632;2) sie müssen In kleinen Gaben sehr wirksam sein. Im Ganzen ist aber auch hier die Wirkung sehr unsicher,~unü man hat deshalb in der Thier-heilkunde diese Methode bisher sehr wenig benutzt.
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dieselben nicht einen zu grosscn R;uim einnehmen, recht gut er­trägt und wieder beseitiget. — Dennoch sind die örtlichen Wir­kungen von allen scharfen und reizenden Mitteln in der Haut viel stärker, als bei der Anwendung auf den Magen und Darmkanal (sect;. 81.). Durch diese Umstünde und durch den, bei der freien Lage der Haut sehr leichten Zugang zu derselben, und ausserdem noch durch die Möglichkeit, den Grad der örtlichen Wirkung zu beob­achten, und nach dem Erfordern der Umstünde zu verstärken, oder zu mindern, und die Dauer der Berührung zu verlängern, oder plötzlich abzubrechen, erhülf die Anwendung der Arzneimittel auf die Haut, besonders bei örtlichen Krankheitszustünden, einen gros-sen Vorzug vor der Anwendung auf die übrigen Organe. —
Obgleich die Beschaffenheit, Dicke und Empfindlichkeit, und ebenso die physiologische Thütigkeit der Haut bei Thieren von ver­schiedener Gattung etwas verschieden ist (sect;. 70.), so werden hier­durch doch nur geringe Differenzen in den Wirkungen der, auf die­ses Gebilde unmittelbar angewendeten Arzneien, veranlasst. Doch ist es bemerkenswerth, dass Katzen durch blosses Fett oder fettes Oel, wenn es über den ganzen Korper ein- oder mchreremal einge­rieben wird, in Zeit von einigen Tagen zum höchsten Grade der Abmagerung gebracht, und selbst getödtet werden können. Ob diese eigenthümliche Wirkung auf mechanische Weise durch gänz­liche Unterdrückung der Hautausdünstung, oder durch Störung der Haut-Elektrizitüt, oder auf irgend eine andere Weise herbeigeführt wird? — ist bis jetzt nicht bekannt.
Zur Einverleibung der Arzneien in die Haut eignen sich die flüssigen, dunstartigen und halbflüssigen Formen derselben (als: Waschungen, Bähungen, Dunst- und Wasserbäder, Linimente, Sal­ben, Breiumschläge u. s. w.) am besten, da sie eine innige Berüh­rung mit der Haut gestatten und noch am meisten die Wirkung begünstigen.
5) In Wunden und Geschwüren können die Wirkungen der auf sie angewandten Arzneimittel viel schneller und kräftiger, als bei der Anwendung auf die blosse Haut entwickelt werden, da in ihnen Nerven, Blut- und Lymphgefis.se entblösst und verletzt sind, und eine unmittelbare Berührung zwischen diesen Gebilden und den Arzneistoffen stattfinden kann. Frische Wunden mit rei­nen Flächen sind hierzu vorzüglich geeignet, und oft erfolgt bei ihnen ein unmittelbares Eindringen eines Theiles der ArzneistofFe in die, durch die Verletzung geöffneten Gefasse, und also sehr schnell ihr materieller Uebergang in die Säfte. Daher entstehen auch die allgemeinen Wirkungen von vielen Arzneien (z. B. von
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Arsenik bei Pferden, von Kräheuaugen und Gauchheil bei Hunden u. s. w.) in einem weit heftigem Grade, als bei der innerlichen An­wendung derselben Stoffe und in derselben Menge. Doch sind die Erfahrungen hierüber noch nicht gehörig festgestellt. — Wunden, die bereits in Eiterung begriffen sind, und eben so veraltete und callöse Geschwürsfliichen gestatten weder eine vollständige Absorp­tion noch eine freie Einwirkung auf die Nerven, und vermitteln daher eine weit schwächere Wirkung als frisch entstandene Wun­den und Geschwüre. Ausserdem ist der Grad der Wirkung noch von der eigenthunilichen Empfindlichkeit, von dem Gefässreichthum und von der Grosse und Tiefe der verletzten Stellen, wie auch von der Art, Consistenz und Menge der hier vorhandenen Flüssigkeiten (Blut, Eiter, Jauche u. s. w.) abhängig. Die letztem können theils die Wundflächen so bedecken, dass die Einwirkung der Arzneien ganz gehindert wird, theils können sie diese selbst auch auf che­mische Weise verändern, und unwirksam machen. — Diese Um­stände veranlassen eine grosse Unsicherheit, sowohl in der Stärke, wie in der Ausbreitung der Wirkungen bei der Anwendung der Arzneimittel auf diesem Wege, und da es ein seltnes Zusammen­treffen ist, dass ein Thier au innern allgemeinen Krankheiten und zugleich an hinreichend grossen offnen Verletzungen leidet, es auch nicht immer zulässig ist, Wunden und Geschwüre zu diesem Zwecke schnell zu erzeugen, und endlich, da sehr viele Mittel, wenn sie in gehörig starker Concentration auf Wunden und Geschwüre ge­bracht werden, daselbst heftige örtliche Wirkungen (Entzündung, Schmerz, selbst Brand) veranlassen, und dadurch theils ihre Wir­kungen modifiziren, theils sich selbst den weitern Eingang in den Organismus hindern, so wird diese Anwendung bei Tbieren im Ganzen nur sehr selten dazu benutzt, um allgemeine Arzneiwirkuu-gen zu erzeugen. Dagegen ist sie aber bei örtlichen Krankheits-zuständen unentbehrlich und sehr wirksam. —Die geeignetste Form der Mittel hierzu ist wieder, wie bei Anwendung auf die Haut, die flüssige, halbflüssige, dunst- und gasartige; doch werden auch Pul­ver, besonders wenn sie auflösliche Bestandtheile enthalten, recht-gut ertragen und aufgenommen.
6) Bei der Anwendung in eine geöffnete Blutader werden die Arzneien durch kunstmässige Einspritzung oder Eingiessung (Injectio, Infusio) unmittelbar dem Blute beigemischt und mit den innern Wänden der Blutgefässe in Berührung gebracht, worauf sie mit dem Blute durch das Herz und die Lungen gehen, und dann im ganzen Körper sich verbreiten. Diese Art der Einverleibung zeichnet sich vor allen andern besonders dadurch aus, dass die
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Arzneien hierbei am schnellsten*) und mehrentheils auch im rein­sten Zustande zu den Ontralorganen des Körpers gelangen, und daher auch, selbst in sehr kleinen Gaben angewendet, die schnell­sten und kräftigsten allgemeinen Wirkungen veranlassen. — Die Einspritzung der Arzneien in die Blutadern scheint daher bei kran­ken Thieren sehr empfehlenswerth zu sein, und zwar um so mehr, da hierbei durch die ganz unvcrhiiltnissmässig kleinen Gaben (im Vergleich zu denen, welche gewöhnlich bei der Anwendung auf andern Wegen zur Erzeugung einer vollen Wirkung nöthig sind), auch die Medizinkosten ansserordeuÜlch verringert werden. Es sind jedoch mehrere Umstände vorhanden, welche der allgemeinen Be­nutzung der Infusion sehr hindernd entgegentreten. Die wichtig­sten davon sind folgende: a) Weil eben hier die Arzneimittel so direkt und ohne auf irgend eine Weise durch ein Assimilationsor-gau vorbereitet zu sein, in das Blut gelangen, so bewirken viele Substanzen in dem Blute selbst plötzlich chemische Veränderungen, besonders indem sie unlösliche Verbindungen mit ihm eingehen und es zum Gerinnen bringen (so z. B. reiner Weingeist, concen-trirte Säuren, saure Salze und dergl.). Hierdurch aber können auf zweifache Weise sehr nachtheilige Nebenwirkungen und selbst der Tod entstehen; denn es wird das Leben des Blutes vernichtet, und das, wenn auch nur zum Theil geronnene Blut, verstopft die freien Gefässe in der Lunge, so dass zuweilen heftige Störung der Cir-kulation, Lungenkrampf, Zerreissung einzelner Blutgefässe, Bluthu­sten, Entzündung mit ihren Folgen, oder selbst plofzliche Erstik-kung eintreten. — b) Selbst manche ganz milde Mittel, z. B. Fett, fettes Oel, Auflösungen von arabischem Gummi, von Mehl u. s. w. bringen, wenn ihre Consistenz und Zähigkeit die des Blutes über trifft, ähnliche üble Folgen hervor, indem sie bei ihrem Uebergange in die feinen Gefässe der Lunge auf rein mechanische Weise Ver-stopfung, Reizung, Entzündung, selbst Eiterung u. s.w. erregen.quot;) c) Ganz auf dieselbe Weise sind pulverige, unaufgelöste Substan­zen fast immer mit uachtheiligen Nebenwirkungen begleitet, d) Luftartige Substanzen in grossen Quantitäten können die Gefässe ohne Nachtheil gar nicht ertragen. Kleine Portionen von atmo­sphärischer Luft bewirken zwar bei Pferden und Rindern keine, bei Hunden und Katzen aber die heftigsten Zufälle, und oft den Tod sehr plötzlich. — e) Da die, dem Blute gewaltsam aufgedrun-
*) Siehe die Anmerkung zu g. lö.
**) Nach Dapuy's Versuchungen scheint das Rindvieh die Injek­tion solcher dickflüssiger Subsianzen besser zu ertragen, als dies bei den übrigen Thieren der Fall ist. (S. Journ. de iniidec. völirin. i833. P, m.)
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genen Arzneistoffe mit ihm den Kreislauf durch die Lunge machen müssen, und quot;'er mquot; den feinen Verzweigungen der Lungen-Ma-gennerven und der grossen sympathischen Nerven in sehr innige und v elfache Berührung treten, so verursachen viele Mittel, die sonst auf diese Nerven keine besondern Beziehungen äussern, doch sehr stagt;ke Affektionen derselben, z. B. sehr beschleunigtes, krampf­haftes und beschwerliches Athmen, krampfhafte Zusammeuziehua-geu der Bauchmuskeln, Erbrechen, oder Anstrengungen dazu, öf­teres und gewaltsames Ausstosset) der Darm-Excremente, Schweiss und dergl. heftige Zufälle, deren Starke, Ausbreitung und Dauer sich bei keinem Mittel, weder nach seiner bekannten Wirkung bei innerlicher Anwendung, noch nach der Constitution des betreffen­den Thieres im Voraus bestimmen lässf. — f) Die richtige Gabe der einzuspritzenden Arznei ist viel schwerer zu bestimmen, und dennoch von weit grösserei Wichtigkeit als bei der Einverleibung durch andere Organe; denn der individuelle, durch Kage, Constitu­tion, Temperament, Alter u. s. w. bedingte, aber vorher auf keine sichere Art erkennbare Grad der Empfindlichkeit des Körpers für ein Medikament spricht sieh bei den Injektionen weit stärker aus, als an den, durch äussere Einflüsse abgehärteten Verdauungseinge­weiden und der Haut. Zu kleine Gaben wirken, wie immer, zu schwach, und die schnelle oder bedeutende Verstärkung derselben bringt oft wieder zu heftige Zufälle hervor. Dass letztere von man­chen Stoffen, z. B. von den Brechmitteln durch grosse Gaben bei der Infusion eher entstehen, als wenn diese Mittel auf den Magen selbst angewendet werden, liegt wohl grösstentheils darin, dass im letztern Falle das Uebermaass der Gabe durch das Erbrechen wie­der ausgeleert werden kann, bei der Infusion aber in den Blntge fassen zurückbleibt. — Ein allgemein richtiges Verhältnislaquo; zwischen der Wirkungskraft der innerlich angewendeten, und der in die Adern gespritzten Arzneien ist nicht gut anzugeben; manche Arzneien wirken, auf die letztere Weise angewendet, mit dem vierten, andere mit dem achten, ja mit dem zwölften Theile der innerlichen Gabe schon recht stark. Es ist behauptet worden, dass vegetabilische Mittel gleiche Wirksamkeit zeigen, sie mögen in den Magen oder in die Blutgefässe gebracht sein, die thierischen Substanzen hin­gegen in den Blutgefässrn eine stärkere, die mineralischen aber eine schwächere Wirkung äussern sollen, als im Magen; das ist aber eine viel zu allgemeine und grösstentheils unrichtige Angabe. Nur genaue Beobachtungen über jedes einzelne Mittel können hier leiten. — g) Endlich ist die Infusion immer nothwendig mit einer chirurgischen Operation verbunden, welche anatomische Kenntnisse und chirurgische Geschicklichkeit verlaugt, und daher in der Regel
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nur vom Thierarzte selbst verrichtet werden kann; dieselbe ist aber bei grosser Unruhe, oder bei ungünstiger Lage der Thiere schwie­rig auszuführen, und zuweilen verursacht sie durch das Eindringen der atmosphärischen Luft oder durch nachfblgeiule Entzündung und Eiterung der Venen (Aderfisteln) widrige Zufalle.
Dieser Einverleibungsweg für die Medikamente wird daher ge wohnlich benutzt, wenn: 1) Der Zugang durch das Maul und den Schlund verschlossen ist, aber doch schnelle und kräftige allgemeine Wirkungen nüthig sind, wie z. B. bei dem Trismus. 2) Wo ein sehr hoher Grad von Abstumpfung besteht, und überhaupt da, wo eine stark eingreifende Umstimraung und Erschütterung des Kör­pers erfordert wird, wie z. B. bei dem Duramkoller der Pferde; und 3) wenn bei Thieren, die sieb erbrechen können, fremde Kör­per im Schlünde stecken, .und durch künstlich erregtes Erbrechen entfernt werden sollen, das Brechmittel aber auf gewöhnlichem Wege nicht beizubringen ist. — Bei der Anwendung der Arznei­mittel auf diesem Wege hat man im Allgemeinen zu beobachten, a) dass die Arzneien ganz dünnflüssig und von ganz gleichmässiger Consistenz (am besten colirte Auflösungen sehwache Tinkturen, Infu­sionen oder Abkochungen) sein müssen; b) dass sie vor der Anwen­dung bis zur Temperatur des Blutes (d. h. Ins gegen 28 Grad R) er­wärmt sein müssen; c) dass mau nur mit sehr kleinen Dosen beginnen, und nur alhnählig mit denselben steigen darf; d) dass man conzen-trirte Säuren, gesättigte Auflösungen von sauren Salzen, conzentrirte Abkochungen von adstringirenden Mitteln, rektifizirten Weingeist, Alkohol, Aether und alle Mittel, welche in der Körperwärme leicht gasartig werden, oder welche Gase aus sich entwickeln, ebenso fette Oele und Schleim, und alle unauflösliche Substanzen gänzlich ver­meiden muss, und e) dass man die Infusion der Mittel langsam und so verrichten muss, dass keine Luft in die Adern dringt.
sect;. 102.
o) So wie das diätetische Verhalten der Thiere durch die Art, Beschaffenheit und Menge der Nahrungsmittel und des Ge­tränkes, durch den Aufenthalt in gesunden oder ungesunden Stäl­len, oder im Freien, durch träge Ruhe, durch massige oder anstren­gende Bewegung u. s. w. die Thätigkeit der Organe und Systeme des Körpers in verschiedenem Grade erregt oder vermindert, und hierdurch nicht nur die vollkommnere oder unvollkommnere Aus­bildung desselben, sondern auch das Fortbesteheu der Gesundheit oder das Entstehen von Krankheiten ganz unverkennbar begünstigt, — ebenso verhalten sich dii se Kinllüsse auch auf die Wirkung der Arzueimittel, inden sie dieselben bald begünstigen, bald beschrän­ken, bald qualitativ ändern. So z. B. erfolgen bei den innerlich
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angewandten Arzneien die Wirkungen im Allgemeinen um so schwächer, je mehr der Magen und Dannkanal mit Futterstoffen angefüllt sind; bei den Brechmitteln entsteht aher das Erbrechen leichter, wenn der Magen etwas Nahrung enthält, als wenn er ganz leer ist; die Wirkung aller Purgirmittel win! durch reichlichen Ge-nuss von lauwarmem Getränk sehr befördert, aber von kaltem Ge­tränk entstellen dabei leicht Krämpfe, Kolikschinerzen, selbst Darm-entzündnnaen und tlbermässiges Pnrgiren; wenn Kühe grünes Fut­ter erhalten, bewirkt die, unter die Haut gebrachte weisse Nieswurz, sehr oft Erbrechen, was auch unter denselben Umständen von der in die Adern gespritzten Nieswurztinktur ganz gewöhnlich, aber bei trockenem Futter nur sehr selten erfolgt u. dergl. Der Thierarzt muss daher das diätetische Verhalten jedesmal den Umständen und den Eigentliümlichkeiten der angewandten Mittel möglichst entsprechend anordnen, und alle Hindernisse der Wirkung im Vor­aus verhüten.
sect;. 103.
p) Die atmosphärische Luft übt einen mächtigen Einfluss auf die Stimmung der Lebensthätigkeir im thierischen Organismus, und somit auch auf die Wirkungen der Arzneimittel aus. Beson­ders wichtig scheint ihre Reinheit und Trockenheit, ihre Tempera­tur, Elektrizität und die normale Mischung ihrer Bestandtheile zu sein. Denn diese Umstände bedingen es, je nach ihrer Art, dass die Haut- und Lungenausdünstung, die Gallenabsonderung und antagonistisch auch die Urinabsonderung u. s. w. bald mehr leicht und vollständig, oder entgegengesetzt unvollständig von statten gehen; dass also der Andrang des Blutes zu den betreflenden Or­ganen in verschiedener Stärke stattfindet, und dass hierdurch die Wirkung mancher Arzneimittel gleichsam vorbereitet, begünstigt und verstärkt, oder entgegengesetzt, vermindert und gehemmt wird. So z. B. zeigen dis Bchwelsstreibeuden Mittel bei feuchtwarmer Luft einen sehr starken, die urintreibenden Mittel aber einen sehr geringen Wirkungsgrad. — Ein eigenthümlicher, bis jetzt nicht er­forschter Zustand ist häufig die sog. epizootische Krankheits-Constitution, durch welche ebenfalls die Wirksamkeit man­cher Arzneimittel modifizirt wird, z. B. zur Zeit, wo typnöse Fie­ber herrschen, bringt die Anwendung der rein antiphlogistischen Mittel in den sonst gebräuchlichen Gaben leicht zu reichliche Ausleerung der Säfte, oder zu grosse Schwächung hervor. —
sect;• 104.
q) Wie gross der Einfluss des Klima, der Jahreszeiten und der damit verbundenen Witterungsverhältnisse auf den
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thierischen Organismus ist, das zeigt die oft ganz verschiedene Entwickelung der Thiere einer Gattung in verschiedenen Klimaten, das regelmkssige Wechsein der Haare und Federn (Abhaaren und Mausern oder Rauhen), ebenso das regelmässige Erwachen des Geschlechtstriebes in gewissen Jahreszeiten u. s. w. Es müssen also durch den Einfluss dieser Aussenverhältnisse einzelne Organe und Systeme materiell sehr ungleich entwickelf, und (wie im vori­gen sect;. angegeben) in eine ganz andere, bald erhöhte, bald ver­minderte Thätigkeit versetzt werden. Man sieht auch hier Konge­stionen des Blutes zu einzelnen Theilen oder Orgasmus im ganzen Gefasssystem entstehen, die Empfindlichkeit im Winter vermindert, die Hautausdünstung beschränkt, aber die Unrinabsonderung und das Reaktiosvermügen im Allgemeinen verstärkt werden u. s. w. Es ist daher sehr natürlich, dass auch die^Reaktionen des Organis­mus gegen die Arzneimittel, durch jene Einflüsse verändert er­scheinen. Doch fehlt es hierüber noch sehr an solchen Beobach­tungen, aus welchen man den besondern Antheil der äussern Ein­flüsse, des kranken Thierkörpers, und der angewandten Mitte! an den Abweichungen der Arzneiwirkungen mit Sicherheit nachwei­sen könnte.
Zweites Kapitel.
Eintheilung (Klassifikation) der Arzneimittel.
sect;. 105. Die Hauptaufgabe der Arzneimittellehre muss zwar darauf ge­richtet sein: jedes einzelne, bei den kranken Thieren in Gebrauch gezogene Arzneimittel nach seinen Eigenthümlichkeiten und nach den durch die Erfahrung bewährten Wirkungen u. s. w. (sect;. 21. b.) genau und richtig darzustellen; da aber die Menge und Verschie­denheit dieser Mittel sehr gross ist, so muss diese Darstellung zu­gleich mit einer Ordnung verbunden sein, in welcher das Aehn-liche mit dem Aehnlichen zusammengestellt, und das Ganze in einen wissenschaftlichen Zusammenhang gebracht ist, um hierdurch einen richtigen Uebcrblick zu gewähren, das Studium zu erleichtern und Weitschweifigkeit und Wiederholungen zu vermeiden.
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sect;. 106.
Die Nothwendigkeit und den Werth einer guten Eintheilung der Arzneimittel hat man stets anerkannt, und die Schriftsteller über Arzneimittellehre haben eine solche auf vielfache Weise auf­zustellen versucht. Alle diese Versuche sind jedoch bisher in ein­zelnen Punkten unvollständig und mangelhaft geblieben, weil es an einem wesentlichen Eintheilungsprinzip fehlt. Denn dieses Prin­zip könnte nur allein aus der wirklichen Kenntniss der Innern Gründe hervorgehen, auf welchen die, bei den Arzneiwirkungen entstehenden Erscheinungen beruhen, und welche sich theils auf den Arzneistoff, theils auf den lebendigen Organismus beziehen. Da jedoch unsere Kenntniss von dem Wesen der Lebenskraft, und ebenso von dem Wesen der dynamischen und spezifischen Kräfte der Arzneimittel fast nur allein auf die sinnlich wahrnehmbaren Eigenschaften der letztem und auf die, durch sie erzeugten sicht­baren Veränderungen des Organismus beschränkt ist (sect;. 29. 30.), so kann auch jede Eintheilung der Arzneimittel nur auf blosse Sinneswahrnehmungen über ihre Eigenschaften und Wirkungen ge­gründet und daher, wie diese Wahrnehmung selbst, in vieler Hin­sicht nur mangelhaft sein.
sect;. 107.
Bei den sämmtlicheu verschiedenen Eintheilungen der Arznei­mittel in bestimmte Abtheilungen, oder Klassen und Ordnungen, hat man diese Mittel 1) bald für sich allein, d. h. ohne Beziehung auf den thierischon Organismus, als blosse materielle Stoffe, entwe­der nach ihren naturhistorischen Verhältnissen, oder nach ihren chemischen und andern Eigenschaften, — 2) bald wieder nur ihre Anwendung auf den kranken Thierkörper, und ihre Wirkungen in demselben als Eintheilungsgrund benutzt; und — 3) zuweilen nach diesen beiden Rücksichten ein System zusammengestellt.
sect;. 108.
Die Eintheilung der Arzneimittel nach ihren Beziehungen zum kranken Thierkörper scheint den Zwecken der praktischen Thierheilkunst am meisten zu einsprechen, und ist deshalb in frü­hem Zeiten fast ganz allein benutzt, aber mit sehr wesentlichen Verschiedenheiten ausgeführt worden. Letzteres beweiset schon hinreichend, dass diese Eintheilung ihren Zwecken nicht genügt; noch mehr aber ergiebt sich dies, wenn mau folgende, als die vorzüg­lichsten hierher gehörenden Eintheilungsarten näher betrachtet. —
1) Als die älteste Eintheilung der Arzneimittel kann man wohl diejenige betrachten, in welcher die Mittel nach den verschiedenen Krankheitsformen, gegen die sie bei empirischer Anwendung nütz­lich erschienen, in Gruppen zusammengestellt sind. So unterschei-
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det man z. B. Mittel gegen Fieber, gegen EntzUuduug, gegen Knimpfe, gegen Würmer u. dergi., und man hatte daher eben so viele Klassen von Arzneimitteln, wie von Krankheiten. Die siimmt-lichen Arzneimittel waren gleichsam spezifische Mittel. Da aber im Verlaufe der Zeit und bei vorurtheilsfreien Beobachtungen die Sicherheit solcher spezifischen Heilmittel nur bei wenigen Krank­heiten bewahrt gefunden worden ist; da ferner die meisten Krank­heiten, mehr nach den Symptomen, als nach ihrem wesentlichen Zustande, bekannt sind, und — da auch fast jedes Mittel nach Art und Zeit der Anwendung, nach derörösse der Gabe u. s. w. gegen mehrere, zum Theil ganz verschiedene Krankheiten mit Nutzen an­gewendet wird, so ist diese Eintheilungsart ganz verwerflich, um so mehr, weil sie zugleich keine gute Uebersicht gewährt, und gar keinen wissenschaftlichen, sondern nur einen ganz empirischen Grund hat.
2)nbsp; Eine zweite Eintheilnngsweise der Arzneimittel ist auf die, nach ihrer Anwendung erfolgenden Wirkungserscheinungen ge­gründet; nach denen man z. E. die Mittel in Brechmittel, Purgir-raittel, flüchtige und anhaltende, Erregungsmittel, Aetzmittel u. s. w. theilt (sect;sect;. 55 — ^2.). Obgleich man hierbei keine strenge ROcksicbt auf die vorhandenen Krankheiten nimmt, so ist doch das Entste­hen mancher Wirkungen und ihrer Erscheinungen nur von dem Dasein eines gewissen Kraukheitszustandes allein abhängig (z. B. die krampfstillende Wirkung nur bei Krämpfen, die wurmtreibende mir bei Würmern), und derselbe wird daher für die Eintheilung mit benutzt. Der Grund zu dieser Eintheilung ist also theilweis mit dem der vorigen übereinstimmend, und sie hat daher auch zum Theil dieselben Mängel wie diese; ihr grosster Fehler liegt aber darin, dass Wiederholungen unvermeidlich sind, weil ein und dasselbe Mittel, unter verschiedenen Umständen, namentlich in ver­schiedener Gabe, Conzentration, Form, bei verschiedenen Krankhei­ten u. s. w. eine verschiedenartige (wie z. B. der Weinstein, eine auflösende, laxirende, urintreibende, kühlende, entzündungswidrige, schwächende) Wirkung leisten kann, und daher auch in verschie­denen Klassen stehen muss.
3)nbsp; Als den Grund zu einer dritten Eintheilnngsweise betrach­tet man tue innem Veränderungen, welche in den Kräften, in der Thätigkeit und Beschaffenheit bald des ganzen Körpers, bald der einzelnen Systeme und Organe durch die Medikamente erzeugt werden können. Dieser Eintheilungsgrund ist aus der Aunahme von sogenannten Grundausicbten des Lehens und von Grundkrank­heiten entstanden. Da aber, trotz der Bestrebungen, durch welche diese Ansichten geschaffen wurden , unsere Kenntnisse über den
Hertwig .Ar/ucimittollobrc.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;7
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imiern Grund des gesunden und krankhaßeu Lfbensprozesses nur sehr beschränkt sind, und in vieler Hinsicht: nur auf Theorien und Hypothesen beruhen, so hat sich auch eine gründliche Einsicht in den Prozess der Arznerwirkung für jetzt nicht erlangen lassen. Daher ist auch die Eintheilungsweise selbst nach den sogenannten medizinischen Systemen sehr verschieden gemacht worden, z. B. nach Browns System in sthenisirende und asthenisirende, oder nachRasori in stimulirende und contrastimulirende; nachBrous-sais Ansichten in antiphlogistische, revellirende und alterirende; nach einigen naturphilosophischen Aerzten in cxpandireude und contrahirende, — in positive und negative Mittel, — nach Vogel in Mittel, welche auf die Empfindlichkeit, und in solche, welche auf die Bewegung wirken; — nach mehreren Aerzten der neuern Zeit in Mittel, welche in ihren Wirkungen auf die Sensibilität, Irritabili­tät und Reproduktion gerichtet sind, und diese Grundkräfte erhö­hen oder vermindern. — Die Eintheilung auf die letztere Weise scheint vor den übrigen noch den meisten Werth zu haben, weil allerdings sehr viele Mittel, zu einer der drei Grundthätigkeiten und zu den organischen Systemen, in welchen dieselbe vorwaltend ist, eine spezifische Beziehung äussern. Allein auch sie ist einseitig und mangelhaft; denn diese Beziehung hängt nicht immer von den Mitteln allein, sondern oft auch von dem Krankheitszustande ab; die meisten Mittel wirken nicht blos auf ein System oder Organ, sondern sie ergreifen auch, und zwar zuweilen schon in der primä­ren, ganz sicher aber in der sekundären Wirkung die übrigen Sy­steme und Organe, und verbreiten sich zuletzt über den ganzen Körper; auch besteht die Wirkimg nicht blos in der Vernehrung oder Verminderung einer Grundthätigkeit, sondern eben so viel in der qualitativen Veränderung derselben.
4) Den Grund zu einer vierten Eintheilungsweise nahm man von der innerlichen und äusserlichen Anwendung der Arzneimittel, und unterschied sie hiernach in innerliche oder therapeutische, und in äussere oder chirurgische Mittel. Diese Eintheilung entspricht jedoch weder wissenschaftlichen noch praktischen Zwecken, da ihr Grund ein sehr unwesentlicher ist, sehr viele Mittel innerlich und äusserlich angewendet werden, und da auch die Thierarzaeikunde nicht wie die Menschenheilkunde in Medizin und Chirurgie geschie­den werden kann.
sect;. 109.
Auf die naturhistorischen und materiellen Eigenschaften der Arzneimittel sind folgende verschiedene Eintheilungsweisen gegrün­det worden.
1) Nach den drei bekannten Naturreichen hat mar. die Arz-
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neimittel in drei Hauptklassen gebrachr, und sie nach ibreh äussern Aehniicbkeiten, bald nacii dem Linneschen, bald nach dem soge­nannten natürlichen System geordnet. — Wenn nun hierbei auch
einzelne Mittel von gleichen oder ähnlichen dynamischen Kräften neben einander zu stellen kommen, so findet doch mehrentheils das Entgegengesetzte statt; Substanzen von unähnlicher Qualität sind mit einander zusammengestellt, und ähnliche sind von einander getrennt. Daher geht bei dieser Eintheilung raquo;lie praktische Ueber-sicht ganz verloren: ansserdem leidet sie aber noch an Unsicher­heit, indem manche Mittel in verschiedene Naturreiche versetzt wer­den können, wie z. B. der kohlensaure Kalk und die Blausäure.
2) Nach Ihren materiellen Bestandtheilen und ihren chemischen Eigenschaften hat man die Arzneimittel auf zweierlei Weise einse-theilt, indem man a) die einfachen Elementarstoffe, nament­lich die gasartigen Grundstoffe (Sauerstoff, Stickstoff, Kohlenstoff und Wasserstoff) als die nächste Ursache der spezifischen Kräfte der Arzneimittel betrachtete, und nach der Quantität und der ge­genseitigen Verbindung dieser Stofte in den einzelnen Mitteln, die Klassen und Ordnungen derselben bildete; — oder Indem man b) nur die nähern Bestandtheile beachtete, und nach dem Vor­walten derselben die gleichartigen Mittel In Klassen zusammen­stellte. Die erstere Eiutheilungsweise ist hypothetisch und unsicher, thells well von manchen Stoffen keine gründliche chemische Ana­lysen bisher bekannt geworden sind, dann, well sich aus der Kennt-niss der Elementarstoffe eines Arzneimittels wenig, oft auch gar nichts für die Wirkung desselben in Krankheiten ergiebt, und weil mit der Vervollkommnung der Chemie und dem Wechsel ihrer Sy­steme sich die Ansichten über diese Elemente oft ändern. — Da­gegen erscheint die zweite Eiutheilungsweise fester begründet und sehr brauchbar; denn jedes Arzneimittel bat, wenn es gleich ge­meiniglich aus mehreren verschiedenartigen Stoffen zusammenge­setzt ist, doch einen vorwaltenden Bestandthell, von dem vorzugs­weise seine Heilkraft abhängt, und den man daher als Hellstoff bezeichnen könnte, z, B. Bitterstoff, ätherisches Oel, Kampher u. dgl. Diese Stoff!' werden wohl Immer als dieselben betrachtet werden wenn auch die chemische Analysis noch so verschiedene Elemente und subtile Unterschiede in ihnen entdecken sollte. Dabei zeigen die Mittel von gleichen oder sehr ähnlichen nähern Bestandtheilen auch eine grosse üebereiustimmiiug in ihren Wirkungen, so dass sich über dieselben, so wie über die Indikationen und Contra-Indi-katlonen zu ihrem Gebrauche, über ihre Verbindungen mit andern Mitteln u, s. w. allgemeine Betrachtungen bei den einzelnen Grup­pen aufstellen lassen. Die auf die vorwaltenden Bestandtheile der
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Mittel gegründete Eintheilung hat daher nicht hlos einen pharma-kologischen, sondern auch einen therapeutischen Werth, und die­selbe soll daher auch hier für die spezielle Arzneimittellehre benutzt werden, um so mehr, da ihre Klassen sehr einfach und natürlich sind, eine leichte Uebersicht gewähren, und Wiederholungen unuö-thig inachen. Sie ist zwar ebenfalls nicht ganz frei von Mängeln, die aber im Vergleich zu ihren Vorzügen nicht in Betracht kom­men, und die hoffentlich mit der Zeit verbessert werden können. Sie umfasst folgende zwölf Klassen: Ite Klasse, enthält Mittel, deren Bestandtheile sich zu denen des Thierkörpers am wenigsten materiell verschieden (dif­ferent) verhalten, und die man daher als indiffe­rente Mittel bezeichnet. Ute Klasse, Mittel mit vorwaltendem BitterstotF: — bittere Mittel. ITIte Klasse, Mittel mit vorwaltenden adstringirenden Stoffen; ad-
stringirende Mittel. IVte Klasse, Mittel mit vorherrschendem Gehalt an ätherischem Oel, Kampher und Harz;— ätherisch-ölige, gewürz­hafte, kainpherhaltige und harzige Mittel. Vte Klasse, spirituose, ätherartige, flüchtige Mittel. VIte Klasse, Mittel, die scharfe Stoffe enthalten, — scharfwir­kende Mittel. Vllte Klasse, Mittel, die betäubende Stoffe enthalten,— betäu­bende, narkotische Mittel. VHIteKlasse, Mittel, die als chemisch-einfache Stoffe bekannt
sind. iXte Klasse, Säuren, saure Mittel. Xte Klasse, Alkalien und Erden: — kaiische Mittel. XIte Klasse, Salze der Alkalien und Erden. Xllte Klasse, Metalle, Metalloxyde und Metallsalze.
sect;• no.
Da jede Eintheilung ihre Mängel besitzt, so haben einige Schriftsteller die systematische Darstellung der Arzneimittellehre ganz aufgegeben, und dafür die einzelnen Arzneimitte.! nach der Buchstabenreihe zusammengestellt. Dies Verfahren hat jedoch, na­mentlich bei dem Studium noch weniger Werth, als selbst eine un­vollständige Eintheilung, und sie ist höchstens für ein zum Nach­schlagen bestimmtes Wörterbuch zu benutzen.
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Drittes Kapitel.
Quellen und Geschichte der Arzneimittellehre.
sect;. 111. Die thii?riirztlithe Arzneimittellebre enthält eine sehr grosslaquo; Menge von Arzneistoffen der verschiedensten Art, die aus allen drei Reichen der Natur entnommen, und aus fast allen Ländern der Erde zusammengebracht worden sind. Alle diese Stoffe sind von den Thierärzten gegen gewisse, selbst gegen die gefährlichsten Krankheiten empfohlen, und es könnte hiernach hei oberflächlicher Betrachtung scheinen, dass wir bei der grossen Anzahl der ge­bräuchlichen Arzneistoffe sehr reich an wirklichen Heilmitteln sind, dass die Arzneimittellehre einen hohen Grad der Ausbildung er­reicht habe, und den Zwecken der Tbierbeilkunde vollkommen ge-niigen müsse. Allein, wenn gleich die letztere auch in diesem Theile, gegen ihren früheren Zustand, einige Fortschritte gemacht hat, so zeigt doch eine nur etwas gründliche Untersuchung, dass unsere Kenntniss über die Natur und über die Wirkungen der mei­sten Arzneistoffe, nur oberflächlich und lückenhaft sind — dass also die Arzneimittellehre noch weit entfernt von der Wünschens­wertben Vollkommenheit ist, — dass sie daher der praktischen Tbierbeilkunde die nötbige Sicherheit nicht gewährt, — und dass jener scheinbare Reicbtbum an Arzneistoffen vielmehr ein Beweis von der mangelhaften Kenntniss der einzelnen Mittel ist. Denn gewiss könnten wir mit der kleinen Hälfte derselben vollkommen ausreichen, wenn wir ihre Wirkungen genau kennten.
sect;• 112.
Dieses Geständniss ist nicht sehr erfreulich, besonders wenn man dabei erwägt, 1) dass die Anwendung der Arzneimittel zur Heilung kranker Haustbiere schon seit den ältesten Zeiten versucht und fortwährend geübt worden ist, da das Eigentbums-Interesse, und ein, im Menschen eingepflanzter natürlicher Trieb zu helfen die Hecrdenbesitzer ehemals gewiss eben so stark wie jetzt hierzu augeleitet hat; und 2) dass die Thierarzneikunde bereits fast Sf Jahre in besondern Schulen rationell gelehrt und eultivirt wird. — Es ist daher nothwendig und von grosser Wichtigkeit für das künf­tige bessere Gedeihen der Arzneimittellebre, die Quellen zu beach­ten, aus denen durch zweckmässige Benutzung-eine Vermehrung an gründlichen Kenntnissen über die Arzneiwirkungen zu erlan­gen ist.
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sect;. 113.
Die Ajzuelmittellehre ist ihrem Ursprünge und ihren Zwecken nach eine Erfahrungswisseuschaft (sect;. 19.) und ihre Vervollkomm­nung' kann daher auch nur allein durch Erfahrungen, besonders über die Wirkungen der Arzneimittel an kranken Thieren, be-förderl werden. Es ist aber, der vielen Hindernisse wegen, sehr schwer in der Arzneikunde gründliche und ächte Erfahrungen zu machen (obgleich fast Jeder von ihnen spricht, der nur einigemal irgend ein Mittel gegen eine Krankheit angewendet hat), und Man­cher gelangt in einer vieljährigen praktischen Laufbahn kaum zu einer einzigen Erfahrung, weil er die nofhigen Bedingungen hierzu weder kennt noch besitzt, und daher mehrentheils einseitige Beob­achtungen Ihr wirkliche Erfahrung hält.
sect;• LI*-
Cm Erfahrungen in der Arzneimittellehre zu machen, ist er­forderlich: a) eine gründliche materielle Keuntuiss der Arzneimittel; b) gründliehe Kenntniss des Organismus der verschiedenen Hans-thiere im gesunden und kranken Zustande; c) Geschicklichkeit und Ausdauer bei der Anstellung von Versuchen nnd Beobachtungen, und — d) Kenntniss nnd richtige Beurtheilung der mitwirkenden äussern Einflüsse.
a) Die gründliche Kenntniss der Arzneimittel muss I) die na-turhistorischeu nnd 2) die chemischen Eigenthümlichkeiten dersel­ben umfassen und sich daher auf Naturgeschichte nnd Chemie stützen. — 1) Durch naturhistorische (physiographische) Kenntnisse sind wir im Stande jeden Arzneikörper nach seinem Ursprünge, nach seiner Güte nnd Aechlheil zu erkennen, und nach seinen sy­stematischen, bei allen cultiyirten Nationen gülligen Kamen richtig zu bezeichnen, daher auch ihn von andern zu unterscheiden nnd Verwechselungen mit unwirksamen oder mit giftigen und schäd­lichen Stoffen zu verhüten. Durch die Kenntniss de; naturhisto­rischen Verwandtschaft und Aehnlichkeit eine.-; wirksamen Arznei­stoffes mit andern, werden wir veranlasst, bei den letzten auf ähn­liche Kräfte zu schliessen, hierüber Versuche an Thieren anzustel­len, und dadurch auf mehrfache Weise zu nützen, indem tiieils der Arzneivorratii überhaupt mit neuen wirksamen Mittel i bereichert wird, oder indem wirksamere Stoffe an die Stelle der bisher ge­bräuchlichen treten, oder indem an die Stelle der thenren auslän­dischen Stoffe, inländische, wohlfeilere aufgefunden werden. Das Letztere ist für die Thierärzneikunde, die nur nützlich ist, wenn sie wohlfeil heilen lehrt, stets ein wahrer Gewinn, imd alle Thier-ärzte sollten es sich daher zur Pflicht machen, ihre naturhistorischen Kenntnisse, besonders in der Botanik, auf diese Weise zu benutzen.
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2) Die Chemie belehrt uns über die Bestandtheile und Mi-sohungsverhältnisse der Axzaeimitfel, und über das wechselseitige Verhalten derselben zu andern Stoffen; sie lehrt durch kunstmas-sige Zersetzungen, bei den meisten organischen Arzneistcßen die wirksamen Bestandtheile möglichst einfach und rein darzustellen, und liefert sowohl hierdurch als auch durch richtige Zusammen­setzungen, die kräftigsten Arzneimitlei; sie begründet überhaupt eine zweckmüssige sich immer gleiche Bereitungsweise der Arz­neien, und zeigt, wie die Zusammcnmischung solcher Stoffe zu ver­meiden ist, deren chemische Verhältnisse einander widersprechen, die sich daher zersetzen und ein neues Produkt bilden, welches unmöglich die von den einzelnen Mitteln bekannte Wirkung auf den thierischen Organismus äussera kann. Mit Hülfe der Chemie sind verfälschte Arzneimittel häufig von den ächten zu unterschei­den. Ferner, da die Erfahrung zeigt, dass die äussern Einflüsse den Organismus nicht allein quantitativ, sondern vorzüglich quali­tativ afficiren und seine Materie umändern, und dass Stoffe von ähnlichen Bestandtbeilen auch grüsstentheils ähnliche Wirkungen im Thierkörper veranlassen, so lässt sich aus der Vergleichung der, durch chemische Analysis aufgefundenen Bestandtheile eines Kör­pers mit den Wirkungen der, ihm an Mischung ähnlichen Stoffe einigermaassen im Voraus der pathologische Zustand andeuten, hei dem jener Stoff als Arzneimittel passend sein kann. Bei man­chen Giften sind fast durch die Chemie allein die wirksamsten Ge­gengifte aufgefunden worden. Auch über die Verbreitung mancher angewendeten Arzncistofle im Körper, über ihre Ausscheidung durch bestimmte Orgaue und in gewissen Flüssigkeiten, und über ihr Verhalten zu den verschiedenen Gebilden und Säften des Kör­pers, kann die Chemie Belehrungen geben, die nicht allein von In­teresse für die Wissenschaft, sondern auch sehr wichtig für die Praxis sind.
sect;. 115.
Aber wie gross auch die Dienste sind, welche die Naturge­schichte und die Chemie der Arzneimittellehre leisten, so darf man diese Wissenschaften hierbei doch nicht höher stellen, als es ihnen wirklieh gebührt; sie sind nur Hülfswissenschaften der Arzneimit­tellehre, und müssen daher den hohem Prinzipien derselben unter­geordnet sein, dürfen sie aber niemals beherrschen. Dies ist be­sonders hinsichtlich der Chemie zu beherzigen, weil dieselbe manche Erscheinungen und Veränderungen im Thierkörper sicher und über­zeugend nachweist, und daher selbst zur alleinigen Erklärung über die innersten Lebensveränderungen bei den Wirkungen der Arznei­mittel zeltend laquo;emacht, und auch eben so wie die Naturgeschichte,
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als Eintheilungsprinzip benutzt worden ist (g. 100. No. 2.). Jene Erklärungeu können sieh jedoch mehrenthoils nur auf die Einwir­kung der Mittel (sect;. 27.) beziehen, und ausserdem ist hier noch zu erwägen, dass sehr viele Resultate der chemischen Forschungen nicht unerschütterlich und ganz zweifelfrei sind; denn die Chemie zerlegt die Körper durch die Anwendung der wirksamstenReagen-tien, durch welche einzelne Bestandtheile zerstört, und andere um­gewandelt werden, so dass sie Produkte erhält, die in dein zerleg­ten Körper nicht vorhanden sind und also sein wahres Mischungs-verhältniss nicht bezeugen können. Auch können uns die einzeln dargestellten Bestandtheile der Arzneikörper die Beziehung der letz­tern zum kranken Organismus deshalb nicht genügend erklären, weil jedes Arzneimittel etwas Ganzes ist, und seine Bestandtheile in der eigenthUmlicheu Art ihrer Verbindung eine andere Kraft aus­üben, als wenn wir sie einzeln und losgerissen aus dem Ganzen, auf den kranken Organismus anwenden. Noch weniger lässt sich aber aus dem eigenthUmlicheu Einwirken gewisser Stoffe auftodte Körper, eine gründliche Erklärung über die Wirkungen dieser Stoffe im kranken, lebenden Thierkörper entnehmen; denn bei solchen Versuchen fehlt der zweite Akt jeder vollständigen Arzneiwirkung, nämlich die Mitwirkung der Lebenskräfte, gänzlich. Die so erlangte Ansicht wird daher oft einseitig und unrichtig sein, und durch ge­wöhnliche Thatsachen häufig widerlegt werden. So schützt z. B. der Salpeter fodtes Fleisch eine lange Zeit gegen Fäulniss, und übertrifft hierbei die fäulnisswidrige Kraft der Chinarinde: aber wie grundfalsch wäre die Annahme einer gleichen Wirkung im kran­ken Organismus, wo er die Auflösung der Materie schnell beför­dert und die Entwicklung und Gerinnung der plastischen Bestand­theile beschränkt'.
Die Arzneimittellehre darf daher die Atissprüche der Chemie, welche sich auf das Verhalten der Arzneistoffe zum Thierkörper beziehen, nur mit Vorsicht, und nachdem sie durch Versuche am lebenden Thierkörper sich praktisch bewährt haben, annehmen.
sect;#9632; 116,
b) Da der thierische Organismus der Gegenstand ist, auf den die Arzneimittel angewendet werden, und durch dessen Mitwirkung sie ihre Heilkräfte entwickeln, so ergiebt sich von selbst, wie noth-wendig die Kenntniss von ihm ist. Diese Kenntniss rauss aber sowohl den gesunden als den kranken Zustand umfassen, und da­her sich auf die gesammte Physiologie und Pathologie gründen.— Die erstere erforscht und erklärt die Eigenschaften, Kräfte und Ver­richtungen des Organismus bei den verschiedenen Thieren im nor­malen Zustande, stellt die Abweichungen dar, die bei den einzelnen
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Thiergattiingen in den Funktionen, in der Empfindlichkeit gegen äussere Einflüsse u. s. w. bestehen, und begründet so die Erkennt-niss und Erklärung der Veränderung, welche durch Krankheit, durch Heilmittel, oder durch zufällige äussere Einflüsse erzeugt worden sind.
Die Pathologie macht uns mit den verschiedenen Krankheits zuständen, deren Beseitigung eben die Hauptaufgabe der Thierarz neikunde ist, bekannt; sie lehrt die durch den Verlauf, durch die Ausgänge u, s. w. bedingten Veränderungen in den Krankheitser-scheinungeu richtig erkennen, und von denen unterscheiden, welche durch die Arzneien erzeugt und als deren Wirkung zu betrachten sind; sie stellt durch richtige Beschreibung die einzelnen Krank-heitszustände, bei denen gewisse Arzneimittel heilsame oder schäd­liche Wirkungen hervorgebracht haben, nach ihren Symptomen, Ursachen, Graden und andern Verhältnissen fest, und giebt nur hierdurch den gemachten Beobachtungen Sicherheit und Brauch­barkeit für künftige Benutzung: sie lehrt aus den genau und voll­ständig erkannten Symptomen, die innern wesentlichen Verände­rungen des Lebensprozesses zu erforschen, um hierdurch auf ratio­nelle Weise für die Anwendung der, nach ihrer Wirkung bereits empirisch bekannten Heilmittel eine sichere Grundlage zu gewin­nen; und indem sie die im Wesen verwandten Krankheitszustände in Klassen zusammengestellt, gewährt sie für die praktische An­wendbarkeit der einzelnen Medikamente eine einfachere Uebersicht. — Leider, dass unsere Keuntniss des Organismus sowohl in phy­siologischer, wie in pathologischer Hinsicht sehr mangelhaft ist, dass uns namentlich von den wichtigsten krankhaften Zuständen fast nicht viel mehr als die äussern Erscheinungen bekannt sind, und dass wir uns sehr oll nur mit blossen Ahnungen und Hypo­thesen begnügen müssen. Daher die vielen Widersprüche, die ent­gegengesetzten Ansichten über eine und dieselbe Krankheit, die Un­sicherheit und der beständige Wechsel in der Anwendung der Arz-neiinittcl und den Heilmethoden überhaupt! — Die Arzneimittellehre kann nur dann grossere Fortschritte machen, wenn die Physiologie und Pathologie gründlichen Zuwachs erhalten; die Mängel dieser Doktrinen werden stets auf die erstere zurückwirken, und in ihr wieder zu erkennen sein.
sect;. 117.
c) Weder die Kenntniss des thierischea Organismus, noch die materielle Kenntniss der Arzneistofie ist für sich allein hinreichend, um über die Wirkungen derselben auf den lebenden Körper, und besonders ki den verschiedenen Krankheiten eine sichere Belehrunii zu gestatten, sondern diese ist nur zu erlangen', indem man die
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einzelnen Arzneistoffe unter verschiedenen, genau bestimmten Ver­hältnissen mit dem Thierkörper in Berührung bringt, d. h. thier-ärztliche Versuche macht, und die hierauf entstehenden Erfolge richtig beobachtet. — Ais Versuche betrachtet man gewöhnlich nur die Anwendung der Arzneimittel auf gesunde Thiere, wobei die Erforschung der Arzneiwirkung eben der Zweck ist; allein, ge­nau betrachtet, besteht auch die gewöhnliche medizinische Behand­hing der Thiere bei vielen Krankheiten zum grüssteu Theile in blos-sen Heilungsversuchen, wie dies auch bei dem Mangel an umfas­senden und gründlichen Erfahrungen nicht gut anders sein kann.
sect;• -HS.
Versuche an gesunden Thieren sind deshalb von grossem Werth, weil bei ihnen die Reaktion des Organismus gegen die Einwirkung der Arzneistoffe nicht durch eine krankhafte Lebensthätigkeit mo-diflzirt oder durch die Erscheinungen der Letzteren undeutlich wer­den. Diese Versuche zeigen daher die möglichst reinsten und gleich­artigen Wirkungen, und man kann aus ihnen am deutlichsten ent­nehmen, welche Funktionen bei der Wirkung eines Mittels ergriffen sind, wie die Kräfte und Säfte des Organismus verändert werden, und welche spezifische Wirkungen also ein Mittel besitzt. Solche Versuche haben noch die Vortheile für sich, dass man die hierzu bestimmten Thiere in die, für den sichern Erfolg günstigsten Ver­hältnisse bringen, und namentlich die störenden Einflüsse vielmehr abhalten oder beseitigen kann, als (iies bei der Behandlung kran­ker Thiere möglich ist, wie auch, dass man die Arzneimittel unge­hindert von den kleinsten bis zu den grössten Gaben und hei Thie­ren von verschiedener Art oft wiederholt airwenden und so die hier­durch bedingten Modifikationen der Wirkung beobachten kann.
sect;. 119.
Doch sind diese Versuche auch nicht ohne Mängel, und ihre Resultate gestatter. deshalb nur eine vorsichtige Anwendung. Denn 1) besitzen die Thiere, besonders unsere nutzbaren und mehrentheils zu sehr benutzten Hausthiere keine ideale, sondern stets nur eine individuelle, relative Gesundheit (s. g. 99.), und es ist deshalb schwer, Suhjectc von gleicher Gesundheit zu den Versuchen zu er­halten, noch schwerer aber zu bestimmen, welches der richtige Grad der Gesundheit sei. — 2) Sind auch die störenden äussern Ein­flüsse niemals ganz unwirksam zu machen. Beides trägt dazu bei, dass auch an gesunden Thieren ein und dasselbe Mittel nicht jedesmal dieselben Erscheinungen veranlagst. — 3) Vermag der ge­sunde Organismus mit einem hohen Grade der Selbstständigkeit sich gegen die äussern Einflüsse, also auch gegen die Arzneistoffe zu behaupten, ihre Wirksamkeit zu vernichten und die durch sie
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erzeugten Veränderungen sogleich im Werden zu ersticken. Daher bringen an gesunden Thieren nur die wirksameren Stoffe, und meh-rentheils nur in sehr grossen Gaben, bemerkbare Veränderungen der Lebensthätigkeit hervor; andere, weniger wirksame Arzneistoffe erscheinen dagegen fast ganz indifferent, obgleich sie im krankhaf­ten Zustande sehr auffallende Wirkungen hervorzubringen vermö­gen, — 4) Die von dem Krankheitsprozess ergriffenen Organe und Systeme sind anders wirkende Glieder in dem Ganzen geworden; die Modifikationen der Lebensthätigkeit sind in einzelnen Organen erhübet, in andern vermindert und fast stets qualitativ umgeändert; neue sympathische und antagonistische Verhältnisse entwickeln sich, und die Arzneistoffe müssen daher an kranken Thieren andere Wir­kungen zeigen als an gesunden, und zwar um so mehr, je mehr sie zu den kranken Organen eine spezifische Beziehung haben. Da­her sind stark wirkende Arzneistoffe durch die vorhandene Krank­heit in ihren Wirkungen oft gemindert, aher eben so oft ist die Empfänglichkeit für sie ausserordentlich erhöht,
sect;. 120.
Auf diese Gründe hat man den Einwurf gestützt, dass die Wir­kung der Arzneimittel bei kranken Thieren zu sehr verschieden von der Wirkung bei gesunden sei, und dass daher die au den letzten angestellten Versuche gar keinen Nutzen für die praktische Thier-heilkunde gewähren. Dieser Einwurf ist jedoch unrichtig; denn eine genaue Vergleichung der Wirkungen bei gesunden und kran­ken Thieren zeigt auf das Bestimmteste: dass in beiden die qualitative Wirkungsweise, und die spezifische Rich­tung der Arzneien im Wesentlichen ganz gleich ist, und dass die Unterschiede nur im Grade, theils in der Stärke, theils im Umfange der Wirkungen beruhen. Die Canthariden z. B. wirken bei gesunden und kranken Thieren ganz gleichartig reizend auf die Harn- und Geschlechtsorgane, und der Campher zeigt dabei stets seine spezifische Gegenwirkung; Weigeist, Opium, Belladonna, Brechweinstein u. s. w., selbst die milden, schleimigen Mittel ver­balten sich qualitativ stets auf dieselbe Weise bei gesunden und kranken Thieren.
sect;. 121.
Dennoch bleibt die Anwendung der Arzneimittel auf kranke Thiere und die Beobachtung der hiernach erfolgenden Wirkungen die wichtigste Quelle der praktischen Arzneimittellehre; denn nur hierdurch lernen wir die Beziehungen der letztem zu be­stimmten KrankheitsVerhältnissen des Organismus kennen, und so die Zwecke der Thierarzneikunde sicherer erfüllen. Alle Resultate, die auf den vorher angedeuteten, oder auf andern We-
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gen der Forschung über die Wirkungen der Arzneistoffe gewonnen werden, bedürfen immer erst noch der Bestätigung durch Versuche am kranken Thierkörper, ehe sie einen praktischen Werth erhalten,
sect;. 122. Wenn Versuche an Thieren zu möglichst sichern und vollstän­digen Resultaten über die Wirkung der Arzneistoffe führen sollen, so ist es nüthig, sie In einem gewissen Umfange zu machen, sie oft zu wiederholen und dabei folgende Regeln zu beobachten. Mau beginne mit ihnen bei den auf der niedrigsten Stufe stehenden Thieren, und setze sie durch alle Klassen bis zu den Säugethieren, und speziell an den Hausthieren selbst, fort; man berücksichtige bei den letztern das Alter, Geschlecht, Temperament, die Constitu­tion und Grosse, und wähle zu den Versuchen solche, die sich möglichst ähnlich sind; mau beobachte und untersuche dieselben vor der Anwendung der Mittel genau, und beobachte die sämmt-lichen äussern Verhältnisse, denen die Thiere vor, während und nach dem Versuch unterworfen sind; man bringe die Mittel auf den verschiedensten Wegen mit dem Körper in Berührung, und zwar zuerst möglichst einfach, später in den verschiedensten For­men, und selbst in bekannten und als wirksam empfohlenen Zu­sammensetzungen; eben so suche man stufenweise von kleinen bis zu den stärksten Gaben die Wirksamkeit des Arzneistoffes, vom niedern bis zum höchsten Grade durchzuführen, und so die Modi fikationen der Wirkung zu erforschen; dabei achte man auf die sich zeigenden Veränderungen, und forsche besonders nach, auf welche Organe und Systeme der augewandte Stoff eine besondere oder vorherrschende Richtung äussert; man untersuche daher die Beschaffenheit des Herzschlages, der Arterien, des Athemholens, der Schleimbaut in der Nase, im Maul, der Bindehaut der Augen, der äussern Haut, die Wanne an verschiedenen Theilen des Körpers, die Grosse und VcränderhVbkeit der Pupille bei verschiedenem Licht, die Stellung oder Lage, die Aufmerksamkeit und das Benehmen der Thiere u. s. w.; man untersuche die Menge und Beschaffenheit der abgesonderten Säfte in verschiedenen Organen (namentlich da, wo die Arzneistoffe primär einwirkten), eben so die Exkretionsstoffe, und zwar sowohl sinnlich als chemisch; sterben Thiere, so stelle man am Kadaver zuerst Versuche mit dem Galvanismus an, dann genaue Sektionen und hierauf an den wichtigsten einzelnen Thei­len auch chemische Untersuchungen. Einzelne Thiere tödte man zur Zeit der grössten Wirkung, andere später, um durch die Sek­tion ihrer Kadaver Belehrung zu gewinnen, und noch andere lasse man ungestört, um an ihnen die Kachwirkungen und Folgen zu beobachten. — Bei Versuchen an kranken Thieren muss man zu-
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erst den vorhandenen Krankheitszustand, hesnnders den Zusam­menhang zwischen den Symptomen, die Form der Krankheit, ihre innern Verhältnisse und den Gang ihrer Entwicklung erforschen, und dann auf die zuletzt angegebene Weise /erfahren. Auch hier ist es zweckmassig, bei vielfach vurkommenden, oder seuchenartig herrschenden Krankheiten einzelne kranke Thiere, die mit den the­rapeutisch behandelten unter gleichen Einflüssen leben, ganz ohne Medikamente zu lassen, um hierbei zu sehen, welchen Einfluss die letztern auf den Gang und auf die Entscheidung der Krankheit ansähen. — Bei allen diesen Versuchen achte man aber stets das Lehen der Thiere und diese seihst als fremdes Eigenthum; man unternehme sie daher nur sehr vorsichtig, und bei der Anwendung heftig wirkender Mittel nur mit Genehmigung des Thierbesitzers. Wo erprobte und sichere therapeutische Regeln gegeben sind, weiche man von diesen nicht ohne Noth ab.
sect;• 123.
Da es jedoch einerseits nicht gut möglich ist, alle vorhande­nen Arzneistofie selbst zu prüfen, indem hierzu theils für ihre An­zahl das Menschenalter zu kurz ist, theils auch nicht jeder Thier-arzt die hierzu erforderliche Zeit und Gelegenheit besitzt, anderer­seits aber die eigene Prüfung auch nicht allein ausreichend ist, um sichere Resultate zu geben, indem der einzelne Mensch sich nicht von allen Fehlern in der Beobachtung frei erhalten kann, und jeder nur auf seizit ibm eigenthümliche Weise sieht und beohachtet, so sollte jeder Thierarzt die auf irgend einem Wege gemachte Wahr­nehmung und Beobachtung als ein Gemeingut der Wissenschaft hetrachten und deshalb sie öffentlich mittheilen. Dies muss jedoch mit Klarheit und Vollständigkeit, vorzüglich aber mit der grüssten Wahrheitsliebe geschehen; denn falsche und unrichtige Aussagen schaden auf mehrfache Weise, und besonders hemmen sie für lange Zeit das Fortschreiten der Wissenschaft. Leider ist in der Thier-arzneikunde die Zahl der unvollständigen, oberflächlichen und un­richtigen Beobachtungen und Mittheilungen sehr gross. Ihre Li­teratur und Geschichte (Siehe folg. sect;sect;.) erlaubt daher auch nur eine schwierige, beschränkte und vorsichtige Benutzung für die Arz-neiinittellehre, und die hierbei gewonnene Ausbeute für dieselbe ist nur gering.
sect;• 124.
Die ersten Heilmittel für kranke Thiere sind wohl nur entwe­der durch blossen Zufall, oder durch Beobachtung des Instinktes der Thiere, oder durch Uebertragung aus der Menschenheilkuude zur Anwendung gekommen. Ihre Kenntniss wurde nach und nach verbreitet, .md so Eigenthum des Volkes, namentlich der Land-
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wirthe, denen sie am meisten ein Bedürfniss war. Diese Kenutniss konnte jedoch nach der Art ihres Ursprunges, bei dem Hange zum Aberglauben, und bei dem niedern Stande der Bildung derer, die sie bewahrton. nur höchst einseitig und roh sein. Man kannte nur einzelne Mittel dem Namen nach gegen einzelne Krankheiten. Die erstem wurden schon in friiheru Zeiten zu einer bedeutenden Menge angehäuft, und später auf die unzueckmässigste Weise in vielfa­chen Zusammensetzungen, bei denen sich Mittel von der entgegen­gesetzten Wirkung befanden, ohne pathologische Kenntniss und ganz ohne Heil-Indikationen, angewendet. — Der Aberglaube trat hinzu und unterdrückte jede bessere Einsicht durch die Annahme von sympathetischen Rräfreu in Amuleten, in Sprüchen und Zau­berformeln, durch den Glauben au den übermächtigen Einfluss der Gestirne auf die Krankheiten u. s. w. #9632;— Dies war, mit wenigen Ausnahmen, ziemlich der allgemeine Stand der Thierarzneikunde und der thierärztlichen Arzneimittellehre, von den frühesten Zeiten bis zur letzten Hälfte des vorigen Jahrhunderts, wie dies die thier­ärztlichen Schriften jener Zeit beweisen.
sect;. 125. Aristoteles (384 bis 322 v. Chr.) giebl die ersten Notizen über einige Thierkrankheiten, aber ohne Werth für die Arzneimit­tellehre; er nennt als Arzneimittel den Wein. — Cato (180 J. v. Chr.) theilt in seinem Werke über Landwirthschaft einige Belehrun­gen über Thierheilkunde mit, welche nur von LJnkenntniss und Aberglauben zeugen. So liess er z. B. das kranke Rindvieh bei allen Krankheiten ohne Unterschied ein rohes Ei verschlucken, wo­bei der Knecht, der es dem Pferde eingab, nüchtern sein musste u. s. w.*) Besser und mehr auf Erfahrung gegründet sind die Mittheilungen, welche .T. Moderatns Columella (20 J. nach Chr.) in seinen Büchern über Landwirthschaft macht; er nennt schon viele wichtige Arzneimittel, namentlich den Salmiak, der damals schon allgemein gebräuchlich war, die Nieswurz u. a.; die meisten scheinen jedoch Hausmittel gewesen zu sein, wie z. B. Weinhefen, Lorbeeren, Oel u. s. w. ;) — Gargilius Martialis in seinem Bruchstück über Hindvlehkrankheiten (230 u. Chr.) enthält nichts Besseres als Columella,***) — Von dieser Zeit, und im ganzen vierten Jahrhundert, scheinen die Römer keine atisgezeichneten Thier-
*) Seriplores rei rusticae veteres lalini. Gnrante Joli. Math, Ces-ner, 2 Vol. llo. Lipsiae 173S, t77i. Mannheim !78l. Vol. J. Cap, 7t. p. 7b.
**) Ebendaselbsl. Columella, Libri XII.
'**) Ebendaselbsl. Vol. II. p. 305.
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ärzfe gehallt zu haben, der einzige Schriftsteller aus diesev Zeit, Pelagouius, enthält hinsichtlich der Arzneimittel und deren Com­position sehr viel Unsinn.') — Die Griecheu betriehen dagegen die Thierarzncikunde recht fleissig;. und hatten besonders mehrere be­rühmte Rossärzte, von denen als Schriftsteller Eumelus von The­ben (300 Jahre n. Chr.), Äpsyrtus (330 Jahre n. Chr.), Hippo­crates (nicht der berühmte Menschenarzt). Hemerius, Tbeo-mnestus, Vindanius Anatolius, Hierocles (340—400 Jahre n. Chr.) und Andere bekannt sind. Sie linden sich (17 an der Zahl) in einer Sammlung**) vereinigt, welche der griechische Kaiser Cc u-stantin Porphyrogenetus im loten Jahrhundert über diePferde-kraukheiteu machen Hess. Von allen ist Apsyrtus der berühm­teste; er verordnete mehrentheils einfache Mittel, und bat über die abgehandelten Krankheiten zum Tbeil ganz richtige Ansichten, — aber auch bedeutende Mängel. Gegen Ende des vierten Jahrhun­derts schrieb Vegetius Renatus ein Werk über Thierheilkimde,*quot;) welches zum Tbeil auf Apsyrtus und die übrigen frühern Schrift­steller, theils offenbar auf eigne Erfahrungen gegründet ist; au Voll­ständigkeit übertrifft es alle frühern, besitzt aber dieselben Mängel wie diese, besonders in der unschicklichen und zu grosseu Zusam­menmengung der Arzneien, ohne Angabe bestimmter Indikationen für dieselben. In dem nun eingetretenen finstem Mittelalter, wo alle C'ultur darniederlag, scheint auch die Thierarzneikunde völlig gesunken zu sein; denn aussei-jener Sammlung des Kaisers Con-stantin findet sich durch fast volle 600 Jahre keine Spur ihres Fortbestehens. Um desto erfreulicher ist das kleine Werk über Pferdearzneikunde von Jord. Ruffus-}-) und über die Krankheiten der Jagdfalken von Demetriusti) aus der Mitte des dreizehnten Jahrhunderts; beide sind durch Einfachheit und ziemlich gute Aus­wahl der empfohlenen Arzneimittel ausgezeichnet. Hierauf aber währte in den nächsten vier Jahrhunderten der gänzliche Stillstand fort, oder es traten vielmehr Rückschritte ein; die Pferdearzneikunde war in den Händen der Stallmeister, Bereiter und Schmiede, und die Behandlung der übrigen Thierkrankheiten blieb den Hirten und verschiedenen andern Quacksalbern überlassen. Es finden sich aus
*) Pelagonii veterinaria. Florentiae )S26.
**) Twi' tnr.TictTfHxwi' ßißXia 6tjw. Veterinariae niedicinae Libri duo; berausgegeb. von Jos, Ruellius, Basil, lo.iS. Deutscb zu Nürn­berg 1G69.
j Veselii Ronali artia veterinariae sive Jluloniedicinoe Libri qnatuor. Basilae 1n'.gt;8. 4io 1537. Hanbelmii 1781. 8vo.
t) .lord, riiifli, Calabrlensls Hlppialria. Patavii (818.
tt) Script, rei nccipiirariae. Ed. liigaull. J.ulel. 1012. 4lo. p. I,
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jener Zeit nur einige verworrene, und mit den Vorurtheilen dersel­ben ausgestattete Bruchstücke in den Schriften über die Reitkunst, welche sänimtlidi, bis auf Solleysel, keine Erwähnung verdie­nen. Und auch von diesem ist in Beziehung auf die Arzneimittel­lehre nur zu bemerken, dass er aus eigner Erfahrimg die Wirkung mehrerer Spiessglanzmittel (des Schwefdspiessglanzes, des Metall­safrans, des Goldschwefels, des Brechweins und des Hulandischen Wassers) besser kannte als alle Thierärzte vor ihm, und selbst bes­ser als sehr viele nach ihm,*) dass er dagegen aber auch viele und sehr grosse Irrthiimer verbreitete und namentlich in Beziehung auf die Arzneimittel behauptete, dass die Anwendung der kühlenden Mittel beim Pferde, selbst wenn es an EutzUadungskrankheiten lei­det, unzweckmässig sei und auf Vorurtheilen beruhe, dass aber die erhitzenden Mittel dem Temperament dieses Thiers verwandt und deshalb demselben vorzüglich heilsam sind. Er wendete da­her auch fast nur Mittel der letztern Art an, und hat hierdurch und vermöge seines Ansehens, in welchem er durch lange Zeit stand, nicht nur unzähligen kranken Thieren, sondern auch dem Fortschreiten der Wissenschaft geschadet. Die sputeni Schriftstel­ler über Reitkunst u. s. w. (z. 15. Saulnier, La Q-ueriniere, (iarsault, Loehueisen u. A.) schöpften fast nur aus ihm, und die Arzneimittellehre blieb, wie die ganze Thierarzneikunde, noch durch ein volles Jahrhundert in ihrer vorherigen grossen Unvoll-kommenheit. Bemerkenswerth für die erstere sind jedoch die, um die Mitte des siebenzehnten Jahrhunderts von dem berühmten Arzt Wepfer gemachten Versuche und gesammelten Beobachtungen über die Wirkungen des Wasserschierlings, des gefleckten Schierlings, des Eisenhutes, der Brechnuss, der weissen Nieswurz und anderer heftig wirkender Substanzen, — obgleich diese Versuche zum Theii sehr mangelhaft sind;**) — und eben so verdienen die später von dem Arzte Sproegel an lebenden Thieren mit mehreren (Tillen gemachten Versuche erwähnt zu werden.*-'quot;).
sect;. 126. Ein besserer Zustand der Thierarzneikunde begann um die Mitte des vorigen Jahrhunderts, mit der Errichtung besonderer Thierarzneischulen in Frankreich (17ül). Bourgelat, der Grün­der dieser Schulen, gab bald darauf das erste, der thierärztlichen
') Solleysel, le vcriUible parfail Marcciial. Paris 'Göl. ito. Cle Aufl. mit deulsclier Ucbersetzung zu Genf, IC77. Fol. p. oöS. u. f.
**) .1. J. Wepfer, Cicutae aquallcae hisloria et noxae. Basilae1679. ile neue Auflage. Lugd. Batav. 1 71 G. 1733.
quot;*) .1. A. T. Sproegel, Experimenla circa varia venena in vivis aniraalibus inslilula. Goelling. #9632;#9632;'753. 4lo.
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Arzneimittellehre allein gewidmete Werkquot;) heraus, welches er je­doch bei dem Mangel an eigner hinreichender Erfahrung ganz nach den damals gebräuchlichen Arzneimittellehren der Menschen­ärzte bearbeitet hatte. Es ist daher „wenig klassisch, enthält ver­jährte Theorien, viele Lücken, noch mehr Unbrauchbares, und eine grosse Menge Irrthümer, welche im Stande sind, die Schüler zu verwirren.quot;) Der geniale Bourgelat wusste aber dennoch ziem­lich gut, was zur Begründung einer bessern Arzneimittellehre ge­hört***) und sah auch seine gemachten Fehler selbst ein. Um sie zu berichtigen, unternahm er zahlreiche Versuche an Thieren, wel­che in der Thierarzneischule zu Älfort, späterhin durch Huzard (d. Vater) fortgesetzt und in der Thierarzneischule zu Lyon durch Flandrin, unter der Leitung Chaberts und nach der Anweisung Bourgelats zum grössten Theil wiederholt wurden.-}) Letzterer gelangte aber hierdurch nicht zu einer Verbesserung seines Werks, und erst lange nach ihm gab Huzard die vierte Auflage dessel­ben vermehrt und mit guten Anmerkungen versehen (Paris 1S05. An. XIII.) heraus. — Zu gleicher Zeit mit der ersten Ausgabe von Bourgelats Matiere Medicate erschien von Bartlet in England eine Art von praktischer Arzneimittellehre, unter dem Kamen: „Pbar-macopoe oder Apotheke eines Rossarztes.-J-j-) Das Werk ist zuviel mit Pathologie und Therapie überladen, und verbreitet sich selbst über einen Gegenstand, der nicht im Entferntesten hierher gehört, nämlich: ertrunkene Personen wieder ins Leben zu bringen: es ent-
quot;) Bourgelat. EMmens de l'art vc'-ltTinaire. Mauere Medicale rai-sonnäe, ou pröois des Medicamens considiTees dans leurs ed'els etc.; i l'usage des Kltives des Ecoles V(H6niiaires, avec les Kormides m^dicina-les et officinales des memes Ecoles. Lyon I76ü. Svo. 4le Aull. 1805. — Deutscli: Bonrgelat's Lehrbegiiiro der medizinischen Materie. Ans dem Franz. Leipzig 1760. 8.
**) Siehe Grognier, Notice historique et raisonnee snr C. Bour­gelat. Lyon (805. 8. p. 81—101.
***) Siehe: das Vorwort (Discours prrliminaire) zur ^len Aufl. der Maliöre Mlt;5dicale.
t) Siehe; Grognier a. a. 0. p. S3. — Diese spätem Versuche linden sich in den Annales d'Agricnllnre frangaise (1. Süne vom J. VI, der franz. Repnhlik, 1792—Oii), bis 1817, 70 Bde.; II. Sörie von 1818 bis 1828, 47 Bde., und in den proces verbales der genannten beiden franz. Thierarzneiscliulen ; ansserdem in den seil 182 5 bestehenden Ihier-ürztlichen Journalen,
ft) Pharmacopoeia hippialria, or the Genlleman Farriers Reposi­tory of elegant and improved Remedies for Ihe Diseases of Horses. Lond. 1763, 8. II. pari, — Nach der 3len Auflage (1773) deutsch herausge­ben von Buchholz, unter dem Titel: Barllels Pharmacopoe oder Apo­theke eines Rossarzles, welche auserlesene Millel für die Krankheilen der Pferde enthält u. s. w. Weimar 1778. 8. mit 2 Kupfern.
llei-twig Arzneimittellcbrlaquo;'.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; ^
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hält aber dennocli, für seine Zeil betrachtet, viele gnte und besonders viele einfache Arzneiformeln, obgleich auch einige empfohlene Mit­tel zu theuer, oder ganz unbrauchbar sind, und bei vielen die rich­tige Gabe nicht angegeben ist. — Die um dieselbe Zeit erschiene­nen guten Schriften der beiden Lafosse*) (Vater und Sohn) tru­gen zur bessern Aufnahme der Thierarzneikunde sehr viel bei, wenn gleich sie nur einen mittelbaren Einfluss auf die Arzneimit­tellehre hatten. Sehr wichtig in Beziehung auf diese ist dagegen das Werk von Vitet,'*) welches einige Jahre später erschien, und im 3ten Bande einen reichhaltigen Abschnitt für die Arzneimittel­lehre enthält. Vitet war ein Arzt zu Lyon, beschäftigte sich aber last ausschliessllch mit der Thierarzneikunde, und verwendete auf Versuche über die Wirkung der Arzneimittel anThieren neun Jahre Zeit und 20000 Franks.quot;') Er verminderte die zu grosse Anzahl der Arzneimittel und empfahl dringend die Anwendung der einfa­chen Stoffe, um deren Wirkung erst kennen zu lernen. Doch ist er selbst von diesem Prinzip zuweilen abgewichen und hat dann unrichtige Schlüsse über die Wirkung gemacht; so z. B. hat er statt des reinen Opiums die Tinctur desselben angewendet, die Jalape nicht für sich allein, sondern mit Milch und Salz, die Aloe mit dem Gelben vom Ei abgerieben und in reinem Wasser aufge-liist, gegeben. Daher konnte er das letztere Mittel, in so grossen Gaben, für Pferde und Hinder von anderthalb bis drei Unzen, rei­chen. — Nach diesem Werke verdienen die. zwar nicht sehr aus­gedehnten, aber recht guten Versuche von D'Aubenton über die Purgirmittel bei den Schafent) und später die Versuche von Vi-borg. Scheele und Flormann über viele Arzneimittel und
*) Lafosse, pöie, Observations ei döeniivciles failes sur les ein*-Viinx. Paris (754, S. Ins Deutsche übersetzt von Schreber, in des­sen Sammlang verschiedener Schriften, welche in die ükonoin. u. a. Wisseiischaricn einschlagen. 4le Theil. Balle ITü.'J. S. mit Kupfern. S. 210—37ü.
Lafosse, lils, Guide du Maniclial. Paris neu. 4.
Derselbe, Conrs dhipplatrique. Fol. m. ü-i Kpf. 1772. Deniscii her­ausgegeben von Knoblauch in vier S. iidn. Prag u, Leipzig ITSS.
Derselbe, Dictionnalre hlppialrlque, i Vol. (77ö.
**) Vitet, lledec.ine velörinairc. Tome ill. Lyon 177). Deutsch von Krxieben und Ilennamann unler dem Titel; Vitet, Duterrloht in der Vieharzneikunst, In 5 Bdn. Lemgo I77-'—Sfi.
***) Siehe: Itozier, Observations sur la Physique elc. Vol. 3, i, 5. 1771.
t) Memoires de la Socielo Boyale de Medecine, Annoes 17S0 u, 81. Paris {780. S. p. 2.quot;)6. — Deutsch, in den: Auserlesenen BeilrüKen zur Thierarzneikunde, Leipzig !786. isles Slück bgt;. iSi,
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Giftequot;) vor allen andern Leistungen genannt zu werden, da sie mehrentheils gründliche Beobachtungen enthalten und höchst nütz­liche Beitrüge für die Arzneimittellehre .sind. — Gegen Ende des vorigen Jahrhunderts schrieh Tennecker ein „Handbuch der Heilmittellehrequot; für Pferdeärzte u. s. w.,*) das manches Gute, aber auch manches Unrichtige und in zu ausgedehnter Schreib­art enthält. — Im Anfange dieses Jahrhunderts schien die ;hier-ärztliche Arzneimittellehre mit Eifer bearbeitet zu werden, denn es folgten schnell hintereinander mehrere Schriften über dieselbe. Fr. Pilger beschrieb „Versuche, durch den Galvanismus die Wirkung verschiedener Gifte und Arzneimittel auf die erhiihete oder verminderte Reizbarkeit der Nerven zv prüfen,***) und gleich darauf in seinem: .,Systematischen Handbuch der theoretischen und praktischen Veterinär­wissenschaftquot;-}-) eine Uebersicht der Arzneimittellehre, die jedoch zu kurz und unvollständig ist. — Zu gleicher Zeil erschien das „Handbuch der Zoopharmokologie für Thierärzte, von Chr. Ratzeburg,quot;ff) welches zwar hinsichtlich der Menge der aufgezählten Arzneimittel an Vollständigkeit alle übrigen Schriften der Art übertrifft, und manches Gute, aber auch wesentliche Feh­ler besitzt; denn Ratzeburg war kein Thierarzt und hat daher viele unrichtige Angaben ganz ohne Prüfung und ohne Kritik aus andern Schriften aufgenommen; die zusammengesetzten Arzneimit­tel stehen vor den einfachen, und die Eintheilung der speziellen Arzneimittellehre ist nach dem Linne'schen System, weder prak­tisch noch übersichtlich gemacht. — Ans derselben Zeit verdient noch das klassische Werk von P. Scheel über „die Transfu­sion des Blutes und Einspritzung der Arzneien in die Adern,quot;fff) genannt zu werden; es enthält aussor der vollstän­digen Geschichte der Transfusion fast alle vor ihm bekannt gewor­denen und mehrere eigene Versuche über die Wirkung von sehr vielen, bei Thieren in die Adern gespritzten Arzneimitteln. — Die
') Viborg, E., Sammlung von Abhandlungen für TbierSrzIe und Oekonomen. 5 Rde. 8. Copenhagen iTiUi—'S07.
**) 2 Bde. Leipzig 1799 und 1800. — ?le vermehrte Aufl. iR24.
***) Giossen ISO).
#9632;';) 2r. Band, mit Kupfern. Giessen ISO'. So.
;-;-) U: Theil, Berlin (801 (Ole Ann. von E. L. Schubarth 'IS-:!). 2r. Thell ebend. 4803.
tvt) Copenhagen )S0-2. 0 Tille. Svo, — Dr. 1) iaffenha ch hat das Werk mit einem drillen Theil (unler obigem Tilel, Berlin tS28) be-reicberl.
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iraquo; Laubemler's Handbuch der Thierlicilkunde*) enthaltene Dar­stellung der Arzneimittel ist sehr oberilächlich, unpraktisch und ganz im Sinne des Brown'schen Systems. Bald darauf erschien die „Praktische Heilmittellehre zum Gebrauch f'iirThier-ärzte und Landwirthe, von Dr. J. A. Schlaberg (damals Arzt in Hildesheim), Berlin 1805.quot; Ein dickes Buch, welches, trotz des Titels, ganz ohne praktischen Werth ist; es liegt ihm die prenss. Landes-Phannakopüe zum Grunde und enthält alle in derselben an­gegebene Arzneistoffe, ohne Unterschied des Preises, der Wirkung u. s. w. In thierärztlicber Hinsicht ist es höchst mangelhaft und steht der Zoopharmakologie von Ratzeburg weit nach. — Zwei Jahre später theilte Gohier einige nicht uninteressante Versuche über mehrere mineralische und vegetabilische Gifte mit,**) denen aber etwas mehr Vollständigkeit zu wünschen ist. —Gleich darauf folgte von H. Waldinger eine Schrift „Ueber die Nahrungs­und Heilmittel der Pferde,quot;*quot;) welche in Kürze einen Schatz von eigenen Erfahrungen über die bei kranken Pferden am mei­sten gebräuchlichen Arzneimittel enthält. Sie ist ausserdem auch origmell, da Waldinger (wie in seinen übrigen Schriften) unter den Thierärzten der Erste ist, der einer chemischen Ansicht bei der Erklärung über die Wirkungen der Arzneisfoffe huldiget. — Gleich-zeltig gab auch Viborg den ersten Band von den Schriften der thierärztlichen Gesellschaft zu Kopenhagenf) heraus, in welchem er recht gute und ausführliche Versuche über die Wirkung des Elsenvitriols, des Fichtenharzes, der Spiessglanzmittel u. a. bekannt machte.ff) — Im J. 1812 erschien von Dr. A. Rysz ein „Hand­buch der prakt. Arzneimittellehre für Thierärztequot;fff) zum Theil nach eigenen Erfahrungen, vorzüglich aber nach Wal-dinger's Arzneimittellehre gut bearbeitet und alphabetisch geord­net. — Ihm folgte ein Jahr später von Bouillon Lagrange ein: „Dispensaire Pharmacochimique ä l'usage des Eleves des Ecoles veterinalres, Paris 1813,quot; welches jedoch nur in pharmakologischer Hinsicht zu beachten ist. — Dagegen haben die, In demselben Jahre
*) der Band. Erfurt 1803. S. 48—83. ) Observalions et Experiences, faites a l'Ecole Imyöriale VelOriu. de Lyon sur le paiu moisi, et sur quelqaes Poisons mineraux el v6g6-laux. Paris u. Lyon t807. 8vo. p. 33—6(.
'**) Wien 1808. 3te Auflage. lt;816.
t) Velerinair-Selskabets Skrifler. Kiöbenliavn 1808. (2r. TlieiH8t3, 3r, Theil 1818.)
vr) Sie sind von Viborg ins Deutsche übersetzt in dem „Maga­zin für Iheoret. u. prakt. Tliierb cilkunde von Dr. S. J. Teuf­fei.'• Karlsruhe 1811—113. im 2. und 3. Heft enthalten.
ttt) Vierte Auflage. Würzburg 182ö.
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von Gohier herausgegebenen „Memoires et Observafions veteri-nairesquot; einen praktischen Werth; sie enthalten unter andern einige gute Bemerkungen über einzelne Arzneimittel, und namentlich Ver­suche über die weisse Niesewurz. — Im folgenden Jahre erschien der zweite Theil des „Handbuchs der Pferdearzneikunde von James White,'quot;) welcher im ersten Abschnitt die Arznei­mittellehre, im zweiten aber pharmazeutische Vorschriften enthält. In der erstem findet man zwar mehrere, agt;if Versuche und ri-htige Beobachtungen gegründete, gute Angaben, sie ist aber viel zu um­fangreich, zu sehr mit theureu, entbehrlichen und ganz unbrauch­baren Mitteln überladen, grüsstentheils sehr oberflächlich gearbeitet und ausserdem in alphabetischer Form dargestellt. — Gr. Pozzi der schon in seiner Zoojatria (2r. Band. Milano 16(17.) eine kurze Darstellung der wichtigsten Arzneimittel in alphabetischer Ordnung und nach Brown'schem System gegeben hatte, schrieb im Jahre 1816 eine Materia medica, chimico-pharmaceutica applicata all'Uomo et ai Bruti (Milano); in beiden Schriften ist aber die Arzneimittel­lehre mit praktischen Beobachtungen nicht bereichert. — Später er­hielt die Arzneimittellehre einen guten Beitrag von B. A. Greve in den „Wahrnehmungen am Rindvieh, um über dessen Befinden urtheilen zu können.quot; Istes Bändchen. Oldenburg 1S19. In einem angehängten Verzeichniss der für das Rindvieh brauchbaren Heilmittel sind recht gute und auf Erfahrung beru­hende Bemerkungen über die Anwendung und Wirkung derselben enthalten. —#9632; Auch die im folgenden Jahre von Waldinger her­ausgegebene „Abhandlung über den Schwefel und seine Verbindungen mit Metallen, Kalien und Erden, wie sie am und im thierischen Körper wirken u. s. w. Wien und Triest 1620, ist ein schätzbarer Beitrag. — In demselben Jahre gab E. L. Schubartb eine „Neue Pharmakopöe für Thierärztequot; heraus, welche aber, ihrem Zwecke geinäss, nur eine für die grös-sern Hausthiere, besonders für das Pferd brauchbare Auswahl von einfachen, präparirten und zusammengesetzten Arzneimitteln ent­hält. — Ein ähnliches, aber sehr umfassendes WTerk ist die „Phar-macie veterinaire, chimique, theorique et pratique,quot; von Lebas, Paris 1823.**)— In demselben Jahre erschien auch die zweite Auf­lage von Bracy Clark's „Pharmacopoeia Equina, or new Phar-
*) Aus dem Engl, (A Treatise on veterinary Medicine, in i Vol. London) nach der 9len Aull, übersetzt durch Victor v. Müller. Mit Kuiifern. Hannover ISKi u. 14.
**) 4le Aull. Purls 1827. Ein Auszug davon Ist enlhalleii in: Va-tel, P., Elemens de palliologie veterinaire. Tome II. 2me parlie. Paris 1828. !gt;. 7(0 — 790.
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macopoeia for Horsesquot; (London Ibt-i. 4to.), welche aber nur ober-Qächlich bearbeitet ist und In keiner Hinsicht einen besondera Werth
hat. Dennoch ist sie später in das Französische übersetzt wor­den.*) Im Jahre iS'ib gab J. F. C. Dieterichs in Berlin ein Handbuch der allgemeinen und besondern, sowohl theo­retischen als praktischen Arzneimittellehre für Thier-ärzte und Landwirthe, heraus, welches lb3lJ eine 3te wenig veränderte Auflage erhielt. Hierauf erschien von A. L. Buchmiil-ler ein Systematisches Handbuch der Arzneimittellehre für Thierärzte und Oekouomeu, Wien 1829, in welchem aber die Thierarzneikunde um nichts gefördert wurde, — wie dies fast überall der Fall ist, wo ein wissenschaftlicher Gtegenstand für Aerzte oder Thierärzte und zugleich für Laien dargestellt wird. Ausser-dem ist der Verfasser nicht praktischer Thierarzt und daher ganz ohne eigene Erfahrung. Dagegen erhielt die Arzneimittellehre im folgenden Jahre durch L. Moiroud, indessen „Tratte elementaire de matiere medicale, ou de Pharmaculogie veterinaire, suivi d'un Formulaire pharmaceutique raisorme etc. Paris 1832.**) eine sehr gute und systematische Darstellung, in welcher die neuem Ergeb­nisse der Chemie, der Pharmakologie, der Physiologie und der prakt. Thierarzneikunde (obgleich nur der französischen) mit Fleiss und Kenntniss benutzt sind. In Frankreich, wo seit Bourgelat und Vitet die Arzneimittellehre nicht mehr vollständig neu bearbeitet worden ist, muss Moiroud's Werk eine neue Epoche in diesem Theile der Veterinär-Literatur machen. — Deutschland erhielt in demselben Jahre zwei t h i e r ä rz 11 i eh e Rez ep t b ü ch e r, das eine von einem gewissen Dr. M. Schmidt,***) das andere von Dr. A. P. Wilhelmi.f) Beide Bücher sind blosse Rezept-Sammlungen, ganz ohne Sachkenntuiss und ohne Kritik gemacht. Um so er freulicher war im folgenden Jahre das Erscheinen der „Theorc-
Dosenlelire. Leipzig IS
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O-. o.
t) Vollsländiges Rezepibncli für Thieränte, Landwirthe, so wie über­haupt für Eigenthilmer von llauslhitren jeder Art, Oder Auswabl von mehr als 2000 der bewährtesten und wirksamsten Arzneiformeln elc. clc. i Bde. iSvo. Leipzig IS32.
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tisch-praktiscbe Darstellung der in der Tbierheilkunde
bewährten diätetischen, pharmazeutischen und chirur­gischen Heilmittel, nach ihrer Natur, ihren Wirkungen und ihrem Gebrauche, von Ant. Hayne. 2 Bde. 8vo. Wien 1633.quot; Djeses Werk enthält nicht blos die sogenannten Arzneimit­tel, sondern die sämmtiieben thierärztlichen Heilmittel, wissenschaft­lich und nach den Ansichten des Vertässers sehr gründlich bear­beitet in einem Systeme, welches zwar Wiederholungen mit sich fuhrt, aber therapeutischen Zwecken sehr gut entspricht. Ihm folgte eine ..Veterinär-Rezeptirkunst von J. C. G. Liipke, Aschers-lebeii 1834,quot; die sehr mangelhaft ist, dennoch aber eine neue Auf­lage 1843 erhielt.quot;) — .1837 erschien von W. J. T. Morton ,, \ manual of Pharmacy for the Student of Veterinary Medicine,quot; wel­ches eine kurze, aber recht gute Darstellung der vorzüglichsten Arzneimittel enthält. — In demselben Jahre wurde auch eine „Ho­möopathische Arzneimittellehre für Thierärzte, nebst Anweisung zur Bereitung der homöopathischen Arz­neien etc. von J. C. L. Genzke, Leipzig, herausgegeben, — worauf das „Handbuch der gesammten Arzneimittellehre, von Dr. G. C. Haubner, Anklam 1833 (als 3terTheil von dessen Hand­buch der populären Tbierheilkunde für Landwirtbe u. dgl.), folgte. Endlich erschien 1841 von Ed. Im-Thurn eine besondere Arznei­mittellehre, naturhistorisch bearbeitet, Solothurn: und von Dela-fond und Lassaigue ein Traite de l'ljistoire naturelle et medicale des substances employees dans la medecine des animaux domesti-ques etc., Paris. Ersteres Werk ist weit mehr im Sinne einer Na­turgeschichte als in dem einer speziellen Arzneimittellehre bearbei­tet. Zwischen dem letzten Werke und der Arzneimittellehre von Moirou d besteht in thierärztlicher Hinsicht kein grosser Unterschied. Ausserdem finden sich noch einzelne Versuche und Beobach­tungen zerstreuet in thierärztlichen und in mehreren medizinischen Zeitschriften. Von den erstem sind vorzüglich zu nennen; das „Archiv der Tbierheilkunde, von einer Gesellschaft Schweizer Thierärzte,quot; Aarau IblG bis jetzt;— das von den Lehrern der Thierarzneischule zu Alfbrt herausgegebene „Recueil de med. veterinaire,quot; Paris ls24 bis jetzt; — das ..Journal pra­tique de med. veterin.,quot; von Dupuy imdVatel, Paris 1820—31,
*) Zu iloi! LehrbQcbern über ihierärztliche Rezeptirkunst geboren auch die S. 6quot;. genannten von Eckel und von Kreuzer, auf welche hier, der Kürze wegen, nur hingewiesen wird. — Einiije schlechte und werthlose RezeptbUcher, wie z. IS. das Rezept-Taschenbncb von J. 1gt;. Busch (Marburg 180).) u. A. sind in der vorstehenden Aufzählung absichtlich Übergängen wordeil
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und zum Thoil auch das „Journal de medec. veterin, theorique et pratique'' von Bracy-Clark, Leblanc u. a. Paris 1830—36; — das Journ. vet. et agricole de Beige, 1841 u. f. — die engl. Zeit-Bchrifi: „The Veterinarien,1' London lb28 bis jetzt; — die „Teut-sche Zeitschrift für die gesammte Thierheilkunde von J. D. Busch, 1828 — 1833, und — „die Zeitschrift für die gesammte Thierheilkunde, von L. W. Nebel und C, W. Vix, 1834 bis zur neuesten Zeit; — das Magazin für Thierheilkunde von Gurlt und Hertwig. Von 1S35 bis jetzt. — Ueber homöopathische Arznei­wirkungen sind viele Angaben in der „Zoojasis von J.W. Lux, Leipzig 1633—36.quot; enthalten.
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Spezielle Arzneiwirkungslehre.
Erste Klasse.
Indifferente Arzneimittel. fMedicamenta indifferentia.J
Begriff, Wirkung und Anwendung dieser Mittel im Allgemeinen.
sect;. 127.
Ls giebt Arzneimittel, welche hinsichtlich ihrer Bestandtheile und Eigenschaften mit gewissen Beslandtheileu des Tbierkörpers die grösste Uebpreinstimmuug zeigen, zum Theil sogar Produkte des Tbierkörpers selbst sind, und die bei innerlicher Anwendung auch grösstenfheils demselben wieder materiell angeeignet werden kön­nen. Diese Mittel verhalten sich daher materiell, und eben so auch in ihren Wirkungen, unter allen Arzneimitteln verbiiltnissmiissig am wenigsten different zum Thierkörper, und werden deshalb im All­gemeinen als indifferente Arzneimittel bezeichnet.
sect;. 128.
Zu diesen Mitteln gehören alle diejenigen, welche 1) Eiweis-stoff, Milch und Gallerte,— oder 2) Gummi und Schleim, — oder 3) Stärkemehl, Mehl und Kleber, — oder 4) süsse, zuckerartige Stoffe, — oder 6) Fett und fettes Ocl, — oder 6) Wachs als vorwaltende und als vorherrschend wirkende Be­standtheile enthalten.
Diese verschiedenen Hauptbestandtbeile der indifferenten Mittel begründen eben so verschiedene Unterabtheilungen derselben, die auch in therapeutischer Hinsicht beachtet werden müssen; obgleich die sämmtlichen hierher gehörigen Mittel bei der Anwendung auf den Thierkörper eine, einander sehr ähnliche örtliche und zum Theil auch eine ähnliche allgemeine Wirkung zeigen.
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sect;. 129.
Die örtliche Wirkung rrfblgt durch blosseBerührimg der or­ganischen Gebilde und mebrentheils ohne bemerkbare Gegenwir­kung derselben. Sie besteht daher fast allein in dieser milden Ein­wirkung, und äussert sieh bei fast allen hierher gehörigen Mitteln (mit Ausnahme des krystallisirten Zuckers) in Erschlaffung und Er-weichuug der organischen Materie, in Verminderung der Spannung und Contraktilität der Fasern, in Verminderung der Reizbarkeit und Empfindlichkeit, und in Vermehrung der Sekretionen an den von ihnen berührten Absouderungsflächen. Ausserdem können noch die meisten dieser Mittel eine isolirende und schützende Decke für die hetreffeudeu Organe bilden, und dadurch die Einwirkung der äus-sern Einflüsse auf die letztern mindern (.der abhalten: und einige ehemisch wirkende Stoffe werden durch sie zersetzt.
sect;• 130.
Die erschlaffende und abspannende Wirkung u. s. w. verbrei-tel sich durch Consensus auch auf andere Organe, besonders wenn krankhafte Reizung und Spannung in denselben besteht. Auch er­folgt diese Wirkung ganz gleichartig bei innerlicher und ausser-licher Anwendung der indifferenten Mittel; noch sind die consen-suellen Erscheinungen am stärksten bemerkbar bei der innerlichen Anwendung; wo sie sieh oft über den .Magen, den Dannkanal, den Schlund, die Luftröhre und Lunge, und über die Harn- und Ge-schlechtsorgaue verbreitet zeigen.
sect;• 131. Die allgemeine Wirkung entsteh! zum Theil durch diese con-sensuelle Verbreitung der örtlichen Wirkungen über andere Organe, vorzüglich aber durch den Uebergang der wirksamen Bestandtheile dieser Mittel in die thierischeu Säfte; — und wenn das Letztere geschieht, können sie wieder auf zwiefache Weise wirksam werden, nämlich a) indem sie die Bildung neuer organischer Materie ver­mehren, oder b) indem sie die thierischen Säfte qualitativ verändern. — Denn obgleich man die Veränderungen noch nicht genügend kennt, welche sie bei innerlicher Anwendung erleiden, so zeigt sich doch, dass sie verdauet und assimilirt werden, und dass sie meb­rentheils zu den vorzüglichsten Nahrungsmitteln gehören. Die Ver­daulichkeit und Assimilirbarkeit ist aber nicht bei allen diesen Mit­teln und nicht für alle Thiergattungen gleichmässig leicht, und mit diesen Eigenschaften stellt die Nabrungskraft nicht bei allen im gleichen Verhältuiss. Der hierin bestehende Unterschied wird zum Theil durch die verschiedene Organisation der einzelnen Thiergat­tungen, besonders durch die eigenthümlicbe Bildung ihrer Ver­dauungsorgane und durch die hiermit übereinstimmende Lebens-
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weise heilingr, wie dies schon die allgemein bekannte Verschieden­heit der fleischfressenden (Camivora), der pflanzenfressen­den (Horbivora) und der allesfressendehThiere (Omnivora) be­weiset; vorzüglich aber hängt dieser Unterschied wn der Anzahl, chemischen Mischung und Bindung der Grundstoffe in den Mitteln selbst ab. Magendie zeigte zuerst durch Versuche,*) dass nur solche Mittel, welche nehen andern Stoffen auch Stickstoff enthalten, wie vorzüglich das Eiweis, die Milch, Fleisch, Gallerte, Kleber (daher Kömer und Hülsenfrüchte) bei fleischfressenden Thieren vermögend sind, den Körper dauernd zu ernähren, dass dagegen Mittel, welche keinen Stickstoff enthalten, z. li Gummi, reiner Zucker, Butter und Oel für sich allein und bei langer Dauer zur Ernährung nicht ge­eignet sind, obgleich sie verdauet und dem Chylus beigemengt wer­den, und, mit stickstoffhaltigen Substanzen in Verbindung, auch die Ernährung befördern können. Spätere Versuche haben gelehrt, dass nur der Kleber und die Milch für sich allein zu einer voll­ständigen und dauernden Ernährung dieser Thiere dienen. Beiden pflanzenfressenden Thieren verhält sich dies nicht ganz auf dieselbe Weise; denn sie nähren sich und gedeihen auch von solchen Sub­stanzen fast allein, die wenig oder gar keinen Stickstoff enthalten, — wie dies bei den meisten vegetabilischen Substanzen der Fall ist. — Die allesfresssendeu Thiere verarbeiten fast jedes Nahrungs­mittel gleichmässig gut und gedeihen hei einer gemischten Nah­rung am besten.
_ sect;. 132. Auch die qualitativen Veränderungen, welche diese Mittel im lebenden Thierkörper herbeiführen, sind nach ihren Eigenthümlich-keiten verschieden. Die Nahrungsmittel aus dem Thierreiche (die eben verhältuissmässig den meisten Stickstoff enthalten) sind am leichtesten verdaulich und assimilirbar; sie vermehren (mit Aus­nahme des Fettes und der Butter) die Plasticität des Blutes und erzeugen eine grössere Spannung der Fasein. verstärkte Muskel­kraft und überhaupt lebhaftere AeusseruJigen der Irritabilität. Seihst alle abgesonderten Säfte und die Ausleerungen enthalten mehr thie-rische Stoffe und riechen übler. Daher entstehen bei zu reichlicher und anhaltender Ernährung mit diesen Stollen gewöhnlich Conge-stiouen, Anlage zu Entzündungskrankheiten oder diese Krankheiten selbst. — Die Nahrungsmittel aus dem Pflanzenreich sind dagegen etwas schwerer verdaulich und befördern mehr die Bildung einer
) Grandriss der Physiologie u;ii F. Magendie, Ans dein Kranz, von Beusinger. Eisenacb ifi20. 2r, Tlieil, S. 379 u, f. (neueste Aus­gabe, 2r. Bd. IS.iö, S. M8 u; f.),
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schlaffen, lockern und weichen Materie, namentlich the Bildung des Zellgewebes und des Fettes, bei Fleischfressern zugleich Verminde­rung der Contraktilitiit und der Reizbarkeit in den festen Theilen, geringere Plastizität des Blutes und mildere Beschaffenheit der ab­gesonderten Säfte. Unter ihnen nähren die mehlhaltigen Samen der Getreidearten und die Hülsenfrüchte, vermöge ihres Gehaltes an Kleber, an PQanzeneiweis und Pflanzcn-Kiisestoffnoch am stärk­sten, und sie nähern sich in ihren Wirkungen einigermaassen den thierischen Nahrungsmitteln; die fetten Oele verhalten sich wie Fett und nähren am wenigsten kräftig.
sect;. 133. Ihren Eigenschaften nach können die indifferenten Mittel so­wohl als Arzneimittel wie auch als Nahrungsmittel benutzt werden, und zuweilen wendet man sie für beide Zwecke zugleich an. Sie sind im Allgemeinen angezeigt: 1) bei Krankheiten mit grossem Verlust von Säften oder von Kräften, wie z. B. bei sehr reichlicher und langwieriger Eiterung an grossen Flächen, bei Abzehrungen u. s. w., wie auch im Zeiträume der Wiedergenesung nach den meisten Krankheiten. Die stark nährenden Stoffe werden hierbei, mit Berücksichtigung der Thiergattung, den Vorzug verdienen. —
2)nbsp; Bei zu scharfer, reizender Beschaffenheit der abgesonderten Säfte (z. B. bei zu scharfem Urin, bei scharfer Jauche in Geschwüren u. dergl.), und bei den hiervon entstehenden Beschwerden (z. B. schmerzhaftem Uriniren, bei Diarrhöe von zu scharfer Galle). —
3)nbsp; Bei schmerzhafter Reizung und Spannung und bei dergl. Ent­zündungen der innern oder äussern Oberfläche und der ihnen nahe liegenden Gebilde; namentlich bei Magen- oder Darmentzündungen, hei Entzündungen der Nieren, der Harnblase, der Harnrühre, der Gebärmutter und Mutterscheide, bei katarrhalischer Reizung und bei Entzündung der Rachenhöhle, des Kehlkopfes, der Luftröhre und Lungen, u. dergl. — 4) Eben so bei zu grosser nervöser Em­pfindlichkeit und daraus entstandenen krampfhaften Zusammenzie­hungen einzelner Theile, z. B. bei zu grosser Empfindlichkeit des Magens und hieraus entstehendem Erbrechen bei Hunden, bei Krampfkolik, bei krampfhaften Harnverhaltungen u. s. w. In allen diesen Fällen (2—4) verdienen bei innerlichem Gebrauch die mil­den, nicht stark nährenden Substanzen (Gummi, Schleim, milde, frische Fette und Oele) den Vorzug vor den stark nährenden. — 5) Bei Anätzungen äusscrer oder innerer Organe, bei schmerzhaften äussern Entzündungen und Verletzungen, bei Verbrennungen und dergl. G) Bei verschluckten scharfen, ätzenden Giften und andern, chemisch oder mechanisch in die Organisation scharf eingreifenden Substanzen (z. B. bei scharfen Knochensplittern), um sie einzuhül-
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len, der innern Oberfläche einen deckenden Ueberzng zu gelien und die schädliche Einwirkung zu mindern. Daher auch — 7) oft Prä­servativ bei der Anwendung scharfer, ätzender, stark reizender Sub­stanzen (z. B. der Cantbariden, des ätzenden Sublimats, dquot;s Phos­phors), um sie emziihüllen, ihre Conzentration zu vermindern und hierdurch ihre örtliche Einwirkung zu mildern. — 8) Mehrere Mit­tel dieser Blasse benutzt man als Bindemittel fur andere Arznei­stoffe, um denselben eine schickliche Form zu geben, z. B. Schleim und Gummi zur Bindung des Kamphers in wässerigen Flüssigkei­ten, — und ausserdem dienen einige zum Bestreichen der Hände und der Instrumente vor deren Einfuhrung in Kürperhöhlen.
sect;. 134.
Die allgemeine Gegenanzeige gegen die Anwendung dieser Mit­tel, ist Erschlaffung und Reizlosigkeit der tbierischen Gebilde, und besonders innerlich grosse Schwäche mit Reizlosigkeit und Unthä-tigkeit des Verdauungskanals.
sect;. 135.
Die Gabe muss sich zwar bei der innerlichen Anwendung der indifferenten Mittel auf kranke Thiere nach denselben Verhältnissen richten, wie bei den übrigen Mitteln (sect;sect;. 93—104); doch kann sie, da jene Mittel auf dynamische Weise keine heftige Wirkungen zu erzeugen vermögen, grosser sein als bei allen mehr differenten Mit­teln, und dies um so mehr, wenn die Thiere bereits im gesunden Zustande an den Genuss einer solchen Substanz gewöhnt waren. Ueberladung des Magens muss jedoch genau vermieden werden. Die zur äusserlichen Anwendung nöthige Menge von diesen Mit­teln richtet sich nur allein nach dem Umfange des kranken Gebil­des und nach der, durch die Heftigkeit der Zufälle bedingten öf-tern oder seltenern Wiederholung der Applikation.
sect;. 136.
Als die schicklichste Form, in der diese Mittel angewendet wer­den, erscheint die flüssige und breiartige; sie werden so als Ge­tränk, als Einguss, Latwerge, Waschung, Bähung, Klysfier, Lini­ment, Salbe und Umschlag (bald in Verbindung mit Wasser und dergl., bald auch im reinen Zustande, z. ß. Fett, fettes Oel) ange­wendet, und sind in diesen Formen nicht allein am leichtesten ver­daulich, sondern bewirken auch die Einhüllung, Erweichung, Er-schlaffuntf u. s. w. am besten.
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Krsle Atttlieiltins.
Eiweisstoff- und gallertartige Mittel (Medic, albwninota
el geUitinosa).
sect;. 137.
Der Eiweisstoff {Albumin), cine Verbindung von Protein, Schwefel und Phosphor, findet sich als ein nähererBestandtbell der orgauischeu Substauz sowohl im Thier- als im Pflanzenreiche. Der thierische Eiweisstoff ist im Blute, im Milchsaft, in der Milch, im Gehirn etc , und in den serösen Flüssigkeiten des Thierkörpers reich­lich enthalten; auch macht er den Hauptbestandtheil des Blutwas­sers aus, in welchem er aber nach seiner Beziehung zur tbierischeu Substauzbildung gewöhnlich als Faserstoff des Blutes bezeichnet wird. In der Milch erscheint er etwas verändert als Käsestoff, und in den Muskeln, Sehnen, Knochen und Knorpeln isf er theils noch mehr inodifizirt, theils mit andern Bestaudtheilen sehr innig verbunden, so dass er nur durch das Kochen dieser Theile mit Wasser alsGallerte zu erhalten und darzustellen ist. Am eiufach-fachsteu und reinsten kümmf er in den Eiern der Vögel als Ei-w e i s vor.
I. Eier, Ova (am gewöhnlichsten Hühnereier, Ova gaülnacea).
sect;. 138.
Die Eier enthalten in ihrer, aus kohlensaurem Kalk etc. beste­henden Schale das Eiweis und das Eigelb.
a) Das Eiweis (Alfiunien ovi) ist fast reiner Eiweisstoff (12,0) und Wasser (S5,0), mit 2,7 speichelstofiahnlicher Substanz und 0,3 verschiedenen Salzen und der Verbindung einer Flüssigkeit mit einem häufigen Gewebe. Es fault leicht und entwickelt dabei viel Schwefelwasserstoffgas; es gerinnt bei einer Wärme über TOquot; R, eben so bei der Einwirkung von starken mineralischen Säuren, Al­kohol, Aether, Terpentinöl: dagegen losen Alkalien, Essigsäure und Salzsäure (welche beide im Magensaft enthalten) ihn auf) und Es­sigsäure verhütet sogar sein Coaguliren. Mehrere Salze schlagen das Eiweis aus Flüssigkeiten coaguliri nieder und werden dabei zum Theil selbst zersetzt, so z. B. Bleizucker, Bleiessig, Alaun, die Vitriole, Höllenstein, Aetz-Sublimat. Letzterer soll dabei in Calomel umgewandelt werden; nach Rose besteht jedoch der durch Subli­mat hierbei erhaltene Niederschlag aus einer Verbindung von Queck­silberoxyd und Eiweis. Audi die Gerbsäure schlägt ihn nieder,
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coagulirt und verändert ihn. Mit Kalk erhärtet es zu einer festen Masse (Kitt). — Innerlich angewendet ist es nährend, doch etwas weniger als das Eigelb und es sieht diesem und der Gallerte als Nahrungsmittel darin nach, dass es nicht so leicht aufiöslicfa wie sie, sondern mehr zum Gerinnen geneigt, und deshalb, in grösse-rer .Menge genossen, etwas schwerer verdaulich ist. Kleine Quan­titäten von flüssigem Eiweis werden (nachTiedemann undGme-lin) im Magen ohne Zersetzung resorbirt. Es wirkt aber auch milder als die Gallerte und kommt in dieser Beziehung dem Schleim sehr nahe. — Oertlich wirkt es einhüllend, reizmildemd und er­schlaffend, so lange es mit Feuchtigkeit verbunden ist. —
b) Das Eigelb, Eidotter (fitel/um ovi) besteht aus Wassei 53,78, — aus Eiweis 17,47, — tind aus einem gelben Fett (das sogenannte Eieröl) 2 pr. C. Nach Front enthält es auch Schwe­felsäure und Salze in sehr geringer Menge. Es löst sich leichter als das Eiweis im Wasser auf und bildet mit demselben eine Art Emulsion; eben so befördert es die Auflösung und gleichmässige Mengung des Kamphers, der Harze, der Schleimharze und der äthe­rischen Oele mit wässerigen Flüssigkeiten, mit Fetten und dergl. Man hält es bei innerlicher Anwendung für stärker nährend und für leichter verdaulich als das hlosse Eiweis, und äusserlich er­scheint es mehr erschlaffend und reizmildemd als dieses.
sect;. 139.
Die innerliche Anwendung findet bei beiden Substanzen auf ziemlich gleichmässige Weise statt, und mehrentheils giebt man beide mit einander verbunden: bei grosser Erschöpfung der Kräfte, bei grossem Säfteverlust, bei gehinderter Ernährung auf gewöhn­lichem Wege, z. B. bei Starrkrampf und Kinnhackenzwang, bei schwächlichen jungen Thieren, welche zu früh ihre Mütter verloren, bei schmerzhafter Diarrhöe, bei dem Blutharnen nach dem Geiuiss scharfer Pflanzen, bei dem Manlweh, und bei Vergiftungen durch Kanthariden, durch conzentrirte Säuren, durch Basen und durch Metallsalze. Bei den letztem ist das Eiweis vorzüglich empfohlen; man kann von ihm aber nur Hülfe erwarten, wenn es in kurzer Zeit nach dem Verschlucken der Gifte eingegeben wird, so dass eine Zersetzung derselben möglich ist, ehe sie den Körper afliziren.
Man giebt ausgewachsenen Pferden und Rindern auf einmal 3 bis fi Eier, in einem halben Quart Milch, Mehlsuppe oder Biet-gut abgerührt, drei- bis viermal des Tages; Schafen, Ziegen und Schweinen die Hälfte, Hunden und Katzen nach Verhältniss ihrer Grüsse den vierten bis sechsten Theil davon auf einmal. Bei rein asthenischen Zuständen kann man gewürzhafte Mittel, /. B. Kal­mus, Kümmel und dergl. damit verbinden; aber Kalb, adstringi-
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rende Mittel, Säuren und Metallsalze dürfen nicht mit eiweishalti-gen Mitteln verbunden werden. — Bei den bezeichneten Vergiftun­gen giebt man das Eiweis in derselben Menge mit zehn Theilen Wassers aligerührt, in recht kurzen Zwischenzeiten (etwa alle 3—5 Minuten) so lange wiederholt, bis die heftigen Zufalle vorüber sind. Zu reiztnildemdeu und zu ernährenden Klystieren können die Eier auf dieselbe Weise verwendet werden.
sect;• 140.
Aeusserlich wird das Eiweis als einhüllendes, deckendes Mittel auf oberflächliche Verletzungen, wo Hautverlust zugegen ist, ange­wendet: es ist jedoch für diesen Zweck, so lange noch starke Ent­zündung besteht, für sich allein wenig zu empfehlen, weil es schnell zu einer harten, fast hornartigen Kruste vertrocknet. Dagegen eig­net es sich, aus derselben Ursache für solche Wunden und Ge­schwüre recht gut, die der Heilung nahe sind und blos einer schüt­zen Decke bedürfen. Der Zusatz von einer Drachme fein pulveri-sirten Alauns auf eine Unze Eiweis bewirkt, dass diese Decke sich sehr fest bildet und auch fest mit der betreffenden Oberfläche zu­sammenhängt. — Bei frischen, oberflächlichen Verbrennungen ist ein Liniment aus einem Theil Eiweis und zwei Theilen Baumol (oder Leinöl) — oder aus gleichen Theilen Eiweis, Oel und Milch­rahm, als kühlendes, erweichendes Mittel recht wirksam und als Hausmittel leicht anzuwenden.
Das Eigelb benutzt man äusserlich fast nur als Zusatz oder Vehikel zu Salben, die aber immer frisch bereitet sein müssen, da sie sich nicht lange halten. Bei allen Verwundungen, wenn sie trocken und sehr schmerzhaft sind, und mit erweichenden und an­dern Umschlägen oder Fomentationen nicht behandelt werden kön­nen, ist Eigelb und Baumöl zu gleichen Theilen zusammengerieben, die beste Salbe, besonders auch, um die Brandschorfe bei Schuss­wunden zur Abstossung zu bringen. — Bei zu geringer Eiterung ist das Eigelb mit Terpentin oder mit Terpentinöl, im Verhältniss zum Grade der bestehenden Heizbarkeit verbunden, die einfachste und beste Digestivsalbe.
Das in dem Eigelb enthaltene und durch Auspressen der hart gekochten Eidotter bei gelinder Wärme leicht zu gewinnende Eieröl (O/. ovor.) wurde ehemals sehr häufig auf schmerzhafte, entzündete Theile, auf Wunden und Exkoriationen angewendet; es ist aber, da es sich durch keine besonderen Eigenschaften vor andern fetten Oelen auszeichnet, zu entbehren und durch Leinöl, Baumöl u. dgl. zu ersetzen.
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2. Die Milch, Lac
%#9632; 141.
Die Milch ist eine eigeatbUmliche, in den Eutern der weiblichen Thiere abgesonderte Flüssigkeit, welche hauptsächlich aus vielem Wasser, aus Eiweis- oder Kiisestoff, Milchzucker, Butter, etwas Milch­säure und verschiedenen Salzen besteht. — Ausserbalb des Thier-kürpers zerisefzt sie sich nach einiger Zeit durch die Einwirkung der Luft und Wärme von selbst (was auch künstlich und schneller durch den Zusatz von Weingeist, Säuren, eines Stückchens von einem Thiermagen, Sehleim u. s. w. bewirkt wird); diese einfache Trennung giebt jedoch nicht genau die sämmtlichen genannten Be-standtheile, sondern a) einen wässerigen Thcil oder die Molken, welche aus Wasser und Milchzucker, etwas Eiweisstoff und Salzen bestehen; b) einen käsigen Theil, der fast nur aus Käsestoff (Kasein) besieht, und c) einen fetten oder öligen Theil, den Rahm oder die Sahne, welche Fett und Eiweis enthält und durch schnel­les, oft wiederholtes Durcheinanderbewegen zu Butter umgewan­delt wird.
Das VerLältniss der Bestandtheile und somit auch die Beschal-fenheit der Milch ist verschieden nach der Verschiedenheit der Thier-gattung, nach der Constitution und Gesundheit der einzelnen Thiere, nach der Periode ihrer Absonderung, nach der Beschaffenheit und Menge der Nahrungsmittel u. s. w. — Die Milch scheint das Pro­dukt der ersten unvollständigen Assimilation zu sein; sie zeigt sehr auffallend die materiellen und anderen Eigenschaften der von den Thieren genossenen Substanzen bald nach der Verdauung dersel­ben, und sie hat z. B. bei animalischer Nahrung der Thiere eine mehr thierische (stickstoffhaltige), bei Pflanzennahrung eine mehr milde, vegetabilische Beschaffenheit; auch gehen häufig fremdartige Stoffe, z. B. ätherische Oele, Harz, Farbestoff, scharfe Stoffe u. dgl. in sie über und verändern ihre Wirkune im Thierkörper.
sect;• 142.
Die Milch ist ein sehr leicht assimilirbares, mildes Nahrungs­mittel, steht aber an Nahrungsgehalt den Eiern und dem Mehl nach. Sie ist die von der Natur für alle Säugethiere bestimmte erste Nahrung unmittelbar nach der Gehurt, bis ihre Kau- und Verdauungswerkzeuge mehr entwickelt und fähig sind, andere, mehr differente oder mehr konzentrirte Nahrungsstoffe zu verarbei­ten. Für fleischfressende Thiere und für Schweine bleibt sie aber während des ganzen Lebens ein angenehmes und brauchbares Nah­rungsmittel. — In dem Magen wird sie durch den Magensaft schnell zum Gerinnen gebracht (in die obigen Bestandtheile zersetzt), worauf
H c r l u i ^ Ar'.iieimittellchre.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;laquo;)
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aber der käsige Theil auch bald wieder aufgelöst wird. — Die Er­nährung durch sie geschiehet, wenn die Milch von Thieren dersel­ben Gattung kommt und von gewöhnlicher Beschaffenheit ist, ohne reizende Nebenwirkung; in den ersten Tagen nach der Geburt führt sie jedoch zugleich ab und befördert dadurch die Entleerung des sogenannten Füllenpechs. Auch kann sie, wenn die Thiere eine mit bittern, harzigen oder scharfen Stoffen versehene Nahrung ge­messen, durch diese Stoffe bald mehr, bald weniger bedeutende Ne-henwirkungen erzeugen. Selbst mineralische Stoffe gehen in sie über und zeigen sich noch wirksam in ihr.
Oertliih wirkt sie auf die zunächst von ihr berührten Theile einhüllend, erschlaffend und bei Entzündungen, Verbrennungen und Aetzungen sehr schmerzstillend, ähnlich, aber noch besser als das Eiweis; auch zersetzt sie, wie dieses, mehrere Metallsalze, und wan­delt den Quecksilber-Sublimat in Calomel um.
sect;. 113.
Man wendet die Milch bei asthenischen Krankheiten der Schweine und fleischfressenden Thieren als nährendes Mittel an, vermeidet sie aber bei heftigem Durchfall, welchen sie ofr noch vermehrt. Für die übrigen Thiere passt sie nur im ganz jugendlichen Alter. — Als Heilmittel benutzt man sie ohne Unterschied der Thiere, inner­lich bei Entzündung der Verdauungseingeweide und der Harnwerk­zeuge, bei dem entzündlichen und durch scharfe Stoffe entstandenen Blutharnen und Blutmelken u. s. w. Bei denselben Krankheiten und bei Koliken macht man auch Klystiere von ihr. Aeusserlich kann sie gleichfalls bei Entzündungen, bei Verbrennungen und Anätzun­gen, anstatt der schleimigen Mittel angewendet werden.
Man giebt sie lauwarm als Getränk oder als Emguss Pferden und Rindern zu einem Quart (3 Pfd.) auf einmal, und nach Be-dürfniss öfter wiederholl; Schafen und Ziegi'n ein halbes Quart, Hunden und Katzen ^ bis | Quart. — Gewöhnlich wird sie für sich allein angewendet; sie kann aber durch Zusatz von Eiern, von Stärkemehl oder Mehl uoch mehr nährend, und durch Oel, Fett oder Butter mehr einhüllend gemacht werden. Man nimmt sie nur von gesunden Thieren, und als Nahrungsmittel für Säuglinge am besten nur von Thieren derselben Gattung. - Aeusserlich wendet man sie als kalte oder lauwarme Bähungen, oder mit Brotkrume, mit Hafergrütze, Leinsamenmebl und dergl. in Breiumschlägen an.
sect;#9632; 1laquo;.
a) Die Molken, Wadecke (Serum Laclis) sind, nach ihrer Entstehung, süsse oder auch s au re Molken. Erstere bleiben bei der Käsehereitung aus süsser Milch zurück, letztere werden bei dem Gerinnen der sauer gewordenen Milch abgeschieden cder durch Zu-
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satz von Säuren zur Milch erhalten. Beid'^ wirken weniger näh­rend, aber mehr kühlend als die Milch; sie erschlaffen und schwä­chen die Verdauungseingeweide etwas und vermehren die wässeri­gen Absonderungen in denselben, so dass der Koth feuchter und weicher als sonst entleert wird. Bei Schafen und Ziegen entsteht von ihrem reichlichen Genuss nach etwa (i—1(1 Stunden wirkliches Laxiren; bei Pferden und Rindern beobachtet man dies sehr feiten. Massige Gaben ertragen alle Thiere ohne dass besondere Wirkun­gen entstehen; Schweine gedeihen sogar bei dem reichlichen Genuss der Molken recht gut und deshalb erhalten sie dieselben in den meisten Landwirthschaften als ein Nahrungsmittel. Die übrigen Thiere und besonders Pferde müssen sich aber erst nach und nach an den Genuss grösserer Quantitäten gewöhnen, weil sonst zuwei­len widrige Zufälle entstehen, —vorzüglich wenn die Molken sauer sind. Diese Zufälle bestehen bei Pferden nach dem Eingeben von 2—G Quart Molken darin, dass zuerst nach 20—30 Minuten Trau­rigkeit, Zitter.i am ganzen Körper, Sträuben der Haare, Unruhe, Kolikzufälle, Krämpfe, sehr beschleunigtes Athmen, erst später auch schneller, kleiner, harter Puls, zuweilen auch Aufblähung, öfteres Misten u. s. w. eintreten; sie dauern ungleich durch 2, 6, his 12 Stunden und enden dann ohne weitere Folgen, oder sie gehen nach Viborg's Beobachtung zuweilen in Lungenentzündung über, die nach 24 bis 4^ Stunden den Tod herbeifuhrt.')
Als Heilmittel kann man die Molken innerlich bei Entzündungs­krankheiten der Schweine, Hunde und Katzen, mit Wasser verdünnt, sehr zweckmässig benutzen, um so mehr, da sie auf dem Lande leicht zu haben sind, von diesen Thieren fast immer gern gesoffen werden und somit bei Schweinen das beschwerliche und gefährliche Eingeben von Arzneien entbehrlich machen. Aus dem letztern Grunde sind die Molken auch ein gutes Vehikel für andere Medi­kamente, die man den Thieren beibringen will, z. B. Nieswurzel, Salpeter, Weinsrein und dergl. Metallsalze eignen sich jedoch zu dieser Verbindung nicht, weil sie zum Theil zersetzt werden. —
quot;) Viborg, Sammlung, Bd. 3, S. 221—230. Er sähe Pferde nach üem Eingeben von 4 Maass Molken sterben. —#9632; Ich sähe bei mehrmals Wiederholten Versuchen mil gleicher und grösserer Quanliläl zwar manch­mal jene Zufälle, aber niemals den Tod erfolgen. G Umher, der diese Versuche ebenlalU Wiederholle, sähe die hefligeu Znlälle und den Tod nur dann einlrelen, wenn bei dem Eingeben der nmierniilch. Molken u. a. Flussigkeilen elwas in die Luflröhre und in dia Lungen eingedrun­gen war, und er sagt daher mit Recht: dass nicht die Buttermilch und Molke an sich, sondern die Methode ihrer Anwendungquot; so schädlich ist. Siehe J. fl. Fr. Günther über den Gebrauch der Tranke in der vferde-Srztl. Praxis. Im Hannöv. Magaz. 1829. No. Si, Squot;) u. 86.
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Bei Schafen mid Ziegen kann man sie gleichfalls, hei Entzündungs-krankheiten und hei Verstopfung des Leihes, hei dem Aufhlähen und dergl. als ein wohlfeiles, mildes Laxiermittel anwenden.
Die Gahe liisst sich für Schweine nicht ganz genau bestimmen, sondern nach Verhältniss der Grosse der Thiere auf etwa 2 his 8 Quavt täglich annehmen. Je mehr sie saufen, für desto hesser hält man es. — Schafen und Ziegen gieht man auf einmal 1 bis i% Quart (36 bis 54 Unzen).
b)nbsp; Der käsige Theil der Milch wird in der Form des weis-sen oder frischen Käse (Quark, Caseum rerens) dargestellt. Derselbe hat mit dem Eiweis sehr viel gemein, unterscheidet sich aber von diesem, dass er auch von der Essigsäure aus Flüssigkei­ten niedergeschlagen und zum Gerinnen gebracht wird, dagegen jenes sich bekanntlich in dieser Säure auflöst. Er ist sehr schwer verdaulich, und wird für sich allein als inneres Mittel nicht benutzt, wohl aber zuweilen äusserlich als ein kühlendes Mittel zu Umschlä­gen bei Augenentzimduugen, Quetschungen, Widerristschäden und dergl. Wenn er alt und durch Zersetzung und Fäulniss scharf und ranzig geworden ist (alter Käse), wirkt er reizend auf die Ver­dauungseingeweide und schwach abführend, für welchen Zweck er besonders bei Hunden gegen Verstopfung des Leibes, Appetitlosig­keit u. s. w. recht zweckmässig zu gebrauchen ist, da diese Thiere ihn gern von selbst nehmen. In Entzündungskrankbeiten ist er jedoch durch bessere Mittel zu ersetzen. Die Gabe ist ein halbes bis anderthalb Loth, am besten fein geschabt und mit etwas Oel gemengt.
c)nbsp; Die Sahne, der Rahm (Crcmor Lactls) wirkt fast wie ein fettes Oel, sehr einhüllend, erschlaffend, erweichend und reizmildernd, und wird innerlich selten, etwa nur bei Entzündungen und bei dem Blutharnen vom Genuss scharfer Stoffe, für sich allein oder mit Eiweis und Eigelb zusammengerieben angewender. Die Gahe ist für Pferde und Rinder ein halbes, für Schafe, Ziegen und Schweine ein viertel Quart, Hunden und Katzen 1 bis 3 Esslöffel voll. — Aeusserlich dient er bei Anätzungen, Verbrennungen und überhaupt hei schmerzhaften Entzündungen, bei denen heftige Spannung, Ex-koriationen. Blasen oder Schorfe zugegen sind; eben so hei dem Teigmal der Kälber, bei dem Maulweh, bei den Pocken der Schafe u. s. w. Man kann ihn für sich allein, recht zweckmässig aber auch mit gleichen Theilen eines milden Oels verbunden, — oder auch in einem Gemenge mit Eiweis und fein pulverisirtem Stärke­mehl (von letztern beiden ä 1 Theil auf 4 Theile Rahm) anwenden. In letzterer Verbindung ist das Mittel gegen das epizootische Maul­weh, zur Zeit, wo das Epithelium der Maulsehleimhaut sich ablöste
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und das Maul wund und sehr schmerzend war, mit dem besten Erfolge benutzt worden. Eben su hat sich bei frischen Verbrennun­gen die Verbindung mit Oel von ganz vortrefflicher Wirkung gezeigt.
d)nbsp; Die Butter, siehe bei den Fetten.
e)nbsp; Die Buttermilch {Lar ehulyratum) besteht im IriscLenZu­stande aus Molken, in denen etwas Kiisestoff; Milchzucker und But­ter durch Salze gebunden enthalten sind. Sie wird leicht sauer und enthält dann Essigsäure. Sie ist gelind nährend und kühlend, wie die Molken, aber etwas mehr einhüllend und rcizmildernd als diese. Bei Pferden soll sie, in grossen Gaben als Einguss atige­wendet, ganz dieselben heftigen Zufalle hervorbringen, wiedieMol-ken. Dies hat sich bei Viborg?s u. A. Versuchen zwar so ge­zeigt, kommt aber nur bei dieser Art der Anwendung und bei dem Eindringen des Mittels in die Luftröhre vor (s. Anmerk. sect;. 144. S. 131.). — Mau giebt die Buttermilch bei Eutziindungskrankheiten, und besonders bei der Bräune der Schweine zum Getränk und mengt ihr die etwa nfjthigcn andern Arzneimittel, z. B. kühlende Salze, die Nieswurzel und dergl. bei. — Gegen das entzündliche Blutharnen des Rindviehes hat sie sich abwechselnd mit Pökelfleisch­brühe (oder mit Salpeterauflösung), alle Stunden ein Quart einge­geben, oft sehr nutzlich gezeigt. Dabei muss aber nur sehr weni­ges und ganz gutes Grünfutter. Heu oder Kleie gegeben werden.
f)nbsp; Der Milchzucker {Saccharum Lactis) bringt in ziemlich grossen Gaben (bei Pferden zu i\ bis '2 Unzen pro dosi gereicht) bei den sämmtlichen Hausthieren kaum bemerkbare Wirkung her­vor. Er soll gelind nährend sein, ähnlich wie die Molken, ist aber für die kranken Thiere zu theuer und ganz entbehrlich. Die Ho­möopathen benutzen ihn, als eine sehr indifferente Substanz, zur Verdünnung trockener Arzneien.
3. Gallerte, Geldlina.
sect;. 145. Die Gallerte, aus Kohlenstoff, Wasserstoff, Sauerstoff und etwas Stickstoff bestehend, kommt als ein wesentlicher Bildungs-theil des Thierkörpers in fast allen Theilen desselben und im gan­zen Thierreich vor. Bei den höher organisirten Thieren findet man sie am reichlichsten in der Muskelsubstanz, in den Sehnen, Knor­peln und Knochen. Oft ist sie (am meisten im Fleische alterer Thiere) mit thierischen Extraktivstoffen (einem weingeistigen, Os-mazom, und einem wässerigen, Zomidin) u. a. thierischen Bc-standtheilen verbunden und- hierdurch in ihrer Qualität verschieden.
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Die reine QaUerie ist in mehrfacher Hinsicht mit dem Eiweisstoff verwandt, und ihre Verschiedenheit von derselben scheint theils von einem höheren Grade der thierischen Assimilation, theils von der Art ihrer Gewinnung verursacht zu sein; denn sie ist nur durch Kochen ans den thierischen Gebilden zu erlangen. — Ans Fleisch bereifet und mit vielem Wasser verbunden stellt sie einen Haupt-bestandtheil der Fleischbrühe dar ; Letztere enthält jedoch neben ihr noch das Osraazom und das Zomidin: aus Sehnen und Kno­chen bereitet und völlig getrocknet, erscheint sie als Leim {Gluten animate s. Cul/u auimalis), und aus Knorpeln gewonnen als Knor­pel s t o ff ( Chonilrin ).
sect;• 146.
Die Gallerte ist für fleischfressende und für solche Thiere, die von gemischter Nahrung leben, ein kräftiges und leicht zu ver dauendes Nahrungsmittel, wenn sie in Verbindung mit Zomidin, Osmazom und mit stickstoffhaUigen Substanzen gegeben wird; für sich allein ist sie aber zur Ernährung unzureichend.*) Grosse Gaben der reinen Gallerte belästigen die Verdauungseingeweide, und durch längere Zeit fortgesetzt erzeugen sie Widerwillen gegen den Genuss, mangelhafte Ernährung u. s. w. — ganz gegen die frühere Ansicht von diesem Mittel. Für pflanzenfressende Thiere ist sie noch weniger geeignet. Die nährende Wirkung ist bei der reinen Gallerte ganz mild; ist aber viel Osmazom mit letzterer ver­bunden, so ist sie etwas reizend auf das Gefässsystem.
Ocrtlich wirkt die Gallerte in Verbindung mit Wasser ähnlich wie das Eiweis, und übt auch auf vorhandene Mefallsalze, nament­lich auf den Quecksilber-Sublimat, ähnliche zersetzende Wirkungen wie dieses.
Der Leim, mit wenig Wasser gekocht, wirkt beim Trocken­werden stark klebend.
sect;#9632; 147.
Die innerliche Anwendung der Gallerte in Form der Fleisch­brühe als nährendes oder die blosse Gallerte als einhüllendes Mittel ist ganz bei denselben Krankheiten angezeigt, wo das Eiweis em­pfohlen ist; sie verdient aber bei Hunden und Katzen vor diesem Mittel den Vorzug. —
Dagegen darf die Fleischbrühe innerlich nicht angewendet wer den bei Vollblütigkeit, Entzündungsfiebcm, bei vorhandenen ört­lichen, heftigen Entzündungen, bei Hautkrankheiten (Flechten und
*) Bericht einer Cummission der Akademie der Witsenscliaften in Paris, in don Archives gönöraies de Mcdec. 1841. SejUlir. p. 142, seq.
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Räude), besonders wenn dieselben aus ZU reichlicher thierischer Nahrung entstanden sind, wie dies bei Hunden sehr oft. der Fall ist.
sect;• 148.
Man wendet ilie Gallerte als Nahrungsmittel gewöhnlich in einer starken Fleischbrühe, als eiuhQllendes Mittel aber in einer Auf­lösung des Leims an, und zwar als Einguss (wenn die Thiere sie nicht selbst saufen) oder auch als lilystier. Bei sehr grosser Schwa­che, bei heftigem Durchfall u. s. w. bringt man sie zuweilen auf beiden Wegen in den Körper. — Wo bei der Schwäche des Kör­pers zugleich eine grosse Empfindlichkeit der Verdauungseingeweide vorhanden ist, und in Folge derselben Erbrechen u. s. w. eintritt, kann man der Fleischbrühe kleine Gaben von Opium zusetzen, — wo aber diese Empfmdlichkeit nicht zu bemerken ist, verbindet man sie mit gewürzhaften Mitteln und mit Kochsalz, theils um der all­gemeinen Schwäche entgegenzuwirken, vorzüglich aber um die Ver­dauungseingeweide zu grösserer Thätigkeit anzuregen und die Ver­dauung zu befördern. — Adstringirende Mittel, starke Säuren und saure Salze soll man dagegen nicht mit der Gallerte verbinden, weil dieselbe unauflöslich niedergeschlagen und unverdaulich ge­macht wird, jene Mittel aber zum Theil zersetzt werden. — Bei Ver­giftungen durch Sublimat soll Gallerte oder Leim mit conzentrirtem Seifenwasser abgerieben theils den Sublimat zersetzen, theils seine Wirkungen beschränken.
Die Gabe der Gallerte und der Fleischbrühe lässt sich nicht in jedem Falle ganz genau abmessen, besonders wenn man diese Mit­tel in Hüssiger Form den Thieren zum freiwilligen Genuss über-lässt. Es kommt aber auch auf etwas mehr oder weniger dabei nicht au. Die Art, Grosse und das Alter der Thiere, so wie die Art und der Grad der vorhandenen Krankheit müssen dabei leiten. Bei langwierigen Krankheiten, bei sehr geschwächter Verdauung und bei grosser Neigung zum Erbrechen giebt man kleine Portio­nen, aber oft wiederholt; bei gutem Appetit, bei regelmässiger Ver­dauung und bei grossem Säfteverlust kann man grössere Gaben auf einmal reichen.
Aeusserlich könnte man die Gallerte wie das Eiweis gebrau­chen; sie vertrocknet aber wie dieses bald zu einer spröden Kruste und wird deshalb selten benutzt. Der Leim kann dagegen, wenn er mit wenig Wasser gekocht ist, als klebendes, festhaltendes Ver-baudmittel, z. B. bei Brüchen des Hornfortsatzes der Wiederkäuer zur festen Verschliessung der Oeffnung in dem Horn und zur Be­festigung des dariibergelegten Verbandes dienen-, indem man so­wohl den glatt abgesägton Hornstumpf wie auch die Leinewand,
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welche denselben bedecken soll, mit warmem Leim guf bestreicht, die letztere auflegt und fest bindet.
Zweite Abtheilnng.
Schleim-und gummihaltige Mittel {Hledicamenta mucilaginosa et gunimosd).
sect;• 149.
Schleim {Mucus, Mneilago), aus Koblenstoff, Wasserstoff und Sauerstoff bestehend, ist ein im Pflanzenreich allgemein verbreiteter Stoff, der aber in manchen Pflanzen (besonders aus der Familie der Malvaceeu) und in einzelnen Theilen derselben, in den Samen, in den Blättern, Wurzeln u. s. w. sehr reichlich angehiiuft ist. Er kann aus ihnen mehrentheils nur mit Wasser ausgezogen werden, ist aber in demselben fast unauflöslich, und er erweicht daher nur in ihm und mengt sich mit ihm, je nach der Quantität, zu einer bald mehr bald weniger klebrigen Flüssigkeit oder zum Brei. — Ihm sehr ähn­lich ist das Gummi (Gummi), welches auch aus Kohlenstoff, Was­serstoff und Sauerstoft' gebildet ist und im aufgelösten Zustande in den Zellen mancher Pflanzen, oder in grossen Gummigängen enthalten ist und durch Risse oder Einschnitte aus den Pflanzen schwitzt. Es ist oft mit Pflanzenschleim, mit färbenden Stoffen u. dergl. gemengt. Von dem Pflanzenschleim unterscheidet es sich hauptsächlich dadurch, dass es sich in kaltem und in kochendem Wasser gleichmässig leicht auflöst, während der Schleim in erste-rem sich nur erweicht und aufblähet, in dem letztem aber nur un­vollständig sich löst. — Mit dem Gummi völlig übereinstimmend ist das Dextrin, welches aus Stärke oder PQanzenzellstoff durch Diastase oder durch verdünnte Schwefelsäure gebildet werden kann.
Das Gummi findet sich im Gummi arabicum ziemlich rein, der Pflanzenschleim kommt wenig rein, sondern in Verbindung mit an­dern Stoffen, mit Gummi, Eiweis u. s. w. vor. Hinsichtlich ihrer Wirkung auf den Thierkörper kommen beide im Wesentlichen mit einander iiberein. Die feinen Unterschiede, welche die Chemie zwi­schen dem aus verschiedenen Pflanzen gewonnenen Schleim und Gummi gefunden, sind für die Therapie wenig bedeutend. Wich­tiger ist es, dass der Schleim in manchen hierher gehörigen Mit­teln allein vorhanden, in andern aber mit Fetten, Oel und andern Stoffen verbunden ist.
Die schleimigen Mittel wirken unter allen andern Mitteln die-
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ser Klasse am wenigsten nährend, aber am meisten einhüllend, deckend, reizmildernd und erschlaffend. Sie sind daher überall bei iibermässig erhöheter Lebensäusserung, bei Entziindnngen, krampf­haften Contractionen der Fasern, bei zu grosser Empfk'dlichkeit, auch zum Ersatz des mangelnden Schleims an schleimabsoLdernden Flächen und zur Einhüllung fremder Körper und scharfer Stoffe angezeigt.
Ausserdem benutzt man sie noch zum Bestreichen der Hände und Instrumente, wenn man dieselben in den After u. s. w. ein­führen will, und pharmazeutisch dienen die schleimigen Mittel als die geeignetsten Bindemittel bei der Bereitung der Pillen und Lat­wergen, vorzüglich aber der Emulsionen, zur Einhüllung scharfer Stoffe und um im Wasser unlösliche Stoffe mit demselben zu ver­binden.
Sie müssen dagegen vermieden werden, wo örtliche oder all­gemeine Schwäche, Erschlaffung, Reizlosigkeit, wo üppige Granu­lation und zu reichliche Eiterbildung besteht. Auch dürfen sie in­nerlich immer nur durch kurze Zeit angewendet werden, weil sie bei fortgesetztem Gebrauch die Verdauungsemgeweide zu sehr er­schlaffen und schwächen.
1. Arabisches Gummi, Gummi arabicum s. Mimosne.
sect;. 150.
Das arabische Gummi, welches 97 pr. C. Gummi (Arabin oder Akazin genannt) enthält, löst sich sehr leicht im Wasser auf und bildet mit demselben einen reinen, durchsichtigen, zähen Schleim, welcher bei 3—4 Th. Wasser zu 1 Tb. Gummi die Consistenz des Syrups besitzt.
Es nährt für sich allein gegeben fast gar nicht. Hunde, welche Magendie blos mit arabischem Gummi fütterte, magerten schon in der zweiten Woche bedeutend ab, verfielen in Marasmus und starben nach 30 Tagen.
Das Gummi kann in allen Fällen gebraucht werden, wo schlei­mige Mittel überhaupt passen; indessen benutzt man es doch vor­züglich nur für kleine Hausthiere, weil es für die grosseu durch die nöthigen grossen Gaben zu theuer wird und durch inländische, wohlfeilere Mittel, z. B. Altheewurzel und Leinsamen recht gut zu ersetzen ist. — Bei Magen- und Darmentzündungen, bei Nieren­entzündungen und bei Strangurie, so wie bei Lungenentzündungen und bei schmerzhaftem Husten, bei Durchfällen und Ruhr mit Hei­zung des Darmkanals gehört es mit zu den wirksamsten Heilmit­teln. Auch zersetzt es den Sublimat und andere Quecksilbersalze
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und Eisensalze, und ist theils deshalb, theils seiner einhüllenden und schützenden Wirkung wegen, bei Vergiftungen durch solche Mineralpräparate mit Vortheil anzuwenden. Die chemisch zerset­zende Einwirkung auf die Mctalisalze ist aber viel schwächer als von dem Eiweis und von dem Quittenschleim.
Man giebt es ausgewachsenen Pferden und Rindern zu einer bis zwei Unzen, Kälbern, Füllen, Schafen, Ziegen und Schweinen zu einer halben Unze, Hunden zu fünfzehn Gran bis zwei Drach­men. Die flüssige Form ist die zweckmässigste; doch verlangt das Gummi weniger Wasser als die übrigen schleimigen Mittel. Es wird bei den verschiedenen Kraukheitszuständen bald rein, bald mit passenden andern Mitteln verbunden gegeben, z. B. bei Lun­genentzündung und Husten mit Blausäure, mit Bilsenkraut Infusum oder mit dergl. Extrakt, bei Durchfall mit Opium, mit Rhabarber und dergl.*)
Eine Auflösung von arabischem Gummi in Wasser (bei Pfer­den 2 Drachmen bis 1 Unze in 2—3i Unzen Wasser, bei Hunden 2—4 Scrupel in 2 Drachmen bis ^ Unze Wasser) in die Drossel­vene injizirt, verursacht beschwerliches Atbmen, Erstickungszufalle, Schwindel, grosse Entkräftimg, Convulsioneu und in mehreren Fäl­len den Tod, und zwar letztern entweder schnell oder auch erst nach einigen Tagen (Scheele, Transfusion; und meine Versuche in Dieffenbach: die Transfusion des Blutes etc. Berlin 1828. S.49.).
Aeusserlich wird es fast gar nicht angewendet; es ist aber bei trockenen, schmerzhaften Augenentzündungen zu Augenwässern sehr gut zu benutzen (1 Tb. auf )2 Tb. Wasser colirt). Mit glei­chen Theilen Alaun und Eisenvitriol bildet, es ein, zwar in chemi­scher Hinsicht nicht ganz richtig zusammengesetztes, aber doch wirksames styptisches Pulver gegen parenchymafose Blutungen. Eben so wirksam für diesen Zweck ist ein Gemenge von fein pul-verisirtem arabischen Gummi und Holzkohle ä 1 Th., und Colofo-nium 2 Th.
2. Kirschgummi, Gummi Cerasorum. Pflaumengummi, Gummi Prunorum,
sect;• 151. Beide inländische Gummiarten sind zwar nicht so rein wie das arabische, kommen ihm aber fast ganz gleich und können als wohl­feile Surrogate anstatt desselben und wie dieses benutzt wer-
*) Siatt des arjbisclien Gummi dürfio das in neuerer Zeil entdeckte, viel wohlfeilere Dexlrin (Jj, ICj.) zum innen Gebrauche dienen können.
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den. Ihre vollständige Auflösung geschieht jedoch nur mit heissein Wasser.
(Das Traganthgurnmi, G. Tragacanthae, enthält ausser einem eigenthümlichen Gummi noch Schleim und etwas Stärkemehl, — gieht zwar einen mehr consistenten Schleim als das arabische Gummi, ist aber ganz zu entbehren.)
3. Quittensamen, Quittenkerne, Semina Cydoniorum.
sect;. 152.
Sie enthalten in ihrer dünnen, äussern Haut sehr reichlich Schleim, der sich durch Einweichen der Samen in kaltem und war­mem Wasser und durch starkes Schütteln mit demselben, leicht und so vollständig auflöst, dass er durch Papier fütrirt werden kann. 1 Theil Samen macht 40 Theile Wasser bei anhaltendem Schütteln ziemlich schleimig, und beim Kochen werden 48 Theile Wasser mit l Theil Samen eben so schleimig, wie gleiche Theile Wasser und arabisches Gummi. Dieser Schleim hat einen geringen Antheil von Eiweis und adstringirendem Princip, und wirkt zer­setzend auf die meisten Salze, besonders auf essigsaures Blei, Subli­mat, Vitriole, und er selbst wird von diesen Mitteln und von Säu­ren zum Gerinnen gebracht, und vom Weingeist in weissen Flok-ken niedergeschlagen.
Die Wirkungen des Quittenschleims sind gleich denen der vo­rigen Mittel. Seine innerliche Anwendung ist in der Thierarznei-kunde nicht gebräuchlich, und die äussere ist iäst nur auf schmerz­hafte katarrhalische, rheumatische und andere Augenentzündungen beschränkt. Man wendet ihn hierbei gewöhnlich rein an, indem man 1 bis quot;2 Quentchen mit 1 Pfund kalten Flusswassers schütteln und durchseihen lässt, und mit der klaren Flüssigkeit die Augen alle Stunden befeuchtet; oft setzt man aber auch narkotische Mittel, Opium und dergl., oder selbst Bl^iessig oder Bleizucker hinzu. Letz­teres ist nach dem Vorstehenden wohl nicht chemisch richtig; man­che Praktiker behaupten jedoch, dass die Erfahrung die gute Wir­kung solcher Augenwässer häufig bestätiget habe. Es ist aber zweckmässiger, wenn man die Anwendung solcher Bleimittel oder der Vitriole neben dem schleimigen Mittel für durchaus nüthig hält, das arabische Gummi statt des Quittenschleims zu benutzen, weil ersteres weniger und langsamer zersetzend wirkt.
4. Leinsamen, Semen Lini.
sect;. 153. Die äussere Schale der Leinsamen enthält gegen % des gan­zen Gewichts dieser Samen an Schleim (in Verbindung mit etwas
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Stärkemehl, Wachs und andern Stoßen), so dass 1 Theil unzer-stossener Samen 16 Theile darauf gegossenes kochendes Wasser in einen ziemlich dicklichen, fadenziehenden Schleim verwandelt; der innere Kern enthält dagegen } fettes Oel in Verbindung mit vielem Eiweis, mit Gummi, Kleber u. s. w. Zerstossene Samen bilden da her mit kochendem Wasser eine wirkliche Emulsion, indem hier aussei- dem Schleim auch das Oel ausgezogen wird und im Was­ser suspendirt bleibt. — Der Leinsamen kommt daher sowohl sei­ner schleimigen Theile, wie auch seines Oels wegen in Betrachtung (letzteres in der öten Ahtheilung dieser Klasse, sect;. 197.).
Die Wirkungen des reinen Leinsamenschleims, wie man ihn aus der Schale der ganzen Samen erhält-, sind so wie bei den vor­hergenannten Mitteln, und eben so sind die Anzeigen und Gegen­anzeigen bei seinem Gebrauch dieselben wie sie im Allgemeinen angegeben sind.
Man gebraucht ihn daher innerlich gegen Entzündung des Ma­gens, des Dannkanals, der Nieren, der Blase, des Halses und der Lunge; gegen Vergiftungen mit scharfen, ätzenden Stoffen; gegen schmerzhafte Krämpfe in den Baucheingeweiden; bei Durchfall, — und äusserlich bei schmerzhaften Entzündungen, Verbrennungen und Wunden, bei Anätzungen, bei heftiger Reizung durch unge­schickte oder unzweckmässige Anwendung scharfer Stoffe u. dergl. (sect;. 133.).
Man bereitet diesen Schleim, indem man 1 Th. Leinsamen mit l(i bis 20 Th. kochenden Wassers übergiesst, oder mit eben so viel Wasser kocht und dann die Flüssigkeit durchseihet, — Seine An­wendung geschieht nur in flüssiger Form, innerlich als Einguss, oder als Einspritzung in den Mastdarm, in die Scheide u. s. w., äusserlich als Bähung und Waschung; bei grosser Wärme des lei­denden Theils oder des ganzen Thieres wendet man den Schleim kalt, sonst aber gewöhnlich lauwarm an. Pferde und Rinder er­halten davon 2 — 3 Pfund, Schafe, Ziegen und Schweine 1 —1| Pfund, Hunde -jl. —1 Pfund, und Katzen 1 — 2 Unzen auf einmal, nach Verhäitniss der Zufalle jede halbe bis ganze Stunde wieder­holt. Zum innerlichen Gebrauch versetzt man ihn bei Entzündung der Eingeweide und bei Verstopfung des Leibes mit Oel, oder auch mit abführenden und kühlenden Salzen: sonst aber wendet man ihn am besten rein an.
sect;. 154.
Der pulverisirte Leinsamen oder das Leinsamenmehl (Puhis oder Farina Seminum Lini) enthält die sämmtlichen Be-standtheile dieser Samen, und wirkt vermöge des fetten Oels noch mehr erschlaffend und erweichend als der blosse SchleiiB,~erschlafft
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aber bei fortgesetzter Anwendung die Verdauungseingeweide oft zu sehr und erzeugt Unverdaulichkeit. — Mit '20 bis 24 Theilen Wasser gelinde gekocht, giebt es eine schleimig-fettige Flüssigkeit von ziemlich dicker Coi.'sistenz, die innerlich und Uusserbch ganz wie der reine Lcinsamenschleim zu benutzen ist. Mit wenigerem Wasser oder auch mit Milch bereitet man durch blosses Uebergies-sen und Zusaminenriihren oder durch gelindes Kochen einen Brei, den man zu Umschlägen auf entzündete, schmerzhafte und verhär­tete Theilc lauwarm anwendet, um zu erweichen, Spannung und Schmerzen zu mildern, vorzüglich aber um die Eiterung zu beför­dern. Ein solcher Brei ist ziemlich derb, erhält die Wärme und Feuchtigkeit lange gebunden und wirkt zum Theil eben dadurch recht wohlthätig; er wirkt aber auch zuweilen durch seine Consi-stenz und Schwere auf die schmerzhaften Theilc drückend und be­lästigend. Um letzteres zu mindern, setzt man dem Leinsamenmehl gleiche Theile Malvenkraut, oder Althäenkraut, oder Kleie zu.
sect;. 155. Die Leinkuchen [Placenta Seminum Lini) sind der, nach dem Auspressen des Oels aus dem Leinsamen verbleibende Rück­stand. Sie enthalten also, nebst den trockenen Schalen dieser Sa­men, die schleimigen und eiweisartigen Bestandtheile und, je nach­dem das Auspressen mehr oder weniger vollständig geschehen ist, auch noch etwas Oel. Mit der Zeit und bei dem Aufbewahren an leuchten Orten verändert sich ihre Beschaffenheit, und besonders werden sie leicht ranzig oder schimmlich. — Die Wirkung der gu­ten Leinkuchen ist innerlich und üusserlich der des Leinsamenmehls sehr ähnlich; sie sind jedoch, innerlich augewendet, weniger er­schlaffend, aber etwas leichter verdaulich und mehr nährend als das letztere. Hiermit ist aber nicht gesagt, dass sie leichtverdau­lich und in dieser Hinsicht als Nahrungsmittel zu empfehlen sind, obgleich sie als solches von Landwirtheu und andern Thierbesitzern für gesunde und kranke Thiere sehr häufig benutzt, und, theils grob zerstosseu, und mit anderm Futter gemengt, theils im Wasser aufgelöst, als Trank gegeben werden. Gesunde Thiere mit kräf-gen Verdauungseingeweiden ertragen sie gut; aber von dem an­haltenden Gehratich erhalten Pferde ein schlaffes, aufgedunsenes fleisch, bei Kühen soll die Milch einen öligen, widrigen Geschmack bekommen, hei Schweinen der Speck ölig und leicht ranzig, und bei Schafen das Fleisch von ähnlicher Beschaffenheit werden. — Als diätetisches Heilmittel sollten sie nur hei solchen Krankheitszu-stiinden, die mit vermehrter Reizbarkeit verbunden sind, und wo schleimige Mittel überhaupt passen, wie z. B. bei Bräune, bei dem Maulweh. bei und nach Entzündungen innerer Organe augewendet
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werden. Bei schwacher, träger Verdauung, hei Verschleimung und Würmern ist die Fütterung der Leinkuchen stets nachtheilig, und eben so können sie im verdorbenen Zustande selbst bei ganz ge­sunden Thieren schädliche Wirkungen veranlassen,')
Am zweckmässigsten werden die Leinkuchen äusserlich, pul-verisirt und mit Wasser oder Milch gekocht, thcils zu schleimigen Waschungen, theils zu Breiumschlägen, ganz so wie der Leinsa­menschleim und wie das Leiusamenmehl, angewendet. Leinkuchen­brei wird jedoch bei dem nöthigen oftmaligen Erwärmen sehr bald sauer und stinkend, und muss deshalb bei fortgesetzter Anwendung alle 24 Stunden frisch bereitet werden.
5. Bockshornsamen, Semen Foeni graeci.
g. 156. Er besitzt fast eben so viel Schleim, wie der Leinsamen, so dass er, mit heissem Wasser ausgezogen, an l(i bis 18 Theile des­selben ziemlich schleimig macht. Ausscrdem enthält er etwas fet­tes und ätherisches Ocl, welches letztere sich durch einen süsslichen, dem Steinklee ähnlichen Geruch zu erkennen giebt, nebst ein wenig bitterm ExtraktivstofF und eisengrünendem GerbestofiF. — Die Wir­kung dieser Samen ist wie bei den schleimigen Mitteln überhaupt, und die genannten andern Bestandtheile kommen dabei kaum in Betracht; doch bedingen dieselben eine geringere Erschlaffung der Verdauungseingeweide als die rein schleimigen Mittel. — Man kann die Bockshornsamen innerlich und äusserlich wie Leiusamenschleim und Leiusamenmehl anwenden, aber auch durch dieses in den mei­sten Fällen entbehrlich machen. Dennoch benutze ich sie oft als einen sehr passenden Zusatz zu andern, mehr wirksamen Mitteln, zur Bildung der nöthigen Latwergen-Masse, bei schmerzhaften Lun­gen-Entzündungen, bei dergl. katarrhalischen Leiden u. s. w., so lange der Husten noch kurz und trocken ist. Ehedem wurden sie häufiger als jetzt benutzt, besonders gegen Druse, und es ist nicht zu läugnen, dass durch ihre Anwendung bei schmerzhaftem, trock-nem Husten, und überhaupt so lange ein gereizter Zustand beiden katarrhalischen Krankheiten besteht, gewiss mehr genutzt und we­niger geschadet wird, als durch die beliebten Drusenpulver, welche
*) Im verdorbenen, besonders im ranzigen Zustande, wirkt der Lein­kuchen innerlich zuweilen sogar wie ein scharfes und reizendes Mittel. Ich kenne einen Fall, wo 9 Kühe zugleich durch leiehlichen Genuss sol­cher Leinkuchen Magen- und Darmentzündung bekamen und 3 davon starben, — Aehnliche Nachlheile bat man in mehreren Fällen von dem Füllern der Rübsamen-Oelkuchen beobachlel,
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mehrentheils aus stark reizenden Mitteln zusammengesetzt sind, und erst in einem spätem Zeitraum der Krankheit niitzlith sein können.
G. Mühlisamen, Semen Pupaveris a!lti et nlgri.*)
sect;• 157. Die schieimigen Theile sind hier mit fettem, sehr mildem Oel verbunden. Die erstem lassen sich nicht so wie bei den vorher bezeichneten Mitteln, durch Uebergiessen oder Kochen, sondern nur durch Zerreiben der Samen mit Wasser ausziehen und bilden dann mit den öligen zugleich die Mohnsainenmilch {Bmulslo Papaveris). — Diese Pflanzenmilch wirkt ausgezeichnet erschlaffend, reizmil-demd und kühlend, und ist daher innerlich bei allen Hausthieren gegen krampfhafte und entzündliche Krankheitszustände, nament­lich gegen Koliken zu benutzen, um so mehr, da der Mohnsamen eben so wie der Leinsamen, auf dem Lande häufig als Hausmittel zu haben ist. Man bereitet sie, indem man 1 Theil Mohnsamen mit 8 Theilen kalten Wassers in einem Mörser recht gut zerreibt, und dann die Flüssigkeit durch Leinwand seihet. — Bei heftiger Entzündung setzt man ihr Salze, besonders den Salpeter, auch Oel u. a. Mittel zu. Die Gabe ist für Pferde und Rinder 2—4 Pfund, für Schafe, Ziegen und Schweine 1 Pfund, Hunde und Katzen nach Verhältniss der Grosse 1 Pfund bis herab auf -J.,- Pfund.
7. Hanfsamen, Semen Cannabh.
sect;• 158.
Die Hanfsamen enthalten mehr Schleim als die Mohnsamen, aber ebenfalls mit fettem Oel und ausserdem noch mit einem schwer riechenden, etwas betäubenden Stoff verbunden. Man benutzt sie am besten in einer Emulsion, die man durch Zerreiben der Samen mit kaltem Wasser (1 Theil zu 10—12 Theilen) bereitet, weniger zweckmässig in einer Abkochung mit 15—20 Th. Wasser. — Die Wirkung ist ganz ähnlich der der Mohnsamenmilch, aber beson­ders wohlthätig auf die Harn- und Geschlechtsorgane, wenn diesel­ben sich in einem krampfhaften, gereizten oder schmerzhaft entzün­deten Zustande befinden; auch bei zu grosser Aufregung des Ge schlechtstriebes und zur Verhütung derselben. Ich habe sie hier mit kühlenden Salzen, mit Oel oder auch mit Kampher verbunden, oft mit dem besten Erfolge angewendet, und besonders in Verbin-
') MohnkOpfc, siehe bei Opium.
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dung mit eiern letztern bei schmerzhaften Reizungen der Nieren und der Blase durch Canthariden. — Die Gabe ist wie bei der Mohnsamenmilch. — Aeusscrlich kann man die Hanfsamen wie die Leinsamen benutzen.
6. Eibisch- oder Altheewurzel und Eibisch- oder Althee-krailt, Radix et IJerba Althaeae.
g. 159. A) Die Eibischwurzel enthält gegen 30 pr. C. reinen, in kal­tem Wasser löslichen Schleim, eben so viel Stärkemehl, etwas Zuk-ker und Gummi, und eine eigenthümliche, stickstoffhaltige Substanz (Aiparagln, Althuein), welche durch Alkalien in eine Säure (Aspa-ragin-Säure) umgewandelt werden kann. Wegen des Vorbanden­seins des Stärkemehls giebt die Wurzel beim Kochen mit Wasser eine viel consistentere, schleimige Flüssigkeit als bei der Behand­lung mit kaltem Wasser. — Die Wirkung der Eibischwurzel ist ganz übereinstimmend mit der Wirkung der schleimigen Mittel überhaupt. Sie nährt mehr als Gummi, steht aber in dieser Wir­kung dem Leinsamen nach; daher ist ihre Anwendung bei Entzün-duugskraukheiten nicht uachtheilig, wie manche Thierärzte dies glauben. Man kann sie als einhüllendes, erschlaffendes, reiz- und schmerzmilderndes Mittel überall benutzen, wo die schleimigen Mit­tel überhaupt angezeigt und nützlich sind. — Die Anwendung ge­schieht im Dekukt, innerlich als Einguss oder Einspritzung und als Klystier, äusserlicb als Waschung, auch als Augenwasser. Das Dekokt wird bereitet, indem man 1 Theil von der pulverisirten oder klein zerschnittenen Wurzel mit 20—30 Theilen Wassers bis auf die Hälfte einkochen, — oder, bei grosser Eile, t Tb. des Pulvers mit 12—20 Tb. Wassers nur durch einige Minuten tüchtig schütteln lässt. Die Gabe des Dekokts ist wie hei dein Leinsamenschleim. Nach Erfordern der Umstände wird es mit andern Mitteln versetzt, und oft dient es nur zur Einhüllung derselben, z. B. des Terpen­tinöls, des stinkenden Thieröls, des Kamphers, der Säuren, der Me­tallsalze u. dergl. Von den letztern zersetzt der Altheeschleim meh­rere, jedoch in einem etwas geringeren Grade als Quittenschleim und arabisches Gummi, und er hat daher zuweilen vor diesen den Vorzug, wenn mau Metallsalze mit schleimigen Mitteln verbunden, in Anwendung bringen will, wie z. B. den Bleizucker bei Augen-entzündungen, bei schmerzhaften Gallen u. s. w. Mit den Gummi­harzen verbindet sich der Altheeschleim durch Reiben recht gut, und kann daher bei der Bereitung der Emulsionen aus diesen Mit­teln das arabische Gummi und das Eigelb ersetzen.
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Ausserdem benutzt man die pulverisirte Aitheewurzel als ein
zweckmiissiges Bindemittel fiir andere Arzueisubstanzeu bei derBe-reitung der Latwergen und Pillen. Sie hat vor den sonst hierzu gebräuchlicheu süssen Saiten (dem Honig, Syrnp u. a.) den Vor­zug, dass sie wohlfeiler ist, hesser bindet und dass die Latwergen nicht so leicht in Gahrung und Verderhniss Übergehen, als wenn sie mit diesen Mitteln hereitet sind. Auch vor dorn Mehl verdient sie in diese.- Hinsicht fast allgemein (aber nicht zum Binden des Chlorkalkes in Latwergen und Pillen) den Vorzug, weil dasselbe Immer schmierige Latwergen macht, die sich nicht gut eingehen lassen, und die leicht in Gährung übergehen. Dagegen habe ich oit bemerkt, dass Pillen, welche mit vielem Altheewurzelpulver he­reitet sind, sich im Magen sehr langsam und unvollständig auf­lösen. Man darf daher bei ihnen und hei Latwergen nur so viel von diesem Pulver nehmen, als eben zur Bindung nöthig ist, näm­lich nur etwa 1 his 1| Unze zu I Pfund anderer Pulver, oder 2 bis 3 Unzen, wenn Salze in ganzen Pfunden zu Latwergen oder Pillen genommen werden.
B) Das Eibisch- oder Altheekraut enthalt einen ähnlichen Schleim wie die Wurzel, jedoch nur die Hälfte der Menge, und ohne die andern Bestandtheile derselben. Man kann es wie die letztere und wie alle schleimige Mittel anwenden; benutzt es aber mehreutheils nur äusserlich, mit Wasser gekocht zu Breiumschlä­gen, oder das blosse Dekokt zu Waschungen, zu Klystieren und andern Einspritzungen. Oft wird es mit Leinsamenmehl, mit Lein­kuchen, oder auch mit Bilsenkraut u. s. w. angewendet. Diese Brei­umschläge haben vor denen, die aus Leinsamen oder Leinkuchen allein bestehen, den Vorzug, dass sie bei gleichem Umfange der Masse viel leichter sind und deshalb weniger belästigen. —#9632; Das Altheekraut ist durch das wohlfeilere Malvenkraut völlig zu ersetzen, und die Althee-Blumen sind ganz entbehrlich. — Als Präparat be­stand ehemals die Altheesalbe (Ungtienlum Allhaeae), ein Gemenge aus dickem Althee-, Leinsamen- und Bockshornsamenschleim (zus. 2 Quart), ungesalzener Butter 5 Pfund, Wachs 4 Unzen und Cur-kuinawurzel 1 Unze. Sie wirkte im frischen Zustande erschlaffend, wie einfaches Fett, wurde aber bald ranzig, ist deshalb in den neuern Pharmakopüen weggelassen und dafür das Ung.Jlavum (jetzt Ung. Resinae Pini Burgnudicae) an die Stelle gesetzt. Diese Harzsalben haben aber mit der Altheesalbe keine Aelmlichkeit und ihre Wir­kung ist viel reizender. Siehe IV. Klasse, Burgunderharz, Uebri-gens ist die Altheesalbe auch gut zu entbehren.
#9632;
Heriwiff Arznoimittellebre.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; |()
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9, Schwarzwurzel, Radix Consolidae majoris s. Rad. Stfmphyii.
sect;. 160.
Sie enthält noch mehr Schleim als die Altheewurzel (nämlich | ihres Gewichts); derselbe ist aher mit etwas Stärkemehl (Eiweis?), Zucker und eisengrüneiulem Gerbestoff' verbunden, und die Wurzel reihet sich deshalb auch in ihren Wirkungen den schleiinig-adstringi-renden Mitteln an. Sie ist namentlich einhüllend, reizmildernd, gelind nährend, zusammenziehend und stärkend. Durch die beiden letz­tern Eigenschaften unterscheidet sie sich von der Altheewurzel, dem Leinsamen und den meisten übrigen schleimigen Mitteln (mit Aus­nahme einiger Malvenarten). Ihre Anwendung ist bei denselben Krankheiten zu empfehlen, wo die schleimigen Mittel überhaupt ge­braucht werden; doch passt sie nicht bei ächten, sthenischen Entzün­dungen, und besonders nicht bei Entzündungskoliken; — wenigstens verdienen hierbei die rein schleimigen Mittel den Vorzug. Dagegen ist sie bei asthenischen schmerzhaften Entzündungen, bei dergl. Blntharnen, besonders in den ersten Stadien und bei heftigem, rubr-artigem Durchfall ein ganz vortreffliches Mittel, welches sich eben so sehr durch seine Wirksamkeit, wie durch seine Wohlfeilheii und ilass es fast überall zu haben ist, zum thierärztlichen Gebranch empfiehlt.
Die Gabe ist für Pferde und Rinder 1 bis 2 Unzen, für Schafe, Ziegen und Schweine sect; bis 1 Unze, für Katzen und Hunde -£- bis 2 Drachmen, alle Stunden, oder bei weniger dringenden Zufällen alle 2 bis 3 Stunden wiederholt.
Man wendet sie in Abkochungen an, die man aus 1 Theil Schwarzwurzel und 10 bis 15 Thcilen Wasser, bis zur Hälfte ein­gekocht, bereitet, und nach Erfordern der Umstände noch mit an­dern passenden Mitteln, z. B. bei Durchfällen und gleichzeitigen krampfhaften Schmerzen im Darmkanal mit Chamillen, mit Opium und dergl. versetzt. Schafe sollen das Dekokt freiwillig und gern saufen.
Aeusserlich wirkt die gepulverte Wurzel bei Blutungen aus kleinen Gelassen blutstillend, theils indem es die Bildung einer Kru­ste befördert, theils indem es in den Gefässen und Fasern die Zu-sammenziehung gelind vermehrt. — Das Dekokt wirkt bei Quet­schungen zertheilend und schmerzstillend; es mindert in Wunden und Geschwüren die zu sehr erhöhete Reizbarkeit und dadurch auch die Neigung zum Jucken; es bessert und vermindert die zu reich­liche und zu dünne Eiterung, verdichtet etwas die Granulation und befördert somit die Heilung. Die Wurzel wurde deshalb in frühem
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Zeiten als eins der wichtigsten Wundheilmittel betrachtet und sehr häufig gebraucht.*)
Auch kann man die Schwarzwurzel wie die Altheewurzel als Bindemittel bei der Bereitung der Latwergen und Pillen benutzen.
10. Kletten Wurzel, Radh- Bardanae.
sect;. 161,
Der Schleim ist in dieser Wurzel in geringerer Menge als in der vorigen, und zugleich mit Stärkemehl und mit etwas bitterm Harze enthalten. Sie wirkt auf die Verdauungseingeweide kaum bemerkbar, weder so erschlaffend wie die übrigen schleimigen Mit­tel, noch reizend; dagegen äussert sie auf die Nieren eine erregende Wirkung und vermehrt die Urinabsonderung, jedoch auf eine viel mildere Weise als die harzigen und scharfen Mittel. Die allen Thierärzte wendeten sie innerlich bei Hautkrankheiten, namentlich bei Flechten und beim Jucken der Haut, eben so bei Steinbeschwer­den und bei Catarrh und Husten der sämmtlichen Hausthiere an; jetzt ist sie aber fast ganz aus dein Gebrauch gekommen und wird nur noch äusserlich zum Waschen bei Flechten, bei juckender Haut und beim Ausgehen der Haare, daher besonders bei dem sogenann­ten Rattenschweif der Pferde benutzt, um das Wachsen der neuen Haare zu befördern.
Die Gabe ist zur Innern Anwendung wie bei der Schwarz­wurzel.
Man benutzt sie innerlich und äusserlich am besten in einer Abkochung, die man aus 1 Theil Wurzel und J2 Theilen Wasser oder Bier, bis zur Hälfte eingekocht, bereitet.
Die frischen Klettenblätter und der aus ihnen und aus der Wur­zel gepresste Saft, besitzen ähnliche Kräfte und werden hin und wieder von den Landleuten hei Verbrennungen, bei Verwundungen und Geschwüren mit gutem Erfolge äusserlich angewendet.
11. Malvenkraut, Ilerba Mahne.
sect;. 162. Die verschiedenen Malven (namentlich die rundblätterige, M. roliindifoliu, und die Wald- oder wilde Malve, M. silvestris) enthal­ten in der ganzen Pflanze, vorzüglich aber in den Blättern, eine
*) Man schrieb ihr ehedem fast wnnderbar heilende und vernar­bende Krtifte zu, und erlheilte ihr davon auch im Lnleinlschen den Na­men Gonsolida mid im Deutschen den Namen Beinwell.
10*
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ziemliche Menge Schleim, der aber in der nmdblätterigen Malve mit etwas zusammenziehendem Stoff' verbunden ist. -r- Die Wir­kungen des Malveukrautes sind denen des Altheekrautes i'ast gleich, nähern sich aber denen der Schwarzwurzel etwas. — Man kann es daher ganz wie das Altbeekraut bei Angenentzündungen, bei Bräune, Catarrh, Lungenentzündung, Magen- und Darmentzündung, Diarrhöe, bei schmerzhaften Quetschungen, bei dergL Gallen, bei eben solcher Mauke u. s. w. benutzen; es hat aber vor diesem noch den Vorzug, dass es überall wildwachsend, leicht zu haben und viel wohlfeiler ist. Es eignet sich deshalb auch besonders zum äusserlichen Gebrauch, wo es sowohl als Dekokt (4—1 Unze zu 8 bis 12 Unzen Colatur) zu Waschungen, warmen Bähungen, Ein­spritzungen, wie auch als Brei zu Umschlügen verwendet wird.
Die Gabe und Verbindung ist gleichfalls wie bei dem Althee-kraut.
Die Malvenblumen enthalten ausser dem Schleim etwas farbi­gen Extraktivstoff, wirken schwächer als das Kraut, und sind gänz­lich zu entbehren.
12. Wollkraut (und Blumen), llerha ei Flores l'erba.ici.
sect;. 163.
Die Blätter des Wollkrauts besitzen ziemlich reinen Schleim, die Bliithen etwas fettes Oel, Schleimzucker und einige andere Be-sfandtheile in geringer Menge.
a)nbsp; Die erstem können als ein sehr wohlfeiles Ersatzmittel für Leinsamen, Altbeekraut u, s. w., besonders zum äusserlichen Ge­brauch dienen, wo sie im Dekokt oder als Breiumschlag angewen­det werden. Die Gabe und Verbindung mit andern Mitteln ist wie bei dem Altbeekraut.
b)nbsp; Die Wollkrautblumen wirken gelind erregend auf die Schleim­haut der Respirationsorgane, und befördern daselbst die Absonde­rungen. Sie sind gegen Catarrh und Husten, jedoch vorzüglich nur bei kleinen Hausthiereu und nur als wohlfeiles Hausmittel in Anwendung zu bringen, übrigens aber zu entbehren. — Man giebt fur Katzen und Hunde -j bis 1 Drachme, mit 8 Theilen heissen Wassers infundirt und gut durchgeseihet, täglich vier bis sechsmal.
Anmerkung. Mehrere andere schleimhaltige Mittel, wie z. B. der Flöhsamen (Sem. Psyllii), das Huflattigkraut (Uerbal'us-silagiufs), das Bärentraubenkraut und die Wurzel {Herba et
liadi-v Uramae iirsitt(ie), das Llingenkraut (llerha Palmonariae)
u. a. sind ganz entbehrlich. Dagegen kann man als wohlfeiles Hausmittel, besonders auf dem Lande, zuweilen denHinderkotb,
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Riudermist (Siercus bourn s. vacrarum) beauizeu. Derselbe ent­hält im frischen Zustande ausser andern üeberresten ii'a.s genosse­nen Futters auch eine Menge Pflanzenschleim, und zugleich thie-rischeu Schleim aus dem Darmkanal. Er wirkt sehr erweichend und kann zum äusserlichen Gebrauch überall angewendet werden, wu Breiumschläge von #9632;schleimigen Mitteln nöthig sind. Doch wird er fast nur allein zu Umschlügen auf Hufe und Klanen, bei Quet­schungen und Entzündungen, wie auch bei zu grosser Trockenheit und Sprödigkeii derselben, und bei zu geringem Wachsthum des Horns augewendet. Er erweicht hier das Horn, mindert die Hei­zung und Entzündung und trägr auch zur Beförderung der Eite­rung bei. — Man wendet ihn zuweilen mit dünnem Lehmbrei ge­mengt an. Er hat vor dem blossen Lehm den Vorzug, dass er länger feucht bleibt, mehr wirklich erweicht, und sich nicht in so harte Ballen unter der Sohle zusammenballt, wie jener. Er muss gewöhnlich durch längere Zeit fortgesetzt, aber täglich mit frischem gewechselt und oft mir kaltem Wasser begossen werden.
IP HMlaquo;' Ahtlieiliiiijs;.
Mehl- und stärkemehlhaltige Mittel {Mcdic. farinosa et
nmijlareii).
sect;. 164.
Das Mehl [Farina) findet sich als ein natürlicherBestandtheil In den Samen der frefraidearten, in vielen Hülsenfrüchten und in manchen Wurzeln und Knollen. Es besteht im Wesentlichen aus Stärkemehl oder Kraftmehl und Kleber in verschiedenem Ver-hältniss, und nebenbei aus Pllanzcneiweis, Schleim, Zucker und Ex­traktivstoff.
a) Das gemeine Stärkemehl (^Im^tun), aus Walzen, Ger­ste, Kartoffeln u. s. w. durch Erweichen, Kneten und Auswaschen dieser Materialien gewonnen und von dem Kleber geschieden, be­steht aus kleinen Körnchen, die im trockenen Zustande ein weisses Pulver darstellen, und ist gebildet aus Kohlenstoff, Wasserstoff und Sauerstoff. Es ist in kaltem Wasser wenig auf löslich, die Losung ist klar; mit wenig Wasser bildet es einen zähen, schleimigen Klei­ster und beim Kochen eine schleimige Flüssigkeit, welche nach dem Erkalten zu einem gallertartigen Kleister wird. Durch verdünnte Schwefelsäure wird es nach kurzer Zeit in eine gummiähnliche Sub-
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stanz, Dextrin, und bei liingeror Einwirkung in Stlirkezueker nm-gewaudeltj übrigens geben verdünnte Säuren mit Stärkemehl eine dünne Flüssigkeit, keinen Kleister. Conzentrirte Säuren verhalten sieh dagegen sehr verschieden, — was aber für unsern Zweck uhne Bedeutung ist. Aetz-Eali-Lauge wirkt auf Stärkemehl wie heisses Wasser; Kalk, Baryt, Bleioxyd geben mit ihm unlösliche Verbin­dungen. Auf die meisten Metallsalze verhält sieh Stärkemehl in different. Durch Jod in grüsserer Menge wird es schwarzblau, in geringerer Menge aber violet gefärbt, und Galläpfeltinktur macht aus Stärkeabkochung einen blassgelben Niederschlag. Alkohol, Aether, ätherische und fette Oele haben keine Wirkung auf das Stärkemehl.
Bei der Anwendung auf den Thierkörper wirkt das reine Stärke­mehl innerlich als ein mildes, leicht verdauliches Nahrungsmittel. Es wird hierbei durch den Verdauungsprozess höchst wahrschein­lich in Gummi (Dextrin) und Zucker umgeändert.*) Oertlich wirkt es, mit Wasser in Verbindung, erschlaffend, reizmildernd, wie die schleimigen Mittel; als Pulver wirkt es gelind austrocknend ohne zu reizen. Man benutzt es als ernährendes Mittel bei schon etwas geschwächter Verdauungskraft, wo es nicht so leicht die Beschwer­den wie das Mehl erregt; namentlich giebt man es hei dem Starr­krampf, bei Lähmungen, bei erschöpfenden Durchfällen u. s. w., entweder mit 12 bis 16 Theilen Wasser abgerührt, oder mit 20 bis 25 Theilen desselben gekocht, als Einguss oder als Klystier, oder auch in Latwergen und als Bissen. — Als Arzneimittel benutzt man es innerlich und äusserlich wegen seiner einhüllenden u, a. Wirkungen bei Entzündungen, Maulweh (g. 144. c), Anätzungen und dergl. statt der schleimigen Mittel, denen es aber bei Vergif­tungen mit Metallsalzen nachsteht, weil es diese Salze nicht zer­setzt oder unlöslich macht. Dennoch ist es gegen Sublimatvergif­tungen empfohlen. — Die Gabe ist für Pferde und Rinder 2 bis 4 Unzen, für Schafe, Ziegen und Schweine % bis 2 Unzen, für Hunde \ his 1 Unze täglich (i bis 8 mal. Zu Klystieren nimmt man für die grossen Thicre \ bis 1 ganze Unze, für die kleinen Thiere \ bis 2 Drachmen. Es wird auch als Bindemittel für andere Arznei­stoffe bei der Bereitung der Pillen und Latwergen, und zum Aus­füllen der Kastrirklnppen, oder vielmehr zur Aufnahme des in die Rinne derselben gebrachten Aetzmittels benutzt.
b) Der Kleber, Getraide- oder Waizenstoff {Gluten vegelabüe. Collraquo;, Phytocolla), enthält ausscr Kohlen-, Wasser- und Sauerstoff
) Tiedemann und Gmclln, die Verdauung nacli Ve;siiclien. Hei­delberg I82G. S. ISO u. f.
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auch Stickstoff, wird durch Auswaschen des Mehls dquot;r Gefraide-arten u. s. w. als Rückstand gewonnen, ist eine zähe, sfark kle-beude Masse, löst sich in kaltem Wasser sehr wenig auf, fault leicht und verhält sich dann dem faulen Käse ähnlich; auf mehrere Metallsalze wirkt er zersetzend: mit Stärkemehl und Wasser ge­mengt bildet er bei mittlerer Temperatur der Luft Dextrin und Zucker. Er ist daher in dem gewöhnlichen Mehl ein sehr nähren­der Bestandtheil, wird aber für sich allein nicht benutzt.
sect;• 1*55.
Das Mehl wirkt seinen Bestandtheilen entsprechend. Es wird hei innerlicher Anwendung von allen Thieren verdauet und nährt viel reichlicher und intensiv kräftiger als der Schleim. Die meh­ligen Mittel gehören deshalb zu den wichtigsten Nahrungsmitteln, besonders für pflanzenfressende Thiere; aber auch die Fleischfresser können dabei gut bestehen, und zwar, wie es scheint, um so mehr, je reicher diese Mittel an Kleber sind, da dieser sich in mehrfacher Hinsicht der thierischen Gallerte ähnlich zeigt. Doch verlangen die mehligen Mittel immer noch wenigstens einen massigen Grad von Verdauungskraft; denn wo diese zu sehr gesunken ist, gehen sie im Magen und Darmkanal leicht in saure Gährung über, erzeugen Säure Blähungen und Verschleimnng, verursachen Krämpfe und Koliken und befördern die Erzeugung der Würmer. Diese nach­theiligen Wirkungen entstehen besonders dann, wenn bei schwacher Verdauung die mehligen Mittel zu reichlich und zu anhaltend, ohne gehörige Beimischung anderer Nahrungsmittel gegeben werden. — Oertllch zeigen sie die im Allgemeinen (sect;. 129.) angegebene ein­hüllende, abspannende und reizmildernde Wirkung der indifferen­ten Mittel, stehen aber darin den schleimigen Mitteln nach. — Auf mehrere Metallsalze, namentlich auf Quecksilber-Sublimat und Kupfer­salze wirken diese Mittel zersetzend, und gehen mit ihnen schwer lösliche Verbindungen ein. Sie zeigen diese Wirkung um so mehr, je reicher sie an Kleber sind.
sect;. 166.
Die mehligen Mittel sind in Krankheiten, wo allgemeine Schwä­che und Abmagerung besteht, und besonders, wenn diese Zustände durch vorausgegangenen Nahrungsmangel, durch übermässige An­strengung, durch Säftevcrlust, durch Fieber u. s. w. entstanden sind. Dagegen darf man sie nicht anwenden, wenn der Bildungs-prozess stärker als im normalen Zustande hervortritt; daher nicht bei Entzündungen und bei Fiebern mit sthenischem Charakter. — Wo Schwäche und Torpidität, oder entgegengesetzt, ein hoher Grad von Reizbarkeit im Magen und Darmkanal zugegen ist, dürfen sie nur vorsichtig angewendet .werden. — Ihrer örtlichen Wirkung we-
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gen benutzt man diese Mittel innerlich bei Vergifhinpen fhirch scharfe, besonders durch metaUiscbe Substanzen, bei DurchfäUeu, bei der Harnruhr und bei dem astlicnischen Blutharnen; äusserlioh bei Entzündungen und Exkoriationen, um einzuhüllen und zu er­schlaffen, oder auch um die Eiterung zu befördern.
Auch dient das Mehl als Bindemittel und zur Einhüllung an derer Medikamente, ist jedoch nicht für alle Fälle passend; denn es macht mehivntheils die Latwergen etwas kleisterig, so dass sie sich nicht so gut eingehen lassen, wie die mit Altheewurzelpulver bereiteten; es befördert die Gährung und dadurch das Verderben der Arzneien, und macht viele Metallsalze zum Theil oder ganz unwirksam.
I. Waizen, Trilicum.
sect;. 167.
Der Waizen enthält ein sehr feines, weisses Mehl, welches an Stärkemehl (50—75 pr. G.) und au Kleber (11—38 pr. C.) reicher ist, als das ans allen übrigen Q-etraidearteu und welches am mei­sten uährt, leicht zu verdauen ist, aber auch leicht säuert. Als Nah­rungsmittel wird der Waizen nicht häufig benutzt, weil er im All­gemeinen zu theuer und ausserdem für Pferde etwas schwerverdau­lich ist. Beides gilt auch von dem Waizcnmehle (Farina Tritici). Man giebt dasselbe kranken, sehr schwachen Thicren unter den im sect;. 165, (56. bezeichneten Umständen (Pferden und Hindern gegen I—.^ Pfund, Schafen, Ziegen und Schweinen 4—1^Pfund, Hunden, nach ihrer Grosse 2—(i Unzen pro Tag), gewöhnlich mit Wasser zusam­mengerührt als Mehltrank, welchen sie gern saufen, der aber in reinen Gelassen recht oft erneuert werden muss, weil er bald sauer und stinkend wird. Als Heilmittel wendet man dünnflüssige Mehl­tränke, als sogenanntes Maulwässer bei dem Maulweb an, und zwar bei heftigen Schmerzen rein oder mit Milch oder Sahne ge­mengt, später, und bei üblem Geruch aus dem Maule, mit Zusatz von etwas Essig oder Salzsäure, Kochsalz oder Salmiak. — Als Bindemittel benutzt gilt das hierüber vom Mehl im Allgemeinen Angegebene (sect;. 166.). — Das über dem Feuer braun geleistete Mehl enthält empyreumatischo Bestandtheile und wirkt zugleich gelind reizend. Es ist bei Eingeweidewürmern empfohlen. — Das Wai­zen malz wirkt fast ähnlich, ist aber durch seinen Gehalt an Zuk-ker und Gummi noch mehr auflöslich und leicht verdaulich. Es kann bei grosser Schwäche, bei C'achexie, Diarrhöe und dergl. Zu­ständen nützlich sein. Gabe, wie vom Mehl.
Das Waizen-Stärkemehl verhält sich wie das Stärkemehl
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Überhaupt. — Das Waizenbrot ist mehr nährend und leichter verdaulich als das Waizenmehl, da dasselbe durch die Brotgährung und durch das Backen bedeutend umgewandelt ist; es wird aber, des Preises wegen, mir für kleine Haustbiere, denen man einen ein­gebildeten Werth beilegt, als Nahrungsmittel benutzt. Aeusserlicb ist es, mit Wasser oder Milch zu einem Brei gekocht, als ein er­weichender, schmerzmildernder Umschlag zu gebrauchen. — Die Waizeukleie (Fur/ur Trltici) enthält die bei dem Mahlen der Wai-zenkörner von dem Mehl getrennten Hülsen derselben, in Verbin­dung mit Kleber und mit noch einer geringen Menge Mehl. Sie ist ziemlich leicht verdaulich, nährt aber IVir sich allein nur wenig, erschlafft die Verdauungseingeweide, verursacht bei Pferden, die an ihren Qenuss nicht gewohnt sind, in der ersten Zeit einen mehr weich und locker abgehenden Kolli, zuweilen selbst Laxiren, und reichlich gefüttert veranlasst sie oft Unverdaulichkeit und Kolik. Pferde und Rinder werden zwar bei starker Kleilutterung und bei weniger Arbeit, gewöhnlich recht wohlbeleibt und ansehnlich: sie haben aber dabei schlaffe Pasern und sehr lockeres aufgedunsenes Zellgewebe, und ermatten und schwitzen viel leichter als bei Kor nerfutter. Die Wirkung der Kleie als Nahrungsmittel ist daher der Wirkung der schleimigen Mittel sehr ähnlich. — Sie ist wegen ih­res geringen Nahrungsgehaltes bei Entzündungskrankheiten, und wenn das Kauen und Schlucken des Kornerfutters und des Heues erschwert ist, wie z.B. bei Druse, hei Halsentzündung, bei schmerz­haftem Husten, bei Verwundungen im Maule, auch bei Hartleibig­keit und dergl. anzuwenden. — Man giebt sie am besten rein, mit etwas Wasser angefeuchtet zum Futter; oder in Wasser eingerührt als Getränk (Kleitrank). — Beides muss, besonders im Sommer, oft erneuert werden, weil es leicht sauer wird. — Mit Wasser ge­kocht und durchgeseihei giebt die Kleie eine schleimige Flüssigkeil, die recht gut zu Klystieren zu benutzen ist, und mit warmem Was­ser zum Brei gemacht, ist sie zu erweichenden Umschlägen, be­sonders am Hufe sehr brauchbar, und ihrer Wohlfeilheit wegen dem Altheekraut, Leinsamen u. s. w, vorzuziehen.
2, (reiste, Hordeum.
sect;• lt;68. Die Gerste enthält nach Einhof 67pr. C. Stärkemehl und Kle­ber, nach Proust 87 pr. C. Stärkemehl und Gerstestoff {Hnrdein) in so inniger Verbindung, dass diese Stoffe auf die gewöhnliche Weise durch blosses Wasser nicht von einander'zn scheiden sind. Unter geeigneten Umständen wandelt sich ein grosser Theil dieser
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Stoffe in Dextrin und Zucker um; sie ist daher wohl stark näh­rend, aber schwer verdaulich, und da sie in Verbindung mit Feuch­tigkeit leicht und schnell in saure Gähruug übergeht, so erzeugt sie die hei den mehligen Mitteln im Allgemeinen und bei derWai-zenkleie angegebenen Verdamingsfeliler sehr leicht. Sie passt da­her als Nahrungsmittel nur für solche Pferde, die gesunde und kräftige Verdauungsorgaue besitzen. Dennoch wird sie als Pferde­futter in manchen Gegenden sehr häufig und im Orient fast allge­mein benutzt, und auch in manchen Gestüten den edlen Hengsten, besonders während und nach der Beschälzeit gegeben. Man muss jedoch bei ihrem Gebrauch vorsichtig, nach und nach bis zur vol­len Ration steigen, und sie am besten im gequollenen Zustande (12—24 Stunden in Wasser geweicht) geben. Nach Waldinger's Angabe') benutzen sie die Pferdehändler, um ihre Pferde bald dick­leibig zu machen; sie nehmen Gerstenschrot, bearbeiten dasselbe mit vielem Wasser, seihen dann nach einer halben Stunde das Flüs­sige ab und geben es als Trank, das übrige Gröbere aber mit. Häck­sel gemengt zum Futter. Solche Pferde fallen dann beim Hafer­futter wieder ab, misten im Anfange weich, schwitzen und ermatten sehr leicht. Füllen erhalten Anlage zu Eingeweidewürmern, und Waldinger glaubte auch, dass die deutschen Pferde von der Füt­terung mit gequellter Gerste ihre grosso Anlage zum Dummkoller bekommen, was aber unbegründet ist. Dem Rindvieh, den Scha­fen und Schweinen goreicht dagegen die Fütterung mit gequellter oder mit geschrotener Gerste, und der daraus bereitete Trank bei und nach asthenisefaen Krankheiten zu einem der besten Nahrungs­und Stärkungsmittel, welches auch zum Mästen für sie mit Nutzen gebraucht wird. Ein schleimiges und sehr nährendes Getränk be­reitet man auch, indem man 2 Hände voll Gerste mit 2 bis 3 Q'uart Wasser kocht und dann die Flüssigkeit abseihet. — Als Heilmittel wird die Gerste nur zu Dampf- oder Dunstbädern hei catarrha-lischen Krankheiten (bei Druse, Strenge!, Bräune und Lungenca-tarrh) in der Periode der entzündlichen Reizung benutzt, um die Trockenheit und Spannung der Schleimhaut zu mindern und die Absonderung des Schleims zu befördern. Man kocht sie für diesen Zweck mit Wasser bis die Körner aufplatzen, lässt die Flüssigkeit etwas abkühlen und dann ihren massig warmen Dunst einathmen, indem man gleichzeitig den Kopf und Hals der Tbiere von oben her mit einer Decke bedeckt. Die so bereiteten Dämpfe enthalten aber keinen aufgelösten Schleim, wie man sonst irrtbümlich glaubte, sondern sie wirken allein durch Feuchtigkeit und Wärme.— Ger-
*) Nahrungs- und Ilellmillellelire S. ii'i.
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stenmehl besitzt die Eigenschaften der Gerste und ist wie d:is Waizenmehl zlt;i benutzen. — Gerstenmalz {Malium Hordei) ent­hält viel, durch den Keimungsprozess gebildeten Zucker und Dex­trin; es ist leichter verdaulich, daher noch mehr nährend als die rohe Gerste, und im braunen Zustande ist es etwas mehr erregend als die letztere und als das Waizeumalz. Man giebt es als Nah­rungsmittel schwachen Pferden und Rindern zu i Pfund, täglich ;-(_4 mal. Bei Durchfallen, die nicht mit verstärkter Reizbarkeit verbunden sind, mindert es die Entleerungen, besonders wenn es braun gerüstet ist. So ist es auch bei der Fäule und bei den Lun-genwttrmern der Schafe, wenn das üebel noch nicht zu weit ge­diehen ist, ganz vorzüglich wirksam. Für 50 Schafe lässt man ^ Scheffel braun gerüstetes Malz in 60 Quart Wasser bis zum Weichwerden kochen, setzt dann 2 Pfund Wachholderbeerenpulvcr und 2 Loth Eisenvitriol hinzu, und giebt das Ganze nach dem Er­kalten zum Getränk. — Das Bier {Cereuiala), durch das Brauen aus dem Malze der verschiedenen Getraidearten, vorzüglich aber aus dem Gerstenmalz bereitet, enthält nährende Bestaudtheile in Verbindung mit etwas Spiritus, und gewöhnlich auch mit bittern, aromatischen Stoffen. Es wirkt nährend und stärkend und kann entkräfteten Thieren, z. B. zur Zeit der Geburt, wenn die Wehen zu schwach sind, und in ähnliehen Fidlen gegeben werden. Man kocht es mit Brot und setzt nach Bedürfniss der Umstände aroma­tische Mittel, Branntwein oder Wein hinzu. — Bierhefen, siehe Kohlensäure, IX. Klasse. — Die nach dem Brauen zurückblei­benden Trebern oder die Seihe geben für Kühe, Schweine, Schafe und Getlügel ein brauchbares, der Kleie ähnliches Futter, welches aber sehr leicht säuert.
3. Roggen, Seeale.
sect;. 169. Der Roggen (das Korn) enthält nach Einhof, an Stärke­mehl 61, und an Kleber gegen 10 pr. C; ausserdem eine Quanti­tät Gummi in Verbindung mit dem Kleber, durch welches derselbe auflöslich in Wasser wird. Der Roggen säuert unter allen Ge­traidearten am schnellsten und ist für Pflanzenfresser verhältuissmäs-sig auch am schwersten zu verdauen. — Er nährt sehr stark, ist aber als Nahrungsmittel wieder nur für solche gesimdePferde, wel­che kräftig verdauen und die schwere Arbeit verrichten müssen, geeignet; dabei muss er aber vor dem Füttern wenigstens eine Stunde in reines Wasser eingeweicht, oder wenigstens bei dem Füt­tern gut angefeuchtet werden; auch müssen die Thiere erst allmäh-
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lip an seinen Genuss gewöhnt werden, und nach dem AbfUttem
die zur Verdauung nöthige Ruhe erhalten. Am besten reicht man ihn mit auderm Futter, z. B. Hafer, Häcksel und dergl. gemengt. Ohne Beachtung dieser Vorsichtsmaassregelu, oder zu reichlich ge­geben, verursacht er leichter als die übrigen Kürnerarten Unverdau-lichkeit, heftige Koliken (bei dem Rindvieh und den Schafen Aufblä­hung), Anlage zum Koller, zur periodischen Augenentzünduug und zum Erblinden. Bei Pferden, die an seinen Genuss nicht gewöhnt sind, bewirkt er oft heftigen akuten Rheumatismus und bösartige Hufentzündung (das sogenannte Verfuttern oder Verschlagen). Alle diese üblen Folgen entstehen besonders leicht durch frischen (d. h. erst geernteten) Roggen, mit dem man kaum vorsichtig ge­nug sein kann. —Der geschroteue Roggen und das Roggen­mehl sind als Nahrungsmittel fast ganz dem Roggen gleich, aber etwas leichter verdaulich; bei Krankheiten mit grosser Schwäche sind sie so zu benutzen, wie Gerstenschrot und wie Waizenmehl. Mit Wasser zur Suppe gekocht wird beides noch mehr verdaulieb. Aeusserlich wendet mau das Mehl, mit Wasser, Bier oder Honig zum Brei gemacht, mit Butler und dergl. gemengt und massig er­wärmt, als üeberschlag auf Verhärtungen und Entzündungsge-schwiilste an, um sie zur Zertheihmg oder die letztem auch zur Eiterung zu bringen. Ausserdem benutzt man es wie das Waizen­mehl zu den sogenannten Maulwässern. — Der Sauerteig (fer-mcniiim) d. i. der in saure Gähnmg übergegangene Teig, wirkt in­nerlich kühlend und erfrischend, äusserlich bei längerer Berührung der unbehaarten Haut aber gelind reizend. Man rührt ihn mil vielem Wasser ab und giebt ihn so als Getränk, bei entzündlichen Fiebern mit asthenischem Charakter, besonders im Sommer bei dem Milzbrande, bei der Lungenseuche und dergl.: äusserlich benutzt man ihn zu reizenden Breiumschlägen, besonders als ein schick­liches Vehikel für das Seufsamenpulver bei der Bereitung des Senf­teiges oder sogenannten Senfpflasters. — Das Roggenbrut ist weit nahrhafter und viel leichter verdaulich als der Roggen selbst, und kann daher bei grosser Schwäche und Ermattung so wie die­ser, aber mit noch grösserem Nutzen gegeben werden. Zu reich­lieh oder im verdorbenen Zustande gefuttert, bewirkt es jedoch die­selben Nachtheile wie der Roggen selbst. Es wird am besten mit vielem Häcksel gemengt gefuttert. Für kleine Hausthiere verdient das Waizenbrot den Vorzug. Mit Wasser oder Milch zum Brei gekocht, dient es als ein erweichendes, die Eiterung beförderndes Mittel. — Die Roggenkleie wird für etwas nahrhafter gehalten als die Waizenkleie, hat aber übrigens dieselben Eigenschaften wie diese und ist auch wie sie zu benutzen. — (Branntweinschlempe
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siehe bei den spirih;üsen Mitteln, V. Klasse, und das Mutterkorn hei den narkotischen Mitteln, Vil. Klasse.)
4. Hafer, Ai-end.
Der Hafer hesitzt weniger Stärkemehl (in 100 Theilen Hafer­mehl nur 59 Th.) als der Waizen und Koggen, und mehreutheils auch weniger als die Gerste; Kleber enthält, er (nach Vogel's Un­tersuchung) nur gegen 4 pr. C; dabei auch etwas Schleimzucker, Kiweis und nach Waldinger einen gewürzhaften Stoff, der Im Geruch der Vanille ähnlieh ist. Hieraus lässt sich schon entneh­men, dass er weniger stark nährt als die übrigen Getraidearten: dafür ist er aber auch leichter verdaulich, säuert später und blähet weniger als diese. Aus diesen Gründen und der Erfahrung zu­folge, ist der Hafer für Pferde das geeignetste Kürfierfutter, bei dem sie am besten gedeihen und am wenigsten den bei der Fütterung mit Waizen, Gerste und Roggen so leicht entstehenden Verdauungs­beschwerden i. s. w. ausgesetzt sind. Bei kranken Pferden, denen Kürnerfutter zur Stärkung nützlich ist, verdient deshalb der Hafer den Vorzug vor allem andern, besonders wo Schwäche der Ver­dauungseingeweide besteht. Audi für die übrigen pflanzenfressen­den Thiere ist er ein recht gesundes Nahrungsmittel. Doch kann er auch, wenn er zu reichlich oder unvorsichtig, besonders solchen Pferden gegeben wird, die an seinen Gennss nicht gewöhnt oder die zu sehr erhitzt sind, ähnliche Nachtheile erzeugen wie der Rog­gen. Wenn er dumpfig oder schimmelig ist, verursacht er bei Pfer­den leicht Husten und Kurzathrnigkeit (Dämpfigkeit), sehr oft aber Harnruhr, zuweilen auch Rotz und Wurm. — Den braun gerö­steten Hafer (Avena tosia) giebt man mit Nutzen gegen den Durchfall der Pferde (besonders der Füllen), Schafe, Ziegen und Schweine, wenn derselbe in Schwäche und Reizlosigkeit der Ver­dauungseingeweide begründet ist. Noch wirksamer ist hierbei dies Mittel, wenn man es mit braun gerüsteten Linsen fi bis die Hälfte) gemengt giebt. — Hafergrütze (Arena derortica/a s. exeortieata) wird in Abkochungen mit Wasser (i Unze Hafergrütze zu 4 Pfund) oder Milch oder Fleischbrühe als nährendes, leicht verdauliches und sehr mildes Mittel, besonders fur Hunde, bei grosser allgemeiner Schwäche, bei krankhafter Reizbarkeit des Verdauungskanals, bei Durchfäll u. s. w. mit gutem Erfolge innerlich angewendet, oder als Vehikel für andere Arzneimittel benutzt. Die durchgeseihete Flüssigkeit von diesen Abkochungen wird zu nährenden, oder zu reizmildeniden, schleimigen Klystieren, zu Bähungen und dergl.
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wie die schleimigen Mittel gebraucht. Doch ist der Hafergditz schleim keinesweges dem reinen Schleim von Althee, von Leinsa­men u. s. w. gleich, souderu durch seinen weit grüssern Nahrungs-gehalt von diesem sehr verschieden. Ansserdem kann die Hafer­grütze, mit wenigem Wasser oder Milch zum Brei gekocht, als er­weichender Umschlag ganz so wie der Leinsamen und Leinkuchen angewendet werden.
5. 1 slilndisch es Moos, Liehen islandicus s. Celraria islandicu,
% 171,
Das isländische Moos, oder vielmehr die isländische Flechte, enthält als vorwaltenden Bestandtheil 20 bis 25 pr. C. eines eigen-Huimlichen Stärkemehls {Liehenln), mit herbem Bitterstoff verbun­den. — Dieses Flechtenstärkemehl kommt im Wesentlichen mit dem gemeinen Stärkeiiiehl überein, unterscheidet sich aber von ihm da­durch, dass es in der conzentrirten Abkochung der Flechte heim Erkalten eine Gallerte giebt, welche vom Jod braungrau gefärbt wird Es löst sich in verdünnten Säuren auf (also auch im Ma­gensafte) und bildet bei längerer Einwirkimg derselben Dextrin und Zucker. Der Bitterstoff der isländischen Flechte löst sich etwas in kaltem, mehr in heissem Wasser, in Weingeist und in wässerigen Solutionen von kohlensaurem Kali, und durch letztere ist er ganz zu entfernen, so dass das Stärkemehl allein in der Flechte übrig bleibt.— Diesen Bestandtheilen gemäss kann das isländische Moos, je nachdem es von dem Bitterstoff befreiet, oder mit demselben an­gewendet wird, eben so gut als ein mildes, leicht verdauliches und doch intensiv nährendes Mittel, oder als ein blos einhüllendes, reiz­minderndes, und als ein gelind tonisches Heilmittel wirken. In letzterer Beziehung zeigt es eine vorherrschende Richtung auf die Schleimhaut der Respirationsorgane und des Verdauungskanals, und eben so auf eiternde Flächen; es vermehrt daselbst den Tonus ganz alhnählig, vermindert und verbessert die Absonderungen, und beschränkt den Zersetzungsprozess.
Das Mittel dient blos zum innerlichen Gehrauch und ist ange­zeigt, wo Schwäche mit zu grosser Reizbarkeit, Abmagerung, zu reichliche Absonderung, und besonders zu starke Schleimsekretion zugegen ist. Man gebraucht es daher namentlich: gegen Vereite­rung der Lunge, gegen schwindsüchtige Abmagerung bei gleich­zeitiger chronischer Schleimabsonderung in der Luftröhre und Lunge, daher auch bei chronischem Husten mit vielem Schleimauswurf, bei der Kurzathmigkeit, die oft unmittelbar nach Lungenentzündungen zurückbleibt und in blosser Schwäche und Reizbarkeit der Respira-
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tionsorgane besteht, und bei chronischem Durchfall. Es muss im­mer durch einige Zeit fortgebraucht werden, ehe mau bei den Krankheiten der Respirationsorgane einen guten Eriblg sieht, und oft erleichtert es dieselben nur.
Die Gabe ist für Pferde und Rinder 1 bis 3 Unzen, für Schale, Ziegen und Schweine \ bis 1 Unze, für Katzen und Hunde \ bis 2 Drachmen, täglich 3 bis -l mal. Die Anwendung geschieht theils fein gepulvert in Latwergen und Pillen, theils zerschnitten im De­kokt; doch ist es nicht gleichgültig, ob man das Mittel in der er-steren oder in dem letzteren giebt, und wie dieses bereitet ist. In der Latwerge ist es zwar nicht ganz so mild und so leicht verdau­lich wie im Dekokt, besitzt aber seine volle Bitterkeit und wirkt deshalb besonders stärkend; — im Dekokt mindert sich die Bitter­keit in dem Verhältniss, je länger das Kochen dauert, und die Flüs­sigkeit wird zuletzt fast reiner Schleim. Man nimmt gewöhnlich I Unze zerschnittenes Moos auf 1 bis 1^ Pfuud Wasser und kocht es bis zur Hälfte ein. Die Entfernung des Bitterstoffes durch koh­lensaures Kali ist zum Gebrauch für die Thiere nicht nüthig; denn will man blosses Stärkemehl geben, so ist das Amylum wohlfeiler und leichter anwendbar.
sect;. 172.
Zu den mehl- und stärkehaltigen, aber als Heilmittel wenig benutzten Substanzen gehören noch:
a) Die Kartoffeln (Tuhera Solaui tuberosi). Sie enthalten neben G(! pr. C. Wasser gegen 25—30 pr. C. trockene Substanzen, und unter denselben 10 bis 18 Th. Amylum, welches im Herbst und Winter reichlicher vorhanden ist, als gleich nach der Ernte und spät im Frühjahre, Ausserdem findet sich in ihnen etwasEi-weis, Fett, Gummi, Spargelstoff, Extraktivstoff und Salze. — Sie sind leicht verdaulich, sehr nahrhaft, aber durch ihre grosse Menge Feuchtigkeit etwas erschlaffend. Sie können daher, besonders im rohen Zustande, als diätetisches Heilmittel bei entzündlicher Reizung der Respirationsorgane, der Augen', des Gehirns, und der Nieren, bei Neigung zu Leibesverstopfung, bei Abmagerung und schlech­tem Haar der Pferde nach vorangegangenen Entzündungskrankhei­ten, angewendet werden. Aeusserlich dient der Brei von zerriebe­nen rohen Kartoffeln als ein kühlendes Mittel bei Verbrennungen; derselbe muss jedoch immer nach 5 Minuten erneuert werden. — Das Kartoffelkraut {Herlm So/an. (über.) ist in seinen Wirkun-
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gen noch nicht gehörig geprüft; sehr wahrscheinlich verhalten sich dieselben aher anders, als die des Grases, Klees und dergl. Bei Kühen sah man von dem reichlichen Genüsse des Krautes Vergif-tungsznfalle entstehen; dagegen heilte und verhütete Haubner durch das Futtern dieses Krautes bei Schafen die sogenannte Blut­seuche. In wie weit das in dem Samen und in den Keimen der Kartoffeln enthaltene Solanin auch hier wirksam sein mag, ist noch nicht ermittelt. Das letztere hat bei kleineren Thieren (Ka­ninchen und jungen Schweinen) Betäubung, Krämpfe und seihst den Tod, bei Hunden alier nur Erbrechen gemacht.
b)nbsp; Die Hülsenfrüchte, namentlich: Erbsen {Sem. Pisi), Boh­nen (S. Phaseoü u. S. l'abae), Linsen (S. Ervi) und Wicken (S. Viciae). Sie sind sämmtlich sehr reich an Pflanzeneiweis und Kleber mit Stärkemehl, daher nähren sie stark, aber erhitzen und blähen auch sehr. Als Heilmittel benutzt man blos die gerüste­ten Linsen gegen solche Diarrhöe, die aus Erschlaffung und aus zu wässeriger Nahrung entstanden ist (s. sect;. 170.),
c)nbsp; Die Buchwaizensaineu sind sehr reich an Mehl, welches dem Gerstenmehl ähnlich und sehr nährend ist. Sie dienen in man­chen Gegenden als Nahrung für Pferde, Rinder, Schafe, Ziegen und Schweine, und müssen mit derselben Vorsicht wie die Samen der Getraidearten gefüttert werden. Merkwürdig ist es, dass der Buch-waizensamen (auch die Spreu davon und das Stroh) zuweilen auf weisse und weissfleckigc Schweine eine andere Wirkimg macht als auf schwarze, und dass er namentlich hei den erstem Zulalle er­regt, die denen von manchen narkotischen Mitteln sehr ähnlich sind, wie z. B. Betäubung, Schwindel, Schwäche im Kreuz, Tobsucht, Anschwellung des Kopfes und eine eigenthümliche Entzündung der Ohren. Eben so merkwürdig ist es, dass diese Zufille nur entste­hen sollen, wenn die Schweine bei der Buelnvaizenfiitternng dem Sonnenlicht ausgesetzt sind. Weissfleckige Kühe sollen hiervon an den weissen Stellen einen Ausschlag bekommen. Das grüne Buch-waizenkraut erzeugt bei den letzteren Thieren diese Wirkungen nicht, aber auf Schafe wirkt das frisch abgeblühete Kraut eben so nachtheilig.*) — Die Buclnvaizengrütze kann gar.z so wie die Hafergrütze zu erweichenden Breiumschlägen angewendet werden.
') Siolie: Möglin'sclie Annalen der Landwiriliscban Bd. ö. S. 278. — Bd. 6. S. 331.'— Bü. 7. S. 201. — Bd. S. S. :i33. — Bd. 20. S. 300. — und Oekonom. Keuigkeilen Jahrs. lt;825. No. 33, S. 203. — Dupuy, .louni. prat. de mcd. v6(6r. 1S20. p. ööi.; und enlgegenges. Beob. im Archiv der leuischen Landw. von Pohl, (S38. Seplhr.
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Vierte AbtliellunK.
S 0 s s C u (1 e r zucke r halt i g e Mitt el (.(/. sacrJtarlna .laquo;. mellagluea).
sect;• 173. Der Zucker (Sacchurum), aus Kohlenstoff; Wasserstoff und Sauer­stoff zusammengesetzt, kommt als ein eigenthümliiher ßeslaiultheil in vielen organischen Körpern, besonders in vielen Pflanzen vor, und kann auch künstlich aus organischen Substanzen dargestellt werden, z. B. durch das Malzen des Getraides, durch Einwirkung erhitzter Mineral-Säuren auf Stärkemehl u. s. w. Er cbarakterisirt sich im Allgemeinen durch einen süssen Geschmack und dutch Auf'löslichkeit im Wasser, erscheint aber übrigens nach den Mi-schungsverhältnissen seiner Kestandtheile, nach der Krystallisirbar-keit, der Löslichkeit im Wasser oder im Alkohol, nach der Verbin­dung mit mannigfaltigen, ihm fremden Stoffen (z. B. Schleim, Ei-weis, Extractivstoff, Säure und dergl.) in den einzelnen Substanzen, in denen er enthalten ist, etwas verschieden, so dass man hiernach in der neuem Zeit auch verschiedene Arten des Zuckers hat (z. B. krystallisirbaren Zucker, wozu der Rohrzucker gehört, Frucht- oder Obstzucker, Schleimzucker, Traubenzucker und dergl.).
Die Wirkung der süssen Mittel auf den Thierkörper, ist zwar nach diesen Verschiedenheiten bei den einzelnen Mitteln etwas mo-difizirt, im Ganzen aber übereinstimmend. Sie sind für sieh allein viel weniger nährend und einhüllend als die übrigen Mittel dieser Klasse, dagegen aber wirken sie innerlich und äusserlich an den Stellen der Berührung primär gelind erregend und dadurch die Se­kretionen umändernd und vermehrend. Je mehr sie ausser dem Zuckerstoff noch Schleim und dergl. enthalten, um so mehr wirken sie auch einhüllend und erweichend. Durch den Consensus brin­gen sie auch mehr ausgebreitete Wirkungen in andern Organen hervor. Sie regen namentlich die Schleimhäute zu einer vermehr­ten und diinnern Absonderung auf, wodurch sie, in massigen Ga­ljen angewendet, den Appetit und die Verdauung bessern, den Hu­sten mildern, den Auswurf des Schleims aus der Luftröhre erleich­tern und befördern, und eben so auf die Absonderung des Urins und der Milch wirken; in grossenGaben auf einmal gereicht, kön­nen sie gelindes Laxiren erregen. In Wunden und Geschwüren wirkt der reine Zucker reizend, die Resorption befördernd, austrock­nend, selbst schwach ätzend und die Granulation beschränkend; wogegen er in Verbindung mit Eigelb und dergl. die Absonderung
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eines mehr cousisteuten Eiters und die lebhaftere Erzeugung der Fleiscbwärzchen befördert (Digestivmittel). — Bei dem Zusammen­treffen mit Metallsalzeu, besonders mit EupfersaJzen, sollen diese Mittel zersetzend wirken; sie tlmn dies auch im Thierkörper, je­doch nur im geringen Maasse, weil die vollständige Zersetzung dieser Salze erst mit Hülfe der Siedhitze stattfindet.
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Viele von den süssen Mitteln, wie besonders dergleichen Wur­zeln und Früchte, dienen für die pflanzenfressenden Thiere als ganz vortreffliche Nahrungsmittel, wozu sie jedoch mehrentheils erst, durch ihren Gehalt an andern Stoffen geeignet werden, obgleich derZnk-ker zur leichtern Verdaulichkeit derselben viel beitrügt. Für sich allein ist der letztere nicht zur Ernährung geeignet, wenigstens iiir fleischfressende Thicre nicht. Erhalten z. B. Hunde durch längere Zeit nichts anders als reinen Zucker und destillirtes Wasser, so magern sie sehr ab, werden mehr und mehr schwach, verlieren den Appetit, bekommen Geschwüre auf der Hornhaut der Augen n. s. W. und sterben zidetzt in gänzlicher Erschöpfung und an Ca-chexie um den 20sten bis SOstenTag. Mageudie (a. a. 0.) schreibt diese Wirkungen des Zuckers dem Mangel desselben an Stick­stoff zu.
Die süssen Mittel sind angezeigt, wo man die Absonderungen gelind befördern und umstimmen, und besonders die Säfte verdün­nen will. Man benutzt sie mehrentheils als diätetische Heilmittel: — als wirkliche Arzneimittel ist ihre Anwendung ziemlich be­schränkt, weil sie dann zu theuer, verhältnissmässig zu wenig wirk­sam und durch kräftigere zu ersetzen sind. Sie werden besonders angewendet: bei catarrhaliscben Krankheiten mit entzündlicher Rei­zung, bei trockenem Husten mit wenigem Auswurf, bei dergl. Bräune und Maulweh, bei Vergiftungen mit scharfen Metallsalzen, beson­ders mit Kupfer-Präparaten (gegen welche jedoch Eiweis und Stärke­mehl den Vorzug verdienen), bei Schmerzen in den Urinwerkzeu­gen, bei Stockungen und Verhärtungen in der Leber u, s. w., und äusserlich bei Wunden und Geschwüren mit zu geringer Bildimgs-thätigkeit als sogenannte Digestivmittel, zuweilen auch entgegenge­setzt bei zu üppiger Bildung als austrocknende Mittel.
Ehedem gebrauchte man mehrere süsse Mittel, besonders die flüssigen oder saftformigen, auch sehr häufig als blossen Zusatz zu andern Mitteln, theils um diese zu binden und in Pillen- oder Latwergen-Consisteuz zu bringen, theils auch, um ihren Geschmack zu verbessern, besonders für Pferde und Hunde, welche gegen sol­che versüsste Medikamente weniger Widerwillen zeigen als gegen andere. Sie sind jedoch für diese Zwecke in den meisten Fällen
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zu entbehren, und 'zwar um so mehr, da sie (wenigstens in den Apotheken) als Bindemittel viel zu theucr sind und bei warmer Temperatur leicht, gähren und dann auch die Ubrigeu Arzneistoffe verderben.
l. Rohrzucker, Saecharum. (Gewöhnlicher welsser Zuk-ker, S. album.)
sect;• 176.
Er besteht, im wasserfreien Znstande aus Kohlenstoff 24, Was­serstoff 36, und Sauerstoff 18 Atomen, und enthält den Zuckerstoff am reinsten und in der grossten Menge, daher auch seine örtlichen Wirkungen verhältuissmässig zu den übrigen süssen Mitteln am meisten gelind erregend und am wenigsten nährend und einhül­lend sind. Im Darmkanal wird er zersetzt und grösstentheils in Milchsäure umgeändert. Im Uebrigen besitzt er die Wirkungen der süssen Mittel. Bemerkenswerth ist es, dass Regenwürmer, Blut­egel, Frösche und Eidechsen durch ihn getödtet, und Fische im zuckerhaltigen Wasser betäubt werden. Auch Tauben sollen von 5 Skrupeln Zucker sterben, nachdem hiervon Anschwellung des Kopfes und Zuckungen entstanden sind;*) ich habe diesen Thieren sehr oft 5 bis 10 Skrupel in Wasser aufgelöst und in Pillen ge­geben, aber niemals irgend eine heftige Wirkung bemerkt. Nach Viborg'g Versuchen laxiren Hühner von 1 bis 1£ Unze, und bei Schafen wirken 6 Unzen in | Pfund Wasser aufgelöst als ein hef­tiges Laxirmittel; die Wirkung trat schon i) Stunden nach dem Eingeben ein und dauerte bis zum dritten Tage fort. Dieselbe Gabe verursachte bei einem jungen Schweine, und eben so bei einem alten Pudel kein Abführen, und ich habe 8 bis 1raquo; Unzen bei jun­gen und alten Hunden gleichfalls ohne diese Wirkung gegeben; dagegen wurde die Urinentleerung sehr vermehrt. Pferde und Rin­der ertrugen 1 bis 1-^ Pfund Zucker in Auflösung mit Wasser eingeschüttet, oder mit Kleie als Futtee gegeben, ohne Laxiren oder eine andere sichtbare Wirkung zu zeigen; nur der Durst schien stärker erregt zu sein.quot;)
*) Canninali, Opnsc. Ilierapeul. Vol. I.; nml Vlborg, Samml. 4. Bd. S. 278.
*quot;) Im Sialle des Klinigs von Hindoslan sollen die Pferde mit Zuk-ker und Buller gefiillPrl werden, und dabei iedes Pferd läglicli n Pfund /ncker erhallen. Viborg hat (a. a. 0.) einen Versuch darilber pe-machl, ans dem hervorgeht, dass die Pferde Ekel gegen dieses Fntler ipiaen, davon laxiren und sehr ansegriffen werden.
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sect;• 177. Innerlich wird der Zucker nur ätusserst selten angewendet; doch ist er üherall zu gebrauchen, wo die süssen Mittel üherhanpt nütz­lich sind (sect;. 175.), und besonders für kleinere Hausthiere. Auch kann er bei Schafen, in Ermangelung anderer Salze, in den im vorigen sect;. bezeichneten Gaben als Laxirmittel dienen. Als Gegen­gift empfohlen gegen Quecksilber-, Silber-, Blei- und Kupfersalze hat er sich nicht bewährt, da er tue Oxyde dieser Salze erst bei der Siedhitze des Wassers und nur sehr langsam reduzirt. Bios der Grünspan wird bei 30deg; R. theilweis umgewandelt. — Aeus-serlich ist er als gelindes Heizmittel zur Beförderung der Resorp­tion bei Flecken und Verdunkelungen der Hornhaut allgemein ge­bräuchlich; man wendet ihn als feines Pulver, entweder für sich allein, oder in Verbindung mit dem zehnten bis zwölften Theil Zink­vitriol, oder besser mit der Hälfte Calomel an, indem man ihn mit­telst eines feuchten Pinsels täglich I bis 2 mal ins Auge streicht. Eben so wird er als austrocknendes, gelind ätzendes und reinigen­des Mittel in schlaffe, üppig granulirende Wunden und Geschwüre gestreuet. Das früher häufig empfohlene Räuchern der an der Druse leidenden Pferde mir Zucker, der auf glühende Kohlen gestreuet ist, ist mehr schädlich als nützlich.
sect;• 178.
Der Zucker-Syrup {Syrupus Sucthuri) ist im reinen Zu­stande eine eingedickte Auflösung des Zuckers im Wasser; in dem gemeinen Syrup (S. commvnis) ist dieselbe aber noch mit vielem Schleime und mit empyreumatischeu Theilen verbunden. #9632;— Nach den Erfahrungen verschiedener Thierärzte soll der letztere Syrup abführend wirken, besonders bei dem Rindvieh, wenn er in Verbin­dung mit Salz gegeben wird; Viborg sähe aber von 1 Pfund Sy­rup und £ Pfund Kochsalz bei einem alten Stier der trocknes Fut­ter erhielt, diese Wirkung nicht erfolgen, sondern Fieberanfälle, Durst und vermehrten Abgang von Urin entstehen.— Bei Husten, Bräune und andern Krankheiten der Respirationsorgane ist er, wie die süssen Mittel überhaupt, zu benutzen und als ziemlich wohlfeil vor den übrigen zu empfehlen.
Die Gabe ist bei diesen Krankheiten für Pferde urd Rinder t bis 4 Unzen, für Schafe, Ziegen und Schweine I bis 'l Unzen, für Katzen und Hunde t bis 4 Drachmen, täglich ;#9632;( bis 4 mal. Die englischen Thierärzte gebrauchen ihn häufig als Bindemittel bei Bereitung der Latwergen und Pillen.
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'i. Honig, Mel. (Gemeiner Honig, St. commune.)
sect;• 1^. Dieses Produkt der Bienen ist aus Schleim- und Houigzucker, aus Schleim, Wachs, gewUrzhaften Stoffen und einer freien Säure zusammengesetzt. Seine Wirkung ist eigentbümlich, geliud rei­zend, wie die des Zuckers, zugleich aber einhüllend, erweichend, und etwas nährend, bmerlicb in grosseu Gaben angewendet be-Rirdert er, wie die siissen Mittel überhaupt, die Absonderungen, besonders in der Schleimhaut der Respirationsorgaue und desVer-dauuugskauals, und bringt dadurch die im sect;. IS6. angedeuteten Heilwirkungen hervor, besonders auch gelindes l.axiren. Aeusser-lich wirkt er erweichend, und zugleich durch seine reizenden Be-standtheile örtlich die Gefösstbätigkeit vermehrend, daher die Ei­terung in entzündeten Theilen, wie auch in Wunden und Geschwü­ren befonienid-
sect;. INI.
Man gebraucht den Honig innerlich in denselben Krankheits-zustiinden, wo die süssen Mittel überhaupt angezeigt sind (g. 175.), wendet Ihn aber seines Preises wegen nur wenig an. Wo er je­doch als Hausmittel wohlfeil zu haben ist, ist rr seiner Wirksam­keit wegen zu benutzen. Bei Brustkrankheiten befördert er die Lö­sung und den Auswurf des Schleims besser und stärker als der Zucker, und verdient deshalb vor diesem zuweilen den Vorzug, und eben so möchte er bei Vergiftungen durch Kupfer- und an­dere Metallsalze vorzüglicher sein, weil er zugleich einhüllend wirkt — Als lilosses Bindemittel für Pillen und Latwergen ist er zu theuer, und lieshalb, wenn ein süsser Satt dazu gebraucht werden soll, durch den wohlfeileren Syrup oder Mohrrübensatt zu ersetzen. Auch ist er mehr als die übrigen süssen Mittel zur sauren Gährung ge­neigt und daher im Stande, die Wirksamkeit einer Arznei zu ver­ändern.
Die Gabe ist wie bei dem Syrup (sect;. ITS.), und die Anwen­dung geschieht mit andern Mitteln verbunden in Latwergen und Pillen, oder mit Wasser oder Milch aufgelöst in llüssiger Form.
Aeusscrlicb wird er auf mehrfache Weise benutzt. Mit Mehl zu einem Teige gemacht, und diesen auf cntziindetc Theile gelegt, dient er zur Beförderung der Eiterung, besonders in entzündeten Drüsen und unter Umständen, wo man die gleichmässige Anwen­dung warmer Breiumschläge nicht haben kann. Seine Wirksam­keit ist hier, wenn die betreffenden Theile zu sehr torpide sind, oder wenn sie Neigung zum Verhärten zeigen, durch den Zusatz
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vim mehr reizeuden Mitteln, z, B. von zerquetschten balbgebratenen Zwiebeln, von grüner Seife, Lorbeeröl und dergl. zu verstärken. — Bei Wuudeu und Geschwüren, in denen die Thätigkeit nicht zu gering ist, wird er für sieb allein als Eiterung beförderndes und reinigendes Mittel zum Verbinden oder zum blossen Bestreichen der Flächen oft mit dem besten Erfolge angewendet, bei zu gerin­ger Thätigkeit aber mit Terpentin, Terpentinöl, Theer und dergl. reizenden Mitteln zur starkem Digestivsalbe gemacht. — Bei pustu-lösen Entzündungen im Maule (dem Maulweh) und bei Verletzun­gen daselbst, wird in der ersten Zeit der Honig mit Wasser (I Theil zu (1 Theilen) und Essig (4 bis 0 Tbeile) verdünnt, und zu­weilen noch mit Mehl oder Altheewurzelpulver, späterhin aber, bei schon eingetretener Eiterung, mit aromatischen Kräuterbrühen ver­setzt, als sogenanntes Maulwasser eingespritzt oder mit einem Pin-selstock zum Auspinseln des Mauls angewendet. — Bei älteren Wun­den und bei unreinen Geschwüren sowohl im Maule wie an andern Theilen, kann man ihn auch mit harzigen Tinkturen (Aloe- oder Myrrhentinktur) in verschiedenem Verhältniss zusammengemengt, benutzen. — Bei frisch entstandenen Flecken und Verdunkelungen der Hornhaut ist er, täglich 2 mal mit einem Pinsel auf dieselbe gestrichen, schon für sieb allein, noch mehr aber in Verbindung mit fein pulverisirtem Zinkvitriol (2(1 bis 30 Gran zu | Unze Ho­nig) ein ganz vortreffliches Mittel. (Sauerhonig aus den Apo­theken ist entbehrlich und zu theuer. Grünspan - Sauerhonig siehe bei Grünspan, in der Xll. Klasse.)
3. SüssholzWUrzel, lludi.r Liquiritiae s. Glyiynhiinc.
sect;. 181.
Sie enthält neben der Holzfaser Stärkemehl, BiweisstofT, eme harzige, etwas scharfe Substanz etc., hauptsächlich aber eine eigen-thümiiehe, süsse, ungährbare Substanz (Glgq/rrhittn, Glyktrrhhta, auch Glycioa genannt), in Verbindung mit Schleim und mit etwas bitterer, kratzender Substanz. — Ihre Wirkungen bestehen in sehr gelinder Erregung der Schleimhäute, besonders der derRespirations-orgaue, wodurch vermehrte Absonderung, mehr lockerer Husten und leichter Auswurf entsteht. Auch kann sie, wie die übrigen süssen Mittel, etwas einhüllend wirken und dadurch einen gereizten Zustand der Respirations- und Hainwerkzeuge mindern. Auf Me-lallsalze wirkt sie kaum bemerkbar ein.
sect;• 182.
Die Süssholzwnrzel wird jetzt in der Thierarzneikunde we­niger als ehemals angewendet. Vitet lobt eine Abkochung von
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ihr zum iimerlicben und äusserlichen Gebrauch liei Flechten, und behauptet, dass dadurch selbst in solchen Füllen Heilung bewirkt worden ist, wo früher alle Mittel nichts fruchteten.*) Sie ist aber liir diesen Gebrauch eanz in Vergessenheit gekommen, und das wohl mit Recht, da wir kräftigere Mittel gegen Hautäusscfaiäge be­sitzen. Ära häufigsten wird sie noch bei Krankheiten der Respi-rationsorgaue, die mit vielem trocknen Husten verbunden sind, be­nutzt, wo sie am besten beim Uebergauge des ersten Stadiums in das zweite, und bei gelindem Graden der Entzündung passend ist. Eben so benutzt man sie bei dem schmerzhaften Uriniren, beson­ders wem; blos eine zu schürfe und reizende Beschaffenheit des Urins die Ursache der Schmerzen ist. Doch gebraucht man die Süssholzwurzel fast niemals als Hauptmittel, sondern mehrentheils nur als ein passendes Vehikel für andere wirksame Arzneien, wel­che in kleineu Gaben angewendet werden, z. B. Brechweinstein, Ca­lomel, Schwefelleber und dergl. Ich benutze sie hierzu gern, tbeils weil sie die Wirkung dieser Mittel unterstützt, theils auch weil sie den Pillen und Latwergen eine bessere Gonsisteuz giebt, und die­selben besonders lockerer und leichter aufloslicb macht, als wenn Juan, um die nothige Masse zu gewinnen, blos Mehl oder Althee-wurzelpulver in grosser Menge hinzusetzt.
Die Gabe ist, für Pferde und Kinder 1 bis 2 Unzen, für Schale, Ziegen und Schweine -j bis 1 Unze, für Katzen und Hunde 1 Skru­pel bis 2 Drachmen. — Diese Gaben könnten zwar ohne Nachtheil der Thiere um das zehnfache verstärkt werden, sind aber für den Heilzweck in der bezeichneten Grosse ausreichend.
sect;. 183.
Der Süssholzsaft, Lakrizensaft {Succus Liquiritiae) besitzt dieselben Wirkungen wie die Süssholzwurzel selbst, wird aber als Arzneimittel für die Thiere noch weniger gehraucht als diese. Da er wohlfeil ist, konnte er gegen Husten und andere catarrhalisehe Zufälle bei den kleinen Hausthieren m Auflösungen (1 Drachme ZU 2 bis 3 Unzen Wasser), Pillen und Latwergen augewendet wer­den. Rysz empliehlt den gepulverten Süssholzsaft als Bindemittel bei Latwergen zu benutzen, besonders wenn man die Medikamente über Land verschicken und in grössern Quantitäten für mehrere Tage zusammengesetzt geben muss: man soll 1 bis 2 Esslüffel voll von ihm zu den übrigen Ingredienzien hlnzuthun, und dann das Ganze mit dem nöthigen Wasser zur Latwerge machen. Auf diese Weise kann mau die für jeden Tag nCthige Portion der Medizin richtig abgctheilt in Papier geben, somit den Transport erleichtern
quot;) Vilelj Unlerriclil In ilor Vichorzoclkundc. u. Bd. 78.
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imd das Verderben der in grosseu Massen zusammengesetzteD Iiat-wergen verhüten, was sonst bei iler Verbindung mit süssen Stoffen fasf unvermeidlich ist, was hier aber um so weniger stattfuulet, da Suce. tA'jutrUiae nicht pährt.
4, Möhrrti b eu, Radices Hauci.
sect;. 184.
Dir Mohrrüben, Mohren oder gelben Rüben enthalten eine bedeutende Menge Zucker, in Verbindung mit Stärkemehl und andern Stoffen. — Sie wirken ähnlich wie die übrigen süssen Mit­tel, alle Se- und Exkretionen (bei melkenden und säugenden Thie-reu besonders die Milchabsonderung) befördernd, zugleich aber sehr nährend, und sie werden deshalb vorzüglich als Nahrungsmittel, besonders für pflanzenfressendeThiere und bei verschiedenen Krank­heiten auch als diätetisches Heilmittel benutzt. Namentlich leisten sie gute Dienste bei chronischem Husten, bei veralteter Druse, bei Dampf, bei eiternden Lungenknoten, bei der Lungenseuche des Rindviehes, bei schlechter Fresslust, bei Schwäche der Verdauungs­eingeweide, bei Eingeweidewürmern (erprobt bei Spulwürmern), bei unvollständiger Ernährung, daher bei allgemeiner Abmagerung und Schwäche, und in ähnlichen Fällen, — auch in der Rekonva-lescenz nach allen diesen Krankheitszuständen.
Man giebt sie mehrentheils roh, blos rein gewaschen und klein zerschnitten oder zerstampft, bald für sich allein, bald mit anderm kurzen Futter, z.B. mit Kleie, mit Hafer und Häcksel gemengt, zu­weilen aber auch, besonders für Schweine (und für Hunde immer) gekocht, in Mehlsuppen u. dergl.
tin Anfange giebt man den 'filieren nur kleine Quantitäten, z. B. Pferden und Rindern (i bis s Pfund, Schafen, Ziegen und Schweinen 2 bis 3 Pfund, Hunden £ bis I Pfund, auf -'i bis 4 Por­tionen vertheilt, ind verstärkt dieselben in dem Verfältniss, wie der Appetit und die Verdauung sich bessern, alhuählig immer mehr bis zur doppelten Menge und darüber.
Die Mohrrübenfntterung muss immer durch längere Zeit (bn-gesetzt werden, wenn man einen guten Erfolg davon sehen will.
Der Mohrrübensaft (Sunns Datici inspissattts s. Hoob Daucl) wirkt ähnlich dem Honig, wird aber für sich als Arzneimittel nicht benutzt; dagegen kann er als der wohlfeilste von den eingedickten süssen Säften zur Bereitung von Pillen und Latwergen als Binde­mittel in solchen Fällen verwendet werden, wo süsse Mittel üher-banpl passend sind. Doch darf man dann nur kleine Quantitäten
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solcher Arzneien zubereiten lassen, weil ilcr Mohrrtibensaft sehr leicht in saure Giihmng Qbergeht.
sect;. 185. Zu den siissen Mitteln, die aber als Arzneimittel wenig benutzt werden, sind noch zu rechnen:
a)nbsp; Die Pastinakwurzel {Paslinnra saiwu), so wie auch die Wurzel von den verschiedenen Arten und Aharten des Mangold (Heia), namentlich die rothe Rühe (Belanulgaris) und die Run­kelrübe, Burgunderrübe {Beta altisshna). Sie sind den Mohr­rüben sehr ähnlich, sowohl in den Bestandtheilen wie in den Wir­kungen, und man benutzt sie daher als Nabnmgs- und als cliäte-lisches Mirtel für pflanzenfressende Thiere, besonders für Kühe, Schafe und Schweine wie die erstem. — Fast eben so ist es mit den Wurzeln von den verschiedenen Arten der Kohlrühen (Hras-sira rupu. li. uapobrassica u. s. \v.), welche jedoch viel weniger siis­sen Stoff', dafür alier etwas scharfe Bestaudtbeile enthalten.
b)nbsp; Die Quecken- oder Graswurzel (liadu Graminis). Sie enthält einen eigenen Zuckerstoff, Schleim, Eiweis und Extraktiv­stoff, vermöge welcher Bestaudtheile sie Minlich wie die Mohrrüben wirken kann. Man benutzt sie daher bei denselben Kraukheitszu-ständen wo diese empfohlen sind, und giebt sie, sowohl im frischen Zustande, wie auch getrocknet rein gewaschen und klein zerschnit­ten, den pflanzenfressenden Thieren mit Hafer und dergl. gemengt zum Futter, oder auch diesen und den übrigen Thieren im Dekokt mil Wasser. — Die Gabe ist für Pferde und Rinder gegen 1 bis :l Pfund, für Schafe. Ziegen und Schweine gegen '; bis #9632;'; Pfund, für Hunde und Katzen i bis 1 Unze, (äglich 3 mal. Zu dem De-kokl nimmt man 1 Unze auf 1 Pfund Wasser, und lässt dies zur Hälfte einkochen und dann durchseihen. Man setzt dasselbe den Thieren als Getränk vor. und wenn sie es nicht freiwillig saufen, so giebt man es ihnen als Eingnss. Dies Mittel ist seiner Wohl­feilheit wegen auf dem Lande sehr zu empfehlen; aber der ehedem gebräuchliche Queckensaft und das Queckenextrakt sind entbehrlich.
c)nbsp; Die Manna ist ein starr gewordener, süsser Saft von ver­schiedenen Arten der Manna-Esche, besteht aus Traubenzucker, aus einem nicht gähruugsfähigen siissen Stoff (Mannastoff, Man-nit), und ans schleimigem Extraktivstoff. Sie wirkt hei innerlicher Anwendung fast ähnlich dein Honig. Sie wurde ehedem als Laxir-mittel gebraucht, verdient aber ganz aus dem thierärztlichen Arz-neivorratb ausgeschlossen zu werden, weil sie nur wenig wirksam, viel zu theuer und durch bessere Mittel zu ersetzen ist. Pferde, vertragen 1 Pfund ohne zu laxiren; hei Schafen bewirkten, nach
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Daübeutou's Äagabe 2 Unzen im Wasser aufgelöste Manna gar nichts, 3 oder 4 Unzen aber brachten nach t) Stunden eine Abfüh­rung hervor, ohne dass die Thiere Schmerzen erlitten oder den Appetit verloren; 5 Unzen bracKten dieselbe Wirkung hervor, schie­nen aber etwas Schmerzen zu verursachen.')
d)nbsp; Das Pflaumenmus {Pulpa l'runorum). Dieser säuerlkh-siisse, eingedickte Salt wirkt fast ähnlich wie der Honig, jedoch mehr kühlend, die Sekretionen im Darmkanal vermehrend und da­her bei kleinen Hausthieren gelind laxirend. Es kann tue Manna und eben so die ähnlich wirkenden (ehedem auch in der Thierarz-neikunde gebräuchlichen), aber zu thonren Tamarinden vollkom­men ersetzen. — Man wendet es vorzüglich bei Entzüuduugskrank-heiten, namentlich bei Entzündungen der Lunge und der Bauch­eingeweide, jedoch nur bei Katzen und Hunden au, und giebt es zu 2 bis 3 Drachmen in ii bis S Theilen Wasser aufgelöst, und mit Weinstein, Glaubersalz oder Salpeter versetzt, täglich 3 bis 4 mal. — Bei den grosseu Hausthieren leistet es sehr wenig und wird deshalb auch bei ihnen nicht benutzt.— Zum Bindemittel fiir andere Arzneien eignet es sich uichl so gut wie die vorher ange­gebenen süssen Mittel.
e)nbsp; Milchzucker. Siehe bei Milch, S. 133. ;;. 114.
Fiiufte Alitlieilmig'.
Fett- und ölhaltige Mittel {Medicamina pinguia et utcosa).
sect;, 186. Die hierher gehörigen Mittel sind die sogeuauuteu Fette, Talge und fetten Oele, welche sich als ein Bestandtheil organi­scher Körper in Thiereu und Pflanzen häutig linden. Man unter­scheidet sie in thierische und vegetabilische Fette; doch ist zwischen beiden kein wesentlicher Unterschied, weder in den (frundbestand-theileu noch in ihrem Verhalten zum Thierkörper oder zu andern Substanzen. IhreElementarbestandtbeilc sind: sehr vielKohleustoff, mit Wasserstoff und Sauerstoff: aber weder die ihierischen noch die vegetabilischen Fette enthalten Stickstoff, und sir reagireu weder sauer noch alkalisch. Die nähern Bestaudtheilc der meisten Fette, Talge und fetten Oele sind Oelstoff (Oleinc) und Taigstoff
*) Aiiscrles. Beitrügt; zur Tbierarzneik, (.Stck. Leipz. (780. S. t8i.
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(Sicarine), zu denen in manchen Fällen noch eigene, einfache Fett-arteu {/,. B. Bocktalgfett, Hlreine und dergl.) gemischt sind. Der OelstpfT bildet den Haupthestaudtheil der, bei gewöhnlicher Tempe-ratur flüssigen Oele und der weichen Fette, und findet sich in gerin­ger Menge auch in der Butter und im Talge, — wogegen der Talg-stofT ctenHauptbestandtheil derTaJgarten ausmacht. Ausser diesen wesentlichen Bestandtheileri sind in den feiten Mitteln noch sehr nft fremde Stoffe, namentlich Eiweis, Schleim, Q-allerte, Farbstoffe, Harz, ätherisches Oei, Salze u. s. w. beigemengt enthalten; auch verändern eich diese Mittel durch Einwirkung der Luft, indem sie Sauerstoff aufnehmen, hierdurch verschiedene Fettsäuren bilden, da­bei Kohlensäure und Wasserstoffgas ausscheiden, dadurch m0br oder wenig scharf und ranzig werden und auch eintrocknen. Nach der letzteren Eigenschaft unterscheidet man die Oele im Allgemei­nen als trocknende und als schmierige, nicht trocknende Oele. Jene Veränderungen geschehen bei den schmieligen Fetten und den fetten Oelen weit schneller und mehr, als bei den Talg-arten; und sie sind sehr lieacliteiiswertli, weil in den ranzigen Fet­ren auch die Wirknngsart verändert, nicht mehr mild, sondern rei­zend ist, und die trocknenden Oele bilden auf der Oberfläche des Thierkörpers lirnissartige, festsitzende Krusten. Daher eignen sich diese Oele nicht zur Bereitung der Linimente. — Von den übrigen Eigenschaften der fetten Mittel sind in arzneilicher Hinsicht fol­gende die wesentlichsten: Bei gewöhnlicher Temperatur der At­mosphäre sind diese Mittel theils fest (Talgarten), thcils schmierig, weich (Fett- und Butterarten), theils flüssig (Oel, Thrau); bei gerin­gerer Temperatur erstarren auch die Fette und die Oele, bei höherer Temperatur wird auch Talg flüssig; im reinen Zustande haben sie einen sclileimig-siisslichen Geschmack, keinen hervorstechenden Ge­ruch; sie sind im Wasser gar nicht, in kaltem Alkohol wenig, in heissem mehr löslich: aber in Aether und in ätherischen Oele?i lö­sen sie sich auf und verbinden sich mit ihnen in allen Verhältnis sen; mit Wasser können sie durch Schleim, Gummi, Eigelb und kohlensaures Kali oder kohlensaures Natron innig gemengt werden und bilden so die Emulsionen; ölhaltige Samen, mit Wasser zer­rieben, geben auch ohne Zusatz solcher Mittel Emulsionen; durch ätzende Alkalien, alkalische Erden und einige andere Metallbasen werden die Fette zersetzt und in Seife umgewandelt: conzentrirtquot; Säuren zerstören die Fette und Oele; diese Mittel nehmen Wachs, Harze, Pflanzensäuren, Melalloxyde In sich auf, den Schwefel und Phosphor lösen sie mit Hülfe der Wärme, den Kampher auch ohne diese auf.
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sect;• 187. Die Hauptwirkung der fettigen Mittel ist eine örtliche und be­steht in der im Sj- 129. angegebeueu Einhüllung, Erweichung und Erschlaffung der von ihnen berührten organischen Gebilde, und in Verminderung der Reizbarkeit und Empfindlichkeit derselben. Ais Folgewirkungen zeigen sich dann gelinde Vorinehrung der Se- und Exkretionen, Minderung der zu grossen krankhaften Spannung, der Härte und Schmerzen u. s. w. Diese Wirkungen erfolgen bei in­nerlicher und äusserlicher Anwendung fast ganz gleichartig, und in einem noch höhern Grade als bei den schleimigen Mitteln. Bei innerlicher Anwendung bringen sie zwar durch die Erscblaffung u. s. w. auch conseusuell in andern Organen, z. B. in der Luft­röhre, in den Nieren und in der Blase, Minderung der Schmerzen und der krankhaften Spannung hervor; sie schwächen aber, in grossen Gaben oder öfter wiederholt angewendet, sehr bald die Ver-daunngseingeweide In hohem Grade, und erzeugen Appetitlosigkeit, Durchfall und Abmagerung; denn für sieb allein gegeben sind sie schwer und langsam verdaulich, besonders für pflanzenfressende Thiere, und wenn sie auch verdauet werden, so können sie ver­möge ihrer Gnindinischnng (wegen gänzlichen Maugels an Stick­stoff) doch nicht zur Ernährung des Körpers dienen (sect;. 131.). Hunde, welche blos reines Olivenöl oder Butter zur Nahrung, und destil-lirtes Wasser zum Getränk erhielten, starben bei Magendie's Ver­suchen ziemlich gleichmässig um den 36sten Tag, nachdem sie sehr schwach und mager geworden waren, und Geschwüre auf der Hornhaut der Augen bekommen hatten.') — Dennoch sind die fei­len Substanzen in gewissen Verhältnissen zur Erhaltung des Kör­pers iiöthig, und in kleinen Gaben und in Verbindung mit andern Substanzen können sie auch ziemlich gut verdauet und assimilirl werden, und somit auch die Ernährung befördern, besonders bei fleischfressenden Thieren. Bei ihrem längeren Gebrauch und wenn grössere Quantitäten gereicht werden, geht ein Theil der Fette, un­verändert in das Blut über und wird In den Lungen, in der Leber und den Nieren abgesetzt, so dass die Textur und die Funktion dieser Organe leidet; auch wird das Blut hierbei mehr dunkel ge­färbt und mehr reich an Kohlenstoff, welchen diese Mittel als vor­waltenden Grundstoff enthalten, an das Blut absetzen, und mehr oder weniger umgebildet durch die Lungen, die Nieren und die Le­ber wieder ausscheiden. (Burggräve, Note sur Faction therapeu-tique des huiles grasses. — Ginge et Thiernesse, Hecherches experimentales relatives ä l'action des huiles grasses sur l'oecono-
') a. a. o. S. 3S3. ii. 3St.
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mie animale. Beides im Bulletin de l'acariemie Royale de medec. de Belg. T. III. Nr. 9. S. 7S6 u. 810. Mit Abbild.)
sect;. 188.
Besitzt ein fettes Mittel andere als die angegebenen Wirkun­gen, so sind dieselben entweder durch fremdartige Stoffe, oder durch den ranzigen Zustand veranlasst. Im ranzigen Zustande wirken alle fettige Mittel scharf reizend auf die berührten Stellen; im Darmkanal verstärken sie die Absonderung seröser Flüssigkei­ten und die wurmformige Bewegung, und können dadurch Laxi­ren erzeugen. Aeusserlich verursachen sie an der Haut juckenden Schmerz, und bei langer Dauer der Einwirkung selbst Entzündung, Ausschwitzung, Zerstörung der Oberhaut und Ausfallen der Haare, welche letztere jedoch sehr bald wieder nachwachsen.
sect;. 189.
Die Anwendung der fetten Mittel ist angezeigt: im Allgemei­nen bei jeder örtlichen Reizung, sowohl innerlich als äusserlicfa, da­her bei Einwirkungen scharler, reizender oder ätzender Stoffe (aber nicht bei Vergütungen mit Arseniksäure oder mit Canthariden, denn beide Substanzen werden durch Fett noch wirksamer, wenn letzteres nicht in sehr grosser Menge gegeben wird); ferner, bei Entzündungen, bei krampfhaften Zusammeuschnürungen (besonders im Verdauungskanal, in den Harn- und Geschlechtsorganen), bei lirampfkolik, bei hartnäckiger Verstopfung und bei Verstopfuugs-kolik, bei Koth- und Haarballon in den Gedärmen, hei ver­schluckten fremden reizenden Körpern, z.B. Knochensplittern, Sand und dergi.—'bei Verbrennungen, bei schmerzhaften trocknen Wun­den, besonders Schusswunden, — bei Hautausschlägen, — bei auf­gesprungenen Zitzen, —#9632; bei Steifigkeit, zu starker Contraction und Verkürzung der Muskeln, Sehnen und Gelenkbänder, bei Starr­krampf, — zu erweichenden, schmerzlindernden und ausleerenden Klystieren, — zur Erweichung festsitzender trockner Schorfe oder Borken, als Vehikel für andere wirksame Arzneistoffe, und zum Be­streichen der Hände und Instrumente bei verschiedenen Operationen,
Dagegen darf man diese Mittel nicht anwenden, wo grosse Schlaffheit und Reizlosigkeit, und in Folge dieses Zustandes ver­mehrte Absonderung besteht; auch bei Unverdaulichkeit sind sie im Allgemeinen nicht passend. — Auf entblösste Knochen und auf seröse Häute zeigen sie eine sehr nachtheiliae Einwirkung, und Katzen ertragen sie auch auf der änssern Haut nicht, wenn sie hier über den ganzen Körper verbreitet angewendet werden. In mehreren Fällen der Art entstanden in kurzer Zeit Traurigkeit, Ab­magerung, und in 10 Tagen der Tod.
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sect;. 190.
Zum inuerlicheü Gebrauch giebt man die fetten Mittel entwe der üir sich allein, und zwar die Oele oft in ihrem natürlichen Zu­stande, die Talgarten aber über gelindem Feuer geschmolzen, oder mit Schleim etc. und Wasser zu Emulsiünen gemacht. Nach Er­fordern der Umstände setzt man ihnen auch Salze und andere Mit­tel bei. Aeusserlich werden sie gleichfalls bald für sich allein, bald in Verbindung mit Metalloxyden, mit ätherischem Oel, mit Cam­pher und dergl. in Form von Salben und Linimenten, oder mit Al­kalien als Seifen angewendet.
Sowohl zur innerlichen wie zur ausserliehen Anwendung müs­sen die Fette frisch, d. b. nicht ranzig sein, und bei der letztern Anwendungsart dürfen sie nicht zu lange auf der Haut u. s. w. sitzen bleiben, weil sie durch die Kürperwärme, durch die Haut-ausdünslung und andere Einflüsse noch schneller als sonst durch die Luft allein ranzig werden, und dann reizend und schädlich wirken (sect;. 1S6.). Um dies zu verhüten, wäscht man nach einigen Tagen das aufgestrichene Fett oder Oel mit warmem Seifenwasser oder mit einem schleimigen Dekokt, rein ab, und ersetzt es durch frisches. Wenn man die fettige Hautstelle mit einem Lehmbrei be­streicht und denselben nach dem Trockenwerden wieder abwäscht, wird das Feit am vollständigsten und leichtesten entfernt. Ranzige Fette sind nur ZU Salben und Linimenten, die erregend wirken sollen, zu benutzen.
sect;• l'.'l.
Die Gabe zum innerlichen Gebrauch ist bei tier unbedeutenden Verschiedenheit der einzelnen fetten Mittel, von allen ziemlich gleich-massig für Pferde und Rinder auf 4, li bis 12 Unzen, für Schafe, Ziegen und Schweine auf 2 bis 6 Unzen, und für Katzen und Hunde auf #9632;£ bis 2 Unzen zu bestimmen. Die Wiederholung die­ser Gaben wird durch die Art, Heftigkeit und Dauer der Krank-beitszufälle bestimmt. Bei fortdauernder Reizung, bei Entzündun­gen und Krämpfen giebt man die kleineren Gaben nach kurzen Zwischenzeiten (etwa alle halbe bis ganze Stunden) oft wiederholt; dagegen bei vorhandenen fremden Körpern und bei scharfen Stof­fen, (lie man einhüllen will, und bei Verstopfung des Leibes giebt man grosse Gaben nach langen Zwischenräumen (in '24 Stunden nur 2 bis 3 mal) und im Ganzen seltener, gewöhnlich bis Poltern im Leibe entsteht.
Bei dem ausserliehen Gebrauch richtet sich die Menge der nö-tbigen fetten Mittel nach der Grosse der zu bedeckenden Fläche, und zu einem Klystiev nimmt man für die grossen Hausthiere 2
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bis 3 Unzen, für die kleinen aber \ hin i Unze, als Zusatz zu .schleimigen n. a. Flüssigkeiten.
I. Scnweineschmalz, Sehweinefett, Adeps suillä s. Axun-
gla porcina.
sect;. 192.
Es ist. weich, schmierig und im reinen Zustande sehr mild, wird aber sohneil ranzig. Die Wirkung und Anwendung ist so wie im Allgemeinen angegeben (g. J.^T bis 191.); doch wird es in­nerlich nur wenig, und last nur bei Pferden gegen Verstopfnngs-kolik gebraucht, und am besten mit einem schleimigen Dekokt ein­gegeben. Aensserlich findet es dagegen seiner weichen Consistent, und seiner Wohlfeilheit wegen eine häufige Anwendung in den im Allgemeinen (5$. 189.) angedeuteten Füllen, und besonders wird es zum Schütze der Haut gegen die Einwirkung scharfer Jauche aus Wunden und Geschwüren, bei Haarseilen und Fontanellen, bei der Anwendung scharfer Salben und Einreibungen oder flüssiger Aetz-mittel und dergl., als die einfachste Salbe angewendet. Es dient zur Grundlage der meisten zusammengesetzten Salben, steht aber bei Augensalben der frischen ungesalzenen Butter etwas nach.
2. Butter, Duhjrum.
% 193.
Die Butter ist ziemlich von der Consistenz des Schweineschmal­zes und im reinen und frischen Zustande das mildeste Fett, wird aber ebenfalls leicht ranzig. Sie wirkt wie die FV-tte überhaupt, und ist auch ganz wie diese, besonders wie Schweinefett zu be­nutzen. Ihre innerliche und äusserliche Anwendung ist aber nicht sehr gebräuchlich, denn man benutzt sie fast nur allein bei schmerz­haften Entzünd-.mgsgeschwülsten (namentlich bei Euterentzündun­gen), die man bald zur Zerfheilnng oder zur Eiterung bringen will, und wo man sie entweder blos für sich allein aufstreicht oder mit schleimigen Mitteln zugleich in Breiumschlägen anbringt. Am meisten dient sie zur Bereitung der Augensalben, wo sie vor allen indem Fetten den Vorzug besitzt. Diese Beschränkung des Ge­brauchs der Butter ist aber unrecht, da man sie fast überall als Hausmittel leichter, wohlfeiler und reiner haben kann, als die übri­gen Fette, und da sie vermöge ihrer Consistenz sich leicht anwen­den lässt. Zu Augensalben muss sie frisch, rein, ausgewaschen und ungesalzen (Uutyrum recens. lt. insuhum) sein.
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3. Hammel- oder Schöpstal[g, Serum ovtllum s. vervecinum i. hircinum; und
-i. Rindertalg, Serum taurinum s, borimim.
sect;• IW.
Sie besitzen beide eine viel festere Cousistenz ;ds die übrigen gebräucblicben Fette, und werden innerlich noch seltener als das Schweinesehmalz und die Butter, änsserlicli aber fast nur als Zu­satz zu Salben benutzt, um dieselben etwas mehr dickflüssig zu machen. Zum innern Gebrauch müssen beide vorher geschmolzen, und dann mit lauwarmen, schleimigen Flüssigkeiten in Verbindung angewendet werden.
Sie sind ziemlich entbehrlich.
it. Fischthran, Adep$ piscarius s. Axungta relariu.
pisihim.
s. Oleum
sect;. 195. Er bleibt bei gewöhnlicher Temperatur flüssig, ist nicht trock­nend, aber stets etwas scharf und daher in seiner Wirkung den ranzigen Fetten ähnlich. Der sogenannte Berger Leberthrau enthalt (nach Kopp und de l'Orme) auch Jod, wodurch die Wirk­samkeit dieses Mittels, im Vergleich zu den übrigen Fetten bedeu­tend verändert wird. — Innerlich in etwas grossen Gaben (wie sie im Allgemeinen, Sj. 191., bezeichnet sind) angewendet, erregt er leichter als die übrigen Fette Laxiren, und er wird deshalb mit gu­tem Erfolge bei Verstopfung des Leibes, bei Verstopfungskolik u. s. w. bei allen Hausthieren benutzt; doch muss er mit einiger Vorsicht gebraucht werden, weil er leicht Unverdaulichkeit und an­dere gastrische Beschwerden erzeug!. — Gegen chronischen Rheu­matismus, wo er in neuerer Zeit bei Menschen mit Nutzen ange­wendet worden ist, habe ich ihn bei Pferden, Rindern und Hunden in verschiedenen Gaben innerlich und zugleich äusserlich durch lange Zeit fortgebraucht, fast ganz ohne günstigen Erfolg versucht. — Aeusserlich leistet er bei Verdunkelungen der Hornhaut, bei Steifigkeit der Sehnen, und bei Geschwülsten an denselben (bei Gallen und dem sogenannten veralteten Sehnenklapp) als erwei­chendes und gelind reizendes Mittel oft gute Dienste, und eben so ist er bei flechtartigen Hautausschlägen, welche dicke Borken oder Schorfe bilden, wie z. B. das sogenannte Teigmal bei Kälbern und Lämmern, ein recht wirksames Heilmittel. Man benutzt ihn hier
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oft für sich allein oder mit Schiesspulver (1 Theil zu 2 Theilen warmeraquo; Thran) zur dünnen Salbe gemacht, welche man auf die, vorher von den Schorlen befreiten Stellen aufstreicht und in Zwi­schenzeiten von 24 Stunden noch 1 his 2 mal wiederholt. Selten ist eine öftere Anwendung zur gänzlichen Heilung nothig. — Zu Klystieren ist er für die meisten Fälle zu reizend und daher nur bei chronischer Verstopfung anwendbar.
Ausserdem wird der Thran noch häufig als ein beliebtes Haus­mittel von Kutschern und andern Personen, innerlich bei der Staupe der Hunde, äusserlich bei Entziindungsgeschwülsten, bei Späth und anderen Gebrechen, jedoch grüsstentheils zur Unzeit und mehr zum Schaden als zum Nutzen angewendet.
6. Baumöl oder Olivenöl, Oleum Olivarum.
sect;. 196. Seine Wirkungen im frischen und im ranzigen Zustande stim­men mit der., im Allgemeinen bezeichneten Wirkungen der fetten Mittel übereiu, und es kann daher auch ganz nach den gegebenen allgemeinen Andeutungen benutzt werden. Bei dem Starrkrampf in die Haut eingerieben, scheint es durch Isolirung des Körpers gegen die äussern Einflüsse nützlich zu wirken. Schmiederer empfiehlt es, auf '28jährige Erfahrung gestützt, vorzüglich gegen Darmentzündung der Pferde, in Verbindung mit schleimigen Flüs­sigkeiten zu geben,*) und Greve hat es bei Wiederkäuern in Ko­liken, welche mit Verstopfung und mit gehindertem Wiederkauen bestehen, und die von zu häufigem Genuss trockener Körnerfrüchte, von Mehl, Spreu und dergl. entstanden sind, mit gutem Erfolge in grossen Gaben angewendet.*') Waldinger***) und Rysz,f) welche sehr gegen den Gebrauch des Baumöls und der fetten Mit­tel überhaupt sind, weil sie (wie oben bemerkt) innerlich leicht ga­strische Beschwerden erzeugen, auf der Haut ranzig werden, wol­len es nur bei solchen Koliken empfehlen, die von zu viel ver­schlucktem Sande herrühren; in allen übrigen Koliken soll es mehr schädlich als nützlich sein. Dies ist jedoch sehr gegen die Erfah­rung. — Im krampfhaften trockenen Reizhusten u. s. w. leistet es, besonders bei Hunden gute Dienste, wenn man es lauwarm zu einem halben bis ganzen Esslööel voll bei den Anfällen eingiebt.
*) Teuffel's Magazin für Thierheilkiinde. ). Bd. S. 49. 50. **) Wahrnehmungen am Rindvieh. S. (0i, ***) Nahrungs- und Heilmillellehre. S. 206. t) Arzneimiltellehre. S. 32. Ilerlw ig Afzneimittellelire. -nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 12
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Um es hierbei noch wirksamer zu machen, kann man es mit Opium-tinktur oder mit Bilsenkrautextrakt (^ Drachme auf l Unze Oel) verbinden. —
Bei schmerzhaften Manlschwämmen der Kälber und Lämmer giebt man mit Nutzen täglich 2 mal einen kleinen Esslüffel voll Baumöl, sorgt aber dabei für Reinlichkeit und für gesundes Futter. Bei Entzündungen des äussern Gehürgauges, welche mit heftigen Schmerzen und mit Austluss einer fressenden Jauche begleitet sind, bewirken einige Tropfen reines Baumöl schnelle Minderung der Zu­fälle, wenn auch nicht wirkliche Heilung. Eben so mindert es die Spannung und den Schmerz bei Stichwunden, wenn es auf die umliegenden Theile gelind eingerieben wird, und bei Stichen und Bissen von Insekten und Nattern gehurt das Baumöl zu den vor­züglichsten Heilmitteln. — Bei fremden Körpern im Schlünde er­leichtert es deren FortschatFung. — Man glaubt auch, dass es den Haarwuchs befordere und wendet es zu diesem Zwecke auf kahle Hautstellen, nach Exkoriationen, Verbrennungen, Verwundungen u.s.w. an; sein Nutzen hierbei ist jedoch noch sehr zweifelhaft.—
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Auf die Haare gestrichen hält es im Sommer die Fliegen gut ab.
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Zu Klysiieren u. s. w. ist es, wie im Allgemeinen angedeutet, zu benutzen.
Mit Bleiessig, mit Kalkwasser (1 Th. zu 3Th.), mit Kampher,nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; „gt;
mit Salmiakgeist, mit Phosphor und mit Terpentinöl verbunden, giebt es verschiedene Linimentc. Es eignet sich hierzu und über­haupt zum äussern Gebrauch recht gut, weil es langsamer als manche andere Oele vertrocknet.
Seines Preises wegen muss es aber zum thierärztlichen Ge­brauch mehrentheils dem Leinöl und andern inländischen Oelen nachstehen, besonders wenn es in grossen Quantitäten angewendet werden soll; auch sind die geringeren Sorten des Baumöls weit ranziger, schärfer und daher zum medizinischen Gebrauch schlech­ter als die inländischen Oele.
7. Leinöl, Oleum Lini.
sect;• 197. Es ist ein sehr trocknendes Oel, wird schnell ranzig, löst sich in 5 Theilen kochenden und in 40 Theilen kalten Alkohols auf.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; #•
Wenn es frisch und ganz rein ist, besitzt es die Wirkungen wie die übrigen fetten Mittel, im ranzigen Zustande nähert es sich aber den Wirkungen des Fischthrans, und erregt wie dieser Laxireu. — Es ist ganz so wie die fetten Mittel überhaupt, aber besonders wie das Baumöl innerlich und äusserlich zu gebrauchen Vor dem
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letztern hat es den grossen Vorzug der Wohlfeilheit; es steht ihm alier bei äusserlicher Anwendung darin nach, dass es in kurzer Zeit zu einer firnissartigen Kruste vertrocknet, die sich seihst mit Seifenwasser schwer aus den Haaren herausbringen 1,'isst. Es ist deshalb bei seinem Gebrauch eine fleissige Reinigung der betreffen­den Steilen iiuerlilsslich. Bei dem Volke steht es in dem Ruf, die Haare schnell wachsend zu machen, — worin es aber nicht mehr zu wirken vermag als jedes andere fette Mittel.
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Mit den obigen fetten Mitteln im Wesentlichen Übereinstim­mend sir.d auch die folgenden:
1) Nicht trocknende Oele, Fette und Talgarten;
Pferdefett oder sogenanntes Kammfett {Axungta c-juorum); geschmolzen ist es fester als Schweinefett, aber wie dieses zu be nutzen. — Gänsefett {Ammg. anseriaa), sehr weich, bei mittler Temperatur der Luft halbflüssig, wird sehr langsam ranzig. Be­nutzung wie Schweinefett; ausserdem bei frischen Hornhautfleckeii,
—nbsp;Hundefett (^1. caufo.), mehr talgartig; ist entbehrlich. — Och-senklanenfett (A.pedum Tauri), olartig, flüssig, wird nicht leicht ranzig, zur änsserlichcn Anwendung, wie fette Mittel überhaupt, sehr brauchbar.— Hirschtalg (Sevum rervi) ist ganz gleich dem Rindertalg. — Eierül, siehe g. f40. — Fette von verschiedenen Fischen, z. B. Quappenfett, A air up penfett und dergl. werden leicht ranzig, sind dein Thran sehr ähnlich, stehen hin und wieder im Ruf als sehr wirksam gegen Verdunkelungen der Hornhaut, sind übrigens entbehrlich. — Rüböl {Ol.Nnpi. 01. Raparum), ne­ben dem Leinöl das wohlfeilste inländische Oel, ist wie Baumöl zu benutzen. — Bucböl oder Bucheckernül (01. nucleorum Fagi)i im frischen Zustande sehr mild: Benutzung wie das vorhergehende.')
—nbsp; Mandelöl (O. Amygdahirum), sehr mild, wird sehr spät ran­zig, ist zum Gebrauch bei grossen Thiercn und in grossen Gaben
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*) Die Buclieckernülkiiclien enthalten einen, im Wasser lüsliclien, alier nicht näher nachgewiesenen StolV, der bei Pferden die lieftigslen Krumpfe, Schmerzen im Leibe und selbst den Tod veranlassl. E'ferde slarben von \ bis 1 Pfund, Esel von i — 0 Unzen dieser Oelkucben in Zeit von 10—16 Stunden. Die Soklion zeigte entzündlicbe Reizung und Klulanhaufung in den Rauclieingevveiclen. Hei andern Thieren sind sol­che Wirkungen nicht beobachtet worden. Auch die Bucheckern selbst verursachen, jedoch erst in 3 bis 4 mal grösserer Gabe, hei Pferden und Eseln ähnliche Wirkungen. Siehe auch: llecueil de m^d. vellt;ir. i830. p. 149. — Archiv Schweiz. Thierärzte. Bd. 3. S. 87. l.amhv. Zeitung von Schnee, 1824. No. 43. S, 418. und ViboVg's Sammlung ö, Rd. S. 391 u. f.
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zu theuer. — Palmöl (O. Palmae), von bntterartiger Consistenz, seit einiger Zeit von englischen Thieriirzten statt anderer Fette viel benutzt, ist entbehrlich.
2) Trocknende Oele:
Hanföl (O. Cannubis), von mildem Geschmack, aber unan­genehmem Geruch, trocknet zu einem zähen Firniss, ist wie Leinöl zu benutzen. — Mohnöl (O. Papaveris), im Geschmack und An­sehen gleicht es dem Baumöl, ist sehr mild, enthält nichts Narko­tisches von dem Mohnsamen, wird wie Baumöl benutzt. — Wall-nussöl (O. nuvum luglandium), hat einen angenehmen, milden Ge­schmack, keinen Geruch, wird leicht ranzig, trocknet noch mehr als Leinöl, ist gegen Verdunkelung der Hornhaut gerühmt, sonst aber entbehrlich. — Ricinusöl ( O. Rlcini s. Palmae Christi), dickflüs­sig, ohne Geruch, von fadem Geschmack, in Alkohol vollkommen auflöslich, wird mit der Zeit ranzig, erträgt mehrere Grad Tempe­ratur unter 0 ohne zu gerinnen; es enthält etwas scharfes Harz und Ricinussäure, bewirkt Laxiren, muss aber für diesen Zweck den grossen Hausthieren zu 15—lü Unzen, den kleinern zu 1 — 3 Unzen gegeben werden; es ist für den gewöhnlichen Gebrauch zu theuer und entbehrlich.
Seeliste Abtliellnn^.
Wachs, Cera (besonders gelbes Wachs, Ceraßava).
sect;. 199. Das Wachs ist sowohl In seinen materiellen E.genschaften wie auch in seinen Wirkungen dem Fette, und nament.'.ich dem Talge ähnlich, hat aber vor diesem den Vorzug, dass es nicht ranzig wird. — Es ist bei innerlicher Anwendung sehr einhüllend und leistet bei ruhrartigen Durchfallen, die mit einem gereizten Zustande des Darmkanals verbunden sind, oft recht heilsame Wirkungen; es wird aber nur gelten benutzt, weil es sehr schwer verdaulich ist, und weil seine feste Consistenz die Anwendung erschwert. Man kann es zuweilen als wohlfeiles Heilmittel anwenden und den gros­sen Hausthieren zu 1 bis 1| Unzen, den Schafen, Ziegen und Schweinen zu ^ Unze, Katzen und Hunden zu ^ bis 2 Drachmen auf einmal, und täglich 2 bis 3 mal geben. Zur Anwendung wird es geschmolzen und mit warmer Fleischbrühe, oder mit dergl. Mehl­suppe, oder mit einer Abkochung von Stärkemehl zusammenge-
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schüttelt, oder mit Eigelb (2 Theile), einem fetten Oele und warmem Wasser (12 bis Ifi Theile) zusammengerieben.
Am häufigsten wird das Wachs äusserlich in Salben, zu deren Grundlage es mit den Fetten dient, benutzt. Es macht die Salben mehr consistent, so dass sie weniger leicht zerfliessen, dafür aber besser decken. — Die einfache Wachssalbe {Unguentum rereum s. Ceratum simplex), welche aus gelbem Wachs (1 Theil) und Schweine­fett (4 Theile), oder statt desselben Baumöl (2^ Theile) besteht, ist ein gutes Heilmittel bei Verbrennungen, bei Exkoriationen u. dgl., und kann ausserdem als das beste Schutzmittel für die Haut ge­gen die Einwirkungen scharfer Jauche, des Eiters und scharfer Me­dikamente benutzt werden.
Zweite Klasse. Bittere Mittel.
fMedicamenta amara.J
Begriff, Wirkung und Anwendung dieser Mittel im Allgemeinen.
sect;. 200. Als bittere Arzneimittel betrachtet man alle diejenigen, deren Hauptbestandtheil Bitterstoff oder bitterer Extraktivstoff
[Prinripium amarum) ist.
Dieser Stoff kommt im Pflanzenreich häufig (und zwar in al­len Theilen sehr vieler Pflanzen), bei Thieren aber nur in der Galle vor, und giebt sich im Allgemeinen hauptsächlich durch einen bit­tern Geschmack zu erkennen. Er erscheint aber in der Natur nir­gend für sich allein oder im reinen Zustande bestehend, sondern bald mit Schleim oder Gummi, bald mit Stärkemehl, Eiweis, Pflan­zensäuren, Kalien, Salzen, mit ätherischem Oel, Harz, adstringiren-dem oder narkotischem Prinzip, Farbstoff und dergl. verbunden. In neuerer Zeit hat man ihn auf chemischem Wege aus mehreren Pflanzen rein dargestellt und nach den Pflanzen mit besonderen Namen belegt; in vielen andern ist aber seine Verbindung mit je­nen Stoffen so innig, dass es bisher der Chemie noch nicht gelun­gen ist, aus ihnen den Bitterstoff für sich allein darzustellen. Da-
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her sind auch hier seine charakteristischen materiellen Kennzeichen noch nicht bekannt. Aber auch von den hekannten Arten des rei­nen Bitterstoffes ist das chemische Verhalten zu andern Stoffen, besonders zu denen des thierischen Organismus, nur wenig ermittelt.
sect;• 201.
Die einzelnen bittern Arzneimittel erhalten nach der Art und nach dem Verhältniss der übrigen Stoffe, welche mit dem Bitter­stoff verbunden sind, einen verschiedenen Charakter, und man un­terscheidet sie hiernach: a) in eigentlich bittere Mittel, in denen der Bitterstoff überwiegend ist und die im lebenden Körper, der Erfah­rung zufolge nur milde, diesem Stoffe allein zukommende Wirkun­gen erzeugen; — und b) in solche, wo andere Stoffe entweder ma­teriell oder auch in den Wirkungen über den Bitterstoff vorherr­schen. — Von den letztern kann hier nicht die Rede sein, da sie, wie z. B. die bittern narkotischen und die bittern purgirenden Mit­tel in andere Klassen geboren. — Aber auch die Arzneimittel mit vorwaltendem Bitterstoff erscheinen darin, dass sie entweder diesen Stoff ohne andere wirksame Bestandtheile enthalten, oder dass sie neben ihm noch etwas Schleim, Salze, adstringirendes Prinzip oder ätherisches Ocl besitzen, verschieden von einander, und sind hier­nach bald rein bitter, bald schleimig und salzig bitter, bald adstringirend und aromatisch bitter.
g. 202.
Die Wirkung der innerlich angewendeten bittern Mittel besteht wesentlich in einer Stärkung der sämmtlichen Verdauungs- und Assimilationsorgane. Sie äussern dieselbe zuerst und vorzüglich auf den Magen und Darmkanal, weiterhin aber auch auf die Le­ber, auf die Bauchspeicheldrüse, auf die Gekrosdriiscn, aufdieBlut-iiefässo und auf die sämmtlichen Absonderungsorgane, — und zwar in der Art, dass sie den Appetit erregen, die Verdauung und die Ernährung befördern, und hierdurch die Straffheit und die Kraft dieser Theile, besonders die Kraft der Muskelfasern (die Irritabili­tät) erhöhen, jedoch ohne dass weder gleichzeitig eine unmittelbare Aufregung des Gefässs- und Nervensystems, noch eine vermehrte Zusaminenziebung (CWrac/io) der Gewebe damit verbunden ist. Hierdurch unterscheidet, sich die Wirkung der bittern Mittel von der der erregenden und zusammenziehenden Mittel. Wo aber ein Mittel nebelt dem Bitterstoff noch ätherisches Oel oder Gerbestoff enthält, da nähern sich auch seine Wirkungen den eigenthümlichen Wirkungen dieser Stoffe, und zeigen neben der Stärkung auch Rei­zung und vermehrte Contraktion der betreffenden Theile.
sect;. 203.
Da die bittern Mittel im reinen Zustande weder unmittelbar
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erregend noch zusammenziehend wirken, so kann auch ihre Wir­kung nur äusserst wenig durch blosse Berührung vermittelt wer-mittelt werden, sondern dieselbe erfolgt hauptsächlich dadurch, dass die Mittel wirklich verdauet und assimilirt werden, ihr Bitterstoff mit dem Chylus in das Blut und in die übrigen Säfte gelangt und dann zum Theil an die Gebilde abgesetzt, zum Theil aber durch die Se- und Exkretionen wieder aus dem Körper entfernt wird. Dass dieses so ist, ergiebi sich daraus, dass 1) die bittern Mittel hei der Anwendung auf der Haut weder eine örtliche noch allge­meine irgend bemerkbare Wirkung äussern; 2) dass sie fast gar nicht wirken, wenn die Verdauung gänzlich darniederliegt und sie also nicht verdauet werden; 3) dass sie ihre vollständige Wirkung nur langsam und ganz in dem Verhältniss entwickeln, wie die Ver­dauung und Assimilation Stufe für Stufe vor sich geht; und l) dass bei längcrem Fortgebrauch dieser Mittel sehr oft (aber nicht immer) das Fleisch, die Milch und die übrigen abgesonderten Säfte der betreffenden Thiere einen bittern Geschmack annehmen. Doch ist über diesen Gegenstand, namentlich darüber: wie der Bitterstoff im Magen verändert wird, wo und wie er in das Blut aufgesogen und durch welche Organe er wieder ausgeschieden wird, durch di­rekte Versuche noch Manches zu entscheiden.
sect;. -m.
Bei gesunden Thieren kann man von den augedeuteten milden, fast nur allein auf die Reproduktion gerichteten Wirkungen der bit­tern Mittel, seihst wenn man diese in grossen Gaben anwendet (ausser der bittern Beschaffenheit der abgesonderten Säfte), sehr wenig wahrnehmen; aber an kranken Thieren, und namentlich bei fehlerhafter Verdauung und Ernährung zeigen sie ihre Wirkungen deutlich. Hier erregen und verstärken sie den Appetit, befördern die Verdauung, vermehren den Tonus und die Kraft der Muskel­fasern im Magen und Darmkanal, verstärken massig die wurmför-mige Bewegung, mindern die zu reichliche Absonderung der Ver­dauungssäfte gleichfalls in einem massigen Grade und verbessern deren Beschaffenheit; besonders wird der Dannschleim weniger zähe abgesondert, weniger Säure erzeugt, der Uebergang der Futterstoffe in die saure Gablung verzögert oder ganz verhütet, die Entwicke-lung der Gasarten (Blähungen) und der Eingeweidewürmer be­schränkt, und wo letztere schon vorhanden sind, werden sie nicht selten durch die stärkere Verdauung getödtet, so dass sie bald mehr bald weniger verdauet abgehen; die Absorption im Verdauungska­nal wird verstärkt, und daher Durchfall beseitiget. Bei dieser ge­steigerten Thätigkeit der Verdauungsorgane wird aus den genosse­nen Nahrungsmitteln mehr Chymus erzeugt als vorher, die Assi-
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tnilation wird ebenfalls gebessert, daher auch mehr und besser ge­mischtes Blut erzeugt, hierdurch die Ernährung im Allgemeinen be­fördert, und somit zuletzt der ganze Körper gestärkt.
Man betrachtet daher die bittern Mittel Kpeziell als magen­stärkende, als wurmwidrige etc., und auch als stärkende oder tonische Mittel überhaupt.
sect;. 205.
Die Anwendung der bittern Mittel findet grüsstentheils nur in­nerlich statt und ist im Allgemeinen angezeigt: bei allen Krank­heiton, die in atonischer Schwäche, d. i. Erschlaffung und Unthätigkeit der Verdauungs- und Assimilatious-organe, oder in mangelhafter Ernährung und Blutbil­dung begründet, oder wo bei allgemeiner Schwäche doch jene Organe in starke Mitleidenschaft gezogen sind. Die Zahl der Krankheiten, wo dies der Fall ist und wo da­her auch die bittern Mittel ihre Anwendung finden, ist sehr gross, und es gehören namentlich hierher:
a)nbsp; Die unterdrückte Fressluet (sogenannte reine Appetitlosig­keit), wie sie besonders beim Pferde in einer gewissen Selbststän­digkeit, ohne einen andern erkennbaren Krunkheitszustand und ohne Fieber, nicht selten vorkommt.
b)nbsp; Schlechte Verdauung, wo die Darm - Exkremente noch er­kennbares, unverdautes Futter enthalten, wo sie ihre gehörige Con-sistenz nicht haben, sondern zu locker und weich, mit zu vielem Schleim umhüllt, bei Pferden zu gross geballt sind, sauer und widrig riechen.
c)nbsp; Aufblähung (Trommelsucht) und Windkolik (mit Ausnahme solcher Fälle, wo die Aufblähung Folge von Eiuklemmung, Verwik-kelung, Entzündung oder Zerreissung eines Eingeweides ist); — wenngleich hierbei die bittern Mittel nicht immer die Hauptmit­tel sind.
d)nbsp; Durchfall und Ruhr; sie sind dabei überall wo kein entzün­dungsartiger Zustand des Dannkanals besteht, von guter Wirkung und zuerst den mehr stopfenden, zusammenziehenden und erregen­den Mitteln vorzuziehen.
e)nbsp; Eingeweidewürmer von allen Arten, wo diese Mittel nicht allein dadurch nützen, dass sie den vorhandenen Würmern im Ver-dauungskanal zuwider sind und deren Tod oder Abgang befördern, sondern vorzüglich dadurch, dass sie die fehlerhafte Schleimabson­derung bessern, die Verdauung mehr beleben und somit die für die Wurmbildung günstigen Verhältnisse gründlich beseitigen. Band­würmer und Oestruslarven werden jedoch von den bittern Mitteln wenig oder gar nicht gestört.
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f)nbsp; Gastrische und andere asthenische Fieber (wie namentlich Schleimfieber, asthenische, katarrhalische und rheumatisch-gastrische Fieber, Faulfieber, Typhus und dergl.), wo die bittern Mittel fast in jedem Stadium passend sind, jedoch mit andern, dein speziellen Zustande entsprechenden Mitteln, und namentlich in der ersten Zeit mit Salzen verbunden werden müssen.
g)nbsp; Fehlerhafte Beschaffenheit der Milch bei Säuge- und Melk­vieh (z. E. blaue, rothe, fleckige und klümprige, zu leicht säuernde Milch u s. w.), wo dem Uebel, wenn es nicht aus einer fehlerhaf­ten Beschaffenheit der Nahrungsmittel oder aus Mangel an Rein­lichkeit der Milchgefässe entstanden ist, fast immer ein gastrisches beiden, und besonders Schwäche der VerdauungEeingeweide zum Grunde liegt.
h) Die asthenische Harnruhr und das asthenisühe Blutharnen.
i) Zu reichliches Schwitzen, wenn dasselbe ohne hinreichende äussere Veranlassung erfolgt,—wie es oft bei und nach dem Haar­wechsel, nach überstandenen Krankheiten u. s. w. der Fall ist.
k) Kachektische und dyskrasische Krankheiten, wie z. B. Gelb­sucht und Häude bei den verschiedenen Thieren, die Bleichsucht, Fäule und Egelkrankheit der Schafe, chronische Schleimflüsse, bös­artige Druse, Rotz und Wurm bei den Pferden und dergl. Hier können die bittern Mittel durch Besserung der Reproduktion sehr viel zur gründlichen Heilung beitragen und wenigstens stets die Wirkung der, bei diesen Krankheiten gebräuchlichen spezifischen und äusserlichen Mittel sehr unterstützen.
sect;. 206.
Als Gegenanzeige gegen die Anwendung der bittern Mittel ist im Allgemeinen Vollblütigkeit, jede heftige Reizung und jede synochöse Entzündung, sowohl örtlich wie auch bei all­gemeinen fieberhaften Krankheiten, zu betrachten. Auch müssen diese Mittel bei sehr verminderter Absonderung der Schleim­häute, bei derjenigen Verstopfung des Leibes, die mit Trockenheit der Schleimhäute und zu starker Contraktion der Gebilde begleitet ist, und bei völliger Unverdaulichkeit nur vorsichtig und nur in Verbindung mit andern passenden Arzneimitteln, besonders mit Neutral- und Mittelsalzen gegeben werden. Asthenische und com-plizirte Entzündungen und eben solche Fieber, z. B. entzündlich-gastrische Fieber, schliessen dagegen die Anwendung der bittern Mittel neben andern nicht aus.
g. 207.
Die Gabe, in welcher diese Mittel angewendet werden, ist ziem­lich gleichmässig von den einzelnen Mitlein, für Pferde und Rinder gegen ^ bis 2 Unzen, für Schafe, Ziegen und Schweine 1 bis 4
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Drachmen, für Katzen und Hunde 10 Gran bis 1 Drachme. Von den Mitteln, die den Bitterstoff recht conzentrirt und rein enthalten, wie z. B. Enzian, Quassia und Bitterklee, giebt man gewöhnlich etwas kleinere Quantitäten als von den übrigen, schwächeren Mit­teln. Grössere Gaben als die bezeichneten sind, schaden zwar bei den Thieren nicht offenbar, sie bringen aber auch keinen Nutzen; in zu grosser Masse werden sie nicht verdauet, sie belästigen und stören die Verdauungseingeweide, und zuweilen bringen sie Appe­titlosigkeit, Leibschmerzen und Diarrhöe hervor.
sect;. 208.
Die bittern Mittel können in jeder Form angewendet werden; in Pulverform streut man sie den Thieren auf das Futter, wo sie aber leicht Ekel gegen das letztere erregen, und dann nicht in der nöthigen Menge genossen werden. Es ist daher besser, sie in Pil­len und Latwergen zu geben. Bei grosser Schwäche der Ver­dauungseingeweide giebt man sie aber am besten im Infusum mit heissem Wasser oder in einer schwachen Abkochung, weil sie darin für die Verdauung mehr vorbereitet werden. Bei Witderkäuern verdient die flüssige Form auch noch aus andern Gründen den Vorzug (sect;. 89.). Benutzt man zur Bereitung des Aufgusses oder der Abkochung die bittern Mitfei gepulvert, so ist das Durchseihen der Flüssigkeit nicht nörhig.
Man giebt sie zuweilen für sich allein, mehrentheils aber mit andern Mitteln, nach Bedürfniss der Umstände verbunden. Bei sehr grosser Schwäche und Reizlosigktit setzt man ihnen die ätherisch-öligen und flüchtigen Reizmittel, z. B. Kalmus, Pfefferminze, Ter­pentinöl, Kampher und dergl. zu; bei Wurmleiden sind aromatische Mittel, Terpentinöl, stinkendes Thieröl, Eisen, — bei Aufblähung und Säure Schwefelleber, Kreide, Kalk, — hei vorwaltender Er­schlaffung sind adstringirendc Mittel, bei Verstopfung des Leibes und bei Ansammlung von unverdauten Futterstoffen im Darmkanal sind abführende Salze, Aloe, — und bei cachektischen Krankheiten sind Aromatica, Terpentinöl, Kochsalz, Eisen, Schwefel, Spiessglanz und dergl. mit ihnen zu verbinden. — Auch setzt man die bittern Mittel in kleinen Gaben den Neutral- und Mittelsalzen bei, um die laxirende Wirkung derselben zu verstärken. — Aeusserlich benutzt man mehrere bittere Mittel bei schlaffer Granulation in Wunden und Geschwüren, besonders aber, um Insekten von den Thieren abzuhalten.
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A. Reine bittere Mittel. 1. Enzianwurzel, Radix Oentianae.
sect;. 2(19.
Die Enzianwurzel (der Enzian) enthält unter den inländischen hittern Mitteln den meisten Bitterstoff, den man in neuerer Zeit rein dargestellt und Enzian hitter {Geuliunm) genannt hat: der-selhe ist mit etwas Schleim, zuckerartigem Stoff, ätherischem Oel und Gerhstoff verbunden und theilt sich dem Wasser, Wein und Weingeist leicht und vollständig mit. Die sämmtlichen zuletzt ge­nannten Bestandtheile sind jedoch nur in so unbedeutender Menge vorhanden, dass sie nicht in Betracht kommen, und dass daher die Enzianwurzel gewöhnlich zu den rein bittern Mitteln gerech­net wird.
Ihre Wirkungen stimmen der Art nach mit der überein, die den bittern Mitteln überhaupt eigen ist,*) dem Grade nach aber übertrifft sie alle andere. Deshalb und ihrer Wohlfeilheit wegen ist sie auch bei den Thierärzten am meisten im Gebrauch.
Sie kann bei allen asthenischen Krankheiten, bei denen bittere Mittel empfohlen sind (g. 205.), angewendet werden, eignet sich aber besonders da zum Gebrauch, wo mit der Schwäche zugleich Unthätigkeit, Erschlaffung und Ausdehnung besteht; daher nament­lich bei Ueberfutterungskolik, besonders wenn dieselbe oft wieder­kehrt und weniger in wirklichem Ueberfüttern, als vielmehr in all-mähliger Ansammlung der Futtermassen in den Gedärmen begrün­det ist; eben so in den spätem Stadien der Gelbsucht, Fäule und Egf Ikrankheit der Schafe und des Rindviehes, bei Unverdaulichkeit, wenn der Koth gross geballt, in grossen Klumpen und mit Schleim überzogen abgeht, bei Schleimfieber, bei Würmern und dergl.
Bei entzündlieh gastrischen Zuständen haben zuweilen der Bitferklee und die übrigen schwächeren Mittel den Vorzug vor dem Enzian.
Die Gabe und ihre Wiederholung ist wie bei den bittern Mit­teln überhaupt. — Die Anwendung geschieht theils in Pulverform, besonders bei Pferden und Schafen (in den sogenannten Fresspul-
*) Maiiolie wulleii ibr uueh narkotische Knifle zusclireiben. Ich habe deshalb versuchsweise die gepulverte Wurzel Pferden und Rindern zu 6 bis 24 Unzen, Hunden zu 2 bis i Unzen auf einmal, und durch 3 Tage wiederholt gegeben, aber keine Spur einefnarkolischen Wirkung sehen können.
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vern und Lecken), theils iu Pillen und Latwergen, theils im Auf-guss oder im Dekokt, — letzteres besonders beim Rindvieh. Im Pulver ist zwar die Wurzel sehr wirksam, die Thiere verderben sich aber dadurch mehrentheils sehr bald den Geschmack und da­durch auch den noch etwa vorhandenen Appetit.
Man verbindet die Enzianwurzel oft mit abführenden Salzen, und namentlich bei entzündlichen Krankheiten, bei Ueberfütterungs-kolik und bei solchen gastrischen Zuständen, welche mit Verstopfung des Leibes verbunden sind, oder wo derKoth dunkel gefärbt, klein und hart abgesetzt wird; in andern Fällen dagegen den Umständen entsprechend mit andern Mitteln (sect;. WS.).
Aeusserlich benutzt man das Enzianwurzelpulver zuweilen als ein gelind erregendes, tonisches und austrocknendes Mittel zum Einstreuen bei üppig granulirenden, stark jauchenden Wunden und Geschwüren, besonders wenn dieselben zugleich durch Insektenma-den verunreinigt sind. Man versetzt es hierzu auch mit Kohlen­pulver und Eichenrindenpulver zu gleichen Theilen, oder auch mit der Hälfte Zinkvitriol oder Alaun, oder mit dem achten Theil Kam­pher oder rothen Präzipitat und dergl. — Eben so kann man bei Wunden und Geschwüren von jener BeschatFenheit auch ein En-ziandekokt (1 Theil Wurzel zu 6 bis 10 Theilen Wasser) benutzen.
Von dem Enzian giebt es mehrere offizinelle Präparate (na­mentlich ein recht wirksames Extrakt und eine Tinktur), welche jedoch in der Thicrarzneikunde fast ganz zu entbehren sind.
2. Quassiaholz (Bitterholz), Lignum Quassiae.
sect;. 210. Unter allen Mitteln besitzt es den Bitterstoff' (Quassin ge­nannt, ein Alkaloid) am reinsten und in grösster Menge,*) und es gelten deshalb von seiner Wirkung vorzüglich die, über die Wir­kung der rein bittern Mittel im Allgemeinen gemachten Angaben. Besondere Heilkräfte gegen einzelne Krankheiten besitzt es, im Ver­gleich zu den übrigen bittein Mitteln, nicht, und es ist daher durch inländische Mittel der Art, namentlich durch Bitterklce oder Enzian zu ersetzen. Mit dem erstem hat die Quassia zwar grosse Aenn-lichkeit, ist aber stärker, und von dem letztern unterscheidet sie sich dadurch, dass sie keine erregende Nebenwirkung äussert.
*) Dieser Bilterstoll wirk! auf Fliegen und andere Insekten belau­bend, auf die tlaUStbiere aber nicht; eine Abkocluing des Holzes (^ Unze zu 3 Unzen Colalur), mit Zusatz von etwas Milch und Zucker, wird bäufig als das gefahrloseste Fliegengifl benutzt.
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Man wendet das Bitterholz nach den allgemeinen Regeln an, und giebt es am besten in einem schwachen Dekokt.
Da es theurer ist als der Enzian, so wird es innerlich sehr wenig, und änsserlich gar nicht benutzt. Das Quassia-Extrakt ist sehr wirksam, aber zum thierärztlicbeu Gebrauch zu theuer.
3. Bitterklee (Fieberklee, Wasserklee), Herba Tri/olH
Jibrini.
sect;. 211.
Die Stengel und Blätter dieser Pflanze enthalten, besonders wenn sie im Herbst gesammelt ist, den Bitterstoff in sehr grosser Menge und fast ganz ohne wirksame Nebenbestandtheile. Nach R. Brandes ist der Bitterstoff ein spezifischer und deshalb Me-nyauth genannt. Man rechnet die Pflanze daher mit Recht zu den kräftigsten rein bittern Mitteln, unter denen sie nur vom Enzian und von der Quassia übertroffen wird. Der Bitterklee ist der letz­tern in der Wirkung sehr ähnlich und fur sie das beste Ersatzmit­tel. Er verdient, da er fast überall zu haben und eben so wohlfeil als kräftig in seinen Wirkungen ist, eine häufigere Benutzung in der Thierarzneikunde als bisher.
Die Anwendung kann überall geschehen, wo die bittern Mittel überhaupt und der Enzian besonders empfohlen sind.
Die Gabe, Form und Verbindung ist bei dem getrockneten (pulverisirten oder zerschnittenen) Kraut ebenfalls nach den allge­meinen Angaben einzurichten. Im Sommer kann man auch das frische Kraut benutzen und dasselbe entweder im Dekokt, oder für grasfressende Thiere kleingeschnitten und mit anderem Futter ge­mengt geben. Auf letztere Weise reicht man täglich 3 mal für Pferde und Rinder jedesmal 1 bis !•£ Pfund, oder gegen 2 bis 3 Hände voll, für Schafe, Ziegen und Schweine den 3 ten Theil. — Zu dem Dekokt nimmt man auf dieselbe Menge eine achtfache Quantität Wassers, lässt dies auf die Hälfte einkochen und durch­seihen, und dann auf ein- oder zweimal eingeben. — Das Extrakt wirkt wie das Mittel selbst, ist aber durch dieses zu ersetzen.
4. Tausendgüldenkraut, Herba s. SummUa/es Ceittaiirü minoris.
sect;. 212-
Diese Pflanze besitzt gleichfalls in den Stengeln und Blättern
viel Bitterstoff, der jedoch schwächer als bei der vorigen und zu
gleich etwas salzig und kratzend sciiarf ist. Ihre Wirkungen sind
denen des Enzians ähnlich, aber milder als bei diesem Mittel. An-
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Wendung, Gabe und Form sind wie bei den übrigen bittern Mit­teln zu bestimmen.
B. Auflösende und schleimige bittere Mittel. 5. Hindsgalle, Fei Tauri.
sect;#9632; 213.
Die Wirkungen der Thiergalle und namentlich der Rindsgalle stimmen fast ganz mit dem überein, was von den bittern Mitteln im Allgemeinen angegeben worden ist. Ausser der stärkenden Wir­kung (welche schwächer als die der Enzianwurzel, des Quassiahol-zes und des Bitterkleekrautes ist), besitzt sie aber noch durch ihre alkaliscbcn und salzigen Bestandtheile gelind auflösende Wirkungen.
Die innerliche Anwendung der Galle ist bei denselben Krank-heitszuständen angezeigt, wo die bittern Mittel überhaupt nützlich sind, und sie verdient bei grosser Schwäche und gleichzeitiger Heiz­barkeit der Verdauuugseiugeweide vor den rein bittern Mitteln den Vorzug, weil sie sehr mild wirkt und als thierisches Produkt sehr leicht verdaulich und assimilirbar ist; sie wird jedoch nur wenig, und fast nur bei den kleinen Hausthieren benutzt, weil sie nicht immer und in der nöthigen Menge frisch zu haben ist und bei der Aufbewahrung leicht fault und verdirbt. Um dies zu verhüten, wird sie über Feuer eingedickt {Fei Tauri tnapissalum); allein hier­durch verliert sie auch viel von ihrer Eigenthümlichkeit, so dass sie den bittern Extrakten sehr ähnlich wird, und besser durch diese zu ersetzen ist. — Die Gabe von der frischen Kindsgalle ist für die verschiedenen Thiere nach dem im Allgemeinen (sect;. 2(17.) angedeu­teten Verhältniss einzurichten, und die Anwendung geschieht theils in Auflösungen mit einem andern bittern, oder bitter-aromatischen Infusum, oder in Pillen und Latwergen, bei denen die Galle zum Theil auch als Bindemittel dienen kann.
Aeusserlich angewendet wirkt die Galle gelind erregend, auf­lösend und zertheilend, und man benutzt sie daher als Einreibung zur Zertheilung schlaffer Geschwülste, welche Neigung zeigen sich zu verhärten, wie z. B. veraltete Piphacken, Stollbeulen, Drüsen­knoten und dergl. Man wendet sie theils für sich allein, mehrentheils aber mit andern ähnlich wirkenden Mitteln verbunden an, z. B. mit grüner Seife, mit Kochsalz, mit Kampher- oder Ammoniumliniment, mit grauer Quecksilbersalbe und dergl. In der Thierarzneischule zu Berlin ist folgende, sehr wirksame Zusammensetzung unter dem Namen: grüne zertheilende Salbe gebräuchlich:
Man nimmt: Altheesalbe (oder Sehweinefett) 4Unzen, Ochsen-
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galle, geschabte weisse Seile, von jedem 1| Unze, Steinöl 1 Unze, pulverisirteu Kampher \ Unze, Hirschhornsalz 2 Drachmen. Mische alles durch Reiben zusammen.
Auch hat man die Galle bei Flecken der Hornhaut als resor-birendes und auflösendes Mittel mit gutem Erfolge angewendet. Sie wird hier bei noch bestehender krankhafter Reizbarkeit mit 3 bis 4 Theilen reinen Wassers verdünnt, später aber für sich allein oder in Verbindung mit andern Mitteln (Honig, Merkurialsalbe, Hirschhornsalz und dergl.) benutzt, indem man sie täglich 1 bis 2 mal zwischen die Augenlider streicht.
fi. Kardobenediktenkraut, Uerha Cardui benedicti
sect;• 214. Es enthält neben dem bittern Extraktivstoff noch eine bedeu­tende Menge von Kali- und Kalksalzen, etwas Schleimzucker u. s. w. Es wirkt daher nicht allein tonisch, sondern auch auflösend, und die Sekretion der Schleimhäute, sowohl im Verdauungskanal wie auch vorzüglich in den Respirationsorganen vermehrend. Man be­nutzt es daher mit gutem Erfolge bei solchen gastrischen Krank­heiten, bei denen Reizung und verminderte Absonderung der Schleim­häute zugegen ist und wo die rein bittern Mittel, und besonders der Enzian nicht gut ertragen werden. Doch wird es im Ganzen auch nur wenig angewendet. — Von der Gabe, Form und Verbin­dung gelten auch hier die allgemeineu Andeutungen. — Das Ex­trakt ist zu entbehren.
7. Erdrauchkraut, Herba Fumariae.
sect;. 215.
Diese Pflanze enthält ausser dem bittern Extraktivstoff viel salzsaures Kali und ist ähnlich der vorigen, tonisch und zugleich auflösend, die Absonderungen befördernd. Man vergleicht es auch mit den Wirkungen der Thiergalle; es ist aber weit schwächer als diese, und überhaupt eins der schwächsten bittern Mittel. Es wird daher bei den Hausthieren nur äusserst selten benutzt, und es ist wohl auch ganz zu entbehren, obgleich es wie das vorhergehende Mittel und wie die Galle angewendet werden kann.
Anmerkung. Dem Erdrauch fast ganz ähnlich ist das Kraut des weissen Andorns {Herba Marrubii albi), und es gilt das elien Angegebene auch von ihm. — Von gleicher Art, aber noch schwächer wirkend, ist das Kraut und die Wurzel des Löwen­zahns (Herb, et Rad. Tarajraci), welche nur im frischen Zustande
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als diätetisches Hausmittel zu benutzen sind;—ferner die Cicho-rienwurzel {llud. CUhorii sylvesiris), das Kraut des Hufiaftigs (Uerba Tussi/ngiiiis), und des Ehrenpreis (Herba ferouteae) und
mehrere andere von ähnlicher Qualität. Sie sind sämmtlich zu enthehren und werden auch jetzt fast gar nicht mehr angewendet. #9632;— Ein salzig bitteres Mittel ist auch das Kraut des Färheginsters (Herin et Suminiiates Genistas linctoriae), welches in der neuern Zeit von Dr. Marochetti zur Verhütung der Wasserscheu bei Menschen, welche von tollen Hunden gebissen sind, sehr empfohlen worden ist. Das Mittel brachte hei meinen Versuchen an Thieren seihst in grossen Gaben (bei Pferden und Kühen zu 2 Pfund, bei Hunden zu 1 bis G Unzen pro dosi, täglich 2 mal und durch 8 Tage fortgesetzt) keine auffallende Wirkung hervor, und die ge­rühmten Heilwirkungen haben sich weder hei Menschen noch bei Thieren bestätigt.
C. Aromatische oder erregende bittere Mittel.
S. Wermuth (das Kraut mit den Blüthen), Herba et Sum-mitales Absinthü.
sect;. 216.
Der Wermuth besitzt einen ausserordentlich bittern, harzigen Stoff, in Verbindung mit etwas ätherischem Oel, Salzen u. s. w. Das frische Kraut ist den Pferden in hohem Grade zuwider und wird auch von Kühen nur bei grossem Hunger gefressen; Schafe und Ziegen fressen es eher, scheinen aber auch keinen Wohlge­schmack daran zu finden. Nach etwas anhaltendem Genuss dieser Pflanze wird die Milch, das Fleisch und der Urin der betreffenden Thiere bitter.
Der Wermuth besitzt in einem hohen Grade die tonischen Wir­kungen der rein bittern Mittel, ist aber von diesen darin verschie­den, dass er durch sein ätherisches Oel noch etwas erregend auf das Gelllss- und Nervensystem wirkt. Doch ist die Wirkung des Bitterstoffes bei weitem vorwaltend. Er nähert sich somit den äthe­risch-öligen, flüchtigen Erregungsmitteln und findet deshalö vor­züglich bei solchen Krankheiten der Verdauungs-und Assimilations­organe seine Anwendung, wo neben der Schwäche noch Reizlosig­keit besteht, oder wo Würmer zugegen sind. Gegen letztere ist er eins der vorzüglichsten und wirksamsten Mittel. Seiner erregenden Nebenwirkung wegen ist er bei schlaffen, phlegmatischen Thieren, und daher besonders auch bei den Wiederkäuern den übrigen Mit­teln sehr vorzuziehen. Uebrigens ist er innerlich bei denselben
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Eraukbeitszustäudeu auzuweudeu, wo die bittern Mittel überhaupt
passend siiui; aber bei reineu und heftigen Entzündungen ist n mehr zu vermeiden, als die im Vorhergehenden abgehandelten bit­tern Mittel.
Die Gabe ist wie bei den übrigen bittern Mitteln. Die Anwen­dung kann in Pulver, in Latwergen, Pillen, Aufgüssen und Ab­kochungen mit Wasser geschehen. Das Pulver eignet sich, da die übrigenThiere dasselbe wenig oder gar nicht fressen, nur für Schale; man mengt es fur sie mit Gersten-. Hafer- oder Malzschrot, oder mit Kleie, mit Kochsalz, Wacbholderbeeren oder andern aromati­schen Mitteln zu einer Lecke zusammen und setzt ihnen dieselbe zum freiwilligen Genuss vor, z. B. bei der Egelkrankheit;
Nimm: gepulverten Wcrmuth,
Kalmus von jedem 4 Unzen, Glanzruss,
Kochsalz von jedem 2 Unzen, Terpentinöl | Unze, Schrot oder quot;Mehl 2 Pfund. Menge alles gut zusammen und gieb es für 10 Schafe auf einen Tag. Nehmen dieThiere von dem Mittel zu wenig, so macht man es mit Wasser zur Latwerge und giebt einem Schafe früh und Abends den zwanzigsten Theil davon auf einmal ein. Bei der Bleichsucht setzt man dieser Mengung noch Eisenvitriol (£ bis i Unze), und bei Säureentwicklung in den Eingeweiden noch pnl-verisirten gebrannten Kalk (I Unze), oder pulverisirte weiss ge­brannte Knochen (2 bis 3 Unzen) zu.
Bei dem Rindvieh benutzt man den Wermuth, je nachdem man die erregende oder die tonische Wirkung vorzüglich wünscht, im Aufguss oder in Abkochungen (I Unze zu 1 Pfund Flüssigkeit), und bei Pferden, Schweinen und Hunden am besten in Pillen und Latwergen, und verbindet ihn nach Bedürfuiss mit verchiedeueu passenden Mitteln, z. B. mit, stinkendem Thierol, Steinöl, Terpen­tinöl, Kampher, Weingeist, Pfefferminze, Kochsalz n. s. w. —#9632; Blei-zucker, Sublimat, Eisen- und Zinkvitriol schlagen in Dekokten und Infusionen vom Wermuth einen grossen Theil, der wirksamen Be-standtbeile nieder.
sect;. 21T.
Aeusserlich wird der Wermuth bei fauligen, schlaffen, unrei­nen, mit stinkender Jauche versehenen, oder mit Maden behafteten Geschwüren, z. B. bei dergleichen Widerrüstschäden und bei asthe-nischen und brandigen Entzündungen, z.B. bei ausfallender Mauke u. s. w. bald als Breiumschlag, bald in flüssiger Form als Wa­schung und Bähung benutzt. — Zu dem Breiumschlag nimmt man
HerlwifC ArziicinuUellebre.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;J3
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die zerscbuitteueu, vou deu groben Stengeln befreiten Blätter und kocht dieselben gelind mit so viel Wasser, wie zur Consistenz des Breies nütbig ist; — zu den Bähungen benutzt nun einen Aufguss oder eine Abkochung wie zum innern Gebrauch.
Ein solches Infnsum oder Dekokt wendet man auch zuweilen als Waschmittel auf die gesunde und kranke Haut in der Absicht an, um Läuse oder Milben zu tödten, oder um von deu Thieren die Bremsen, Fliegen und andere Insekten abzuhalten, weil letztere die bittern Substanzen fliehen oder von ihrem Genuas betäubt wer­den und sterben.
Der Wermuth ist auch im frischen (grünen) Zustande, inner­lich und äusserlich auf die angegebene Weise, jedoch in doppelter Gabe zu benutzen. Die Präparate (Extrakt, Tinktur, ätherisches und gekochtes Wennuthol) sind ähnlich wirkend, aber für Thiere zu theuer.
9. Rainfarrnkraut, Rainfarrublu men und Samen, Herba, Flores et Semen Tunaceli.
Die ganze Pflanze enthält einen bittern Extraktivstoff in Ver­bindung rnit harzigen Bestandthcileu, mit einem scharf bittern, ätherischen Oel, etwas eisengriinendem Gerbstoff u. a. Das Kraut, oder die Blätter besitzen von dem letztern am wenigsten und sind mehr rein bitter, dagegen die Blumen, und noch mehr die Samen viele flüchtige Bestandtheile zeigen.
Die Wirkungen des Rainfarrnkrautes kommen im Wesentlichen mit denen des Wermnths überein, und unterscheiden sich von die­sem nur dadurch, dass sie mit noch etwas stärkerer Erregung der Gefäss- und Nerventhätigkeit in den Verdauungseingeweiden ver­bunden sind, als bei dem zuletzt genannten Mittel. — Die Wir­kungen der einzelnen Theile des Rainfarrnkrautes sind ziemlich mit einander übereinstimmend, aber im Grade der erregenden Neben­wirkung, nach der verschiedenen Menge der in den letztem vor­handenen reizenden Bestandtheile, etwas von einander abweichend.
Die Anwendung geschieht innerlich und äusserlich wie bei dem Wermuth. Gegen Eingeweidewürmer hält mau den Rainfarrn, und besonders den Samen für wirksamer als letztern und auch für wirk­samer als den sogenannten Wurmsamen oder Zitt weis amen.
Auch die Gabe, die Form und Verbindung, in denen der Rain­farm angewendet wird, sind wie bei dem Wermuth.
Anmerkung. Der Wurmsamen {Semen Cinae s. Santn-nici etc.) stammt von einer in Syrien u. s. w. wildwachsenden Wer-
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mnthart, enthiilt als wirksame Bestandibeile einen eigeiitliiiniliclien Bitterstoff (Santonin), guiniiiigen Extraktivstoff, Harz, ätherisches Oel; wirkt ähnlich wie der Raiufarren, ist iu der Meuscheubeilkuade sehr gebräuchlich, aher fllr Thiere zu theuer und durch Rainfarren und Wennuth zu ersetzen.
10.nbsp; nbsp; Hopfen (die weiblichen Bltithen, Fruchtähren oder
Zapfen), Flores s. Slroblli s. Cuni Lupuli.
sect;. 219.
Sein stark bitlerer, etwas harziger Geschmack und der oigen-tbUmliche aromatische, etwas betäubeude Geruch zeigen, dass er ein bitteres Prinzip mit flüchtigem Oel und Harz als wirksame Be-standtheile enthält. Dieselben finden sich besonders in dem gelben, klebrigen Staube, der die Hopfensamen iinigiebt und den man in der neuern Zeit mit dem Namen Lupulin bezeichnet hat. In diesem Staube beruhet daher auch vorzuglich die Wirksamkeit des Hopfens.
Die Wirkung desselben auf den Thierkörper stimmt mit denen der übrigen aromatisch bittern Mittel sehr überein; sie ist jedoch mehr erregend als die Wirkung des Wermuths und des Rainfarm­krautes. Narkotische Wirkungen, von denen manche Schriftsteller sprechen, habe ich von kleinen und grossen Gaben und bei mehr­tägiger wiederholter Anwendung des frischen und ties ausgetrock­neten Hopfens bei Pferden, Kühen, Schafen und Hunden nicht wahr­nehmen können.
Man kann den Hopfen wie den Wennutii und bei denselben Krankheitszuständen innerlich und äusserlich benutzen; bei hohen Graden von Atonie, und bei hieraus entstandener Cachexie, Was­sersucht und dergl. scheint er aber den Vorzug vor diesem Mittel zu verdienen.
Weil der Hopfen sehr schwer zu pulvern ist, so giebt man ihn nicht in Pillen und Latwergen, sondern am besten im Aufguss oder in einer gelinden Abkochung (1 bis i% Unze auf 1 Pfund Wasser).
11.nbsp; nbsp; Schafgarbenkraut und Bliitheu, Summilalcs s. Herfta et
/#9632;'lores MÜle/oltl.
sect;. 220. Die Schafgarbe enthält einengelind zusammenziehenden Bit­terstoff in Verbindung mit ätherischem Oel; der erster^ ist zwar vorwaltend, aher beide Bestandtheilo sind in geringerer Menge zu-
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gegen als bei dem Kaiufarru und bei dein Wermuth. Im frischen Zustande wird die Schafgarbe von allem Vieh gefressen und die Schafe suchen sie mit Begierde auf; auch getrocknet ist sie den Thieren nicht so zuwider wie die übrigen bittern Mittel, und sie eignet sich deshalb vorzüglich zur Anwendung in Lecken.
Die Wirkungen sind stärkend erregend, bliihungtreibend und krampfstillend, aber schwächer, als bei den drei vorigen Mitteln, besonders i:n getrockneten Zustande.
Man benutzt das Schafgarbeukraut mit den Blüthen zugleich, sowohl frisch als getrocknet, ganz wie den Wermuth. Es steht dem letztern in der wurmwidrigen Wirkung nach, ist aber bei Krämpfen, daher auch bei Krampfkoliken, und bei krampfhaften Harnbeschwerden, — auch bei asthenischen Entzündungen und de­ren Ausgängen, besonders bei dergleichen Lungenentzündungen, Verscbleimungeu, Diarrhöe u. s. w. vorzüglicher als jenes Heilmittel.
Gabe und Form, so auch die Verbindung mit andern Mitteln, ist wie bei den bittern Mitteln überhaupt.
Aeusserlich kann das Schafgarbenkraut als ein stärkendes, die Thätigkeit erhöhendes und zertbeilendes Mittel bei schlaffen, schlecht eiternden Wunden, bei Quetschungen und Quetschwunden, beiBlut-ergiessungeu, Verhärtungen und bei schlaffen Geschwüren u. s. W., theils in Breiumschlägen, im Infiisum oder Dekokt angewendet werden.
Das Mittel empfiehlt sich, wie die beiden vorhergehenden, we­gen seiner Wohlfeilheit ganz besonders zum thierärztlicheu Ge­brauche.
r2. Raute, Hcrba liulac.
sect;. 221.
Das Rauieukraut (mit und ohne Blülhen und Samen) ent­hält ähnliche wirksame Bestandtheile wie der Wermuth, mvr mit dem Unterschiede, dass es weniger Bitterstoff und dafür etwas mehr und zugleich schärferes ätherisches Oel besitzt. — Die Wirkun­gen sind denen des Wermuths ähnlich, nur etwas schwächer to­nisch, dagegen vom frischen Kraut etwas stärker örtlich erregend. Im trocknen Kraut erscheint die erregende Kraft des Mittels ge­mindert.
Die innerliche Anwendung, Gabe u. s. w. findet (wie von den übrigen aromatisch bittern Mitteln) bei asthenischen Krankheiten mit torpidem Charakter statt, und besonders bei solchen Krank­heiten der Verdauungseingeweide. Ausserdem ist die Raute seit alten Zeiten als Präservativ gegen ansteckende Krankheiten, und
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zuletzt wieder von Delabere Blaiue*) gegen das Entstehen der Wutbkraukbeit nach dem Bisse von tollen Hunden, empfohlen wor­den. Es ist jedoch bierbei auf dieses Mittel so wenig zu tränen, wie auf die meisten übrigen, und es darf bei seiner Anwendung niemals die örtliche zweckmässige Behandlung der Bisswunde und die (ihrige nöthige Vorsicht unterlassen bleiben.
Aeusserlioh ist das Kraut, wie der Wermuth und die Schaf-garhe zu benutzen.
li). ßemeiner Haarstrang, Peucedanum offic'malc.
Die Wurzel besitzt einen widrigen, ranzigen Geruch und einen unangenehmen, sehr bittern, etwas gewürzhaften Geschmack. Sie enthält Bitterstoff, Harz, Gummi und eine geringe Quantität äthe­risches Oel. Ihre Wirkungen stimmen mit den im Allgemeinen an­gegebenen Wirkungen der bittern Mitteln überein, daher die Wur­zel nach denselben Indikationen wie Wermuth und Hopfen ange­wendet werden kann. Ehemals wurde sie häufig bei asthenischen Brustkrankheiten, bei Absonderung von zähem Schleim, bei Gelb­sucht, Wassersucht aus Atouie, bei Würmern, Hantkrankheiten in Folge mangelhafter Säftebildung und dergl. benutzt, jetzt ist sie fast ganz vergessen, verdient aber mehr beachtet zu werden.
Dritte Klasse.
Adstringirendc oder zusammenziehende Arz­neimittel.
( Medicamenta adsiringentia.J
Begriff, Wirkung und Anwendung dieser Mittel im Allgemeinen.
sect;. tli. Zu den adstringirenden Mitteln kann man im weitesten Sinne alle diejenigen rechnen, welche bei ihrer Einwirkung auf thierische
*) Die Kranklieilen der Humle. Aus dem Englischen. Lfeipzig 1820. S. 69 u. f.
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Weicbgebilde eine Zusammeuschiumpfung derselben, und auf der
Zunge eine herbe, zusammenzieheiule Empfindung hervorbringen. Diese Eigenschaft besitzen: a) viele Pflanzen und Fflaiizentbeile, in denen ein eigeuthümlicher zusammenziehender Stoff, oder ein sogenanntes adstringireudes Prinzip enthalten ist; b) die mei­sten Säuren, besonders in einem massig couzentrirteu Zustande; c) mehrere Metalle und manche Verbindungen derselben mit Säu­ren, wie namentlich das Eisen und seine Präparate, Zink- und Kupfervitriol, Grünspan, die essigsauren Bleipräparato, auch der Alaun, und d) die Kälte und solche Substanzen, an die sie gebun­den ist.
Im engen und gewöhnlichen Sinne versteht man aber unter adstringirenden Arzneimitteln mir die zuerst bezeichneten vegetabi­lischen Substanzen, von denen auch deshalb hier nur geredet wer­den soll. Die Säuren finden in der IXten, der Alaun in derXtten und die metallischen Mittel in der Xllten Klasse ihren Ort.
sect;#9632; 224.
Der eigentlich wirksame Bestandtheil in den adstringirenden Pflanzen ist der sogenannte Gerbstoff oder die Gerbesäure
{ Print i/jinm adslringens, Tannin, Arid, tunninum). Dieser Bestand­theil findet sich ungemein häufig in den verschiedensten Pflanzen und deren einzelnen Theilen, am meisten conzentrirt aber in der Rinde und der Wurzel vieler Bäume und Sträucher, besonders der jungem Zweige, auch in den Blättern, Samen und Früchten meh­rerer Gewächse. Er ist meistens mit andern Besfandtheilen dieser Pflanzen, bald mit Schleim, bald Bitterstoff, Säuren, Alkalien, äthe­rischem Oel und dergl. verbunden, wodurch die einzelnen Arznei­mittel dieser Klasse wieder einige Abweichungen von einander zei­gen. Auch erscheint der Gerbstoff selbst in den verschiedenen Pflanzen etwas modifizirt, so dass man hiernach eine Eichen-gerbesäure , eine Chinagerbesäure und eine Catechugerbe-säure unterschieden hat. Seine Grundbestandtheile sind Kohlen stoff, Wassertoff und Sauerstoff, und sein chemisches Verhalten zu andern Substanzen charakterisirt ihn im Allgemeinen als eine Säure, indem er sich mit Alkalien, Erden, Alkaloiden und Metalloxyden zu gerbesaureu Salzen verbindet, und dabei die etwa vorhandene Kohlensäure austreibt. Bei dem Zutritt der Atmosphäre nimmt er mehr Sauerstoff aidquot;, oxydirt sich und bildet andere Säuren. Die Gerbesäure löst sich leicht in Wasser, besonders in kochendem, und in Weingeist, auch in gewöhnlichem Aether auf, aber nicht in fet ten und in ätherischen Oelen; sie wird durch Chlor und couzen-trirte Salpetersäure zerstört; mit Schwefelsäure verbindet sie sich und ist dabei in Wasser löslich; aus einer couzentrirteu Auflösung
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wird sie durch Salpeter-, Salz-, Phosphor- und Arscniksäure ge­füllt;, aber nicht durch Essig-, Citronen- und Milchsäure. Die hier­bei entstehenden Niederschläge sind Verbindungen dieser Säuren und der Gerbesäure, und dieselben lösen sich wieder in Wasser, aber nicht in der lallenden Säure. Stärkemehl, Gallerte (Faserstoff), Eiweis, thierischer Schleim, Bitterstoff, Pflanzenalkaloide werden aus Flüssigkeiten durch die Gerhesänre gefällt, dieselbe verbindet sich auch mit der Gallerte und dem Faserstoff der thierischen Theile im lebenden und todten Zustande derselben zu unlöslichen, festen Mas­sen. Mit Metallsalzen macht sie unlösliche Niederschläge von ver­schiedener Farbe, indem sie sowohl mit den Basen, wie auch mit den Säuren dieser Salze sich verbindet, und nur die letztere Ver­bindung aufgelöst bleibt, die erstere aber sich abscheidet. Auf die Schleimhaut der Verdauungseingeweide wirkt sie im conzeutrirten Zustande oberflächlich ätzend, zugleich stark adstringirend, die Ge­webe verdichtend, Blut, Eiweis und Faserstoff zum Gerinnen brin­gend, die Sekretionen beschränkend.
sect;#9632; 225. Die Wirkung der adstringirenden Mittel auf den lebenden Thier-körper ist im Wesentlichen so, wie sie bereits sect;. 71. angedeutet worden ist. Sie ist zuerst örtlich eine chemische und hängt dem Grade nach von der Verwandtschaft der Gerbesäure zu den orga­nischen Gebilden, mit denen sie in Berührung kommt, ab. Man erkennt dies aus den fast sogleich erfolgenden unlöslichen Nieder­schlägen, die der Einwirkung dieser Mittel auf Säfte, welche Eiweis oder Gallerte enthalten, entstehen. Die örtliche Wirkung erfolgt da­her grösstentheils schon durch blosseBerührung und ist zuerst nur auf die unmittelbar berührte Stelle beschränkt; sie verbreitet sich aber auch über den ganzen Körper, und zwar hauptsächlich durch den unmittelbaren Uebergang des adstringirenden Stoffes in die Säfte, zum Theil auch durch Consensus. Das letztere geschieht zuweilen ziemlich schnell, aber niemals in einem hohen Grade; das erstere erfolgt nur bei der Anwendung der zusammenziehenden Mittel auf die Verdauungseingeweide, und die ailgcmeinea Wirkungen erfolgen hierbei zwar langsamer, aber in einem deutlich bemerkba­ren Grade und sehr andauernd. Es ist noch nicht völlig ermittelt, ob die Absorption des adstringirenden Prinzips im Verdauimgska-nal durch den Verdanungsprozess oder durch die chemische Ver­bindung mit den Säften des Verdauungskanals vorbereitet wird. Wahrscheinlich tragen beide Umstände hierzu bei. — Es wird aber nicht alles adstringirende Prinzip, welches in den Verdauungska-nai gebracht ist, absorbirt, sondern es geht ein bald grgsserer bald kleinerer Theil deutlich erkennbar mit dem Roth wieder ab; auch
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wird ein Thril der orgauischeu Substauzeu, die sich mit der Gerbe-säure verbunden haben, uuverdauet mit dem Darmkoth entleert. — Der erfolgte Uebergang des adstriugirendeu Prinzips in die thie-rischeu Säfte ist am bestimmtesten an dem Urin zu erkennen, in­dem derselbe nach der etwas reichlichen Anwendung adstringiren-der Mittel mehr gelb gefÜirbl abgebt, an der Luft aber braun wird und nach dem Hiuzuthun einer Biseuchloridauflösuug einen star­ken grünen Niederschlag macht, in welchem noch organische Be-standtheile enthalten sind. Bei dem .sichern Vorhandensein des ad-striugirendcn Stoßes in dem Urin mnss der erstere wohl auch im Blute enthalten sein; hier ist derselbe aber nicht deutlich nach­zuweisen.
sect;. 226.
Bei der innerlichen Anwendung dieser Mittel in massigen Ga­ben entsteht zunächsl in der Schleimhaut des Magens und des Darmkauais eine stärkere Zusammeuziehuug, welche sich bald ih­ren Gefissen und Drüsen, und dann auch der Muskelhant mit­theilt. Dadurch werden die Absonderungen vermindert, der vor­handene Schleim gerinnt, die wnnnförmige Bewegung wird lebhaf­ter und mil vorwaltender Zusammenziehung ausgeübt, und die Re­sorption vermehrt. In Folge dieser Wirkungen sieht man den Darm­koth von testerer Consistcuz, hei Pferden kleiner und härter geballt, gewöhnlich auch gut verdauet, aber etwas mehr als sonst organi­sche Substanz enthaltend und in längeren Zwischenzeiten abgehen. — Weiterhin erstreckt sich die Wirkung auch auf die Lymph- und Blutgefässe und auf andere Organe: die Gefässe verengern ihren Innern Raum, ihre Häute werden derber, die Pulse kräftiger, aber nicht vermehrt: die Säfte erhalten mehr Neigung zum Gerinnen und das Blut wird mehr hellrofh gefärbt; das Zellgewebe schrumpft zusammen und wird dichter, Muskel- und Sehnenfasern werden straffer, drüsige Organe kleiner und härter und alle Absonderungen gemindert. — Zu grosse Gaben dieser Mittel verursachen Appetit­losigkeit, Verstopfung des Leibes, zuweilen Kolik, Erbrechen (wo dies bei Thicrcn möglich ist), Änätzung, Entzündung und Ver­dickung der Sehleimhaut, Abzehrung u. s. w.
Aeusserlich augewendet bringen diese Mittel ganz dieselben Wirkungen hervor. Sie schrumpfen die Haut und die zunächst liegenden Theile zusammen, verdichten sie, machen die organische Cohäsion fester, die Fasern straffer, die Gefasse enger; in Wunden und Geschwüren beschränken sie die üppige Bildung und die zu reichliche Absonderung.
Einspritzungen von adstriugirenden Mitteln in die Blutadern bewirken, wenn man schwache Auflösungen der Gerbesäure hierzu
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benutzt, nur etwas schnelleres und mehr angestrengtes Aihmen, welches aber nach 1—3 Stimdeu gewöhnlich wieder ganz vorüber­geht; spritzt man aber sehr cüiizenlrirte Flüssigkeiten in die Adern, so entstehen fast augeublicklicb die grössteu Beschwerden im Ath-men, heftiges Herzklopfeu, ängstlicher Blick, Zittern, Krämpfe und oft hinnen kurzer Zeit der Tod.
sect;. nr.
Aus diesen Wirkungen ergiebt sieb, dass dieselben mit der stär­kenden Wirkung der bittern Mittel einige Aehnlicbkeit haben; beide unterscheiden sich aber von einander dadurch, dass die adstringi-renden Mittel nicht den ganzen Lebensprozess von den Verdauungs-nnd Assimilationsorgancn ans blos dynamisch stärken, wie dies die bittern Arzneien vermögen, sondern dass sie vorzüglich eine Bedingung der physischen Kräftigkeit, nämlich den dichtermZu­sammenhang der Fasern und die Contraktilität der Gebilde vermeh­ren. Auch sind sie noch schwerer verdaulich und daher für die Verdauungsorgane mehr belästigend als die bittern Mittel. —#9632; Von den in der Wirkung gleichfalls verwandten Säuren unterscheiden sich die adstringirenden Pflanzeumittel dadurch, dass die letztern im Allgemeinen langsamer, aber anhaltender und auf die Ver­dauungseingeweide milder und weniger erregend wirken, und dabei die Vitalität und gute Mischung tics Blutes nicht (wie viele Säuren) mindern, sondern dieselbe erhöhen und die Plastizität vermehren. Von den ebenfalls in der Wirkung verwandten essigsauren Bleiprä­paraten unterscheiden sie sich last auf ähnliche Weise; dagegen sind sie dem Eisen in seinen Wirkungen sehr ähnlich, aber milder und sanfter als dieses. Achnlich ist es mit den Vitriolen und mit dem Alaun. Alles dies gilt jedoch nur in Beziehung auf die ad-stringireude, und ohne Rücksicht auf die übrige Wirkung dieser Stoffe.
sect;• 228.
Vermöge ihrer eigenthümlichen Wirkung können die zusam­menziehenden Mittel solche asthenische, und vorzüglich chronische Krankheitszustäude heilen: 1) wo die Schwäche in wirklicher Er­schlaffung (Lu.ritus) begründet, oder mit derselben und mit Auf­lockerung und zu starker Ausdehnung der organischen Materie ver­bunden ist; — 2) wo zu bäulige und zu reichliche Absonderungen mit schlechter Mischung der abgesonderten Säfte, gleichfalls aus Erschlaffung und Schwäche entstanden sind, und 3) wo aus glei­cher Ursache eine Neigung zur Entmischung der Materie zuge­gen ist.
Man benutzt sie daher, wenn dergleichen Grundverhältnisse des Krankseins vorhanden sind, innerlich besonders beiErschlaf-
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fiing und Ausdehnung der Verdauungseingeweide und bei hieraus entstandenen gastrischen Zustanden, wie: Uliverdaulichkeit, Durch­fall und Ruhr, Wurmleiden, Blähungen, Windkolik und Trommel­sucht; hei der Fäule der Schafe; bei Ausdehnung der Gefässe und darin liegriindeten passiven Cougestionen und Blutungen, z. B. dem asthenischen und chronischen Blutharnen; hei der Harnruhr; hei langwierigem Schleiinausfluss aus der Nase, den Lungen, den Harn- und Geschlechtsorganen; bei typhösen und fauligen Fiebern, hei y.u reichlicher Eiterung und Jaucheabsonderung und dergl. — ausseriich aber bei Erschlaffimg und Ausdehnung der Muskeln, Bänder u. a. Theile nach Quetschungen und Verrenkungen u. s. w.; bei Gelenk- und Sehnengallen, bei dem Vorfall des Mastdarms, der Scheide und Gebärmutter, jedoch überall erst dann, wenn die Ent-ziindungszufalle vorüber sind; bei Wunden und Geschwüren, die zu viel und zu dünnen Eiter oder Jauche absondern, bei üppiger, blasser und schlaffer Granulation, bei dem kalten Brande, bei öde-matösen Anschwellungen.
sect;. 229. Dagegen ist der Gebrauch der adstringirenden Mittel nachthei­lig: im Allgemeinen bei jedem Krankbeitszustande, der mit aktiver Reizung des Gefässsystems, mit übermässiger Zusammenziehiing und mit Krampf verbunden ist; daher namentlich bei aktiven Cou­gestionen und Blutflüsseu; bei synochosen und schmerzhaften Ent­zündungen, bei EutzUndungsflebern, bei Nervenflebem mit Aufre­gung oder mit Anfällen von Raserei: bei gastrischen Krankheiten, solange noch Anhäufungen von unverdauten Futtermassen, von Galle und andern Stoffen im Magen und Darmkanal zugegen sind, oder wo anhaltende Verstopfung des Leibes, Trockenheit der Schleim­häute und Verminderung der Absonderungen zu bemerken ist; bei Verhärtungen, besonders drüsiger Organe; bei Verkürzung der Muskeln, Sehnen und Bänder, bei Entzündungen und Verwundun­gen der Augen mit Trübung der durchsichtigen Hornhaut, und bei ähnlichen Zuständen. — Reine Lebensschwäche überhaupt, und sehr grosse Schwäche der Verdauungseingeweide im Besonderu, so wie auch veraltete, dem Korper zur Gewohnheit gewordene krank­hafte Absonderungen, z. B. veraltete Geschwüre, eben so alls kri­tische heftige Ausleerungen gestatten innerlich und ausseriich nur einen sehr vorsichtigen und beschränkten Gebrauch dieser Mittel. Bei Durchfällen, welche im Frühjahr und Herbst bei dem Weide­vieh nach Veränderung der Fütterung zu entstehen pflegen, ist ihr Gehrauch unnütz und oft auch schädlich, — wenigstens bald nach dem Eintritt solcher Durchfälle.
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sect;. 23!).
Da die adstriugirendeu Mittel ihre allgemeine Wirkung meh-rentheils nur langsam entwickeln (Sj. Tin.), so iniissen sie gewöhn­lich durch einige Zeif fortgebrauebt werden. Eine zu anhaltende Anwendung ist jedoch nachthcilig, indem sie leicht zu starke Zm-sammenziehung, Verdickung und Verhärtung der Organe, Vermin­derung des Appetits, Unverdaulichkeit, Verstopfung des Leibes, Be­schrankung der GcTässthätigkeit durch verminderte Expansion, Stok-kungen, Entzündung, Abgang von blutigem Darmkoth und dergl. Urin, Abmagerung u. s. w. herbeiführt.*)
Solche üble Folgen entstehen um so eher, je mehr die ange­wendeten Mittel das adstringirende Prinzip rein und conzeutrirt enthalten. Die bitter- und schleimig adstriugirendeu Mittel, und eben so die Chinarinden werden dagegen besser ertragen
sect;• 231.
Obgleich die adstringirenden Mittel theils in der Art und in der Menge ihres zusammenziehenden Prinzips, theils dadurch, dass sie dasselbe bald reiu, bald in Verbindung mit andern Stoffen ent­halten, etwas von einander verschieden sind, so ist dies doch in Beziehung auf die Grriisse der Gabe zum innerlichen Gebrauch (mit Ausnahme des Gummi Kino und der Terra Catechu), von keiner wesentlichen Bedeutung, und man kann daher ihre Gabe, wie bei den bittern Mitteln, ziemlich gleicbmässig im Allgemeinen bestim­men, und zwar für Pferde und Rinder von -| bis 1| Unze, fur Schafe, Ziegen und Schweine von I—3 Drachmen, für Katzen und Hunde von 5—IVI Gran, — taglich 3—-imal wiederholt. — Grös-sere und öftere Gaben reicht man nicht gern, weil dieselben örtlich zu stark auf die Verdauungseingeweide wirken und dann die im sect;. 226. und 230. bezeichneten Nachtheile hervorbringen können. Dies gilt besonders wieder von denen, welche das adstringirende Prinzip sehr conzeutrirt enthalten, und daher vorsichtiger als die übrigen angewendet werden müssen.
sect;. 232.
Man giebt diese Mittel innerlich nur selten im trocknen Pul­ver, häufiger in Pillen und Latwergen; sie sind alter in diesen For-
*) Alle dieso Angaben sind duicli mulirere Versuche an verschie­denen Daasthieren mil Eichenrinde, Eichenlaub und Tormentillwnrzol be-släligel. — Ausserddm aber lindet sicli ein Beweis bierzil in der soge-nanolen Wald kranklieit und in dem Blulharnen des Rindviehes, der Schafe und Ziegen, welche Krankheiten Im Frühjahre zuweilen entste­llen, wenn die Thiere in den Wäldern weiden und aus Mangel an Gras zu viel und zu anliallend das junge I.anb der Eichen und dergl. ge­messen.
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men schwer auflöslich und schwer verdaulich, und daher liei Schwä­che der Verdauuugseingeweide nicht zuträglich. — Durch blosses Uebergiesscn mit kaltem oder heissem Wasser wird (ausgenommen h'ino und Caiechu) nur eine geringe Quantität des adstringireuden Stoffes ans ihnen ausgezogen, und das Infusnm ist deshalb zum thierärztlichen Gehrauch fast überall von zu geringer Wirksamkeit. Am besten ist es daher, sie in Abkochungen mit Wasser (l Unze ZU i bis 11 Pfund des letztem) anzuwenden, da sie in diesen am wirksamsten sind und von den Verdauungseingeweiden verhältniss-mässig am besten ertragen werden. Durch gelindes oder starkes Einkochen der Flüssigkeit (•!. bis zur Hälfte des Ganzen) kann man das Dekokt von derselben Menge des Mittels bald schwacher, bald starker conzentrirl erhalten.
sect;. 233.
Die adstringireuden Mittel werden innerlich nur selten für sich allein, sondern mehrentheils in Verbindung mit bittern Mitteln und mit Reizmitteln angewendet, tlieils um ihre Verdauung und Assi­milation durch grössere Erregung der Tbätigkeit in den Verdauungs-orgaueu zu befördern, und um ihre örtliche nachtheilige Einwirkung zu mindern, theils aber auch um gleichzeitig andere Heil-Indikatio-nen, welche bei den oben genannten asthenischen Krankheiten fast immer gleichzeitig zu beachten sind, zu erfüllen.
Benutzt man dergleichen Verbindungen in flüssiger Form, so liisst man die zusammenziehenden Mittel zuerst mit etwas mehr Wasser, als zu dem blossen Dekokt nöthig ist, kochen und dann mit dem letztern die flüchtigen Mittel heiss infundiren oder auch nach dem Erkalten blos mengen, je nachdem ihre Beschaffenheit dies gestattet.
Mit thierischer Gallerte und mit Kali soll man Adstringentia nicht verbinden, weil erstero hierdurch ganz unwirksam wird, und letzteres der Wirkung entgegen steht. Auch Metalloxyde, Eisen und Blei, eben so Kalkwasser verbindet man nicht gern mit ad-stringirenden Mitteln; die hieraus entstehenden chemischen Verbin­dungen sind aber keineswegs unwirksam.
sect;. 234.
Aeusserlich wendet man sie in Pulverform und in Abkochun­gen an. In der erstem werden sie in Wunden und Geschwüre ein­gestreut, um ausser der vermehrten Cohiision der betreffenden Thcile noch eine starke Aufsaugung des Eiters oder der Jauche in das Pulver selbst zu bewirken. Man benutzt sie hierzu bald für sich allein, bald in Verbindung mit andern absorhirenden oder mit er­regenden Mitteln, z. B. mit Kohlenpulver, mit Kamillenblumen, mit Kampher, Myrrhe und dergl. — Im Dekokt dienen sie, warm und
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kalt zu Wascbimgen uudBähuugeu, zu Fussbädern, zu Einspritzun­gen und Klvstieron, und zwar gleichfalls wieder oft für sich allein, oft aber mit Inf'usinnen von aromatischen Krautern, mit Spirit'is, Terpentinöl und dergl. versetzt, um dadurch nicht allein die Spann­kraft der Fasern zu vermehren, sondern auch die Erregbarkeit in den Nerven und Gelassen, und somit auch die Resorption ergosse­ner Flüssigkeiten zu verstärken.
Die adstringirendenPilanzenmittel werden mit Rücksicht auf die in ihnen etwa vorhandenen Nebenbestandtheilc in verschiedene Un­terabtheilungen gebracht, und namentlich unterscheidet man: A. rein adstringirende Mittel; B. schleimig adstringirende Mittel; C. bitter adstringirende Mittel; ]). ätherisch-ölige adstringirende Mittel; E-säuerlich adstringirende Mittel und F. adstringirende Mittel mit Al-kaloiden. Mehrere Mittel dieser Klasse sind jedoch in ihren Neben-bestandtheilen noch nicht genügend bekannt, und erhalten daher von verschiedenen Schriftstelleru verschiedene Stellen im System der Arzneimittellehre.
A. Rein adstringii'ende Mittel.
Die Mittel dieser Abtheilnng enthalfen als wirksamen Bestand-theil fast nur Gerbesäure, und von ihnen gilt hauptsächlich, was über die Wirkung der adstringirenden Mittel im Allgemeinen (sect;. 225 u. f.) gesagt worden ist.
1. Eichenrinde, Curler Quercus, und Eichenblätter, Folia
(luei-cus.
sect;. 235. a) Die Eichenrinde enthält als wirksamen Bestandtheil die Eichengerbesäurc (12—16 pr. C), welche am reichlichsten in der innern weissen Rinde (dem Bast), besonders der jungen Zweige und im Frühjahre enthalten ist. Diese Gerbesäure löst sich leicht in Wasser auf) etwas weniger im Weingeist und Aether; sie macht mit Auflösungen der Eisenoxydsalzc dunkelblaue Nieder­schläge und beim Zutritt der atmosphärischen Luft bildet sie durch Aufnahme von mehr Sauerstoff Gallussäure') und Koh-
*) Diese Säure bildet sicli auf dieselbe Weise aucli in niebreren andern adstringirenden PflanzeDSlofTen, besonders reiclilich in den Gall­äpfeln. Sie ist von der Gerbesüure lunipisiiclilicb dadurch abweichend, dass sie Auflösungen des Eiweises und des Leims niclit fallt. Für sich allein wird sie als Arzneimiltel nicht benutzt, ist aber in den adstringi­renden Mitteln zuweilen neben der Gerbesüure wirksam, wenn die letz-
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lensäure, welche letztere entweicht, librjgeus veriiält sie sieh wie sect;. 224. von der Gerhesäure im Allgemeinen angegeben.
Die Eichenrinde wirkt sehr stark adstringirend und wird in dieser Hinsicht mir von den Galläpfeln, von dem CatechnsalY und dem Kino iibertroffen. — Sie bringt bei innerlicher und äusser-licher Anwendung die im Allgemeinen bezeichneten Wirkungen (sect;. 225—227.) in einem hohen Grade hervor, und findet in allen den augedeuteten Fällen, wo zusammenziehende Mittel überhaupt passen, ihre Anwendung. Da sie jedoch schwer verdaulich ist. und die Schleimhaut, des Magens sehr stark zusammenzieht, so verdie­nen die Weideuriude, die Kastauienrindc und andere bitter adstrin-girende Mittel zum innerlichen Gebrauch sehr oft den Vorzug, be­sonders bei grosser Schwäche der Eingeweide1.
sect;. 236.
Hinsichtlich der Gabe, in der sie gereicht wird, gelten die all­gemeinen Regeln (sect;. 231 U. f.), und eben so muss man bei ihrer innerlichen Anwendung das beachten, was über die nachtheiligen Wirkungen der zu lange fortgebrauohteu adstriugirenden Mittel (sect;. 230.) augegeben worden ist.*)
Man giebt sie, aus schon augeführteu Gründen, innerlich am besten in flüssiger Form und fast immer in Verbindung mit bit­tern aromatischen Mitteln, bei Durchfall auch mit Schleim oder Stärkemehl, oder auch mit Opium, bei Faul- und Nervenfiebern mit Mineralsäuren, mit Terpentinöl, Gampher und dergl. Bojanus (über Seuchen, Seite 150) empfiehlt z. B. bei dem langsam ver­laufenden Milzbrände;
Eichenrinde 4 Unzen, Kalmuswurzcl 2 Unzen, Kampher ^ Unze, mit Mehl und Wasser zur Latwerge gemacht täglich auf 4 Gaben vertheilt, bei einem Rinde zu verbrauchen. — Aeusserlid; wendet man sie bald allein, bald ebenfalls wieder mit andern, den Indika­tionen entsprechenden Mitteln an, z. B. bei stark eiternden Stoll-
lere sich darin unüindern konnle. Ihre Wirkungen sind noch nicht er­forscht; nur so viel ist hekannl, dnss sie bei inneiiicher Anwendung in die Säde übergeht. Siehe Wii hier's Vers, in Tiedemann's und Tre-Viranus Zeitschrift für Physiologie, Bd. I. S. (40.
') In der ThierarzneischnlB zu Lyon halle zwar ein Pferd hei den angestellten Versuchen in 20 Tagen mehr als 20 Pfund Eichenrinde er­tragen; allein man fand auch, nachdem es getodlct worden, seinen Ma-graquo;n ausserordenllich /.nsainroengeschrnmpft und die Häute desselben drei­mal so dick als gewöhnlich, — Wäre das Thier am Leben geblieben, so würden sich auch bald die weitein Folgen jenes Uebermaasses gezeigt haben (Gohier, Mem. et Observations. Tom. I. p. 412.).
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beulen oder Widerrustschädeu blos mit Kohlenpulver verbundeu, oder bei stark jauchenden, schlaffen oder seihst brandigen Geschwü­ren eine Zusammensetzung aus: fein pulverisirter Eichenrinde und dergl. Holzkohle, von jedem 1 Unze; Kampher und Myrrhe, von jedem 1 Drachme. Alles zusammen zu einem glcichmässigen Pul­ver gemengt.
Es wird davon nach Verbiiltuiss der Menge der sich bildenden Jauche eine entsprechende Quantität täglich 2 bis 3 mal in das Geschwür gestreuet, nachdem dasselbe vorher gereiniget ist. Wo man noch mehr zuf-ainmenziehen und austrocknen will, setzt man dem Eichenrindcnpnlver auch Eisen-, Zink- oder Kupfervitriol, oder Alaun in verschiedener Menge hinzu.
Die zum äusserlicben Gebrauch bestimmten Abkochungen wer­den gleichfalls nach Bcdürfhiss der Zufälle entweder rein, oder mit aromatischen, Spirituosen u. a. Mitteln versetzt, angewendet. — Zu ihrer Bereitung kann man stets, und namentlich wenn sie zu Fuss-biidern verwendet werden sollen, sehr zweckiniissig die grob gepul­verte frische Gerberlobe benutzen, da dieselbe bei gleichen Ei­genschaften doch viel wohlfeiler ist, als die aus der Apotheke ver­ordnete Eichenrinde.*)
b) Die Eichenblätter besitzen, wenn sie, grün gesammelt und zweckmiissig getrocknet sind, gleichfalls einen ziemlichen Ge­halt an Gerbestoff, jedoch bei weitem nicht in der Menge wie die Eichenrinde. — Ihre Wirkung ist daher schwacher als bei dieser, obgleich im Wesentlichen mit derselben übereinstimmend. Die Be­nutzung kann ganz nach den allgemeinen Andeutungen und wie bei der Eichenrinde, aber in starkem Gaben geschehen.
2. Galläpfel, türkische, Gallae tureteae.
sect;• 237,
Sie enthalten weit mehr Eichengerbcsäurc (gegen 27—.30pr. C.)
*) Wenn Gerberlohe, oder überhaupt Eichenrinde mit siedendem Wasser übergössen wird und mit demselben in bedeckten Gefassen durch einige Zeit sieben bleibt, so fängt sie an zu giibren und entwickelt eine eigenthümlicbe Ausdünstung, die einen kräftigen, durchdringenden, lohe-arligen Geruch besitzt. Nach melirfUlllgen Beobachtungen soll diese Ausdünstung, wenn sie in Viehslällen recht stark entwickelt wird, Thiere gegen ansteckende Krankheiten und selbst gegen die Rinderpest schützen. Man füllt zu diesem Zwecke kleine Tonnen mit Lohe, übergiesst sie mit heissem Wasser, bedeckt sie und rührt täglich die Flüssigkeit um, bis der starke Geruch sich findet. Nun lässl man die Tonnen offen sieben, setzt aber das Umrühren fort. Die Wirksamkeit dauert einige Wochen, worauf die ausgelaugte Lohe im Stalle ausgebreitet und in den Tonnen durch frische ersetzt wird.
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als die Eichenrinde, ausserdem auch Gallussäure, gelbfärbeudeu
Extrakt!vstoff, etwas Schleim etc. Ihre Wirkung ist der der Ei­chenrinde ganz ähnlich, aber viel stärker. Das Mittel wird daher innerlich nicht gut vertragen; es stürt bald die Verdauung, indem es die Absonderungen zu sehr beschränkt und die Häute verdickt; auch ist es im Preise höher als die Eichenrinde. Aus diesen Grün­den benutzt man die Galläpfel in der Thierheilkunde mir wenig, kann sie aber in denselben Fällen wo Eichenrinde indizirt ist, in­nerlich und äusserlich wie diese benutzen. Die Gabe ist zum in-nern Gebrauch bei Pferden i—1 Unze, bei Rindern % — i% Unze, bei Schafen und Schweinen -j—1 Drachme, bei Hunden '2 Gran bis 1 Scrupel, bei Katzen 1—5 Gran.
3. Eicheln, Claudes Quercus s. quercinae.
sect;. 236. Die Eicheln enthalten Eicheugerbesäure in weit geringerer Menge als die Eichenrinde, dafür aber mehr Bitterstoff, und viel Stärke­mehl, Schleim, Harz u. a. lösliche Theile. Sie wirken adstringirend, stärkend und nährend, und sind in letzterer Beziehung für Schweine ein sehr kräftiges Nahrungsmittel, hei dem sie gut gedeihen und sehr derben, körnigen Speck ansetzen.2) Zugleich dienen die Ei­cheln als diätetisches Heilmittel bei chronischen asthenischen Krank­heiten, vorzüglich der Schweine und der Schafe, bei schlechter Ver­dauung, hei Durchfall, bei Eingeweidewürmern, bei der Finnen­krankheit, der Egelkrankheit, Wassersucht und Fäule, bei der Bor­stenfäule der Schweine, bei chronischen Hautausschlägen u. dergl. Man benutzt sie für Schweine unzerstossen, für Schafe und für die übrigen Thierc aber grob pulverisirt, und zwar entweder ohne wei­tere Vorbereitung oder über Feuer geröstet {GlunJes lostae). In letzterem Zustande enthalten sie noch etwas brenzliches Oel, und wirken zugleich etwas erregend auf die Verdauungseingeweide und auf das Gefässsvstem.
') Anmerfc. Von den übrigen Tliieien werden die Erclialn nicht so gut ertragen. Kühe, welche in eine zu reichliche Eichelmast ohne andere Nahrung kamen, erkrankten mil Uasldarmzwang, Hervordrängen der Masldarmschleimhanl, Abgang von Blut, se sliilinlen, wurcen sehr schwach, blähelen auf und starben. Roi 21 Sliick erfolgte so der Tod binnen S Tagen nach dem Anfang der Jlasl und nach ü lägigem Krank­sein. Die Sektion zeigte: den Pansen mil Eichelbrei erfüllt, seine Schleim­haut verdickt, die des i.aahmagens entzündet, die des Zwölffingerdarms und GrimuHlarms angeiilzl, die des Mastdarms blanrolh, blutig, liervor-gedrängl u. s. w. — /oilschr. des lamhv. Cenlral-Vereins zu Frankfurt a. 0. Bd. II. S. 190.
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Mau reicht sic gewöhnlich ohne geuaue Bestimmung der Menge zu 1 bis 2 Hände voll auf ein Futter, in Verbindung mit Mehl, Kleie, Schrot und dergl. etwas angefeuchtet oder im Getränk. Zweck-massig ist der Zusatz von etwas Kochsalz, theils um den Appetit mehr zu erregen, theils um die sonst leicht eintretende Verstopfung des Leibes zu verhüten. Bei dem Durchfall und der Ruhr der Schweine bereitet man aus Kamillenhlumen 1 Unze mit 1 Quart (3 Pfund) siedenden Wassers ein Infusum und macht mit demsel­ben und mit Mehl einen dünnen Brei, zu dem man noch i bis 2 Löffel geröstetes Eichelmehl thut, und ihn dann den Thieren vor­setzt. Sie fressen denselben sehr gern und werden bald geheilt.
4. Tormentillwurzel (Ruhrwurzel, Blutwurzel), Radix TormentiUue.
sect;. 239. Sie besitzt über 'l\ pr. C. Gerbesäure in Verbindung mit einem eigenen Stoff, dem Tormentillroth, mit etwas Gummi etc. Diese Wurzel gehört daher mit zu den stärksten rein adstringirenden Mit­teln. Ihre Wirkungen sind ganz von der Art, wie sie hei den rein adstringirenden Mitteln bekannt und im Allgemeinen (sect;.225,226.) angedeutet sind. Daher kann das Mittel auch nach den allgemei­nen Anzeigen innerlich und äusserlich bei denjenigen asthenischen Krankheiten gebraucht werden, bei denen die zusammenziehenden Mittel überhaupt nützlich sind. Eheraals benutzte man diese Wur­zel häufiger als jetzt, und hauptsächlich bei der Ruhr und bei dem Blutharnen, woher sie auch den Namen: ,.Ruhrwurzel undBlut-wurzelquot; erhalten hat. Sie leistet bei diesen und bei ähnlichen Krankheitszuständen, wenn dieselben wirklich in Erschlaffung be­gründet sind, ganz vortreffliche Dienste, verlangt aber so wie alle stark adstringirenden Mittel hei der Anwendung einige Vorsicht, besonders bei fortgesetztem innerlichem Gebrauch. Hinsichtlich der Gabe, Form und Verbindung sind die allgemeinen Andeutungen zu befolgen.
5. Natter- oder Schlangenwurzel, Radix Bislortae.
sect;. 24Ü. Die Natterwurzel enthält Gerbesäure in Verbindung mit vielem Stärkemehl. Durch das letztere sind die adstringirenden Wirkun­gen des Mittels gemildert, so class es darin der Tormentillwurzel und der Eichenrinde sehr nachsteht, aber auch leichter verdaulich ist und besser ertragen wird als diese Mittel. Sie verdient daher
Hcrtwig Arzneimillcllcbre*nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;14
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besonders bei jungen Thieren, bei nicht zu grosser Erschlaffung und bei einem noch massigen Cfrade von Einpl'mdliciikeit und Reiz­barkeit den Vorzug vor diesen Mitteln. Andere als die adstringi-renden Wirkungen besitzt sie aber nicht, und sie ist deshalb auch ganz wie die vorher genannten Mittel innerlich und ilusserlich an­zuwenden.
Auch in der Gabe und Form, und in der Zusammensetzung mit andern Mitteln, ist bei der Anwendung wie bei den übrigen adstringireudeu Mitteln zu verfahren.
C. Catechu, Catcchusaft, Japanische Erde, Tcnn Ca­techu s. japonica,
sect;. 2raquo;.
Dieser erhärtete Pflauzensaft besteht zum grössten Theile (mehr als die Hälfte) aus Qerbesänre, die mit einem eigenlliümliclien Ex­traktivstoff, mit einer eigentbiimlichen Säure (Tanningensäure) und mit weuigem Gummi verbunden ist. Durch den reichen Ge­halt an Gerbestoff ist der Catechu der Eichenrinde, den Galläpfeln und der Tormeutillwurzel sehr verwandt; er unterscheidet sich aber von diesen Mitteln dadurch, dass er leichter auflöslich und leichter assimilirbar ist, und dass seine Wirkungen zwar sehr kräftig, aber örtlich viel milder als hei der Eichenrinde u. s. w. erfolgen. Die­selben sind rein adstringireud, ohne bemerkbare Nebenwirkungen, und sie verbreiten sich ziemlich schnell über andere Organe.
Diese Eigenschaften würden den Catechu als eins der vorzüg­lichsten adstringireudeu Mittel, besonders zur innerlichen Anwen­dung empfehlen, wenn derselbe nicht mehrentheils zu sehr mit fremdartigen Stoffen verfälscht und nicht zu theuer wäre. Aus die­sem letztern Grunde wird er nur bei Thieren von besonderem Wer-fhe und bei kleinen Hausthieren zuweilen gebraucht.
Benutzen kann man ihn innerlich und äusserlich überall, wo rein adstringireiule Mittel passend sind; besonders aber hat man ihn gegen heftigen Durchfall und Ruhr, gegen Harnruhr und Blut­harnen bei allen Hausthieren mit sehr gutem Erfolge angewendet.
Die Gabe ist für Pferde und Rinder 2 Drachmen bis | Unze; für Schafe und Schweine |—2 Drachmen; für Hunde i Scrupel bis 1 Drachme, täglich 3 bis 4 mal. — Das Mittel lägst sich gleich-massig gut in Latwergen, in Pillen und in flüssiger Form anwen­den. Man gieht es fast niemals für sich allein, sondern stets in Verbindung mit bittern und aromatischen Arzneien, oder in hart­näckigen Fällen auch mit Opium versetzt. Englische Thierärztc empfehlen in solchen Fällen, wo mit dem Durchfall zugleich ein
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gereizter Zustand des Darmkauais und Ubermässige Säurebildimg in demselben bestellt, eine Verbindung aus Catechu (für Rinder etwa 2—3 Drachmen), Opium (1- —1 Drachme) und gebrannten Kalk (1 Unze), — füglich 2 bis 3 mal wiederholt zu geben.*)
Die Gatech u-Tinktur ist ganz entbehrlich.
Anmerkung. Dein Catechu in der Besebaffenheit und Wir­kung ähnlich ist a) das Kino (Gummi Kino), und b) das Dra-chenblut (Sangul.t Draconh); sie sind jedoch entbehrlich und zu tbeuer. Das letztere dient jedoch als ein Bestandtheil des sogenann­ten Cosmeschen Pulvers. Ferner gehören hierher auch noch: c) die Ratanbiawurzel (Hud. Ratanhiae), welche viel (eisengrünende) Gerbesäure, in Verbindung mit etwas bitterin Extraktivstoff, Schleim u. s. w. cnthälr und ein sehr kräftig adstringirendes Mittel ist. Sie kann wie die übrigen Mittel der Art angewendet werden, ist aber zum Gebrauch bei den grossen Thicren zu tbeuer. — d) die Gra-natäpfelschalen (Cvrfc.-.- Ginnatorum), die Granatäpfelblü-then (I'lores liulavslluiiim) und die Rinde der Wurzel des Granatapfelbauns {Cortex Radicis Punicae Cranafi). Sie ent-lialten neben eiiiige;i andern Stoffen vorzüglich Gerbesäure, beson­ders reichlieh die Granatäpfelschaleu; sie sind kräftig adstringirend, alier zum thierärztlichen Gfebrauch durch die wohlfeileren inlän­dischen Mittel zu ersetzen. Die genannte Wurzelrinde scheint jedoch noch andere spezifische Bestandtheile zu enthalten, da sie sieh in neuerer Zeit als ein sehr wirksames spezifisches Mittel gegen Ein geweidewürmer, besonders gegen den Bandwurm erprobt hat. Die Gabe ist für Pferde und Rinder 5—(1 Unzen, für Schafe und Schweine 1—2 Unzen, für Hunde i- Drachme bis i Unze, täglich 2—3 mal. Man lässt die Würzt 1 (am besten die ganz frische) durch einige Stunden in Wasser weichen und dann tüchtig kochen und benutzt die colirte Flüssigkeit.
e) Ziemlich rein adstringirende Mittel, aber von geringerer Wirksamkeit und daher grösstentheils jetzt ausser Gebrauch sind noch: das Kraut des Augentrostes (Ilerh. Euphrailae officin, et rubrae), das Berufskraut (H. Sideritidls), die Brombeerblätter {Folia Ruhi rlllosi), das Eisenkraut (//. l'erhenae), das Fünf-fiugcrkraut (//. PentaplujUi), die Hauhechel (f/. Ononidis spi-nosae), das Heidekraut (//. Ericaevufg.), die Katzenpfötchen (Pisskraut) (I'lores et Ilerha G'naphafu, verschiedene Spezies der Gnaphalien), Meernelke, Kraut und Wurzel (//. et Radix Sla-tiees Armeriac), Odermennige {II.Agriihoniae), Sanikelkraut (H. Saniculae), Silberkraut (H. Potcntillae argenfeae), Storch-
*) Siehe: Tho Veterinarian, 4 830. Januar, S. 4o. 46.
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Schnabel, gefleckter (//. Geranii maculuii), taube Nessel (La-mium album), und Wegebreit (//. Planlaginis wajoris),
B. Schleimige adstriugirende Mittel.
Schleim und Gummi findet sich in geringer Menge neben der Gerbesiiure in vielen Pflanzen, jedoch, dieser geringen Quantität wegen, ohne wesentliche Bedeutung für die Wirksamkeit derselben. In grosser Menge sind schleimige Bestandtheile neben den adstrin-girenden nur in -wenigen Vegetabilien vorhanden. Die letztem sind bei ihrer Anwendung auf den thierischen Organismus von der im Allgemeinen bezeichneten adstringirenden Wirkung darin etwas ab­weichend, dass die örtliche Einwirkung auf die unmittelbar berühr­ten Stelleu etwas milder ist als von den Mitteln der ersten Abfhei-lung. Auch scheinen sie eine besondere Beziehung zu den Nieren zu haben, denn sie vermehren auf gelinde Weise die Urinsekretion.
7. Ulraenrinde, Ulmenbast, Cortex Vlmi inlerlor.
sect;. 242. Der innere Theil der Kinde (der Bast) des XJlmus campeslrh enthalt (nach Rinck) in IS Unzen über 3 J-Quentchen Gerbesäure,
gegen 3^ Loth gnmmigen Extraktivstoff etc., und wirkt massig ad-stringirend, die Absonderung der Schleimhäute und eiternder Flä­chen vermindernd, die des Urins aber gelind vermehrend.
Sie kann nach den allgemeinen Indikationen (sect;. 228.) ange­wendet werden, scheint aber bei Diarrhöe, Ruhr und Wassersüch­ten mit asthenischem Charakter den Vorzug vor den rein adstrin­girenden Mitteln zu verdienen. Auch ist sie bei veralteten Haut­ausschlägen empfohlen. — Man giebt sie Pferden und Rindern zu 2—4 Unzen; Schafen und Schweinen zu 1—2 Unzen; Hunden zu | Scrupel bis 1 Drachme täglich 2 bis 3 mal, am besten im De­kokt. — Aeusserlich ist die Ulmenrinde wie die adstringirenden Mittel überhaupt zu benutzen, ausserdem aber hat La üben der das Dekokt (1 Unze zu 6 Unzen Colatur) als Waschmittel gegen die Räude der Hunde empfohlen.
8. Grindwurzel, Radix Lapalhi (aculi).
sect;. 243. Als wirksame Bestandtheile enthält sie Gerbestoff, einen eigen-thümlichen Stoff (/?laquo;miVm oder Lapothin), Harz, Stärkemehl, mit kratzendem Bitterstoff und mit Schleim. Sie wirkt stärkend, zu-
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sammcnziehomi, und zugleich urintreibend. In der tonischen Wir­kung steht sie der Rhabarber und der Weidenrinde ziemlich nahe. Thierarzt Scallerod fand sie den Wirkungen des Enzians ähn­lich;*) sie unterscheidet sich aber von ihm theils durch ihren Ge­halt an adstringiiendem Prinzip und durch die hierdurch erzeugte stärkere Zusammeuziebuug der Fasern, theils durch die reizende Einwirkung auf die Urinwerkzeuge. Vitet*') hält die letztere Wir­kung für die Hauptwirkung der Wurzel, und diese sdbst als ein gefährliches Mittel für Schafe, giebt jedoch keinen Grund für diese Behauptung an. Dieselbe ist als ein recht wirksames stärkendes Mittel bei Schwäche und Unthätigkeit der Vcrdauungseingeweide, bei veralteter Drus?, bei Verschleimung und Husten, bei Diarrhöe und dergl. zu benutzen. Gegen Flechten, Räude und Wurm ist sie seit alten Zeiten als ein Spezifikum innerlich und äusserlich ge­braucht worden.*quot;} Sie leistet auch wirklich bei Flechten und Räude in den meisten Fällen recht gute Dienste, wenn das Uebel nicht schon zu sehr veraltet ist. Vitet schreibt hierbei ihre heil­same Wirkung der urintreibenden Kraft allein zu, jedoch wohl mit Unrecht, da sie auch durch Besserung der Verdauung und Säfte-bereitnng gewiss eben so viel zur Heilung beiträgt.
Zum innerlichen Gebrauch giebt man die getrocknete Wurzel für Pferde und Rinder zu 1 — 2 Unzen; für Schafe und Schweine zu 3—6 Drachmen; für Hunde zu -j—1| Drachmen, täglich zwei bis dreimal. Von der frischen Wurzel giebt man die drei-bis vier­fache Menge auf einmal. Man kann sie in Latwergen, Pillen oder Abkochungen (die frische Wurzel gequetscht) anwenden, und mit Wachholderbeeren, mit Kalmus, mit Schwefel oder mit Spiessglauz-Präparaten verbinden.
Aeusserlich wendet man die Wurzel theils in Waschwassern, theils in Salben an. Zu den erstem benutzt man Abkochungen, die entweder einfach mit Wasser, Bier, Essig oder Aschenlauge (1 Unze von der Wurzel zu 12 Unzen Flüssigkeit) bereitet sind, oder zu denen man noch andere Mittel hinzusetzt; z. B. nach Ker-sting's Vorschrift niinmt man:
zerschnittene Grindwurzel
Schöllkraut und Wurzel von jedem 4 Hände voll,
Alaun, 4 Unzen,
Essig, 2 Quart (G Pfund),
quot;) Velerin. Sels-ab. Skrift. f Deel. S. 329,
*•) a. a. 0. S. (92. (93.
quot;*) Daher der üeutsche Nume: „ Grindwurzel.quot;
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kocht alles zusammeu durch eine halbe Stunde und seihet die Fliis-sigkeit durch.
Damit werden die räudigen Stellen täglich einmal, und durch ö bis G Tage wiederholt gewaschen.
Die Salben werden gleichfalls entweder einfach aus der pulve-risirten Wurzel mit Schweinefett zu gleichen Theilen, oder mehr compüzirt mit Zusatz von Schwefel, von schwarzer oder weisser Nieswurz, von Lorbeeren und dergl. bereitet.
Anmerkung. Mit den vorstehend angegebenen Heilkräflen der Wurzel des spitzblätterigen Ampfers (Rumex acutus), kommen die Wurzeln von mehreren andern Ampferarten grössten-theils ul.icnin, namentlich vom Wasserampfer (Af. aquolicus), vom stumpfbläf terigen Ampfer {[(. obfasl/olius') und vom Gemüseampfer {li. Patienlia), und dieselben sind daher zu ähn­licher Benutzimg geeignet,
9, Rhabarbenvurzel, Radix Rhei s. Rhaharbari.
sect;. 244.
Sie enthält eine grosse Anzahl verschiedenartiger Bestaudtheile, von denen 74 pr. C. im Wasser und Weingeist auflöslich sind. Die wichtigsten derselben scheinen die Chrysophansäure, das rothwerdende Rhabarherharz {Erythrorelin), ein Braun­harz (Phaeorelin), und ein eigenthumlieberExtraktivstoffJ den man auch als ein Alkaloid befrachtete und mit den Namen; Rhabar­berstoff, Rhabarbarin, Hheumin, Rhein belegt bat, in Ver­bindung mit Gummi, Zucker, Oxalsäuren und anderen Kalksalzen und Gerbestoff zu sein.
Die Wirkungen der Rhabarber sind zum Theil denen der ad-stringirenden, zum Theil denen der bittern Mittel ähnlich, zum Theil aber auch ganz eigenthiiiulicb, tonisch, erregend auf die Vcaeu, die Lymphgefässe, Lymphdrüsen und andere drüsige Orgaue, und je nach der Grössc der Gabe die Absonderungen gelind beschränkend oder vermehrend. Denn in kleinen Gal)en und anhaltend den Thie-ren gegeben, erregt sie zwar die Gefisse der Veniammgseinge-weide, besonders die der Leber und die Pfortader zu grösserer Thä-tigkeit, aber hauptsächlich vermehrt sie den Tonus in denselben und in den Muskelfasern des Darmkanals; es wird daher die Ab­sonderung der Galle befördert und sie qualitativ gebessert, nament­lich wird sie mehr consistent und reicher an Gallenharz; in Folge, dessen wird der ganze Verdauungsprozess gebessert und der Um­lauf des Blutes, besonders in der Pfortader, und die Resorption in der ganzen Bauchhöhle lebhafter. Daher wird auch der Koth trok-
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kener, härtet und bei Pferden kleiner geballt. — Die Rhabarber geht in die Säfte über und wird theils mit dem Eotbe, vorzüglich aber mit dem Urin wieder ausgeschieden, wie dieses die gelbe Farbe zeigt, welche die genannten Exkremente bei dem Gebrauche des Mittels in kurzer Zeit annehmen.
In grossen Gaben bewirkt die Rhabarber sehr reichliche Ab­sonderung der Galle und der Darmsäfte, beschleuuigfe wurnifurraige Bewegung des Darmkanals und Purgiren. Letzteres tritt mir bei dem Hunde und bei der Katze von massig grossen Gaben (von 1 Drachme bis | Unze) in etwas starkem Grade ein: bei Schweinen erfolgt es aber von o—J Unzen und bei Pferden von 9 Unzen bis zu I Pfund nur sehr geliud und erst nach 36 Stunden (s. Viborg Samml. Bd. 3. S. 156.).
Heftige Zufalle, besonders Entzündung der Gedärme, ha* man selbst von so grossen Gaben nicht bemerkt.
Die Rhabarber erscheint, diesen Wirkungen gemäss, als ein eigenthümlich erregendes und stärkendes Mittel der Leber und der Verdaunngseingeweide da angezeigt, wo Schwäche und zu ge­ringe Thätigkeil dieser Organe den Grundcharakter einer Krankheit bilden, wo in Folge dessen dioBereilung gu­ter Galle qualitativ, oft auch quantitativ nicht gehörig erfolgt, wo deshalb Appetitlosigkeit, Verschleimung, Säure, Blähsucht, Ver­stopfung, Diarrhöe, namentlich die sogenannte wu'sse Ruhr bei jun­gen Thieren, — Gelbsucht, Bleichsucht und dergi. entstanden sind.
Als Purgirmittel darf die Rhabarber bei den grössem Hans-thieren nicht angewendet weiden, weil sie zu wenig wirksam, zu theuer und durch kräftigere wohlfeile Mittel zu ersetzen ist; bei Hunden und Katzen kann man sie aber in den im Obigen ange­deuteten Gaben hierzu anwenden. Weit zweckmässiger benutzt man sie aber in kleinen Gaben, nämlich ftir Pferde und Rindvieh zu 2—4 Drachmen, für Schafe und Schweine zu -i —2 Drachmen, für Katzen und Hunde zu 5 Gran bis 1 Scrupei, täglich 2—4mal,
Die Anwendung der gepulverten Wurzel kann in joder Form, und nach Erfordern der Umstände in Verbindung mit verschiede­neu andern Mitteln geschehen. Als Purgirmittel setzt man ihr zu­weilen Aloe, häufiger Glaubersalz, Weinstein und andere Salze zu; als stärkemies Mittel giebt man sie mit Kalmus, Wermulh, Wach-holderbeeren, Opium, Digitalis, kohlensaurer Magnesia u. a. Eine Zusammensetzung von Rhabarber I Drachme, kohlensaurer Magne­sia 1 Scrupei, Opium 5 Gran, mit -'; Pfund warmem Kamillenthce oder mit 2 Löffel voll Branntweins auf einmal gegeben, kenne ich als das vorzüglichste Heilmittel bei der sogenannten weissen Ruhr der Kälber.
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Anmerkung 1. Als Präparate von der Rhabarber hat man: ein einfaches Rhaharher-Extrakt (Exfractum fi/iei simplex), — ein zusammengesetztes Rhabarber-Extrakt {Extraclum lihei composition), — eine wässerige Rhabarber - Tinktu r (Tincl. lihei ayuosa), — eine wcingeistige Rhabarber-Tink­tur {Tinclura lihei vinosa) — und einen Syrupus lihei. Sie sind zum thierärztlichen Gebrauch viel zu theuer, eutbehrlich und sehr #9632;wenig benutzt.
Anmerkung 2. Die Wurzel von der bei uns in Gärten ge­zogenen Rhabarber, namentlich von Rheum palmalum und von /?. hi/bridum besitzt, wenn sie gehörig ausgewachsen und gut getrock­net ist, fast ganz dieselbe Wirksamkeit wie die chinesische Rha­barber, und könnte daher die letztere ersetzen (Viborg a. a. O. S. 155-162.).
Anmerkung 3. Zu den schleimig-adstriugirenden Mitteln gehören noch: die Eichenmistel oder weisse Mistel (f'iscum quernum s. l'iseum album), als die wirksamsten Theile betrachtet man die Biälter; — die rothe Pimpernelle, das Kraut (llerh. Saaguhorb. oj/icla.); der Weiderich, das Kraut {Herb.Salicafiae), und das Filzkraut {GnaphaUam germanicum), letzteres von eng­lischen Thierärztcn zur Belebung der Rumination angewendet. Diese Mittel sind jedoch von sehr geringer Wirksamkeit und jetzt fast gar nicht mehr gebräuchlich. (Vergleiche auch Schwarzwurzel, sect;• 160.)
C. Bittere adstringirende Mittel.
Sie besitzen neben der Gerbesäure einen bedeutenden Antheil von eigenthümlichem bitterem Extraktivstoff, und einige auch noch andere, dem letztern verwandte Bcstandtheile. Durch diese Verbin­dung ist die Wirksamkeit der hierher gehörigen Mitel in der Art raodifizirt, dass sie mehr als die rein adstringirenden Arzneisub-stanzen den Verdaunugs- und Assimiiationsprozcss stärken, die Blutbilduug begünstigen, dabei aber auch stark contrahiren und die Sekretionen beschränken.
10. Weidenrinde, Cor/ex Saltcis.
sect;. 245.
In der Rinde von allen inländischen Weidenarten, vorzüglich
aber von Salix Helix, fragilis, pentandra, praerox, alba u, a. ist
neben der (eisengrünenden) Gerbesäure (3 bis IG pr. C.) ein kry-
stallisirharer, anhaltend bitter schmeckender, eigenthümlicher Stoff
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in ziemlicher Menge enthalten. Ausserdem etwas Harz, Gummi, Färbestoff u. s. w. als unwesentliche Bestandtheile. Jener Bitter­stoff, das Weidenbitter (Salicin), wurde zuerst irrthümlich flir ein Alkaloid betrachtet; es besteht aus Kohlenstoff, Wasserstoff und .Sauerstoff, und lüst sich in Wasser und Weingeist leicht auf, aber nicht in Aether und ätherischen (Men. Die Gerbesäure findet sich am meisten in der Rinde des Stammes und der alten Aeste, das Salictn ist dagegen am meisten in der Kinde der jungem Zweige, auch in den Blättern und Bliitheu enthalten. Auch besitzen ge-wiss die verschiedenen Weidenarten einen verschiedenen Gehalt die­ser Stoffe.
So wie die Weidenriude in materieller Hinsicht eine natürliche Verbindung von adstringireudem Princip und Bitterstoff darstellt, eben so sind auch ihre Wirkungen gleichsam aus denen der zu­sammenziehenden und bittern Mittel zusammengesetzt, im Allge­meinen adstringirend-stiirkend. Hire zusammenziehende Wir­kung ist jedoch viel schwächer als die der Eichenrinde und der Tormentillwurzel; dafür belästiget sie aber auch örtlich den Magen und Dannkanal weniger als diese Mittel, und wird daher seihst von schwachen Verdauungseingeweideu mehrentheils gut ertragen. Die stärkende Wirkung ist auch nicht ganz mit denen der bittern Mittel übereinstimmend, da sie theils durch das zusammenziehende Prinzip zugleich und unmittelbar mit einer stärkeren Contraktion der Faser, theils vermöge des bittern Stoffes mit einer eigenthüm-lichen, gelinden Erregung und wirklichen Stärkung des Nerven­systems verbunden ist. Diese Wirkungen sind denen der China­rinde sehr ähnlich, und die Weidenrinde kann daher die letzlere, welche zum thierärztlichen Gebrauch viel zu theuer ist, fast er­setzen. *)
Die Anwendung der Weidenrinde kann innerlich und äusser-iich ganz bei denselben verschiedeneu Krankheiten geschehen, ge­gen welche die adstringirenden Mittel im Allgemeinen empfohlen sind (sect;. 228.). Zum innern Gebrauche zieht man sie in den meisten Fällen der Eichenrinde und den übrigen stark zusammenziehenden Mitteln vor, weil sie milder wirkt und besser von den Verdauungs­eingeweiden ertragen wird als diese; sie passt vorzüglich da, wo man nicht allein stärken, sondern auch den Tonus vermehren muss
quot;) Man hat sclion seil langer Zeit die Weldenrinde als das Vorzug-Heilste Surrogat der China betrachtet, und die in der neuern Zeil stalt-gofundene Entdeckung des, den Alkaloiden der China ähnlichen, Salicin, beslätigel allerdings die grosse innere Aehnliclikeit derselben noch weil mehr, als man sie frühsr vermulhele,
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und wo daher die bittern Mittel für sich allein nicht ausreichend oder schon vergeblich angewendet sind, wie z. B. bei asthenisch-gastrischen Fiebern, bei Faul- und Nervenfiebern, bei cachektiscben Fiebern und sehr starken Ausleerungen aller Art; äusserlich bei dem kalten Brande, bei Geschwüren mit vorwaltender Erschlaf­fung, bei Quetschungen mit starker Ausdehnung und JErschlaf-fung der Tbeile und dergl. — Ist jedoch die Erschlaffung zu gross oder zu hartnäckig, so verdienen auch wieder zuweilen die rein adstringirendeu Mittel in Verbindung mit aromatischen und Spi­rituosen Mitteln den Vorzug vor ihr. — Die im Allgemeinen an­gegebenen Q-egeuanzeigen sind auch bei der Weidenrinde zu be­achten. Die Gabe richtet sich nach den allgemeinen Bestimmun­gen, kann aber verhältuissmässig etwas grosser sein als von der Eichenrinde. Hinsichtlich der Form und Verbindung mit andern Mitteln gilt Alles, was bereits bei den adstringirendeu Mitteln über­haupt, und was bei der Eichenrinde hierüber gesagt worden ist.
Das Saliciu ist in der Thierheilkunde nicht gebräuchlich, weil es für thierarztliche Zwecke recht gut durch die Abkochung der Weidenrinde ersetzt werden kann. Eben so das Extrakt.
II, P ap p e 1 ri n d e, Corlex Populi.
sect;. 24G.
Die Rinde der meisten Pappelarten enthält fast ganz dieselben Bestandtheile wie die Weidenrinde, selbst das Saliciu, und neben demselben Populin (ein dem Mannit ähnlicher Stoff) und Cvriirin; das adstringirendc Prinzip ist aber, so wie der Bitterstoff durch­gehend in geringerer Menge vorhanden, als in dem letztern Mittel. Die Pappelrinde ist daher von sehr ähnlicher, aber von schwäche­rer Wirksamkeit als die Weidenrinde, in deren Ermangelung sie ganz wie diese selbst zu benutzen ist.
Die Rinde von der Zitterpappel {Populus fremula f..) ist in Norwegen schon lange als ein wurmwidriges Mittel bekannt. Thier-arzt Sievertsen versuchte sie daher bei gastrischen Krankheits-znsfäüden der Pferde, bei denen er Eingeweidewürmer vermuthetc, und land sie von ausserordentlicber Wirksamkeit. Er gab diepul-verisirte Rinde tiiglirh zu einem halben Pfunde in Latwergenform, und schon in 24 Stunden gingen Würmer ab. Man soll jedoch nur die Rinde der Jungen Zweige und vor Enfwiekelung der Blät­ter einsammeln (s. Veterin. Selskab. Skrifter, 1 Dccl, S. 330.).
Die ehedem gebräuchlich gewesene Pappeisalbo {Unguenlum populeum), die aus den Pappelknospen, Saft von schwarzem Nacht­schatten, Klettenkraut, Sallat, Hauswurzel, Bilsenkraut und Schweine-
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fett licreitet wurde, und welche als schmerzmildemdes, erweichen­des Mittel sehr gerUbmt war, ist ganz zu entbehren.
12. Rosskastanieurindc, Curtex Ilippocaijani.
sect;. 247.
Diese Kinde enthält Gerbesäure (gegen 2 pr. C.j also weniger als die Weideuriude) in Verbindung mit bitterm Extraktivstöff; ausserdem etwas Harz, CJuinmi, Farbestoff u. s. w. als unwesent­liche Bestaudthelle.
Ihre Wirkungen sind last ganz dieselben wie bei der Weiden­rinde und sie ist daher auch wie diese zu benutzen: sie soll je­doch etwas schwerer verdaulich sein als letztere, und deshalb der­selben bei dem innerlichen Gebrauch nachstehen.
Auch die Rosskastanienrinde ist als ein Ersatzmittel der China empfohlen.
Anmerkung i. Die Samen di.s Kastauienbaums (die soge­nannten wilden oder Rosskastauieu) bestehen grössteutheils aus Stärkemehl, in Verbindung mil einem hitler-hcrben Stoffe. Sie werden von Pferden, Rindern und Schafen, vorzüglich aber von Schweinen und Ziegen gern gefressen und sind für alle diese Thiere nicht nur ein sehr gedeihliches Nahrungsmittel, sondern auch ein ganz vortreffliches diätetisches Heilmittel, welches man bei und nach astbenisclien und cachektiseben Krankheiten, z. 13. bei lang­wieriger Druse, bei Scbleimschwlndsucht, bei chronischem Husten mit vielem Auswurf, bei und nach Durchfall, bei der Fäule, bei der Bleichsucht und Wassersucht der Schafe u. s. w., mehr be­nutzen sollte, als es bisher geschehen ist. Eben so sind die Ka­stanien auch als ein sehr zweckmässiges Verbesserungsmittel des nass geernteten und verdorbenen Fuders, und als Präservativmittel gegen die von demselben entsiebenden Krankheiten zu benutzen. Man gebraucht sie, wie die Eicheln, sowohl frisch als getrocknet und über Feuer gerostet. Durch das Rösten entwickelt sieh in ih­nen etwas Empyreiimatisches, wodurch sie zugleich eine gelind rei­zende Wirkung erhalten. Am besten giebt man sie den Thieren zerstampft und mit anderm Futter, oder auch mit etwas Wachhob derbeeren und Kochsalz gemengt.
Anmerk. 2. Die frischen Kastanienblätter besitzen einen ge­lind zusammenziehenden, bitterlichen Geschmack, und eine milde, stärkende Wirkung. Alle pflanzenfressende Thiere geniessen sie mit Begierde, und man kann sie daher bei asthenischen Krankheiten als ein zweckmässiges diätetisches Mittel benutzen.
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J3. (jliinu Wallnussschaloil, Putamen s. Curler nucum Juglandium,
sect;• 248.
Die äussere grüne Schale der Wallnüsse besitzt als Hanptbc-staudtheil die Juglassäure (welche durch Einwirkung der Luft und der Alkalien sich der Gallus- und Eichengerbsäure ähnlich macht), dabei einen scharfen Bitterstoßquot;, welcher letztere jedoch an der Luft in kurzer Zeit sehr verändert und zum Theil unwirksam wird. Im frischen Zustande sind sie kräftiger als im trocknen. Sie wirken erregend, stärkend und ziemlich stark adstringirend, und können daher innerlich und äusserlicb in allen Fällen angewendet werden, wo bittere und zusammenziehende Mittel überhaupt angezeigt sind. Besonders haben sie sich innerlich gegen Würmer, äusserlicb bei schlatf'en, unreinen, schlecht gramilirenden Geschwüren, bei Kno­chengeschwüren, bei heftigen Quetschungen, bei dem Brande vom Durcbliegen, bei Räude und bei veralteten Flechten, recht nützlich gezeigt. — Ausserdem benutzt man sie äusserlicb zum Vertreiben der Läuse und Flohe, und als ein sehr wirksames Schutzmittel für die Thicre gegen Insekten.
Die Gabe für die verschiedenen Hausthiere kann nach den im Allgemeinen gemachten Andeutungen bestimmt werden. Die zweck-mässigste Form ist die Abkochung; zum iunern Gebrauch 1 Unze von den frischen Schalen mit lj Pfund Wasser zu 1 Pfund Cola-tur; zum äusserlichen Gebrauch dieselbe Menge zu 8 bis 10 Unzen Colatur. — Verbindungen mit andern Mitteln werden naehBcdiirf-niss der Umstände und wie bei den übrigen adstringirenden Mit­teln gemacht.
Bei der äusserlichen Anwendung des Dekuktcs, und besonders wenn man dasselbe zum Befeuchten oder Waschen der Thiere ge­gen Insekten benutzt, ist zu bemerken, dass weisse Ilaare ein braun-rütbliches, fuchsiges Ansehen erhalten, welches sich aber nach eini­ger Zeit wieder verliert.
Als Präparat empfiehlt Rysz noch ein Extrakt, welches durch Auskochen der Wallnussschalen mit Wasser und durch Eindicken der Flüssigkeit bis zur Consistenz des Honigs bereitet wird. Es besitzt dieselben Wirkungen wie die Schalen selbst, wird daher auch wie diese benutzt, und ist besonders zur Anwendung in Pil­len und Latwergen geeignet. Die Dosis ist für Pferde und Rinder 11—2 Unzen; für Schafe und Schweine 2—GDrachmen; für Hunde 5-20 Gran.
Anmerkung. Die frischen Blätter des Wallnussbaums sind
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etwas mehr balsamisch bitfer und herb, und besitzen sehr ähnliche Heilkräfte wie die grünen NussschaJen, und könueu daher in Er­mangelung derselben für dieselben Zwecke und auf gleiche Weise, jedoch in noch einmal so grosser Menge, angewendet werden.
14. Färberrüthe (Krappwurzcl), Radix llubiac linc/oram s.
tlnvtorifte.
sect;• 249.
Diese Wurzel enthält als Hauptbestandtheil zwei sehr geliud adstringirend wirkende Färbestoffe in Verbindung mit etwas heis-sendem bittern Extraktivstoff, etwas Harz, Gummi etc. — Sie wirkt örtlich sehr geliud zusammenziehend und im Allgemeinen eben so gelind stärkend. — Eigenthümlich ist es noch, dass der Färbestoff dieser Wurzel sehr leicht und in kurzer Zeit in die Säfte übergeht und nicht nur das Blut, die Galle, den Urin und die Milch, son­dern auch seihst (und zwar am stärksten) die Knochen roth färbt. Je jünger dieThierc sind, um desto schneller und leichter geschieht dies, z. B. bei jungen Tauben und Hühnern schon mit 2—3 Drach­men der trockenen Wurzel. Die dichte Substanz der Knochen wird dunkeler roth gefärbt als die schwammichte, und die Beinhaut, Knor­pel und Bänder verändern ihre Farbe fast gar nicht. — Diese Fär­bung beruht auf einer materiellen Ablagerung des unverdauet und unverändert in die Säfte getretenen Färbestoffes; sie vermindert sich daher auch wieder, wenn der Geuuss der Färberrüthe aufhört, und verschwindet zuletzt gänzlich.
Die Farberröthe kann wie die übrigen bitter zusammenziehen­den Mittel bei den verschiedenen asthenischen Krankheitszusfändeu, die mit Erschlaffung und Auflockerung verbunden sind, angewen­det werden: da sie jedoch nur von geringerer tonischer Wirksam­keit ist, als die Weidenrinde, Eastanienrinde u. a., so wird sie jetzt nur selten benutzt.
Wegen der vurherrschrnden Einwirkung ihres Farbestoffes auf die Knochen, schrieb man ihr auch spezifische Heilkräfte auf diese Gebilde zu und benutzte sie deshalb bei allen Krankheitszuständen derselben sehr häufig. In der neuern Zeit ist man aber von ihrem Gebratich wieder zurückgekommen; ich habe sie jedoch selbst in mehreren Fällen, wo ein cachektischer Zustand mit Auftreibung oder Erweichung der Knochen am ganzen Körper, oder Auflockerung der Beinhaut zugegen war, und eben so bei tief fressenden Ge­schwüren, bei Pferden, Rindern und Hunden mit gutem Erfolge in­nerlich angewendet.
Gabe und Form ist wie bei den übrigen adstringir'enden Mit-
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telii, und eben so versetzt man die Wurzel last immer mit bittern und ätherisch-öligen Mitteln, mit Spiessglauz und mit Eisenpräpa­raten, und giebt bei ihrem Gebrauch leicht verdauliche und kräftige Nahrungsmittel. — Da die Wurzel keinen auffallenden oder widri­gen Geschmack veraulasst, so kann man ihr Pulver auch mit dem Futter mengen und so den Thiereu ohne Mühe beibringen. — Das Mittel muss stets durch einige Zeit fortgebraucht werden, wenn man einen guten Erfolg davon sehen will; doch ist es dabei auch nöthig, nach ;gt; his 1 Tagen des Gebrauchs immer eine Pause von i bis 2 Tagen zu machen, um die naehtheilige Einwirkung auf den Emährungsprozess zu verhüten.
Anmerkung 1, Das Kraul der Farherrothe besitzt ähnliche, aber etwas schwächere Wirkungen als die Wurzel. Es wird von den Schafen gern gefressen und kann ihnen bei Neigung zur Fäule, bei beginnender aionischer Wassersucht und in ähnlichen Fällen mit Nulzen als ein diätetisches Heilmittel für sich allein oder mit Heu oder Stroh gemengt, gereicht werden.
Anmerkung. 2. Zu den bitter-adstriugirenden Mitteln gehö­ren auch: der Buehsbaum (die Blätter, Folia Buxl semperuireit. tis), von ekelhaft bitter-zusammenziehendem Geschmack. Ausscr der gewohnlichen Wirkung der bitter-adstringireudeu Mittel soll das Dekokt auch die besitzen, den Haarwuchs zu befördern. Es muss aber täglich und durch 4 Wochen anhaltend angewendet wer­den. — Die Blätter der Bärentraube (l'olia Urne ursi). Sie ent­halten mehr Gerbesäure und Gallussäure als die vorigen, ausser-dem bittern Extraktivstoff eic. Die Wirkung entspricht den allge­meinen Angaben, ist aber zugleich massig urintreihend. Die An­wendung geschieht nach allgemeinen Indikationen und gegen Was­sersuchten. — Wintergrün, doldenhliithiges und rundblätteriges {Ful. Pyrolae ambelhilae et rofitndi/oliae), ähnlich wirkend wie die Bärentraube. — Eschen- und Ahornrinde (Cortex Fraxini et Arerh), eben so die innere Rinde von mehreren Nadelhölzern, na­mentlich vom Lärchenhaum, von Fichten und dcrgl. Alle diese Mittel sind jedoch von schwacher Wirksamkeit.
D. Äetheriscli - ölige adstrinamp;ireude Mitlei.
Die Verbindung der Gerbesäure mit ätherischem Oel kommt nicht bei vielen Pflanzenarten vor. Durch diese Verbindung erbal­ten die Arzneimittel der Art eine eigenthümllche Wirksamkeit, in­dem von ihnen nicht nur die Contraktion und Cohäsion der orga­nischen Fasern vermehrt, sondern auch die Ncrvcnthätigkeit (bc-
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sonders in den Q-auglieuuerveu) crliübef, die Resorption befördert, Ubermässige Absonderungen aber besebränkt werden.
15. NelkcilWUrzel, HuJix CaryophyHalae.
sect;. 250.
In dieser Wurzel ist der Gerbestoff mit etwas gummiartigem Bitterstoff und mit einem augeuchm nacb Gewürznelken riechenden fluchtigen Oel verlnuulen. Letzteres ist jedoch mir in ganz unbe­deutender Menge zugegen, und eben so ist auch der adstringlreude und bittere Stoff in vcrhältnissinassig geringerer Menge vorban­den, als in den bereits beschriebenen adstringirenden Mitteln. — Man bat die Nelkenwmzel mit der China- und der Weidenriude verglichen, und sie ebenfalls für ein Surrogat der ersteren betracb tet; sie hat auch allerdings einige Aehulichkeit mit diesen Mitteln, ist aber durchaus nicht übereinstimmend mit denselben; denn in materieller Hiusichi fehlt ihr der starke Bitterstoff und das Alkaloid dieser beiden Rinden, und in der Wirkung ist sie im Allgemeinen weniger kräftig tonisch, und der spezitische Einfluss der China auf das Nervensystem fehlt ihr fast ganz. Deutlich hervortretende, flüchtige, erregende Wirkungen bemerkt man von ihr selbst nach grossen Gaben nicht, und ihr tlücbtigcs Prinzip scheint überhaupt von keiner wichtigen Bedeutung zu sein. Ihre eigentliche Wirkung ist daher von der Wirkung der bitter-adstringirenden Mittel wenig verschieden, und am meisten noch mit derjenigen der Kastanien-rindo zu vergleichen.
Die Anwendung kann ganz nach den im Allgemeinen ange deuteten Grundsätzen geschehen, vorzüglich aber ist sie da ange­zeigt, wo die Verdauuugs- und Assimilationsorgane an Schwäche leiden, die Schleimhäute in zu reichlicher und fehlefhafter Sekretion sich befinden, die Thätigkeit der vegetativen Nerven zu gering ist, und wo Neigung zur Zersetzung der Säfte besteht. Daher bei Diarrhöe, Harnruhr, veralteter Druse, chronischem Lungenkatarrh, Nerven- und Faulfieber und dergl. — Hinsichtlich der Form ist je­doch zu bemerken, dass die wirksamen Bestaudtheile der Nelken­wurzel sich schwer durch Wasser ausziehen lassen, und dass sie daher im Dekokt weniger wirksam ist als im Pulver oder in Pillen und Latwergen.
16. Farrcnkrautwurzel, Radi* Fllicit,
sect;#9632; 251.
Sie enthält eine geringe Quantität Gerbestoff, in Verbindung-mit einer ätherisch- und fettig-oligen, oder fettig-harzigamp;n Materie
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und mit mehreren andern Stoffen von geringerer Bedeutung. — Ihre adstringircnden Wirkungen sind sehr schwach, und sie kommt als zusammenziehendes Mittel wenig in Betrachtung, obgleich sie hin und wieder gegen das asthenische Blutharnen, und gegen Durch­fall, besonders bei Kälbern empfohlen wird. Dagegen ist sie seit alten Zeiten als ein spezifisches Mittel gegen Würmer, und vorzüg­lich gegen den Bandwurm gerühmt, und ich selbst habe bei Hun­den ihre gute Wirkung in mehreren Fällen gesehen. Sie muss je­doch, wenn sie etwas leisten soll, zu gehöriger Zeit (am besten im Frühjahr) gesammelt, schnell getrocknet, gut aufbewahrt und nicht über ein Jahr alt sein. Auch todtet sie nur die Würmer, fuhrt sie aber nicht aus dem Darmkanal ab, und sie muss daher immer mit Purginnitteln unterslützt werden.
Die Gabe ist für die grossen Hausthiere 2 bis -l Unzen, für Schafe und Schweine 2 Drachmen bis 1 Unze, für Katzen und Hunde nach Verhältniss der Grosse 1—40 Grau auf einmal. Zweck-massig ist es, vor dem Eingeben die Thiere 24 Stunden laug fa­sten zu lassen, und 2 bis 3 Stunden nach der ersten Gabe eine zweite zu reichen, nach 24 Stunden aber ein Purgirmitel zu geben.
Man kann sehr gut das Mittel für sich allein als Pulver auf das Futter, oder in Latwergen, Pillen und im Dekokt geben; meh-rentfaeils aber verbindet man sie mit bittern, aromatischen, brenz-lichen und drastischen Mitteln; Waldinger empfiehlt z.B.gegen den Bandwurm der Hunde folgende Pillen:*)
Man nimmt: Farrenkrautwurzel-Pulver 2 Drachmen.
Aloe und Stink-Asand, von jedem 1 Drachme. Gummi Gutii, 20 Gran. Hirschhornol, 30 Tropfen. Diese Substanzen werden mit einem bittern Extrakt oder mit Schleim von arabischemOummi zur Pillenmasse und daraus 2 Gran schwere Pillen gemacht, von denen man kleinen Hunden früh und Abends jedesmal eine, den grössern aber 3 — 4, recht grossen Hunden aber selbst bis 10 Stück giebt.
Ausscr dieser Benutzung empfiehlt Laubender noch dieFar-renkrautwurzel, jedoch ganz empirisch, bei schlechter Fress.'ust der Hühner anzuwenden. Man soll aus zerstossenen Eierschalen, aus geschrotenera Korn und einem Dekokt der Wurzel einen Brei ma­chen und diesen den Thieren als Futter vorsetzen.
Als ein sehr zweckmässiges und wirksames Präparat ist das ätherische Farrenkrautextrakt {E.rfraclum ßlicis aeihercum,
*) Waldinger, Abhandl. über ciio gewöhnlichen Krankheiten der llniide. Wien 1818. S. 97.
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ehemals Farrenkrautöl, Ol. flieh genaunt) bei kleineren Thie-reu zu benutzen. Man giebt es Hunden, je nach ihrer Grosse, zu 15—4(1 Gran pro Dosi, täglich in 2 solchen Gaben, am besten mit etwas Mehl zu Pillen gemacht. Zuweilen erfolgt nach dem ersten Tage der Abgang des Bandwurms nicht, weshalb am zweiten Tage die Wiederholung des Mittels stattfinden muss.
Anmerkung 1. Die Wurzel von einigen anderen Farren-krautarten, namenÜich von Aspidiitm s. Pulypodium Filix Joemina und von Ptcris aguilina (Adler-Saumf'arrn) scheinen ähnliche, aber schwächere Kräfte zu besitzen. Ucber das Letztere bemerkt Vi-borgquot;) nach den Beobachtungen der Herren Hinrichseu und Mailing, dass Pferde nach dem mehrmaligen Genuss der trock­nen Wurzel und des Krautes, welche unter das Stroh gekommen und mit diesem zu Häckerling geschnitten worden, unter Zufällen der brandigen Bräune gestorben sind, und dass Kühe heftiges Blut­harnen bekamen. Die Pferde, denen man jenen Häckerling mit Wasser angefeuchtet gab, blieben gesund. — Es ist nur zu be­dauern, dass jene Beobachtungen von keinem Sachverständigen ge­macht und daher sehr unvollkommen sind.
Anmerkung 2. Als ätherisch - ölige adstringirende Mittel sind noch zu nennen: die Rosenblätter {Fulia Itosarum), von verschiedenen Arten der Rose; sie sind schwach zusammenziehend und erregend, und werden zuweilen im Infusum gegen asthenische Augenentzündungen mit vermehrter Schleimsekretion benutzt. — Birkenrinde und Birkenblätter {Cortex und rolia Betulae). Sie besitzen Gerbe- und Gallussäure, bitteren Extraktivstoff, dabei in der Rinde eine kampherartige Materie, in den Blättern etwas ätherisches Oel. Man benutzt beide Substanzen gegen asthenische torpide Wassersuchten, Rheumatismen, Hautkrankeiten und dergl. innerlich am besten im Dekokt, äusseiiich desgl. oder die frischen Blätter (1 Theil) mit Fett (2 Thcile) gut zusammengeriehen als Salbe (Ungiienfiim betulinum) gegen Flechten und Räude. — Erlenblät­ter (Folia Alni), von ähnlicher Beschaffenheit und Wirksamkeit wie die Birkenblätter, sind wie diese zu benutzen. #9632;— Grüner Thee (Thea viridis), oft als Hausmittel zu haben; gegen asthenische Krampfkrankheiten, Kolik, Blähungen etc. zu benutzen.
*) Veterin. SeUkob. Skrift, t Deal, — uml Teuffel'i Magazin für Thierheilkunde. 1. IM. 2. Heft. S. 4 99.
ltei-t\vl£ Arzniiinill'.-ilfhic.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;15
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E. Sauerlich adstringireildö Mittel.
In einigen Pflanzen findet sieh ilas adstrinfjirenrle Prinzip ne­ben andern Bestandtbeilcn aucli mit noch andern vegetabilischen Säuren in Verbindimg. Hierdurch erhalten diese Pflanzenmittel die eigeutbUmlicbe Wirksamkeit, wie die reinen adstringirenden Mittel, die Faser zu contrahiren, die Gebilde zu verdichten, die Sekretionen zu beschninken, zugleich aber die entzündliche und die entzünd­lich fieberhafte Aufregung des Gefasssystems zu vermindern und der Disposition zu akuten Zersetzungen der Säfte entgegen zu wirken.
17. Heidelbeeren, Baccae HTyrdlll.
sect;• 252.
Diese Beeren enthalten einen zusammenziehenden, blaufarben-denExtraktivstoff, in Verbindung mit Scfaleimzucker und mitAepfel-und Citronsäure. Sie wirken mild adstriugireud, zugleich aber kühlend und daher dem krankhaften Entmischungsprozess auf dop­pelte Weise entgegen. Auch beschränken sie die ühermässigen Ab­sonderungen im Darmkanal und in den Nieren ziemlich kräftig, und oft sogar in einem höhern Grade als die rein adstringirenden Mittel. Diese Wirkungen sind von den getrockneten Beeren weit stärker zu bemerken, als von den frischen.
Man benutzt dieselben daher im getrockneten Zustande als ein wohlfeiles Hausmittel bei asfbenischen Durchfällen, bei dergleichen Ruhr, Blutharnen, Harnruhr und bei dem Faulfleher.
Die Gabe ist für Pferde und Rinder 1 bis 2 Unzen, für Schafe und Schweine 3 bis 6 Drachmen, für Hunde -^ bis 2 Drachmen, in Pulvern, Latwergen und Abkochungen, und mit andern Mitteln, namentlich mit bittern und mit schleimigen verbunden.
Anmerkung. Mit der Heidelbeere übereinstimmend wirken die Preisselbeereu (Baccae PUh ulaene), die Moosbeeren {Bac­cae Oxyeocci), und grösstentheils auch die Ebereschbeeren {Hacc. Sorbl acuparläe); ferner, dieBlätter, die jungen Zweige und die Ranken des Weinstocks (Flaquo;/,laquo;^ Stiptles u.Pamplnl vi-ils); — die Hagebutten {Frur/us Cynosbati), — das Hauslaub, oder die Hauswurzel {Ha//. Sedi majoris) — und die Schle hen {Frurtus Aeaciae germanicae). — Auch dieBlätter der Heidel­beere und der Moosbeere wirken massig adstringirend; es fehlt ih­nen aber jede andere Säure.
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F. Adstringirende Mittel mit Alkaloiden.
Die Gerbcsänro in Verbindung mit Alkaloiden, als wesentliche Bestandtheile, hat sieh bis jetzt nur in den verschiedenen Arten der Chinarinde gefunden.
18. Chinarinde, Cortex Chinae, und namentlich braune oder gemeine Chinarinde, Corle.r Chinae fuscus, Cort. penmitawu) — rothe Chinarinde, Cort. Chin, ruher, Cort.peruvianus ruber; — gelbe Chinarinde oder Königsrinde, Cort. Chin, ßavus s. /laquo;• teas, Corf. Chin, regius U, a.
sect;. 253.
Die Rinde von den vielen Species und Varietäten des Cinchona-Baums enthält als vorwaltende wirksame Bestandtheile zwei eigen-thiimliche Alkaloide, das Chinin und das Cinchonin, in Ver­bindung mit Chinagerbsäure, Chinaroth, unauflösliche gelbe Substanz, Harz, Kalksalze u. a.
Die quot;Wirkungen der China stimmen zum grossen Theil mit den Wirkungen der übrigen gerliestofTiialfigcn Mittel, und nament­lich mit denen der Weidenrinde überein, zum Theil aber sind sie ganz cigenthümlich, und in ihrer Vollkommenheit durch kein an­deres Mittel zu erzeugen. Sie bestehen im Allgemeinen: a) in Verstärkung und Erhöhung des Tonus der irritabeln Fasern, daher besonders der Muskeln und Gefässe; b) in Ver­mehrung des Zusammenhanges der organischen Ma­terie, sowohl in den festen, als auch in den flüssigen Theilen des Körpers, und — c) in Erhöhung der Energie des Nerven­systems. —#9632; Sie vereinigt also tonische, zusammenziehende und erregende Kräfte und ist deshalb das grösste Stärkungsmittel unter allen andern, wenn es darauf ankommt, die Lebenskraft wirklich zu erhöhen, ohne den Körper zu ernähren, oder blos zu reizen.
Bei der Anwendung der China sind dieselben Anzeigen und Gegenanzeigen zu beachten, welche bei dem Gebrauch der adstrin-girenden Mittel im Allgemeinen gelten. Man könnte sie überall benutzen, wo diese Mittel empfohlen sind, wenn sie nicht zu theuer wäre; sie darf daher nur in einzelnen Fällen, innerlich und hei sol­chen Thieren, die für ihre Besitzer einen wirklichen oder eingebil­deten hohen Werth haben, und vorzüglich nur bei kleinen Haus-thieren angewendet, werden. Bei Nervenfieber und Faulfieber, bei Neigung zur Entmischung der Säfte, bei fauligen Pocken (soge­nannten Aas-Pocken), bei grosser Muskelschwäche, die nicht allein
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in Schlaffheit, sondern vorzüglich in Mangel an wirklicher Lebens­kraft begründet ist, verdient die China vor den übrigen zusammen­ziehenden Mitteln den Vorzug; bei blosser Erschlaffung, besonders in äusserlichen Gebilden und überhaupt zum äusserlichen Gebrauch, sind ihr aber diese Mittel stets vorzuziehen, und zwar nicht allein der Wirkung, sondern auch des wohlfeilem Preises wegen. Ausser bei den genannten Krankheiten und Krankheitszuständen haben sich die China und ihre Alkaloide, dasChininum und Cinchoninum und die Präparate derselben, noch bei allen Krankheiten, welche einen regelraässig intermittirenden Typus besitzen, haupt­sächlich aber bei dem Wechselficber mehr spezifisch wirksam gezeigt, als irgend ein anderes Heilmittel. Die China ist deshalb von französischen Thierarzten auch gegen die sogenannte Mond­blindheit (period. Augenentzündung) innerlich und äusserlich ange­wendet worden, und zwar, angeblich mit dem besten Erfolge. Die Beobachtungen hierüber scheinen jedoch nicht gründlich gemacht zu sein. — In neuerer Zeit ist die China auch als Gegengift gegen die gefährlichen Zufälle von zu grossen Gaben des Brechweinsteins empfohlen worden und zwar die Abkochung in der Menge, dass auf 2 Gr. des verschluckten Brechweinsteins eine Drachme der Rinde verbraucht wird. Die Wirkung des Mittels gegen diese Zufalle ist sowohl eine chemische, wie auch eine dynamische.
Die Gabe und die Verbindung mit andern Mitteln ist ganz nach den allgemeinen Andeutungen einzurichten, und die Anwendung ist im Pulver, in Latwergen, Pillen und Dekokten zu bewirken.
Die Präparate sind sämmtlich zu theuer und entbehrlieh.
Man hat sich vielfältig bemühet, wohlfeile Surrogate für die China zu entdecken. Die meisten Versuche der Art sind von Men­schenärzten und hauptsächlich in der Idee gemacht worden, ein eben so sicheres Heilmittel wie die China gegen das intermittirende Fieber zu finden. Hierzu sind die Weiden- und Kastanienrinde, die Wandflechte, der weisse Arsenik, und in neuester Zeit die Blätter der Stechpalme {lle.r Aqul/oUum) benutzt und empfohlen worden. Alle diese Mittel können aber die China nur hinsichtlich einzelner Eigenschaften, aber niemals vollständig ersetzen.
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Vierte Klasse.
Actherisch-oligc (gewiirzhafte), kampherhaltige, harzige und ompyreumatische Mittel.
( Medicumina aromalica, lt;amplwracea. resinosa et empyreumatlcu#9632; )
Begriff, Wirkung und Anwendung dieser Mittel im Allgemeinen.
sect;. 254.
Eine grosse Anzahl der gebräuchlichsten und wirksamsten Arzneimittel enthält als wirksame nähere Bestamltheile ätherisches Oel, Kampher oder Harz. Diese drei natürlichen Erzeugnisse des Pflanzenreichs, *) sind sowohl in ihrem Ursprunge wie auch in ihren materiellen Eigenschaften und in ihren Wirkungen auf den Thierkörper mit einander sehr verwandt, und können daher ganz passend in eine Klasse zusammengestellt werden. — Ihnen in mehr­facher Hinsicht sehr ähnlich ist auch das brenzliche (empy-reumatische) Oel, weshalb die Mittel, die solches enthalten, hier ebenfalls ihren schicklichsten Ort finden.
g. 255.
Die grosse Verwandtschaft der hierher gehörigen Mittel zeigt sich im Allgemeinen dadurch, dass a) ihre obengenannten verschie­denen Hauptbestandthcile ganz aus denselben Grundstoffen und auf ziemlich gleichartige Weise zusammengesetzt sind (denn die reinen und die brenzlichen ätherischen Oele, die Harze und der Kampher bestehen zum giossten Theil aus Kohlenstoff, demnächst aus Was­serstoff und aus Sauerstoff; der Stickstoff kommt nur bei sehr we­nigen ätherischen Oelen, und auch bei diesen nur in äusserst ge­ringer Menge vor);—b) dass sehr häufigjene Hauptbestandthcile nicht nur in einem Mittel in natürlichen Verbindungen vorkommen, sondern dass sie unter gewissen äussern Einflüssen sich sogar in einander verwandeln; und c) dass sie sämmtlich als erregende, und zum grössten Theil als flüchtig reizende Mittel auf den thierischen Or­ganismus wirken, und besonders die Sensibilität, die Irritabilität und die Wärmeeutwickelung in demselben erhöhen.
*) Es gielil auch einigu Substanzen aus dem TMerreicli. welche Utberiscbes Oel enlballen und in der Menschenheilkiinde als die kriif-ligslen unter den llüclilit! wirkenden Arzncimilleln benutzt werden; näm­lich der Moschus der Amber, das Caslorenm und der Zibeth. Da der ausserordenllich hohe Preis dieser Mittel ihre Anwendung bei Thieren gänzlich verbielet, so wird auf sie auch keine weitere Rücksicht genonimen.
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sect;. 256. Bei dieser Ueliereiusthniming in ihren allgemeiusteu Eigen-sdiaften sind jedoch diese Mittel und deren wirksame Bestaudtheile keinesweges einander ganz gleich, sondern sie zeigen mehrere, nicht unbedeutende Verschiedenheiten, welche es, besonders in therapeu­tischer Hinsicht noting machen, sie nach jenen Bestandtheileu in vier Ahtheilnngeu zu bringen, von denen
die erste die ätherisch - öligen oder aromatischen
Mittel, die zweite den Eampher, die dritte die harzigen und balsamischen, und die vierte die hrenzlichen Mittel enthält.
Erste Alitlieilmig.
Aetherisch - ülige oder gewttrzhafte (aromatische) Arz­neimittel {Medienntina aelliereo-u/eusa s. urumalirii).
sect;. 257.
Das ätherische (flüchtige oder wesentliche) Pflanzenöl (Oleum aethereum vegetabile) kommt in sehr vielen Pflanzen, und zwar mehreuthcils nur in einzelnen Theilen derselben, z. B. nur in den Blüthen, den Samen, Früchten und Blättern, in der Rinde, im Holze und in der Wurzel, bei manchen Pflanzen aber auch in allen Theilen zugleich vor. Es ist schon bei massiger Temperatur flüch­tig, daher durch Hitze aus den Pflanzen auszutreiben und vermit­telst der Destillation mit Wasser für sich allein darzustellen.
Das so ans verschiedenen Pflanzen gewonnene ätherische Oel ist in den wesentlichen Eigenschaften übereinstimmend, erscheint aber doch in einiger Hinsicht modifizirt, und hat namentlich stets denselben flüchtigen, aber verschiedenartigen und eigenthüralicheu Geruch und Geschmack, den die Pflanzen selbst besitzen, in denen es erzeugt worden ist. Nach diesen Verschiedenheiten kann man mehrere Arten des ätherischen Oels unterscheiden, als: a) gewürz-haftes (aromatisches) ätherisches Oel, von angenehm balsami­schem, gewürzhaftem Geruch und süsslichem, erwärmendem, selbst etwas brennendem Geschmack;') — b) kampherartiges äthe-
*) Da diese Arl des aiherisehen Oels veiiKillnissnuissig am häufigsten vorkommt, so bat man die sämmilicli aiheriscli-öligen Arzneimittel auch als gewürzliafle oder aro matisclie Miltcl bezeiclinet.
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risches Ool, das sehr flüchtig ist, starken, durchdriugeuden Ge-ruch, kamphcrartigen, nicht sehr scharfen Geschmack hat, durch seine schnelle Verdunstung ein Gefühl voll Kühlung erzeugt nnd mit der Zeit Kampherkrystalle absetzt; — c) übelriechendes äthe­risches Oel, flüchtig, mit schwerem, widerlichen.' Geruch und auch gewöhnlich mit üblem Geschmack begabt; —#9632; d) terpentin­artiges ätherisches Oel, von etwas balsamischem, harzigem Geruch und Geschmack; — und e) lauchartiges ätherisches Oel, sehr flüchtig, von stechendem, zwiehelartigem Geruch und eben solchem, sehr scharfen Geschmack. #9632;
sect;• 258.
Die einzelnen atherisch-üligen Mittel sind zum Theil nach die­sen qualitativen Eigenthümlichkeiten des ätherischen Oels selbst, zum Theil aber auch darin von einander verschieden, dass sie dasselbe in verschiedener Menge, und in verschiedener Verbindung enthalten. Wirklieh reich an ätherischem Oel sind nur wenige Mit­tel; die meisten besitzen dasselbe nur in sehr geringer Menge, und in mehreren findet sich nur eine ganz schwache Spur von ihm, obgleich sie einen starken Geruch besitzen. In manchen dieser Mittel ist das ätherische Oel der allein vorhandene wirksame Bc-staudtheil, in andern ist es mit Kampher. mit Harz, mit bitterm Extraktivstoff, mit scharfem oder adslringirendem Princip, mit süs-sem Stoff, mit Schleim u. dgl. verbunden.
g. 259.
Von den ätherischen Oelen in ihrer reinen Gestalt werden nur wenige (wie namentlich das Terpentinöl, Kienöl und Wach-holderholzol) in der Thierarzneikunde angewendet, weil sie mehren-theils viel zu theuer sind. Sie wirken sämmtlich sehr flüchtig er­regend auf die Nerven- und Gefässthätigkeit im ganzen Organis­mus , doch aber (bei innerlicher Anwendung) mit vorherrschender Richtung auf die Gaugliennerveu des Humpfes und auf die arte­riellen Gefasse. —
Oertlich wirken die ätherischen Oele auf die von ihnen berühr­ten Gebilde sehr stark und flüchtig erregend, selbst stark reizend, so dass sie Hülhung und juckendes, brennendes Gefühl, in hühern Graden der Wirkung aber, besonders bei mehrmals wiederholter Anwendung und au empfindlichen Tbeilen auch Entzündung, Bläs­chen und Ausscbwilzung erzeugen. Dabei befördern sie in den feinen Gefässen der tiefer liegenden Theile die Circulation und die Resorption, und hierdurch die Zertheilung ergossener, stockender und verdickter Säfte. — Diese örtlichen Wirkungen zeigen sie am deutlichsten an der äussern Haut, die sie bei wiederholter Anwen­dung in Entzündung und Eiterung versetzen und selbst zerstören
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koimeu; am geliudesteu wirken sie dagegen auf die .Schleimhaut des Manls und des Verdauungskanals, obgleich sie auch im Maule Reizung und vermehrte Absonderung des Speichels und Schleims verursachen.
In Wunden und Geschwüren bringen sie nicht allein starke Reizung, sondern zugleich auch eine Umstimmung des Bildungs­prozesses hervor; namentlich hefbrdern sie, wenn Unthätigkeit mit Erschlaffung und Reizlosigkeit besteht, die Erzeugung der Fleisch­wärzchen und die reichliche Absonderung eines gutartigen Eiters.
In die Venen gespritzt, werden die ätherischen Oele in massi­ger Menge ziemlich gut ertragen; es entsteht zwar gewöhnlich gleich nach der Anwendung eine heftige Aufregung des Gefäss-sysfems und beschleunigtes, zuweilen auch krampfhaftes Athmen, allein diese Zufalle gehen schnell und ohne weitere üble Folgen zu hinterlassen, vorüber. Injektionen grosser Gaben bringen aber fast immer aussei- jenen Zufällen noch Schwindel, Convulsionen, Er-stiekungszufälle, Angstschweiss und nicht selten den Tod, oder, nach dem Vorübergehen dieser ersten heftigen Zufalle, eine Ent­zündung der Lunge und des Brustfells hervor.
Bei ihrer innerlichen Anwendung wird die Verdauung beför­dert, der Appetit vermehrt, die wurmformige Bewegung verstärkt, die Absonderung des zähen Darmschleimes, die Entwickelung der Blähungen und der Würmer gemindert; letztere werden auch, wenn dergleichen vorhanden sind, getüdtet und verdauet. Vom Magen aus verbreitet sich sehr schnell ihre Wirkung über den ganzen Körper; die Arterien werden voller, gespannter, ihre Pulse kräftiger und gewöhnlich auch häufiger, die Schleimhaut im Maule, in der Nase u, s. w. wird dunkler geröthet, das Auge mehr glänzend, der Blick munterer; die Bewegung der Muskeln, das Athmen und alle andere Verrichtungen werden lebhafter, mit grösserer Leich­tigkeit und Kraft ausgeübt; die Wärme im Maule und am ganzen Körper wird erhöhet, die Ausdünstung aus der Lunge und aus der Haut wird verstärkt und zuweilen wird selbst Schweiss erzeugt; eben so wird gewöhnlich die Uriusekretion, besonders von den terpentinarrigen ätherischen Oelen sehr vermehrt. Ueberhaupt wer­den die Absonderungen befördert und die abgesonderten Säfte in der ersten Zeit etwas dünnflüssiger. Letzteres geschieht bei dem Gebrauch der ätherischen Oele ziemlich gleichmässig und gleich­zeitig an allen abgesonderten Flüssigkeiten: aber nicht alle Abson­derungen werden gleichzeitig verstärkt, sondern es geschieht im Gegentheil sehr häufig, dass nach den Gesetzen des Antagonismus bei vermehrter Thätigkeit des einen Organs die absondernde Thä-tigkeit anderer Organe leidet, und namentlich sieht man bei Milch-
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küheu nicht selteu auf den Gehrandi der in Rede stehenden Mittel eine Abnahme der Milch erfolgen-, während die Hamabsouderung oder die Hautausdünstuug vermehrt ist.
sect;. 260.
Jene allgemeine Wirkungen werden zum Theil durch unmit­telbare Berührung der feinen Nervenenden in den betroffenen Ge­bilden, hauptsächlich aber durch die Aufnahme des ätherischen Oels in die Säftemasse vermittelt. Beides erfolgt gleichzeitig und stets sehr schnell, daher auch die Wirkungen in kurzer Zeit sich über den ganzen Körper verbreiten. Einige Erscheinungen werden auch durch den Consensus, und zwar ebenfalls sehr schnell ent wickelt. Der täglichen Beobachtung zufolge geschieht die Auf­nahme des ätherischen Oels und die Entwickehmg seiner allgemei­nen Wirkungen am vollständigsten durch die Verdauungseingeweide, jedoch wohl ohne dass eine vollkommene Assimilation desselben dabei stattfindet; denn es wird kurze Zeit nach der Anwendung, durch den Geruch noch deutlich erkennbar, bald mit der Lungen-ausdüustuug, bald mit dem Urin, zum Theil auch mit dem Schweiss und bei Milch gebenden Thieren auch zuweilen mit der Milch wie­der aus dem Körper ausgeschieden. Bei der ätisserlichen Anwen­dung, z. B. in die Haut eingerieben, oder in Wunden gebracht, wird das ätherische Oel ebenfalls, obgleich in geringerer Menge von den Gefässen aufgenommen und dann durch die verschiedenen Sekretionsorgane, namentlich durch Lungen und Nieren wieder entfernt. Die hierbei entstehenden allgemeinen Wirkungen sind zwar gewöhnlich viel schwächer, als wenn eine gleiche Menge in­nerlich angewendet ist; sie werden aber zuweilen, besonders bei grosser Empftudlicbkeif des betroffenen Theils, In Folge der örtlichen heftigen Einwirkung auf cousensuclle Weise zu einem sehr bedeu­tenden Grade erhöhet.
sect;. 261.
Die Arzneimittel, welche ätherisches Oel als llauptbe-standtheil enthalten, bringen ebenfalls flüchtig erregende Wir­kungen hervor, und stimmen somit im Wisentlichen mit den vor­hin (sect;. 259.) angegebenen Wirkungen der ätherischen Oele selbst überein; allein sie erscheinen doch durch die (ihrigen, gleichzeitig in ihnen vorhandenen Stotte (sect;. 25S.) als eigenlhiimliche, von jenen verschiedene Arzneikörper, und sind daher auch hinsichtlich der Wirkung theils im Grade der Stärke, der Flüchtigkeit und Dauer, theils in der Richtung auf besondere Organe, von den Wirkungen der reinen ätherischen Oele abweichend. — Fast alle diese Mittel wirken örtlich weniger heftig reizend, und eben so im Allgemeinen milder, sanfter, den Körper weniger flüchtig durchdriitgend, dafür
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aber auch inehrcntheils etwas andauernder als das in ihnen enf-balteae ätherische Oel üir sich allein. Je mehr sie neben dem letz­tern noch fixe Bestaudtheile, namentlich Bitterstoff oder Gerbestoff enthalten, um desto mehr andauernd ist ihre Wirkung. Durch das Dasein der genannten Stoffe erhalten diese Mittel auch eine beson­dere Richtung auf die Verdauungseingeweide, die sie nicht blos erregen, sondern auch wirklich stärken können. Besitzen sie aber neben dem ätherischen Oel noch Harz oder ein scharfes Prinzip, so äussern sie ihre erregende Wirkung vorzüglich auf die Nieren, so wie sie bei dem gleichzeitigen Gehalt an Schleim, Stärkemehl und süssem Stoff eine besondere Richtung auf die Respirationsor­gane zeigen.
Diese Eigeuthümlicbkeiten der einzelnen ätherisch-öligen Arz­neimittel, bat man schon seit langer Zeit erkannt und deshalb die letztem im therapeutischen Sinne auf verschiedene Weise abgethcilt, indem man sie theiis zu den magenstärkenden und blähung­treibenden, theils zu den krampfstillenden, zu den soge­nannten herzstärkenden und Nervenmitteln, theils zu den so­genannten flüchtigen und fixen Reizmitteln, und theils zu den schweisstreibenden und urintreibenden Mitteln gerechnet hat (Siehe: allg. Arzneiwirkungslehre sect;sect;. öfi, 57, 60, 67, 68—70, 72, 75 und 61). Daraus ergiebt sich, dass jedes einzelne der ätherisch-öligen Mittel nach seinen Eigentluhnlichkeiten ge­schätzt werden muss, und dass bei manchen Krankheiten zwar ei­nige dieser Mittel, die von gleichartiger Beschaffenheit sind, ein­ander ersetzen können, dass dies aber keinesweges mit allen und nicht in jedem Falle geschehen darf. Der Unterschied zwischen den einzelnen Mitteln ist hier grosser, als bei den bittern und bei den adstringirenden Mitteln.
sect;. 263.
Die ätherisch - öligen Mittel zeigen sich in ihrer allgemeinen flüchtig erregenden Wirkung mit der ähnlichen Wirkung des Ae­thers, der versüssteu Säuren, des Weingeistes und des Eamphers verwandt; sie unterscheiden sich jedoch von diesen Arzneimitteln theils durch ihren geringeren Grad der Flüchtigkeit, und haupt­sächlich dadurch, dass sie weniger auf das Nervensystem und auf die Sensibilität allein, sondern zugleich und vorzüglich auch (wie bereits im sect;. 259. angegeben) auf das Gefässsystem und auf die Irritabilität gerichtet sind. — Eben so zeigen sie auch mit den meisten scharfen Reizmitteln, z. B. mit den Canthariden, einige Aebnlichkeit, jedoch nur in den örtlichen und primären Wirkungen; denn in der allgemeinen und sekundären Wirkung unterscheiden
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sich (iie letzteren Mittel von ihnen dadurch, dass ihnen das Ver­mögen mangelt, die Irritahilitiit wirklich zu erhoben und die Mi­schung des Bluts zu verbessern. —#9632; Die grüsste Annäherung findet dagegen zwischen einigen ätherisch-öligen Mitteln, welche zugleich Bitterstoff enthalten, und zwischen den früher schon (in der Uten Klasse betrachteten) aromatisch-bittern Mitteln statt; denn so wie die erstem sich in materieller Hinsicht nur durch das Ueberwiegea des ätherischen Oels über den Bitterstoff von den letztern unterschei­den, eben so sind sie dynamisch nur durch einen höhern Grad der flüchtigen und erregenden Wirkung von denselben abweichend. Die sümmtlichen aromatisch-bitlern und bitter-aromatischen Mittel bil­den eigentlich eine zusammenhängende Reihe, in welcher der Ueber-gang von der einer. Art zur andern nur allmählig geschieht, so dass sich nur schwer eine scharfe Gränze zwischen beiden ziehen lässt,
sect;. 2G4.
Die Anwendung der ätherisch-öligen Mittel ist nur bei asthe-nischen Krankheiten, und vorzüglich bei solchen Zuständen ange­zeigt, welche gleichzeitig in einer Schwäche des Nervensystems und des Gefasssystems begründet sind, und wo deshalb auch eine Er­regung und Erhebung der Sensibilität, vorzüglich aber der Irrita­bilität nothwendig ist. Besonders heilsam zeigen sie sich aber dann, wenn diese Schwäche in den Gangliennerven des Rumpfes ihren Ursprung oder Sitz hat. — Weicher, kleiner Puls; blasse, wässerige Färbung der Schleimhaut im Maule und der Nase, und der Bindehaut der Augen; verminderte Empfindlichkeit (Torpor); Schwäche in der Bewegung; schleimiger, zäher Urin; zäher Schleim in den Augenwinkeln ohne vorhandene Entzündung; geringe Tem­peratur der Haut: verminderter Appetit, gestörte Verdauung, Ab­gang von grob geballten, mit Schleim umhüllten und sehr stinken­den Darmexkrementen bezeichnen im Allgemeinen den für diese Mittel passenden Zustand, der aber oft sowohl in der Art wie im Grade der einzelnen Erscheinungen etwas modifizirt ist, wie z. B. bei manchen asthenischeu torpiden Entzündungen, bei Fäulfiebern und bei krampfhaften Zufällen.
Diesen allgemeinen Andeutungen entsprechend, werden die ätherisch-öligen Mittel innerlich angewendet: bei aslhenischen Fie­bern, bei Faulfieber, Nervenfieber, Milzbrand, beim kalten Brande, bei Unverdaulichkeit und Aufblähung (wenn keine Reizung der Eingeweide damit, verbunden ist), bei Verschleimung, bei Cachexien und der Entwickelung von Würmern, bei Krämpfen in irgend einem Theile und speziell im Magen und Darmkanal oder in den Harn- und IGeschlechtsorganen, daher auch bei krampfhaften Harn­verhaltungen, bei zu schwachen und uuregelmässigen, Rrampfhafleu
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Geburtswehen, hei Lahmuugen, bei dorn Dummkoller, bei astheni-schen Entzündungen, z. B. der Lungen, bei Catarrh und Rheuraa-tisnms, in deren spiitern Stadien und bei chronischem Verlauf, bei Wassersuchten, bei der Fäule der Schafe u. dgl.
Aeusserlich benutzt man sie bei ähnlichen Krankheitszustiinden, z. B. bei Krämpfen und Lähmungen, um die Nerventhätigkeit ört­lich etwas zu erhöhen; — bei astheiiischen, besonders bei dergl. catarrhal. und rheumat. Entzündungen, bei und nach Quetschun­gen , bei Extravasaten, bei Stockungen und Verhärtungen nach vorhergegangenen Entzündungen, um durch verstärkte Gefässthä-tigkeit die Aufsaugung und Zertheilung zu befördern;—bei Wun­den und Geschwüren mit torpidem Charakter, um die Eiterung und Granulation zu bessern und zu befördern; — bei dem kalten Brande, um gleichfalls durch erhöheie Thätigkeit die Abstossung der ab­gestorbenen Theile zu beschleunigen und die weitere Zersetzung der gesunden Masse zu verhüten.
sect;. 205.
Dagegen sind diese Mittel überall bei ächten und akuten Ent­zündungen, bei reinen Entzündungsfiebern, bei Vollblütigkeit und bei aktiven Congcstionen sehr schädlich.
sect;. 266.
Die Grosse der Gabe lässt sich bei den ätherisch-öligen Mitteln nicht so gleichmässig im Allgemeinen bestimmen, wie bei den bit­tern und adstringirenden Mitteln, sondern sie muss sich nach der Stärke ihrer Wirksamkeit und nach dem Grade der Schwäche und der verminderten Empfindlichkeit, sowohl im ganzen Körper wie in den einzelnen Theilen, besonders in den Verdaumigsorganen, richten. Bei crhöheter Empfindlichkeit und leicht aufzuregender Reizbarkeit ist es in der Regel nothig, mit kleinen Gaben zu be­ginnen und diese allmählig zu verstärken, bis die gewünschte Wir­kung eintritt; wo aber ein hoher Grad der Schwäche, Erschlaffung, Trägheit im Gefässsystem, sehr geringe Empfindlichkeit und über-massige Absonderungen vorhanden sind, müssen sie immer so­gleich in grossen Gaben gereicht werden. Auch bei einem massi­gen Grade der Schwäche ist es zuweilen nothig, die Gaben eines Mittels, wenn es durch längere Zeit fortgebraucht wird, nach und nach zu verstärken, weil sich der Organismus an die erregenden Einwirkungen desselben gewöhnt und dann nur schwach reagirt. Aus diesem Grunde pflegt man auch, wenn man unter solchen Um­ständen nicht über die gewöhnliche Gabe eines Mittels hinausgehen will, dasselbe auf kurze Zeit auszusetzen oder ein anderes, ihm ähnliches an seine Stelle zu bringen. — Da die Wirkungen der ätherisch-öligen Mittel mehrentheils nur von kurzer Dauer sind, so
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ist es nöthig, die Gaben in mehr oder weniger kurzen Zwischen­zeiten zu wiederholen. Auch hierbei liisst sich eine allgemeine Norm für alle Mittel und für alle Fälle nicht gut vorschreiben, sondern es muss dabei ebenfalls die relative Flüchtigkeit der einzelnen Mit­tel und die Heftigkeit und Dringlichkeit der, aus Schwäche, Er­schöpfung oder Krämpfen entstandenen Zufälle zur Leitung dienen. Von den rein ätherisch-öligen Mitteln, z. B. der Pfefferminze wird in gewöhnlichen Fällen die Wiederholung in etwa 'gt; Stunden, von den bitter-aromatischen Mitteln aber, z. B. dem Kalmus, in etwa 3 Stunden nöthig sein, während man in dringenden Fällen, z. B. bei heftigen Krämpfen, alle halbe Stunden eine neue Gabe reichen muss.
sect;. 267.
Die Form und Art der Anwendung der ätherisch-öligen Mittel, so wie ihre Verbindung mit andern ArzncistofTen ist bei den ver­schiedeneu innerlichen und äusserlichen Krankhcitsformcn sehr ver­schieden. —
Zum innerlichen Gebrauch giebt man sie zuweilen, aber nur selten in Pulverform, z. B. in den sogenannten Fresspulvern und Drusenpulvern für Pferde, und in den Lecken für Schafe. Die mei­sten ätherisch-öligen Mittel entwickeln Im Pulver, wegen .der lang­samen Auflösung und Verarbeitung desselben, ihre Wirkung lang­samer, als wenn sie in üüssiger Form angewendet werden, bringen aber dagegen mehrentheils etwas stärkere örtliche Wirkungen im Maule u. s. w. hervor. Deshalb giebt man Pferden und Schweinen diese Mittel gewöhnlich in Latwergen oder Pillen, in denen sie auch bei den übrigen Thieren angewendet werden können; sie wir­ken aber in diesen Formen ebenfalls etwas langsam, und dieselben passen daher am besten nur für diejenigen aromatischen Mittel, welche zugleich fixe Besrandlheile enthalten und zu ihrer vollstän­digen Wirkung einiger Zeit bedürfen; man pflegt jedoch deshalb die Pillen- und Latwergenform nicht gerade auf Mittel der Art al­lein zu beschränken. — Die flüssige Form ist bei den ätherisch­öligen Mitteln zur innerlichen Anwendung die beste, besonders in akuten und krampfhaften Krankheiten, theils weil sie die wirksa­men Bestandtheile dieser Mittel aulgelöst und zur schnellen Wir­kung vorbereitet enthält, theils weil sie deren gleichmässigo und schnelle Berührung mit einer grossen Fläche des Verdauungskanals am ineisten vermittelt, ohne die örtliche Einwirkung zu heftig zu machen; doch dürfen die ätherisch-öligen Arzneimittel nur durch Infundiren mit heissem Wasser, aber nicht durch Kochen die flüs­sige Form erhalten, weil durch letzteres ihre flüchtigen Bestand­theile und namentlich das ätherische Oel, vernichtet werden und
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daher auch ihre Wirksamkeit fast ganz verloren geht. Solche Mit­tel, welche ausser dem ätherischen üel noch Bitterstoff, adstringi-rendes Prinzip oder Harz enthaKen, wirken im Infiisnin schwächer und einseitiger als in Substanz. Gewöhnlich lässt man einen Theil des klein geschnittenen oder grob gepulverten aromatischen Mittels mit S bis 12 Theilcn kochend heisseu Wassers ühergiessen, das Ganze gegen J- bis 1 Stunde stehen (je nachdem man das Infusmn gelind oder stark haben will) und dann die Flüssigkeit durchsei­hen. Von den reinen ätherischen Oelen weiden bei Thieren inner­lich (wie bereits angegeben) nur sehr wenige angewendet; die aro­matischen Tinkturen, Extrakte und andere künstliche Präparate sind zum thierärztlichen Gebrauch fast ganz entbehrlich.
sect;. 268.
Die ätherisch-öligen Mittel werden innerlich, nach Eedurfniss des Krankheitszustandes, sowohl für sich allein, als auch in Ver­bindung mit den verschiedenartigsien amiern Arzneistoffen ange­wendet; denn in chemischer Hinsicht erlauben sie den Zusatz eines jeden andern Arzneistoffes, und in therapeutischer Hinsicht ist es oft nöthig, bald ihre örtliche Wirkungen durch schleimige Mittel zu mildern, z. B. bei krampfhaften Zuständen der Verdauungsein­geweide, — bald die örtlichen und allgemeinen Wirkungen noch flüchtiger und eindringender zu machen, und deshalb Aether, Spi­ritus, Kamphor, Ammonium, Hirschhornsalz und dergl. zuzusetzen, wie z. B. bei Krämpfen und Lähmungen, beim Neryenfleber, bei heftigem Aufblähen, — bald den Wirkungen mehr Dauer und zu­gleich eine bestimmte Richtung auf die Verdauungs- und Assimi­lationsorgane zu geben, und für diese Zwecke die aromatischen mit bittern, mit zusammenziehenden Mitteln, mit Schwefel, Spiess-glanz, mit Mineralsäuren u. s. w. zu verbinden, wie z. B. bei chro­nischer Schwäche der Verdauungseingeweide, bei gastrischen Fie­bern, bei Cachexie, beim Faulfieber, beim langsam verlaufenden Milzbrand und ähnlichen Uebeln. —
Muss man bittere oder zusammenziehende Mittel mit den aro­matischen in flüssiger Form verbinden, so geschieht dies auf die, im sect;. 233. bereits angegebene Weise, dass man nämlich mit dem Dekokt der erstem die letztem blos infundirt.
sect;. 269.
Zum äusserlichen Gebrauch werden die ätherisch-öligen Mittel auf folgende verschiedene Weise benutzt:
A) Gröblich zerkleinert und in leinene Beutel gefüllt (als so­genannte Kräutersäekcheu oder Kräuterkissen) zu trockenen Ueberschlägen oder Umschlägen bei solchen Krankheitszuständen, welche keine Nässe ertragen, z. B. bei manchen ödemafösen An-
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Schwellungen, bei rheumatischen oder catarrhalischcn Eutztindun-gen, namentlich bei dergleichen Entzündungen der Augen. Solche Kräutersäckchen bringen durch die langsame Verdunstung ihrer aromatischen Thcile eine gelinde aber stets gleicbtnässige Erregung der oberfläcblicben Gefässe und Nerven hervor, sie verstärken die Resorption, zertheilen, beseitigen Krampf und Schmerz, erhalten eine gleichmässige Temperatur und schützen gegen die Einwirkun­gen der äussern Einflüsse. Damit sie die letztern Wirkungen gründ­lich erzeugen, müssen sie stets einen etwas grössern Umfang be­sitzen als der leidende Theil; auch müssen sie nicht zu dick (mir gegen 1 Zoll dick) gemacht und nicht zu voll gestopft werden, weil sie sonst durch ihre Schwere die kranken Theilo beiästigen und sich auch nicht gleichmiissig an dieselben anlegen. Man be­nutzt zu diesem Gebrauch vorzüglich die aromalischen Blumen und Kräuter, weil sie unter den übrigen Mitteln am wenigsten schwer sind, und wählt nach Verhältniss der EmpfindUchkeit u. s. w. bald die von gelinder, bald die von starker Wirksamkeit; gewöhnlich verbindet man zwei laquo;der mehrere aromatische Mittel mit einander. wie dies z. B. in den, in der Phannakopöe aufgezeichneten soge­nannten gowürzbaftcn Species (Speciesaromalieae), welche aus Lavendelblütheu, Rosmarin, Pfefferminze, Majoran, Quendel, Cu-bebeu und Gewürznelken bestehen und zum thierärztlicheu Gebrauch zu tlieuer sind, der Fall ist.
B)nbsp; In Pulverform, zum Einstreuen in faulige, brandige und stark jauchende Geschwüre, z. B. bei dergleichen Widerristschäden und Mauke. Die Mittel vereinen in dieser Form mit der erregen­den Wirkung die absorbirende. Man verbindet sie hierbei bald mit bittern, bald mit zusammenziehenden Mitteln, mit Kohle, Kam­pher, Alaun und dergl.
C)nbsp; Mit heissem Wasser zum Brei gemacht, als Breiumschläge auf kalte und torpide Geschwülste, z. B. in sehnigen und drüsigen Theilen, auf Wunden und Geschwüre mit zu geringer Thätigkeit, nnd in jedem Falle, wo man ausser der erregenden Wirkung der aromatischen Mittel selbst, noch die anhaltende Einwirkimg der feuchtex Wärme benutzen will, um entweder Zertbeilung oder Ei­terung zu erzwecken. In dieser Form angewendet, wirken die aro­matischen Mittel viel kräftiger und viel mehr in die Tiefe eindrin­gend, als in den trockenen Umschlägen; doch dürfen sie wieder nicht durchs Kochen die Breigestalt erhalten, sondern entweder nur durch das Zusammenrühren mit der uötbigen Menge beissen Was­sers, oder, indem man sie in einen Beutel thut, diesen durch einige Minuten in heisses Wasser hält, dann gelind ausdrückt und hier­auf unmittelbar als Umschlag benutzt. Diese Umschläge müssen,
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so viel wie möglich anhaltend eine gleichmässige Temperatur von etwa 15 his 30 Grad (Reaumur) besitzen, und deshalb immer von neuem wieder erwärmt werden, wenn sie his auf etwa 10 his 12 Grad abgekühlt sind. Das Erwärmen geschieht am zweckmässig-sten dadurch, dass man entweder den Beutel mit seinem Inhalt von Zeit zu Zeit in warmes Wasser taucht und dann schnell wie­der applizirt, oder dass man ihn hlos mit warmem Wasser hegiesst, ohne ihn von dem Körper abzunehmen.
Auch zu diesen Umschlägen wählt man unter den aromatischen Mitteln am häufigsten die Blumen und Kräuter, und zwar in je­dem besonderen Falle diejenigen, deren Wirksamkeit dem Grade der Unempfindlichkeit und Schwäche entspricht. Die otfizinellen aromatischen Spezies sind auch hier zu benutzen, aher für die mei­sten Fälle zu kostbar und deshalb durch hlos inländische Mittel, z. B. Quendel, Camillen und dergl. — und häufig auch durch den sogenannten Heilsamen zu ersetzen. — Zuweilen setzt man den aromatischen Umschlägen noch erweichende Mittel, und besonders Leinkuchenmehl oder Leinsainenmchl hinzu, um ihnen etwas mehr Consistenz zu geben und um hierdurch die Wärme in ihnen län­ger gebunden zu erhalten; dies darf jedoch nur geschehen, wenn die kranken Theile nicht sehr empfindlich sind und also auch einen gelinden Druck ertragen.
D) Im warmen Aufguss wendet man die aromatischen Mittel äusserlich am häufigsten an, und zwar zu Waschungen und Bä­hungen (Foraentationen), z. B. bei asthenischen Entzündungen, hei dergl. Quetschungen, bei Extravasaten, bei Verhärtungen, hei tor-piden Wunden und Geschwüren, beim Brand und dergl.; — fer­ner, zu Fussbädcrn, bei eiternden Steingallen, hei Knorpelfisteln; — bei den kleinen Hausthieren auch zu ganzen Bädern, z. B. bei Krämpfen und Lähmungen der Hunde, — und zu Einspritzungen in den Mastdarm und in die Scheide, z. B. bei Krämpfen in den Gedärmen oder in der Harnblase, bei dem zu langsamen Fort­schreiten der Geburtsarbeit wegen Schwäche oder wegen Krampf. — Auf diese Weise, in flüssiger Forin angewendet, wirken die aro­matischen Mittel fast eben so wie in den Breiumschlägen, da auch hier neben den Bestandtheilen der Mittel noch Feuchtigkeit und Wärme sehr wirksame Einflüsse sind; die Wirkungen des Infusnms scheinen nur wegen der vollständigen Auflosung der flüchtigen Be-standtheile mehr eindringend zu sein, als die Wirkungen der Brei­umschläge, wogegen die der letztern hei gehöriger Anwendung ver-hältnissmässig anhaltender und gleichförmiger sind.
Zu solchen Aufgüssen eignen sich alle aromatische Arzneimit­tel ohne Unterschied, und dieselben werden nur nach dem Grade
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ihrer Wirksamkeit für den vorhandenen Erankheiiszustaud, und zum Theil auch mit Berücksichtigung ihres Preises ausgewählt. Gewöhnlich rechnet man auf 1 his 1 ^ Unzen von ihnen 1 Pliind heissen Wassers. Soll der Aufguss auf entzündete Augen, auf Wunden, in dem Mastdarm oder in der Scheide augewendet wer­den, so darf man mir die reine, durch Leinwand geseibete Flüssig­keit von ihm benutzen; bei der Anwendung auf die unverletzte Haut, eben so zu Fusshädern und ganzen Bädern, ist aber das Durchseihen nicht nötbig. Nach Erfordern der Zufälle wendet mau bald den Aufguss für sich allein an, bald in Verbindung mit zu­sammenziehenden Mitteln (bei grosser Erschlaffung und Ausdeh­nung der Fasern, und bei starken Extravasaten), bald auch mit Weingeist (Wein), Kampherspiritus oder mit Terpentinöl, Koch­salz, Salmiak und dergl. erregenden Mitteln (bei grosser Unemplind-lichkeit, bei Krämpfen und bei Lähmung). — Die Temperatur des Aufgusses bei der Anwendung kann, wie bei den Umschlägen, nach der Art und dem Grade der Zufalle, 15 — 30 Grad H. sein; die Dauer und Wiederholung der Anwendung muss sieh aber nach dem Grade und der Hartnäckigkeit der Zufalle richten. Wichtig ist es, nach der Anwendung der warmen Waschungen, Bilder u. s. w., jede Erkältung zu verhüten, daher das Thier im warmen Stalle zu halten, es bis zur möglichen Trockenheit reiben und warm hedek-ken zu lassen.
E) In Form von Dunstbiidcrn oder Dampfbädern wendet man die aromatischen Mittel vorzüglich bei cafarrhalischen, asthenischen Entzündungen der Augen, bei dergl. Entzündungen der Schleim­haut in den Respirationsorganen, bei rheumatischen und andern asthenischen Entzündungen des Euters, bei Stockungen der Milch und hieraus entstandenen Verhärtungen derselben, und bei rheu­matischen Koliken und Harnverhaltungen an. Die Wirkung ist in dieser Form, verbältnissmässig zu der des Aufgusses, durch den warmen Wasserdunst sehr gemildert, und wird daher auch selbst bei einem noch ziemlich hohen Grade von Spannung und Reizbar­keit ertragen.
Die Entwickelung der aromatischen Dämpfe geschieht durch einfaches Uebergiessen der Mittel mit fast kochend heissem Wasser in einem passenden Gefiss, welches man so lange zugedeckt er­hält, bis die Flüssigkeit gegen 3G bis 40 Grad Wärme besitzt; das Gefass wird dann unter den leidenden Theil gebracht und der letz­tere von oben her mit einer etwas dichten (z. B. wollenen) Decke, die an den Seiten bis über das Gefäss herab reicht, behangen, um die Dämpfe zusammenzuhalten und ihnen eine bestimmte Richtung zu geben. Will man das Dampfen durch längere Zeit' unterhalten,
II c r t w i^ Arzuciinittellebrc.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;
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so giesst man bei dem beginnenden utärkern Abkühlen der Flüs­sigkeit wiederholt heisses Wasser hinzu, oder man legt glühend gemachte Steine oder dergl. Eisen in dieselbe. Man vermeide die Anwendung der zu heissen Dämpfe, welche sehr leicht die Haut verbrühen, und ebenso vermeide man nachher jede Erkältung.
F) Endlich wird von einigen Mitteln auch das ätherische Oel zum Einstreichen in sehr torpide Wunden und Geschwüre und zum Einreiben in Theiie, die an kalten Verhärtungen, an asthenischen, sehr torpiden Entzündungen, an kaltem Rheumatismus und dergl. Affectionen leiden, angewendet, und zwar bald für sich allein, bald in Verbindung mit Fett oder fettem Oel, mit Seife, Weingeist, Mer-kurialsalbe und andern auflösenden und erregenden Mitteln. Durch diese Zusätze wird die stark erregende örtliche Wirkung der äthe­rischen Oele milder aber auch andauernder gemacht.
A. Aromatische Kräuter und Blumen.
1. Fliederblumen (Holunderblüthen), Flores Sambuei,
sect;. 270. Sie besitzen ein eigenthümliches butterartiges, sehr stark rie­chendes ätherisches Oel in sehr geringer Menge und verbunden mit Schleim, Extraktivstoff und mehrerlei Salzen. — Ihre Wirkungen sind flüchtig erregend auf das Gefäss- und Nervensystem, jedoch nur im sehr gelinden Grade und eigenthümlich beschränkt auf die feinen Gefässe der Haut und der Schleimhaut der Respirationsor­gane; denn die grössem Gefässe werden selbst bei und nach sehr grossen Gaben des Mittels (nämlich zu 2 bis 4 Pfund bei gesun­den Pferden) auf keine Weise affizirt, da hiernach weder die Zahl noch die Beschaffeziheit der Arterienpulse bemerkbar verändert er­scheint, während jedoch die Haut eine höhere Temperatur, grüssere Weichheit und Feuchtigkeit erhält und die Ausdünstung aus der Lunge verstärkt wird. Wirklicher (tropfbarer) Schweiss entsteht zwar bei Pferden und Rindern zuweilen, aber nicht jedesmal nach der Anwendung des Flieders, selbst nach den bezeichneten grossen Gaben nicht, und alle übrige Sekretionen werden durch ihn fast gar nicht verändert. — Seine örtliche Wirkung besteht bei jeder Art der Anwendung in einer nur schwachen Reizung der feineren Gefässe, bei welcher keine Riithung der Haut, kein brennendes Ge­fühl und dergl. stärkere Einwirkungen zu bemerken sind. Auf die Verdauungseingeweide äussert er fast gar keine Wirkung, wenig­stens keine tonische oder reizende, und unterscheidet sich hierdurch
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sehr bedeutend von der Wirkung der Chamillenblumen und der meisten übrigen aromatischen Mittel.
Die Fliederblumen geboren daher zu den mildesten Mitteln der Art, und werden innerlich seihst bei einem nicht zu hohen Entzün­dungszustande gut ertragen. Ihrer beschriebenen Eigenthümlich-keit gemäss wendet man sie besonders in solchen Krankheiten mit gutem Erfolge an, welche aus gestörter oder unterdrückter Haut-und Lungenausdimstung entstanden sind, und wo man diese Funk­tionen, ohne stärkt Aufregung der Kräfte, in einem höhern Grade wieder hervorrufen will, wie namentlich bei Druse, Stivngel, ca-tarrhalischcr Bräune, bei Catarrhalfieber, Rheumatismus, bei rheu­matischen Krämpfen und Koliken, bei dem rheumatischen (idiopa-thischen) Starrkrampf der Pferde, der Hunde und Lämmer, bei dem Verfangen (akuten Rheumatismus) der Schweine, bei der Staupe der Hunde u. s. w. — Doch leistet der Flieder bei diesen Krankheiten mehrentheils nur dann gute Dienste, wenn er gleich im Anfange derselben angewendet wird, dagegen sehr wenig, wenn sie bereits chronisch geworden sind.
Die Gabe ist für Pferde und Rinder '^ — 3 Unzen, für Schafe und Schweine ^—1 Unze und für Hunde |—2 Drachmen, in Zwi­schenzeiten von 1 bis 2 Stunden, am zweckmässigsteu im Infusum, und nach Erfordern der Umstände mit Chamillenblumen, mit Bal­drian, mit Essig, Weingeist, Salmiakgeist, Kampher und andern flüchtigen Mitteln verbunden.
Aeusserlich werden die Fliederblumen ebenfalls bei catarrha-lischen und rheumatischen Entzündungen, besonders bei dergleichen Augenentzi'mdungen angewendet, und zwar a) in Form von Kräu­terkissen, die aus Fliederblumen allein oder aus gleichen Theilen Flieder- und Chamillenblumen bestehen und bei hohen Graden der Asthenic auch mit etwas Campherpulver versetzt sein können, b) Bei schmerzhaften Entzündungen benutzt man den Flieder auch in Form von Breiumschlägen, oft in Verbindung mit schleimigen und narkotischen Pflanzen; und — c) bei ähnlichen Zuständen, beson­ders an den Augen, wendet man auch das lauwarme Flieder-Infu-sum als Augenwasser an, bald für sich allein, bald mit Bleizucker, Augenstein, Opium und dergl. versetzt.
Anmerkung 1. Die Fliederblumen sollen den Pfauen,') und die (getrockneten) Fliederbeeren (Bacc. Samiuci steeatae) den Hühnern**) ein tödtendes Gift sein. Eigene Erfahrungen hier­über fehlen mir; ich bezweifle aber jene Wirkung der Beeren des-
*) Lin. Flor. Suec. p. 97.
**) Barthol. üistor. anal, raiior. Cent. 4. p, 248.
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halb, weil diesdlien von sehr vielen kleinen Vögeln, wie namentlich von den Meisen nud Dompfaffen, in sehr grosser Menge und uhne Nachtheil gefressen werden.
Anmerkung 2. Der aus den reifen Beeren bereitete einge­dickte .Saft oder das Fliedermus (Succus iusplssalus s. Höh Sambuci) soll ebenfalls, wie die Fliederblumen, jedoch im geringern Grade, die Hautausdünstung befördern; ich habe dies jedoch nie­mals beobachten können, fn grossen Gaben wirkt dasselbe viel­mehr wie das Pflaumenmus (sect;. 185, d.), und kann auch wie die­ses (jedoch nur wo es als Hausmittel und ganz wohlfeil zu haben ist) als Bindemittel bei der Bereitung der Pillen und Latwergen dienen. Uebrigens aber ist es ganz entbehrlich.
t. Chamillenblumeu (Gemeine oder Feldchamillen), Florcs Chamomillae vulgarh-
sect;. 271.
Dieses von der Natur so allgemein gespendete Arzneimittel enthiilt als wirksame Bestandtheile ein etwas widerlich (schwer) riechendes ätherisches Oel in Verbindung mit bitterin Extraktiv­stoffe und seine Wirkungen sind daher nicht allein flüchtig erre­gend, sondern auch tonisch. Die erstere Wirkung ist zwar über die letztere sehr vorherrschend, aber dennoch sehr mild: sie durch­dringt bei der gewöhnlichen innerlichen Anwendung schnell den ganzen Organismus, äussert sich aber am stärksten in den Orga­nen der Bauchhöhle, — wozu wohl der Bitterstoff, seiner bekann­ten Einwirkung auf diese Organe gemäss (sect;. 202 u. f.), sehr we­sentlich beiträgt. In dieser Hinsicht haben die Chamillen eine grosse Äehnlichkeit mit dem Wermuth, dem Baiufarm, der Schafgarbe, dem Baldrian und dem Kalmus; ihre Wirkung ist jedoch mehr flüchtig und weniger tonisch als die der drei ersten Mittel, und den zuletzt genannten beiden Mitteln stehen sie in der stärkenden und in der erregenden Wirkung zugleich sehr nach.
Aber gerade jene, in jeder Beziehung milde und eigenthüm-liche Wirkung, giebt den Chamillen bei manchen Krankheiten einen grossen Worth. Sie können zwar, wie die sämmtlichen Mitt?l die­ser Klasse, bei allen astbenischen Krankheiten angewendet werden, doch sind sie der Erfahrung zufolge bei astlienisch - nerveisen Zuständen, welche mit Schmerz und Krampf verbunden sind, und besonders bei dergleichen Leiden an den Or­ganen des Hinterleibes, am vorzüglichsten wirksam, — und sie werden daher auch bei Krämpfen, bei Wind- und Krampfkolik, bei krampfhaften Harnverhaltungen, bei unzeitigen, bei unregelmäs-
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Kigcn und zu geringen Wehen, Durchfällen, die mit Krämpfen ver­bunden, aber frei von Entzündungen sind, bei schmerzhaften Rheu­matismen, bei der Staupe der Hunde, wenn dieselbe mit Zuckun­gen, mit Krumpfen oder mit Lähmung verhunden ist, eben so bei dem Brustkrampf der Pferde, bei der aus Erkältung entstandenen Gelbsucht des Rindviehes und bei der Lähmung der Lämmer häufig gebraucht. Doch leistet das Mittel bei den meisten dieser Krank­heiten nur dann wirklich gute Dienste, wenn sie keinen zu hohen Grad erreicht haben; im letztern Falle und bei chronischen Leiden sind seine Kräfte mehrentheils zu gering.
Bei reinen Entzündungen ist die Anwendung der Chamillen schädlich, und es ist daher auch ganz fehlerhaft, sie bei jeder Ko­lik, ohne Berücksichtigung des pathologischen Zustandes derselben, zu gebrauchen, da namentlich beim Pferde sehr häufig den Sym­ptomen der Kolik eine Entzündung der Baucheingeweide zum Grunde liegt.
Man giebt sie den grossen Hausthieren zu 1—2 Unzen, Scha­fen und Schweinen zu 2—(! Drachmen, Hunden zu ^—3 Drachmen auf einmal, und nach der Heftigkeit der Zufälle in Zwischenzeiten von einer halben bis in zwei Stunden wiederholt. Obgleich die Anwendung der Chamillen in Latwergen oder Pillen geschehen kann, so benutzt man sie doch in diesen Formen nicht gern, weil sie, bei ihrem geringen Gewicht, eine zu grosse Masse bilden und dadurch das Eingeben erschweren. Das Infusum bleibt deshalb auch hier die zweckmässigste und wirksamste Form. In leichten Fällen giebt man dasselbe für sich allein, bei heftigen Krämpfen u. s. w. aber in Verbindung mit Baldrian, Kalmus, oder mit Opium, mit Stinkasand, Kampher, Weingeist, Schwefel-Aether-Weingeist, Terpentinöl, Hirschhornol und andern flüchtigen Reizmitteln.
Aeusscrlich werden die Chamillenblumen als Pulver zum Ein­streuen in unreine, stinkende Geschwüre, oder auch in Substanz zu trocknen und feuchten Umschlägen, und im Infusum zu Wa­schungen, Bädern und Bähungen (ganz nach den allgemeinen An­deutungen sect;. 269,) benutzt,
Anmerkung. Das destillirte oder ätherische Chaniil-lenöl (0/. Chamomiüae aethereum), und zwar sowohl das reine wie das durch Destillation der Chamillen mit Citronol oder mit Terpentinöl gewonnene, besitzt die flüchtig erregenden Wirkun­gen der Chamillen in einem hohen Grade, ist aber sehr theuer und deshalb in der Thierarzneikunst gar nicht gebräuchlich, — Das gekochte oder eigentlich infundirtc Chamillenöl (0/, Cha-momillae infusum s. corium), durch Digeriren von 1 Theil Chamil­lenblumen mit 8 Theilen Baumöl bereitet, leistet nicht viel mehr
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als blosses Baumöl und ist daher zu entbehren. — Eben so ist das Chamiilcnextrakt, welches fast nur als bitteres Mittel wirkt, und das destillirte Chamillenwasser entbehrlich.
3, Römische oder edle Chamillen, Flores Chamomillae romanae.
Sie enthalten als wirksame Bestandtheile flüchtiges Oel, ein gmnmiharziges Prinzip, etwas Kampher und etwas Gerbstoff. Au ätherischem Oel sind sie reicher als die gemeinen Chamillen, denen sie zwar in der Wirkung ähnlich, aber keiuesweges gleich sind, sondern sich durch grössere Flüchtigkeit und durch stärkere aro­matische Bitterkeif von denselben unterscheiden. Deshalb verdient die gemeine Chamille bei schmerzhaften Koliken den Vorzug vor ihnen; übrigens aber können sie, wo sie zu haben sind, ganz wie die gemeinen Chamillen, bei den im vorigen sect;. genannten und ähn­lichen Krankheiten, und in derselben Gabe und Verbindung ange­wendet werden.
Die französischen Thierärzte benutzen sie sehr häufig; in Deutsch­land sind sie verhältnissmässig zur geineinen Chamille zu theuer und deshalb wenig im Gebrauch.
4. Lavendel.blumen, Flores Lavandulae.
sect;. 273.
Die noch nicht völlig aufgeblühten Lavendelblumen (und zum Theil auch die Blätter) sind sehr reich an einem kampherhaltigen ätherischen Oel, und ihre Wirkungen sind daher sehr flüchtig, rei­zend, belebend, und bei asthenischen Entzündungen, bei Stockun­gen und Extravasaten sehr kräftig zertheilend. — Der Lavendel wird innerlich (aus mir unbekannten Gründen) sehr wenig ange­wendet; er ist aber wie jedes andere ätherisch-ölige Mittel bei al­len, im sect;. 264. angeführten Krankheitsziiständen zu benutzen. Die Gabe ist für die grossen Hausthiere 1 — 2 Unzen, für Schafe und Schweine \—1 Unze, für Hunde |—2 Drachmen. Form und Ver-bindung ist wie bei den Cbamillenblumen zu wählen. — Am ge­wöhnlichsten wird der Lavendel äusserlich in solchen Fällen be­nutzt, wo erregende Zertheilungsmittel angezeigt sind. Die Anwen­dung kann hierbei, den Umständen entsprechend, in Kräuterkissen, in Breiumschlägen, oder im Infusum und mit Zusatz von Chamil­len, Quendel, Spiritus und dergl. geschehen.
A'nmerkung. Das sehr kampherreiche Laveudelöi (O/.
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Lavandulae dcs(iUutum) erzeugt ausgezeichnet flüchtig erregende Wirkungen, welche denen des Karaphers ähnlich und örtlich viel milder sind, als die Wirkungen des Terpentinöls; daher auch bei seiner wiederholten Anwendung auf die Haut nicht so bald die Haare verloren gehen, wie bei dem Gebrauch des letzteren Mittels. Es ist nach dem Terpentinöl, Wachholderholzöl, Steinül und Ros-marinöl das wohlfeilste ätherische Oel, und wird von den franzö­sischen Thierärzten häufig gegen asthenische und chronische Ent­zündungen, gegen verhärtete Geschwülste und bei Rheuinatisraen zu äussedichen Einreibungen, bald für sich allein, bald in Verbin­dung mit Baumöl, mit Weingeist, Salmiakgeist oder Terpentinöl, je nachdem man einen geringern oder stärkern Grad der Reizung bewirken will, angewendet. Es ist jedoch fast überall durch das Terpentinöl zu ersetzen und nur da zu empfehlen, wo die Eigen-thüraer einen besondem Werth auf die kranken Thiere legen, und etwas Anderes als die gewöhnlichen Mittel gebraucht zu sehen wün­schen, oder wenn die kranken Thiere im Zimmer gehalten werden' z. B. Stubenhunde und Katzen. — Eine geringere und gewöhnlich verfälschte Sorte des Lavendelöls, das Spikol {Ol.Spicäe), wurde ehedem von den Thierärzten sehr häufig und auf ähnliche Weise wie das vorige, gebraucht; jetzt benutzt man dasselbe mit Recht sehr wenig und nur unter den eben angegebeneu Umständen. — Ausserdcm hat man noch einen Lavendelgeist {Spiritus Lavan­dulae), welcher aber in der Thierarzneikunst entbehrlich ist.
5. Rosmarinkraut (und Blumen), Herta etfloresRositiatini, s. Hör is marini, s. Anlhos.
sect;• 271.
Der Rosmarin besitzt als Hanptbesfandtheil ebenfalls sehr viel kamphcrhaltiges Oel, in Verbindung mit etwas bitterlich scharfem Extraktivstoff. Er ist somit dem Lavendel sehr ähnlich und stimmt auch mit dessen flüchtig erregenden Wirkungen im Wesentlichen übercin, übertrifft dieselben aber noch an Stärke, und zeigt ausser-dem auch eine kräftigere Einwirkung auf die Geschlechtsorgane, so dass er sich den Wirkungen der römischen Chamille sehr an­nähert.
Man macht von dem Rosmarin nur wenig Gebrauch, beson­ders innerlich; wo er jedoch wohlfeil und vielleicht als Hausmittel zu haben ist, kann die innerliche und änsserliche Anwendung ganz so und in denselben Gaben geschehen, wie bei den vorigen beiden Mitteln.
Anmerkung. Das Rosmarinöl {01, Roris marini s. 01.
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Anthos) besitzt dieselben 'Wirkungen wie das Lavendelöl, und kann so wie dieses benutzt werden. Es verdient sogar vor diesem in den meisten Füllen den Vorzug, da es unter allen ätherischen Pflan­zenölen (mit Ausnahme des Terpentinöls und des Wachholderholz-öls) das wohlfeilste ist. — In der sogenannten Nerven salbe oder der zusaminmengesetztcn Rosmarinsalbe (Unguentum ner-vinurn s. Vng. liorls mnrinl composUum), wie dieselbe in der Preus-sischen Pharmakopüe vorgeschrieben ist, bildet dieses Oel und das Rosmarinkraut die wirksamsten Bestandthcile; sie wirkt sehr kräf­tig erregend, stärkend und zertheileiul, ist aber für die meisten Fälle der thierärztlichen Praxis zu theuer, und durch Salben aus Terpen­tinöl, Kampher und grüner Seife oder Schweinefett zu ersetzen. — Der Rosmarinspiritus {Spiritus Horis marlni) ist ein kräftiges Reizmittel, aber entbehrlich.
fi. Salbeikraut, Heröa Salviae (o/ßciualis).
sect;. 275.
Das in der ächten Salbei enthaltene ätherische Oel ist ebenfalls kampherhaltig, jedoch in einem geringeren Grade als das des La­vendels und des Rosmarins; mit ihm ist Bitterstoff und, in noch grösserer Menge, auch ein adstringirendes Prinzip sehr innig ver­bunden, und das Mittel besitzt hierdurch die Eigenschaft, nicht nur flüchtig erregend, sondern auch zusammenziehend, anhaltend erre-gend und stärkend zu wirken. — Diese Wirkungen zeigen sich in­nerlich durch Besserung der schwachen Verdauung, durch Besei-tigung von Krämpfen und Blähungen, vorzüglich aber durch Be­schränkung krankhaft vermehrter Absonderungen sehr heilsam, wie namentlich bei chronischen Verschleimungen der Respiratiunsorgane, bei Krämpfen, bei Schwäche, Erschlaffung und hei Verschleimung der Verdauungseingeweide, der Nieren und Geschlechtsthcile, daher auch bei dem sogenannten feuchten Dampf, bei der Scbleimschwiud-sucht, bei asthenischem Durchfall und Ruhr, bei dergl. Harnruhr, bei übermässigen Schweissen, bei zurückgebliebener Nachgeburt und dadurch entstandenem Schleimfluss; — eben so äusserlich bei astheuischen Entzündungen im Maule und im Rachen (z. 15. bei dein Maulweh, bei chronischer Bräune mit tibermässiger Schleim-absouderung), bei asthenischen Augenentzündungen, und bei allen dergl. Entzündungen anderer Theile, bei Quetschungen, leichten Blutextravasaten, bei odematösen Anschwellungen, bei Schleimfluss aus den Geschlechtsthcilen, hei Wunden und Geschwüren mit zu geringer Thätigkeit, selbst hei dem kalten Brande und dergl.
Die Gabe zum innerlichen Gebrauch ist für die verschiedenen
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Hausthiere wie bei den Cbamillen. Die Anwendung kann in allen Formen geschehen; am zweckmässigsteu ist jedoch das Infusum, wenn man die flüchtigen Wirkungen des Mittels vorzüglich zu er­halten wünscht; will man aber mehr die tonischen Wirkungen, so kann dasselbe auch schwach gekocht werden. Zusätze macht man, nach dem Grade der vorhandenen Erschlaffung und Reizlosigkeit von Weidenrinde, Alaun, Kalmus, Chamillen, Pfefferminze, Kam­pher, Spiritus, Terpentinöl und dergleichen.
Die änsserliche Anwendung der Salbei geschieht mehrentbeils im Inlusum, fiir sich allein oder in Verbindung mit andern aro­matischen Pflanzen, und häufig mit Zusatz von Essig oder Spiri­tus (| bis zur Hälfte der ganzen Flüssigkeit), zum Waschen, Bä­hen und Einspritzen; — zuweilen wird die Salbei auch zu aroma­tischen Breiumschlägen, selten in Pulverform zum Einstreuen in Wunden und Geschwüre benutzt.
Anmerkung. Die Salbei wird von Schafen und Ziegen gern gefressen und giebt, wenn dies reichlich geschieht, der Milch und dem Fleische dieser Thiere einen gewürzbaften Geschmack.
7. Isopkraut, llcrba llijssopi.
% 276.
In dem [sop ist das ätherische Oel mit einem scharfen Bitter­stoff verbunden und das Mittel wirkt daher erregend und stärkend, bessert, die Verdauung, treibt Blähungen und befördert die Abson­derung des Urins, vorzüglich aber die Auflösung und den Aus­wurf des zähen Schleiras, sowohl in der Lunge und Luftröhre, als auch in den Verdauungseingeweiden. Aus diesem Grunde ist der fsop in entsprechenden Fällen eben so gut ein Brustmittel wie ein wurmtreibeudes Mitlei, seine Wirkungen sind aber nur mild und werden in jeder Beziehung von vielen andern Mitteln übertroffen. — Aeusserlich wirkt er erregend, stärkend und zertheileud.
Die Anwendung findet in ähnlichen Fällen statt, wo die Cha­millen und die Salbei empfohlen sind, und eben so ist die Art der Anwendung und die (irüsse der Gabe wie bei diesen Mitteln zu bestimmen.
8. Mairan- oder Majorankraut, Ucrba Blajoranae.
sect;. 277.
Es ist ziemlich reich an ätherischem Oel und enthält zugleich etwas Bitterstoff. Seine Wirkungen sind denen des Isop ähnlich, aber weniger stark örtlich reizend. Es gehört, wie das vorherge-
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hende Pflanzeninittel (sect;. 27G.), zu den schwächeren aromatischen Arzneistoffen und wird innerlich und iiusserlich wie dieses benutzt, findet aber ebenfalls nur eine seltene Anwendung. — Die ehemals von ihm benutzten Präparate, das Majoranöl (0/. deslill. Majo-runae) und die Majoranbutter [Bulyrum Mujoranue) sind jetzt nicht mehr in der Thierarzneikunde gebräuchlich und auch ganz entbehrlich.
',). (remeines D.ostenkraut (Wohlgemutb), Herba Origani
vufgaris.
sect;. 276.
Das Doslenkraut ist in seinen Bestandtheilen sehr ähnlich dem Mairau, aber die Wirkungen sind viel kräftiger als bei dem letz­teren. Es kann ganz wie die vorher genannten Mittel benutzt werden.
Dasselbe gilt auch von dem kaiulischen Dosten oder Dip­tam-Dosten, oder dem sogenannten spanischen Hopfen (Ori-giinum crelicum s. Dirlamnus cre/irus), welcher sehr reich an äthe­rischem Oel ist und den vorigen an Wirksamkeit noch übertrifft.— Sein ätherisches Oel (Dostenöl, Spanischhopfcnöl, 01. Ori­gani crelici) ist sehr stark reizend, dem Terpentinöl ähnlich, und wurde ehedem zu scharfwirkenden Salben und Einreibungen häufig gebraucht, wird aber jetzt durch das wohlfeilere Terpentinöl ersetzt.
10. Pfefferminzkrallt, Uerba Menlhae piperilae s. piperilidis.
sect;. 279.
Die Pfefferminze besitzt als allein wirksamen Bestandtheil ein sehr kampherreiches ätherisches Oel in bedeutender Menge, welches sich durch einen aromatischen und zugleich kühleuden Geschmack vor andern ätherischen Oelen auszeichnet. Sie ist ein sehr kräf­tiges flüchtiges Reizmittel, welches an Flüchtigkeit alle übrigen aro­matischen Mittel übertrifft, und sich den Wirkungen des Kamphers am meisten nähert; es fehlen ihr dagegen alle wirklich stärkenden Eigenschaften, und sie steht in dieser Beziehung den Chamillen, dem Lavendel, dem Rosmarin, der Salbei, noch mehr aber dem Baldrian, dem Kalmus, der Angelik- und Meisterwurzel sehr nach.
Man benutzt daher die Pfefferminze auch nur als blosses Reiz­mittel bei allen Krankheiten, die aus grosser Schwäche entstanden oder mit derselben verbunden sind, und besonders bei dergleichen nervösen Leiden, wie namentlich bei reiner Appetitlosigkeit, bei Krämpfen und Krampfkolik, bei falschen und bei zu geringen Ge-
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burtswehen, bei Windkolik und Trommelsucht, bei Lähmungen, bei Schwindel, bei nervösen und typhösen Fiebern, bei dergleichen Fol­gen und Nachkrankheiten der Staupe der Hunde und dergl.
Die Dosis ist für Pferde und Rinder ^ bis 1 % Unzen, für Schafe und Schweine 2 bis 4 Drachmen, für Hunde 10 bis 30 Gran. — Das Mittel wird am besten ira Infusum angewendet, kann aber auch in Pillen und Latwergen gereicht werden. In leichten Fällen, besonders bei Krämpfen, ist es für sich allein ausreichend, bei mehr hartnäckigen Zufällen setzt man ihm Kampher, Baldrian, Hirsch-hornöl, Opium und dergl. erregende und krampfstillende Mittel zu.
Aeusserlich wird die Pfefferminze als krampfstillendes, reizen­des und zertheilendes Mittel auf die, im sect;. 269. angegebene ver­schiedene Weise mit dem besten Erfolge benutzt; sie ist jedoch für die meisten Fälle zur äüsserlichen Anwendung zu kostbar und des­halb durch die bereits vorher genannten Mittel, vorzüglich aber durch die wildwachsenden Minzarten und durch den Quen­del zu ersetzen.
Anmerkung. Vormals benutzte mau auch in der Thierarz-neikunde das destiLirte Pfeffermiuzöl (01. Menthae piperilae) und das Pfefferminzwasser (Ayua desi'dl. Menlh. piperilae); beide Präparate sind aber zu theuer, können durch das Infusum des Krautes sehr gut ersetzt und daher ganz entbehrt werden.
11. Krauseminzkraut, Herla Menthae crispae.
sect;. 280.
Die Krauseminze besitzt ein ähnliches, sehr flüchtiges kampher-artiges Oel wie die Pfefferminze, jedoch in etwas geringerer Menge und in Verbindung mit einem milden Bitterstoff. Sie ist der Pfef­ferminze sehr ähnlich, nur etwas weniger durchdringend reizend und zugleich etwas tonisch. Die tonische Wirkung kommt jedoch kaum in Betrachtung, und das Mittel kann daher ganz wie das vorige angewendet werden.
Bemerkeuswerth ist es jedoch, dass Kühe die Milch verlieren sollen, wenn sie reichlich das Krauseminzkraut fressen,*) — und dass die Milch nicht gerinnen soll, wenn man Krauseminzblätter in sie legt.*')
Anmerkung. Fast alle übrigen Minzearten, und namentlich die Ackerminzo (Meniha nrvensis), die grüne Minze {Menthn viridis s, sativa), die Wasserminze oder Rossminze (M. aqua-
*) Linn. Flor. Suec. Nr. 516.
**) Dioscorid. Lib. 3. c. i\. p, 189. u. Lewis, mal mod. p. 37S.
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lira s. hirsuln), die Waldmiil/.e (.gt;/. silvcstiis s. uemorosa) u. a., viirziiglicli aber die Poleimiusse, dor Polei (M. Pulegium) stim-men in den wesentlichen Eigenschaften mit dor Pfefferminze und dor Krauseminze überein, obgleich sio mehrentheils (mit Ausnahme dos Polei) von etwas schwächerer Wirksamkeit als diese beiden Mittel sind; sio können daher die Stelle derselben vertreten, beson­ders für den äusserlichen Gebrauch, und verdienen überhaupt als inländische wohlfeile Arzneistoffe von den Thierärzten eine bessere Beachtung als bisher.
12. Melisseukraut (Citroueumelisse), Herla Melhsae.
sect;• 281. Das Kraut der Citronenmellsse enthält ätherisches Oel, in Ver­bindung mit etwas Bitterstoff und mit einem kleineu Antheil Gerbe­stoff. Obgleich sein Geruch von dein der Krauseminze verschieden ist, so stimmt es doch in seinen Wirkungen mit dieser fast ganz üborein und ist auch wie sio und wie die Pfefferminze zu benutzen. Da es jedoch dem letztem Mittel und selbst dem Polei und dem Quendel an Wirkungen nachstellt, und ausserdem auch nicht ganz wohlfeil ist, so machen deutsche Thierärzte von ihm innerlich nur sehr selten, und llussorlich fast gar keinen Gebrauch, aber in Frank­reich benutzt mau es sehr häufig bei torpiden Kraukheitszuständen der Verdauungseingeweide, namentlich bei Appetitlosigkeit, Unvor-dauiichkoit, Aufblähen u. s. w. besonders bei den wiederkäuenden Thieren. Auch wendet man dort das destillirte Melissen v/as-ser gegen diese Krankheiten an.
13. Quendelkraut (wilder oder Foldthyinian), llcifm SerpyUi.
sect;• 282.
Die sämmtlichen Varietäten des Quendels besitzen ein kam-pherreiches ätherisches Ool und geboren zu den gewürzhafiesten Pflanzen Deutschlands. Die Wirkungen sind denen der Pfefferminze sehr ähnlich, und der Quendel kann daher überall angewendet wer­den, wo die letztere empfohlen ist und wo überhaupt ätherisch-ölige Mittel passend sind. Da er fast allenthalben leicht zu haben und sehr wohlfeil ist, so verdient er in der Thiorhoilkunde zum inner­lichen und äusserlichen Gebrauch häufiger benutzt zu werden, als es gewöhnlich geschieht.
Anmerkung. Mit dem Quendel ist das Kraut dos gemei­nen Thymian (fierilaquo; Thyml vulgarh) in den Boslandlheilen und
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Wirkimgen llbereiustimmend, aber noch etwas kräfiiger, da es etwas mehr ätherisches Oel euthält.
14. Sadebaum- oder Sevenbaumkraut, iierba s. Folla
Snhinae.
sect;. 283.
Die Blätter des Sadebanms enthalten als wirksame Bestand-theile ein terpentinartiges, sehr erhitzendes und scharfes ätherisches Oel, in Verbindung mit einem scharf bitterlichen und zum Theil harzigen Extraktivs'oif. — Sie wirken im frischen Zustande (zer­quetscht und von den Thieren gekauet) und im trockenen örtlich sehr stark reizend; sowohl äusserlicb wie auch im Magen und Darmkanal erregen sie dunklere Hülbung, brennende Empfindung, bei längerer Bauer der Berührung auch Entzündung, nnd an von Haut entblös'sten Weichgebilden, z. B. in Wunden, Geschwüren und an Warzen, wirkt unter diesen Umständen das Pulver des trocke­nen Krautes selbst ätzend nnd zerstörend. Wie jedoch die Pferde manche scharfe Stuff! in grossen Graben ohne Nachtheil erfragen, so werden auch ihre Verdauungseingeweide selbst von sehr gros­sen Gaben Sabina mir wenig auf die bemerkte Weise affizirt. Ich habe dieses in mehreren Fällen, wo ich ihnen das frische wie das trockene Kraut zu 4, 8 bis J2 Unzen pro dosi, und täglich zwei­mal durch (i bis 8 Tage sowohl mit dem Futter als auch in Pil­lenform gab, selbst beobachtet, und die von dem Professor Sick in der hiesigen Thierarzneischule früher angestellten Versuche, bei welchen das Mittel durch ein halbes Jahr in steigenden Gaben und zuletzt pfundweise mit dem Futter gemengt, gereicht wurde, *) be­weisen dies ebenfalls. Bei Rindern nnd Schafen sieht man dage­gen von grossen und mehrfaltig wiederholten Gaben sehr oft jene heftigen ortlichen Wirkungen nnd deren Folgen, nämlich schmerz­hafte Aufblähung des Leibes, Verlust des Appetites, Entzündungs-fieber, Verstopfung oder später blutige Diarrhöe u. dergl. eintreten, — und bei Hunden entsteht die Magen- und Darmentzündung und darauf selbst der Tod nach 4 bis (i Drachmen des Mittels jedesmal, wenn den Thieren durch Unterbinden des Schlundes das Erbrechen unmöglich gemacht ist. — Audi nach dem Einbringen von 2 Drach­men der gepulverten Sabina in eine frische Wunde am Schenkel eines Hundes, sähe Orfila, ausser der heftigen Entzündung und blutigen Infiltration des verletzten Gliedes, in etwa 3() Stunden den
*) Rudolplii, Bemerkungen aus dem Gebiet der Naliu-gescliiclile, u. s. w. I. Theil. S. 3t.
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TocTerfolgen.*) Bei Pferden habe ich grössere Quantitäten in Wun­den und Geschwüre gebracht, und davon wohl starke Entzündung und kräftige Umstinimung der Thätigkeit, aber keine wichtigen allgemeinen Zufälle entstehen sehen.
In diesen örtlichen Wirkungen ist die Sabina den scharfen Mitteln ganz ähnlich, und man hat sie daher auch oft zu denselben gerechnet; allein ihre allgemeinen Wirkungen stimmen wieder mit denen der ätherisch-öligen Mittel und zum Theil auch mit denen der Harze überein. Sehr flüchtig sind diese Wirkungen nicht. — Das Mittel bringt in massigen Gaben bei allen Thieren eine kräf­tige Aufregung der Gefässthätigkeit, besonders in den Baucheinge­weiden, in den Harn- und Geschlechtsorganen hervor, bessert die Verdauung und die Assimilation, tödtet Eingeweidewürmer und hemmt deren Entwicklung, befördert die Wärmeentwicklung, die Hautausdünstung und die Urinsekretion, und oft auch die Resorb-tion. Fast immer findet man, dass das Blut heller geröthet wird, und dass bei Pferden der Kotb und Urin einen ganz eigenthüm-lichen, widrigen Geruch annimmt; bei den übrigen Thieren findet etwas Aehnliches, jedoch weniger auffallend statt. Bei den von Sick gemachten Versuchen wurde ein Pferd ausserordentlich fett, obgleich es nur wenig Futter erhielt.— Nach Pilger's Angabe*') sollen Pferde bei dem durch längere Zeit fortgesetzten Gebrauch des Mittels die Haare verlieren; die an der hiesigen Thierarznei-schule deshalb gemachten Versuche haben aber das letztere nicht im Geringsten bestätiget. — Bei trächtigen Thieren soll die Sabina, nach der Behauptung fast aller Schriftsteller, sehr leicht das Ver­werfen herbeirühren; es findet sich jedoch nirgends ein Fall be­schrieben, in dein diese Wirkung nachgewiesen ist, und bei meinen Versuchen an trächtigen Pferden und Hunden (bei letzteren das Mittel imlnfusum zu 2 Drachm, auf den Tag gegeben) hat sich die­selbe auch nicht gezeigt; ich will sie aber deshalb nicht gana läug-neu, und noch weniger will ich die, von Andern empfohlene Vor­sicht in der Anwendung dieses Mittels bei trächtigen Thieren ver­achten.
Die Indikationen zur innerlichen Anwendung dieses kräftigen Arzneimittels sind zwar dieselben, welche für die ätherisch-öligen
) Orfila, Allijeineino Toxikologie. A. ä. Franz. von Kühn. Er­ster Bd. S. 592.
**) Pilger, Syslemal. Handbucl) der Veter. Wissenschaft. 2ter Bd. S. 445. Er behauptet, dass durch das Füllern mit Sadebaura das so­genannte nackte Pferd, welches sich im Kablnet der Kiinigl. Thierarznei-schule zu Berlin belindel, seine kahle BeschaQenheit der Haut erhalten Uabe. Dies ist jedoch nicht erwiesen.
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Mittel im Allgeineiuen (sect;. 2G4.) angedeutet wurden; dasselbe er­scheint jedoch besonders da als passend, wo mit dem Vegetations-prozess die arterielle Thätigkeit und die Empfindlicbkeit zugleich sehr gesunken sind; d. i. bei torpider Asthenie und ihren Folgen. — Mit Nutzen hat man das Mittel gebraucht: bei der chronischen, bösartigen Druse, selbst beim Rotz und Wurm der Pferde; bei Ein­geweidewürmern, bei schlechter Verdauung und damit verbundener Abmagerung, bei der chronischen Lungenseucbe des Rindviehes, wenn die Krankheit einen ausgebildeten asthenischen Charakter besitzt und wenn sie in Brustwassersucht übergeht; eben so bei Wassersucht überhaupt, und bei cachektiseben Krankheiten, die mit derselben verbunden sind, wie z. B. die Fäule der Schafe in den meisten Fallen; bei veralteter, hartnäckiger Räude und Mauke; bei dergleichen Rheumatismus; bei zurückgebliebener Nachgeburt, wenn die Gebärmutter in ihrer Zusammenziehung zu wenig Kraft und Thätigkeit zeigt, und eben so bei chronischem Schleimausfluss aus der Gebärmutter, wenn ein torpider Zustand in derselben besteht.
Pferden und Rindern giebt man von dem Sadebaum sect; bis 2 Unzen, Schafen und Schweinen | bis 2 Drachmen, Hunden 5 bis 15 Gran auf einmal, und in Zwischenzeiten von 4 bis 6 Stunden wiederholt.
Die Anwendung kann in Latwergen und Pillen, wie im Infu-sum und Dekokt geschehen. In dem letztern kommen mehr die bittern Bestandtheile, in dem Infusum mehr das ätherische Oel zur Wirkung. Ausserdem kann man auch die frischen oder die ge­trockneten Blätter, unzerstossen mit dem Futter gemengt, den Thie-ren reichen, und auf diese Weise besonders Pferden und Schafen (den letztern in Lecken mit Mehl oder Schrot und Salz) leicht bei­bringen. Das Pulver eignet sich zu dieser Art der Anwendung nicht gut, weil es zu heftig reizend auf die Schleimhaut der Maul-und Rachenhohle wirkt.
In vielen Fällen der vorhin genannten Krankheiten ist der Sade­baum für sich allein wirksam genug, zuweilen aber muss man ihn mit andern entsprechenden Mitteln verbinden, wie besonders mit Spiessglanz-, Schwefel-, Quecksilber- und Eisenpräparaten, oder mit adstringirenden, bittern und schleimigen Mitteln. Letztere setzt man gewöhnlich nur deshalb hinzu, um die stark örtliche Einwir­kung der Sabina auf den Verdauungskanal zu mindern.
Aeusserlich benutzt man das Mittel entweder a) in Pulverform zum Einstreuen in sehr torpide, unreine, kariöse und wuchernde Geschwüre, um dieselben in grössere Thätigkeit zu versetzen, sie zu reinigen, die Abblätterung zu befördern und die üppige Granu­lation zu zerstören, — und zwar bald rein, bald mit gebranntem
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Alaun, mit rothoin Quecksilber-Präzlpifat, mit Kupfervitriol u. dgl. versetzt; oder b) im Infusum als reizendes und zerthcilendes Mittel zum Befeuchten unreiner Geschwüre, zum Waschen bei Räude, bei veralteten Quetschungen und bei Verhärtungen, — zum Einspritzen bei Schleimflussen aus den weiblichen Geschiechtstheilen.
Anmerkung J. Das sehr scharf reizende Sadebaunuil (0/. destill. Sabinae) wurde früher häufig bei Knochengeschwüren, um die Ahblätterung zu befördern, wie auch als durchdringendes Reiz­mittel zum Einreiben in verhärtete, in gelähmte, oder mit hartnäk-kigein Rheumatismus behaftete Tlieile angewendet; es ist entbehr­lich, da es durch das wohlfeilere Terpentinöl ersetzt wird.
Anmerkung 2. Dem Sadeliaum ähnlieh in denBestaudthei-len ist der sogenannte Lebeusbaum (Thuja occtdentalis). Inner­lich sind bisher nur wenige Versuche mit. ihm gemacht worden; äussedich hat sich aber das Mittel bei unreinen schlaffen Geschwü­ren, gegen üppige Granulation und Feigwarzen sehr wirksam ge­zeigt. Man benutzte hiergegen das pulverisirte Kraut zum Ein­streuen, oder noch besser, die Tinktur (aus 1 Unze der Blätter und 6 Unzen Weingeist bereitet) zum Anleuchten, täglich 3 bis 4 mal wiederholt.
g. 284.
Zu den aromatischen Kräutern gehören auch noch: das Pfef ferkraut oder Bohnenkraut {Herba Salurejae), das Basilien­kraut (//. Basilici), die Katzenminze {11. Cutarhe s. //• iVe-peiue) und das Katzenkraut, Amberkraut oder Marumve-rum (//. Atari veri s. syriact). Sie sind sämmtlich dem Thymian ähnlich, werden durch diesen ersetzt und kommen jetzt nicht mehr als thierärztliche Arzneimittel in Gebrauch; desgleichen das Beto-uienkraut (//. Jhionicae), und das Lachcnknoblauchkraut (//. SrurJü), welche dem Isop ähnlich, aber auch ausserGebrauch sind, und das Steinklee- oder Melilotenkraut mit de;;i Blu­men (llerba et Flures Melilotl), dessen Wirkungen nur schwach sind, so dass man es innerlich gar nicht und äusserlich fast nur seines Geruchs wegen als Zusatz zu andern zertheilenden, und selbst zu erweichenden Kräutern zuweilen benutzt.
Endlich sind auch die sogenannten Hcublumen oder Heu­samen (Flores et setnlna Foeni), welche sich als Abfall und Rück­stand des Heues auf dem Boden finden, hierher zu rechnen. Sie bilden ein Gemenge von halb- und ganzreifen Grassamen, Bliitbcn und Spelzen u. s. w., und besitzen nach Art und Beschaffenheit der im Heu enthaltenen Pflanzen gelind aromatische und schwach ad-stringirende Eigenschaften. Man kann sie äusserlich als die wohl­feilste aromatische Kräutermischung (aromatische Spezies) bei allen
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Krankheiten anwenden, wo aromatische Kräuter üherhaupt empfoh­len sind; besonders aber eignen sie sich für die leichteren Grade dieser Krankheiten, wie auch wo grosse Flächen mit Umschlügen zu bedecken sind, und zu Fussbäderu und zu Dunstbädem. Im Nothfall kann man ein Infusum von gutem Heilsamen innerlich, z. B. bei rheumatischer und bei Krampfkolik, mit Nutzen gebrauchen.
B. Aromatische Samen. 15. Anissamen, Semen Anitl.
sect;. 285.
Im Anis ist der Hauptbestandtheil, ein siissliches ätherisches Oel, in nicht unbedeutender Menge enthalten, aber durch fettes Oel, Schleimzucker und Extraktivstoff sehr gemildert in seinen Wirkun­gen. Diese bestehen in einer sanften Erregung der Thätigkeit der Verdauungseingeweide und der Respirationsorgane, und äussern sich durch Vermehrung des Appetites, durch bessere Verdauung, durch Abtreibung der Blähungen, vorzüglich aber durch flüssigere Absonderung und leichtern Auswurf des Schleims an der Schleim­haut der Respirationsorgane. Der letztern Wirkung wegen ist der Anis von jeher als ein sogenanntes Brustmittel geschätzt, und vor züglich im letzten Stadium der in Genesung übergehenden Luu genentzündung, oder vielmehr in der Rekonvalescenz nach dersel­ben, — auch selbst im Verlaufe wirklich asthenischer Lungenent­zündungen, und bei allen catarrhalischen Krankheiten mit diesem Charakter häufig angewendet worden. Er ist daher auch ein Be-standtheil fast aller sogenannten Drusenpulver und Dmsenlatwer-gen, in welchen er freilich auch oft gemissbraucht wird, wenn die Anwendung zu früh, d. h. noch während der Entzündungsperiode geschieht. — Eben so benutzt man ihn bei Unverdaulichkeit, bei zu vieler Entwickelung von Blähungen, bei Wind- und Krampfko­lik, bei krampfhaften Harnverhaltungen, bei Durchfällen, welche ohne Reizung bestehen und dergl. Doch dürfen alle diese Krank­heiten auch nicht mit einem zu hohen Grade von Schwäche und Reizlosigkeit verbunden sein, weil sonst der x\.nis nicht wirksam genug ist.
Die Gabe ist für Pferde und Rinder 1—3 Unzen, für Schafe und Schweine 2 Drachmen bis | Unze; für Hunde 20 Gran bis 1 Drachme. Das Mittel ist in Pulverform, in Latwergen, Pillen und im Infusum anwendbar, und wird nach Bcdürfniss der Um­stände mit Salmiak, Kalomel, Schwefel, Spiessglanz, Wachholder-beeren, Terpentin und dergl. Mitteln verbunden. Ehemals pflegte
Her twig ArzncimittelUhre.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 17
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mau den Anis auch zu den Purgirmitteln zu setzen, um, wie man glaubte, deren nachtheilige Wirkung auf den Darmkanal, beson­ders Kolikschmefzen zu verhüten; jetzt wird dieser Gebrauch mit Recht unterlassen. Dagegen setzt man den Anis zuweilen als Ne-benmitfel zu Arzneien, besonders zu Pulvern, um ihren Geschmack zu verbessern, weil er den meisten Thieren angenehm ist und von ihnen gern gefressen wird. Dieses gilt namentlich von Pferden und Tauben.
Doch muss ausdrücklich bemerkt werden: dass der Anis für alle diese Zwecke durch den nur halb so theuren Fenchel zu er­setzen ist.
Anmerkung 1. Das ätherische Auisöl (Oleum aethereum Anhi) ist zum Gebrauch bei grossen Thieren zu theuer und wird nur zuweilen lioch zum Tödten der Läuse und Flöhe bei Hunden, Katzen und Vögeln benutzt. Nach meinen Erfahrungen wirkt es gegen solches Ungeziefer sehr kräftig, verlangt aber bei kleinen Vögeln die grosste Vorsicht, weil es dieselben, z. B. Kanarienvögel, zu tödten vermag, wenn es so reichlich aufgestrichen wird, dass die Thiere es mit dem Schnabel wieder abwischen und lecken kön­nen. Selbst den Tauben soll das reine Anisöl ein Gift sein. Da­her verdient bei den Vögeln ein schwaches Infusum des Anissamens, und noch mehr ein Infusum von dem Petersiliensamen zu obigem Zweck als Waschmittel den Vorzug.
Anmerkung 2. Der Sternanis {Semen Anhi siellati) be­sitzt fast ganz dieselben Eigenschaften wie der gewöhnliche Anis­samen; ist aber zu theuer und ganz entbehrlich.
IG. Fenchelsamen, Semen Foeniculi.
sect;. 2S6.
Der Fenchel ist in seinen Bestandtheilen und Wirkungen dem Anis höchst ähnlich, und alles von dem letzten Gesagte gilt daher auch von ihm. Er verdient aber, da er viel wohlfeiler ist als der Anis, den Vorzug vor diesem.
Anmerkung. Das Fcncbelkraut und die Fenchelwur­zel (Herha et lladix Foeniculi) enthalten im frischen Zustande eine sehr geringe Menge ätherisches Oel und wirken gelind reizend, be­sonders auf die Schleimhäute, auf die Nieren und auf das Euter; getrocknet sind sie ganz unwirksam. Man benutzte sie ehemals gegen die Gelbsucht der Schafe und zur Beförderung der Milch­absonderung; jetzt sind sie aus dem Gebrauch.
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17. Eü mm el 8 am en, Karbc, Semen Canraquo;'.
sect;. 2S7. Der Kümmel ist etwas mehr rein aromatisch als Fenchel und Anis, im Ganzen aber ein eben so mildes Arzneimitiel wie diese, und unterscheidet sich von denselben in therapeutischer Hinsicht auch nur dadurch, dass seine erregenden Wirkungen weniger auf die Brust- als auf die Baucheingeweide gerichtet sind. Er beför­dert die wurmfonnige Bewegung des Darmkauais, bessert die Ver­dauung, stillt Krämpfe, besonders in den Organen des Hinterleibes, und treibt Blähungen ab. Er wird auch aligemein als eins der wirksamsten unter den blähungtreibenden Mitteln betrachtet, und bei leichten asthenischen Unvcrdaulichkeiten, bei dergleichen Durch­fällen, vorzüglich aber bei Krampf- und Windkolik und bei der Trommelsucht gebraucht. Die Anwendung geschieht in denselben Gaben wie die des Anis, am besten im Inl'usum, welches zuweilen mit Bier bereitet und durch Zusatz von Branntwein und dergl. ver­stärkt wird. Dasselbe kann auch zu Bähungen gequetschter Theile und zu recht wirksamen erregenden, krampfstillenden Klystieren benutzt werden.
18. Dillsamen, Semen Anelhi.
sect;. 288.
Er ist mehr scharf gewürzhaft und weniger angenehm schmek-kend als der Kümmel, stimmt aber mit dessen Wirkungen über­ein, und kann in denselben Krankheiten angewendet werden, wo dieser und ws der Anis empfohlen ist. Da er diese Mittel im Grade der Wirksamkeit übertritfr, so kann man ihn in etwas schwachem Gaben, übrigens aber in derselben Form und Verbindung reichen wie jene Mittel. Der Dillsamen verdient als wohlfeiles und auf dem Lande fast Überall leicht zu habendes Arzneimittel von den Thier-ärzten mehr benutzt zu werden als bisher.
Anmerkung. Das Dillkraut (Berba Anethi) besitzt ähn­liche Eigenschaften wie das Fenchelkraut, und wurde ehemals wie dieses angewendet.
19. Petersiliensamen, Semen Pclrosclini.
sect;. 289. Das ätherische Oel ist in diesen Samen von noch schärferer Art als in den vorigen Mitteln, daher sie auch einen scharf ge-
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wUrzhaften und etwas Ijittern Geschmack besitzen und von Man­chen zu den scharfreizenden Mitteln gerechnet werden. Sie wirken auf die Verdauungseingeweide ähnlich erregend wie der Kümmel, bessern die Verdauung, treiben Blähungen und beseitigen Krämpfe; aber ihre vorherrschende und fast spezifische Wirkung ist auf die Harnwerkzeuge gerichtet und äussert sich durch bedeutend ver­mehrte Harnabsonderung. Diese Wirkung ist allgemein bekannt, so dass die Petersiliensamen selbst bei den Landleuten als ein urin­treibendes Mittel in grossem Rufe stehen und bei Kolik und Hara-verhalhing nur leider zu oft gemissbraucht werden, da sie den ge­reizten Zustand des Darmkanals und der Harnwerkzeuge vermeh­ren, die Entzündung schneller herbeiführen und ihre üblen Aus­gänge beschleunigen können.
Die Anwendung dieser Samen kann zwar bei Harnverhaltun­gen stattfinden, jedoch nur bei solchen, welche in einem überreiz­ten krampfhaften oder lähmungsartigen Zustande begründet sind, und ganz ohne Eafzündungssymptome bestehen; wie es zuweilen bei Pferden der Fall ist, wenn sie das Stallen zu lange über die gewohnliche Zeit übergehen mussten.
Mit grüsserer Sicherheit wendet man dagegen das Mittel in einigen chronischen Krankheiten an, und namentlich bei veraltetem Catarrh und Rheumatismus; bei hartnäckiger Druse; bei veralteter Räude und bei alten Geschwüren anderer Art, z. B. bei dergleichen Mauke; bei üdematüsen Anschwellungen, bei Brust- und Bauch­wassersucht, bei der chronischen Lungenentzündung des Rindvie­hes, und bei der Fäule der Schafe.
Bei letzteren Thieren soll der Same auch zur Verhütung der Fäule und dergl. bösartigen Krankheiten angewendet werden, wenn die Schafe nach dem Scheeren und bei anhaltend schlechter Wit­terung an Catarrh, Husten und Sehleimauswurf leiden.
Man giebt ihn Pferden und Rindvieh zu ^ — 1 ^ Unze, Seha-fen und Schweinen zu 1 — 3 Drachmen, Hunden |- Scrupel bis 1 Drachme auf einmal, in Zwischenzeiten von 2 bis 3 Stunden wiederholt, und am besten im Aufguss. Die pulverisirten oder blos gequetschten Samen mit dem Futter und mit etwas Sala ge­mengt, sind zwar den Thieren (besonders so den Schafen als Lecke) leicht beizubringen, aber in dieser Form weniger urintreibend als im Infusum. Dasselbe gilt auch von der Anwendung in Pillen-und Latwergenform.
Bei Urinverhaltungen von der bezeichneten Art giebt man das Mittel recht zweckmässig mit Chamillenbhnnen, mit Bilsenkraut, und mit schleimigen Substanzen, bei den genannten chronischen Krank­heiten aber oft mit Wachholderbeeren, mit Terpentin, Terpen-
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tinül u. s. w. versetzt, ähnlich wie das Sadebaumkraut. — Kcr-sting empfiehlt bei Niereuentzündung, die vom Verhalten dos Urins entstanden ist, Petersiliensamenpulver und Salpeter, von jedem ^ Unze auf einmal in Wasser zu geben; aber auch in dieser Ver­bindung ist das Mittel bei jeder wirklichen Entzündung nachtheilig.
Den Läusen ist der Petersiliensame ein todtliches Gift, und er kann daher zum Todten derselben als das wohlfeilste und unschul­digste Mittel hei allen Thieren benutzt werden. Die Anwendung zu diesem Zweck geschieht entweder in Salben (aus pulverisirtem Samen 1 Unze und Butter oder Schweinefett 2 Unzen bestehend), oder noch hesser im Infusura (1 Unze zu 12 Unzen Colatur).
Anmerkung. Die Petersilienwurzel und das Petersi­lienkraut {Radix et llerha Peiroselini) besitzen im frischen Zu­stande ähnliche, aber schwächere aromatische Eigenschaften wie die Samen. Die erstere wird noch jetzt zuweilen als urintreibendes und auflösendes Mittel bei Harnverhaltung, bei Gries und Sand im Urin, bei Gelbsucht und Wassersucht benutzt, und zwar entweder klein geschnitten und unter das Futter gemengt, oder in Aufguss (1 Pfd. frische Wurzel zu 3 Pfd. Colatur). Das Kraut wird als Arzneimit­tel innerlich sehr selten angewendet; äusserlich wirkt es gelind er­regend, zcrtheilcud, und wird von den Landleuten zerquetscht auf Insektenstiche, oder mit Bier, oder auch mit Urin zum Brei ge­kocht bei frischen Milchknoten des Euters mit gutem Erfolge ge­braucht. — Bei Milchkühen und säugenden Thieren bewirkt ge­wöhnlich die innerliche Anwendung der Petersiliensamen, der Wur­zel und des Krautes eine Verminderung der Milch in demselben Verhältniss, wie die Urinabsonderung zunimmt.
20. Wasserfenchelsamen (Wasserfenchel, Rossfenchel, Pferdesat), Semeti PhtUandrii aquatici s. l'oeniruli arjualici.
sect;. 290, Er enthält als hauptsächlich wirksame Bestandtheile ätherisches Oel, Harz und Extraktivstoff, ist im Geruch und Geschmack etwas widrig und noch etwas mehr scharf aromatisch als der Petersilien­same. Seine Wirkungen sind im Wesentlichen mit denen der übri­gen aromatischen Samen übereinstimmend, und besonders denen des Fenchels und des Anis verwandt; denn er bringt bei inner­licher Anwendung zunächst eine massige Aufregung der Verdauungs­eingeweide hervor, befördert die Verdauung und Assimilation, be­seitiget Blähungen und leichte Krampfzufälle, änssert aber dann, wie jene beiden Mittel, eine fast spezifische, erregende Wirkung auf die Respirationsorgane, und verbessert namentlich die zu reichliche
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und fehlerhafte Absoudenmg in deren Schleimhaut, so dass der Schleim in geringerer Menge, von besserer Consistenz abgesondert und leichter ausgeworfen wird.
Zuweilen bemerkt man bei dem Gebrauch des Wasserfenchels auch vermehrte Absonderung des Urins und etwas vermehrte Haut-ausdiinstung; beide Wirkungen sind jedoch nicht beständig, und namentlich ist die letztere mehrentheils nur in einem sehr geringen Grade, oft auch gar nicht wahrzunehmen. — Dagegen scheint das Mittel bei fortgesetztem Gebrauch einen grossen Einfluss auf die sämmtlichen Organe der Reproduktion, und speziell auf das Lymph-gefässsystem zu entwickeln, da es zuweilen tiefsitzende Krankheits-zustäude dieser Organe beseitigen hilft.
Scharfe oder narkotische Wirkungen, wie Manche angeben, habe ich niemals und an keinem unserer Hausthiere von dem Was­serfenchel beobachtet, obgleich ich denselben versuchsweise in un­gewöhnlich grossen Gaben (z. B. Pferden und Kühen zu 1 bis 1^ Pfund, Hunden zu 1 bis 2 Unzen pro dosi und täglich 2 mal) an­gewendet habe.')
Das Mittel ist nützlich bei allen chronischen Krankheiten der Kespirationsorgane, wenn sie mit Erschlaffung und Reizlosigkeit derselben, noch mehr aber, wenn sie mit übermiissiger Schleim-absonderung verbunden sind, w^ie namentlich bei veraltetem Catarrh mit vielem Auswurf, bei dergleichen Druse, bei dem sogenannten Rotz der Schafe, bei der Schleimschwindsucht, bei aufgebrochenen, stark jauchenden Lungenkuoten, bei catarrhaliscben Lungenentzün­dungen asthenischer Art und in den spätem Perioden, und bei der Lungeuseuche des Rindviehes unter denselben Umständen. Selbst bei frisch entstandenem Rotz und Wurm hat es in einigen Fällen sich heilsam gezeigt.
Die Gabe ist wie bei dem Petersiliensamen, die Form zur An­wendung und die Verbindung mit andern Mitteln wie bei dem Anis zu bestimmen.
Es Ist nüthig zu beachten, dass in den Apotheken der Wasser­fenchel einen höheren Preis hat, als der gewöhnliche Fenchel.
*) Ehemals glauble man auch, dass der Wasserfenchel den Pferderaquo; ein Gift sei und ihnen Lähmung des Blntertbeils verursache. ).inii6 schrieb diese Wirkung ciuenl, in der Pflanze nistenden Rüsselkäfer (den er Curculio parapleclicus nannle) zu, und erklärle sie daraus, dass der­selbe mil seinem Slacliel das Rückenmark der Pferde durchbohren sollle. Eine irrthümllche Ansicht, die als solche von dem berUhmlen NalnrCor-sclier spälerhln selbst erkannt wurde.
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21. Lorbeeren und Lorbeerblätter, Baceae et Folia Lauri.
sect;#9632; 291.
a)nbsp; Die Lorbeeren besitzen theils ein iitherisches, terpentinölar­tiges, theils ein fettes, butterartiges Oel (jetzt als Lai.TO-Stearin be­zeichnet), und zwar ersteres vorzüglich in den Schalen, letzteres aber in den Kernen. Sie sind bitter gewiirzliaft, aber nicht scharf, und wirken erregend und stärkend, besonders auf die Verdauungs­eingeweide; oft bringen sie auch vermehrte Urinsekrction und ver­stärkte Hautausdünstnng hervor.
Man wendet sie daher bei Unverdaulichkeit, bei Biähungen und chronischer Diarrhöe, bei Abmagerung, die nicht ans Mangel an gutem Futter entstanden, sondern in schlechter Assimilation be­gründet ist, — bei langwieriger Druse, — bei Hände und bösartigen Schafpocken und dergl. asthenischen Krankheiten an.
Die Gabe ist für Pferde und Rindvieh 1—2 Unzen, für Schweine und Schafe 1—2 Drachmen, für Hunde 10 Gran bis i Drachme, täglich 3—4 mal, in Pulvern und Leeken, in Pillen und Latwergen, und mit Wermuth, Kalmus, Schwefel, Kochsalz u. a. Mitteln ver­bunden.
b)nbsp; Die Lorbeerblätter sind ärmer an ätherischem Oel als die Lorbeeren, und das fette Oel fehlt ihnen gänzlich. In ihrer Wirksamkeit sind sie den Lorbeeren ganz ähnlich, nur etwas schwä­cher, und können ganz wie diese benutzt werden. Sie eignen sich auch zur Anwendung im Infnsum. —#9632; Die griechischen und römi­schen Thierärzte benutzen sie gern, imd bei dem Starrkrampf der Pferde auf die Art, dass sie den Thieren Lorbeerzweige ins Maul legten und dieselben kauen Hessen. Bei uns werden sie selten gebraucht,
Anmerkung. Das ausgepresstc Lorbeeröl oder Loröl
(Oleum Lauri s. laurinum eipressum, 01. Lauri uagutaosum) ist gröss tentheils fettes, mit etwas ätherischem vermischtes Oel, von starkem aromatischem Geruch, und wirkt, auf die Haut gerieben, ziemlich stark erregend, belebend und zertheilend. Es dient nur zum äus-serlichen Gebrauch, als Einreibung bei Erschlaffung, bei Stockung und Verhärtung, bei Krampf und Lähmung, theils für sich allein, theils mit Terpentinöl, Kampher, Kanthariden und andern reizen­den Mitteln verstärkt, und wurde auch früher von den Thierärzten sehr häufig angewendet. Da es aber fast immer verfälscht und thenrer als Terpentinöl ist, so ersetzt man es-durch eine Verbin­dung des letztern mit Fett oder fettem Oel — oder zuweilen auch durch die sogenannte Lorbeerbntter (Bufyrum taiirimm). Diese
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wird gewöhnlich bereitet, indem man fi Theile pulverisirter Ijorbec-reu, l Theil Sadebaumkraut und 12 Theile ungesalzener Butter, bei gelindem Feuer oder im Dampfbade zusammenkocht, und dann (was aber unnöthig ist) grüu färbt. Ihre quot;Wirkung ist von der des Lorbeerüls sehr wenig verschieden.
22. Schwarzer Pfeffer, Piper nigrum.
%. 292. Als die wirksamen Bestandtheiie dieses allgemein bekannten Gewürzes betrachtet mau ein fettes scharfes Oel, ein flüchtiges bal­samisches Oel, scharfes Harz und eine eigenthümliche krystallisir-bare Substanz, die man Piperin genannt und als den wesentlich­sten Theil des Pfeffers betrachtet hat. Es ist aber noch sehr zwei­felhaft, ob diese Substanz die ihr zugeschriebene Wirksamkeit be­sitzt. — Der Pfeffer wirkt auf die von ihm betroffenen thierischen Gebilde sehr kräftig und durchdringend reizend, so dass bei län­gerer Dauer der Berührung eine juckende, brennende Empfindung, Röthe und späterhin selbst Entzündung entsteht. Im Maule ver­ursacht er brennenden Geschmack, starken Zufluss des Speichels und vermehrte Absonderung des Schleims; im Magen und Darra-kaual bewirkt er eine lebhaftere wurmformige Bewegung, verstärkt die Entwicklung der Wärme, vermehrt in massigen Gaben die Ab­sonderung der Darmsäfte, bessert die Verdauung und treibt Blä­hungen; in zu starken Gaben kann er auch Entzündung der Ver-dauungseiugeweide und den Tod herbeiführen. Die erregenden Wirkungen des Pfeffers verbreiten sich von den Verdauungseinge-weiden über den ganzen Körper, und verhalten sich dabei den übri­gen aromatischen Mitteln ähnlich. — Ehemals glaubte man fast allgemein, dass der Pfeffer, selbst in kleinen Gaben, den Schweinen ein tödtendes Gift sei; Abildgaard und Viborg haben aber durch Versuche gezeigt, *) dass er auf diese Thiere keine spezifische
') Ein Mullersohweln erhielt des Morgens um 7 Uhr ein Quentchen ganzer PfeU'erkurner, ohne üass hierauf merklich gefährliche Folgen ein-Iralen. Man gab ihm dann an demselben Tage Nachmillags um 1 Uhr eine eben so grosse Gabe von geslossenem Pfeffer als Irocknes Pulver ein, welches folgende Zufälle verursachte: „gleich nach dem Eingeben war es wie lodt und halle keinen kenntlichen Athemzng oder Herzschlag. Durch Eingiessen von Wasser in den Schlund kam es wieder zum Le­ben, grunzte und stand auf, halle aber einen wankenden Gang und wie eine Lähmung im Kreuze. Um 2 Uhr fand sich ein starkes Hasseln in der Luflrohre ein, welches gegen 3 Uhr wieder verschwand. Das Schwein finij nun an zu wühlen und schien schwächer Alhem zu holen, dabei
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giftige Wirksamkeit besitzt, sondern (lass er ibuen uur dann schäd­lich wird, worm man ihn als Pulver unvorsichtig und so eingiebt, dass er grösstentheils in den Kehlkopf und in die Luftröhre ein­dringt, wo er dann heftigen Reiz, krampfliafle Versehliessung des Kehlkopfes, Erstickungszufalle, Bräune und selbst den Tod hervor­bringen kann. Der eigenthümliche Bau des Kehlkopfes beim Schwein trägt am meisten dazu bei, dass hier diese Zufälle von allen schar­fen Pulvern eher und im hohem Grade entstehen, als bei den übri­gen Hausthieren (sect;. 87.).
Wenn mm auch das Mittel nicht eben ein Gift für die Schweine ist, so ist doch seine Benutzung als Arzneimittel bei diesem Thiere nicht zu empfehlen.
Die Anzeigen zum Gebrauch des Pfeffers sind noch nicht ge­hörig festgestellt, da er im Ganzen nur sehr wenig angewendet wird. Seinen Wirkungen nach kann er nur bei sehr verminderter Empfmdlicbkeit und Reizbarkeit, besonders der Verdauungseinge­weide, z. B. bei chronischer Unverdaulichkeit, bei dergleichen Bläh­sucht, bei Wind- und Krampfkolik, bei Lähmungen und turpidtn Zuständen nützlich sein. Er ist bei diesen Krankheiten auch wirk­lieh mit gutem Erfolge angewendet, und ausserdem auch zuweilen als ein Mittel zur Erweckung des Geschlechtstriebes bei sehr phleg­matischen Stuten und Kühen benutzt worden.
Die Gabe ist für Pferde 2 Drachmen bis i Unze, für Rindvieh 3—6 Drachmen, für Schafe %—i Drachme, für Hunde 5—12 Gran,
lialle es viel Dursl. Um 5 Ulir ausserle sich jenes Rasseln im Halse wieder, welches mehr und mehr zunahm, so dass das Schwein unter demselben gegen 7 Uhr starb. Bei der Oeffnung desselben fand mau den Hagen iibermässig gross und von Luft aosgespannl. Er enthielt zu­gleich eine Menge unverdautes Fleisch, welches das Schwein am Vor­mittage gefressen halte; inwendig gegen die Oellnung der Speiserohre war ein handbreiter Flecken unterlaufenes Blut, aber sonst kein Zeichen von lintziindung am Magen und an den Gedärmen, weder inneiiich noch iiusserlich. Die Lungen waren überall dunkelroth; der Luftrohrendeckel hochroth und entzündet. Die Luftrühre war ebenfalls inwendig entzün­det, aber mit geringerer Rolhe als der Deckel derselben. Uier fand man zugleich einen Theil des Pfellerpnlvers, und das nicht allein im Stamme der Luftröhre, sondern auch in ihren ersten Ilauptzweigen in der Lunge. Ein 10 Wochen altes Ferkel erhielt ein halbes Qnentchen gestosse-nen Pfeifer in Fleisch eingewickelt, und ein anderes Ferkel die nämliche Gabe mit Wasser vermischt, aber beidlt;? genolaquo;sen sie ohne Husten und andere gefährliche Zufälle. Ja selbst das trockene PfelTerpulver fand man ohne Wirkung, wenn man Acht hatte, dass das Schwein unter dem Ein­geben sich nicht zur Gegenwehr setzte, und dass man das Pulver lief in den Schlund hinabbrachte, wodurch sein Eingang in die Luftröhre ver­hindert werden konnte.quot; Viborg, Samml. 1. Bd. S. 294 u. 95.
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und in Zwischenzeiten von 4 his 6 Stunden wiederholt. Zum in-nerlkhen Grehraueh muss der Pfeffer fein pulverisirt sein; die An­wendung seihst darf aher niemals in Pulverform, sondern nur in Latwergen und Pillen, und immer nur in Verbindung mit einhül­lenden, schleimigen, bittern u. a. Arzneimitteln geschehen.
Sehr zweekmässig ist auch seine Benutzung in einer Tinktur, die aus pulvorisirtem Pfeffer 2 Unzen, und Weingeist 12 Unzen durch Digestion bereitet wird; er wirkt in derselben schneller, flüch­tiger und gleiehmässiger, indem die örtliche Einwirkung nicht so lange auf einen Tlieil des Verdauungskanals hegränzt bleibt, wie bei der Anwendung des Mittels in Substanz. Man gieht diese Tinktur für die grossen Hausthiere zu 1—3 Unzen, für Schafe zu 2 Drachmen bis 4 Unze, und für Hunde zu 10 bis 30 Tropfen, am besten mit Infusionen anderer aromatischer Mittel, oder mit einer Abkochung bitterer oder adstringirender Arzneien.
Aeusserlich kann der Pfeffer ebenfalls als ein kräftig reizendes Mittel bei veraltetem Rheumatismus, bei Lähmungen, bei Verhär­tungen, welche man zertheilen oder in Eiterung bringen will, bei callösen, mit zu geringer Thiitigkeit begabten Geschwüren und zur stärkern Reizung der Fontanelle und Haarseite angewendet werden. Für die erstem Zustände benutzt man entweder die angegebene Tinktur oder eine einfache Salbe, welche aus: pulverisirtem Pfeffer 1 Drachme, und Schweinefett 2 — 3 Unzen besteht, zum Einrei­ben in die leidenden Theile; — für Geschwüre und Fontanelle aber braucht man das Pulver des Pfeffers für sich allein, oder als Zu­satz zu Digestivsalben, z. B. zu einer Unze von der Basilikum­oder Terpentinsalbe eine his zwei Drachmen Pfeffer.
Französische Thierärzte gebrauchen den Pfeffer grob gepulvert und mit andern Mitteln (z. B. mit Sauerteig, Honig u. dergl.) ver­bunden, auch noch als Kaumittel zur Erregung des Speichels; Pferde­händler brachten sonst sehr häufig solchen Pferden, die den Schwanz zu wenig in die Höhe tragen, vor dem Vorführen derselben etwas Pfeffer in den After, um durch den entstehenden Reiz für kurze Zeit ein stärkeres Aufrichten des Schweifes zu veranlassen;—und der gemeine Manu macht bei Kolik und bei Harnverhaltung der Pferde nicht selten einen ähnlichen Missbrauch von diesem Mittel, indem er dasselbe in den Schlauch oder bei weihlichen Thieren zwischen die Schamlippen und in die Mutterscheide bringt, um durch seinen Reiz das Uriniren zu erregen.
Anmerkung 1. Der weissc Pfeffer (Piperalbum) ist etwas weniger scharf als der schwarze, stimmt aber im Wesentlichen mit demselben überein, und kann ganz wie dieser benutzt werden.
Anmerkung 2. Der spanische, indische oder türkische
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Pfeffer (Piper hispauicum, P. iudicum s. htreieum). — Die Beeren mit den Samenkernen von Capsicum anuuum enthalten ein brennend scharfes Weichharz (Capsicln), etwas scharfes ätherisches Oel, Gummi u. s. w. und wirken noch viel mehr brennend und scharf reizend als der schwarze Pfeffer. Sie werden deshalb am besten innerlich gar nicht angewendet, obgleich englische Thierärzte zuweilen dieses Mittel, bei Lähmung u. s. w., wie den schwarzen Pfeffer benutzen. — Aeusserlich verdient es dagegen ganz wie der letztere, und häu­figer benutzt zu werden als bisher. Auch als Zusatz zu Seuftei-geu, um die Wirkung derselben zu verstärken, ist er sehr zu em­pfehlen. — Die von ihm (aus 2 Drachmen mit 1 Pf. höchst rekti-fizirtem Weingeist durch Digeriren, Auspressen und Filtriren) be­reitete Tinktur {Tinetura Cupsiel annui), ist in der Preuss. Phar-makopüe officiuell und zum üusserlichen Gebrauch als ein sehr kräf­tiges und wohlfeiles Reizmittel recht gut geeignet.
Anmerkung 3. Der Nelkenpfeffer, Jamaikapfeffer, westindische Pfeffer, englisches Gewürz oder Piment {Pi­per jnmaicense, s. Semen Anioini, s. Pimenlum) ist nicht halb so
brennend scharf als der schwarze Pfeffer, dafür aber mehr wirklich aromatisch, fast den Gewürznelken ähnlich. Er wirkt vorzüglich kräftig erregend auf die Verdauungseingeweide, verstärkt die wurm-formige Bewegung im Darmkanal, bessert die Verdauung und treibt Blähungen. Das Mittel kann daher, in etwas stärkern Gaben als der Pfeffer, bei allen gastrischen Krankheiten, die in Schwäche und Unthätigkeit der Verdauungseingeweide beruhen, mit Nutzen an­gewendet worden, ist aber in Deutschland fast gar nicht gebräuch­lich, obgleich es sich durch seinen wohlfeilen Preis empfiehlt. Die englischen Thierärzte benutzen es mehr, und Bracy Clark bat eine davon bereitete Tinktur sogar als das sicherste Heilmittel je­der Indigestions- und Windkolik empfohlen. Diese Tinktur wird durch kalte Digestion bereitet aus:
Englischem Gewürz 12 Unzen,
höchst rektifizirtcin Weingeist und Wasser, von jedem 3G Unz. Mau soll davon einem Pferde auf einmal 4 bis 6 Unzen mit etwas lauwarmem Wasser geben, und diese Gabe zuerst nach 20 bis 31) Minuten, später seltener, aber so lange wiederholen, bis die Zufälle beseitigt sind.*)
Nach meiner Erfahrung kann dieses Mittel allerdings Koliken der bezeichneten Art schnell heben, jedoch nur, wenn blos Krampf im Darmkanal besteht; ist dagegen aber nur eine Spur von Ent­zündung zugegen, so schadet es. Dasselbe verlangt daher die gc-
*) Bracy Clark, Essay on llio Gripes of Horses. Loud. 1810. 4to,
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Daueste Kennlniss des vorhandenen pathologischen Zusiaudes, und da diese nicht immer zu erlangen ist, so muss ich gegen den zu allgemeinen Gehrauch dieses Mittels sehr warnen.
23. Senf, schwarzer Senf, Semen Sinapeos s. S. Sinapeoi
nigri.
sect;. 293.
Ein ausgezeichnet scharfes und zugleich flüchtiges ätherisches Oel, viel fettes, mildes Oel und Schleim, Ehveis, etwas Phosphor und Schwefel, und eine eigenthümliche Siiure, die man Schwe­fel-Senfsäure genannt hat, bilden die Bestandtheile dieser allgo-mein hekannten Samen.
Der Senf wirkt als ein sehr kräftiges, zum Thcil flüchtiges Reiz­mittel, vorzüglich bei der äusserlicbeu Anwendung. — Wird Senf­samenpulver mit warmem Wasser oder mit Essig zu einem Brei gemacht und dieser auf die von Haaren eatblcisste Haut gelegt, so entsteht, dadurch in ganz kurzer Zeit (in 10—12 Minuten) eine juckende, brennende Empfindung, die Thiere werden unruhig, und suchen sich zu reiben; schon nach 2 bis 3 Stunden ist eine Ent-zündiingsgeschwulst deutlich entwickelt, welche zuerst nur in der Haut, bei längerem (etwa i2stüudigem) Liegen des Senfl)reies aber auch in den unter ihr liegenden Gebilden besteht, und dann gewöhn­lich mit Ausschwitzung seröser Feuchtigkeiten im Zellgewebe ver­bunden ist. Sehr oft entstehen auch kleine Bläschen an der Ober­haut, welche Serum enthalten. Wird nach dieser ersten 10 bis 12 stündigen Anwendung, und nachdem die bezeichnete Wirkung be­reits eingetreten ist, auf derselben Stelle noch ein Senfbrei durch 24 Stunden angebracht und durch wiederholtes Auffrischen in be­ständiger Wirksamkeit erhalten, so entstehen grössere Blasen, die in Eiterung übergehen, und in gelinderem Grade der Wirkui:g blos nach eingetretenem Verhret der Oberhaut in etwa S Tagen wieder heilen; im heftigeren Grade stirbt aber auch die Haut, das darun­ter liegende Zellgewebe und zuweilen sogar ein Theil der nächsten Muskelschicht durch Ueberreizung und Brand ab, und die sc ent­standenen Geschwüre heilen dann gewöhnlich mit einer haarlosen Narbe.
Ganz auf gleiche Weise, aber noch schneller und heftiger, wirkt das ätherische Oel des Senfs. Prevost sähe bei einem Hunde nach dem Einreiben von 2 Drachmen dieses Oels in die Haut an der Brust fast augenblicklich die heftigste Reizung entstehen, so dass das Thier dabei wie rasend sich benahm; nach etwa 31) Mi­nuten war schon eine grosse, mit Serum gefüllte, und mit heftiger
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Entzündungsgeschwulst umgebene Blase entstanden; später bildete sich daselbst ein Schorf und die Heilung erfolgte schnell.*) — Es geht daraus zugleich hervor, dass dieses Oel der eigentlich wirk-same Bestandtheil des Senfs ist.
Die scharfe Wirkung des Senfes auf die Haut ist mit der der spanischen Fliegen, des Pfeffers und des Meerrettigs verwandt; ste tritt jedoch schneller, sicherer und mit grüsserer Heftigkeit ein als bei den Canthariden, ist aber auch schneller vorübergehend; bei massiger Dauer der Anwendung macht der Senf mehr Geschwulst und weniger Ausschwitzung, und bei langer Einwirkung dringt er tiefer zerstörend ein als die Canthariden, welche ihre örtliche Wir­kung stets nur auf die Haut beschränken. Die bei der äusserlichen Anwendung der Canthariden zuweilen entstehende Reizung der Nie­ren bemerkt man von einer solchen Anwendung des Senfs niemals. — Den Pfeffer übertrilft der Senf an Schnelligkeit, aber nicht im Grade der Heftigkeit und Dauer der Wirkung; bei dem Meerrettig erfolgt dieselbe fast eben so schnell, aber gelinder und auf kürzere Zeit als von dem Senf. Bourgelat läugnete die Wirksamkeit des Senfes auf die Haut der Thiere,**) Gohier behauptete sie***) und Prevost bestätigte sie neuerlichst durch Versuche;-;-) englische und deutsche Thierärzte haben aber diese Wirksamkeit schon frü­her erkannt und in der Berliner Tbieraizneischule ist das Mittel schon lange gebräuchlich.
Innerlich in Substanz angewendet wirken die ganzen Senfsa­men ausserordentlicb wenig, da sie im Magen und Darmkanal nur sehr unvollständig aufgelöst und verdauet werden; aber im pulve-risirten Zustande sind sie ein recht kräftiges Reizmittel für die sämmtlichen Baucheingeweide und speziell für die Schleimbaut des Magens und Darmkanals. Doch ist hier die örtliche Wirkung ganz unverhältnissmässig geringer und milder als auf die äussere Haut, und ich habe selbst von sehr grossen Gaben des Mittels (bei Pfer­den von 4—16 Unzen, bei Kühen bis 24 Unzen auf einmal gege­ben) keine Entzündung der Eingeweide entstehen sehen; es wird von massigen Gaben nur die Thätigkeit der letztern vermehrt, der Appetit stärker erregt, die Verdauung und Assimilation gebessert und die Absonderung des Schleims gemindert. Von grösseren Ga­ben, und zwar nach Viborg's Versuchen ff) bei Pferden von 6
*) Journ. deMiidoc. v6lerin. lli(5oii([. et pral. I. Ann. (1830.) p. 405. **) Bourgelat, Matiore nnVlicale, second. Vol. quot;*) Gohier, M(imoir et Observ. I. Tom p. 428., und in den Ann. d'Agiicult. frang. Tom. 48.
) Prevost, a. a. 0. S. 99.
tt) Viborg, Samml. 4ler Bd. S. 28lt;.
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Unzen, bei Kühen von 4 Unzen, bei Schafen von 1 Unze, und bei Schweinen | Unze scheint die wurmförmige Bewegung des Darm­kanals und die Absonderung wässeriger Darrasäfle vermehrt zu werden; denn der Koth geht hiernach lockerer und reichlicher ab, und eine Kuh bekam sogar einen ziemlich starken Durchfall. Ich habe jedoch diese abführende Wirkung in mehreren Fällen, nament­lich bei Kühen, nicht entstehen sehen, und eben so iiabe ich eine Vermehrung der HautausdUnstuug, von der manche Schriftsteller sprechen, nach der Anwendung des Senfes niemals bemerken kün-nen. — Nach jenen sehr grossen Gaben sähe ich, dass der Koth seltener, ganz hart und trocken, und gewöhnlich mit zähem Schleim wie mit einer Haut umhüllt, abging, dass Urinentleerungen sehr häufig und reichlich erfolgten, übrigens aber die Thiere ihre Mun­terkeit, ihren x\ppetit, Kühe auch das Wiederkauen ungestört be­hielten, weder Schmerz im Leibe noch Fieber zeigten, und nach 3 bis 4 Tagen auch der Mist und Urin wieder wie im gesunden Zu­stande entleert wurde.
Die innerliche Anwendung des Senfes kann bei Krankheiten, die in Schwäche und Torpidität der Verdauungseingeweide begrün­det sind, stattfinden, und ich habe ihn bei solcher Appetitlosigkeit, bei schlechter Verdauung, bei starker Entwickelung von Blähun­gen, bei Verstopfung des Leibes und bei dem Dummkoller, wenn er mit den eben bezeichneten gastrischen Zufällen verbunden war, oft mit gutem Erfolg benutzt. Viborg empfiehlt ihn auch bei den Finnen und in den spätem Perioden der sogenannten Dummkrank­heit der Schweine, wenn die Thiere bereits hinreichende Leibesöff-nung erhalten haben.*) Von Andern ist er bei der Bleichsucht, Fäule und Egelkrankheit und eben so bei veralteter Räude der Schafe als nützlich empfohlen worden.
Als blos erregendes, die Verdauung besserndes Mittel giebt man den Senf: Pferden von |—1 Unze, Rindern von sect;—li-Unzen, Schafen und Schweinen von 1—3 Drachmen, Hunden von 10 Gran bis ^ Drachme, täglich drei- bis viermal; will man ihn alier als ge­lindes Abiührungsmittel anwenden, so muss er in grüssoren Gaben, nämlich Pferden zu 5—G Unzen, Rindern zu 4—5 Unzen, Schafen 1—2 Unzen, Schweinen |—1 Unze, auf einmal gereicht werden.
Die Anwendung geschieht in Latwergen und Pillen, bei Scha­fen auch in Lecken, und zwar in Verbindung mit bittern, aroma-tischen und zusammenziehenden Mitteln, mit Kochsalz, Spiessglanz und dergl. — Als Laxirmittel wirkt das Senfpulver am besten.
*) Viborg, Anleitung zur Erziehung und Benutzung der Sclnveine, S. 30 u. f.
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wenn es blos mit Syrup zur Latwerge gemacht ist, oder mit Sy-rupwasser als Trank eingegeben wird.
Aeusserlicb wird der Senf bei verscbiedenartigen Kraukheits-zustünden und in verschiedener Absicht angewendet, und zwar: a) als ein kräftiges Reizmittel, um die allgemein oder örtlich zu sehr gesunkene Lebenslhätigkeit schnell und kräftig aufzuregen, nament­lich bei Lähmungen, bei Schlagfluss, beim Nervenfieber mit gros­ser Abstumpfung, bei Verhärtungen oberflächlich liegender Organe, und besonders nah3 unter der Haut liegender Drüsen, wenn man dieselben zertheilen oder in Eiterung versetzen will; — hauptsäch­lich aber b) als ein ableitendes und besänftigendes Mittel, um auf antagonistische Weise durch die starke Reizung der Haut eine zu heftige krankhafte Aufregung in tiefer liegenden Theilen zu beseitigen oder wenigstens zu mindern, daher besonders bei Ent­zündungen in der Brust- und Bauchhöhle, bei Entzündung des Ge­hirns, bei heftiger Bräune, auch bei Entzündung der Gelenke und bei tief sitzendem schmerzhaften Rheumatismus. Man zieht bei die­sen Krankheitszuständen den Senf den übrigen Reizmitteln, und besonders den Cantbariden vor, wenn man die Reizung sehr schnell und auf einer grossea Hautfläche hervorrufen, dabei aber die Nie­ren nicht in Mitleidenschaft ziehen will; bei Nierenentzündungen ist er daher unter den übrigen Arzneimitteln fast das einzige brauch­bare äussere Ableitungsmittel.
Gewöhnlich wird der Senf äusserlicb in Form eines Teiges oder Breies als Umschlag (als sogenanntes Senfpflaster, Sinapismus) angewendet. Man bereitet einen solchen Brei, indem man entweder ganz einfach 1) frisch pulverisirten Senf in hinreichender Menge mit warmem Wasser oder mit Essig, so viel als zum dünnen Brei nöthig ist, oder 2) indem man Senfpulver und Sauerteig mit der nöthigen Menge Wasser oder Essig zusammenmengt. Der er-stere wirkt schneller und kräftiger, wird aber auch schneller trocken und unwirksam als der zweite. Durch Zusatz von Mehl oder AI-theewurzelpulver kann man die Wirksamkeit des Senfs vermindern, dagegen durch spanischen oder schwarzen Pfeffer, durch Cantha-riden, Euphürbium, Meerrcttig und Terpentinöl verstärken. Bisher glaubte man auch allgemein, dass der Essig die Wirksamkeit des Senfs vermehre; in der neuern Zeit ist dies aber bestritten worden, und bei meinen hierüber gemachten Versuchen wirkten Senfteige, die blos mit Wasser bereitet waren, wenigstens eben so stark wie die mit Essig bereiteten.
Zur Anwendung muss der Brei auf eine vorher für den be­treffenden Theil des Körpers recht passend gemachte Bapdage von Leinwand, gegen einen Zoll dick aufgestrichen, und dann mit der
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letzteren recht gleichmässig auf den von Haaren befreieten Auwen-(lungsort gelegt werden. Es ist gut, diesen Ort vorher recht tüch­tig zu reiben. — Die Grosse des SenfpQasters muss nach derThier-gattung, nach dem Orte der Anwendung und nach der Grosse oder Ausbreitung des iimern Leidens eingerichtet werden, und z. B. zur Application an der untern Fläche und an den Seitenflächen der Brust eines Pferdes gegen 1 Fuss ins Gevierte betragen. — Die Dauer der Anwendung lässt sich nicht für alle Fälle gleichmässig bestimmen, sondern richtet sich theils nach der Art der vorhande­nen Krankheit, theils nach dem Grade der Empfindlichkeit des Thie-res und der eingetretenen Wirkung; bei den vorhin bezeichneten Krankheiten der erstem Art (a) darf man den Senfhrei nur so lauge liegen lassen, bis Geschwulst entstanden ist, bei denen der zweiten Art (b) muss man dagegen selbst die Bildung der Blasen und der Ausschwitzung an der Haut abwarten. Je früher die beabsichtigte Wirkung eintritt, um so früher kann der Senfbrei entfernt werden; im entgegengesetzten Falle muss er länger liegen bleiben und von Zeit zu Zeit wieder mit Wasser oder Essig befeuchtet werden, wenn er sich trocken zeigt.
Englische Thierärzte benutzen den Senf auch in einer ätherisch­öligen Tinktur, welche sie aus Senfsamenpulver (ITheil) und Ter­pentinöl (5 Theilen) bereiten; beides wird durch 10 bis 14 Tage zusammen kalt digerirt, öfters umgeschüttelt und dann durchge-seihet. Sie ist ein ausserordeutlich heftiges Reizmittel, welches bei rheumatischen Zufällen, bei Lähmungen und veralteten Lahmheiten u. s. w. in die Haut eingerieben wird. Durch Zusatz von einem milden Oel, z.B. Baumöl zu ^ bis zur Hidfte der Menge wird sie mil­der, ist aber doch noch stark und schnell genug wirkend; dagegen kann ihre Flüchtigkeit durch Zusatz von Salmiakgeist noch sehr vermehrt werden.
Anmerkung. Der weisse Senf {Semen Sfoapeos ulbi) stimmt mit dem schwarzen Senf völlig überein, ist aber schwächer wirksam und deshalb weniger gebräuchlich.
24. Wachholderbeeren, Buccae Juniperi.
sect;. 294. Diese Beeren sind, ihrer Wohlfeilheit und ihrer kräftigen Wir­kung wegen, mit allem Recht ein sehr geschätztes thierärztliches Arzneimittel. Sie enthalten als hauptsächlich wirksame Bestaud-theile ein terpeutinartiges, brennend scharfes ätherisches Oel, Harz und viel Zucker. Durch den letztern, wie auch durch etwas schlei­mige Bestandtheiie sind die scharfen Eigenschaften des ätherischen
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Oels sehr bedeutend gemildert, so dass die Wachholderbeeren in ihrer örtlichen Einwirkung sich auch immer nur wie ein massig erregendes aromatisches Mittel verhalten.
Bei der innerlichen Anwendung wirken sie daher zunächst auf den Magen und Darmkanal last ganz so wie die übrigen, bereits abgehandelten Mittel dieser Klasse. Die erregende Wirkung bleibt aber nicht auf die Verdauuugseingcweide beschränkt, sondern ver­breitet sich durch das Gefässsystem über den ganzen Körper und äussert sich am deutlichsten in der vermehrten Thätigkeit aller Se­kretionsorgane. Vorzüglich wirken sie in den meisten Fällen urin­treibend; sie befördern aber auch die Hautausdünstung, die Lun-genausdiinstung und die Absonderung des Schleims in den Respi­rationsorganen. Dabei wird mehrentheils gleichzeitig die Resorption an den serösen Häuten und im Zellgewebe unter der Haut ver­stärkt. — Die grössern Blutgefässe werden von dem Mittel, selbst in sehr grossen Gaben nur wenig bemerkbar aflizirt, wenn nicht etwa vorher schon ein gereizter Zustand vorhanden war.
Diese Wirkungen erscheinen ziemlich übereinstimmend mit de­nen der balsamischen Mittel, und uainentlich mit denen des Ter­pentins und des Terpentinöls; sie sind jedoch durchaus milder und weniger flüchtig den Organismus durchdringend, als namentlich bei dem letztern Mittel. Daher werden die Wachholderbeeren oft mit dem besten Erfolg bei einem Krankheitszusfand ertragen, wäh­rend bei demselben das Terpentinöl und der Terpentin zu reizend und zu sehr erhitzend sind.
Die innerliche Anwendung der Wachholderbeeren kann bei allen Krankheiten stattfinden, bei denen die Irritabilität im Allgemeinen gemindert ist, wo die Verdauungseingeweide geschwächt, die Ab­sonderungen entweder aus Schwäche vermindert oder auch in ein­zelnen Organen krankhaft vermehrt sind, — wo eine Neigung zur Entmischung zu bemerken ist, und wo man kritische Ausleerungen durch die Niereu und durch die Haut, oder die Scbleimabsoude-rung in den Respirationsorgauen befördern will.
Diesen Indikationen gemäss werden sie namentlich angewen­det: bei asthenischen Fiebern (z. B. bei dergl. gastrischen und Scbleimfiebem, bei Nervenfiebern und Faulfiebern), besonders zur Zeit der Krisis oder wenn ödematüse Anschwellungen an verschie­denen Theilen des Körpers entstehen; — bei allen catarrhalischen und rheumatischen Krankheiten asthenischen Charakters, sie mögen fieberhaft oder fieberlos, frisch entstanden oder chronisch sein (da­her z. B. bei astbenischem Catarrhallieber, bei Druse, bei catarrha-Liscber Bräune, bei dergleichen Lungenentzündung, besonders gegen das Ende der Krankheit und wenn starker Husten mit Auswurf
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eines zähen Schleims eingetreten ist, — eben so bei der chroni­schen Lungenseuche des Riadviehes, bei dem Schnupfen und Rotz der Schafe; — bei der Relie der Pferde und des Rindviehes und dergl.); — ferner, bei schlechter Verdauung, bei daher entstande­ner Krampf- und Windkolik und Diarrhöe; — bei cachektischen Krankheiten, z. B. bei der Fäule der Schafe, bei alter Räude, bei dergleichen Mauke, bei chronischen oder oft wiederkehrenden wäs­serigen Anschwellungen der Füsse und des Hodensackes, bei Brust-und Bauchwassersucht, besonders wenn dabei der Urin in vermin­derter Menge, von blasser Farbe oder mit Schleim gemengt abgeht; bei Harnverhaltungen, welche in Erschlaffung und Reizlosigkeit der Blase beruhen, bei Sand und Gries in den Harnwegen.
Auch als Präservativmittel gegen die genannten und ähnliche asthenischo Krankheiten werden die Wachholderbeeren mit Nutzen gebraucht, wenn die Thiere auf niedrigen, sumpfigen Stellen wei­den, oder sich mit Futter von schlechter Beschaffenheit ernähren müssen, und wenn anhaltend eine nasskalte und unbeständige Wit­terung herrschend ist, besonders im Frühjahr und Herbst. Schlech­tes Futter wird zwar durch Wachholderbeeren nicht besser und der Einwirkung einer schlechten Witterung durch sie nicht abgeholfen; aber sie können theils die Organe zu grossorer Thätigkeit anregen, so dass der Körper durch kräftigere Reaktionen jene Schädlichkei­ten entweder sogleich überwindet, theils können sie durch Erregung reichlicherer Sekretionen die Produkte und Folgen, welche die schäd­lichen Einwirkungen in den Säften erzeugen, zeitig entfernen, ehe sie als Krankheitsursachen im Körper wirksam werden.
Aechte, akute Entzündungskrankheiten verbieten dagegen den Gebrauch dieses Mittels bei allen Thiercn.
Man giebt es Pferden und Rindvieh zu 1—^3 Unzen, Schafen und Schweinen zu 2 — 6 Drachmen, Hunden zu 1 Scrupel bis 1 Drachme auf einmal, und nach Bedürfniss alle drei bis vier Stun­den wiederholt.
Besitzen die Thiere noch guten Appetit, oder wendet man die Wachholderbeeren nur als Präservativmittel an, so kann man sie grob gepulvert und auf das Futter gestreuet (bei den Schafen als Lecke) verzehren lassen, in allen andern Fällen aber besser in Lat­wergen, Pillen oder im Aufguss eingeben.
Sehr oft sind bei den oben bezeichneten Krankheiten die Wach­holderbeeren allein zur Heilung ausreichend; in hartnäckigen und complizirten Fällen aber muss man ihnen bittere, adstringirende und metallische Mittel, oder Terpentinöl, Kampher und dergl. zusetzen, je nachdem es die Art und Beschaffenheit der Zufälle verlangt.
Aeusserlich können die Wachholderbeeren gepulvert und mit
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aromatischen Kräutern gemengt, zu trockenen oder feuchten Um­schlägen, Bähungen und dergl., als erregend zertbeileudes Mittel überall benutzt werden, wo aromatische Mittel angezeigt sind (sect;• 269.). -
Ansserdem werden sie noch sehr häufig als ein Räuchermittel gebraucht, indem man sie unzerstossen auf glühende Kohlen legt und so durch ihr Verbrennen einen grüsstentheils empyreumatisthen Rauch erzengt, vorzüglich zu dem Zweck, um bei nasser und ne­beliger Witterung und bei herrschenden Krankheiten die Lnft in den Ställen zu verbessern. Da die Luft hierdurch trockener und reizender wird, so kann sie wohl auch hesser zum Atlnnen und für die Thiere gesünder werden; aber Krankbeitsstoffe, und na­mentlich Ansteckungsstotfe, welche in ihr verbreitet sind, werden dadurch nicht zerstört. Zuweilen benutzt man auch diesen Rauch als ein reizendes Heilmittel, und leitet ihn zu diesem Zwecke an die kranken Theiie, z. B. bei rheumatischen und ödematösen An­schwellungen, bei chronischem Schleimausflnss aus der Nase und aus den Lungen, bei den Lungemviinnern (sogenannten Luft röh-renkratzern, Slroiigylus Filaria) der Kälber und Lämmer u. s.w. Thecrräuchernngen sind jedoch wirksamer und lassen sich überall fast ganz ohne Feuersgefahr ausführen, da man hiezu keine glü­hende Kohlen in den Stall zu tragen braucht.*)
Anmerkung I. Aus den Waohholderbeeren bereitet man:
a)nbsp; den Wachboldersaft {Succus Juniperi tnsphsalus s. Runb Juniper!), welcher neben Schleim und Zucker nur sehr wenig äthe­risches Oel enthält, daher auch nur sehr geringe erregende, sondern mehr auflösende, den süssen Säften ähnliche Wirkungen erzeugt, und jetzt fast nur noch als Bindemittel bei der Bereitung der Pil­len und Latwergen dient. Bei dieser Benutzung gilt jedoch von ihm Alles, was hierüber von den süssen Säften (sect;. 175.) gesagt worden ist.
b)nbsp; nbsp;Das Wachholderbeeröl {01. Baccnrum Juniperi s. 01. Juniperi aelhcrcmn), sehr scharf reizend und flüchtig, dem Terpen­tinöl ähnlich, aber sehr theuer, deshalb bei krankenThieren nie­mals zu brauchen, sondern durch jenes zu ersetzen.
c)nbsp; nbsp;Wachholderspiritus {Spiritus Juniperi), ist Weingeist über Waohholderbeeren destillirt, wirkt innerlich und äusserlich stark reizend, urintreibend, bläbungtreibend, kann innerlich wie die Wach-
*) Sollen RKucherungen mit Hülfe von glühenden Kdlilen gemacht #9632;werden, so ist es zur möglichsten Vermeidung der Fenersgerabr nöihig, das üefüss mit den Kohlen in einen liefen, vorher hefenchlelen Sliillei-mer zu setzen und es nur so in den Stall zu bringen.
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holderbeeren, jedoch nur mit Vorsicht — und äusserlich bei veral­tetem Rheumatismus, bei dergleichen Verrenkungen, bei Lähmun­gen u. s. \v. angewendet werden, — ist aber entbehrlich.
Anmerkung 2. Von dem Wachholderstrauch können auch noch die jungen Zweige oder Wachholdersprossen {Tarlnnes Jmiiperi), das Wachholderholz und die Wurzeln {Lignum et Radix Jimipcri) als Heilmittel dienen. In allen diesen Theilen ist ätherisches Oel, dem der Beeren ähnlich, und zugleich Harz enthal­ten; es fehlt ihnen aber der Zucker und der Schleim; ihre Wirkung ist daher auch weniger sanft als die der Beeren, sondern denen der Ficbteusprossen und des Terpentinöls einigermaasseu ähnlich. —Die Benutzung dieser Theile des Wachholders kann bei denselben Krank­heiten geschehen, wo die Beeren empfohlen sind, und zwar inner­lieh und äusserlich im heissen Auf'guss oder auch auf Kohlen gc-streuet zum Räuchern. — Das ans dein Holze durch trockene De­stillation gewonnene Wachholderholzöl {Ol. Ligni Juniperi) ist dem Terpentinöl sehr ähnlich, aber empyreumatisch, und wird jetzt weniger gebraucht als ehemals; es kann jedoch fast ganz wie idas Terpentinöl benutzt werden.
C. Aromatische Wurz eln.
•^5. Alantwurzel, l{adi.v Enulae s. Inulae.
sect;. 295.
Die Alantwurzel besitzt mehrere eigenthi'imliche Bestaudtheile, von denen ein stark riechendes, flüchtiges ätherisches Oel von fester Consistenz (auch Alant - Kampher genannt), bitterer, seifenar­tiger Extraktivstoff, Gummi, scharfes Harz, und ein eigenthümliches Stärkemehl (das sogenannte Inulin oder Helenin) die wichtig­sten und wirksamsten sind. — Vermöge dieser Besfandtheilr wirkt der Alant im Allgemeinen tbeils als ein kräftiges, etwas scharfes Reizmittel, theils auch als stärkendes Mittel, und ist daher wieder mit dem Kalmus und mit der Angelika zu vergleichen. Seine er­regende Wirkungen entwickeln sich jedoch langsamer, sind über­haupt weniger fluchtig, dagegen aber dauernder als bei diesen Mit­teln, und die tonischen Kräfte sind dem Grade nach bedeutend ge­ringer als die des Kalmus. Dagegen kommt der Alant mit beiden Mitteln noch darin sehr Oberein, dass sowohl seine erregende, als auch die stärkende Wirkung sich zwar über den ganzen Körper verbreitet, aber doch vorzugsweise auf die Schleimhäute, und na­mentlich wieder aid'die Schleimhaut der Respirationsorgane gerich­tet sind. Denn man bemerkt sehr deutlich, dass er bei Erschlaffung
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unrl Reizlosigkeit in den leizteru die Bmpfindlicbkeii und gleichzei­tig die Energie vermehrt, die Absonderung des ziihen Schleims mindert, den letztem dünner macht und den Auswurf erleichtert.— Er ist daher auch stets als eins der wirksamsten Brustmittel be­trachtet worden. Auf die Verdauungseingeweide, auf die Lymph-gefasse und Lymphdrüsen, und daher auch auf den ganzen Repro-duktionsprozess wirkt der Alant sehr belebend, und die Sekretionen der Haut und der Nieren befördert er in einem massigen Grade.
Das Mittel findet seine zweckmässige Anwendimg bei solchen Krankheitszuständen, hei welchen Erschlaffung, Reizlosigkeit, ver­mehrte Absonderung an den Schleimhäuten, besonders der Respi-rationsorgaue, verminderteThätigkeit der Lymphgefässe und Lymph­drüsen, mit Anschwellung und Verhärtung derselben, schlechte, un­vollständige Ernährung und Cachexie den Grundcharakter bildet. — Dagegen leistet der Alant bei nervösen Zuständen viel weniger als die vorhergehenden Mittel, und bei reinen, aktiven Entztindim-gen ist er eben so schädlich wie sie.
Diesen Andeutungen entsprechend wird der Alant gebraucht: bei Appetitlosigkeit und Unverdaulichkeit aus Schwäche und Ver­schleimimg der Verdauungseingeweide; bei Catarrhalfieber und Ca­tarrh (Druse der Pferde, Schnupfen der Schafe, Schweine und Hunde), bei catarrhalischer Bräune; hierbei überall jedoch nur dann, wenn das Entzündungssladium vorüber, oder wenn die Entzündung asthe-nisch ist und chronisch wird; eben so nach Lungenentzündungen, wenn bereits zäher Auswurf sich eingefunden hat, und bei asfhe-nischen, sogenannten nervösen Brustentzündungen; bei chronischem Husten und bei Kurzathmigkeit aus Verschleimung der Respira­tionsorgane, und daher auch bei dem sogenannten schleimigen Dampf der Pferde; hei Wassersuchten und bei ödematösen An­schwellungen ans Schwäche und schlechter Ernährung, bei Mauke, Wurm und bei veralteter Räude. Gegen die letztere wurde er frü­her als ein spezifisches Mittel betrachtet.
Man giebt ihn Pferden von % — i% Unzen, Rindvieh von 1—3 Unzen, Schafen und Schweinen von 1—3 Drachmen, und Hunden von 10 Gran bis i Drachme, auf einmal und in Zwischenzeiten von 4—5 Stunden. — Die Anwendung kann in jeder Form, seihst im Dekokt geschehen, da der Alant (ausnahmsweise von den übri­gen ätherischen Mitteln) ein gelindes Kochen recht gut erträgt und hierbei, durch die vollständigere Auflösung seiner scharfen und bit­tern Bestandtheile, sogar noch reizender und wirksamer wird.
Bei manchen Zuständen ist er für sich allein ganz passend und ausreichend; wo man aber seine reizende Wirkung äu mindern, die Absonderungen zu befördern und zugleich dünnflüssiger zu macheu
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wünscht, wie z. B. nauli eben beseitigter Entzündung, — ila setzt, man ihm Brechweinstein, Salmiak, Kochsalz, Goldschwefel, Schwe­fel und dergl. zu; in den meisten chronischen Füllen dagegen, wo die Ernährung, wo die Thätigkeit der Lymphgeliisse sehr leidet und Torpidität vorwaltend ist, verbindet man ihn mit bittern Stof­fen, mit Schwefel, Spiessglanz, Wachholderbeeren, Terpentinöl, Eampher und anderen Mitteln.
Aeusserlich wird der Alant schon sehr lange gegen die Räude bei allen Thieren benutzt. Rysz*) zieht ihn den andern, sonst ge­wöhnlichen Käudemitteln, als dem Taback, den Lorbeeren, der Kiese­wurzel u. s. w. vor, und empfiehlt ihn in folgender Zubereitung als Waschmittel: Man nimmt für Pferde oder Rinder 5—6 Pfund gute Buchenasche, kocht sie mit 2S Maass Wasser aus, seihet sie hernach durch, bringt die erhaltene Lauge nochmals zum Sieden und wirft dann 1| Pfund zerstossenen Leinsamen, 2 Pfund zer­schnittene Alantwurzel und eben so viel Wenmith, oder ein ande­res bitteres Kraut in die kochende Lauge, lässt sodann das Feuer ausgehen und gebraucht die Flüssigkeit undurchgeseihet, lauwarm zum Waschen oder als Bad u. s. w. Die so erhaltene Flüssigkeit soll seifenartig, auf die Haut reizend, zugleich geschmeidig machend und den Räudemilben widrig sein, und mit sanften Bürsten oder wollenen Lappen auf die Räudestellen unmittelbar gebracht werden. Rysz gesteht jedoch selbst, dass man auch bei wiederholter An­wendung derselben die Räude, namentlich bei Schafen nicht voll­kommen heilt, sondern nur die Heilung gut vorbereitet, und dass man, um diese zu erreichen, noch Schwefel- oder Merkurialsalben anwenden müsse. — Ehedem wurde der Alant seihst in Salbeu-form (z. B. nach Reuter aus: Alantwurzelpulver 1 LTnze, Schwe­felblumen 2 Unzen, ungesalzener Butter 5 Unzen bestehend) ange­wendet, aber auch nicht mit gründlichem Erfolge. Er verdient da­her den Vorzug vor der Nieswurz und dem Taback nicht, noch weniger aber vor dem Terpentinöl, dem Sublimat und vor dor von Walz empfohlenen Lauge.
26. Angelikawurzol (Engelwurzel, Brust- oder Luft­wurzel), Radix Angelicae.
sect;. 296. Unter den verschiedenen Bcstandtheilon dieser Wurzel sind als die wirksamsten zu betrachten: ein flüchtiges ätherisches Oel, ein balsamisches Weichharz (von Einigen „Angelikabalsamquot; genannt),
*) Ilanüb. der prakl. Arzneimillellehre für Thierürzle. S. 3.
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l)itterer und anderer E.xlrakfivstüff und Stärkemehl. — Sie wirkt iluchtig reizend und zugleich stärkend, ist daher im Allgemeinen dem Baldriau utid dem Kalmus zwar ähnlich, aber in ihrer indi­viduellen Eigenthtlmlicbkeit doch von diesen und von allen andern aromatischen Mitteln in mehrfacher Beziehung verschieden; denn die örtliche Wirkung ist schärfer reizend und die allgemeine Wir­kung ist zwar nicht flüchtiger, aber intensiv reizender, gleichsam feuriger, zugleich dauernder und viel mehr auf das Gefasssystei.i (auf die Irritabilität) gerichtet, als bei dem Baldrian. Den Kalnnis übertrifft die Angelika ebenfalls, jedoch nur in einem geringeren Grade au reizender Kraft, steht ihm aber eben so viel an stärken­den Eigenschaften nach. — Sowohl die erregende wie die stärkende Wirkung verbreitst sich über den ganzen Organismus; beide tre­ten aber an den Schleimhäuten, besonders an denen der Respira­tionsorgane am deutlichsten hervor, und scheinen zu denselben eine ähnliche spezifische Beziehung, wie die Wachhoklerbceren, der Was­serfenchel, Fenchel und Anis zu haben. Die Wirkung ist aber auch hier durch die mit der Erregung verbundene Stärkung sehr ver­schieden von der Wirkung dieser zuletzt genannten Mittel. Auf den Verdauungskanal wirkt die Angelika belebend und stärkend, und die Sekretionen in den Nieren und in der Haut werden durch sie in einem massigen Grade befördert.
Die Indikationen für den Gebrauch dieses Mittels finden sich in allen Fällen, sowohl bei akuten als bei chronischen Krankheiten, wo die Irritabilität und Sensibilität zugleich sehr vermindert ist, wo hei grosser Schwäche die Bildungsthätigkcit sehr darnieder liegt, wo Neigung zur Entmischung der Säfte, und colliquative Auslee­rungen eintreten, und wo besonders in den Respirationsorganen Tor-pidität mit übermässiger Absonderung in der Schleimhaut besteht.
Unter solchen Umständen, und namentlich bei Nervenfieber, Faulfleber und Typhus, bei den höhern Graden der sogenannten Pferdeseuche (Influenza), bei typhösen, besonders ursprünglich ca-tarrhalischen und rheumatischen Brustentzündungen, bei der Staupe der Hunde, wenn sie einen nervösen Charakter annimmt u. s. w., habe ich die Angelika mit sehr gutem Erfolge angewendet und muss daher den Ausspruch von J. White: „dass das Mittel für die thierärztlichen Zwecke zu wenig wirksam sei,quot;*) widerlegen.
Die Gabe ist wie bei dem Alant zu wählen; manche franzö­sische Thierärzte, z. B. Vatel, schreiben zwar viel grösserc Gaben (für Pferde 1—5 Unzen, für Rindvieh 1—7 Unzen) vor,quot;) jedoch
') I. White, Treatise on Vetorinary-Medic. Vol. 11..p. 62.
**) Vatel, Euimens de Pathologie vcler. Tom. II. Pari. II. igt;. 726.
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ohne Grund, da man mit jenen kleineren vollkommen ausreicht. — Von der Form und Verbindung mit andern Mitteln gilt Alles, was bei dem Kalmus und dem Baldrian hierüber angedeutet ist.
Acusserlich ist die Angelika wie die übrigen aromatischen Mit­tel zu benutzen (sect;. 264. und 209.), wird aber höchst selten zum aussein Gebrauch verwendet.
Anmerkung. Das Kraut der Angelikapflauze {Herbu Ange-licae) besitzt ähnliche aber schwächere Heilkräfte wie die Wurzel und kann im Nothfalle wie diese, besonders äusserlich zu Umschlä­gen u. s. w. gebraucht werden. — Die Wald-Angelika (Ange­lica silvestris L. s. Selinum Angelica Roth) ist in ihrer Wurzel und im Kraut ebenfalls mit den Eigenschaften der ächten Angelikawur­zel begabt, aber doch von geringerer Wirksamkeit.
27. Baldrianwurzel, Radix Valerianae minoris.
sect;. 297. Ihre Bestandtheilo sind: ein eigenthümlicherExtraktivstoff(Ba 1-drianstoff), ein gelbfärbender Extraktivstoff, Weich-oder Balsam­harz, Baldriansäure, Baldrianöl, Schleim und einige Salze. Davon sind die Baldriansäure und das ätherische Oel die hauptsächlich wirksamen Bestandtheile. Die Wurzel hat einen zuerst etwas schar­fen, dann herb-bittern, aromatischen Geschmack und einen eipen-tbUmlicheu, penetranten, etwas widrigen Geruch, den jedoch die Katzen lieben und dies dadurch zeigen, dass sie sich auf der Wur­zel wälzen, wunderliche Sprünge neben ihr machen und dergl. — Die örtlichen Wirkungen dieser Wurzel sind massig erregend und gelind ztisammenziebend, daher reizend und stärkend zugleich, — ähnlich der Nelkenwnrzel, aber in der Erregung stärker und in der Zusammenziehung schwächer als diese. Die allgemeine W rkung äussert sich in einer nüchtigen, jedoch sehr sanften Aufregung der Lebenskraft im ganzen Organismus, vorzüglich und fast spezifisch aber im Nervensystem. Die gesunkene Kraft des letztem wird er­höhet, und besonders wird seine Thätigkeit, wenn sie qualitativ vom gesunden Zustande abweichend ist, sehr häufig wieder gere­gelt; namentlich werden Zuckungen und Krämpfe beseitige', zu grosse Empfindlichkeit und selbst Schmerzen, die mit Nervenschwä­che verbunden sind, werden gemindert. Diese Beziehungen zum Nervensystem besitzt der Baldrian unter den aromatischen Mitteln am stärksten; er nähert sich hierin einigerraaassen dem Kampher, den empyreumatisclien Oelen und dem Aether, unterscheidet sich aber von diesen dadurch, dass er weniger flüchtig, dagegen aber auch milder wirkt, und dass er nicht wie sie die Kräfte blos auf-
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regt und erschöpft, sondern vielmebr wirklich stärkt. — Auf die Blutgefässe wirkt der Baldrian weniger erregeud, und er steht hierin besonders denjenigen aromatischen Mitteln sehr nach, welche ein terpentinartiges ätherisches Ocl enthalten. Kr befördert zwar die sämrntlichen Absonderungen, vermehrt aber keine einzelne vorherr­schend oder sehr stark. Auf die Verdauungseingeweide wirkt er erregend, stärkend, blähungtreibend, und zuweilen auch wurmwidrig. Die letztere Wirkung ist aber nicht zuverlässig.
Der innerliche Gehrauch des Baldrians ist angezeigt: bei allen asthenischen Krankheitszuständen, vorzüglich aber wenn sie im Nervensystem ihren Sitz haben oder mit nervösen Zufällen beglei­tet sind, und wenn Schwäche mit erhöheter Enipfmdlichkeit ver­bunden ist; daher namentlich: bei Nervenfiebern, bei den; nervösen Faulfieber (Typhus), bei dem fieberhaften und bei dem langsam verlaufenden Milzbrand; — bei Epilepsie, Schwindel, Dummkoller; bei Krämpfen, z. B. bei dem Starrkrampf, bei dem Lungenkrampf, bei der Staupe der Hunde in den höhern Graden und wenn sie nervös wird; — bei Lähmungen; — bei geschwächter Verdauung, Durchfall, Aufblähung, Krampfkolik, krampfhafter Harnverhaltung, und gegen Eingeweidewürmer.
Doch darf man sich, wenn bei diesen Krankheiten bereits ein sehr hoher Grad von Lebensschwäche eingetreten ist, nicht auf den Baldrian allein verlassen, weil er dann bei seinen milden Wirkun­gen zu wenig leistet.
Man giebt ihn den grossen Hausthiereu von I—3 Unzen, Scha­fen von 2 Drachmen bis \ Unze, Hunden von 1 Simpel bis 'l Drachmen auf einmal und in Zwischenzeiten VOU 2 bis 4 Stunden wiederholt. Das Mittel kann in Latwergen oder Pillen, bei drin­genden Zufallen aber am besten im Infusuin angewendet, und mit Kampher, Hirschhornöl, Hirschhornsalz, mit Pfefferminze, mit Säu-i'en und andern, dem vorhandenen Zustande entsprechenden Mit­teln, verbunden werden.*)
Aeusserlich kann man den Baldrian als zcrtheilendes und stär­kendes Mittel bei asthenischen Augenenlzündungen, bei Quetschun­gen, bei schlaffen, unthätigen Geschwüren, im Infusum zum Wa­schen und Bähen, wie auch zu krampfstillenden Klystiren u. s. w. benutzen.
Als Präparate vom Baldrian giebt es ein Extrakt, verschiedene
*) Mcrkwürilig ist es, dass wenn Rad. Valerian, 2 Tlieile mit Kali sulpharat. K Tli. in Laiwergensubsianz znsainmengetnengt werden, eine Tenaperalureiiiöliung um 18deg; lt. slaldindel.
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TinkluiTM, iiikI das ätherische Oel. Siu sind in der Thicrarziiei-kunde nicht gebräuchlich.
Aninerkung. Ausser der gewöhnlichen, von der faleriana o/yiiinalis kominenden Baldrianwurzel können auch die Wurzeln von dem grossen oder Gartenhaldrian {Radix Falertanae ma-Joris, von der P. Phu) und von demAlpeubaldriau [RadixSpi-cae celtkac, von der /: celtica) wie die erstere benutzt werden, da sie ganz ähnliche, jedoch schwächere Heilkräfte besitzen wie diese.
2S Bertramwurzel, Radix Pyrethri.
sect;. 298.
Die wirksamen Bestandtheile derselben sind ein scharfes äthe­risches Oel in geringer Menge, scharfes Harz, Iniilin, Kampher, Gummi und bitterlicher Extraktivstoff. — Sie wirkt auf alle Ge­bilde, mit denen sie in Berührung kommt, als ein durchdringendes Reizmittel, erhöhet die Empfindlichkeit bedeutend, erweckt und ver­stärkt das Bewegnngsvermögeu, und erregt auch an den Schleim­häuten vermehrte Absonderungen. Bei der innerlichen Anwendung zeigen sich diese Wirkungen am stärksten in der Maul- und Ra-chenhöhle und an den Verdauungseingeweiden; namentlich verur­sacht sie in der Maulhöhle eine sehr starke Absonderung von Spei­chel und Schleim, vermehrte Wärme und grossen Reiz zum Kauen. Die Thätigkeit der Verdauungseingeweide erregt sie bedeutend, und besonders erweckt sie den Appetit. Nach Vitet's Angabe*) soll sie sogar Entzündung am Eingange des Zwölffingerdarms er­regen; ich habe dieselbe von massigen Gaben nicht entstehen se­hen. — Auf den übrigen Körper verbreitet sich die erregende Wir­kung ziemlich schnell, jedoch nicht in demselben Grade, wie sie örtlich erscheint, so dass das Mittel hinsichtlich seiner allgemeinen Wirkung und in der Flüchtigkeit ungefähr mit dem Kalmus auf gleicher Stufe steht, ohne jedoch eben so stärkend zu sein wie dieser.
Die Bertramwurzel findet nur in solchen Krankheitszustiliulen ihre Anwendung, bei denen ein hoher Grad von Ahgcstumpftheit (Torpor) und Lähmung, besonders in der Manlhöhle, an der Zunge, am Gaumensegel, Kehl- und Schlundkopf, und in den Verdauungs-eingeweiden besteht. Namentlich ist sie nützlich bei chronischem Catarrh, bei veralteter Bräune, bei Lähmung der Zunge, bei lang­wieriger Appetitlosigkeit und Unverdaulichkeit, wenn dieselbe blos
*) Am angez. 0. S. 2CI.
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in Schwäche und Reizlosigkeit begründet ist, bei dem sogenannten Magenkoller der Pferde, seihst hei nervösen Fiebern, die mit gros­ser Abstumpfung verbunden sind, und hei chronischen Lähmungen der Gliedmaassen.
Die Gabe ist flir Pferde und Rinder i — l Unze, für Schafe und Schweine |—1 Drachme, für Hunde 10 Gran his i Scrupel. Die Anwendung geschieht in Latwergen, Pillen oder Infusiun. Bei Pfer­den wurde ehemals die Wurzel fast nur allein als sogenanntes Kau­mittel oder Speichel erregendes Mittel benutzt, indem man sie ent­weder in Substanz, oder pulverisirt und mit Enzian- oder Meister­wurzel und dergl. gemengt und in einen leinenen Beutel gethan, auf das Mundstück befestigte und dies den Thieren ins Maul legte. Bei Lähmung der Zunge habe ich das Mittel auf diese Weise mit recht gutem Erfolg angewendet. Mit Wasser gelind gekoebt ist die Wurzel zu reizenden Maulwässern und zum Waschen torpider Geschwüre zu benutzen. — Den Schweinen gieht man die Bertrara-wurzel (wie alle scharf reizende Mittel) am besten nur in Latwer-geuform.
29. Eberwurzel, IladU- Carlinae s. Cardopatiae.
sect;. 299. Besitzt ähnliche Bestandtheile und Heilkräfte wie der Kalmus (siehe den folgenden sect;. 300.), ist aber noch etwas mehr flüchtig scharf' und daher auch mehr reizend. Sie kann ganz wie der Kal­mus und wie die Angelika bei asthenlschen Krankheltszuständen angewendet werden, und wurde ehemals in der Thierheilkuust sehr häufig als nervenstärkendes, magenstärkendes, schweiss- und urin-treihendes, und den Auswurf beförderndes Mittel benutzt, und seihst zu abergläubischen und sogenannten sympathetischen Kuren ge­hraucht; jetzt ist sie dagegen mit Unrecht fast ganz in Vergessen­heit gekommen.
30. Kalrauswurzel, Radix Calami aromatici s. Aruri veri.
sect;. 300. Sie enthält als Hauptbestaudtheile ein bitterlich scharfes äthe­risches Oel, innig verbunden mit scharfem Harz und Extraktivstoff, — nebenbei ein eigenthümliches Satzmehl, etwas Gummi und Salze. Der Kalmus ist unter den inländischen aromatischen Mitteln das kräftigste; er wirkt gleichzeitig flüchtig und anhaltend erregend und stärkend, vorzüglich auf die Verdauungseingeweide und auf die Respirationsorgane, und nähert sich den Wirkungen des Wermuths,
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dor Chainillcn, des Baldrians, der Angelika u. s. w. Den erstem übertrifft er in der erregenden Wirkung: sehr, steht ihm aber in der tonischen etwas nach; von den Chamillen unterscheidet er sich durch seine griisscre gedeg;würzhafte Schärfe, und durch die hiervon abhängige stärkere örtliche und allgemeine Reizung; den Baldrian übertrifft er in der erregenden Wirkung auf das Gefasssystem und auf die Schleimhäute, wie auch durch die stärkere reizende und to­nische Wirkung auf die Verdauungseingeweide, steht ihm aber in der direkten Einwirkung auf das Nervensystem sehr nach; von der Angelika wird er zwar durch grössereFlüchtigkeit übertroffen, geht ihr aber ebenfalls an stärkenden Kräften vor.
Die Anwendung der Kalmuswurzel ist bei allen asthenischen Krankheiten angezeigt, besonders aber bei solchen, welche in ver­minderter Irritabilität im Allgemeinen, in Schwäche und Reizlosig­keit der Verdauungseingeweide, der Schleimhäute, der Lymphge-fässe und Drüsen, und in mangelhafter Reproduktion beruhen. So benutzt man ihn bei asthenischen Fiebern, z. B, bei gastrischen, bei catarrhalischen, seihst bei nervösen und Faulfiebem, bei An-fhraxkrankheiten; — bei Mangel an Appetit, bei schlechter Ver­dauung, bei öfters wiederkehrender Aufblähung und Kolik, bei an­haltendem, schmerzlosem Durchfall, bei Wurmleiden; — bei asthe-nischem und chronischem Rheumatismus; — bei dergleichen Ca­tarrh, Druse, Bräune und Lungenentzündung, wenn viel zäher Schleim abgesondert und mit Beschwerde ausgeworfen wird; bei der Lungenseuche des Rindviehes in den spätem Perioden, eben so bei der Fäule der Schafe, hei ödematosen Anschwellungen unter der Haut; — bei schleichender Abmagerung ohne, dass Mangel an guter Nahrung sie bedingt; bei Koller, bei Staupe, bei Krämpfen und Lähmungen, — hierbei jedoch mehreutheils nur als passendes Unterstützungsmittel für andere, mehr kräftige Arzneimittel.
Eine Gabe für Pferde und Rindvieh ist j—liUnze, für Schafe und Schweine 2 Drachmen bis \ Unze, für Hunde i Scrupel bis 1 Drachme, alle 3 bis 4 Stunden wiederholt. Die Anwendung kann in allen Formen geschehen (sect;. 2G7.) und Zusätze macht man nach Bedürfuiss der Umstände, ähnlich wie bei dem Baldrian und den Chamillen.
Aeusserlich ist der Kalmus nach den allgemeinen Andeutun­gen (sect;. 2C4. und sect;, 269.) als ein sehr wirksames aromatisches Mit­tel zu gebrauchen.
Das Extrakt, die Tinktur und das ätherische Oel sind sehr wirk­same Präparate, aber des Preises wegen nicht gebräuchlich, wenig­stens nicht bei grossen Thieren,
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31, Knoblauch, Enobiaucbzwiebel, Hadu s. liulbus Allii.
sect;. 301. Der hauptsäcblicb wirksame Bestaudtheil ist ein üüclitigct'. Oel von durchdriugeudem und stecheudera Geruch, in Verbindung mit
etwas Schwefel, und ausserdem etwas Satzmebl, einer zuckeravti-gen Substanz und sehr viel Schleim. — In der Wirkung auf den Thierkiirper erscheint der Knoblauch bei innerlicher und äusser-licher Anwendung sehr ähnlich dein Senf und Meerrettig; doch geht er mehr als diese Mittel materiell in das Blut über, und er-tbeilt der ausgeathmeten Luft und derMilcb seinen eigenthümlichen Geruch, der letzteren sogar auch seinen Geschmack; der Urin er­hält von ihm ebenfalls einen stärkern Geruch, der aber nicht immer knoblauchartig ist. Auch wirkt er mehr auf die Schleimhaut der Respirationsorgane spezifisch erregend als jene Mittel, und ausser­dem ist er den Würmern sehr zuwider.
Man wendet den Knoblauch innerlich an: bei Schwäche, Un-thätigkeit und Verschleiiuung der Verdauungseingeweide; bei da­her entstandener Krampfkolik oder Windkolik, bei dem Aufblähen; gegen Eingeweidewürmer; bei Verschleimung in der Lunge und Luftrohre und bei dem sogenannten schleimigen Dampf; bei ver­alteter Druse, Mauke und Räude, bei Rheumatismus, bei üdematö-sen Anschwellungen und bei beginnender Wassersucht; bei Sand und Gries in den Harnwerkzeugen; bei dein Pips der Hühner. — Daubenton empfahl ihn auch zur Erregung des Geschlechtstrie­bes der Schafe.
Er kann Pferden und Rindern von 1—1 i Unzen, Schafen und Schweinen von 1 Drachme bis 1- Unze, Hunden von 1 Scrupel bis 1 Drachme, täglich 4 bis (1 mal gegeb;-n werden. Zur Anwendung wird er entweder zerquetscht und mit Kalmus, Alant, Kümmel, Anis und dergl. zur Latwerge oder zu Pillen gemacht, — oder mit Milch, Hier oder Wasser heiss infundirt und mit bittern oder aro­matischen Mitteln versetzt. In dieser letztern Verbindung kann er, nach der Beobachtung mancher Thierärzte, die Asafbtida ersetzen. — Den Schafen giebt man ihn zerquetscht und mit Kleie und Salz gemengt in Lecken.
Aeusserlich kann der Kuoblatich bei verhärteten Drüsen- und andern torpiden Geschwülsten und eben so bei dergleichen alten Geschwüren gehraucht werden, um sie in bessere Thätigkeit zu versetzen und die Eiterung zu befördern. Er wird hierzu entweder zerquetscht in Form eines Breies etwas dick auf.die betreffende Stelle gelegt, oder mit gleichen Theilen Fett durch blasses Zusain-
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incnmcngen oder durch gelindes Ziisainmenschmelzen zu einer Salbe gemacht, welche theils eingerieben, tboils massig diek aufgetragen wird. — Bei der Räude und bei llecbtcnarfigen Hautausschlägen ist diese Salbe ein vortreffliches Mittel, wenn dicke festsitzende Schorfe vorhanden sind; wo diese fehlen, kann man auch eine Mi­schung von 1 Tlieil zerquetschtem Knoblauch mit 6 his S Theilen Branntwein zum Wuschen der räudigen Stellen mit gutem Erfolge benutzen. — Bei Bisswunden von tollen Thieren und bei Stichen von Insekten, ist der ausgepresste Saft als ein wirksames und schnell zu erlangendes Hausmittel empfohlen.
Anmerkung. Die gemeine Zwiebel {Radix Cepae) hat ziemlich dieselben Bestandtbeile und äussert dieselben Wirkungen wie der Knoblauch, ist aber etwas milder und weniger wurmwidrig als dieser. Sie kann ganz auf dieselbe Weise wie der Knoblauch, aber in etwas starkem Gaben benutzt werden. — Dasselbe gilt auch von den meisten Varietäten des Knoblauchs und der Zwiebeln.
32. Liebstöckelwurzel, Itadi.v Levhticl s. Ltgusliei.
sect;#9632; 302.
Aetherisches Oel, viel gewürzhaft scharfer Extraktivstoff und Harz sind ihre wirksamen Bestandtbeile. Sie ist in ihren Eigen­schaften und Wirkungen mit der Angelika sehr verwandt, besitzt aber weniger Bitterkeit und ist weniger stärkend als diese, so dass sie vielmehr als allgemeines, sehr flüchtiges und etwas scharfes Reizmittel wirkt. Denn ihre Wirkungen erscheinen gleichmässig über alle Systeme des Körpers verbreitet, und die Funktionen aller Organe werden erhöhet, besonders wenn sie aus Schwäche und Reiz­losigkeit vermindert waren; vorzüglich werden jedoch die Abson­derungen der Schleimhäute, der Nieren und der Haut sehr beför­dert. Ehemals glaubte man allgemein, dass bei Kühen nach der Anwendung der Liebst'Jckelwurzel die Milch den Geruch und Ge-schmack derselben annimmt; allein Viborg hat dies durch Ver­suche widerlegt,*) und ich muss ihm beistimmen, da ich bei mei­nen hierüber an mehreren Kühen angestellten Versuchen diese Ein­wirkung auf die Milch ebenfalls nicht gefunden habe.
Das Mittel findet seine Anwendung nur bei asthenischeu, tor-piden Krankheiten, und namentlich bei Krämpfen, bei Krampf- und Blähungskolik, bei chronischen Diarrhöen, bei Verschleimungen, bei
*) Sammlung von Abhandlungen, 4. Bd. S. 209. Er gab die Wur­zel in steigenden G;ibcn bis zu 8 Unzen pro Dosi durch 6 Tage; —ich gab sie bis zu 1 Pfund und durch 8 Tage.
(
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tmferclriickter Hautausdüustuug und dabei eatstaudenem Rhenma-
tismus, Catarrh, Drnso uiiii Luugeneutzündung, so lange uccb kein Fieber mit dem Charakter der Entzündung eingetreten ist; eben so auch bei astbenisehem Catarrhal- und rheumatischem Fieber, bei bösartigen, fauligen Pocken der Schafe, bei der Fäule, bei Was­sersuchten, selbst bei Runde, Rotz und Wurm.
Die Gabe beträgt für Pferde 1—2 Unzen, für Rindvieh 2—4 Unzen, für Schafe und Schweine 1 Drachme bis i- Unze und für Hunde i — 'i Drachmen; die Amvondung kann in allen Formen, mir nicht im Dekokt, geschehen, und Zusätze werden von Wachholder-beeren, Kalmus, Pfefferminze, Kampher, Terpentinöl, Spiessglanz-präparaten und dergl, gemacht.
Von der äusserlicben Anwendung gilt dasselbe, was hierüber von der Angelika gesagt worden ist.
Anmerkung. Das Liebstöckelkraut {HerhaLevislici) be­sitzt dieselben Bestandtbeile, welche die Wurzel hat, und kann da­her wie diese bei den oben bezeichneten Krankheiten angewendet werden. — Der Liebstöckelsame {Semen Levislici) scheint fast noch wirksamer zu sein als die Wurzel, und sollte daher nicht ganz so in Vergessenheit geratheu, wie es bisher geschehen ist.
33. Meerrettigwurzel (Kreen), Radix Armoraciae s. liaphani
rusticani.
sect;. 3(13.
Die Chemie hat in dieser allgemein bekannten scharfen Wur­zel eine Menge sehr verschiedenartiger Bestandtbeile nachgewiesen, unter denen jedoch ein brennend scharfes ätherisches Oel und ein üüchfig scharfer Stoff die wirksamsten sind.—DerMeerrettig wirkt im frischen Zustande auf die betroffenen Organe sehr kräftig rei­zend; auf der äusseru Haut erregt er selbst Röthe und oberfläch­liche Entzündung; im Magen und Darmkanal befördert er die wurm-fbrmige Bewegung, treibt sehr kräftig Blähungen ab und erregt den Appetit; in der Schleimhaut der Respirationsorgane befordert er die absondernde Thätigkeit, und bei asthenischen Zuständen min­dert und verdünnt er den zu zäh abgesonderten Schleim; am kräf­tigsten aber wirkt er auf die Harnwerkzeuge und verstärkt ihre Absonderung. Auch die Lympbgefässe und Lymphdrüsen scheint er zu grösserer Thätigkeit anzuregen. Dass er die Hautausdün-stung vermehrt, habe ich nie beobachtet.
Der Meerrettig kann innerlich unter ähnlichen Umstünden, wo der Senf und wo die Wachholderbeeren als nützlich empfohlen sind, mit gutem Erfolge gebraucht werden: wie z. B. bei Pferden und
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Rindern, die an schlechter Fresslust leiden, ohne dass andere Krank-heitssymptome damit verbunden sind, besonders nach vorausgegan­gener Ucberladung der Verdauungseingeweide; eben so bei dem öfters wiederkehrenden Aufblähen des Rindviehes und bei Wind­kolik der Pferde, wenn Schwäche und Reizlosigkeit der Eingeweide hierbei besteht; bei Verscbleimung der Respirationsorgane und da­her entstandener Kurzathmigkeit; bei veralteter Druse, Mauke und Räude, bei wassersüchtigen Anschweilungen an den Extremitäten oder am Bauche und an der Brust, selbst bei Brust- und Bauch­wassersucht, vorzüglich bei der Fäule der Schafe, und bei Anhäu­fung von Schleim und Sand in der Urinblase. — Auch als Prä-servativmittel zur Verhütung gastrischer und cachcktiscber Krank­heiten benutzt mau diese Wurzel, wenn man genüthigt ist, die Thiere mit Futter von schlechter Beschatfenbeit zu füttern; sie er­füllt hier den Zweck, indem sie die Thätigkeit der Verdauungs­und Assimilationsorgane vermehrt, sie steht jedoch hier den Wach-holderbeereu sehr nach.
Der Meerrettig muss immer nur als Hausmittel, und nur wo er frisch und ganz wohlfeil zu haben ist, angewendet werden.
Man giebt ihn für Pferde und Rinder von 3 —S Unzen, für Schafe und Schweine von 1—2 Unzen, für Hunde von 2 Drachmen bis 1 Unze, täglich 2 bis 3 mal.
Da fast alle Thiere, vorzüglich aber Pferde und Schafe den Meerrettig sehr gern fressen (wenn sie nur nicht eben an gänz­licher Appetitlosigkeit leiden), so kann man ihnen die kleinzerschnit­tene Wurzel mit Mehl, Kleie, Hafer oder Häcksel (Siede) gemengt, sehr leicht beibringen; fressen sie dieselbe aber nicht, so kann man entweder die Wurzel schaben oder zerreiben und mit Mehl und an­dern Mitteln zur Latwerge oder zu Pillen machen, oder mau kann sie ebenfalls zerreiben, mit Wasser, mit Bier oder Essig kalt üher-giessen, nach 12 Stunden durchseihen und auspressen, und die Flüssigkeit eingeben.
Bei der Egelkrankbeit der Schafe wurde früher vom Professor Reuter folgende sehr wirksame und wohlfeile Zusammensetzung empfohlen. Man nimmt frisch geriebeneu Meerrettig 4 Unzen, pulverisirte Baldrianwurzel 2 Unzen, pulverisirte Kalmus Wur­zel und wilde Kastanien, von jedem 1 Unze und 2 Drachmen, Kochsalz 8 Unzen, mengt alles unter einander und macht mit Honig oder Wachholdermus (oder mit Mehl und Wasser) eine Latwerge, von welcher man einem erwachsenen Schafe des Mor­gens und Abends 1 Unze, einem Lamme aber (i Drachmen giebt.
Fast in allen Fällen muss der Meerrettig durch längere Zeit
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fortgebraucht werden, wenn man vollstiindige und dauernde Wir­kungen von ihm sehen will.
Aeusserlich ist die \V;irzeI als Reizmittel ganz ähnlich wie der Senf zu benutzen; die Wirkung tritt fast noch schneller ein, ist aber schwäche! und von kürzerer Dauer als bei dem letztern. Man hat sie besonders zur Anwendung auf schlatfe, unthätige und kal-löse Geschwüre, und auf unschmerzhafre Geschwülste und verhär­tete Drüsen empfohlen, um dieselben zur Zertheilung zu bringen, oder um die Eiterung in Ihnen zu erregen. Zu diesem Zwecke seil sie mit etwas Essig, oder noch besser, mit Senf und Sauerteig zum Brei auf die kranken Theile applizirt werden.
Anmerkung. Das Löffelkraut (Cochlearta ofßc.) hat im frischen Zustande mit dem Meerrettig in den Eigenschuften eine grosse Aehnlichkeit, ist aber viel schwächer, und wird jetzt nur noch, wo es zu haben ist, als diätetisches Mittel in denselben Krank­heiten benutzt, wo der Meerrettig empfohlen ist. — Ehedem war von ihm auch der Löffelkrautspiritus in der Thierarzneikunde im Gebrauch.
34.nbsp; nbsp;Meisterwurzel (Magistrenzwurzel), Radix Imperaloriae
s. Oslrulhii.
sect;. 304.
Das ätherische Oel ist in ihr mit einem ziemlich scharfen Harz, mit bitterm ExtraktivstofT und mit Schleim verbunden. Sie ist ein sehr kräftiges Heilmittel, dessen flüchtig scharfe und zugleich stär­kende Wirkungen mit denen der Angelika die grösste Aehnlichkeit haben, aber weit stärker und anhaltender reizend sind als bei dieser.
Die Meisterwurzel ist ganz in denselben Fällen, wo die Ange­lika und der Kalmus angezeigt ist, zu benutzen, passt aber bei je­nen Krankheiten besonders dann, wenn die Uncmpfmdlichkeit einen sehr hohen Grad erreicht hat, und wenn Lähmung besteht.
Man giebt sie für Pferde und Kinder von % — i Unze, für Schafe von 1 Drachme bis 2 Unzen, für Hunde von 10 Gran bis i Drachme in Form und Verbindung wie bei der Angelika.
35.nbsp; nbsp; Weisse Pimpinellwurzel oder Bibernellwurzel, /{laquo;-
dix Pimpinellae albae, s. Pimpinellue noslratis.
sect;. 305. Die weisse Pimpinelle ist in ihren Eigenschaften mit der Ber­tramwurzel fast ganz übereinstimmend, nur ist siei etwas weniger aromatisch. Ihre örtlichen und allgemeinen Wirkungen stimmen eben-
Uertwig ArzneiuüttcJlchre.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;19
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falls mit denen des vorigeu Mittels iiherein; doch hält man sie für milder und schreibt ihr dabei stärkere Erregung der Harnahsonde-ruug und der HautausdUnstuug zu. — Die Anwendung der Pim-pinelle ist mehr gebräuchlich als die der Bertrainwurzel, findet aber in denselben Krankheiten und ganz auf dieselbe Weise statt wie bei dieser.
Anmerkung. Die Wurzel der schwarzen Bibernelle (Piinpinella raquo;igra) besitzt im wesentlichen dieselben Eigenschaften, und kann daher wie die weisso Bibernello gebraucht werden.
sect;. 3Ü6.
Aussei- den bisher speziell betrachteten aromatischen Mitteln giebt es noch eine Menge anderer, welche aber in der Thierheil-kuude weniger gebräuchlich sind. Es gehören hierher: a) dievir-ginische Schlangenwurzel {Radix Serpeutarlae eirglnlanae), in der Wirkung der Angelika und einigermaassen dem Kampher ähnlich, sehr heilkräftig, aber zum thierärztlichen Gebrauch zu theuer; Gebrauch und Anwendung wie bei der Angelika; — b) die gemeine Osterluzeiwurzel (iladix Arislolochiae vulgarit s. le-tntis), bitler und kampherartig, der vorigen ähnlich, aber etwas schwächer; — c) die runde Osterluzei würzet {Had. Aristolo* chiae ruiundae) und d) die runde Hohlwurzel {flad. Aristolo-chiae fabaceat s. cavae) sind beide weniger flüchtig, sondern mehr bitterlich scharf; Anwendung wie bei Kalmus; — e) die weisse Diptamwurzel {Had. Dlctamni a/bi); f) die Bärwurzel {Had. Meu s. Athamantict); g) die Mannstrmiwurzel {Rad. EryngH), alle drei von ähnlichen, aber schwächern Eigenschaften als die bei­den letztem, jetzt fast gar nicht mehr gebräuchlich; — h) die Gal-gantwurzei {Rad. Galangae), etwas bitter, scharf gewiirzhaft, ähnlich wie Kalmus, aber weniger tonisch, mehr erregend und wie letzteres Mittel zu gebrauchen; — i) der Ingwer oder die Ingwer­wurzel {Rad, ZingiBeris) und — k) die Zitwerwurzel {Rad. Zmlaariae), beide fast von gleicher Qualität, flüchtig und brennend scharf, der Meisterwurzel ähnlich und wie diese anzuwenden, recht wirksam und von den englischen Thierärzten häufig, aber hei uns nur im Nbthfall als Hausmittel benutzt; — 1) die Kurkuma, Gelbwurz {Rad. Curcumue), ähnlich den letztern, aber weit schwä­cher, jetzt gar nicht mehr gebräuchlich; — m) die Winter's Kinde (Cortex IVinteratms), tonisch und etwas scharf aromatisch, aber zum thierärztlichen Gebrauch viel zu theuer; — n) Zimmt, Z i in m t r i n d e ( Cortex Cinnamomi s. Canel/a ceylaniea ) und Zinimtcassia {Cassia cinnamomea), flüchtig und angenehm aro­matisch; sie bringen ausser den Wirkungen der aromatischen Mit­tel überhaupt, auch noch spezifisch eine erhöhete Thiitigkeit in der
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Gebänmitter hervor, und worden deshalb bei zu geringen Geburts­wehen, für Pferde und Rinder i Unze, für Schafe 1 Drachme, für Hunde 1 Skrupel bis -1 Drachme, im Infiisinn von Chamillcn und dergl. benutzt; zum anderweitigen und gewöhnlichen Gebrauch sind sie zu theuer;— o) Pomeranzenschalcn {CorticesÄurantierum}, bitter aromatisch, zu theuer und zu entbehren; unreife Pome­ranzen (Fruclus Auranliorum immaturi) mehr bitter, gleichfalls ZU theuer und entbehrlich; Pomeranzenblätter(fofta Auraiithrum), von geringer Wirksamkeit, ganz entbehrlich; — ]gt;) Citronen-schalen (Corlires Citri), schwächer tonisch als die Pomeranzen­schalen, höchstens als Hausmittel zu benutzen; — q) Gewürznel­ken (Caryophylli aromatici), sind das feurigste und stärkste reine gewürzhafte Mittel, und bei allen in sehr hohem Grade astheni-schen torpiden Zuständen zu benutzen, jedoch nur sehr selten ge­bräuchlich, da theils ihr hoher Preis den allgemeinen Gehrauch ver­bietet, theils so viele andere uns zu Gebot stehende aromatische Mittel denselben auch imnöthig machen; — r) die Cubeben, der Cubebenpfeffer {Cubebae s. Piper caudatum), und — s) die Pa­radieskörner \ Grana Paradisi), sind dem Pfeffer ähnlich, etwas milder, jetzt nicht mehr gebräuchlich und zu entbehren; — t) der Coriander (Semen Coriandri) und — u) der römische Küm­mel (Semen Cumini), kommen mit dem gewohnlichen Kümmel überein, sind zu theuer und ganz zu entbehren.
Zweite Abtlieilmig;.
Kampbcr oder Camphor, Camphoru.
sect;. 307. Der Kampher findet sich als ein näherer Bestandtheil in vielen Pflanzen, vorzüglich aber in Pterygium tercs s. Correae (einem Baume, in welchem er am reichlichsten enthalten ist), — dann in den meisten Spezies von Laurus (besonders im Laums Campliora, aus dem der gewöhnliche Kampher durch Destillation gewonnen wird) und in vielen Labiaten. In den letztern erscheint er durch­aus nur in flüssiger Form und gebunden an ätherisches Gel, schei­det sich aber aus diesem mit der Zeit von seihst in crystallinischer Gestalt aus. Die Menge des im ätherischen üel der verschiedenen Labiaten enthaltenen Eamphers ist zwar im Allgemeinen nicht be­deutend; aber das Vorkommen in dieser Verbindung ist aus dem
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Grunde bemerkonswerth, weil es die innige und natürliche Ver­wandtschaft des Kamphcrs mit dem ätherischen Oel andeutet. Diese Verwandtschaft ist aber noch weit mehr durch die Uebereinstim-mung der meisten Eigenschaften der beiden Substanzen, und vor­züglich durch die grosste Aehnlichkeit in der Art und Menge ihrer Grundbestandtheile nachgewiesen; denn nach den besten chemi­schen Analysen besteht der Kampher (wie die ätherischen Oele) grosstentheils aus Kohlenstoff, dann aus Wasserstoff und Sauer­stoff, so dass der Unterschied zwischen beiden nur durch einen etwas grüssern Gehalt an Sauerstoff im Kampher bedingt wird (sect;. 25ö,). Die meisten Chemiker betrachten daher den letztern auch mir als ein mehr oxygeuirtes, crystallisirtes ätherisches Oel.
Er verdunstet sehr reichlich, selbst bei gewöhnlicher Tempera­tur der Luft; sein Geruch ist durchdringend aromatisch, sein Ge­schmack erwärmend, bitterlich. Mit Weingeist angenetzt kann er pulverisirt #9632;werden. Weingeist, Aether, ätherische und fette Oele und Essigsäure lösen ihn leicht auf, besonders in der Wärme; die conzentrirten Mineralsäuren lösen ihn auch in der Kälte auf, ohne ihn zu zersetzen; im Wasser ist er sehr schwer (nur in 525 Thei-len) auflüslich; er kann aber durch Schleim, Eiweis und Eigelb mit Wasser auch in grössern Quantitäten innig gemengt erhalten wer­den. Aetzende Alkalien lösen ihn nicht auf; aber mit Seifen ver­bindet er sich leicht.
sect;. 308.
Auch in seinen Wirkungen auf den Thierkörper zeigt der Kam­pher mit den ätherisch-öligen Mitteln im Allgemeinen eine grosse Aehnlichkeit, aber mit keinem dieser Mittel eine völlige Ueberein-stimmung, sondern er verhält sich in mehrerlei Hinsicht von ihnen eben so verschieden, wie sie selbst unter einander in ihren Wir­kungen auf den Organismus verschieden sind (siehe die vorige Abtheiluug).
Da man jedoch über die Wirkungen des Kamphers sehr ver­schiedenartige und zum Theil sich selbst widersprechende Ansichten ausgesprochen hat, so scheint es zur Begründung einer brauchbaren und mehr sichern Theorie nüthig, die Erscheinungen anzuführen, die man bei Versuchen mit diesem Mittel an gesunden Tbieren wahrgenommen hat.
Wenn man einem gesunden Pferde oder Rindvieh 1—2 Drach­men pnlverisirten und mit einem fetten Oel oder mit Eigelb und Wasser abgeriebeneu Kampher eingiebt, so bemerkt man in der Kegel nur folgende geringe Erscheinungen: die Schleimhaut des Maules wird zuerst etwas dunkler geröthet, und die Absonderung des Schleims bald mehr bald weniger verstärkt (wohl nur in Folge
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und nach (lein Grade der örtlichen Reizung); — nach 10 bis 15 Minuten fühlt man die Arterien voller, aber nicht viel harter und ihre Pulse um '2, 5 bis 8 in der Minute vermehrt; die Schleimhaut der Nase und die Bindehaut der Augen wird nun ebenfalls etwas mehr geröthet. der Blick etwas muntrer, und die ausgeathmete Luft nach Kamphei riechend; die Respiration seihst bleibt aber mehren-theils unverändert oder wird nur unbedeutend verstärkt; eben so wird die Temperatur und die Ausdünstung der Haut nur wenig oder gar nicht erhöhet, letztere auch nicht nachKampher riechend; der Urin, der Koth, und bei Kühen die Milch, erscheinen nach ei­ner einzelnen solchen Gabe nicht verändert. Macht man gegen i bis Ij Stunden nach dem Eingeben einen Aderlass, so zeigt das Blut, im Vergleich zu anderm, welches man vor dem Versuch von dem Thiere genommen hat, eine etwas heller gerothete Farbe, es gerinnt schneller, scheidet, nicht so viel Faserstoff und Serum aus, und oft gerinnt es zu einem gleichförmigen Kuchen, während das zuerst abgelassene Blut sich bald in die gewöhnlichen Bestandtheilc zersetzt (eine Erscheinung, die ganz constant und auch nach gros-seren Gaben zu bemerken ist). — Mit Verlauf von 2 Stunden neh­men die bemerkten Veränderungen allmählig wieder ab, und nach etwa 5 Stunden ist jede Spur dieser Wirkung verschwunden.
Bei Schafen bemerkt man ähnliche Erscheinungen nach der Anwendung einer halben bis ganzen Drachme, und bei Hunden nach der Anwendung von 10 bis 30 Gran des Mittels; — von Ga­ben, die kleiner waren als die eben bezeichneten, habe ich bei den verschiedenen Thieren im gesunden Zustande niemals eine bestimmte Wirkung wahrnehmen können.
Giebt man auf dieselbe Weise einem grossen Haustbier |—1 Unze, einem Schafe i — li Drachme, und einem Hunde ^ bis 1 Drachme, so entstehen die eben angeführten Erscheinungen in der­selben Art, jedoch im starkem Grade und deutlicher; ausserdem finden sich noch in den meisten Fällen leichte Zuckungen an den Lippen, zuweilen auch an den Muskeln des Hinterkiefers, des Hal­ses und an den oberflächlichen Muskeln der Hinterbacken. Diese Zuckungen treten jederzeit etwas später ein, als die Veränderung am Pulse; sie wiederholen sich in sehr unglei­chen Zwischenräumen, bald oft, bald selten, und sind zuweilen nur während einer, oft aber durch 3 bis 4 Stunden zu bemerken. In den meisten Fällen wird dabei die Empfindlichkeit etwas erhöhet. Der Puls wird zuletzt kleiner, bleibt aber dabei noch beschleuniget. Das Athmen geschieht schneller, und die ausgeathmete Luft riecht durch mehrere Stunden stark nach Kampher. Die Dauer der gan-
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zpii Wirkung ist nicht viel langer als nach einer kleineren Gabe, uämlich 3 his 5 Stunden.
Nach der Amvendung einer Gabe von 2—4 Unzen Kamphers bei Pferden und Rindern, oder von 2 Drachmen bis 1- Unze bei Schafen, und voll 1 — 3 Drachmen hei Hunden, zeigt sich zuerst die erregende Wirkung an den Schleimhäuten, am Puls, Herzschlag und Atliera, wie von den kleinen Gaben; aber die Ooimüsionen au den Lippen, an den Kaumuskeln, Ilalsniuskeln u. s. w. treten viel heftiger ein; sie ergreiien das Thier sehr plötzlich, und äussern sich zum Theil in einzelnen auf einander folgenden Erschütterun­gen, welche vom Kopfe her auszugchen scheinen und sich nach allen Richtungen so schnell verbreiten, dass sie die grösste Aehn-lichkeit mit den Wirkungen der elektrischen Schlage haben; zum Theil äussern sie sich aber auch in einer langsamem Zusammen-Ziehung der Streckmuskeln am Halse, so dass dieser und zugleich der Kopf von Zeit zu Zeit durch einige Sekunden in die Höhe ge­hohen, und ganz steif ausgestreckt wird. Pferde erhalten dabei das Ansehen, als ob sie am Starrkrampf des Vorderkörpers litten. Zuweilen werden auch die Beugeimiskeln des Halses vorherrschend vom Krampf ergriffen, so dass der Hals nach unten oder nach ei­ner Seite gekrümmt erscheint. Zwischen diesen beiden Formen der Krämpfe tritt noch, ebenfalls von Zeit zu Zeit wiederholt ein unwillkürliches Kauen ein, wobei die Thiere durch eine halbe bis ganze Minute den Unterkiefer sehr schnell bewegen und oft seit­wärts gerichtet halten. Hunde zeigen dies Kauen in grösster Hef­tigkeit, und dabei zugleich eine stark vermehrte Absonderung von Speichel und Schleim im Maule, wodurch gewöhnlich ein dicker Schaum an denselben entsteht, und die Thiere ganz so wie mit Epilepsie behaltet aussehen. Man bat diese Zufälle sogar mit de­nen der Huudswuth ähnlich finden wollen. Bei den übrigen Tbie-ren ist die Absonderung im Maule nur unbedeutend vermehrt, und bei manchen Pferden fand ich das letztere sogar etwas trockner als vorher. — Mit den Convulsionen, oft auch schon vor ihrem Ein­tritt, erscheint die Empfindlichkeit stets erhöhet. — Die leiseste Be­rührung der Thiere (besonders das Retasten der Augen, und das Aufbeben des Kopfes), oder ein geringes Geräusch, selbst das Auf­treten mit ihren eigenen FUsseu auf den Erdboden, erregt die Con­vulsionen augenblicklich von neuem, und man kann sie durch sol­che äussere Einwirkungen ganz willkürlich hervorrufen. Ist es in der Nähe des Thieres recht ruhig, und sind diese sich seihst über­lassen, so treten die Anfälle seltener ein, als unter entgegengesetz­ten Umständen.
Rei und zwischen diesen Convulsionen haben die Thiere in
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der ersten Zeit, und uft auch, wenn die Wirkung uur eiueu mas­sigen Graii erreicht, während der ganzen Dauer derselben ihr völ­liges Bewusstsein; denn sie kennen den Wärter, hören auf den Zu­ruf, sehen und fürchten den drohenden Stock, Pferde wollen schla­gen, Hunde beissen u, s. w. Dagegen leidet aber die regelmässige Bewegung fast immer; die Thiere heben wenigstens heim Gehen die Beine hoher auf, springen auch zuweilen unregelmässig vor­wärts oder zur Seite, drehen nach einer Seite und dcrgl. Manche Hunde krochen unwillkürlich und mit sonderbaren Geberden rück­wärts, wenn sie vor einem hinter ihnen befindlichen Stock vorwärts fliehen wollten, und es war deutlich zu sehen, dass ihre Bewegun­gen nicht mehr unter der Kraft des Willens standen. Diese Er­scheinungen sind jedoch nur von kurzer Dauer, und nach ihrem Verschwinden ist die Bewegung und das Benehmen der Thiere wie­der ganz regelmässig. — Manche Thiere zeigen Schmerz im Leibe, sehen sich nach demselben um, wälzen sich auch, setzen oft Koth ab, stellen sich oft zum Uriniren; Pferde hängen den Penis aus und trippeln mit den Füssen, jedoch ohne viel Urin zu entleeren. Der Appetit ist immer unterdrückt, die Temperatur der Haut er­höhet und ihre Venen sind stark mit Blut injizirt.
Gewöhnlich werden nach 4, 8, höchstens 12 Stunden die Krämpfe schwächer und seltener, die erhöhefe Empfindlichkeit ist verschwun­den, die Bewegung und der Gang wieder ganz regelmässig, die Thiere erscheinen munter und zeigen Appetit; aber die Pulse blei­ben noch bedeutend vermehrt (zuweilen bis 100 in einer Minute), sind jedoch klein und weich. — In andern Fällen werden die Krämpfe binnen kurzer Zeit sehr heftig, und die Thiere dabei so angegriffen, dass sie sich während des Anfalles nicht auf den Beinen erhalten können, sondern niederstürzen und dann mit Kopf und Füssen herumschlagen. Dabei ist mehrentheils das Maul weit geöfihet, der Augapfel wird heftig nach verschiedenen Seiten gerollt; Pferde wiehern von Zeit zu Zeit. Hunde und Schafe scheinen zuweilen am Hintertheil gelähmt zu sein; sie liegen mit demselben fest auf dem Boden, während sie mit dem Vordertheil aufgerichtet sind und die Vorderfüsse ängstlich nach allen Seiten bewegen. Im höchsten Grade der Wirkung verlieren die Thiere das Seheverraögen, das Gehör und Gefühl, und dabei auch das Bewusstsein; aber sowohl dieses wie auch die Sinnesthätigkeit kehrt wieder, wenn der Par-oxysmus vorüber ist. Nach mehrern solchen heftigen Anfällen min­dern und verlieren sich entweder die Erscheinungen, oder sie wer­den heftiger, anhaltender und gehen zuletzt in einen, dem Schlag-fluss ähnlichen Zustand über, in welchem die Thiere mehrentheils
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betäubt liegen, mir zuweilen noch einige convulsivische Bewegun­gen machen und zuletzt unter denselben sterben.
Macht man zur Zeit der heftigen Krumpfe einen Aderlass, so mindern sich die Zufalle hierauf ganz sichtbar.
Die Zeit des Eintrittes, der Grad und die Dauer der Erschei­nungen ist bei verschiedenen Thiereu derselben Art nach einer gleichmassig grossen Gabe des Kamphers ganz ausserordentlich verschieden. Vitet sähe nach einer halben Unze sehr starke Zu­fälle, und nach 1 Unze den Ted bei vier Pferden erfolgen; — ich habe dagegen recht oft von Gaben bis zu i Unze bei Pferden kaum die Spur von Nervenzufällen, uud von Gaben bis zu 6 Unzen nie­mals den Tod entstehen sehen; einzelne Hunde starben von 2 Drach­men, andere ertrugen % Unze ohne heftige Wirkung, und bei Scha­fen verhielt es sich nach Gaben von 3 bis 4 Drachmen ganz ähnlich.
Wiederholt man grosso Gaben des Kamphers in mehreren Ta­gen nach einander, so erscheinen die Zufälle der primären Aufre­gung nach den spätem Gaben gewöhnlich immer schwächer; aber die Hautausdünstnng erhält einen deutlich erkennbaren Geruch nach Kampher, der sich auch am Blute und, jedoch weniger stark, am Urin und bei Kühen an der Milch wahrnehmen lässt. Zuweilen tritt aber auch nach mehreren massigen Gaben eine starke und anhaltende Wirkung ein. Thierarzt Ritzel (Teutsche Zeitschrift Bd. X. Heft 2. S. 190.) sähe bei einer Kuh von nicht ganz 10 Drachmen Kamphers, welche mit Altheeschleim in 5 Tagen einge­geben waren, nach der letzten Gabe noch keine Wirkung; aber am folgenden Tage liess sie vom Fressen ab, am dritten traten Kolik­zufälle ein, am vierten hatte sie dieselben noch und dabei SO Pulse und 25 Athemziige in der Minute; auch will der Beobachter einen kaum merklichen Kamphergeruch in der Hautausdünstung wahr­genommen haben. Am fünften Tage ermunterte das Thier sich und am sechsten frass es wieder, aber es erholte siel spät, blieb lange matt und magerte am Hintertheil gänzlich ab. Das Thier hatte an Nymphomanie gelitten, welche sich auf die ersten Gaben gemindert, und nach der heftigen Wirkung ganz verloren hatte, aber es war durch den Schwund in seinem Werthe vermindert.
In den Kadavern der mit Kampher getodteten Thiere findet man: einen starken Kamphergeruch an und in den meisten Ein­geweiden, selbst im Gehirn, und oft auch an den Muskeln; — das Blut überall schwarz und flüssig; #9632;— die Schleimhaut des Magens und Darmkanals, namentlich am Dickdarm, entzündet, jedoch in den einzelnen Fällen nicht gleichartig, sondern hinsichtlich des Ortes, der Ausbreitung und Heftigkeit sehr verschieden; — an den Nie­ren und Geschlechtstheilcn nichts Abnormes;— die Harnblase bald
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voll bald leer, ihre Schleimhaut etwas stärker gerüthet; — die Lun­gen ganz massig aufgetrieben, aber stärker geröthet; — tlas Herz dunkelroth, seine Qefasse stark mit Blut augefullt, die Kammern und Vorkammern desgleichen, und die innere Fläche mit dunkel-rothen Flecken (mit kleinen Ecchymusen) besetzt; — Luftröhre und Kehlkopf; Maul- und Rachenböble ohne Veränderung; — die Hirn­häute, das grosse Gehirn, die Adergeüechte und das Rückenmark, vorzüglich aber das kleine Gehirn, den Hiruknoteu und das ver­längerte Mark mit dick aufgetriebenen Gefässcn versehen und in ihrer Substanz sehr blutreich.
Tödtet man ein Thier gleich nach dem Eintreten der Convul-sionen, so findet man fast nur allein am kleinen Gehirn, am Hirn­knoten und am verlängerten Mark einen stärkern Blutreichthum.
Orfila #9632;) gab Hunden 2 — 3 Drachmen Kampher, der blos in Stückchen getheilt war; die hierauf erfolgenden Zufälle waren den vorhin beschriebenen ähnlich, traten aber langsamer und in grös-sern Zwischenräumen ein; der Tod erfolgte erst nach 2, 4 bis fi Tagen, und bei der Sektion fanden sich an der Schleimhaut des Magens mehrere Geschwüre, deren Ränder über die Fläche hervor­ragend waren.
Spritzt man in die Drosselveno eines Pferdes 15 bis 20 Gran, oder bei Hunden 3 bis 4 Gran Kampher, der in einer ganz dünnen Emulsion von arabischem Gummi und Wasser enthalten ist, so entstehen fast augenblicklich schnelles, kurzes und beschwerliches Athemholen mit starkem Ziehen der Rippen, dabei zuerst voller, hernach kleiner und schneller Puls, pochender Herzschlag, Krämpfe an verschiedenen Theilen des Körpers, namentlich an den Muskeln der Brust und des Halses, oft wieder ähnlich den elektrischen Er­schütterungen, convulsivisches Kauen, Schwindel, zuweilen Riick-wärtsgeben und selbst Niederstürzen, Rothung der Schleimhaut und dergl. Diese Zufälle wechseln mit ganz ruhigen Perioden, und verschwinden gewöhnlich nach einer viertel bis ganzen Stunde. Einigen Pferden habe ich selbst eine halbe bis ganze Drachme Kampher injizirt, ohne dass heftigere Zufälle eingetreten sind; an­dere starben dagegen von solchen Gaben unter Erstickungszufällen, oder an nachfolgender Lungenentzündung. — Viborg**) sähe ein Pferd sogar nach der Injection von nur 15 Gran Kampher, der in Branntwein aufgelöst war, sterben, während andere Pferde auf die­selbe Weise bei seinen Versuchen 30 Gran ohne besondere Wir-
*) Allgemeine Toxikologie, 21or Bd. S. 317.
**) Sclieol, die Transfusion des Blutes. 21er Ud. S. 222—24.
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kling ertrügeu. — Huude sterben gewöhnlich, wenn man ihnen 6 Gran oder mehr Kampher in die Drosselvcne spritzt.
In Wunden gebracht verursacht der Kampfer eine massige Hei­zung, vorzüglich aber eine griisserc Rfitbnng der Wuiuifliiche, und bei längerer Berührung auch wirkliche, aber mir miissige Entzün­dung. Ori'ila*) sähe bei einem Hunde von G Drachmen Kampher, der in Oel aufgelöst auf das Zellgewebe an der innern Flache des Schenkels applizirt war, nach 'Zi Stunden die bekaunten Nerven­zufälle und 2 Tage darauf den Tod erfolgen, ohne dass an dem Gliede sehr aulfailende Veränderungen entstanden waren.
Wird der Kampher in Pulverform auf die unverletzte Haut gelegt, so verursacht er blos etwas vermehrte Wärme und (bei weisser Haut) Rüthung. Entzündung oder Bläschen entstehen nie-juals, und die Thicre zeigen durch ihr ruhiges Verhalten, dass die Empfindlichkeit auch nicht erhübet wird. Allgemeine Wirkungen sähe ich hiervon niemals entstehen.
sect;. 31)9.
Aus den vorstehenden Angaben, welche sich auf zahlreiche, von mir unternommene Versuche stützen, ergeben sich folgende Resultate, die bei der Anwendung des Kamphers an kranken Thie-reu sehr beachtenswerth sind und ihr grösstentheils zur Leitung dienen können:
a)nbsp; Der innerlich angewandte Kampher wird binnen kurzer Zeit von den Blutgefässen unverändert aufgenommen und mit dem Bind' gemischt, aber auch bald wieder aus demselben entfernt, und zwar grösstentheils durch die Lungen ausgedünstet.
b)nbsp; Seine ersten Wirkungen sind fast nur allein au den Blut-gelassen und am Blute zu erkennen, und bestehen wesentlich in einer erhöheten Vitalität des Blutes selbst, welche aber eigenthümlich und von der durch China und andere tonische Mit­tel bewirkten hohem Vitalität darin verschieden ist, dass sie sich hauptsächlich in einer sehr stark vorwaltenden Expan­sion des Blutes äussert, während sie bei jenen Mitteln mit ver­stärkter Contraction und mit Verdichtung des Blutes verbunden zu sein pflegt. — Aus diesem eigenthümlich erhöheten Lebensprozess im Blute lässt sich nicht nur die vermehrte Fülle und Ausdehnung der Gefassc, die hellere Rötbuug, die innigere Mischung und Bin­dung der Bestandtbeile und die gleich massigere Gerinnung des Blutes, sondern auch das Entstehen der übrigen Erscheinungen und die heilsame Wirkung des Kamphers bei gewissen asthenischeu Krankheitszuständen genügend erklären.
*) A. a. Ü. S. 346.
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c)nbsp; Er wirkt aber auch flüchtig erregend auf das Nervensystem, erhöhet in gewissen Gaben tias Gemeingefühl und tliu Sensibilität, macht die Thiere munterer und die meisten Funktionen lebhafter, namentlich aber die willkürlichen Bewegungenj in grossen Gaben stört er dagegen, wie es scheint durch Ueberreizung, die freie und regelmässige Ausübung der letztern, bewirkt Convulsiunen, vorzüg­lich in den zur Respiration dienenden Muskeln, Erstickungszufalle und selbst den Tod (daher das schwarze Blut in den Cadavern).
d)nbsp; Da nach Flour ens*) und nach meinen eigenen Versuchenquot;) die regelmässige Ausführung der willkürlichen, für gewisse Zwecke combinirten Bewegungen des Thiers, vorzüglich durch das kleine Gehirn, den Hirnknoten und das verlängerte Mark vermittelt wird; — da mechanische Reizungen dieser Theile ganz ähnliche Erschei­nungen veranlassen, wie die zu grossen Gaben des Kamphers; — da man die genannten Hirntheile nach angewendetem Kampher vorzugsweise mit Blut übermässig versehen findet; — da die durch den Kampher erzeugten Convulsionen in der ersten Zeit und selbst bis zu einem sehr hohen Grad obre gleichzeitigen Verlust der Sin-nesfunktionen und des Bewusstseins bestehen; — und da auch diese Convulsionen mit denen, weiche von den Krähenaugcn ver­ursacht sind, darin übereinstimmen, dass sie elektrischen Erschüt­terungen ähnlich sind und durch äussere Einwirkungen erneuert und verstärkt hervorgerufen werden können, — die Wirkung der Krähenaugen aber, als spezifisch auf das verlängerte Mark gerich­tet, anerkannt ist; so halte ich es für mehr als wahrscheinlich: dass der Kampher eine vorherrschende und gewisser-maassen spezifische Wirkung auf das kleine Gehirn, das verlängerte Mark und den Hirnknoten ausübt.
e)nbsp; Wie aber eine Arzneiwirkung niemals auf ein Organ, und selbst nicht auf ein organisches System allein beschränkt bleibt, so breitet sich auch die Wirkung des Kamphers im weitern Verlaufe über das ganze Nervensystem, und zunächst über das grosso Ge­hirn und Rückenmark aus, besonders wenn grosse Gaben des Mit-lels angewendet worden sind.
f)nbsp; Die Wirkung des Kamphers auf das Nervensystem entsteht zum Theil wohl durch unmittelbare Berührung mit den Nerven-ausbreitnngen in den Verdauungseingeweiden, vorzüglich aber durch den unveränderten Uebergang des Mittels in das Blut, durch
*) flour ens Versuche und UnlersucliUDgennbsp; über die Elgenschaf-
len unU Verrichtungen des Nervensystems. Ä, d.nbsp; nbsp;Pranz, von Becker. Lcipzii; 1824.
**) Heckers Amiaieu der Heilkunde. Bd. V.nbsp; Heft t u. 2.
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starkem Andrang desselben zu den genannten Himtheilen, und durch seine stärkere eigene Ausdehnung daselbst, wodurch Ueber-füllung und Ausdehnung der Gefiisse, und ungleicher, übermässi-ger Druck auf jene Hiruthelle erzeugt wird. Dass von dem letz­tern wenigstens die heftigen Zufälle sehr abhängig sind, wird aus der Verminderung derselben durch einen Aderlass und durch die Anwendung von kühlenden, zusammenziehenden Mitteln wahr­scheinlich.
g) Mit Ausnahme der Haut- und Lungenausdünstung beför­dert und vermehrt der Kampher keine Ah- und Aussonderungen, ja er scheint die Absonderungen der Schleimhäute und der Nieren noch zu vermindern (ausgenommen die des Mauls bei der örtlichen Einwirkung des Mittels); und selbst die Verstärkung der Hautaus-dünstung ist keine direkte, sondern nur eine durch die vermehrte Expansion des Blutes bedingte aber sehr häufig erfolgende und schätzbare Nebenwirkung.
h) Die erregende Wirkung von massigen Gaben des Kamphers erstreckt sich auf etwa 2 bis 4 Stunden und geht, bald mehr, bald weniger deutlich in Abspannung und Erschlaffung über, wenn sie nicht durch eine wiederholte Anwendung des Mittels unterhalten wird. Bei oftmaliger Wiederholung wird die Empfänglichkeit für dasselbe sehr vermindert.
i) In die Blutadern unmittelbar durch Einspritzungen gebracht, erzeugt der Kampher im Wesentlichen dieselben Wirkungen wie bei der innerlichen Anwendung; sie sind aber selbst nach kleinen Gaben sehr heftig, und der 20ste, 30ste, selbst der 50ste Theil ei­ner Gabe, die vom Magen her nur ganz massig wirkt, kann als Injection lebensgefährliche Zufälle herbeiführen.
k) Er wirkt auch örtlich auf alle organische Gewehe als erre­gendes Mittel, und bringt bei längerer Berührung selbst Entzün­dung hervor; allein die örtliche Wirkung ist im Verhältniss zu der allgemeinen, so wie zu der Wirkung anderer Erregungsmiftel, die dem Kampher an Wirksamkeit kaum gleich sind, immer nur sehr gering.
1) Die Wirkungen des Kamphers stimmen zwar mit denen der ätherisch-öligen Mittel im Allgemeinen darin überein, dass beide hauptsächlich auf die Erhöhung der Lebensthätigkeit im Blutgefäss system und im Blute, und auf die Erregung des Nervensystems gerichtet sind; sie unterscheiden sich aber von einander dadurch: dass 1) die ätherischen Oele mehr die Irritabilität der Gelasse und Fasern, der Kampher aber fast nur allein die Sensibilität erhöhet; — 2) dass den ätherischen Oelen die spezifischen Kräfte des Kam­phers, die Expansion des Blutes iu so hohem Grade zu bewirken
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und die Funktionen einzelner Centralorgane des Nervensystems um­zustimmen, mangeln; — 3) dass der Kampher weniger stark örtlich erregend einwirkt, als die ätherischen Oele, und 4) dass er nicht so hedentend wie diese die Funktionen der Reproduktionsorgane erhöhet, und die Absonderungen in den Schleimhäuten und in den Harnwerkzeugen gar nicht vermehrt. Doch ist wohl zu bemerken, dass diese Unterschiede nicht bei allen ätherisch-öligen Mitteln gleichmässig bestehen (wie dies auch aus ihrer Darstellung in der vorigen Abtheiiung hervorgeht), sondern theils von der Art des ätherischen Oels (sect;. '^57.), theils von den übrigen Bestandtheilen (sect;. 258, sect;.261.) bedingt und oft z. B. in denen, die ein kampher-artiges ätherisches Oel enthalten, nur sehr gering sind.
m) Endlich hat auch der Kampher mit dem Weingeist, mit dem Aether und einigen narkotischen Mitteln, namentlich aber mit den Krähenaugen einige Verwandtschaft in den Wirkungen.
sect;. 310.
Auf den kranken Thierkörper wirkt der Kampher im Wesent­lichen auf dieselbe Weise spezifisch und flüchtig erregend, wie auf den gesunden; aoer die änssern Erscheinungen der Wirkung wer­den durch die vorhandene Krankheit und durch die davon abhän­gigen Zufälle medifizirt, und sind daher oft eben so verschieden wie diese selbst. Hierin, und vorzüglich in der Beseitigung oder Vermehrung einzelner KrankheitszuiUUe beruhet es, dass man dem Kampher bei Krankheiten vielerlei, und selbst einander entgegen­gesetzte Heilwirkungen zuschreibt und ihn z. B. bald als erregend, erhitzend, stärkend, bald als beruhigend, krampf- und schmerzstil­lend, als schweisstreibend, auch als kühlend, als fäulnisswidrig u. s. w. betrachtet. Man sieht allerdings, dass er auch bei kran­ken Thieren fast immer, besonders nach richtiger Indikation und in gehörigen Gaben angewendet, unter andern auch die Sinnes-thätigkeit erhöhet, also aufregt, — dass er zuerst Orgasmus im Blute, schnellere Respiration, erhöhete Wärme, und dabei ein Ge­fühl von Hitze erzeugt; — dass er die meisten Funktionen, beson­ders die Bewegungen der Muskeln far die erste Zeit seiner Wir­kung energischer macht, also scheinbar stärkt; — dass er bei asthe-nischen Fiebern die zu sehr vermehrte Zahl der Pulse mindert, in­dem er theils eine weitere, regelmässigo Expansion und vermehrte Energie der Gefässe, oder die Ausscheidung zurückgehaltener Se­kretionen und die Krisen befördert; dass er eben so asthenisch-nervöse Zufälle beseitiget; — dass er durch den Orgasmus des Blutes und durch den vermehrten Andrang desselben zur Haut oft Schweiss erzeugt, dagegen aber auch durch Beschränkung des etwa vorhandenen fauligen Zersetzungsprozesses, und nach dem Aufhören
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der erregenden Wirkung die Temperatur vermiudert uikI somit küh­lend wirkt; man irrt aber sehr, wenn mau dieser Veränderungen wegen den Kampher für ein blos erhitzendes, oder für ein direkt kühlendes, krampfstillendes und dergl. Mittel halt, und ihn als sol­ches benutzt, da sie alle (wie dies im vorigen sect;. gezeigt ist) zum grossten Theil blosse Nebenwirkungen und Folgen von seiner ei-genthümlich belebenden Wirkung auf das Blut sind, und ohne diese Wirkung theils gar nicht, thoils nur sehr unvollständig entstehen.
sect;• 311.
Diese eigenthümlicbe Wirkung des Kamphers muss daher auch bei seiner Anwendung gegen Krankheiten hauptsächlich beachtet werden; sie bedingt jedoch die letztere keinesweges allein, sondern es giebt auch Krankheitsverhältnisse, bei denen er in seinen Ne­benwirkungen sehr schätzbar ist. Die Indikationen für seinen Ge­brauch sind daher mehrfach.
1) Die allgemeinste und wichtigste Indikation für die inner­liche Anwendung ist diejenige Art der wahren Schwäche, welche in einem zu sehr herabgesunkenen Lebenspro-zess im Blute besteht, und wobei das letztere seine le­bendige Ausdehnung und seine Reizkraft auf die Ge-fässe, Nerven und andere Organe grösstentheils verlo­ren hat, sich passiv in einzelnen Organen anhäuft, eine Neigung zur Zersetzung annimmt, und im hohen Grade auch wirklich eine fäulnissähnlicho Zersetzung erleidet.
Diese Schwäche giebt sich zu erkennen: durch kleinen, leeren, weichen Puls (Zusammenfallen, Collapsus der Arterienwände), wobei die einzelnen Schläge zuweilen langsam, unregelraässig, zu­weilen auch fieberhaft schnell auf einander folgen; durch blasse, oder entgegengesetzt durch blaurothe oder blasse, oder bleifarbige, zuweilen mit dunklen Flecken (Ecchymosen) versehere Schleimhäute; durch eingefallene matte Augen; durch kühle, welke, schlaffe, zu­weilen klebrige oder mit kaltem Schweiss bedeckte Haut; durch verminderte Wärme der Ohren, der Nase und Extremitäten; durch schlaffe Muskeln, Kraftlosigkeit, Abgestumpfrheit der Sinne, Nei­gung zu schlafen, durch zähen, schleimigen Urin, stinkende Haut­ausdünstung, durch Extravasate au verschiedenen Theilen des Kör­pers, zuweilen auch durch Zuckungen, durch schwarze Farbe, theer-artige Beschaffenheit, zu leichte Zersetzbarkeit oder gänzliche Un-gerinnbarkeit des aus der Ader gelassenen Blutes.
Ein solcher Schwächezustand kommt sowohl primär und für sich allein bestehend, wie auch sekundär, im Verlaufe anderer Krank-heitszustände und nach denselben vor, und der Kampher findet da­her eine häufige und wohl begründete Anwendung hei Krankhei-
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ten, die hinsichtlich ihres Sitzes, ihrer Eiifstehniig und ihres ur­sprünglichen Charakters ganz verschieden von einander sind; denn es kommt hei dieser Anwendung durchaus nicht auf die Krankheitsform und auf den derselben crtheilten Na­men, souderu eheu nur allein auf den bezeichneten all­gemeinen Zustand an. Ist dieser zugegen, so ist der Kampher angezeigt, die Krankheit mag heissen und entstanden sein wie sie will. Mit diesem, auf ächte Erfahrung gegründeten Ausspruche ist es nur allein zu erklären, dass der Kampher mit gleich gutem Erfolge heim Faulfieher und bei Entzündungen, nach Entziindungs-fiebern u. s. w. angewendet worden ist. Zugleich ergiebt sich aher auch daraus, dass sich die sämmtlichen einzelnen Krankheiten, wo der Kampher nützlich sein kann, nicht gut mit Vollständigkeit an­führen lassen, da jeder Schwächezustand unter gewissen Umstän­den fast bei jeder Krankheit entstehen kann.
Als die wichtigsten Leiden der Art sindz. B. zu nennen: asthe-nische Fieber, namentlich Typhus, Faulfieher, Kervenfieher; fast alle Formen und Arten der Anthraxkrankbeiteu, die gewiss mit dem Typhus die grösste Verwandtschaft besitzen; — sogenannte bran­dige Entzündungen, kalter Brand und brandige Fieber; eben so vernachlässigte, oder übermässig schwächend bebandelte Entzün-dungsfieber und eben solche örtliche Entzündungen, auch wenn sie einen asthenischen, torpiden Charakter angenommen haben, nament­lich Lungenentzündungen, Bräune, die bekannte Pferdeseuche, beson­ders in den spätem Stadien; — veralteter Rheumatismus, derglei­chen Druse; bösartige Schafpocken, namentlich die sogenannten fau­ligen oder Aaspocken, und die Fäule der Schafe. — Bei den bran­digen Fiebern, bei brandigen Entzündungen und bei dem Anthrax ist es mehrentheils zweckmässig, der Anwendung des Kamphers einen Aderlass vorauszuschicken, und ihn mit Salpeter in Verbin­dung zu geben.
sect;. 312.
'2) Eine zweite, jedoch weit weniger genaue Indikation für die An­wendung des Kamphers findet sich bei sogenannten Nervenzu­fällen. Man hat ihn hier viel zu allgemein und einseitig gegen Krämpfe, Zuckungen, den Starrkrampf, die Epilepsie, Koller, Schwin­del und Lähmungen empfohlen, ohne zu berücksichtigen, dass diese Zufälle sehr häufig eben nichts weiter als Zufälle sind, denen ein sehr verschiedenartiger pathologischer Zustand zum Grunde liegt, bei dem der Kampher nicht ohne Ausnahme nützlich, sondern wohl gar schädlich sein kann, oder dass sie mit wichtigen Complikatio-nen verbunden sind, die den Qebrancb dieses Mittels entweder gar
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nicht oder nicht sogleich gestatten. Es ist hierüber noch sehr viel zu erforschen und ich kann daher nur bemerken:
a) Dass der Kampher nur bei solchen Krämpfen und nervösen Zufällen nützlich ist, welche aus sogenannten dynamischen Miss-verhältnissen entstanden sind und den Charakter der torpiden Asthe-nie an sich tragen.
1)) Dass dagegen die genannten Nervenzufillle im Allgemeinen den Kampher nicht gut ertragen, sondern sich eher verschlimmern als bessern, wenn die Thiere gleichzeitig einen sehr hohen Grad von Sensibilität zeigen.
c)nbsp; Dass das Mittel ebenfalls mehr schadet als nützt, wenn Starr­krampf oder andere Krämpfe u. s. w. mit aktiven Cougestionen zu innern Organen, mit allgemeinem Orgasmus oder mit helligem Reiz­fieber verbunden sind; — und
d)nbsp; Dass es auch mehr schadet als nützt, wenn diese Zufälle von materiellen Reizungen, z. B. die Epilepsie junger Hunde von Eingeweidewürmern, entstanden sind, wenn fremde Körper in Wun­den beim Wundstarrkrampf, Knochensplitter bei Brüchen der Schä­delknochen, bei Brüchen und Verrenkungen der Wirbelbeine und dergl. als Ursachen zugegen sind. — Es ist leicht einzusehen, dass die, durch solche Ursachen entstandenen Reizungen des Nerven­systems durch den Kampher nicht aufgehoben werden können, son­dern dass sie vielmehr durch die reizende Wirkung dieses Mittels noch verstärkt werden müssen.
sect;. 313.
3) Eine dritte Indication zur Anwendung des Kamphers findet sich bei solchen Krankheiten, welche durch Unterdrückung der Haut-und Lungenausdünstung entstanden, oder mit anhaltender Störung dieser Funktionen verbunden sind, und welche sich am besten durch verstärkte Hautausdünstung entscheiden; daher namentlich bei ein­fachen katarrhalischen und rheumatischen Fiebern, bei Rheumatis­mus aller Art, z. B. bei der sogenannten rheumatischen Rehe oder Erkältungsverfangenhcit der Pferde, bei dem Verfangen und der Steifigkeit des Rindviehes und der Schweine, bei rheumatischen Lahmheiten, bei Krämpfen, besonders bei rheumatischem Starr­krampf; bei rheumatischem Durchfall und Ruhr; — bei Katarrh, Druse, Staupe, katarrhalischer Bräune, dergleichen Lungenentzün­dung ü. s. w.
Der Kampher kann bei diesen und bei andern, durch unter­drückte Hautausdünstung entstandenen Krankheiten, vermöge sei­ner diaphoretischen Wirkung, ein ganz vortreffliches Mittels ein; al­lein er ist es nicht unbedingt, sondern nur dann, wenn diese Krank­heiten keinen reinen (aktiven, sthenischen oder synochösen) Entzüu-
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dungscharakter an sich tragen. Es kommt also hierbei wieder auf den Krankheitsznstand an, und viele Thierärzte begehen daher ge­rade hier so häufig einen schädlichen Irrthum, weil sie weder den letztem noch die primäre Wirkung des Kamphers beachten, son­dern nur an die Entstehungsursache der vorhandenen Uebel und an die schweisstreibende Wirkung des Mittels denken.
Der Kampher ist bei den bezeichneten Krankheiten am nütz­lichsten: entweder a) sogleich nach geschehener Erkältung, und wenn das Uebel noch in der Entwickelung begriffen ist; er unter­bricht dann oft die letztere auf der Stelle und führt die Heilung in der kürzesten Zeit herbei; oder I)) später, zur Zeit der eintretenden Crisis, wenn die Höhe der Krankheit vorüber ist, oder wenn diese chronisch wird. Unter den letzfern Umständen kann das Mittel ziemlich dreist angewendet werden; unter den erstem verlangt es aber grosse Vorsicht und in der Regel muss ihm auch hier ein massig starker Aderlass vorausgehen (ß. 311.). — In jedem Fall, wo der Kampher als diaphoretisches Mittel angewendet wird, ist es zweckmässig, die Haut auch durch andere Mittel für seine Wir­kung zu stimmen, wie durch Warmhalten des Stalles, durch reich­liche Streu, durch warmes Bedecken der Tbiere, durch Reibungen mit Strohwischen, und vorzüglich durch Dunstbäder.
sect;. 314.
4) Da man last allgemein dem Kampher eine spezifische, die Lebensthätigkeit herabstimmende Wirkung auf die Nieren und die Geschlechtstheile zuschreibt;*) so findet mau auch eine An­zeige für seinen Gebrauch gegen solche Krankheitszustände, die mit heftiger Reizung dieser Organe und mit übermässigem Blut­andrang zu denselben verbunden sind, wie namentlich Entzündung der Nieren, Blutharnen, Harnruhr, Blasenkrampf und daher ent­standene Urinverhaltung, — eben so zu oft wiederkehrender oder zu heftiger Begattungstrieb, Blutanhäufung und Stockung in den Eutern, asthenische und brandige Entzündiingen in denselben und dergl; — besonders aber, wenn diese Zustände von dem Genuss
*) Ich kann aus eigener Erfahrung den üeobachlungen nicht wider­sprechen, welche die Menseheniiizle an Menschen über diese Wirkung gemacht haben, aber bei Thieren mochte ich sie für jetzt nocli nicht als erwiesen annehmen; denn ich babe G Hunde und 2 Haushäbne durcli ein bis drei Monate lang liiglich mit verschiedenen Gaben von Kampher iraklirt, und als diese Tbiere hierauf mit weiblichen Thieren ihrer Art zusammengebracht wurden, zeiglen sie Sich eben so begaünngslustig wie vor dem Versuch, Für die obige Ansicht sprechen die von Ritzel oben (S. 29C.) milgetheillo Beobachtung, und eben so einige Beobachtungen von Walcta (Zeitschr. für Thierlieilkunde, Bd. 3. S. 03.). Ilertwii^ Arznetmitteüebre.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;20
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scharfer Pflanzen oder von Kanthariden entstanden sind. Ich habe ihn selbst in vielen Füllen der Art mit gutem Erfolge angewendet, jedoch ansser dem Blasenkrampf absichtlich nicht in der ganz er­sten Zeit dieser Krankheiten (besonders beim Blutharnen und bei der Harnruhr), und es schien mir in den Fällen, wo er sich am meisten heilsam zeigte, immer schon ein durch Ueberreizung ent­standener sekundärer Zustand vorhanden zu sein, bei welchem das Blut durch die geschwächten oder selbst gelähmten Gefässe der Nieren passiv in das Nierenbecken u. s. w. durchsickerte. Doch sähe ich auch die schmerzhafte Reizung zum Uriniren, welche nach zu grossen Gaben der Kanthariden entstanden war, nach der An­wendung des Kamphers sich mindern. Dennoch muss hier, wie überall, bei reinen Entzündungen der Gebrauch dieses Mittels wi-derrathen werden.
sect;. 315.
Die Gegenanzeigen, die den Gebrauch des Kamphers nicht ge­statten, ergeben sich aus dein, was im Vorstehenden über die Ver­hältnisse, unter denen dieses Mittel nur allein nützlich sein kann, ausführlich erörtert worden ist.
sect;. 316.
Die Grosse der Gabe wird von den thierärzflichen Schriftstel­lern, ohne nähere Erklärung des Grundes, sehr verschieden vorge­schrieben ; sie muss sich aber theils nach der Art der vorhandenen Krankheit, theils nach dem Grade der Schwäche und Reizlosigkeit richten. Bei heftigen Nervenzufällon, bei Krämpfen und bei Läh­mung, und da, wo das Mittel schweisstreibend wirken soll, sind in der Regel grosse Gaben erforderlich; dagegen sind bei asthenischen Fiebern, und überhaupt bei grosser Schwäche, wo man die Lebens-tbätigkeit allgemein und mehr dauernd zu einem hohem Grade erbeben will, kleine oder mittebnässige Gaben nützlicher.
Hiernach giebt man den Kampher: Pferden von -j Drachme bis J Unze, — Rindern von | Drachme bis 1 Unze, — Schafen und Schweinen von 10 Gran bis 1 Drachme, — Hunden von I Gran bis \ Drachme.
Ganz genau lässt sich die Grosse der Gabe für jeden einzel­nen Fall, besonders bei Nervenzul'ällen, nicht im Voraus bestim­men, sondern man muss die nach der ersten Gabe eintretende Wir­kung genau beobachten und sieb mit den übrigen Gaben hiernach richten. — Dasselbe gilt auch von der Wiederholung der einzelnen Gaben, die in Zwischenzeiten von 2 bis ;quot;gt; Stunden einander folgen können, je nachdem die Wirkung durch kürzere oder längere Zeit deutlich wahrzunehmen ist.
Wird das Mittel durch mehrere Tage fortgebraucht, ohne dass
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die Empfindlicbkeii hierdurch merklich erhöht wird, so ist es in der Regel nöthig, die spätem Gaben zu verstärken oder m kürze­ren Zeiträumen zu wiederholen; dagegen bei deutlich eintretender Besserung des Eraukheitszustaudes sie kleiner und langsamer zu geben. Ist aber der beabsichtigte Zweck erreicht, namentlich bei asthenischen Fiebern die Lebenskraft im Blutgefasssystem erhöhet, sind die Arterien voller, kräfUger u. s. w. — oder sind die Nerven zufalle beseitiget, so ist es uöthig, die Gaben des Mittels zu vor­ändern, oder auch seinen weitem Gebrauch zu unterlassen und die vollständige Heilung durch andere, dem Zustande entsprechende Mittel, die zugleich mehr wirklieb stärkend sind, zu bewirken; denn man rauss bedenken, dass der Kampber nur ein Reizmi'-tcl ist, wel­ches zwar schnell die Kräfte des Organismus zum Heiluugsprozess erwecken, aber keine dauernde Wirkungen begründen, dagegen durch Ueberreizung seine ersten wohlthätigen Eindrücke gänzlich wieder vernichten kann.
sect;• 317. Die innerliche Anwendung des Eamphers kann in Pulvern und Lecken nicht gut geschehen, weil er allen Thieren sehr zuwider ist und freiwillig von ihnen nicht gefressen wird; auch zur Anwen­dung in Pillen ist er, als flüchtig wirkendes Mittel, besonders bei dringenden Zufällen, nicht gut geeignet, weil die Pillen sich lang­sam auflüsen und dabei der Kampher seine allgemeine Wirkung nur unvollständig und zu langsam, die örÜiche Einwirkung auf die Verdauungseingeweide aber zu stark entwickeln kann. Dalier giebt man ihn am zweckmässigsten in Latwergen oder in flüssiger Form, und mengt ihn in den ersteren entweder blos als feines Pulver recht genau den übrigen Mitteln bei, oder man lässt ihn vorher mit Eigelb oder mit arabischem Gummi und Wasser durch Rei­ben zur Emulsion machen und diese der Latwerge zumischen. Letz­teres ist umständlicher und etwas theurer, aber auch zweckmässi-ger, da hierbei dor Kampber noch feiner zertheilt und gleichmäs-siger mit der übrigen Masse gemengt wird. — Zur Anwendung dieses Mittels in flüssiger Form ist es im Allgemeinen am besten, dasselbe auf die angegebene Weise durch Schleim, Eigelb, Mehl oder Stärkemehl mit den Flüssigkeiten zu verbinden. Weniger all­gemein zweckmässig ist die Anwendung in fetten (Men oiler in Weingeist. #9632;— Manche Tbierärzte haben den Kampher auch in Form von Dämpfen oder als Häucherung (indem man ihn auf hc-isseu Metallplatten schnell verdunstet) angewendet; es ist jedoch über die Vorzüge dieser Anwendungsart noch nichts Bestimmtes er­mittelt.
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sect;• 318.
Der Kampher wird nur selten für sich allein, sondern mehreu-theils in Verbindung mit verschiedenartigen andern Mitteln ange­wendet. Bei brandigen Entzündungen und solchen Fiebern giebt man ihn zuerst mit Calomel und Neutralsalzen, später mit China, Arnika und dcrgl. Reizmitteln. Bei nervösen Zuständen, die rein asthenisch sind, kann er in der ersten Zeit allein wirksam genug sein, später jedoch verlangen diese Zustände gleichzeitig andere Reizmittel, und man giebt ihn dann in Verbindung mit Baldrian, mir Pfefferminze, Quendel, Angelika, Charaillen, Kalmus u. dgl.; — in dringenden Fällen auch mit Weingeist aufgelöst (als Kampher­spiritus); wenn bei Krämpfen oder Lähmungen, bei Epilepsie oder Koller zugleich die Abstumpfung sehr gross ist, so setzt man ihm Terpentinöl oder stinkendes Thieröl, Arnika, Meisterwurzel, Ber­tramwurzel und dergl. Mittel zu. — Bei chronischen Affectionen der Schleimhäute, z. B, bei veralteter asthenischer Bräune, sind die­selben Zusätze zweckmassig: dagegen hat sich bei catarrhalischeu und rheumatischen Krankheiten, wenn sie weder ganz frisch ent­standen noch sehr veraltet sind, und besonders zur Zeit der Krisis die Verbindung mit Fliederblumen, mit Salmiak, mit Schwefel, Schwefel-Spiessglanz, Goldschwefel, mit Schwefelbalsam, mit kleinen Gallen von Terpentinöl und selbst mit Opium recht nützlich ge­zeigt. — Bei rheumatischem Durchfall und Ruhr, giebt man ihn entweder allein in schleimigen Flüssigkeiten, oder in einem milden fetten Oel aufgelöst, oder auch bei sehr geringer Reizbarkeit in Ver­bindung mit bittern Mitteln, oder mit kleinen Gaben Opium, auch mit kleinen Gaben Brechwurzel oder Rhabarber. Die letztern Ver­bindungen haben sich als sehr wirksam bewährt. — Bei Reizun­gen der Harn- und Geschlechtsorgane ist das Mittel zuerst mit vie­lem Schleim, mit narkotischen Mitteln oder auch mit Calomel, spä­ter mit Alaun, Bleizucker und dergl. adstringirenden Mitteln an­zuwenden.
Eine eigenthüinliche Verbindung des Kamphers ist noch die mit dem Salpeter. Sie scheint, theoretisch betrachtet, nicht passend zu sein, hat sich aber seit langer Zeit bei verschiedenen Krankhei­ten als sehr nützlich bewährt und ist daher auch jetzt noch oft gebräuchlich, besonders bei frisch entstandenen Krankheiten aus Erkältung (daher bei catarrhalischer Bräune, bei Rehe und dergl.) ferner bei allen Formen des schnell verlaufenden Milzbrandes, bei brandigen Entzündungen, bei heftigen Entzündungsfiebern in den spätem Perioden, bei Nierenentzündung und bei dem Starrkrampf der Pferde. Gegen den letztern hat besonders Waldinger diese
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Verbindung sehr empfohlen,quot;) seihst wenn die Krankheit einen ent-ziindlicheu Charakter hesitzt; er liess dabei gewohnlieh eine Drachme Kampher und eine Unze Salpeter, mit Mehl und Wasser zur Lat­werge gemacht, auf einmal geben, und diese Gabe am ersten Tage der Behandlung 5 bis 6 mal, am zweiten Tage 2 bis 3 mal und später, bis zum zehnten oder zwölften Tage täglich nur einmal wie­derholen. Ich kann die heilsame Wirkung dieser Mittel aus meh­ren glücklichen Fällen bestätigen, schreibe ihnen allem aber die ge­lungene Heilung nicht zu, und noch weniger halte ich sie für ein, auf alle Fälle passendes Spezificum, da der Starrkrempf hinsicht­lich der Ursachen, der Form, des Verlaufes u. s. w. in den einzel­nen Fällen seht verschieden erscheint. Mehrmals musste ich den Salpeter weglassen, und den Kampher mit Baldrian und dergl. ge­ben, weil das Gefässsystem einen zu hohen Grad der Schwäche zeigte.
sect;. 319.
Als Einspritzung in die Venen ist die Anwendung des Kam-phers, der sehr ungleichartigen und zuweilen sehr heftigen Wir­kung wegen (sect;. 308. sect;. 30'J. i.), an kranken Thieren stets als ein gewagtes Unternehmen zu betrachten, weshalb man dieselbe nur in verzweifelten Fällen, z. B. bei Lähmungen mit sehr hohen Gra­den von Abstumpfung, bei sehr heftigen Krämpfen und dergl., wo die innerliche Anwendung des Mittels nicht möglich, oder mit zu langsamer oder gar keiner Wirkung begleitet ist, versuchen sollte. Für Pferde und Rinder darf man hierzu bei den ersten lujectioueu nur 10 bis 15 Gran, für Schafe, Schweine und Hunde 1—4 Gran, mit einer verhältnissmässigen Menge einer dünnen, schleimigen Flüssigkeit recht klar abgerieben und durch Leinwand geseihet, — mler in Weingeist aufgelöst, gebrauchen.
sect;. 320.
Aeusserlich wird der Kampher angewendet, um flüchtig zu er­regen und zu beleben, hierdurch die Resorption zu befördern und zu zertheilen. Er erfüllt diese Indikationen auf eine mildere Weise als der Weingeist, und noch viel milder als das Terpentinöl, so dass er für sich allein selbst bei mehrmals wiederholter Anwen­dung mehrentheils keine Entzündung der Haut erregt. Er scheint auch nicht viel tiefer als in die Letztere einzudringen. Dennoch benutzt man ihn Tür die genannten Indikationen sehr häufig bei verschiedenen asthenischen Krankheiten, z. B. bei asthenischen Ent­zündungen, namentlich bei catarrhalischen Augenentzündungen, wenn sie mit viel Geschwulst, mit Extravasaten und ödematösen
*) Waldinger, Therapie, 2le Aufl. i. Tlioil. S. lt;99 u. f.
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Ansainniliingpn unter der Haut, aber nur mit geringer Empfiud-lichkeii verbunden sind, und daher fast niemals in der ersten Zeit ihres Bestehens; bei Ausdehnung der Gelenkbänder und Sehnen, nach Verrenkungen; bei verhärteten Drüsen und andern alten Ge-schwUlsteu, die noch eine Zerrheilung gestatten; bei catarrhaliseher Braune; bei Rheumatismus, bei Verletzung der Gelenkbänder; bei Knorpelfisteln; bei Mauke und bei andern Geschwüren, in denen /.u wenig Thätigkeit besteht; beim kalten Brande u. s. w.
sect;• 321. Die Art der äusseiiichen Anwendung ist sehr verschieden; denn man benutet ihn zuweilen: a) für sich allein, als Pulver zum Ein­strenen in torpide Geschwüre und alte Wunden; oder b) als Zu­satz zu andern Einstreupulvem, z. B. zu Chamillenpulver, Eichen­rinden- oder Kohlenpulver und dergl.; oder c) als Zusatz zu Kräu­terkissen; oder d) mit recht wenig Weingeist zum dünnen Brei ge­macht, zur Applikation auf veraltete Gelenkwunden, wo erdenAus-lluss der Synovia bedeutend vermindert und die Abstossung der abgestorbenen Fasern befördert; oder e) mit (i bis 12Theilen (letz­leres Verhältniss nach der Preussischen Pharmakopöe) Weingeist aufgelöst, wo er den Eampherspiritus {Spiritus camphoralas) darstellt, der mehrentheils zum Waschen und Einreiben bei rheu­matischen Lahmheilen, nach Verrenkungen und zum Verbinden brandiger Wunden und Geschwüre, bei dergleichen Widerristschä-den und dergl. dient, zuweilen aber auch (wie im i;. 318. u.sect;.319. augegeben ist), innerlich und zu Injeklionen in die Venen benutzt wird. Manche Thierärzle setzen ihn auch zu Augcnwässem und andern Flüssigkeiten, jedoch ganz unpassend, weil sich der Kam­pher hierbei aus der wässerigen Flüssigkeit ausscheidet und dann bald gar nicht, bald ungleich und zu heftig wirkt. -- f) [n fettem Oel aufgelöst (z. B. nach der Preuss. Pharm. I Theil in 8 Theileu frischen Mohnöls), wird er als Eampheröl (Oleum camphoralum) oder als Kampherlinimeut (Linimentum campkorae), mehren­theils bei Rheumatismus, bei Drüsengeschwülsten und dergl., als ein sehr passendes Mittel zum Einreiben (nur selten in dieser Ver­bindung auch innerlich, sect;. 'Ml.) benutzt; wobei nach BedUrfuiss die Wirksamkeit durch den Zusatz von Salmiakgeist, Terpentinöl und dergl. sehr verstärkt werden kann, g) Mit Fett oder Butter (1 Theil zu 4 bis (i Theilen) gut abgerieben, als Kamphcrsalbe (Viigncntmn eampliorae), bei gequetschten brandigen Wunden Sat­teldruck, Hautbrand, Mauke und dergl.; oder h) als Znsatz zu an­dern Salben, z. B. zur grauen Quecksilbersalbe (1 Drachme zu ei­ner halben bis ganzen Unze der letzteren), bei Verhärtungen der Drüsen, bei chronischen Entzündungen oder bei Verhärtungen des
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Euters, der Hoden u. s. w. - i) fn Terpentinöl oder Steiuöl auf­gelöst (I Theil zu 0 bis 8 Theilen), bildet er ein sehr durchdrin­gendes Reizmittel zum Einreiben bei Lähmungen, bei chronischem Rheumaiismus, beim Schwinden einzelner Theile. k) Eampher-essig (Aceluin camphor alum) ist nicht gebräuchlich. — Endlich benufzen ihn manche Thieriirzte noch auf die Art, dass sie wollene Lappen mit EampherstQcken bestreichen, und dann mit diesen Lap­pen die Haut reiben. Dies ist jedoch, da die Haut von dem Eam-pher nur sehr wenig aufnimmt und derselbe bei dem Reiben gröss-tentheils verdunstet, keine zwcckmässige Anwendung dieses theuren Arzneimittels.*)
raquo;ritte AMhoiliiiijK.
Harzige und balsamische Arzneimittel (Medicamiaa rc-siuosa cl biihumicti).
sect;. 322. Harz (Resiua) kommt als ein natürliches Erzeugnislaquo; und als ein näherer Bestandtheil in vielen ausdauernden Gewächsen, beson­ders in denen, welche zur Familie der Coniferen und der Tere-binthaeeen gehören, recht häufig (im Thierreich und Mineral­reich nur sehr wenig) vor. Es lliesst entweder in Verbindung mit vielem ätherischen Oel ganz von selbst oder aus Einschnitten, die man zu diesem Zwecke iu verschiedenen Theilen der Pflanzen ge­macht hat, aus, und stellt dann, so lange es durch die reichliche Beimischung von ätherischem Ocl eine weiche, mehr oder weniger flüssige Consistenz besitzt, die sogenannten natürlichen Bal­same dar; — oder man gewinnt es durch .Digestion der baizhal-tigeu Pflanzentheile nut Alkohol, den man. nachher mit Wasser ver-raischl und wieder abdestiUirt. —- Durch Destillation der Balsame und harzigen Mittel kann man das ätherische Oel entfernen und
*) Anmerkung. Es aielil auch einen sogänannlen kOnsllichen Kamplior, der durch das Qloeinleiten von salzsaurem (jase in reklifi-zirles Terpealinöl bereitet wird und dorn ächten Kampher in den inci­sion Kigcnscliafieii alinlicli Ist, aber nicht die Wirkungen desselben er­zeugt. Oifila (a. a. O. S. 347.) gab einem Hunde % Unze dieser Sub­stanz in 1 | Unze Olivenöl anfgeläst; es zcigle sieli keine andere Wir­kung, als dass der liund mall wurde und am 7lcii Tage Starb. Im Ma­gen, nalio am Pförlner, fanden sich mehrere ovale Geschwüre,
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so ihr Harz ziemlich rein darstellen. Dasselbe geschieht auch, aber weniger vollständig, wenn man die Balsame der Luft aussetzt; ein Theil ihres ätherischen Oels geht dann durch Verdunstung verlo­ren, der übrige Theil aber wird durch Aufnahme einer grossern Menge Sauerstüffs allmählig in Harz umgewandelt, bis das letztere fast nur allein übrig ist und eine trockene Masse bildet. Eben so verwandeln sich viele ätherische Oele bei anhaltend freiem Zutritt der Luft in Harz.
Diese Umstände zeigen die natürliche Verwandtschaft der Harze mit den ätherischen Oden; ausserdem ergiebt sich dieselbe aber auch noch daraus, dass diese Substanzen fast gleiche Bestandtheile und mehrere einander ähnliche physikalische Eigenschaften besitzen. Alle Harze bestehen nur aus Kohlen-, Wasser- und Sauerstoff*, den letztern enthalten sie aber reichlicher als die ätherischen Oele und der Kampher, Sie sind im reinen Zustande fast ganz geruch-und geschmacklos und nicht ilüchtig (wodurch sie sich von jenen Substanzen hauptsächlich unterscheiden); durch fremde Beimischun­gen erhalten sie aber Geruch und Geschmack in verschiedener Art. Sie schmelzen bei gelinder Wärme und werden zähe oder dickflüs­sig; bei höherer Hitze geben sie in verschlossenen Gefässeu, ansser den gewöhnlichen Produkten der trockenen Destillation, eigene Säu­ren (sogenannte Brandsäuren), und au der freien Luft verbrennen sie mit heller Flamme und mit nissigem, dickem Rauch. Im Was­ser sind sie unlöslich; viele lösen sich im Weingeist auf, und zwar einige im kalten, andere nur im heissen, und manche nur im ab­soluten Alkohol, die sogenannten Schleimbarze aber nur im wässe­rigen Weingeist; auch Aether, Terpentinöl, Steinül und andere äthe­rische Oele losen viele Harze, aber nicht alle; fette Oele erweichen und lösen ebenfalls viele Harze, besonders im erhitzten Zustande. Mit den Basen verbinden sie sich zu salzartigeuProdukten; ätzende und kohlensaure Alkalien lösen die Harze auf und diese Verbin­dungen sind im Wasser löslich; mit alkalischen Erden indMetall­salzen machen sie schwer lösliche Verbindungen. Essigsäure und Salzsäure lösen mehrere, kalte Schwefelsäure löst fast alle Harze, heisso conzentrirte Schwefelsäure zerstört sie; Salpetersäure bildet eigenthümlicbe Produkte aus ihnen. — Die trockenen Harze sind negativ elektrisch und durch Heiben entwickeln sie diese Elektrizi­tät sehr reichlich; dabei sind sie aber schlechte Leiter der Elek­trizität.
sect;. 323.
Das Harz aus den verschiedenen barzhaltigen Pflanzen ist. auch in seinem reinen Zustande etwas verschieden von andern Harzen. Es kommt zwar am häufigsten mit ätherischem Oel, aber nicht
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mit diesem allein, sondern auch mit Schleim, mit Gummi, mit Wachs, mit scharfen Stoffen, mit Benzoesänre und dergl. verbun­den, in vielen Arzneimitteln vor. Durch die Verbindung mit die­sen verschiedenen Stoffen erhalten aber die harzigen Arzneimittel etwas von einander abweichende Eigenschaften, nach denen man sie, mit Rücksicht auf ihre Bestandtheile in mehrere ünterabthei-hmgen gebracht und namentlich:
A)nbsp; Rein harzige Mittel;
B)nbsp; Harz mit ätherischem Oel (die natürlichen Bal­same);
C)nbsp; Harz mit Gummi oder Schleim (die sogenannten Gummi- oder Schleimharzc);
D)nbsp; Harz mit brenzlichem Oel und dergl. unterschieden hat. Die letztere Verbindung gehört jedoch nicht hierher, sondern in die folgende vierte Abtheilung; und eben so finden die Mittel, in denen das Harz nur als ein Nebenbesfandfbeil neben ätherischem Oel, neben scharfen oder narkotischen Stoffen erscheint, theils in der vorhergehenden ersten Abtheilung dieser Klasse, theils in der folgenden sechsten und siebenten Klasse ih­ren Ort.
A) Rein barzige Mittel.
Obgleich es, streng genommen, kaum ein ganz reines Harz giebt, so findet sich dasselbe doch in einigen Mitteln nur mit so wenig Sehleim, ätherischem Oel oder andern Stoffen versetzt, dass die letzteren auf die Wirkung dieser Mittel fast gar keinen Einlluss haben. Es sind jedoch nur folgende wenige:
I. Fichteuharz, gemeines Harz, Resiaa Plui s. Resiaa com
muitlt,
sect;. 324. Dieses Harz ist, seinem Ursprünge und seinen Bestandtheileu nach, mit dem Terpentin (sect;. 32S.) sehr verwandt, und nur durch seinen ganz geringen Gehalt an Terpentinöl von ihm verschieden. Von dem Letztern enthält es 10 bis 15 Prozent. — Bei der inner­lichen Anwendung wirkt es zunächst in einem gelinden Grade er­regend auf die von ihm berührten Theile des Magens und Darm­kanals, und wenn es hierauf verdauet, assimilirt und in das Blut gebracht wird, so macht es dasselbe etwas röther und mehr gerinn­bar. Dabei scheint es auf die grossen Gelasse und aquot;f das Herz wenig oder gar keinen bemerkbaren Einfluss auszuüben, denn man
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sii'hi seihst nach sehr grosseu Graben (ich wendete os versuchs-weise l)is zu 24 Uuzeu auf einmal bei Pferden an) oft gar keine, 'A\ mir äussersi geringe Veränderungen in tier Zahl und Beschaf­fenheit der Pulse und der Herzschläge entstehen. Dagegen werden die feinen abgesonderten Arterien der Nieren und zum Theii auch der Schleimhäute in kurzer Zeit in einen gereizten Zustand versetzt, wobei die absondernde Thiitigkeit dieser Organe mehrentheils ver­mehrt, oft aber auch vermindert erscheint. Diese Ungleichartigkeit der Wirkung ist grosstentheils von dem Zustande der in den ge­nannten Organen obwaltenden Lebenskraft, und besonders von dein Grade der Reizbarkeit abhängig; denn man sieht ganz deutlieb, dass wenn ein hoher Grad von Reizbarkeit in ihnen, oder in ver­wandten Organen, oder auch nur im Oefasssystem besteht, das Harz die Absonderung sowohl in den Nieren als auch in den Schleimhäuten vermindert, — dagegen bei einem massigen Grade der Lebensthätigkeit, noch mehr aber bei Schwäche und Erschlaf­fung die Absonderung vermehrt. Auch mag wahrscheinlich die Beschaffenheit des Verdauungsprozesses zu der bald mehr bald we­niger vollständigen Wirkung des Harzes etwas beitragen; denn das­selbe ist in den Magen-und Darmsäften schwer auflöslich und da­ner auch sehr schwer verdaulich; ohne verdauet zu sein, geht es aber wenig oder gar nicht in das Blut über, und bei manchen ga­sirischen Ivrankheilszustiinden, die aber bis jetzt noch nicht gehö­rig ermittelt sind, kann also auch die weitere Wirkung nicht er­folgen, (iicbl mau das Harz in sehr grosser Quantität, so gehl: der grösste Theil davon völlig unverdauet mit den Darm-Exkre­menten wieder ab, es entsteht aber gewöhnlich eine starke Reizung des Darmkauais, und in Folge dessen ein Durchfall.
Da das Harz zur Bildung thierischer Materie nicht geeignet ist, so wird auch dasjenige, welches in das Blut gelangt ist, nach kurzem Aufenthalt in demselben wieder entfernt, und zwar nur durch die Nieren. Bei Pferden geschieht dies mit etwa 12 bis 2Ü Stunden, bei Hunden etwas früher. Vielleicht wird eben durch diese Ausscheidung erst die Reizung der Nieren und in Folge dessen das vermehrte Uriniren veranlasst, indem hierbei die ge­nannten Organe, wenigstens zum Theil, mit dem Harz in eine stär­kere und mehr unmittelbare Berührung kommen als andere.
Die Stärke und Dauer der urinlreibenden Wirkung ist bei ein­zelnen Tbicren sehr verschieden; Viborg, der über die Wirkungen des Harzes zuerst gründliche Versuche gemacht hat,*) sähe das
') Vel. Selskal). Skrlfl, I. Ril. p. 81. — deutsch Uberselzl inTeuf-fels Magazin der Tliieiheilk. I. FUI. 2. Ilufl S. (79.
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stärkere ürlulren nach einer Unze dieses Mittels bei sechs verschie-deneu Füllen nur durch 10 liis 12 Stunden, in auderu auch durch 24 Stunden, und zuweilen durch 2 Tage und noch länger.
Der Urin erscheint während dieser Zeit fast bei allen Tliieren klar und wässerig, und nach massigen Gaben des Mittels ohnebe-sondern Geruch; nach grosseu oder mehrmals wiederholten Gaben nimmt er aber zuweilen einen veilcbenartigen Geruch an, und nach vorübergegangener Wirkung wird er gewöhnlich trüi) und bräun­lich. Manche Beobachter sahen auch Blutbarueu und blutige Mild, hiernach entstehen, ich sähe dies selbst nach sehr grosseu Gaben bei keinem Thieie.
Viborg spritzte auch eine Auflösung von einer halben Drachme des Harzes in einer halben Unze rektifizirteu Weingeists einem al­ten, kraftlosen Pferde in die Vene und sähe bald darauf den Puls voller und das Thier munterer werden; nach Verlauf von 2 Stun­den entleerte dasselbe eine Menge eines bräunlichen Urins, nach drei Stunden aber klaren Urin, und behielt während der Zeit seine gewöhnliche Fresslust. — Als er aber hierauf demselben Pferde 2 Drachmen Harz in 2 Unzen Weingeist gelost in die Vene spritzte, zeigte das Thier fast augenblicklich Drang zur Eothentleerung, Schwindel, vollen und schnellen Puls, hervorstehende imd glänzende Augen. Die Fresslust blieb bei diesen Zufällen gleichmässig gut, und nach Verlauf einer Stunde waren letztere verschwunden. Zwei Stunden nach der [njektion minirie das Pferd; der Harn war klar und ging m den folgenden ligt; Stunden in solcher Menge ab, als ob das Thier den Laulerstall hätte; nach 'Mlt; Stunden befand sich dasselbe aber ganz wie vor dem Versuch.
Auf Wunden und Geschwüre gebracht bildet das pulverisirte Harz bald eine stark klebende Kruste und wirkt ziemlich stark und anhaltend reizend, jedoch vorherrschend auf die Geiassthätigkeit, weniger auf die Nerven; es verursacht stärkeren Zulluss der Säfte, grössere Röthung und verstärkten Bildungstrieb, der sich, wenn die Heizung nicht vorher schon einen zu hohen Grad erreicht hatte, durch vermehrte Absonderung eines consistenten Eiters und durch lebhaftere Granulation zu erkennen giebt. Diese Wirkungen sind jedoch nur oberflächlich und fast ganz allein auf den Ort der An­wendung beschränkt. Absorption des äusserlich angewendeten Har­zes, scheint nur in sehr beschränktem Maasse oder auch gar nicht zu erfolgen.
Auf der äussern Haut wirkt es gelind, aber anhaltend erre­gend, und gleichfalls stark klebend.
Man gehraucht das Harz innerlich fast nur alldn als urinirci-beudes, sehr selten auch als auswurfbetbrderndes Mittel. Seine
plusmn;
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übrigen Wirkungen sind zu unbedeutend, als dass man sie zur Erreichung von Heilzwecken benutzen könnte.
Als urintreibendes Mittel darf es nur bei asthenischen Krank-heiteu, bei denen eine vermehrte Harnsekretion zweckinässig er-sebeint, angewendet werden, wie z.B. bei veralteter Druse, bei der­gleichen Rheumatismus, bei ödeinatosen Anschwellungen, l)ei Bauch­wassersucht, bei und nach Mauke, Räude und dergl.
Als auswurfbefiirdi'mdes Mittel ist es gleichfalls nur bei ver­alteten asthenischen Krankheiten der Schleimhaut in den Respira­tionsorganen, z. B. bei dem schleimigen Dampf zu benutzen, aber recht gut durch wirksamere Mittel zu ersetzen.
Die Injektion des Harzes in die Venen ist ebenfalls bei den genannten chronischen Krankheiten anwendbar, jedoch selten nö-thig, da man bei denselben stets Zeit genug hat, die Wirkung des innerlich angewendeten Harzes und anderer urintreibender Mittel abzuwarten. — Die Injektion ist aber dann zu empfehlen, wenn die innerlichen Mittel zu wenig leisten und wenn die kranken Thiere nur einen sehr geringen Werth haben, wo man also recht wohlfeil heilen muss.
Die Gabe ist für Pferde und Rinder zum innern Gebrauch | bis 2 Unzen, für Schafe, Ziegen und Schweine 1 Drachme bis i Unze, für Hunde % Scrupel bis 2 Drachmen.
Die Anwendung geschieht am besten in Pillen, die aus dem fein pulverisirten Harz, etwas Mehl oder Altbeewurzelpulver und dem nothigen Wasser, oder noch besser mit gleichen Theilen ordi­närer Seife bereitet werden. In Latwergen ist das Mittel zwar auch anzuwenden, aber aus dem Grunde weniger gut, weil es bei dem unvermeidlichen Kauen der Latwerge sich fest zwischen die Zähne setzt und dann den Thieren die Fresslust verdirbt. Dagegen kann es in flüssiger Form, und zwar mit conzentrirtem Seifenwasser, oder mit einer Auflösung von kohlensaurem Kali (Po(asche), oder mit gewöhnlicher Aschenlauge gut zusammen geschüttelt, recht zweckinässig angewendet werden, weil es dann schneller und kräf­tiger urintreibend wirkt. Theurer und weniger wirksam ist die Anwendung des Harzes in einer schleimigen Flüssigkeit von ara­bischem Gummi, oder Eigelb und Wasser.
Ausser dem kohlensauren Kali und der Seife trägt auch der Salpeter, der Weinstein und das Glaubersalz zur Verstärkung der urintreibenden Wirkung des Harzes bei, und dasselbe kann daher, wenn nicht ein zu hoher Grad von Schwäche besteht, recht zweck­inässig mit diesen Mitteln verbunden angewendet werden; z. B.
Nimm: pulverisirtes Fichtenharz,
— Salpeter, von jedem % Unze,
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ordinäre Seife 3 Drachmen,
Wasser (oder besser Syrup), so viel als nöthig is zur Bereitung einer Pille.
Man giebt eine solche Pille (und überhaupt das Fichtenharz) täglich so lange, bis hinreichende Wirkung eingetreten ist.
Zuweilen setzt man auch Wachholderbeeren- oder Petersilien-samen oder Wasserfenchelpulver zu dem Harze, besonders wenn man dasselbe in Latwergen anwendet und durch ein passendes Mittel die Masse vermehren will.
In den meisten Fällen ist wohl das Harz durch das Terpentinöl zu ersetzen; Viborg giebt ihm aber vor dem letztern und vor dem Terpentin den Vorzug, weil es wohlfeiler, leichter mit sich zu führen, leichter in Pillenform zu bringen und (wie er glaubte) auch weniger schwächend für die Verdauungsorgauo ist.
Zur Injektion in die Venen kann man für Pferde und Rind­vieh eine halbe bis 2 Drachmen Harz, in einer halben bis 2 Unzen Weingeist aufgelöst, benutzen. Bei kleineren Thieren sind 10 bis 20 Gran, in 1 bis 2 Drachmen Weingeist aufgelöst, hinreichend.
Aeusserlich wird das Harz für sich allein fast gar nicht an­gewendet, sondern es dient nur mit Fett oder Talg, Wachs und dergl. zur Bereitung gelind reizender Salben und Pflaster, z. B. der sogenannten Königssalbe oder gemeinen Harzsalbe (L'ng'i/cK-tum Basilimm, Ung. ResUwe V'mi), welche nach älteren Vorschriften aus: gemeinem Harz, Terpentin, gelbem Wachs, Rindstalg und Schweinefett besteht, und ihrer gelind reizenden Eigenschaften we­gen bei Wunden oder Geschwüren, in denen zu geringe Thätigkeit besteht, als ein mildes Digestivmittel benutzt werden kann. — Die neueren Vorschriflcn für die Bereitung dieser Salbe weichen sehr von einander ab, und namentlich lässt die Preuss. Pharmakopöe anstatt des Fichtenharzes Colophonium nehmen, wodurch die Salbe milder wird.
Eben so dient es zu der etwas einfacheren gelben Salbe (Ung. ßavum s. Ung. Itesinae I'ini), welche die Stelle der ehemaligen Altheesalbe (sect;. 159.) einnehmen soll, aber ein viel mehr reizendes Mittel ist. Die neueste Preuss. Pharmakopöe schreibt hierzu statt des Fichtenharzes das Burgunder-Harz vor, wodurch die Salbe etwas milder wird.
Von den Harzpflastern ist mir das gelbe Wachspflaster, der gelbe Zug oder das Baum wachs {Emplaslrum riirinum, Ce-ratum filrinum s. Resinne Pint, Cera arborea) anzuftihren; es be­steht aus: gelbem Wachs 2 Pfund, Fichtenharz 1 Pfund, Hammel­talg und Terpentin von jedem 1, Pfund, — klebt pehr stark und wird von manchen Thierärzten zum Ausfüllen der Hornspalten, der
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tief ausgeschnittenen Steingallen, der sogenannten hohlen Wände des Hufes und dergL als ein schützendes Mittel augewendet. Es ist aber durch etwas dicken Theer zu ersetzen. Die übrigen Harz-pflaster sind in der Thierheilkunde nicht gebräuchlich.
2. Weisses Harz, weisses oder Burguudisches Pech, Re-
siua alt/a, Pi.v alüit s. Burgtmdica,
sect;. 325. Ein rothgelbes, durchscheinendes, zerreibliches Harz, welches durch Schmelzen des gemeinen Fichtenharzes mit Wasser und uaebheriges Filtriren gereinigt und last gänzlich von Terpentinöl befreit worden ist. Hierdurch unterscheidet sich dieses Harz von dem gemeinen Fichtenharz, und es ist daher auch etwas weniger reizend als dieses, übrigens aber stimmt es in den wesentlichen Ei­genschaften und in den Wirkungen fast ganz mit demselben über­ein. Es kann daher innerlich und äusserlich wie das Ficbtenliarz angewendet werden. Wagner zu Müblbeim (s. Busch teutsche Zeitschrift der Tbierheilk. Bd. 3. Heft 4, S. 57.) hat es mit gutem Erfolge gegen atonisebe Wassersüchten und gegen Vereiterungen der Lunge benutzt. Er liess es innerlich in Latwergen (Rp.; He-sin. pin. Burgundic. 8 Unzen, litjue/acl. sup. ign. lere c. ^Jm;///4 Un­zen, irt Arjnac funlan. 4 Unzen sohlt, adde: Pulv. sem. Plielhindr. aqnnf. Pub', md. Angelic, ana 'l Unzen, Cumin. Ammoniac. J Unze, Plumb, acet. 1 Drachme, l^ini nostral. ij. s. ad ciccluarium. S. Alle
2—3 Stunden 2 Esslöffel voll zu geben),*) — ausserdem auch als Injektion in die Venen und zum Räuchern anwenden. Die Injek tionen wurden aus einer Auflösung von 2 Drachmen des Harzes in 2 Unzen höchst reklilizirten (1) Weingeistes, davon die halbe bis ganze Quantität auf einmal, gemacht. — Aeusserlich wird es zu klebenden reizenden Pflastern (s. Spanische Fliegen) und zu reizenden Salben, namentlich zu der Burgundischeu Harz­salbe (Vng. Resinae Plni Burgundicae) der Pbarmaki pöe benutzt, die man als ein massig starkes Digestivmittel bei Wunden und Geschwüren mit zu geringer Thäligkeit anwenden kann (s. den vorigen sect;.),
A. Colopbonium, Geigenharz, Colophonium,
sect;. 326. Es enthält dasselbe Harz wie die beiden vorhergehenden Mit­tel, jedoch fast gar kein Terpentinöl, dafür aber einige empyreu-
) Eine sehr coropllzfrle Zasammensetzangl
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matisclie Bestaadibeile in unbedeutender Menge. Seine Wirkungen sind daher ebenfalls im Wesentlichen mit denen des Fichtenharzes Ubereinstünmend, wie dies auch Viborg (a. a. 0.) hinsichtlich der urintreibenden Wirkung durch Versuche gezeigt hat; allein es wirkt weniger reizend, schwächer und laugsamer. In Ermangelung des Fichtenharzes kann daher das Colophonium hei denselben Krank­heiten, wo dieses empfohlen ist, und auf dieselbe Weise, jedoch in etwas starkem Sahen angewendet werden. Die alten griechischen Thierärzte haben es auch zu ihren sogenannten nervenstärkenden Tränken gesetzt,') allein nervenstärkende Kräfte besitzt dieses Mit­tel gar nicht.
Aeusserlich wurde ehemals das pulverisirte Colophonium als blutstillendes Mittel in Wunden pestreuet; Bonafoux hat hierzu ein Pulver empfohlen, welches aus Colophonium 2 Theilen und aus arabischem Gummi und Holzkohle von jedem 1 Theil, alles fein pulverisirt, zusammengesetzt ist. Dasselbe wird dick aufgestreuet und durch einen Verband festgehalten. Es wirkt hier nur durch seine klebende Eigenschaft und kann daher auch nur bei schwa­chen und parencbymatösen Blutungen etwas nutzen. —#9632; Mehren­theils dient es nur noch zur Bereitung einiger Salben und Pilaster, namentlich der Basilikumsalbe.
4. Schwarzes Pech, Schiffspech, Pix nigra so/ida s. navalis.
sect;. 327. Das schwarze Pech ist ein unreines, mit brenzlichen Theilen vermischtes, aber von ätherischem Oel ganz freies Fichtenharz, wel­ches sieh bei den mit ihm gemachten Versuchen innerlich als ganz unverdaulich und ohne besondere Wirkung gezeigt hat. —#9632; Dage­gen ist es äusserlich schon lange als ein reizendes, bei Verdiekun gen und Verhärtungen die Zertheilung oder die Eiterimg beför­derndes und stark klebendes, schützendes Mittel, theils für sieh al­lein, Iheils als Zusatz zu Salben und Pllastern benutzt worden, z. B. wieder zu dem sogenannten englischen scharfen Pflaster. — Der geschickte dänische Thierarzt Bund hat ein Pflaster ans glei­chen Theilen von schwarzem Pech und dickem Terpentin, durch Zusammenschmelzen bereitet, als ein ganz vorzügliches Heilmittel bei Satteldruck und Widerristschaden empfohlen. Seiner Vorschrift gemäss streicht man dasselbe auf ein Stück weiches Leder, welches so gross ist, dass es auf allen Seiten über den Hand des Oeschwürs l bis J.raquo;- Zoll hinwegreichf, reiniget das Letztere, füllt die Vertie-
') ttaellii Veterinär, medic, iibii dao, Paris 1ü30. Fol. p. (07.
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f'ungen mit Werg so ans, dass dadurch eine mit den Hauträudem gleiche Flüche entsteht, und bedeckt dann das Ganze mit dem Pfla­ster. Dieses bleibt unverändert durch 5 bis 6 Tage liegen, wird dann behutsam vom untern Rande her, wo es sich gewöhnlich durch den abüiessenden Eiter schon etwas von der Haut getrennt hat, abgenommen, neu mit der Pflastermasse bestrichen und wieder auf­gelegt, nachdem das Geschwür gereiniget und zum Theil, aber nicht ganz, mit Werg wieder ausgefüllt worden ist. Nach etwa 14 Tagen wird dies Verfahren wiederholt und in derselben Weise bis zur gänzlichen Heilung fortgesetzt. — Ausser der Einfachheit und Wohlfeilheit soll der Hauptvortheil dieser Behandlung darin be­stehen, dass man die Pferde während derselben gebrauchen und selbst reiten kann (wenn nur die Decke unter dem Sattel so auf­gelegt ist, dass sie keinen ungleichen Druck hervorbringt) und dass dennoch die Heilung hierbei sehr schnell erfolgt. Viborg bestä­tigt den guten Erfolg dieses Heilverfahrens.*) — Bei vorhandenen tiefen Fisteln wird man aber mit demselben und ohne den geschick­ten Gebrauch des Messers nicht ausreichen.
B) Harz mit ätherischem Ocl.
Die hierher gehörigen Arzneimittel bestehen aus einer von der Natur gebildeten Verbindung von Harz mit ätherischem Oel. So­wohl das Erstere wie das Letztere ist in den einzelnen Mitteln von verschiedener Qualität, und eben so ist das quantitative Verhältniss dieser beiden Stoffe zu einander sehr verschieden. Die Mittel (mit Ausnahme der Fichtensprossen) erscheinen daher auch, je nachdem das ätherische Oel oder das Harz vorwaltet, bald mehr flüssig (als Balsam) bald mehr trocken und spröde. Sie besitzen anhaltend und flüchtig reizende Eigenschaften, und zwar grösstentheils wie­der in demselben Verhältniss, wie sie vorherrschend Harz oder äthe­risches Oel enthalten. — Diese Mittel sind zahlreicher als die rein harzigen; allein die meisten sind ausländisch, für den thierarznei-lichen Gebrauch zu kostbar, aber auch recht gut zu entbehren, und durch die wenigen inländischen zu ersetzen.
5. Terpentin, gemeiner Terpentin, Terebinlhma, Terebinth'ma
communis.
sect;. 328. Der Terpentin ist ein natürlicher Balsam, welcher grösstentheils aus Harz und Terpentinöl besteht, und durch Destillation in diese
') Veler. Selskab. Skrift. 2 Deel S. 362.
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beiden Bestandtheile zerlegt werden kann. Er hat daher mit dem Fichtenharz eine grosso innere Aehnlichkeit und unterscheidet sich von demselben mir durch seinen grössern Reichtbum an ätherischem Oel (13 bis über 30 pr. C, nach Verschiedenheit der Abstammung, der Art und des Alters des Mittels), und durch die hiervon ab­hängige weiche (balsamische) Consistenz. — In seinen Wirkungen auf den Thierkörper verhält sich der Terpentin ebenfalls dem Fich­tenharze sehr ahnlich; er ist jedoch bei der innerlichen und iuisser-lichen Anwendung mehr durchdringend, selbst etwas scharf reizend. Für sich allein auf die Haut applizirt, bringt er bei längerer Zeit der Berührung die verschiedenen Grade der Heizung bis zur Bildung von Bläschen und bis zur Ausschwitzung hervor; — auf Wunden und Geschwüre wirkt er ebenfalls heftig reizend, so dass zunächst stärkere Entzündung eintritt, und darnach ein lebhafterer Bilduugsprozess mit vermehrter Eiterung und Granulation folgt. Dabei wird zwar vorzüglich, wie von dem Harz, die Thätigkeit der Haargefässe vermehrt, zugleich aber auch die Empfindlichkeit etwas stärker erregt als von dem letztern. Auch scheint der Terpentin mehr in die Substanz der Theile einzudringen, tiefer zu wirken und selbst etwas absorbirt zu werden. — Innerlich angewendet ver­ursacht er in kleinen Gaben primär eine grössere Thätigkeit der Verdauungseingeweide, stärkere wurmfürmige Bewegung, vermehrte Absonderung, erhöbete Wärme und bessere Verdauung; er selbst wird jedoch, wenn er nicht durch passende Mittel auf löslich ge­macht ist, nur schwer und unvollkommen verdauet. In zu grossen Gaben reizt er die Schleimhaut des Verdauungskauais zu übermäs-siger Absonderung, und verursacht dadurch Purgiren. — In den Verdauungseingeweiden wird der Terpentin, und besonders sein ätherisches Oel, zum grossen Theile absorbirt, und dann durch die Nieren wieder aus dem Korper entfernt. Leiden die Thiere nicht an Entzündungskrankheiten, so werden das Herz und die grösse-ren Arterien hierbei wieder wie bei der Wirkung des Harzes nur sehr wenig affizirt, obgleich das Blut schon nach einer einzigen, etwas starken Gabe des Mittels röther und mehr gerinnbar wird. Bei einem vorher schon aufgeregten Zustande, namentlich bei ent­zündlichen Fiebern, wird aber sehr bald der Puls härterund schnel­ler. Der Urin nimmt oft schon nach 2 bis 3 Stunden einen Veil­chengeruch an, und wird gewöhnlich nach S bis 12 Stunden durch einige Zeit in grösserer Menge entleert — wenn nicht etwa ein reiner Entzündungszustand dies verhindert; denn es verhält sich hierbei ganz wie bei dem Fichtenharz (sect;. 324.) In zu grossen Gaben und zu anhaltend gebraucht, verursacht der Terpentin be­schwerliches Harnen, Blutharneu, Blutmelken und Niereneutzün-
llertwig ArzneimiUellefare.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;quot;^
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dung; er geht daun auch, nach nieinen Versuchen, in die Milch über, und ertheilt ihr einen Harzgeschmack. Ausserdera wird auch die Absonderung an der Schleimhaut der Respiratiousorgane und des Maules dünnflüssiger und etwas vermehrt, und die Hautaus-di'mstung gleichfalls etwas reichlicher. — Eine wichtige und eigen-thlhnliche Wirkung auf die Nerven habe ich nicht beobachtet.
Der innerliche Gebrauch des Terpentins ist bei denselben asthe-uiscbeu Krankheiten angezeigt, bei denen das Fichtenharz empfoh­len ist. Er ist hierbei häufig durch das Letztere zu ersetzen, was um so mehr geschehen kann, da es wohlfeiler ist und sich leicht pulverisireu lii.sst; verdient aber als etwas wirksamer den Vorzug, wenn gleichzeitig Reizlosigkeit und Unthätigkeit der Verdauungs­eingeweide besteht, oder wenn man vorzüglich in den Schleimhäu­ten, besonders in denen der Respirationsorgane, die Irritabilität und Thätigkeit vermehren will. Bei sehr grosser Schwäche des Magens und Darmkanals wird er wenig verdauet und nicht gut ertragen, und er ist dann, wenn Mittel der Art nöthig sind, am besten durch das Terpentinöl zu ersetzen. — Bei reinen, akuten Entzündungen und bei dergleichen Entzündungsficbern ist er immer sehr schädlich.
Die Gabe vom Terpentin ist für Pferde und Rinder •£—1^ Un­zen, für Schafe und Schweine 1 —;{ Drachmen, für Hunde 5 Gran bis -j Drachme, täglich ein- bis dreimal. Als harntreibendes Mit­tel giebt man ihn nämlich am besten in den bezeichneten grossen (iahen, und nur nach grossen Zwischenzeiten wiederholt, bis der Zweck erreicht ist; wo man aber eine gleichmässige und dauernd erhöhete Thätigkeit der Blut- und Lymphgefässe, der Schleimhäute u. s. w. herbeiführen will, da sind öfters wiederholte massige Ga­ben nöthig. — Die grossen Hausthiere, und namentlich Pferde, er­tragen den Terpentin bis zu 3, seihst zu 4 Uuzsn in einer Gabe, und französische Tbierärzte (Moirond, Arzneimittellehre S. 341.) wenden ihn auch in so grossen Gaben als Heilmittel an; ich habe aber dergleichen'bis jetzt noch niemals bedurft, sondern die hin­reichende Wirkung immer von den vorhin bezeichneten Gaben ent­stehen sehen.
Die Anwendung kann in Pillen, in Latwergen und in flüssiger Form geschehen. Manche Tbierärzte wenden auch den Terpentin sehr einfach auf die Weise an, dass sie ihn in eine Düte oder Pa trone von Papier gewickelt, den Thieren in den Hals stecken. Dies Verfahren ist jedoch aus zweierlei LTrsachen nicht zu empfehlen; denn i) wenn das Eingeben nicht recht genau geschiebt, so kommt das Mittel zwischen die Zähne, setzt sich hier fest, verdirbt den Thieren die Fresslust gänzlich und verursacht selbst Entzündung der Maulschleimhaut, und 2) ist der Terpentin in seinem reinen
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Zustande und für sich allein viel schwerer verdaulich und weniger wirksam, als in Verbindung mit andern entsprechenden Mitteln. — Es ist daher sehr zweckmässig, dass man ihn, auch wenn er in Pillen oder Latwergen angewendet wird, mit solchen Substanzen verbindet, weiche ihn fein zertheilen oder mit Flüssigkeiten misch­bar machen, und bei der flüssigen Form ist dies durchaus ncthig. Die letztere ist wohl am vorzüglichsten (wenn die Krankheit ihre Anwendung gestattet), weil der Terpentin in ihr am wenigsten die Verdauungseingeweide belästigt, am besten zur Absorption vorbereitet ist, und daher auch am schnellsten und kräftigsten wirkt. —
Diesem Zweck entsprechend, reibt man den Terpenthin mit Sy­rup oder mit Honig, mit grüner oder weisser Seife, mit Eigelb oder mit arabischem Gummi und etwas Wasser zusammen, und setzt dann dieser Verbindung, wenn sie zu Pillen oder Latwergen gemacht werden soll, so viel Pulver von bittern oder aromatischen und anderen Mitteln zu, dass hierdurch die gehörige Masse ent­steht; — soll elaquo; aber eine flüssige Mixtur werden, so verdünnt man sie unter fortwährendem Zusammenreibcn mit so viel war­men Wassers, dass auf eine Drachme des Terpentins gegen 2 Un­zen von letzterem kommen.
Die urintrciliende Wirkung des Terpentins wird (wie die des Fichtenharzes) bedeutend verstärkt, wenn man ihn in Verbindung mit Salpeter, Weinstein, Glaubersalz, kohlensaurem Kali oder Seife anwendet, und diese Verbindung ist daher bei Wassersuchten, bei odeinatösen Anschwellungen und bei Anhäufung sandiger Massen in der Urinblase recht nützlich.
Aeusserlich gebraucht man den Terpentin sehr häufig, und zwar 1) als sogenanntes Digestivmittel zur Vermehrung der Thä-tigkeit in Wunden und Geschwüren, die einen torpiden Charakter besitzen. Für sich allein ist er in den meisten Fällen zu reizend und daher nur bei sehr grosser Erschiaffung und nur so lange zu benutzen, bis gute Kiterung eingetreten ist; deshalb wird er meh-rentheils mit verschiedenen Feiten und mit Wachs, oder auch ganz einfach mit Honig oder mit Eigelb zur Salbe gemacht, angewendet. Die fettigen Digestivsalben bewirken aber leicht wieder eine zu grosse Erschlaffung, und werden deshalb jetzt nur noch wenig ge­hraucht, sondern durch die Verbindungen des Terpentins mit Ho nig oder Eigelb ersetzt. Die letztern haben jedoch wieder den Nachtheil, dass sie hei langer Autbewahrung leicht verderben, und sie dürfen deshalb niemals in grosser Menge vonäfhig gehalten werden, — was auch bei ihrer schneller) und leichten Bereifung nicht nöthig ist. - Die Quantität des Terpentins zu der des Ho-
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nigs oder Eigelbes ist nicht für alle Fälle gleichmässig, sondern muss sich nach dem Grade der in den kranken Theilen bestehen­den Reizlosigkeit und Unthätigkeit richten; 1 Unze Terpentin zu 2 Unzen Honig oder zu dem Gelben von 4 Eiern, giebt eine Salbe von massig reizender Kraft, welche man durch mehr Terpentin, oder durch Zusatz von Terpentinöl, von Weingeist, von Myrrhen­oder Aloepulver, Myrrhen- oder Aloetinktur und dergl. noch mehr verstärken kann.
Für tiefe Wunden und Fisteln, in denen zu geringe Thätigkeifc besteht, wo der Eiter dünn, jauchig und stinkend ist, eignet sich statt der Salben weit besser das von Wolstein empfohlene soge­nannte balsamische Digestivwasser, welches man täglich ein- bis zweimal in die Fisteln spritzt, nachdem sie gereinigt sind. Es wird nach seiner Vorschrift bereitet: aus reinem Terpentin, 4 Loth — Peruviauiscbem Balsam 1 Loth — 2 Eierdottern und | Pfund Kalkwasser. *) Der Peruvianische Balsam ist jedoch dabei zu entbehren, weil er dem Mittel keine besondere Eigenschaft er-theilt, aber dasselbe thener macht; dagegen kann man durch den Zusatz von einer halben bis ganzen Unze Terpentinöl seine Wirk­samkeit sehr verstärken.
Bei Wunden, welche frisch entstanden sind und durch schnelle Vereinigung geheilt werden sollen, oder wo ein hoher Grad von Entzündung besteht, sind alle terpentinhaltigen Mittel schädlich.
2) Zuweilen wendet man den Terpentin auch auf harte, tor-pide Geschwülste, z. B. auf alte Drüsenknoten, auf Stollbeulen, Ueberbeine, Gallen und dergl. an, um Zertheilung oder Eiterung in ihnen zu bewirken. Er wird zu diesem Zweck bald für sich allein, bald mit andern und noch mehr reizenden Mitteln, z. B. mit spanischem Pfeffer, mit Euphorbiumharz oder mit Aetz-Sublimat verbunden, benutzt, indem man ihn entweder unmittelbar auf die kranken Gebilde schmiert und einreibt, oder auf Leder gestrichen als Pflaster auflegt, je nachdem der Ort der Anwendung es gestat­tet. Eine Zusammensetzung von 8, 12 bis Iti Theilen Terpentin und 1 Theil ätzendem Quecksilber-Sublimat, hat sich hei alten Stollbeulen und verhärtete)^ Brustbeulen (nach Girard undVatel, Recueil de med veter. 1S29, p. 169.) sehr wirksam gezeigt. Das Mittel wird auf die Haut der Geschwulst so dünn aufgestrichen, dass es sich nicht weiter verbreiten kann; nach Verlauf von 24 Stunden entsteht Ausschwitzung, welche durch längere Zeit dauert und wobei die Geschwulst immer kleiner wird; nach geschehener Reinigung muss das Mittel in Zwischenzeiten von etwa S Tagen
*) Wotstein das Buch für Thieriiizte im Kriege. Wien (788. S. 241.
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auf diesellie Weise wiederholt werden, bis Heilunü: erfolgt ist. Das Pferd kann dabei fortwährend arbeiten.
Dass der Terpentin einen Bestandthcil der Basilikum-Salbe, des Bammvachses und des Lund'scheu Pflasters ausmacht, ist be­reits bei dem Fichteuharz und bei dem schwarzen Pech angegeben. Ebenso bildet er einen Bestandtheil der Elemisalbe (s. Elemiharz) und mehrerer anderer Salben und der meisten kiehenden Pflaster, die jedoch für die Thierheilkuust fast säminllich zu enthehren sind,
Anmerkung 1. Ausser dem gemeinen Terpentin hat man noch mehrere andere Sorten, namentlich: Venetian is eben oder Lärcbenterpentin (Terebinfhina veiicla s. larlcina) — Stras­burger T. ('/'. arg-entoratensis) Französischen T. {T. gal-lica) Karpathischen T. oder Karpathischen Balsam {T. carpalhica s. Balsamum carpathicum). — Ungarischen T. oder Balsam (T. huagarka s. Huts, hungaricum) Cyprischen T. (T. cypricu s. pisfacina) — und den Canadischen T. oder Bal­sam ('i7. canadeusis s. Ha/s. canadense); sie sind nicht wesentlich, sondern mehrentheils nur durch grössere Feinheit vom gemeinen Terpentin verschieden, aber siimmtlich viel theurer, daher eut-behrlich und zum thierärztlichen Gebrauch in unsem Gegenden nicht passend.
Anmerkung 'i. Der gekochte Terpentin {Tereh'mihinn coeta) bleibt von dem gemeinen Terpentin nach der Destillation des Terpentinöls als Rückstand übrig, kann aber auch durch Ko­chen des Terpentins im Wasser gewonnen werden. Er besteht aus Harz mit sehr wenigem Terpentinöl, ist fast in jeder Hinsicht dem Fichtenbarze gleich, und daher auch schwächer in der Wir­kung als der gemeine Terpentin; er liisst sich pulverisiren und kann wie das Harz; angewendet werden.
li. Terpentinöl, Oleum Terebinthinae', unrichtig auch Terpentingeist, Spiritus Tereblnlhinae,
sect;. 329. Das Terpentinöl gehört, seiner Beschaffenheit nach, eigentlich zu den reinen ätherischen Oelen; es findet aber hier, bei dem Ter­pentin, seinen natürlichen Stand, weil es von demselben (durch Destillation) gewonnen wird, und ihm in der Wirkung im Wesent­lichen sehr ähnlich ist. Denn der Unterschied beruhet fast nur al­lein darin, dass das Terpentinöl weit flüchtiger und durchdringen­der reizt, aber weniger anhaltend wirkt als der Terpentin, und dass es neben dem Gefasssystem zugleich das Nervensystem mehr als dieser aufregt. Ob es_aber einen besondern Theil des letztem
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und namentlich das Riickenmark und dessen Nerven vorzüglich erpreift, wie man in der neuern Zeit gefunden haben will, habe ich, trotz vieler Versuche an verschiedenen Thieren, nicht ermit­teln können.
Die reizende Wirkung dieses Oels zeigt sich am stärksten an der äussern Haut, für welche man es bei allen Thieren, vorzüglich aber beim Pferde und Hunde, als eins der allerheftigsten Reizmittel betrachten kann. Eine Einreihung von ihm an irgend einer Stelle des Körpers verursacht fast augenblicklich eine heftig juckende und schmerzhafte Empfindung; die Thiere werden aufmerksam auf sich, schütteln sich, suchen sich zu reiben, hauen und kratzen mit den Fiissen, wedeln mit dem Schweife; Pferde von sehr empfind­licher Natur werfen sich nieder, fangen an zu schwitzen. Puls und Athmcn wird schneller und dergl. — Hunde laufen ängstlich herum, verkriechen sich, und manche geben den Schmerz auch durch Schreien zu erkennen Diese Symptome der Reizung dauern je­doch nur gegen 15—30 Minuten. Fast zugleich mit ihnen entsteht an der Stelle der Anwendung vermehrte Wärme, Röthe und etwas Geschwulst; die letztere ist aber stets das geringste Symptom; nach etwa 6—S Stunden bilden sich bei den meisten Thieren kleine Bläschen, welche später platzen und Ausschwitzung von Serum zur Folge haben. Bei mehrmals nach einander wiederholter Anwendung an derselben Stelle geschieht das Letztere bestimmt, und oft geht dann sogar die ganze Oberhaut mit den Haaren verloren; beides wird aber bald und vollkommen wieder ersetzt. Das Rindvieh, welches seiner Torpidität wegen oft auf keine Weise zum Aufstehen zu bringen ist, wird hierzu sehr bald veranlasst, durch eine Ein­reibung von etwas Terpentinöl an die Beine.
In Wunden und Geschwüren, welche nicht einen zu sehr tor-piden Charakter haben, ist die reizende Wirkung ähnlich, aber nicht ganz so heftig, auch dauert sie nicht sehr lange. Die vorhan­dene Entzündung wird sehr erhöbet und darauf der Bildungspro-zess ganz ähnlich wie von andern ätherischen Oelen (sect;. 259.), wie vom Harz (sect;. 321.) und Terpentin (sect;. 328.), durch die stärkere Aufregung der Gefässthätigkeit viel lebhafter.
Sowohl bei der Anwendung auf die Haut wie in Wunden und Geschwüren wird ein Theil des Terpentinöls von den Gefässen absorbirt, und nach sehr kurzer Zeit, zuweilen schon nach 10 bis 15 Minuten, theils durch die Lungen, mit ganz unveränderter Be-schatfenheit und mit seinem eigenthümlichen Geruch wieder aus­gedünstet, theils durch die Nieren mit dem Urin ausgeschieden. Letzterer erhält dann fast immer einen, den Veilchen ähnlichen Geruch.
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Auf die Schleimhaui des Maules gebracht, wirkt das Oel miis-sig reizend, verursacht etwas stärkere Röthung und sehr vermehr­tes Speicheln und Geifern, besonders bei Hunden.
Auf den Magen- und Dannkanal scheint das Mittel erhiilt-nissmässig am wenigsten heftig zu wirken. In massigen Gaben innerlich angewendet verstärkt es die wurmlorinige Bewegung, er­regt den Appetit, vermehrt die Absonderung der Galle, der Magen-und Dannsäfte, und bessert die Verdauung; dann wird es von den Gefässen aufgenommen, und macht den Puls voller und kräftiger, zuweilen auch etwas schneller, die Schleimhäute röther und ihre Absonderung etwas reichlicher aber dünnflüssiger. Ztdctzt wird es, ebenfalls nach kurzer Zeit und in der vorhin bemerkten Art. durch die Lungen und Nieren wieder entfernt, aber die bezeichne­ten Wirkungen dauern von einer Gabe gewöhnlich durch 4 bis fi Stunden fort, und um diese Zeit, oder auch noch später findet sich etwas vermehrte Urinentleerung, wenn hierzu ein günstiger Zustand im Körper besteht (sect;. 324.), wobei der Urin weisslich, aber trübe erscheint und veilchenartig riecht. — Sehr grosse Gaben (z. B. bei Pferden 1—1| Pfund) von Terpentinöl reizen die Ver-daunngseingeweide, und namentlich die Schleimhaut des Magens und Darmkanalsquot;, stark, so dass in einzelnen Fällen geringe Koliksymptome, Traurigkeit und Verminderung des Appetites, bei Hunden aber (nach Gaben von 2 Drachmen bis 1 Unze) beschleu­nigtes Athinen, Erbrechen, selbst Magen- und Darmentzündung, und der Tod erfolgt. Die Wirkung auf das Gefässsystem ist von groBscn Gaben bei Hunden stärker, aber bei Pferden oft nicht mehr als von kleinern zu bemerken. Oft entsteht von sehr grossen Ga­ben nach 16—24 Stunden Durchfall, der durch 1—2 Tage dauert, und wobei die Exkremente in der ersten Zeit ganz deutlich nach Terpentin riechen, und zuweilen mit etwas Blut gemengt sind.— Die Harnwerkzeuge werden viel stärker als nach kleinen Gaben ir-ritirt, und bei fortgesetzten grosseu Gaben entsteht selbst Blulhar-nen. — Bei milchenden Kühen und andern Thieren geht das Ter­pentinöl auch in die Milch über, wie man dies aus ihrem kieni­gen Geruch und Geschmack deutlich erkennen kann. — Das Blut wird etwas heller geröthet, reicher an Cruor und mehr gerinnbar.
In die Venen gespritzt, wirkt das Terpentinöl ähnlich, aber viel heftiger als die übrigen ätherischen Oele (sect;. 259.); bei Pferden entsteht nach der Injection von 1—2 Drachmen sogleich sehr be­schleunigtes Athmen, ängstlicher Blick, Unruhe, Zittern der Mus­keln, dann schneller, gespannter Puls, stärkere Röthung der Schleim­häute, erhöhte Wärme der Haut und der ausgeathmeten Luft; die Letztere nimmt schon innerhalb der ersten Minute den Geruch nach
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Terpentinöl, und der Urin gewöhnlieh schon nach einer Viertel­stunde (zuweilen aber auch gar nicht) den Geruch nach Veilchen an. — Bei Hunden entstehen schon nach 15—20 Tropfen jene hef­tigen Zufalle. Drei Drachmen können hei Pferden, und 30 Tropfen bei Hunden die heftigsten Konvulsionen, Erstiekungszufalle und den Tod sogleich, oder durch nachfolgende Lungenentzündung verursachen. *)
Das Terpentinöl ist seiner Wohlfeilheit und seiner Kräftigkeit wegen zum thierärzllichen Gebrauch ein sehr schatzenswerthes Arz­neimittel, und wird auch als solches innerlich und äusserlich häu­fig henutzt-
Die allgemeinen Anzeigen für seine Anwendung hei kranken Tbieren sind fast ganz Übereinstimmend mit denen, welche für Anwendungen der ätherischen Oele überhaupt (sect;. 264.) und des Terpentins (g. 3'i^.) gelten; vorzüglich ist es jedoch hei derjenigen Schwäche indizirt, welche sich durch grosse Erschlaffung der Ge-fässwände und der Sehleimhäute, durch verminderte Thätigkeit in den Haargefässen, daher durch Stockungen und Anhäufungen des Blutes und anderer Säfte, durch verminderte Resorption und ineh-rentheils auch durch verminderte Absonderungen und zu zähe Be­schaffenheit der Sekretionsflüssigkeiten zu erkennen giebt. — Asthc-uischo Entzündungen schliessen seinen Gebrauch nicht aus, aber bei reinen, akuten Entzündungen, sie mögen ihren Sitz haben wo sie wollen, und eben so bei dergleichen Enlzünduugsfiebern, ist derselbe schädlich. Es verhält sich jedoch hinsichlich dieser Krank­heiten hei verschiedener Dauer derselben u. s. w. ähnlich wie mit dem Kampher; denn die genannten Knmkheitsziistände können während ihres Verlaufes durch zu ausgedehnte antiphlogislische Behandlung, durch Vernachlässigung und dergl. ihren Charakter dergestalt ändern oder solche Ausgänge machen, dass der Zustand zuletzt den oben bezeichneten allgemeinen Indikationen entspricht und den Gebrauch des Terpentinöls nothwendig macht.
Die grosse Zahl der vorkommenden Thierkrankheilen, bei de­nen, nach den angedeuteten Indicationen, der Gehrauch des Ter­pentinöls stattfinden kann, ist speziell nicht gut anzugehen; in­dessen hat die Erfahrung seine innerliche Anwendung vorzüglich in folgenden Fällen als nützliche erwiesen:
l) bei gastrischen Krankheiten, die in Schwäche und Erschlaf­fung des Magens und Darmkanals begründet sind, wie namentlich
*) Siehe meine Versuche hierüber in Dieftonbach: Die Transfu­sion des Ulmes und die Infusion der Arzneien in die BlatgeDisse, Ber­lin, 1828. S. 68 u. f.
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bei zu geringem AppeHt; bei VerschleimuDg; bei Uiiverdanlichkeit; bei zu reichlicher Entwickelmig von Bläbuugeu, daher hei aus Schwiiche eiitstaiuleuer Windkolik tier Pferde, und bei dem Auf-blaheu der Wiederkäuer; hei Eingeweidewürmern aller Art, beson ilers aber bei dem Bandwurm und dergl.; —
2)nbsp; hei chronischen Affektionen der Leber, namentlich bei an­haltender oder oft wiederkehrender Gelbsucht, bei oft wechselnder Fresslust und damit verbundener Gelhfiirhung der Maulschleim-baut; bei den Leberegelu {Dialoma kepallcum) der Schafe:*) —
3)nbsp; hei Schwäche und zu geringer Thätigkeit der Nieren; hei Verschleimung der Harnwege; bei dem asthenischen und veralteten Blutharnen; bei sandigen Ansammlungen in der Harnblase; bei Erschlaffung oder Lähmung des Blasenhalses und hieraus entstan­denem Unvermögen den Urin zu hallen; —
4)nbsp; bei kalten, torpiden Wassersuchten; bei der Fäule der Schafe und anderer Thiere; hei asthenischen und chronischen ödematösen Anschwellungen; —
5)nbsp; bei veralteter Druse; bei chronischer Bräune; bei Verschlei­mung der Luftröhre und Lungen; bei langwieriger Mauke, Flech­ten und Räude:
(gt;) bei chronischem und asthenischem Rheumatismus; bei der Rehe mit diesem Charakter; hei rheumatischen Lähmungen und I /ahmheiteu;
7) bei asthenischen Entzündungskrnnkheilen und bei derglei­chen Fiebern (Schleimfieber, rheumatisches und catarrhalisches Fie­ber, Faul- und Nervenfieber), wenn die Erschlaffung und Reizlosig­keit einen hohen Grad erreicht hat, und zur Zeit der Krisis, oder wenn bei innern Entzündungen der Ausgang in Ausschwilzung und Wassersucht bereits erfolgt ist;
S) hei den Anthraxkrankheiten, wenn sie einen torpiden Cha­rakter zeigen, starke Extravasate, grosse Anschwellungen oder Kar­bunkeln bilden und langwierig werden;
9) bei manchen asthenischen und besonders bei chronischen
*) Es mnss liieibei jedoch angeführt werden, dass das Terpenlinbl die Leberegel nicht direkt lüdtel, selbst wenn man es in sehr grossen Gilben anwendet, sondern dass ihre üeseüigiing erst allmahlig, durch Erhöhung der Vilaliliil der Leber, durch Verbesserung der Verdauung, der Assimilalion und Blatbereilung erfolgt. Nach Anwendung von 2 Un­zen des Mittels pro Dosi durch 0 Tage bei mehreren egelkranken Scha­fen, wurden die Thiere munterer, frassen besser n. s. w. Mau lödtete sie nun und fand man bei der Sektion die säimnllichen Eingeweide, auch die Leber, stark nach Terpenlinöl riechend, abfer die Egel sämmt-lich lebendig.
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Nervenkrankheiten, nanieiiüich bei Läbmuugeu; bei dem Dumm koller der Pferde (besonders wenn grosse Ahgesfumpftheit, unvoll­kommenes Bewegungsvermögen oder Drehen nach einer Seife dabei besteht); und hei reiner Krampfkolik, besonders wenn sie an alten, abgematteten Pferden oft hintereinander erscheint oder bei densel­ben lange dauert.
Die Gabe ist bei den verschiedenen Krankheiten etwas ver­schieden; in den Fällen, wo man eine langsame und bleibende Umstimmimg, oder eine vermehrte Harnahsondenmg bezweckt, z. B. bei Schwäche der Verdauung, bei Leihesaffectioiien, bei Wasser­sucht, Fäule und dergleichen, sind kleine Gaben, nämlich: für Pferde und Rinder ^ Drachme bis \ Unze, für Schafe und Schweine 1 Skru­pel bis 3 Drachmen, für Hunde 1—15 Tropfen, alle 3—6 Stunden wiederholt, am nützlichsten; — dagegen haben sich bei Eingewei­dewürmern, bei Windkolik und Trommelsucht, bei dem Milzbrand, und bei den sub 9. genannten Nervenkrankheiten grosse Gaben, nämlich für Pferde und Rindvieh 1 — 3 Unzen, für Schafe und Schweine 2 Drachmen bis % Unze, für Hunde 5—30 Tropfen, täg­lich ein- bis zweimal gereicht, am wirksamsten gezeigt.
Gegen Wind- und Krampfkolik der Pferde sähe ich zuerst von englischen Thicrärzten das Terpentinöl zu 3—4 Unzen mit Nutzen geben, und habe es dann sehr oft mit einem überraschend günsti­gen Erfolge in eben so grossen Gaben angewendet. — Doch ver­langt das Mittel eine genaue Kenntniss des vorhaiulenen Zustaudes, und besonders sichere Ueberzeuguug von der Abwesenheit einer Magen- oder Darmentzündung.
Die Anwendung des Terpentinöls kann in flüssiger Form, in Pillen und Latwergen geschehen. Die Ersterc verdient bei drin­genden Zufällen, z. B. bei Kolik, bei Trommelsucht, bei Lähmung, und zum Theil auch bei Eingeweidewürmern den Vorzug; da je­doch das Mittel in seiner reinen Gestalt den Thieren sehr zuwider und für die Maulschleimhaut viel zu reizend ist, so giebt man es immer in Verbindung mit andern, namentlich mit bittern, aroma­tischen oder schleimigen Flüssigkeiten, in dem Verhältniss, dass etwa 1 Unze Terpentinöl auf 4—(i Unzen von den letzteren kom­men. Die schleimigen Flüssigkeiten können in blossem Mehltrank, Leinsamendekokt und dergl. bestehen; für kleine Thiere kann man aber auch das Terpentinöl mit Eigelb oder arab. Gummi und Was­ser abreiben lassen.
Uebrigens wird das Mittel mit solchen Arzneistoffen verbun­den, welche dem Krankheitsznstande entsprechen, z. B. mit Kam­pher, mit Weingeist, mit aromatischen Mitteln, bei Lähmungen, bei torpidem Anthrax, bei Faulficber, bei Lnngenwüniicrn der Schafe;
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— mit bittern und aromatisclipn Siufibn lquot;i gastrischeii Zustän­den; — mit Wachholderbeeren, mit tonischen Mitteln und 'iergl. bei Wasserslichten; — bei Würmern aber mit stinkeiulem Thieröl (an­statt des theuern Chabertschen Oels eine blosse, aber eben so wirksame Zusammenmengimg von 3 Theilen Terpentinöl und 1 Theil stinkendem Thieröl); — bei Ansammhing von Sand in der Urinblase eine Verbindung mit Seife oder mit kohlensaurem Kali und dergl.
Aeusserlich findet das Terpentinöl eine häufige Anwendung, und zwar:
1)nbsp; nbsp;als Digestivmittel bei torpiden, jauchenden, fauligen Wunden und Geschwüren, wo man es bei einem hohen Grade der Unthätigkeit und Unempfindlichkeit für sich allein, oder in Ver­bindung mit Kampher, Kampherspiritus und dergl. anwendet, — bei geringeren Graden aber in Verbindung mit Dekokten von bit­tern oder adstringirenden Mitteln, mir Infusionen aromatischer Kräuter, oder auch, wie den Terpentin, mit Honig oder Eigelb abgeriehen, in Form von Digestivsalben oder von Digestivwasser benutzt.
2)nbsp; Zur Beförderung der Abblätterimg angegriffener Knochen, Knorpel und Sehnen, — wo es nach Verschiedenheit des bestehen­den Grades der Reizbarkeit ebenfalls bald rein, bald auf die vor­stehend bemerkte Weise verbunden mit andern Mitteln, angewen­det wird.
3)nbsp; Beim kalten Brande, besonders in Wunden und Geschwü­ren, um die Ahstossung des Abgestorbenen zu befördern, indem die unter demselben befindlichen Theilc zu grösserer Thätigkeit und zu besserer Eiterung angeregt werden. Man benutzt es hierbei in der ersten Zeit immer im reinen Zustande oder mit Kampher, Holzessig und dergl., später aber mit aromatischen Infusionen versetzt.
4)nbsp; Als erregendes Zertheilungsmittel bei alten, unschmerzhaften Geschwülsten und Verhärtungen, wo es theils für sich allein, theils in Verbindung mit Kampheröl, mit Ammonium-Liniment, mit grü­ner Seife, Merkurialsalbe u. dergl. eingerieben wird.
5)nbsp; Als erregendes Mittel zum Einreiben in gelähmte, geschwun­dene, mit chronischem Rheumatismus oder mit schleichender Ent­zündung, oder mit ödematösen Anschwellungen behaftete Theile, um durch seinen Reiz eine stärkere Zuleitung der Säfte und grös-sere Thätigkeit zu bewirken.
6)nbsp; Als ableitendes Reizmittel zum Einreiben in die Haut, bei Entzündungen tiefer liegender Gebilde, noch mehr aber bei Krämpfen, z. 8. Krampfkolik, bei Windkolik, bei krampfhafter Urin
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verhaltung und dergl. — Sowohl in diesen, wie auch in den sub 5
angegebenen Fällen, wird es mehrentheils allein, — bei Thieren mit feiner und sehr empfindlicher Haut aber auch mit Fett, fettem Oel, Kamphprliniment und dergl. verbunden angewendet.
7)nbsp; Es dient auch zum Bestreichen der Haarseile und Fonta­nelle, um dadurch eine stärkere Reizung zu erregen.
8)nbsp; Bei hartnäckigen Flechten und bei Räude ist es ein ganz vorzügliches Mittel und wird, wenn geringe Empfindlichkeit der Haut, oder ein hoher Grad des Uebels zugegen ist, am besten im reinen Zustande auf die kranken Stellen eingerieben, in andern Fällen aber mit Fett, oder noch besser, mit grüner .Seife, mit grauer Quecksilbersalbe, oder mit scharfer Lauge u. s. w. versetzt, bald als Salbe bald als Waschmittel angewendet. Die Einreibung des reinen Terpentinöls geschieht im Anfange der Kur 2—3 mal nach einander, in Zwischenzeiten von 24 Stunden, worauf es, weil Ent­zündung der Haut entsteht, durch G—-8 Tage ausgesetzt, dann aber auf dieselbe Weise in Zwischenzeiten von einigen Tagen noch 2—3 mal wiederholt wird. Gewöhnlich erfolgt, selbst bei hart­näckiger Räude, die Heilung in Zeit von 3—4 Wochen. Dabei ist aber zu bemerken: 1) dass die nach dem Abgehen der Schorfe er­scheinende zarte Oberhaut zuweilen noch 2—3 mal zu dünnen Schuppen vertrocknet und sich ablöst, — und 2) dass Hunde, Katzen, Schafe und Ziegen, und selbst auch Pferde bei der Aus­breitung der Räude über grosse Flächen, nicht in dem ganzen Um­fange derselben auf einmal mit dem Terpentinöl behandelt werden dürfen, weil die Thiere hierdurch zu sehr irritirt werden. — Bei der Verbindung des Mittels mit Fett, Seife u. s. w. richtet man sich nach der Empfindlichkeit und Zartheit, der Haut, und nimm! hiernach bald nur den vierten Theil Terpentinöl, bald die gleiche Menge zu den übrigen Substanzen.
!)) Da das Terpentinöl harzige, schleimige und fette Stoffe leicht auflöst, so kann man es auch als ein sehr wirksames Reini­gungsmittel benutzen, wenn in den Haaren, an der Haut und an den Geschwürrändern festsitzende Schorfe und Krusten von ver-trockretem Eiter, oder von früher angewendeten Salben und dergl. entfernt werden sollen. Man befeuchtet zu diesem Zwecke die be­treffenden Stellen etwas reichlich mit dem Oel, und wäscht sie dann entweder blos mit warmem Seifenwasser ab, oder man loset auch und entfernt vorher noch die gröberen Unreinigkeiten mit einem Spatel oder mit einer Haarseilnadel.
Als Arzneipräparate, in denen das Terpentinöl einen Haupthe-standtheil bildet, sind zu nennen;
1) Der ferpetinölhaltige Schwefelbalsam, oder das ter-
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pentinolhaltige geschwefelte Leinöl (Balsamus sulphuris te-rebinfhinalhus, Oleum Terebinthinae sulphurutum), er ist zusammen­gesetzt ans: J Theil geschwefeltem Leinöl und 3 Theilen Terpen-tinül, wirkt kräftig erregend auf die Schleimhaut der Lungen, auf die Niereu und auf die äussere Haut und kann innerlich fast in allen Füllen angewendet werden, wo das Terpentinöl selbst angezeigt ist, verdient aber den Vorzug vor ihm, wenn man hesonders die Hautaus-düustung vermehren will. Das Mittel ist aber jetzt wenig gebräuchlich. Man giel.it es den grossen Thieren von 2 Drachmen bis 1 Unze, Scha­fen und Schweinen von ^—t Drachmen, Hunden von II)—20 Tro­pfen täglich 3—4 mal. Aeusserlich wird es bei Räude und Flech­ten mit gutem Erfolge eingerieben.
2)nbsp; Die Terpentinseife oder der äussere Lebensbalsam (Supo terebinthlnalm s. Balsamus vitae extemus) besteht nach der Preuss. Pharmacopöe aus spanischer Seife und Terpentinöl, von jedem 6 Theile, und kohlensaurem Kuli 1 Theil, — kann aber ein­fach und wohlfeil blos aus grüner Seife und Terpentinöl in ver­schiedenen Verhältnissen, je nachdem man das Mittel mehr oder weniger stark reizend haben will, zusammengesetzt werden. In der Berliner Thierarzneischulo wird er nach folgender Formel bereitet: M. n. grüne Seife 8 Th., Terpentinöl (i Th., gereinigte Potasche 1 Th. und mischt diese Stotte zusammen. — Er dient nur zum äusserlicheu Gebrauch, wirkt sehr kräftig erregend-zertheilend, und wird mit sehr gutem Erfolge bei Stollbeulen (die aber nicht in speckartigen oder knorpelartigen Massen bestehen dürfen), bei Pipphacken, bei Sehnenklapp, bei verhärteten Gallen, bei Drüsen-knoten u. s. w., als Einreibung angewendet. — Durch Zusatz von Kampher, eder Salmiakgeist, Hirschhornsalz und dergl. reizenden Mitteln, kann seine Wirksamkeit noch sehr verstärkt werden.
3)nbsp; Der Wund baisam {Balsamus vulnerarius) ist ein Gemenge von Terpentinöl und gummi-harzigen Tinkturen; nach der in der Berliner Thierarzneischule gebräuchlichen Zusammensetzung besteht er aus gleichen Theilen Terpentinöl, Aloetinktur, Myrrhentinktur und Asanttiuktur. Er wirkt erregend und austrocknend, und kann bei Wunden und Geschwüren, in denen zu geringe Thätigkeit be­steht, oder wo Knochen, Knorpel und Bänder von ITceration er­griffen sind, die Exfoliation aber zu langsam von statten geht, eben so bei Wunden und Geschwüren im Hufe zur Zeit der be­ginnenden Vemarbung, mit Nutzen gebraucht werden; dagegen ist er bei frischen Wunden und wo schleimige Entzündung zugegen ist, nachtheilig.
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7. Fichtensprossen oder Fichtenknospen, Turiones Pini.
sect;. 330.
Die jungen Sprossen oder Knospen, welche an den Spitzen der Zweige der Fichten uud Tannen hervortreten, ehe sich daselhst Na­deln entwickeln, sind ziemlich reich an Harz und ätherischem Oel (Terpentinöl), und wirken dem Terpentin sehr ähnlich, gelind rei­zend, vorzüglich die Urinsekretion, und einigennassen auch die Hautausdünstung vermehrend. Man kann sie daher innerlich bei denselben Krankheiten gebrauchen, wo der Terpentin nützlich ist, und da sie auf dem Lande fast überall leicht und wohlfeil zu ha­ben und leicht anzuwenden sind, so verdienen sie von den Thier-ärzten mehr beachtet zu werden als bisher. Aus eigener Erfahrung kann ich ihre Wirksamkeit im zweiten Stadium der chronischen Lungenseuche des Rindviehes sehr rühmen.
Reine Entzündungskrankheiten verbieten ihren Gebrauch eben so, wie den der übrigen harzigen Mittel.
Man giebt die Fichtensprossen den Pferden und Rindern zu 1 — 1 Unzen, Schafen und Schweinen zu ^—\\ Unzen, Hunden |—2 Drachmen, täglich 2—4 mal, und am besten im Dekokt. Man lässt sie zuerst mit etwas hinzugesetztem Weingeist dünn zerreiben oder zerquetschen und dann mit der zehn- bis zwülflachen Menge Wasser, Seifenwasser oder Bier in einem gut bedeckten Topfe durch ^—| Stunde kochen. Durch blossen Aufguss von heissem Wasser werden die harzigen Theile nicht ausgezogen.
Anmerkung. Das harzige Holz von Fichten, Kiefern und Tannen, das sogenannte Kienholz (Lignum resinomm Pini etc.), besitzt dieselben Bestandtheile, wirkt eben so, und kann bei den­selben Krankheiten wie die Fichtenknospen, als ein recht wohlfeiles Hausmittel benutzt werden, wenn andere passende Arzneimittel feh­len. Es wird in noch einmal so starken Gaben wie die Fichten­sprossen, ebenfalls in Abkochung angewendet; vor dem Kochen muss es in kleine Späne zerschnitten, das Dekokt aber vor der An­wendung gut durchgeseibet werden.
8. Elemiharz, Retina Ttfemi.
sect;. 331.
Es hat im Wesentlichen die Eigenschalten der balsamischen
Mittel überhaupt, wird innerlich gar nicht, sondern nur äusserlich
bei torpiden Wunden und Geschwüren in Salbenform angewendet,
und findet nur deshalb eine Erwähnung, weil es ein ßestandtheil
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der ehemals sehr häufig gebrauchten Elemisalbe, oder des soge­nannten Arcaeus-Balsam (Unguenlum Elemi s. Balsumvs Arraei) ist. Diese Salbe besteht nach der Preuss. Pbannacopiie aus glei­chen Theilen Elemiharz, Terpentin, Schüpsentalg und Schweine­schmalz; sie befördert die Eiterung und die Granulation, hat aber weder hierbei noch in irgend einer andern Beziehung vor den blos terpentinhaltigen Digestivsalben einen Vorzug, und ist daher ganz zu entbehren, um so mehr, da sie noch einmal so theuer ist als diese.
sect;. 332. Ausser den hier (sect;. 32;gt;. bis sect;. 331.) bezeichneten balsami­schen Arzneimitteln, giebt es noch mehrere andere, velche jedoch zum G brauch bei Thieren viel zu theuer, aber auch recht gut zu entbehren sind, da sie sänimtlich durch den Terpentin ersetzt wer­den können. Es gehören hierher; a) der Copaivabaisam (ßlaquo;/laquo;laquo;-mus Copaivai)) b) Perubalsam (Ualsamus peruoianus), — C) Tolu-balsam (Buls de To/laquo; s. Rah. io/ulanus), — d) Mekkabalsam oder Mekkaharz (ßab. Je Mekka s. gileadense), e) die Benzue oder der wohlriechende Asant {Resina Bcnzoes s Asa da/eis), — f) Storax (Resina Sinrax s. Slgrax), — g) Mastix, Mastix­harz oder Mastixgummi (Resina Mastirhes), — b) Weihrauch (Thus s. Resina O/il/ani), — i) Bernslein (Surtinum) und m. an­dere. Auch die aus diesen Mitteln bereiteten Präparate sind völlig entbehrlich.
C. Gummi- oder Schleimharze.
Eine natürliche Verbiadung von harzigen mit guimnigen Stof-feu findet sich in mehreren Arzneimitteln, welche in den wärmern Klimaten aus verschiedenen Pflanzen (vorzüglich aus Schirmpflan­zen) als eine zähe oder milchichte Flüssigkeit ausschwitzen, und dann an der Luft in einem verschiedenen Grade erhärten und fest werden. Die meisten dieser Mittel enthalten neben dem Harz und Gummi noch ätherisches Oel als vorzüglich wirksamen Bestand-theil, und ausserdem noch mannigfaltige andere Stoffe, die jedoch weniger wichtig und selbst nicht einmal beständig zugegen sind. Auch die genannten Hauptbestandtheile zeigen in den einzelnen Mitteln eine grosse Verschiedenheit, sowohl in dem Verhältniss der Menge zu einander, wie auch in ihrer Qualität; und besonders er­scheint das ätherische Oel sehr verschieden. Hierdurch wird auch eine verschiedenartige Wirksamkeit dieser Mittel bedingt, so dass ihre gegenseitige Abweichung von einander grosser ist,- als bei den ein­zelnen Mitteln der beiden vorhergehenden Unterabtheilungen.
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Uebrigens zeigen sie im Allgemeinen eine grosse Aehnlichkeit mit den Wirkungen vieler aromatischer Mittel, und eben so mit denen der Balsame und Harze; sie unterscheiden sich aber von den Ersteren dadurch, dass sie nicht so schnell wie diese den Körper durchdringen, daher nicht so flüchtig und allgemein erregend wir­ken, weil sie, ganz wie die harzigen Mittel überhaupt, ihre voll­ständige Wirkung erst durch den Verdauungs- und Assimilatious-prozess (durch den Uebergang in das Blut) entwickeln; — von den letztern Mitteln unterscheiden sie sich dagegen dadurch, dass sie weniger heftig reizend auf einzelne Absonderungsorgane, sondern mehr gleichmässig erregend auf die Nerven und Gefässe der sämmt-lichen Reproduktionsorgane wirken. Bei ihrem Gebrauch sieht man an kranken Thieren die Verdauung besser, die Beschaffenheit der Safte, die Ernährung und die Bildung regelmässiger werden, ohne dass reichliche Absonderungen dabei entstehen; im Gegcntheil wer­den sehr häufig krankhafte und zu reichliche Absonderungen, na­mentlich der Schleimhäute, durch sie vermindert. — Ausserdem zei­gen einzelne dieser Mittel noch eine etwas stärkere Beziehung zum Nervensystem, indem sie krampfhafte Zufalle, besonders in den Eingeweiden der Brust-, Bauch- und Beckenhöble beseitigen. Diese Wirkung scheint daher besonders auf die Nerven, die der Repro­duktion wesentlich angeboren, und namentlich auf den grossen sympathischen Nerven gerichtet zu sein. — Doch hatte mau ehe­mals die Wirksamkeit dieser Mittel, namentlich in ihrer Wirkung auf das Nervensystem, fast allgemein viel höher geschätzt, als sie in der Erfahrung an kranken Thieren sieh bestätiget. Jetzt wer­den sie nicht sehr häufig angewendet, weil sie zu theuer und grosstenfheils durch ähnlich wirkende, wohlfeilere Mittel zu er­setzen sind.
9. Stinkasant, Stinkender Asant, Teufelsdreck, Asa foe-tidu s, Gummi-resinn Asae foctidue.
sect;. 333. Der Stinkasant enthält viel Harz (weit über die Hälfte), — ge­gen ein Drittheil Gummi und Schleim, — und eine kleine Quan­tität (ungefähr den 25. Theil) ätherisches Oel. Letzteres besitzt den eigeuthtimlicfaen, knoblauchartigen Geruch des Mittels in grösster Stärke. Es ist unter den übrigen gummiharzigen Mitteln das wirk­samste und zeichnet sich vor allen durch seine, bei kranken Thie­ren sehr deutlich erkennbare Wirkung auf die Nerven der Brust-und Baucheingeweide aus. Diese Wirkungen kommen im Allge­meinen mit denen iibereiu, welche im vorhergeudeu sect;. augedeutet
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worden sind. Bei der innerlichen Anwendung wird er zwar ver­dauet, jedoch eben so wenig wie die ätherischen Oele, wie der Eampher und die Harze völlig zersetzt; denn sein Geruch theilt sieii der Lungenausdünshing, und zum Theii auch der Hautaus­dünstung mit; im Urin und in der Milch konnte ich ihn seilist nach anhaltender Anwendung grosser Gaben (bei Pferden und Kü­hen bis 5 Unzen auf den Tag) nicht erkennen; dagegen dringt er aber in die Muskeln und fast in alle übrigen Gebilde des Körpers sehr stark ein, und selbst der in den Geschwüren abgesonderte Eiter nimmt zuweilen diesen Geruch au. Dieses zeigt deutlich, dass der Asant in das Blut übergeht; und dennoch scheint dabei weder die Thätigkeit des Herzens und der grosseren Gefüsse sehr aitizirt, noch das Blut selbst von seiner gewöhnlichen Beschaffenheit abweichend zu werden. — Wird der Asant in den bezeichneten grossen Gaben angewendet, so kann er selbst, wie der Terpentin, durch zu starke Reizung des Verdauungskanals Laxiren veranlas­sen; bis zur Entzündung scheint aber diese Heizung nicht leicht zu kommen.
Der Asant wird im Allgemeinen bei asthenisch-nervösen Stö­rungen des Reproduktionsprozesses mit Nutzen angewendet, und sowohl wenn dieselben in den Verdauungseingeweiden, wie auch wenn sie weiter in den drüsigen und häutigen Gebilden, besonders in den Schleimhäuten ihren Sitz haben. Der Erfahrung zufolge hat er namentlich in folgenden speziellen Krankheilsfonnen gute Dienste geleistet: bei derjenigen Appetitlosigkeit, die ohne erkenn­bare materielle Ursachen besteht und daher mehrentheils nervös zu sein scheint; — bei Schwäche und Verschleimung des Darmkanals; bei starker Entwickelung von Säure und Blähungen und bei öfters eintretender Windkolik; — bei Eingeweidewürmern und Wurmko­lik; — bei Krampfkolik und krampfhafter Harnverhaltung; — bei dem Koppen der Pferde; — bei dem sogenannten Magenkoller; — bei Epilepsie, wenn sie aus einem Leiden der Verdauungseinge­weide entstanden ist; — bei chronischer Gelbsucht; — bei dem Lungenkrampf; — bei dem nervösen Dampf; — bei chronischein, krampfhaftem Husten; — bei Verschleimungen der Luuge; —#9632; bei chronischem Rheumatismus und bei veralteter Druse. — Ausserdem ist er bei den bösartigen Schafpocken, bei Rotz und Wurm, und bei andern bösartigen Geschwüren empfohlen.
Allein bei diesen zuletzt genannten Krankheiten bat sich seine Heilsamkeit sehr wenig bewährt, und bei den zuerst genannten ist er, wenn auch seine gute Wirkung nicht bezweifelt werden kann, doch mehrentheils durch das Terpentinöl, das .stinkende Thieröl, die bittern und aromatischen Mittel recht gut zu ersetzen. Beson-
Uerl wie Arznejmittcllfhre.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 22
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ders scheint der Knoblaucli, in Verbindung mit bittern und mit aromatischen Stoffen ein sehr passendes Ersatzmittel für ihn zu sein.
In akuten Entziindungskranklieiten ist der Asanf schädlich, und bei Jagdhunden soll er auch ausserdem, besonders wenn sein Gebrauch durch lungere Zeit fortgesetzt wird, zuweilen dadurch nachtheilig sein, dass er ihren feinen Geruch zu sehr abstumpft.
Die Gabe ist für Pferde von 2 Drachmen bis % Unze, für Rind­vieh von 3 Drachmen bis 1 Unze, für Schafe und Schweine % bis 'l Drachmen, für Hunde 2—10 Gran täglich 2 bis 4 mal und bei heftigen Krämpfen alle Stunden wiederholt.
Die Anwendung kann in Pillen, Latwergen und in Flüssig­keiten geschehen, aber nicht in Pulverform, weil das Mittel durch seinen Geruch allen Thieren sehr zuwider ist und deshalb von ihnen nicht gefressen wird. Die llüssige Form verdient wieder bei Krämpfen, und überhaupt bei dringenden Zufällen den Vorzug, weil der Asant in ihr am schnellsten und gleichmässigsten wiiktj man lässt ihn hierzu theils einfach mit lauwarmem Wasser, mit schwa­chem Branntwein oder mit einem aromatischen Infusum zusammen­reiben, oder man benutzt dabei noch schleimige Mittel, um ihn mit diesen Flüssigkeiten schneller und vollständiger zu verbinden, weil sich in wässerigen Flüssigkeiten nur seine gummösen Theile auf­lösen und eine Art Milch bilden, in welcher das Harz fein zertheilt schwimmt, aber nach kurzer Zeit grösstentheils zu Boden fällt. Deshalb müssen solche wässrige Mixturen vor dem Eingeben gut umgeschüttelt werden. Durch hinzugesetzte schleimige Stoffe wird die Ausscheidung des Harzes verhindert. Zu 1 Unze des Asant nimmt man 12—24 Unzen Flüssigkeit und 1 Unze arab. Gummi, oder 2 Unzen Altheewurzelpulver, oder das Gelbe von 1—2 Eiern. — Im Essig löst sich der Asant zwar vollständig aufj allein diese Auflösung wird deshalb nicht benutzt, weil die Wirkung der bei­den Mittel einander nicht entsprechend ist. — Dagegen versetzt man ihn bei nervösen Zufallen recht zweckmässig mit aromatischen Mitteln, auch mit Kampher, Terpentinöl, stinkendem Thieröl und Opium, oder bei Fehlern der Verdauungs- und Respirationsorgane, mit bitter-aromatischen Mitteln, Spiessglanzpräparaten, mit Schwe­let und dergl.
Aeusserlich wird der Asant sehr wenig gebraucht: dagegen bat er sich jedoch, mit Wasser, mit aromatischen oder mit schlei­migen Flüssigkeiten abgerieben und als Klystir angewendet, bei heftiger Wurm- und Kramplkolik und bei hartnäckiger Diarrhöe, die mit krampfhaften Zufällen verbunden war, in mehreren Fällen sehr wirksam gezeigt. Man nimmt zu einem Klystir für Pferde
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2 Drachmen, für Schafe 1 Drachme, fur Hunde 1 Scrupel bis J Drachme. — Ehedom wurde er auch als Speichel erregendes Mit­tel zu den sogenannten Eäugebisseu benutzt.
Von den offizinellen Präparaten ist in der Thierheilkunde fast nur allein die Asanttinktur (Tindura Aiae foelidae) gebräuch­lich. Sie ist eine Auflösung von 1 Theil Asant in ti Theilen wäs­serigen Weingeistes, wirkt, wie der Asant selbst, aber etwas ilüch-tiger, und kann bei denselben Krankheiten wie dieser benutzt wer­den. Pferden giebt man pro dosi l—t Unzen, den übrigen Thie-ren weniger. Man benutzt sie aber innerlich nur selten, sondern mehr äusserlich, bei cariösen, bei zu wenig thätigen, unreinen ui.d mit Maden behafteten Geschwüren, und zwar bald für sich allein, bald mit Terpentinöl und andern Mitteln verbunden, wie z. B. in dem sogenannten Wundbalsam. Doch ist das Mittel in allen die­sen Fällen durch die wohlfeilere Aloetinktur und durch terpentin-haltige Mittel zu ersetzen und daher ganz entbehrlich.
tO. Myrrhe, Myrrheuguinmi, Mytrha, Gummi Siyrrhae s. Gummi-reslna Myrrhac.
sect;. 334. Die Myrrhe ist viel reicher an Gummi als an Harz, enthält aber ausser dem eigentlichen Harz noch ein bitter - balsamisches Weichharz, welches innig mit einem milden ätherischen Oel verbun­den und wahrscheinlich ihr wirksamster Bestandtheil ist. Durch den reichen Gehalt an Gummi wird ihre leichte Aufloslichkeit in Wasser, Bier, Wein und Essig, so wie ihre unvollständige Auf­lösung in starkem Weingeiste bedingt. — Sie wirkt viel weniger stark vorwaltend erregend auf das Nervensystem als der Asant, sondern ziemlich gleichmässig auf die Sensibilität und Irritabilität der Brust- und Baucheingeweide, vorzüglich aber auf die Lungen und deren Schleimhaut. Dabei sind ihre erregenden Wirkungen sehr mild, und es entstehen selbst nach grossen Gaben bei ge­sunden Thieren keine besondere Zufälle; man sieht nur bei ih­rem Gebrauch an solchen Thieren, die mit astheaischeu Krank­heiten behaftet sind, den Appetit vermehrt, die Verdauung ge­bessert, die Schleimhäute röther, die zu reichlichen Absonderungen vermindert und den Auswurf leichter und freier, bei Entzündun­gen aber die Symptome verstärkt werden. Im Ganzen ist die Wirkung mit der von einigen bitter - aromatischen Mitteln, wie namentlich mit der des Kalmus, der Angelika und des Alant sehr verwandt.
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Die Myrrhe ist- bei zu geringem Appetit, bei schwacher und uuregelmässiger Verdauung und bei Blähungen, wenn diese Zu­falle in einem massigen Grade von torpider Schwäche des Ver-dauungskanals begründet sind, — vorzüglich aber bei chronischen und asthenischen Lungenkrankheiten, wie z. B. bei Verschleiraung, bei dem feuchten und schleimigen Dampf, bei anhaltendem Husten, der mit reichlicher Absonderung in den Bronchien, aber mit nur geringem Auswurf verbunden ist, und bei Lungengeschwiiren em­pfohlen. Sie leistet auch hei diesen Krankheiten gute Dienste, ist aber bei allen durch wohlfeilere inländische Mittel, namentlich durch Kalmus-, Alant-, Angelika- und Meisterwurzel, durch Fenchel, Wach-bolderbeeren, Wasserfenchel, Terpentin, Theer und dergleichen zu ersetzen, je nachdem der Grad der Reizbarkeit und Empfindlich­keit die Anwendung dieser Mittel gestattet.
Die Myrrhe kann innerlich in denselben Gaben wie derAsant, und in Verbindung mit isländischem Moos, mit bittern und aro­matischen Mitteln angewendet werden.
In Wunden und Geschwüren wirkt sie ebenfalls erregend, aber zugleich tonisch; sie verstärkt den Bildungslrieb, lockert aber nicht auf, sondern macht im Gegentheil die Granulation fester, die zu dünn und zu reichlich abgesonderte Jauche mehr eiterartig. Man benutzt sie daher bei asthenischen, torpiden Geschwüren, besonders wenn in ihnen zu starke Auflockerung und Verjauchung besteht. Sie wird hierbei entweder a) als Pulver, für sich allein oder in Ver­bindung mit dem Pulver von aromatischen Pflanzen eingestreut; — oder b) mit der sechs- bis achtfachen Menge Wasser, oder Kalk­wasser, schwachem Branntwein oder aromatischen Flüssigkeiten abgerieben, als Digestivwasser zum Verbinden benutzt; — oder c) sie wird als Pulver zu Salben gesetzt, z. B. 1 Theil Myrrhe zu 4 bis 6 Theilen Altheesalbe;—oder d) sie wird als Myrrhentink­tur (Tinclura s. Essenlia Myrrhae) zum Bestreichen, Ausspritzen und Verbinden angewendet. — Diese Tinktur ist das gebräuch­lichste Präparat von der Myrrhe; sie wird aus 1 Theil Myrrhe und 6 Theilen Weingeist bereitet, enthält nur die harzigen Theile des Mittels, ist etwas stärker reizend als dieses selbst, und kann daher bei grosser Erschlaffung in Geschwüren und Wunden vor den übri­gen Anwendungsarten einen Vorzug haben.
Bei reinen und in der Heilung begriffenen Wunden und Ge­schwüren im Hufe und an den Klauen, befördert sie das Festwer­den des jungen Horns recht sehr.
In frischen Wunden und überall, wo aktive Entzündung, grosse Empfindlichkeit oder Neigung zu Verhärtungen besteht, darf die Myrrhe nicht angewendet werden.
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Anmerkung. Ausser der Tinktur hat man noch: 1) lias Myrrhenöl, die Myrrhenflüssigkeit oder den Myrrhenbal-
s a m (Oleum Myrrhue per deliquium, Liquor s. Liquamen Ulyrrhae),
eine auf verschiedene V/eise bereitete conzenlrirte wässerige Auf­lösung der Myrrhe; 2) das wässerige Myrrheuextrakt (Ex-tractum Hyrrhae arjuosum), hl dem die Myrrhe durch Hülfe der Wärme in wenig Wasser aufgelöst und dann zum Theil wieder eingetrocknet ist; und 3) das destillirte Mtyrrheiiöl(0/laquo;Km JJfyr-
rhae aethereum).
Alle drei Präparate sind zum thierärztlichen Gebrauch ganz überflüssig.
sect;. 335.
11. Das Ammoniakgummi {Gummi-reslna Ammoniaci) und 12. das Mutterharz (Galbanum s, Gummi-restna Galbant) sind in ihren Eigenschaften und Wirkungen dem Asant ähnlich, aber weit weniger kräftig als dieser. Beide Mittel werden daher auch nur wenig, und zwar jetzt wohl nur innerlich, bei ähnlichen Krankhei­ten, wo der Asant und die Myrrhe nützlich sind, angewendet. Die Gabe und die Art der Anwendung ist ganz wie bei dein Asant. —#9632; Ehemals benutzte man sie auch äusserlich als erregend zertheilende Mittel bei Verhärtungen, Piphacken, Galleu und dergl., und na-mentlirh empfiehlt Kcrsting (Nachgelassene Manuskripte S. 360.) eine Aul'liisung von i Loth Galbanum in 8 l'Oih Spiritus als ein zuverlässiges Heilmittel zur täglichen Anwendung bei slark ge­schwollenen Piphacken.
Die übrigen als Arzneimitlei empfobleneu Gummiharze, wie das Sagapenum (Gumml-resina Sagupeid), das Panax-G ummi {Gummi-resina Opopanax), das Epheuharz (Gumml-rcsina Uede-rae) und mehrere andere sind für den thierärztlichen Gebrauch ganz entbehrlich.
Vierte AMhellnng,-.
Brenzliche oder empyreumal isch-olige Mittel (Empyteu-mnlii s. Medlcamiua empyreumatied).
sect;. 33G. Die brenzlichen Substanzen kommen theils als ein Erzeugniss der Natur als sogenannte flüchtige Erdharz.e {Bilwnina) und als brenzliche ätherische Oele in der Erde, auf deren Oberfläche, in
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Felsenritzen und auf dem Wasser schwimmend vor, — theils wer­den sie bei der Verkohlimg organischer Körper in verschlossenen Räumen durch die sogenannte trockene Destillation künstlich erzeugt.
In ihrem reinen Zustande erscheinen sie als eine Flüssigkeit, die in den meisten Eigenschaften den ätherischen Pflanzenölen sehr nahe steht, sich aber von diesen durch einen sogenannten brenz-lichen oder braust igen Geruch und durch einen grösseren Ge­halt an Kohlenstoff unterscheiden. — In nicht gereinigtem Zustande, wo sie gewöhnlich mit Kohlenstoff übersättigt und zugleich mit andern Stoffen verbunden sind, stellen sie eine braune oder schwarze, mehr oder weniger dickliche und höchst widrig riechende Flüssig­keit dar, die mit den ätherischen Pflanzenölen nur sehr wenig Aehn-lichkeii besitzt.
Die natürlichen empyreuniatischen Oele finden sich bald flüs­sig, bald an feste .Stoße, namentlich an Kohle und harzige Sub­stanzen gebunden, und bestehen blos aus Kohlenstoff, Wasserstoff und Sauerstoff. — Das aus Pflanzen erzeugte brenzliche Oel kommt gewöhnlich in Verbindung mit Essigsäure, Harz und dergl. vor, und wenn die Pflanzen, aus denen es bereitet ist, ein ätherisches Oel enthielten, so nimmt es einige Theile von dem letztern in sich auf und giebt dies durch einen, diesem ätherischen Oel verwandten Geruch zu erkennen. Für sich allein bestehen sie aus denselben Grundstoffen, wie die natürlichen brenzlichen Oele. — Dagegen fin­det sich in denen, die aus thierischen Substanzen bereitet sind, neben jenen Grundstoffen noch Phosphor und Stickstoff, welcher letztere sich oft mit dem Wasserstoff und Kohlenstoff zu Ammo­niak oder zu Blausäure verbindet. Das gemeine empyreumatische Thicröl ist daher gewöhnlich mit diesen Nebenprodukten verbun­den, es kann aber von ihnen, so wie von dem übermässigen Ge­halt an Kohlenstoff, und das vegetabilisch brenzliche Oel von dem Harz, der Essigsäure und dergl. durch eine wiederholte Destillation befreiet (rektifizirt), ganz rein und flüchtig, den ätherischen Gelen ähnlich gemacht werden.
sect;. 337.
Die Wirkung der brenzlichen Oele lässt sich im Allgemeinen als eine sehr flüchtig reizende bezeichnen, die im Grade der Fluch tigkeit von wenig andern Mitteln übertroffen wird, und der Art nach mit denen der ätherischen Pflanzenöle und des Kamphers die meiste Aehnlichkeit hat Diese erregende Wirkung erscheint zwar über den ganzen Körper verbreitet, äussert sich aber vorherrschend und eigends im Nervensystem; denn alle Funktionen desselben wer­den bald nach der Anwendung eines solchen Oels mit grösserer Lebhaftigkeit, zugleich aber auch mit mehr Kraft und Dauer aus-
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geübf, und besonders wird die Empfindlichkeif, wenn sie krankhaft vermindert und unregelniiissig sich iiussert, erhöhet, umgestimmt und wieder geregelt. Es ist daher sehr wahrscheinlich, dass die hrenzlichen Oele auf die zum Nervensystem gehörigen Organe nicht lilos erregend, sondern auch stärkend wirken. — Auf die Blutge-fasse, und somit auf die Irritabilität und auf den Biklungsprozess, wirken sie ebenfalls erregend, wie dies der hiernach entstehende schnellere Puls, die Verstärkung der Hautausdiinstung, der Urin-absonderung und zum Theil auch die vermehrte Sekretion der Schleimhäute und die verstärkte Resorption beweisen; allein diese Erregung isr viel schwächer, als die im Nervensystem' erzeugte.
Zu grosse Galjen der brenzlicbeu Oele verursachen bei den Säugethieren Zuckungen, Krämpfe, beschwerliches Athmen, Erstik-kungszufälle und zuweilen selbst den Tod, — wie es scheint, theil.'-durch Ueberreizung und Lähmung, theils durch Entmischung des Blutes.
Auf Insekten und Würmer (namentlich auf Eingeweidewürmer), auf Frosche und die meisten Vögel wirken diese Oele auch in klei­nen Gaben als füdtendes Gift.
Die Mittel, in denen brenzliches Oel neben andern Substanzen enthalten ist, wirken im Allgemeinen ähnlich, jedoch weniger fluch tig durchdringend und wohl auch durch die anderweitigen Stoffe etwas modiflzirt.
sect;. 338.
Die Eutwickelung dieser Wirkungen erfolgt sowohl durch un­mittelbare Berührung empfindlicher Theile des Korpers, wie auch durch den Uebergang des hrenzlichen Oels in das Blut. Der letz­tere wird am vollständigsten durch den Verdauungsprozess vermit­telt, und giebt sich am deutlichsten durch den stark hrenzlichen Geruch des Athems zu erkennen. Die Verdauungseingeweide selbst werden durch diese Oele in stärkere Thätigkeit versetzt, ertragen aber ziemlich grosse Gaben von ihnen #9632;••echt gut, ohne zu sehr ge­reizt und entzündet zu werden. Dagegen wird bei grossen Gaben gewöhnlich ein Theil des Oels unverdaut durch den Mastdarm wie­der entleert. Am schnellsten erfolgt die Wirkung der hrenzlichen Oele durch Injektion in die Venen; sie ist aber, wenigstens beiden grossen Hausthieren, und von den nicht rektifizirten Oelen viel schwächer, als von gleichen Quantitäten eines ätherischen Pflanzen­öls, wenn es auf dieselbe Weise angewendet worden ist. Die aus-geathmete Luft nimmt bei der Injektion augenblicklich den empy-reumatischen Geruch au. — Auf die Haut und in Wunden oder Geschwüre gebracht, erzeugen die hrenzlichen Oelp eine örtliche Rei­zung in verschiedenem Grade; sie werden aber hier, seihst bei lau-
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gerer Dauer der Berühnmg, nur zum Theil resorbirf, und die hier­nach entsteheude allgemeine Wirkung ist nur pering.
sect;. m.
Die verschiedenen empyreumatisohen Mittel haben unter ein­ander eine grosse Aehnlichkeit in der Art der angedeuteten Wir­kung, zeigen sich aber im Grade und in der Ausbreitung derselben etwas verschieden. Am stärksten und ausgebreitetsten auf das ganze Nervensystem wirkt das thierisch-brenzliche Oel, weniger das vegetabilische, und noch weniger das natürliche. Das letztere scheint, ähnlich den balsamischen Mitteln, seine Wirkung haupt­sächlich auf die Rumpfuerveu zu richten, während die des erste-ren sich auf das Gehirn und die Sinnesorgane erstreckt. — Dage­gen ist aber die örtliche Reizung von dem natürlich - brenzlichen Oel am stärksten. — Ausserdem wirken die ganz reinen (rektifizir-ten) empyreumatischen Oele weit üüchtiger und mehr auf das Ge­hirn, als die unreinen, selbst wenn beide einen gleichen Ursprung haben; dagegen ist die Wirkung um so stärker auf das Blut und auf den Bilduugsprozess überhaupt, je. mehr diese Mittel mit Koh­lenstoff und Empyreuma überladen sind. Enthalten sie, auch noch viel Ammoniak, Blausäure, Essigsäure oder Harz, so wird die Wir­kung hierdurch ebenfalls etwas verändert.
sect;• 340.
Die allgemeiuste Indikation für die arzueiliche Anwendung der empyreumatischen Mittel, und besonders der Oele, ist 1) die wahre torpide Schwäche,— dieselbe mag bestehen bei welcher Krank­heitsform sie will. Dieser Indikation entsprechend werden sie z.B. gebraucht: a) bei den asthenischeu Fiebern, vorzüglich bei Nerven­fiebern mit grosser Abstumpfung der Sinuesthätigkeit, bei ähn­lichen Faulflebern, gastrischen und rheumatischen Fiebern, b) Bei dem Dummkoller der Pferde, wenn er, wie gewöhnlich, mit ver­minderter Sensibilität besteht, c) Bei Lähmungen, sowohl bei rein nervösen, wie auch bei solchen, die durch Rheumaiismus entstan­den sind, besonders wenn sie chronisch werden. — d) Bei Kräm­pfen, besonders bei clonischen, und wenn die Thiere in den freien Zwischenzeiten sehr abgestumpft erscheinen. Ausserdem sind diese Mittel zum innerlichen Gebrauch noch angezeigt;
2)nbsp; bei Eingeweidewürmern jeder Art und bei den Krankheits-zufällen, welche durch sie erregt werden, wie z. B. bei Wurmkolik, bei schlechter Fresslust, Abmagerung, bei Epilepsie und Schwindel; namentlich bei dem sogenannten Bremsenschwindel der Schafe und dergl.
3)nbsp; Für den äusserlicheu Gebrauch; a) bei chronischen Haut­krankheiten, namentlich bei Räude und Flechten; b) bei schlaffen,
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trägen, mit Maden verunreinigten Wunden und Geschwüren, und __ c) bei Lähmungen, hei Rheumatismus, bei chronischen Entzün­dungen, bei Verhärtungen, Stollbeulen, Piphacken, beim Schwin­den und dergl.
Die Gegenanzeigen, die den Gehrauch dieser Mittel verbieten, sind akute Entzündungen, Entzimdungsiieber, Congestionen, be­sonders zum Gehirn, und sehr erhöhete Empfindlichkeit.
1. Stinkendes Thierül oder Hirsi hhonuil, Oleum 'mimale
foelidum, O/eum pyro animate, Ol. empyreumallcum nuimalc, 01 Cornn
Cervi foelidum.
sect;#9632; 341.
Dieses brenzliche Oel im rohen Zustande ist jederzeit sehr stark mit Kohlenstoff, zuweilen auch mit etwas Essigsäure, mit etwas Blausäure u. s. w. verunreinigt, und besitzt die angegebenen E;-genschaßeu der empyreumatischeuMittel im ausgezeichnetsten Grade. Daher gilt auch Alles, was über die Wirkungen dieser Mittel im Allgemeine;) (sect;. XM bis sect;. 340.) angedeutet Ist, ganz besonders von ihm, und es ist unter diesen Mitteln gewiss das wirksamste, obgleich es hinsichtlich der Flüchtigkeit dem rektifizirten Thieröl nachsteht. Seine erregende und nervenstärkende Wirkung erstreckt sich aber am meisten und deutlichsten auf die Eingeweidenerven, indem nach der Anwendung des Mittels eine lebhafte und regel-raässige Assimilation und Reproduktion eintritt, besonders wenn hei Krankheiten mil asthenisch-torpidem Charakter zugleich Stö­rungen in diesen physiologischen Prozessen zugegen sind. Durch diese vorherrschende Wirkung auf die Nerven der Eingeweide, durch geringere Flüchtigkeil, dafür aber durch grossere Dauer der Wirkung, unterscheidet sich das in Rede stehende Mittel von dem gereinigten oder rektifizirten Hirsehhornöl, und wahrscheinlich sind diese Eigenthümlichkeilen des ersteren, wie auch bereits angegeben (sect;. 339.), in seinem reichen Geball an Kohlenstoff' begründet. — Die übrigen dem gemeinen Hirsehhornöl beigemengteu Substan­zen, wie Essigsäure und dergl., sind mehrentheils nur in so gerin­ger Menge vorhanden, dass sie für die Wirksamkeit des Mittels bei den grossen Thieren von keiner Bedeutung sind.
Auf das Gefässsystem wirk! das stinkende Thieröl nur wenig erregend; bei Pferden und Rindern wird mehrentheils selbst nach einer grossen Gabe von 1 bis 2 Unzen die Zahl der Pulse nur um etwa 5 Schläge in der Minute vermehrt, obgleich das Mittel in das Blut übergeht, und sieh fast allen Säften, daher auch bei milchen­den Thieren fast immer der Milch mittheilt, wie man dies aus ih-
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rem Geruch deutlich eiitiiehmeu kann. Stärkere Gaben als 3 Un­zen können bei Pferden, und stärkere als 3 Drachmen bei Hunden auf die im sect;. 337. bemerkte Weise nauhtheilig wirken.
Die Dauer der Wirkung einer mittelmässigen Gabe erstreckt sich mehrenlheils auf 10 bis 12 Stunden, und wenn das Mittel durch mehrere Tage anhaltend gebraucht worden ist, so bemerkt man zuweilen noch 24 bis 30 Stunden nach der letzten Gabe deut­liche Spuren der Wirkung.
In die Drosselvene injizirte ich das Mittel bei Pferden und Rin­dern von 1 Drachme bis 1 Unze; es entstand sogleich schnelles und etwas angestrengtes Athmen, schnellerer Puls, grossere Rö-Ihung der Schleimhäute, erhöhete Wärme, Zucken der Muskeln, stinkender Athem, zuweilen auch schwankender Gang. Nach 6 Stunden waren die Zufälle vorüber. Hunde zeigten dieselben schon nach der Injektion von 2—5 Tropfen.
Das stinkende Thierül kann ganz nach denselben Indikationen und bei denselben Krankheiten gebraucht werden, welche im vori­gen sect;. (340.) genannt worden sind. — Dasselbe ist seiner Wirk­samkeit und Wohlfeiliieit wegen ein sehr wichtiges Mittel im thier-nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; t ärztlichen Arzneischatz, welches besonders als Reizmittel für das Nervensystem einigermaassen den zu theuern Moschus ersetzen kann, und unter den Wurmmitteln fast die erste Stelle einnimmt.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; raquo;•
Die Grosse einer Gabe zur inuerlicheu Anwendung ist für Pferde von 1 Drachme bis zu 1 Unze, für Rindvieh von 1 Drachme bis H Unze, für Schafequot;) und Schweine von lü bis GO Tropfen, für Hunde von | Tropfen bis 30 Tropfen. — Diese bedeutende Ver­schiedenheit wird, abgesehen von der Grosse der Thiere, durch die Art und durch den Grad der Zufälle bedingt; denn bei heftigen Krämpfen, bei Lähmungen und hei sehr grosser Abgestumpftheit sind in der Regel grosse Gaben des Mittels erforderlich;— bei Lei­den von Eingeweidewürmern haben sich grosse Gaben zum Toil-ten der letztern sehr wirksam gezeigt; zur Verhütung ihrer Wie-dererzeugung umi zur gründlichen Heilung der Wuimkrankheit sind aber mittelmässige Gaben am besten geeignet; — bei allen nicht zu sehr torpiden und bei den meisten chronischen Krankheits-zuständen, z. B. bei nervösen Fiebern, bei dem chronischen Kheu-matismus, bei Epilepsie, Schwindel, Fäule und dergl. verdienen kleine Gaben den Vorzug.
*) Diese Thiere erlrugen das Mittel bei meinen Vcrsuciien in Ga­ben von I Drachme his t Vnze durch mehrere Tage ohne den gering­sten Jiachtheil. Auf das Leben der Eselschnecken schien es keinen Ein-fluss gehabt zu haben.
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Eben so verschieden ist die Wiederholung des Mittels; bei Krämpfen, z. B. beim Lungenkrampf und bei Wunnkolik ist die­selbe in Zwischenzeiten von 1, 2 bis 3 Stunden nöthig, je nachdem die Zufälle anhaltend und mehr oder weniger heftig sind: bei Läh­mungen, bi'i dem Keller und bei den meisten übrigen chronischen Krankheiten giebt man etwa alle S Stunden eine Gabe, und bei chronischen Wurmlciden ist mehrentheils für 24 Stunden eine ein­zige Gabe hinreichend. Bei allen chronischen Krankheiten und be­sonders gegen Eingeweidewürmer muss das Mittel durch längere Zeit fortgebraucht werden, bis alle Zeichen des krankhaften Znstan­des günztich verschwunden sind.
Die Anwendung kann in Pillen, in Latwergen und in ilüssi-ger Form geschehen. Im letztern Falle wird gewöhnlich das Thleröl mit einer bittern, oder aromatischen, oder sehleimigen Flüssigkeit unmittelbar vor dem Eingeben durch blesses Zusammenschütteln gemengt. Die Anwendung in dieser Form ist bei heftigen Zufällen und beim Rindvieh zwar sehr zweckmässig; die Thiere sträuben sich aber oft sehr häufig gegen sie, und zuweilen verlieren sie durch die hierbei unvermeidliche Einwirkung des Mittels auf die ganze Maulhühle den etwa noch vorhandenen Appetit. Deshalb ist die Anwendung in weichen Pillen, welche vor dem Eingeben in Druckpapier eingewickeil sind, im Allgemeinen am zweckmässig-sten. Ist aber das Maul der Thiere durch das Mittel verunreini­get, so muss es nach dem Eingeben durch Auswasehen oder Aus­spritzen mit Salzwasser, oder mit verdünntem Branntwein wieder gereinigt werden.
Man verbindet das stinkende Thieröl zum innerlichen Gebrauch nach Verschiedenheit des Krankheitszustandes z. B. mit bitteren oder aromatischen Mitteln, mit Farrenkrautwurzel. Terpentinöl, Kampher, Weingeist und dergl. Auch empfiehlt man als ein wirk­sames Abführungsmittel bei Würmern eine Verbindung von 1 Loth Hirschhornöl mit l(i Lofb Leinöl und 4 Loth Doppelsalz auf ein­mal zu geben, worauf jedoch das Thieröl mit bitteren und anderen stärkenden Arzneien durch einige Zeit anhaltend gebraucht werden rauss. Waldinger') schreibt z. B. hierzu für Pferde folgende, etwas complhirte Formel vor: N. pulv. Enzianwnrzel, Baldrianwur­zel von jedem 2 Loth, pulv. Ofenruss 4- Loth, Hirschhornöl | Loth, Stahlschwefel und Terpentinöl von jedem J Loth, mit Mehl zur Latwerge gemacht und täglich zu verbrauchen. — Gegen den Band­wurm der Hunde empfahl WTaldinger Pillen aus Farrenkraut u.a, Mitteln mit Hirschhornöl (siehe die Formel im sect;. 251.).
*) Waldinger, Therapie 21e Auli. Tli. II. S. 2S(.
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Zum Einspritzen in die Blutadern ist das Hirschhornöl bisher nullt benutzt worden: es verdient aber auf diese Weise bei lebens-gefährlichen asthenisdien Krankheitszuständen, z. B. bei Lähmun­gen, bei denen gleichzeitig die Respiration sehr schwach und un­vollständig von statten geht, — bei sehr hohen Graden des Kollers, und vielleicht auch bei dem Lungenkrampf versucht zu werden, — jedoch nur au den grossen Hausthieren. Bei dem Starrkrampf der Pferde fürchte ich die, durch diese Einspritzung erzeugte heftige Reizung der Lungen. Man kann Pferden und Rindern auf einmal 1—2 Drachmen von dem vorher erwärmten Oel entweder reia für sich, oder gut abgerieben mit 1—2 Unzen lauwarmen Wassers, in-jiziren.
In Klystiren wird das Mittel, indem man es zu aromatischen, bitteren oder adstringirenden Flüssigkeiten setzt, mit sehr gutem Erfolge bei nervösen und fauligen Fiebern, bei dem typhösen Milz­brande, bei anhaltenden Krämpfen und Lähmungen augewendet. Man nimmt hierzu bei den verschiedenen Thieren dieselbe Quan­tität wie zum innerlichen Gebrauch.
Wenn Oestruslarven in den Nasen- und Stirnhöhlen bei Scha­fen sitzen, und Schwindel oder andere Zufälle veranlassen, so kann man, nach Chabert's Anleitung,*) ein Gemenge von I Theil stin-kemlem Thieröl und i bis (1 Theilen Wasser oder eben so viel von einem aromatischen Infusum in diese Höhlen spritzen, und zwar entweder durch die Nasenlöcher, oder durch eine mit dem Trepan in der Stirnwand gemachte Oeffnung. Diese Einspritzung wird am ersten Tage 2 bis 3 mal, jedoch immer ersl nach einer Zwi­schenzeit wiederholt, weil die Thiere dabei etwas angegriffen wer­den; in den folgenden 2 oder 3 Tagen isl es hinreichend, sie täg­lich einmal zu machen. Bei jeder Eiaspritzuug entsteht heftiges Kiesen, wodurch einzelne Larven sogleich ausgeworfen werden; die übrigen werden durch das Mittel getödtet und fallen später aus.
Das Einreiben des Hirschbornöls in die Haut am Bauche bei Windkolik, oder In die Haut des Kopfes bei der Drehkrankheit (wie dies Chaberi u. A. empfohlen haben), nuizl sehr wenig, in­dem die Wirkung des Mittels hierbei nicht zu den Würmern reicht. Bei schleichenden Entzündungen unter der Haul, bei Verhärtungen, Krämpfen, Lähmungen u. s. w. sind zwar solche Einreibungen mehrentheils rech! wirksam, haben aber vor denen mit Terpentinöl oder mit Steinöl keinen Vorzug, wohl aber muss das Thieröl den
') Triiilii dos Maladies vermineuses dans Jes Aiiiinaux. Paris 1787. p. 174. — Deutsch: Cbabert über die Wormkrankbeilen europaisclier Hauslhiere, übersetzt von F. A. A. Meier, Gölling. 1789.
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letzteren Mitteln in manchen Fällen nachstehen (z. B. bei Stnben-hunden), weil seine äussere Anwendung durch ilen zu heftigen Gestank und durch die Besudelung der Hände u. s. w. oft sehr widerlich wird.
Dagegen ist im Sommer das Bestreichen eiternder Verletzun­gen, besonders bei dem Weidevieh, sehr zweckraässig, um Insek­ten abzuhalten, oder ihre Eier und Maden zu tödten. — Bei zu ge­ringer Thätigkeit kann es auch zur Verbesserung der Granulation und Eiterung in veralteten Wunden und Geschwüren benutzt wer­den. Besonders hat es Baron v. Ehrenf'els mit gutem Erfolge gegen das bösartige (sogenannte spanische) Klauenweh der Me­rinos auf die Weise angewendet, dass die zuerst durch das Messer gründlich von allem losen Horn bef'reieten und biosgelegten Ge­schwüre der Klauen und eben so der Klauenspalt, so weit derselbe feucht ist, mit rauchender Salpetersäure und gleich darauf mit Hirschhornül bestrichen wurden. Die Klauen bleiben ohne weitem Verband; zeigen sich nach 2 Tagen noch weiche und feuchte Sttl-len, so wird das Verfahren wiederholt, und später auf dieselbe Weise bh. zur Heilung fortgesetzt.*) Ich habe den Theer hierzu als besser befunden.
Gegen die Räude ist das Hirschhornül bei allen Thieren ein ganz vorzügliches Mittel, dessen Wirkung und zweckmässigste An­wendung bei rändigen Schafen zuerst Walzquot;) gründlich erforscht hat. — Es tödtet die Räudemilben schneller als irgend ein anderes Mittel (nämlich in einigen Minuten), reizt die Haut bis zur Ent­zündung, und bewirkt dadurch das Vertrocknen der Räudeknüt-chen und baldige Heilung der Geschwüre. Dennoch ist es für sich allein bei Schafen nicht gut zur Anwendung geeignet, theils weil es die Wolle sehr besudelt und schwarz-braune Flecke in derselben macht, die schwer wieder zu entfernen sind, theils weil es nicht ohne Gefähr für das Leben der Thiere auf eine grosse Fläche des Körpers angewendet werden kann; denn wird ein mit der Räude behaftetes oder auch ein reines geschornes Schaf mit Hirschhornül an allen bewollten Hautstellen überstrichen, so erhält die Haut eine hochrothe Farbe, ihre Temperatur wird brennend heiss, die Augen verdrehen sich, aus dem Maule trttt. Schaum und es stellen sich krampfhafte Bewegungen ein. Diese Zufälle gehen beim Aufenthalt des Thieres in freier, kühler Luft gewöhnlich nach einigen Stunden vorüber; sie enden aber auch nicht selten mit dem Tode, wenn
*) Oekonom. Nenigkeilen mul Verliaiullungen. Jabrg. 1819. Hefl gt;.gt;. **) Walz, Natur und Behanrtlung der Scliöfriuide. Stuttgart 1812. S. 52—65.
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solche Thiere im warmen Stalle eingeschlossen, oder heisser Wit­terung ausgesetzt, oder kränklich sind (Walz a. a. O. S. 53.). — Wird dieses Oel mit Fett oder fettem Oel im Verhältniss wie 1 zu 3 gemengt aufgetragen, so werden zwar die auf der Oberfläche vor­handenen Milben getödtet, aber nicht die dem Aufbruch nahen Mil-beimester zerstört. Die Reizung hierbei ist geringer, doch aber noch su stark, dass dadurch bei kränklichen Thieren der Tod er­folgen kann. Walz hat auch die Erfahrung gemacht, dass Schafe, die mit diesem Gemenge vollkommen von der Räude geheilt wur­den, bei anhaltendem Regen der Selbstbilduug dieser Krankheit mehr ausgesetzt sind, als solche, die rein geblieben waren. — Das Befeuchten räudiger Schale mit einer Ammoniak enthaltenden wäs­serigen Feuchtigkeit, z. B. mit Rindsharn, und hierauf das Bestrei­chen mit Hirschhürnöl, tödtet nicht nur alle auf der Haut befind­lichen Milben, sondern zerstört auch die meisten Nester derselben; allein auch hierbei tritt eine allgemeine Reizung ein, im Verhält­niss nach der aufgetragenen Menge des brenzlicben Oels. Zur Heilung ist aber gewöhnlich nur die einmalige Anwendung dieser Mittel nötbig, und die geheilten Thiere sollen in Zukunft der Selbst-nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;V
entwickelung der Räude fast gar nicht ausgesetzt sein. Walz empfahl daher als die vortbeilhafteste Zusammensetzung folgende: man nimmt 4 Theile (z. B. 2 Pfund) frisch gebrannten Kalk (oder von gelöschtem Kalk das Dreifache), versetzt ihn durch allmähliges Wasserzugiessen in einen breiartigen Zustand, verbindet damit so­gleich entweder 5 Theile (z. B. 2^ Pfund) kohlensaures Kali (Pot-aschc), oder eine diesem Verhältniss entsprechende Menge Asche, wie z. B. 60 Theile Bucbenasche, und so viel Rindsharn (Mist-jauche), dass ein Brei daraus wird, mengt hierzu G Theile (z. B. 3 Pfund) stinkendes Thieröl und 3 Theile (oder UPfund) Theer, verdünnt das Gemenge mit 200 Thcilen (oder 100 Pfund) Rinds­harn, und zuletzt mit S00 Theilcn (oder 400 Pfund) gewöhnlichen Wassers.*) — Die so bereitete Flüssigkeit ist eine unvollkommene chemische Mischung, welche mildes (kohlensaures) Ammoniak mit brenzlichem Oel, Theerseife und brenzlicben Kalk enthält. Sie tödtet die Milben, zerstört deren Nester, hat selbst bei ganz jungen Lämmern und kränklichen Schafen keinen Nachtheil für den Orga­
nismus, schadet der Wolle gar nicht (denn die entstehende bräun-
raquo;
liche Farbe verliert sich in 8 bis 1.4 Tagen gänzlich), sondern sie bedingt sogar eine auffällend vermehrte Produktion derselben. Die
') Die oingeklammerlen Ijenannlen Gewiehlslheile dienen als Bei­spiel zur Bereitung eines Waschwassers für 200 bis 250 raudigo Schafe, indem für t Schaf gegen 2 Pfund Flüssigkeit ciTorderlich sind.
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Anwendung geschieht als Waschwasser oder als Bad; dabei müs­sen alle kranke Stellen zuerst durch Aufkratzen der Krusten mit einem stumpfen Messer oder mit einer alten Striegel zugänglich gemacht, dann recht gründlich durchniisst und die Augen derThiere gegen die Einwirkung der Flüssigkeit geschützt werden. — Zur gründlicQcu Kur muss die Anwendung unter günstigei. Umstan­den nach Zwischenzeit von 7 Tagen 3 mal (d. i. den Isten, Tten und löten Tag), und wenn dieThiere dem Regen ausgesetzt sind, auch 4 bis 5 mal wiederholt werden, denn Regen ist der Heilung immer hinderlich und die Thiere müssen ihm deshalb möglichst entzogen werden. — Waldinger hat die Zusammensetzung des Mittels in der Art abgeändert, dass er die Menge des Kalkes ver­doppelte und dein Ganzen noch 4 Thcile gepulverten Schwefel hin­zusetzte.*) Departements-Thierarzt Erdt fand die WalzscheLaage auch stets zu schwach, dagegen folgende Composition sehr wirk­sam: Man nimmt zur ersten Wäsche (für 300—GÜÜ Schafe): frisch gebrannten Kalk 6 Pfund (in Ermangelung desselben 18 Pfund gelöschten Kalk), rohe Potasche (i Pfund, pulverisirten Schwefel und Hirschhornöl, von jedem 4 Pfund, und Mistjauche oder Pferde­urin 200 Quart. Der Kalk wird mit Wasser gelöscht und zum Brei gemacht, und diesem die übrigen Mittel zugemengt, während der Kalk noch heiss ist. Das Gemenge bleibt 12 Stunden zugedeckt stehen und wird von Zeit zu Zeit mit Jauche mehr verdünnt. Dann wird ein Theil der Jauche kochend gemacht, in die Wanne gethan und von dem Gemenge so viel hinzugethau, dass das Ganze eine Temperatur von 45—5U Gr. R. erhält. In dieser Temperatur er­hält man die Flüssigkeit bei der Anwendung durch wiederholtes Hinzuthun von heisser Jauche und von dem Gemenge. — Das zweite Bad macht man nach 4 Tagen aus Kalk und Potasche von jedem 4 Pfund, Schwefel und Theer von jedem 2 Pfund und J40 Quart Jauche. Das dritte Bad wieder nach 4 Tagen aus Kalk und Potasche von jedem 3 Pfund, Schwefel und Theer von jedem 'l Pfund, Jauche 140 Quart. Die vom ersten und zweiten Bade übrig­bleibende Lauge kann zu den folgenden Bädern benutzt werden; da aber die Lauge vermöge des Schwefels kupferne Gefässe an­greifen würde, muss ihr Erwärmen entweder in irdenen Gefässen oder in der Wanne mittelst heisser Feldsteine geschehen.
Anmerkung 1. Das ätherische Thierül, rektifizirte Hirschhornöl, oder sogenannte Dippelsche Del {Oleum laquo;ni-mule aethereum, s. Oleum rornu Cervi reclißcalum. s. Ol antmale Dip-pelii), ist der durch wiederholte Destillation erhaltene reine äthe-
) Waldinger, Wahrnehmungen an Schafen, S, 108. u. S. 23i
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rische Bestamitheil des gemeinen Hirschhornöls. Seine Wirkung ist fluchtiger und stärker auf das Gehirn gerichtet; es wird aber in der Thierheilkunde nicht gebraucht, weil es sehr theuer und bei Thiereu durch das gemeine Hirschhornül und noch besser durch das Chabertsche Oel zu ersetzen ist.
Anmerkung 2. Das Chabertsche Oel (Oleum anlftelmiu-thkum s. Oleum contra faeniam Chaherli) wird erhalten, wenn man 1 Thcil Hirschhornül und 3 Theilc Terpentin durch 3 Tage zusam­men digerirt und dann hiervon den vierten Theil abdestillirt. Es ist dem Dippelschen Oel sehr ähnlich, wird aber für noch wirksa­mer gehalten und ist wohlfeiler. Es kann innerlich iu allen, im sect;. 365. angezeigten Krankheiten wie das gemeine Hirschhornül ge­braucht werden, wenn man dieses nicht anwenden will. Chabert hat es zuerst bereitet und ziun thierarzneilichen Gebrauch, beson­ders gegen alle sogenannte Wurmkrankheiten sehr empfohlen, weil es die Würmer viel schneller als irgend ein anderes Arzneimittel tödtet;*) er verordnete es erwachsenen Pferden von ]; — 2 Unzen, Ochsen und Kühen in etwas stärkeren Gaben, Füllen und Kälbern von 30—60 Tropfen, — Schweinen und Schafen eben so viel, — Hunden von 2 Gran bis 1 Drachme.**)
Anmerkung 3. Der Rauch von Hornspäuen, Klauen, Haa­ren und Federn, welche auf glühenden Kohlen verbrannt werden, enthält brenzliches Thieröl im dunstartigen Zustande. Wird der­selbe eingeathmet, so wirkt er auf die Lungen und auf den gan­zen Organismus als ein massig starkes Reizmittel, welches bei der sogenannten wurmigen Lungenseuchc der Kälber und Lämmer, bei Oestruslarven in den Nasen- und Stirnhöhlen, bei Verschleimung der Luftröhre, bei veralteter Druse und bei ähnlichen asthenischen Krankheitszuständen der Schleimhäute vortreffliche Dienste leistet. Die Anwendung kann täglich 2 mal durch % bis V Stunde gesche­hen, wobei aber die S. 275 in der Anmerkung angedeutete Vor­sicht zu beachten ist.
(Von dem Hirschhorngeist und Hirschhornsalz siehe XI. Klasse, „kohlensaures brenzlich-öliges Ammoniak.quot;)
2. Russ, Glanzruss, glänzender Ofenruss, /laquo;//{jo Lignl s. Futigo splendens.
sect;. 342.
Er enthält vegetabilisch-brenzliches Oel im oxydirten Zustande, mit Kohlenstoff, brenzlicher Essigsäure, brenzlichem Ammoniak,
*) Chaberl, 8. a. 0. p. )0o-l09. quot;) Ebenda?, p. 168—175.
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Kreosot u. s. w. verbunden. Diese Bestaudtheile zeigen sich nach der Art des verbrannten Holzes, nach dem Orte und der Art der Verbrennung etwas verschieden, aber der Kohlenstoff ist stets sehr vorherrschend.
Der Russ wirkt ähnlich wie das Hirschhornöl, jedoch viel we­niger stark auf das ganze Nervensystem, weniger flüchtig, sondern mehr anhaltend erregend, vorzüglich kuf die Verdammgseingeweide, auf die Lymphdrüsen, die Schleimhäute, und im geringeren Grade auch auf die Haut; er bessert bei zu geringer Thätigkeit die Ver­dauung und Assimilation, ist theils hierdurch, theils auch direkt den Würmern zuwider, befordert die Resorption, vermehrt auf ge­linde Weise die Absonderung in den Schleimhäuten, in den Nieren und in der Haut. Die grosseu Blutgefässe reizt er sehr wenig; er leistet daher bei asthenischen und cachektischeu Krankheiten, vor­züglich bei schlechter Fresslust, die ihren Grund in Unthätigkeit der Verdauungseingeweide selbst hat, bei langwierigem Durchfall, bei Eingeweidewürmern, bei Egelkrankheit und Fäule der Schaf.', bei Verschleimung, bei Abmagerung aus gestörter Assimilation, bei chronischer Druse, bei Hautwassersucht, bei veralteter Räude, bei dem Wurm und, angeblich auch gegen den Rotz gute Dienste.
Die Gabe ist für die grossen Thiere •£ — l-i- Unze, für Schafe und Schweine 1—3 Drachmen, für Hunde 10 Gran bis 1 Drachme, täglich 1 bis 2 mal. Die Anwendung kann in Pillen, Latwergen, in flüssiger Form, und selbst im Pulver als Lecke geschehen, doch ist letzteres wohl selten zweckmässig, da sein Geruch und Ge­schmack den Thieren zuwider ist. Man giebt ihn mit bittern und aromatischen Mitteln, mit Kochsalz, Spiessglanz, Schwefel u. dergl. verbunden. Vitet lobt besonders eine Verbindung mit Aloe (2 Th. Russ und 1 Th. Aloe) als ein wirksames Mittel zur Vertreibung der sogenannten weissen Würmer und des Bandwurms bei Scha­fen. *) Waldinger gab ihn mit Hirschhornöl, Baldrian u. s. w. (Siehe den vorigen sect;. Seite 347.)
In Wunden und Geschwüren wirkt er erregend, bessert die Bildungsthätigkeit, trocknet aus und reiniget. Er ist deshalb bei schlaffer, üppiger Granulation, bei schlechter Eiterung und bei vor­handenen Maden recht nützlich, und wirkt bald für sich allein, bald mit bittern, aromatischen oder adstringirenden Mitteln, mit Kampher, Kupfervitriol und dergl. gemengt, als Pulver eingestreuet. — Mit gleichen Theilen grüner Seife und Terpentinöls zur Salbe gemacht, oder als Zusatz zu einem Dekokt ist ev bei Flechten und Räude ein sehr wirksames Mittel.
') Vitet, Unterricht, Bd. 5. S. 250.
II laquo;rtwiff Arzneimittellebre.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;23
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Um den Pferden das Koppen abzugewöhnen, soll man nach Vitet's Angabe*) 2 Unzen Ofenruss und 1 Unze Coloquiutenmark mit iäulendem Urin zu einer salbenartigen Masse recht genau zu­sammenmengen, und damit die Stellen der Krippe u. s. W. bestrei­chen, wo das Pferd beim Koppen das Maul aufzusetzen pflegt. Die Untugend soll in 8 bis 14 Tagen gehoben sein, was aber die Er­fahrung selten bestätiget.
Als Präparat hat man noch die Russtinktur {Tinctura fall-ginh, 1 Unze in 8 Unzen Weingeist gelöst); sie ist aber in der Thierheilkunde nicht im Gebrauch.
Da der Russ als Heilmittel überall leicht und wohlfeil zu ha­ben ist, so verdient er von den Thieriirzten häufiger als bisher an­gewendet zu werden.
3. The er, Pir lUjuida s. Cedriu s. liesinu liqitida empyreumulica.
sect;. 343.
Er wird gewöhnlich als Nebenprodukt bei dem Kohlenbrennen aus verschiedenen Bäumen, besonders aus den Fichten, gewonnen und stellt eine zähe dicke Flüssigkeit dar, die schwerer als Wasser und von schwarzbrauner Farbe ist. Sein Geruch ist empvrenma-tisch, der Geschmack scharf-bitter, anhaltend empyreumatisch. Der Theer ist aus verschiedenen Substanzen zusammengesetzt, von de­nen man das Kreosot, Pikamar, Parafin, Eupion und Essig deut­lich erkannt hat; andere kennt man nicht genügend. Kienholztheer enthält ausserdem noch stets etwas Kien- oder Terpentinöl; dage­gen lässt sich das Kreosot aus dieser Theerart wenig oder oft gar nicht darstellen, sondern blos aus dem von Buchenholz gewonne­nen Theer (Pigt; lltptiäa Fagi).
Der Theer wirkt einigermaassen dem Russ ähnlich, aber viel stärker reizend auf das Gefässsystem, auf die Lungen und deren Schleimhaut und auf die Nieren, so dass er sich hierin den balsa­mischen Mitteln sehr nähert; er unterscheidet sich aber von ihnen darin, dass er viel mehr erregend, als sie, auf die Nerven der Ein­geweide wirkt und deshalb bei grosser Schwäche dar letzteren ge­wöhnlich weit besser ertragen wird, als der Terpentin und als das Fichtenharz. Auf das Gehirn und die Sinnesorgane äussert er selbst in grossen Gaben keine besondere Wirkung.
Er kann nach den im sect;. 340 angegebenen Indikationen an­gewendet werden; wegen seiner eben bezeichneten stärkern Wir­kung auf die Blutgefässe, die Lungen u. s.w., wird er aber inner-
*) Vitet, Unterricht, Ud. 5. S. 2o( ii. 2;i9.
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lieh, besonders (bei Erschlaffung der Schleimhäute mit andauernd vermehrter Sekretion (sogen. Verscbleimungeu) besonders der Re­spirationsorgane, bei atonischem Katarrh, bei veralteter Druse, hei vernachlässigten Lungenentzündungen und deren Ausgängen, daher auch bei der sogenannten Lungenseuche des Rindviehes, wenn sie entweder ursprünglich einen asthenischen Charakter besitzt, oder den­selben im vorgerückten Verlaufe angenommen hat; ferner, hei eitern­den Luugenknoten, wenn kein gereizter Znsfand damit verbunden ist; — hei atouischer Brust- und Bauchwassersucht, bei ödematöseu Anschwellungen; bei chronischer Druse; bei dergl. Rheumatismus; iiei dem Wurm der Pferde; bei veralteter Mauke und Räude, bei Eingeweidewürmern, bei der Lungenwünnerkninkheit sowohl zur Kur, wie auch zur Vorbeugung, und bei dem Auf blähen der Wie­derkäuer benutzt.
Die Gabe ist für Pferde und Rinder 2 Drachmen bis 1 Unze, für Schafe und Schweine \—2Drachin., für Hunde 5 Gr. his 1 Drachm., täglich 2 — 4 mal. — Die Anwendung kann in Latwergen, Pillen, oder in flüssiger Form geschehen, und es gilt hierüber Alles, was von der Awendung lies Fichtenharzes und des Terpentins (sect;. 324. und 328.) angegeben worden ist. Alan verbindet den Theer nach Bedürfniss der verschiedenen Krankheitszustände mit bittern und aromatischen Mitteln, mit Schwefel, Spiessglanz, seihst mit Salzen, namentlich mit Salmiak.
Man wendet den Theer auch in Form von Dämpfen an, wel­che man am leichtesten entwickelt, indem man entweder ein heis-ses Stück Eisen in einen mit Theer gefüllten Tupf steckt, oder in­dem man Theer auf ein heisses Eisen, z. B. auf eine Kohlenschau­fel oder auf heisse Steine tröpfelt. Diese Theerdämpfe, in denen fast alle Be.standtheile des Theers, besonders aber das äther. Oel und das Kreosot enthalten sind, wirken auf die von ihnen betroffe­nen Theile des Thierkörpers stark reizend, und dies um so mehr, je stärker die zu ihrer Erzeugung benutzte Hitze war, und je mehr der Theer hierbei wirklich verbrannt worden ist. Die Dämpfe be­stehen hierbei grüsstentheils aus Rauch, der eine grosse, widrige Schärfe besitzt. Sollen sie möglichst mild wirken, so bereitet man sie auf die Weise, dass man das Gefäss mit dem Theer blos in recht heissen Sand stellt. Dies ist bei ihrer Bereitung, mit Berück­sichtigung des Grades der Reizbarkeit der Lungen der kranken Thiere, zu beobachten. Die zu starke Erhitzung der Materialien scheint mir weder nüthig noch nützlich, denn das ätherische Oel des Theers wird hierbei gänzlich zerstört. — Die Anwendung der Theerdämpfe ist hei Erschlaffung und Torpidität der Lungen, bei Erschlaffung der Schleimhaut in der Nase, in der Luftröhre und in
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den Lungen, daher bei chronischer Druse, bei langwierigem Schleim-ausfluss, bei chronischem, kraftlosem, dumpfem Husten, bei der Lungenwilrmerkrankheit der Schafe und bei Oestruslarven in den Stirnhöhlen angezeigt, und ich habe sie bei diesen Zuständen, die­selben mochten fieberhaft oder fieberlos sein, mit dem ausgezeich­netsten Erfolge benutzt. — Auch können diese Dampfe als Priiser-vativmittel gegen asthenisehe Krankheiten, namentlich gegen der­gleichen catarrhaliscfae Krankheiten, besonders bei feuchter Witte­rung, ähnlich wie die Räucberungen von Wachholderbeeren (S. 275.), mit Nutzen gebraucht werden.
Bei Vollblütigkeit, und bei jedem mit erhöhter Reizbarkeit ver­bundenen Zustande, besonders bei Augen-, Hals- oder Lungen­entzündungen müssen sie streng vermieden werden. — Man kann sie täglich 2 — 3 mal entwickeln, so dass die Luft des Stalles be­ständig mit ihnen geschwängert ist. Die Menge des jedesmal zu verbrauchenden Theers lässt sich nicht genau bestimmen, da sie hauptsächlich von der Grosse des Stalles abhängig ist. Um einen gut geschlossenen Stall von 10 bis 12 Fuss Höhe, Länge und Breite mit Theerdämpfen vollständig zu erfüllen, ist i Unze Theers erforderlich.
Aeusserlich kann der Theer als ein sehr wirksames und wohl­feiles Digestivmittel bei Wunden und Geschwüren, in denen zu geringe Thätigkeit besteht, oder wo Maden sich entwickelt haben, benutzt werden; man wendet ihn hierbei ähnlich wie den Terpen­tin, entweder für sich allein, oder mit Eigelb und Wasser abge­rieben, als Digestivmittel an. Bei oberflächlichen Verletzungen dient er als schützendes Bedeckungsmittel, und besonders wird er hierzu bei Hufschäden, z. B. bei Hornspalten, bei ausgeschnittenen Stein-gallen, bei faulem Strahl und dergl. benutzt. — Drei Theile Theer, 2 Theile gelbes Wachs und 24 Theile Talg zusammengeschmolzen, bilden eine sehr gute Homsalbe, durch deren Anwendung das Wacbsthum des Hufes befördert und das Sprödewerden vermindert wird. Bei dem gutartigen und bösartigen Klauenweh der Schafe ist der Theer sowohl für sich allein, wie auch in Verbindung mit an­dern Mitteln (siehe Kupfervitriol) sehr nützlich gewesen. — Ebenso leistet er bei Räude und Flechten gute Dienste, obgleich er die Räu­demilben viel weniger schnell todtet als das Hirschhornöl; man benutzt ihn hierbei entweder allein, oder besser mit Fett, oder mit Seife zur Salbe gemacht, der mit passenden Flüssigkeiten verbun­den als Waschmittel, z B. in der sogen. Walz'sehen Lauge (S. 350.). Wandel empfahl eine Räudesalbe, die aus hTheilen Theer, 4 Thei-len gesalzener Butter und 4 Theilen Potasche durch Zusammen­setzung in einem Mörser bereitet wird; Viborg machte sie ein-
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fachor, indem or Theer und grünn Seife zu gleichen Theilen in einem Topfe zusammenschmelzen licss. — Durch Zusatz von Hirsch-hornöl, Terpentinöl, weisser Niesewurz und dergl. ist die Wirksam­keit dieser Salben sehr zu verstärken, wie z. B. folgende eine sehr bewährte Zusammensetzung gegen atonische Flechten, Fetträude, und veraltete Mauke ist: Rp. Picis liquiäae | Unze, 01. iereblath-, Hydrarg. praecipital. alb. nna 2 Drachmen, Butyri insuls. (oder Adi-pis sui/l.) 1 ^ Unze. M. D. S. Täglich 2 mal aufziis^reichen. — Auch wird der Theer zuweilen als Vehikel bei der Bereitung schar­fer Salben benutzt (siehe Kantharideu).
Anmerkung. Das sogenannte Theevwasser (Arjua picea) wird bereitet, indem man 1 Theil Theer mit 'i—i Theilen kalten Wassers übergiesst, beides recht oft umrührt und nach 1—2 Tagen die klare Flüssigkeit abgiesst. Das Theerwasser enthält breuzliche Essigsäure und etwas aufgelöstes brenzliches Oel, wirkt viel mil­der, erhitzt weniger als der Theer, befördert aber ziemlich stark die Harnabsonderung. Es kann fast in denselben Fällen gebraucht werden, wo der Theer nützlich ist. Man giebt es Pferden und Rindern VOJ11—3 Pfund, Schafen und Schweinen 3—6 Unz., Hunde 'j - 3 Unz.auf einmal, täglich ;i—4 mal, und mehrentheils für sich allein, zuweilen auch mit bittern oder aromatischen Mitteln; Dieterichs*) ge­brauchte es in Verbindung mit Terpentinöl bei der Lungenseuche des Rindviehes. — Doch sind die Wirkungen dieses Mittels weder überhaupt, noch bei einzelnen Krankheiten durch hinreichende Er­fahrungen nachgewiesen, und Vitet (a. a. 0. S. 203.) behauptet sogar; ,,dass alle gepriesene Kräfte desselben erdichtet sind.quot; Dies ist zwar unrichtig, aber so viel ist sicher, dass eine Unze Theer in Substanz mehr leistet, als ein Pfund Theerwasser.
4. Kreosot, Crcosolum.
sect;• 344. Das Kreosot oder mumificirende Princip ist erst in neuerer Zeit als ein Bestandtbeil der meisten empyreumatischen Substanzen, des Holzessigs, des Theers, des Steinkohlentheers, der Braunkohlen, des Hirschhornöls und des Rauchs entdeckt und namentlich aus den beiden erstem Substanzen auf verschiedene Weise dargestellt wor­den. Es erscheint im unreinen Zustande als eine bräunliche, an der Luft schwarz werdende, im rektifizirten Zustande als eine farblose, durchsichtige Flüssigkeit von olartiger Konsistenz; es hat einen stark empyreumatischen, durchdringenden Geruch, der sich an Al-
*) Abhandl. über die Lungensouche. Berlin 1821. S. 83.
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les fest anhängt, und einen 1 nennenden, ätzenden, etwas ins Süss-liche neigenden Geschmack; im Wasser löst es sich schwer, dage gen in Alkohol, Aether und in Steinöl leicht auf; mit fetten und ätherischen Oden mischt es sich leicht, und das Riweis coagulirt es sogleich.
Das Kreosot wirkt im reinen Zustande auf die lebenden thic rischen Gebilde sehr stark reizend, umändernd und seihst ät­zend. Auf die Haut eines Thieres gebracht, macht es nach 1 bis 2 Minuten die betroffene Stelle weiss und gefühllos, und nach eini­gen Tagen stösst sich die abgestorbene Schicht in trockenen Schup­pen ab; in Wunden macht es augenblicklich einen heftigen, bren­nenden Schmerz, der oft gegen eine halbe Stunde anhält, und wo­bei die Oberfläche zuerst weisslich wird, hierauf bald mehr, bald weniger trocken zusammenschrumpft, und zuletzt wieder eine dun-kelrothe, reine, mit wenigem aber gutem Eiter versehene Fläche erzeugt; Schorfbildung findet dabei nicht statt. Blut coagulirt durch seine Einwirkung sehr schnell und Blutungen aus kleinen Gefässen hören hiernach bald auf. — Innerlich angewendet bringt, es in einzelnen kleinen Gaben keine besondere Erscheinungen her­vor, und Pferde ertrugen es bis zu 3 Drachmen, ohne dass andere Zufälle eintraten, als dass durch 1 bis 2 Stunden der Athem nach Kreosot roch, das Maul heisser und etwas trockener, der Puls um einige Schläge vermehrt wurde. Hunde zeigten dagegen von einer halben bis zwei Drachmen Kreosot sogleich grosse Angst, stieren Blick, Schwäche, selbst Lähmung der Extremitäten, Schwindel, Er­brechen coagulirter, weissUcher Massen, zuweilen Auswurf von blu­tigem Schaum, röchelndes Athmen und Erstickungszufälle, unter de­nen der Tod erfolgte. In den Cadavern fand sich ein starker Kreo-sotgeruch in fast allen Eingeweiden, dunkle Höthe und Entzündung der Magen- und Darmschleimliaut, an einzelnen Stellen selbst An-älzung derselben, und Verdickung des Blutes. — Diese Wirkungen sähe man auch dann, wenn eine gleiche Gabe des Mittels mit der doppelten Quantität Wassers verdünnt eingegeben wurde, und nach einer in die Jugularveue gemachten Injektion von |- Unze Kreosot mit eben so viel Wasser verdünnt, erfolgte der Tod unter sehr hef­tigen, krampfhaften Athembeschwerden in wenigen Minuten. — Auch auf todte thierische Gebilde wirkt das Kreosot, indem es die­selben bräunlich färbt, sie zusammenschrumpft, ihnen den Kreosot­geruch mittheilt und sie gegen Fäulniss schützt. Diese Wirkung erfolgt sehr schnell, z.B. schon, wenn man Fleisch nur |—1 Stunde in eine Auflösung des Mittels legt. Man erklärt die sämmtlichen Wirkungen des Kreosots aus der von ihm verursachten schnellen Gerinn ng des Eiweises in den thierischen Gebilden.
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Als Arzneimittel ist das Kreosot in der kurzen Zeit seines Be-kanntseins sehr vielfältig versucht worden. Es findet, den ange­deuteten Wirkungen zufolge, seine Anwendung da; wo bei ge­sunkener Energie der Organe eine übermassige sthlaffe Bildung oder zu reichliche Absonderungen und Ausflüsse bestehen. Haupt­sächlich hat man es angewendet: 1) innerlich als ein umstimmen­des, die Sekretionen besonders in den Schleimhäuten venninderndeK Mittel, gegen chronischen Katarrh mit reichlichem Schleimflnss, ge­gen Lungengeschwüre und gegen Harnruhr; — 2) innerlich und äusserlich, als ein styptisches Mittel gegen Blutiingen, sowohl aus Wunden wie auch aus innern Organen (jedoch nur gegen paren-chymatüse Blutungen; denn verletzte griissere Gefasse kann es nicht verschliessen), und — 3) äusserlich als umstimmendes, als reini­gendes, die Eiterbildung besserndes, die Abblätterung in Knochen, Knorpeln und Sehnen beforderndes und der fauligen und brandi­gen Absterbung entgegenwirkendes Mittel bei unreinen, trägen, jauchenden Wunden und Geschwüren mit blasser, üppiger Granu­lation oder mit Karies, bei dergleichen Widerristscbädeu und Nak-kcnfistdn, bei dem sogen. Wurm an der Ohrmuschel der Hunde, bei Stralilfäule, Strahlkrebs, bei bösartigem Klauenweh, bei Huf-knorpelfisteln, bei Gelenk- und Sehnenwunden mit reichlichem Aus-fluss der Synovia, bei weichen Warzen, bei dem kalten Brande und dergl.
Gegenanzeigeu sind; ein gereizter Zustand des Verdauungs-kanals, der Lungen oder der Nieren, und aktive Entzündung der Stellen, wo das Mittel angewendet werden soll.
Die Gabe zum innerlichen Gebrauch ist für Pferde und Rinder | — 2 Drachmen, für Schafe, Ziegen und Schweine 15 Gran bis i Drachme, für Hunde 1—10 Gran täglich 3 mal, bei Blutungen öfter wiederholt. Man giebt das Kreosot, stets vorher mit Wein­geist oder mit Wasser 20fach oder noch mehr verdünnt, entweder in flüssiger Form (blosse Auflösung oder Emulsion), oder in Pillen und Latwergen, mit Zusatz von schleimigen, adstringirenden oder aromatischen Mitteln. — Dagegen dürfen Chlor, Salpeter- und Schwefelsäure, ätzende Alkalien, Quecksilber und Quecksilbersalze, Harze und Eiweis mit dem Kreosot nicht zusammengebracht werden.
Aeusserlich wird das Mittel im conzentrirten Zustande selten, etwa nur bei Warzen und bei dem Strahlkrebs, angewendet; in al­len übrigen Fällen benutzt man eine Auflösung von 1 Theil Kreo­sot in 5 bis 100 Theilen wässerigem Weingeist oder Holzessig, je nach dem Grade der Erschlaffung und Reizlosigkeit. Man streicht die Flüssigkeit täglich zuerst zweimal, späterhin seltener, mit einem
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Pinsel oder mit einer Feder auf, oder man spritzt sie in die Fisteln ein. — Mit 4 bis 8 Theilen Fett zusammengerieben ist das Kreosot auch in Salbenform anzuwenden.
In leichteren Fällen der obengenannten Krankheiten kann das Kreosot gewiss durch Theer, Ofenruss oder Holzessig wohlfeil er­setzt werden.
5. Steinöl, Bergül, Pelroleum s. Oleum Petrae.
sect;. 345.
Es erscheint in materieller Hinsicht mit kohligen brenzlichen Stollen weniger reichlich begabt, als die vorher genannten Mittel, sondern es nähert sich bedeutend dem Terpentinöl.
In seinen Wirkungen zeigt es innerlich und äusserlich eben­falls eine grosse Aehnlicbkeii mit dem Terpentinöl; es scheint je­doch bei innerlicher Anwendung mehr anhaltend erregend auf die Baucheingeweide, und äusserlich etwas weniger flüchtig und weni­ger scharf reizend auf die Haut zu wirken, als dieses Mittel.
Die Anwendung kann in Ermangelung des Terpentinöls ganz bei denselben Krankheiten, wo dieses empfohlen ist (sect;. 329.), in denselben Gaben und sowohl innerlich wie äusserlich auf dieselbe Weise geschehen. — Einen besoudern Vorzug vor dem Terpentinöl besitzt es nicht; es ist aber in den Apotheken noch einmal so theuer wie dieses.
Noch andere enipyroumatische Mittel, wie namentlich das Wachsöl {lt;)/. Ceme), das Franzosenholzöl (O/. Ügni Guajaci), das Steinkohlen- oder Braunkohleuöl {01. pyrocarbonicum s. 01. lithrancis), das Judenpechöl {Ol. Asphaiti), das Birkenöl, der Birkentheer oder der sogenannte schwarze Degen {Ol. helullnum s. Ol. Ruscl), das Ziegelsteinöl {Ol Pliilosophurum), und das Russöl {Ol. Fullgiuit) besitzen ähnliche Wirkungen und sind unter denselben Umständen zu benutzen, sonst aber grössteu-theils entbehrlich, da ihre Wirkungen keine erwiesene Vorzüge vor denen der übrigen abgehandelten Mittel besitzen. Sie stehen aber hin und wieder bei den Landleuten in grossem Rufe.
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Fünfte Klasse.
Weingeislige (spirituöse) und ätherhaltige Arzneimittel.
(Medicumina spirituosa et netherea.)
Begriff, Wirkung und Anwendung dieser Mittel im Allgemeinen.
sect;. 347.
Die in dieser Klasse zusammengestellten Arzneimittel enthalten sämmtlich als wirksamsten Bestaudtheil den Weingeist (Spiritus, Spiritus vini), und zwar denselben entweder für sich allein, oder in versuhiedenartigen Vtrbindungen mit Wasser, mit Schleim, Zucker, mit aromatischen, färbenden und adstringirenden Bestandtheilei.', mit Säuren u. a. Stoffen. Es gehören, ausser dem Weingeist selbst die sogenannten gebrannten Wässer (Branntweine), die verschiede­nen Weine, Aether, und die versl'issten Säuren hierher.
Diese Mittel werden im ärztlichen Sprachgebrauch auch als flüchtige Mittel (M. volalilia) bezeichnet, theiis deshalb, weil sie die Eigenschaft besitzen, sich entweder gänzlich oder doch ih­ren Bestaudtheil an Weingeist zu verdunsten und zu verflüchtigen, noch mehr aber, weil sie bei ihrer Anwendung auf den Thierkörper denselben sehr schnell durchdringen und daher auch ihre Wirkun­gen sehr schnell, d. h. flüchtig, entwickeln. Beide Eigenschaften kommen jedoch den Spirituosen und ätherartigen Arzneimitteln nicht allein zu, sondern man findet sie auch bei der Blausäure, bei dem Ammoniak, bei dem Kampher, bei den meisten ätherischen Oelen und einigen andern Stoffen.
sect;. 348.
In ihrer Wirkung kommen diese Mittel darin mit einander überein, dass sie zuerst (primär) die Thätigkcit des Nervensystems schnell zu einem höheren Grade aufregen und hierdurch auch den ganzen Lebensprozess erhöhen, darauf aber (seeundär) Abspannung, Mattigkeit, und nach sehr grossen Gaben sogar Betäubung und Lähmung verursachen. Dieser Unterschied zwischen der primären und seeundären Wirkung tritt bei den in Rede stehenden Mitteln deutlicher hervor, als bei allen andern; aber die Stärke und die Dauer der Erscheinungen, sowohl der aufgeregten als der vermin­derten Lebensthätigkeit, sind nach der Grosse der Gabe, nach der Conzentration des angewendeten Mittels, nach der kürzeren oder längeren Zeit der Wiederholung, und nach der Individualität der Thiere sehr verschieden. Bei Hunden, Katzen und Schweinen wir-
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ken diese Mittel verhältnissmässig am stärksten, bei Pferden viel schwächer und bei den Wiederkäuern am schwächsten. Massige Gaben mir einmal quot;der in langen Zwischenzeiten angewendet, ver­anlassen mir eine geringe Aufregung, die sich durch lebhafteren Blick, grössere Aufmerksamkeit und Munterkeit, schnellere Ver-lt;laming und durch reichliche Urinentleerung zu erkennen giebt. Bei sehr emplindlichen Thieren wird zuweilen auch die Zahl der Pulse etwas vermehrt, und die Farbe der Schleimhaut im Maule und in der Nase etwas dunkler. Nach kurzer Zeit gehen alle diese Erscheinungen wieder vorüber, ohne dass deutlich bemerkbare Nach­wirkungen folgen. Grosse Gaben erzeugen stärkere Aufregung, un­ruhiges Benehmen, Hin- und Herlaufen ohne Zweck, Kratzen mit den Fiissen, Wälzen auf dem Fussboden, stieren Blick, wobei die Pupille zuerst verengert, später erweitert ist; manche Thiere geben in der ersten Zeit freundliche, später ängstliche, widrige Laute von sich; bei Hunden, Katzen und Schweinen findet sich Neigung zum Erbrechen oder wirkliches Erbrechen (Vitet bemerkte dieses auch bei Wiederkäuern); der Stand wird unregelmässig, der Gang schwankend. Nach kurzer Dauer dieser Zufälle zeigen sich die Thiere matt, sie stehen mit gesenktem Kopfe oder liegen gern, und sind gegen alle äussere Einwirkungen bald mehr bald weniger stark abgestumpft; Puls und Athcm sind dabei normal oder nur sehr wenig vom gesunden Zustande abweichend. In diesem Zu­stande , oft nach hinzugetretenem Schlaf, verbleiben die Thiere durch 3 — 6 Stunden, worauf die ganze Wirkung wieder vorüber zu sein pflegt. Zuweilen bleibt aber noch etwas Mattigkeit zurück. — Durch sehr grosse Gaben wird die Aufregung last augenblick­lich nach dem Eingeben in einem hohen Grade hervorgerufen, aber schon nach wenigen Minuten treten Schwindel, schwankender Gang, Unvermögen zu gehen, und Erbrechen hinzu, worauf Erweiterung der Pupille, Verlust der Sinnesthätigkeit, schnelles, beschwerliches Athmen, Zuckungen, Betäubung, Lähmung und zuweilen selbst der Tod folgen. Tritt der letztere nicht ein, so erholen sich die Thiere erst nach mehreren Stunden. In manchen Fällen wird durch die starke ortliche Reizung Magen- und Darmentzündung erzeugt, und die Thiere genesen oder sterben dann erst nach 24 Stunden. — Bei der Sektion der schnell gestorbenen Thiere findet sich Geruch nach Weingeist in den Eingeweiden und Anhäufung von schwarzem Blute in den Gelassen des Gehirns, im Herzen und in tier Leber: oft ist das Blut im Herzen gleich nach dem Tode geronnen. — Bei den langsamer gestorbenen Thieren sieht man ausser der Anhäufung von schwarzem Blut in allen Organen, mehrentbeils noch Entzün­dung im Magen oder Dannkanal, oder Verdickung der Häute die-
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ser TheiK Dio Lungen und alle andere Organe erscheinen un­verändert.
Werden diese Mittel in die Venen gespritzt, so bringen sir ähnliche Wirkungen hervor; dieselhen erreichen aber leicht einen zu hohen Grad, besonders hei kleinen Thiercn und wenn in den Mitteln der Weingeist sehr conzentrirt enthalten war. Es erfolgt zuweilen der Tod sehr schnell durch Gerinnung des Blutes in der rechten Hälfte des Herzens und in der Luugenarterie.
In Wunden bewirken sie heftigen Reiz, starke Zusaminenzie-lutng der Fasern, Gerinnung und Verdickung der Flüssigkeiten, jedoch nur massige Entzündung. Dieser Wirkungen wegen kön­nen die Spirituosen und ätherhaltigen Mittel die Erzeugung des Eiters und der Granulation nicht befördern, und man sieht auch, dass sie diese Bilduugsprozesse beschränken, die Granulation ver­dichten, und bei unzeitiger und zu reichlicher Anwendung selbst die Entstehung von Callositäten und Verhärtungen begünstigen.
Auf die unverletzte Haut gebracht, erzeugen diese Mittel Rei­zung, Röthe, stärkere Zusammcnziehung der Haut und der zu­nächst unter ihr liegenden Gebilde, grössere Thätigkeit der Gefässe, und besonders stärkere Resorption; bei mehrmals in kurzer Zeit wiederholter, reichlicher Anwendung entsteht auch oberflächliche Entzündung. Ausserdem verursachen die sehr flüchtigen Mittel durch ihr schnelles Verdunsten unmittelbar nach der äusserlichen Anwendung an den betreffenden Stellen eine geringere Temperatur, wodurch die zusammenziehende Wirkung üir kurze Zeit noch etwas verstärkt wird. — Bei kleinen Thieren entstehen von der reichlichen äussern Anwendung auf einer grossen Fläche zuweilen auch die oben bezeichneten allgemeinen Wirkungen, jedoch nur in einem ge­ringen Grade.
sect;. 349.
Die Vermittlung der allgemeinen Wirkungen der Spirituosen und ätherhaltigen Mittel, erklären Manche nur allein durch die blosse Berührung der Nervenenden an den Stellen der Einwirkung, weil die Wirkungen so ausgezeichnet schnell sich entwickeln und über den ganzen Körper verbreiten und ausserdem eine wesentliche. Beziehung zum Nervensystem haben. Da aber nach jeder Art der etwas reichlichen Anwendung dieser Mittel die ausgeathmete Luft den eigeuthümlichen Geruch derselben annimmt, dieser Geruch auch im Blute wahrzunehmen ist, welches bald nach dem Eingeben einer grossen Gabe von Weingeist oder Aether durch einen Aderlass ent­leert wird, so ergiebt sich, dass diese Stoffe eben so wie alle an­dere, einen grossen Theil ihrer Wirkung durch den Uebergang in die Säfte vermitteln.
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Die letztern selbst, vorzüglich das Blut, erleiden durch die Mittel Veränderungen, durch welche die Wirkung vervollständiget wird. Zuerst entsteht eine, wohl durch die Flüssigkeit dieser Mit­tel bedingte, grössere Expansion des Blutes: dann wird wahrschein­lich sein Eiweisstoff mehr zum Gerinnen geneigt und hierdurch das Blut mehr dickflüssig. Zugleich erhält es, da diese Mittel sehr reich an Kohlenstoff und dabei leicht zersetzbar sind, in kurzer Zeit einen grossen Gehalt an diesem Stoffe, wodurch es dunkler gefärbt wird und selbst in den Arterien zuweilen eine dem Venen-blute ähnliche Beschaffenheit annimmt. Sowohl in Folge dieser Veränderung des Bluts, wie auch bei der durch die primäre, fluch • tig reizende Wirkung erzeugten Aufregung der Lebensthätigkeit entstehen Kongestionen zu dem Gehirn, Rückenmark, zur Lunge oder zur Leber und im zweiten Stadium venöse Anhäufungen in diesen Organen. Ein Theil der in den Körper gebrachten Spiri­tuosen Mittel wird unzersetzt durch die Lungen wieder ausge­schieden. *)
sect;. \m.
Die Spirituosen und ätherischen Arzneimittel sind in der flüch­tig erregenden Wirkung den ätherisch-öligen Mitteln (besonders dem Kampher) ähnlich; sie unterscheiden sich aber von denselben dadurch, dass sie a) noch weit flüchtiger wirken; — b) dass ihre Wirkung viel mehr auf das Nervensystem allein begrenzt ist, und bei grossen Gaben spezifisch auf die Thätigkeit des Gehirns (haupt­sächlich des kleinen Gehirns) gerichtet zu sein scheint, — und c) dass sie blos die Kervenkraft aufregen, niemals aber (wie die ätherisch-öligen Mittel) zugleich die Irritabilität vermehren und die Mischung des Blutes verbessern, sondern im Gegentheil die Zersetzung des­selben befördern, — und d) dass von den allermeisten ätherisch-öligen Mitteln keine solche seeundäre Zufälle entstehen, wie von den Spirituosen.
Eben so sind diese Mittel dem Opium und dem Ammoniak in der Wirkung ähnlich. Das letztere scheint aber (abgesehen von seinen alkalischen Eigenschafren) mehr die Nerven des Rückenmarks und die grossen Eingeweidenerven als das kleine Gehirn zu erre­gen, und es fehlen ihm die deprimirenden Nachwirkungen. Das Opium wirkt dagegen in grossen Gaben spezifisch auf das grosse Gehirn, macht örtlich nur sehr geringe Erregung, fast niemals Ent-
*) Vergleiclio hiermit; v. Ponmier, über die künstliche Herau-sehung pQanzen- un 1 fleischfressendei- Siiugelhiere. 1raquo; der Schweizer Zeitschrift für Natur- und Heilkunde. (. Bd. f. lieft. Zürich 1834.
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ziindung, beschränkt fast alle Ab- und Aussonderungen, und es fehlt ihm die Flüchtigkeit.
sect;. 351.
Die innerliche Anwendung der Spirituosen und ätherhaltigen Mittel ist nur bei solchen Erankheitszustäaden angezeigt, welche im Allgemeinen in sehr verminderter und unregelmässiger Nerven-thätigkeit begründet sind, und sie findet daher namentlich statt; a) bei allgemeiner Lebensschwiiche, welche sowohl durch Krankhei­ten, wie auch durch übermässige Anstrengungen verursacht ist, z. B. durch Arbeiten, bei und nach schweren Geburten; — ferner, bei asthenischen Fiebern, besonders bei Nervenfiebern, wo die Kräfte sehr gesunken, wo grosse Abstumpfung, Krämpfe und dergleichen Nervenzufälle zugegen sind, z. B. bei der Staupe mit Zuckungen; — 1)) bei Schwäche und bei qualitativ abnormer Nerventhätigkeit in verschiedenen Gebilden, namentlich in den Verdauuugs- und Harnorganen, z. B. bei Krampf- und Windkolik, bei der Trommel­sucht der Wiederkäuer, hei krampfhaften Harnverhaltungen und ähnlichen Zi,fällen.
Sie sind bei diesen Zufällen nur so lange nützlich, wie diesel­ben im hohen Grade bestehen und bis die Kräfte so weit gehoben sind, dass andere, mehr andauernd wirkende Erregungs- und Stärkungsmittel vom Organismus ertragen worden; denn niemals sind sie für sich allein im Stande, wirklich zu stärken und somit die innere Ursache jener Zufälle zu beseitigen. Deshalb pflegt man sie auch gewöhnlich mit aromatischen, mit bittern und andern Mitteln verbunden anzuwenden.
sect;. 352.
Die Gabe und die Wiederholung muss bei diesen Mitteln so­wohl nach ihrer Conzentration, wie auch nach dem Grade der vor­handenen Schwäche und Abstumpfung, oder nach der Heftigkeit der Krämpfe, und ebenso nach der Stärke und Dauer der, von der ersten Gabe entstandenen Aufregung möglichst genau abge­messen werden. Doch sind stets nur massige Gaben zu therapeu­tischen Zwecken zu benutzen, weil durch die heftige Erregung von grossen Gaben die vorhandene geringe Nervenkraft sehr leicht völ­lig erschöpft, und hierdurch der Schwächeznstand zu einem noch höhern Grade gebracht wird. Da es aber schwer ist, gleich im Anfange des Gehrauchs dieser Mittel die genau passende Gabe zu treffen, so ist es zweckmässig, mit kleinen Gaben zu beginnen, ihre Wirkung zu beobachten und die folgenden Gaben nach derselben einzurichten. Die Wiederholung muss, so lange die Krankheits­zufälle sie erfordern, immer in kurzen Zwischenzeiten und sogleich als die erregende Wirkung der vorher gereichten Gabe vorüber ist,
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stattfinden. — Als die schicklichste Form zur Anwendung dieser Mittel erscheint die flüssige, weil in andern Formen die Verdun­stung sehr begünstigt wird, wenn man die Arznei nicht gleich nach ihrer Bereitung verbraucht. Pillen und Latwergen mit sol­chen Mitteln soll man daher in grossen Quantitäten nicht bereiten lassen. — Verbindungen kann man fast mit allen andern Arznei­substanzen machen.
sect;. 353.
Die iiusseiiiche Anwendung dieser Mittel ist, nach ihrer, im sect;. 348. angedeuteten Wirkungsweise da angezeigt, wo man flüchtig erregen, gelind zusammenziehen und stärken muss, daher nament­lich bei Lähmungen; bei Erschlaffung, Auflockerung und zu star­ker Ausdehnung oberflächlich liegender Theile, daher auch nach Verrenkungen und nach Verstauchungen; bei und nach Quetschun­gen, wenn sie mit keiner sthenischen Entzündung begleitet sind; bei Blutunterlaufungen und ödematösen Anschwellungen; bei par-enehymatösen Blutungen; bei astlienischen, torpiden Entzündun­gen; bei üppiger Granulation, besonders wenn sie sehr weich und blass ist; bei zu langsamer Abblätterung angegriffener Theile an Knochen, Knorpeln und Bändern; bei dem kalten Brande; bei dem kalten und chronischen Rheumatismus, und bei dem sogenannten Schwund.
sect;. 354.
Dagegen ist der Gebrauch dieser Mittel überall nachtheilig, wo der Lebensprozess in einem Zustande krankhafter Aufregung be­steht, wie namentlich bei dem Entziindungsfieber, bei allen stheni­schen und bei schmerzhaften Entzündungen, bei frischen Wunden; oder, wo Callositäten und durch Gerinnung des Eiweisstoffes (Fa serstoffes) bedingte Verhärtungen bestehen, z. B. bei verhärteten Geschwülsten und ebenso bei Wunden und Geschwüren, welche zu Verhärtungen neigen.
1. Weingeist, Spirlius rinl.
sect;. 355. Der Weingeist wird aus Substanzen, welche Zucker oder Stär­kemehl enthalten, durch die sogenannte Weingährung erzeugt und dann durch Destillation als eine eigenthümliche Flüssigkeit dargestellt, in welcher er bald an mehr bald an weniger Wasser gebunden ist. Diese Flüssigkeit heisst; Alkohol {Alcohol g. Alcohol vini ab.iolu-tum), wenn sie möglichst frei von Wasser ist, — höchst rektifi-zirter Weingeist {Spiritus vini reclificalhsimut), wenn sie SO bis lJ0 Prozent Alkohol, — rektificirter Weingeist {Spiritus vini
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recnßciitus), wenn sie ö5 bis SO Prozent Alkohol, — und Brannt­wein oder verdünnter Weingeist {Spirilus frumeuti s. Alrohol dilutum), wenn sie von dem letzteren weniger als 55 Prozent enthält.
sect;. 356.
Der Weingeist erzeugt die, von den spirihuison Mitteln im All­gemeinen angegebenen Wirkungen (sect;. 34s und sect;. 349.), und die­selben erfolgen um so schneller und heftiger, je reicher er an Al­kohol ist. Der reine Alkohol und der höchst rektifizirte Weingeist sind aussei dem Aether die llüchtigsten Erregungsmittel im gan­zen Arzneischatz; ihre erregende Wirkung verbreitet sich zwar über das ganze Nervensystem, äussert sich aber spezifisch und am stärksten an den Verrichtungen des kleinen und grosseu Gehirus; auch bewirken sie eher als der Wein und Aether Ueberreizung, grosse Erschöpfung, Betäubung und alle, mit der secundiiren Wir kung verbundene Zufälle, selbst den Tod. An den Stellen der un­mittelbaren Einwirkung verursacht der Alkohol und der höchst rektifizirte Weingeist überall heftige Reizung und selbst Entzün­dung. Bei iriierlicher Anwendung, noch mehr aber beim Einspritzen in die Blutadern wirken diese Flüssigkeiten am heftigsten, und auf letztere Weise am gefährlichsten, weil dadurch, ausser der starken Reizung auch schnelles Gerinnen und Zersetzung des Blutes ent­steht. — Ein altes, aber gesundes Pferd, dem S Unzen Alkohol eingegeben worden, erschien plötzlich höcht aufgeregt, wurde un­ruhig, bäumte sich, taumelte, fiel nach kaum 2 Minuten nieder, schlug heftig mit den Füssen und mit dem Kopfe, verdrehete die Augen, wurde ganz unempfindlich und bewusslos, und starb nach 10 Minuten. Der Herzschlag war wenig schneller als vor dem Ein­geben, und dauerte noch über 10 Minuten nach dem Tode fort. Beim Oeffnen fand sich an den Eingeweiden die, im g. 348. angeführte Beschaffenheit. — Von 4—6 Unzen erfolgten dieselben Zufälle; die Pferde blieben aber am Leben. Hunde starben unter ähnlichen Zufällen ^ —| Stunde nach dem Eingeben von 1 — 2 Unzen Alko­hol; von 1 — 2 Drachmen zeigten sie sogleich heftige Aufregung, welche schnell in Taumel und Betäubung überging; nach lt;r bis i Stunde waren sie aber wieder gesund; — 4 bis 6 Drachmen verursachten ähnliche Wirkungen, die aber heftiger, länger anhal­tend und mehrentheils mit Erbrechen verbunden waren. Wo letz­teres nicht eintrat oder wo es durch das Zubinden des Schlundes verhindert war, starben die Hunde nach einigen Stunden, und bei der Sektion zeigte sich fast jedesmal Entzündung des Magens und Darmkauais.
Das Einspritzen von 1- bis 2 Unzen des reinen Alkohols in
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die Drosselvene eines Pferdes, oder von 2 bis 4 Drachmen in die Drosselvene eines Hundes, bewirkt sogleich Schwindel, Betäubung, Convulsionen und gewöhnlich in Zeit von 1 bis 3 Minuten den Tod. Dagegen ertrugen einige Pferde eine vorsichtige Einspritzung von 4 bis 6 Unzen des rektifizirten Weingeistes, ohne dass heftige Zufälle entstanden. — Durch das Einspritzen von 8 bis 10 Drach­men Alkohols in das Zellgewebe am Schenkel eines Hundes, sähe Orfila bald die gewöhnlichen Symptome der allgemeinen Wirkung und nach etwa 3 Stunden den Tod erfolgen.
Die Wirkungen des rektifizirten Weingeistes und des Brannt­weins sind im Wesentlichen denen des Alkohols ähnlich, aber in demselben Verhältniss milder und langsamer eintretend, je mehr der letztere durch Wasser verdünnt ist. Im sehr verdünntem Zu­stande wird selbst das Doppelte von einer Gabe des Alkohols, welche im conzentrirten Zustande desselben tödtlich zu sein pflegt, ohne Nachtheil ertragen. Ich gab Pferden und Kühen von dem rektifizirten Weingeist 10 bis 15 Unzen, Schafen 3 bis 4 Unzen, Hunden 1 bis 2 Unzen, und bemerkte zwar zuweilen starke Erre­gung und Berauschung, aber nur massige Betäubung. Ziegen und Schafe gewöhnen sich (wie ich mehrmals beobachtet habe) sehr leicht an den Genuss des gewöhnlichen Branntweins, so dass sie denselben, wenn er ihnen vorgesetzt wird, in bedeutender Menge (zu (i bis 10 Unzen) saufen und ertragen.
Viborg ') spritzte in die Drosselvene eines Pferdes 2 Unzen und 2 Drachmen Kornbranntwein, worauf dasselbe nach 2 Minuten ein munteres Ansehen, erhöhte Wärme, und hervorstehende, starre und glänzende Augen zeigte, und viel mit den Ohren spielte; der Puls wurde voll, sank aber von 52 Schlägen zu 33 in 1 Minute herab. Diese Zufälle dauerten 3; Stunden, aber im abnehmenden Grade, worauf sich Zittern, besonders an den Schultern, den Flanken und an den HinterfÜsseu einfand; der Puls wurde jetzt klein und bis 76 Schlägen in der Minute vermehrt. Der Rücken wurde durch eingetretene Krämpfe in einen Bogen nach unten zu gekrümmt, das Pferd streckte öfter den Kopf, gähnte, legte die Ohren zurück und verdrehte die Augen. Diese Zufälle hielten % Stunde lang an, nahmen dann wieder ab und endeten mit einem Zittern der Mus­keln. Nach 4 Stunden befand sich das Pferd dem Ansehen nach wieder wie vorhin; am folgenden Tage liess es öfter als gewöhnlich Harn; der Koth ging mit Beschwerde ab und war hart, trocken, auswendig mit Schleim überzogen.
*) Samml. Bd. 3. S. M3.
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sect;. 357.
Der Weingeist kann innerlich ganz nach den im sect;. 351. und sect;. 352. enthaltenen Andeutnngen benutzt werden, jedoch nicht im reinen Zustande als Alkohol oder als höchst rektifizirter Weingeist, sondern mir verdünnt als gewöhnlicher Branntwein oder als rekti­fizirter Weingeist. — Von dem letztern giebt man zum innerlichen Gebrauch für Pferde und Rinder 2—4 Unzen, für Schafe und Zie­gen 1—2 Unzen, für Schweine 3 Drachmen bis 1 Unze, für Hunde i-—2 Drachmen, — und von dem Branntwein, nach Verhältniss sei­ner Stärke, bis zur doppelten Menge dieser Gaben.
In der Regel wird der Weingeist und Branntwein bei der in­nerlichen Anwendung noch mit warmem Wasser verdünnt, oder zu Infusionen von aromatischen, oder zu Dekokten von bittern Mitteln gesetzt; zuweilen giebt man ihn in Verbindung mit Kampher, mit Hirschhornöl, mit Terpentinöl oder auch mit Mineralsäuren; z. B. bei der Lungenwürmerkrankheit der Schafe Weingeist und Ter­pentinöl gleiche Theile zusammengemengt, und hiervon den älteren und stärkeren Thieren 1 Esslöffel, den jüngeren 1 Theelöffel voll auf Einmal, jeden 3ten Tag wiederholt, gegeben, und während 2 bis 3 Wochen damit fortgefahren. — Die zweckmässigste Form für die innerliche Anwendung ist die flüssige.
sect;. 358.
Aeusserlich wird der Weingeist zum Waschen, Bähen, zu Ein­reibungen u. s. w. häufiger als jedes andere Arzneimittel gebraucht, und besonders bei den, im sect;. 353. genannten Krankheitszuständen. Seine Anwendung geschieht bald rein, wie z. B. bei Blutungen, bei üppiger Granulation u. s. w., bald in Verbindung mit Aufgüssen und Abkochungen von aromatischen und zusammenziehenden Pflan­zen, z. B. bei Quetschungen, bei asthenischen Entzündungen; bald in Verbindung mit Terpentinöl, mit Kampher oder Seife (als Kam­pher- und Seifengeist), z. B. bei grosser Erschlaffung, nach Ver­stauchungen, bei dem Rheumatismus; auch in Verbindung mit Es­sig, Wasser und Salmiak oder Kochsalz (als sogenanntes Oxykrat, siehe Essig), z. B. bei Quetschung mit Blutunterlanfung und der­gleichen mehr.
Ausserdem dient der Weingeist noch zur Bereitung der ver­schiedenen Tinkturen und anderer Präparate, welche bei den be­treffenden Mitteln genannt werden.
Anmerkung 1. Der Franzbranntwein {Spirit, vini glt;il-licus), — der Rum {Spirit. Saeehari), — die Taffia {Spirit, tucei Sacchari), — der Arrak {Spirit. Oryzae), — das Kirschwasser {Spirit. Cerasorum), — der Pflaumenbranntwein {SUvovilia),—• Wachholderbranntwein {Genevpr) und andere, im Handel vor-
llert n-ig Arzmgt;iimtte]Ielire.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;24
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kommende Arten von Weingeist und Branntwein, weichen in der Wirkung von dem gewöhnlichen Weingeist im Wesentlichen nicht ab, und können daher, wo sie wohlfeil oder als Hausmittel zu ha­ben sind, wie dieser benutzt werden.
Anmerkung 2. Der, nach der Destillation des Weingeistes in der Blase verbleibende Rückstand, die sogenannte Schlampe, Branntweinschlämpe, oder das Branntweinspiilicht {Resi­duum post deslillolionem spiritus frumenli) ist eine gegohrne Flüs­sigkeit, welche ausser Wasser und aussei- den Hülsen des Getraides oder den Ueberresteu der Kartoffeln noch schleimige und mehlige Theile, Essigsaure (zuweilen in 12 Unz. der Flüssigkeit 1—2 Unzen), Fuselöl, und mehrentheils auch etwas Weingeist enthält. Sie wirkt, in reichlicher Menge den Thieren innerlich gegeben, nährend und erregend, macht schnell vollblütig und befördert bei Milchkühen die Milchsekretion; äusserlich wirkt sie erregend, gelind zusammen­ziehend, daher zertheilend und stärkend. Dieser Wirkungen wegen wird sie innerlich zum Füttern und Mästen, besonders des Rind­viehes, der Schweine und Schafe, — äusserlich aber als ein sehr wohlfeiles und kräftiges Heilmittel bei Erschlaffung und Ausdehnung der Muskeln, Sehnen und Bunder, bei Steitigkeit der Gliedmaassen von zu starker Anstrengung, bei Qeutschungeu, hei üdeinatösen und andern aslhenischen Geschwülsten, hei dem Schwinden u. s. w. benutzt. Die äusserliche Anwendung geschieht in Form von Fuss-bädern, Waschungen und Bähungen, am besten warm. Als Nah­rungsmittel ist die Schlampe in ökonomischer Hinsicht sehr schätz­bar, in diätetischer Hinsicht aber zuweilen nachtheilig; sie erschlafft die Eingeweide, bewirkt starke Neigung zum Schwitzen, begünsti­get daher das Entsieheu der Uuverdaulicbkeiten, der Koliken, der Rheumatismen, rheumatischer und katarrhalischer Entzündungen und dergl. Auch soll sie besonders das Entstehen der Lungen­seuche bei dein Rindvieh befördern; es ist jedoch bis jetzt nicht ermittelt, unter welchen Umständen und wie sie dies thut, oh na­mentlich durch zu reichliche Ernährung und Blutbildung, — durch Erzeugung eines zu reizenden und plastischen Blutes, — durch spezifische Reizung der Lungen, oder nur durch zu .'-eichliche Haut­ausdünstung und durch Disponirung zu Erkältungen. Es ist zwei­felhall, ob die Schlampe für sich, oder durch die in ihr enthaltenen Nebenbestandtheile an Weingeist, Essigsäure u. s. w , oder ob die Art ihrer Anwendung hierbei am meisten Schuld tragen. Wenn man: a) die Thiere an ihren Genuss allinählig gewöhnt, — b) sie ihnen in entsprechender Menge und neben ihr eine angemessene Quantität Heu oder Stroh giebt, —#9632; c) die Schlampe weder zu heiss noch konzentrirt, sondern V oder bis zur Hälfte mit Wasser ver-
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.iiinnt reicht, und — d) sie nicht sauer und faulig werden lässt, und tun dies zu verhüten, ihre Aufbewahrungsorte (gewöhnlich Gruben, Schliimpekuhlen genannt) von Zeit zu Zeit reiniget; so entstehen seihst vun ganz anhaltender Schläinpefutterung nicht leicht iihle Folgen.
2. Wein, Vinum.
sect;. 359.
Im Wein ist der Weingeist innig verbunden mit Schleim Zuk-ker, Kleber, Harz, Weinstein, Säuren (Weinstein-, Essig- und Apfel­säure), gewiirzhaf'ten Stoffen und Wasser, und bei den rothen Wei­nen auch mit rothem Färbestoff und mit Serbestoff Diese Bestand-theile finden sich in den Weinen von verschiedeneu Rebensorten, aus verschiedeneu Gegenden, von verschiedenem Boden, Alter u. s.w. in sehr mannigfaltigen Verhältnissen, und bedingen hierdurch eine grosse Verschiedenheit ihrer Eigenschaften.
sect;. 360.
Die Wirkimgen des Weines hängen zwar grösstentheils von seinein Gehalt an Weingeist, zum Theil aber auch von seinen übri­gen Bestandtheilen ab, und erscheinen deshalb bei den einzelnen Weinsorten etwas verschieden. Im Wesentlichen stimmt daher wohl die Wirkung mit der des Weingeistes (sect;. 35G.) überein, besonders wenn man den Wein in grossen Gaben reicht, bei welchen die Wirkung des in ihm enthaltenen Weingeistes vorherrschend wird;*) allein vom Wein ist sowohl die örtliche wie die allgemeine Erre­gung milder, und bei letzterer nicht blos auf das Nervensystem beschränkt, sondern auf die Blutgefässe, Muskeln und Bänder ver­breitet und mehrentheils mit einem stärkeren Zusammenzieluings-vermögen dieser Theile begleitet. Der Wein wirkt daher nicht al-
') VUel in. a. 0. S. 117.) sagt über den Wein: „Das Pferd wider­setzt sicli dem Genosse desselben niclil so sehr als der Ochs, und letz­terer wird niclil so sehr von ihm angegriften als das Schaf (?). Wenn das Fferd ihn in zu grosser Menge trinkt, so wird es heliiiihl, kann nicht auf den Fiissen stehen, und wenn es auch aufsteht, so fallt es doch gleich wieder nieder. Der Ochs wird nach dem Genüsse des Weines müde, llörner und Haut werden heiss, er wird ganz dumm, harnt viel, taumelt im Gehen, fallt oft nieder und kann nur mit grosser Mühe wieder aufstehen. Anfänglich macht er alle Bewegungen zum Er­brechen, Das Schaf vertrügt verhüllnissmiissig zu seiner Grosse den Wein besser, aber 3 Pfund desselben machen ihm Neigung zum Er­brechen und der Bauch wird anfgetriebeu, doch ohne dass die Muskeln, die zum Fortschreiten dienen, geschwächt werden. Sechs Pfunde Wei­nes greifen ein Schaf sehr heftig an und lodlen es zuweilen.quot;
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leia erregend, sondern auch stärkend, obgleich die erstere Wirkung die vorherrschende ist. — Siisse Weine wirken ziemlich gleichraäs-sig erregend auf die Nerven und Gelasse, reizen und stärken aber örtlich am wenigsten. — Saure Weine erhitzen, nach Verhältniss ihres Gehaltes an aromatischen Stoffen und au Weingeist, sie er­heben die gesunkene Irritabilität, und befördern die Urinabsonde­rung. Sehr saurer Wein stört die Verdauung und bewirkt in gros-sen Gaben bei Pferden Kolikzufälle. — Die rothen Weine erregen am meisten die Irritabilität der Muskelfaser, vermehren die orga­nische Cohäsiou und beschränken die Ab- und Aussonderungen, sowohl an den Schleimhäuten wie auch in Wunden und Ge­schwüren.
sect;. 361. Die innerliche Anwendung des Weines kann, wo derselbe wohl­feil zu haben ist, bei jeder Krankheit stattfinden, die mit einem hohen Grade von wirklicher Schwäche verbunden ist und vorzüg­lich bei den im sect;. 351. genannten Zuständen. — Er verdient, weil er ausser der bewirkten Reizung auch stärkt, in den meisten Fäl­len den Vorzug vor dem Weingeist. — Die Gabe kann für Pferde und Rinder 8—IG Unzen; für Schafe 3 —G Unzen; für Schweine 1—3 Unzen und für Hunde ^—2 Unzen sein, richtet sich aber in jedem Falle nach den gegebenen allgemeinen Andeutungen.
Aeusserlich kann der Wein bei den im sect;. 353. bezeichneten Krankheiten angewendet werden. Am zweckmässigsten sind hierzu die sauren und rothen Weine, die man zum Waschen und zu Um­schlägen, kalt oder warm, und zuweilen in Verbindung mit aroma­tischen Kräutern, mit Kampher, mit Kochsalz, mit adstringirenden und andern Mitteln benutzt.
Anmerkung, a) Die Weintrestern (Finacea), oder die ausgepressten Hülsen und Stiele der Weinbeeren und Trauben, und b) die Weinhefen, das Weinlager (Faeces vini s. maier tini), oder der nach dem ersten Abziehen des Weins zurückbleibende Bo­densatz, enthalten beide GerbestofF und Kohlensäure, besonders letz­terer im frischen Zustande sehr reichlich. Sie wirken daher zu­sammenziehend, erregend und fäulnisswidrig und können zu Um­schlägen und Bähungen gegen asthenische, torpide Entzündungen, gegen Quetschungen, vorzüglich aber gegen brandige, unreine und stinkende Geschwüre angewendet werden.
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3. Schwefeläther, Vitrioluaphtha, Aether tulphuricus, Naphtha vitrioli.
sect;. 363.
Die verschiedenen Aetherarteu sind unter allen Arzneimitfeln in jeder Beziehung die flüchtigsten; denn sie verdunsten schon bei ge­wöhnlicher Lufttemperatur, und im lebenden Körper geschieht dies noch mehr, da der Aether schon bei der Blutwärme kocht. Auch die Wirkungen erfolgen schneller als von andern Mitteln, gehen aber von massigen Gaben auch schnell wieder vorüber. Bei innerlicher Anwendung der Aether und bei dem Einathmen ihres Dunstes zei­gen sie sich zuerst durchdringend erregend, belebend, krampfstil­lend, aber später tritt von grossen Gaben Berauschung und Betäu­bung ein, und zwar letztere vorwaltend in der Sensibilität, *) und, bei höhern Graden, auch in dem Bewusstsein. Die Wirkungen sind also denen des Alkohols sehr ähnlich, aber von diesen durch grössere Flüchtigkeit und durch geringere zurückbleibende Schwäche verschie­den. Auch auf das Blut wirkt der Aether wie der Weingeist. — Diese Eigenschaften äussern sich bei dem Schwefeläther am stärksten, zugleich ist er der wohlfeilste und wird deshalb gewöhn­lich den übrigen Aetherarteu vorgezogen.
sect;. 3G4.
Die Anzeigen zur innerlichen Anwendung des Aethers sind die­selben, welche für die Anwendung der Spirituosen Mittel überhaupt gelten (sect;. 351.). Ausserdem ist er bei dem Aufblähen ein sehr schnell wirksames Mittel. Er scheint hier durch Zersetzung derGase, und zum Theil wohl auch durch Erregung einer grösseren Gontraktilität des Pansen zu wirken. — Im Ganzen macht man aber von ihm nur sel­ten, und nur bei sehr heftigen Krämpfen, bei dem höchsten Grade der Nervenschwäche, und gewöhnlich nur bei kleinen Thieren Ge­brauch, weil er zu theuer und in den meisten Fällen durch andere flüchtige Erregungsmittel zu ersetzen ist. Er hat ausserdem noch das Unangenehme, dass das Fleisch nach ihm riecht und schmeckt, wenn die Thiere kurz nach seiner Anwendung geschlachtet worden sind. Auch die Milch nimmt den Geruch und Geschmack nach ihm an.
Man giebt ihn Pferden und Rindern 2 Drachmen bis 1 Unze, Scha­fen und Schweinen ^—'^Drachmen, Hunden 10—30Tropfen, — nach
*) Dieser betäubenden Wirkung wegen bat man in neuester Zeit Aetherdampro von Menschen und Thieren vor chirurgischefl Operationen einathmen lassen, um das EmpGnden der Schmerzen von den letztem zu verhüten. Je nach der Art und Grosse der Thier* und nach der Art des Apparates tritt die Betäubung früher oder später ein, z. B, bei Hun­den gewöhnlich in 4 Uiuute..
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Bedlirfniss iuZwischenzeiteu vou |—1 Stunde wiederholt, in Verbin­dung mit Wein, Bier oder aromat. Kräuter-Infusionen, am besten kalt.
Anmerkung 1. Der Schwefelätherweingeist, Hoff­manns schmerzstillende Tropfen, versüsste Schwefel­säure (Spiritus sulphurico-aethereus, Liquor nnodynus miueralis Hoff-manni, Spiritus vitrioli dulcis), durch Auflösung des Schwefeläthers in 3 Theilen höchst rektifizirten Weingeistes bereitet, hat ganz die Wirkungen des Schwefeläthers, jedoch in etwas geringerm Grade. Er kann daher, als wohlfeiler, den Aether ersetzen und in noch einmal so grossen Gaben wie dieser angewendet werden.
Anmerkung 2. Der Essigäther {Aether nceticus), der Phosphoräther (A. phosphoralus), Salpeter- und Salzäther (A. nitricus u. A. murialicus), der Salzätherweingeist oder ver-SÜSSter Salzgeist (Spirit, muriatico-aelhereus s. Spirit, salts dul­cis) und der Salpeterätherweiugeist (Spirit, nilrico-aethereus s. Spirit, nitri dulcis) sind in der Thierarzneikuude zu entbehren und durch Schwefelätherweiugeist zu ersetzen.
Sechste Klasse. Scharfe Mittel.
(Medicamenla acria.)
Begriff, Wirkung und Anwendung dieser Mittel im Allgemeinen.
sect;. 365. Als scharfe Arzneimittel bezeichnet man im Aligemeinen die­jenigen, welche im Maule einen scharfen, d. h. brennenden, beis-senden, stechenden oder kratzenden Geschmack erregen, und über­haupt bei der Einwirkung auf den lebenden Thierkörper an den Stellen der Berührung eine heftige Reizung bewirken. — Diesen Eigenschaften gemäss, könnte mau im weitesten Sinne: a) die rei­nen (ätzenden) Kalien, b) die conzentrirten Säuren, c) viele Metall­salze, d) die meisten ätherischen Oele und mehrere Substanzen, welche ein scharfes ätherisches Oel enthalten, e) den Alkohol, und f) viele Pflanzen und einige Thiere, in denen ein eigen-thümlicher scharfer Stoff (Principium acre) enthalten ist, zu den scharfen Mitteln rechnen; im eugern und hier gültigen Sinne versteht man jedoch unter dieser Bezeichnung nur die Mit­tel der letzteren Art (f), weil die übrigen (sub a bis e) theils ausser der scharfen örtlichen Reizung noch andere, ihnen eigen-thümliche und wichtigere Wirkungen erzeugen, vorzüglich aber, weil sie nach ihren bekannten eigenthümlichen Bestandtheilen in
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andern Klassen der Arzneimitfellehre einen mehr passenden Stand erhalten haben.
sect;. 366. Die Wirksamkeit der eben bezeichneten scharfen Mittel ist nicht, von einein, bei allen gleichartigen, Stoffe abhängig, sondern an sehr venxbiedene nähere Bestandtheile gebunden, namentlich an Alkaloide, an Säuren, Harz, Schleimharz, grünes Wachs bittern, kratzenden Extraklivstoff und dergl. — Bei den meisten Mitteln ist das scharfe Prinzip fix, bei einigen aber grösstenthcils flüchtig; bei mehreren findet sich dasselbe in dem einen oder dem andern der genannten Bestandtheile höchst conzentrirt, so dass man durch ihn die eigentbiimliche quot;Wirkung des ganzen Mittels in einem hohen Grade erzeugen kann; bei andern ist es dagegen in mehreren Se-standtheilen enthalten, und die vollständige Wirkung entsteht nur durch die Anwendung des ganzen Mittels.
sect;. 367. Die scharfen Mittel erregen bei der Anwendung auf den leben­den Thierkorper nicht allein örtliche, sondern auch allgemeine Wir­kungen; beide sind jedoch in der Art und in dem Grade der Er­scheinungen verschieden, nach der Eigenlhümlichheit der einzelnen Mittel und nach dem Orte und der Dauer ihrer Einwirkung.
a)nbsp; Bei der Anwendung auf die unverletzte äussere Haut erre­gen nur einige scharfe Mittel (besonders die spanischen Fliegen) örtlich eine deutlich bemerkbare Wirkung, die sich in gelinderm Grade durch vermehrte Empfindlichkeil und Röthuug der Haut (letztere nur au weisser Haut), — im stärkeren Grade durch bren­nende Empfindung, dunkle Rölhe, Geschwulst, vermehrte Wärme Ausschwifzung unter der Oberhaut und Bildung von Bläschen, und im stärksten Grade durch brandige Entzündung und Zerstörung der Haut oder auch der tiefem Theile, zu erkennen giebt. — Zu­fälle der allgemeinen Wirkung erfolgen bei der Anwendung auf die unverletzte Haut auch nur von wenigen scharfen Mitteln (Cantha-riden, Nieswurz, Croton), nur in einem geringen Grade und nicht in jedem Falle; sie bestehen in massiger Vermehrung der Pulse, in Trockenheit des Mauls, bei Hunden auch in Ekel, Erbrechen, schnellerem Atbmen, Unruhe und darauf folgender Mattigkeit.
b)nbsp; An der Schleimhaut in der Nase, im Maule u. s.w. und an der Bindehaut der Augen äussert sieb die örtliche Wirkung in ge­linderm Grade durch mehr dunkle Röthung, verstärkte Absonde­rung der Thränen, des Speichels, des Schleims, durch Niesen und dergl., im höhern Grade aber durch Entzündung, Erzeugung von Bläschen, Anfressungen und Brand. — Eine allgemeine Wirkung
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entsteht hierbei fast in noch geringerin Grade und noch seltener als bei der Anwendung auf die Haut.
c)nbsp; In Wunden und Geschwüre, oder in das Zellgewebe unter die Haut gebracht, erzeugen die meisten scharfen Mittel heftige Reizung, Auflockerung, rothlaufartige Entzündung, Verjauchung und oft den Brand. Diese örtliche Wirkung ist sehr oft mit star­kem Fieber, mit beschwerlichem Athmen, mit Angst, Zittern, mit Zuckungen, Erbrechen, Purgiren, mit grosser Mattigkeit, mit Läh­mung begleitet, und wenn ein scharfes Mittel in grosser Menge oder auf einer grossen Wundfläche angewendet war, erfolgt nicht selten der Tod.
d)nbsp; Bei der innerlichen Anwendung entstehen von kleinen Ga­ben der meisten schärfen Mittel nur geringe reizende Wirkungen, stärkerer Appetit, bessere Verdauung, vermehrte wurmförmige Be­wegung mit stärkerer Zusammenziehung der Därme und mit ver­stärkter Resorption, daher der Koth mehr trocken, bei Pferden klein geballt abgeht. Einige Mittel verursachen bei den Thieren, die sich erbrechen können, auch in kleinen Gaben Ekel und Erbrechen. Grösscre Gaben bringen immer eine starke Reizung des Magens und Darmkanals, Verlust des Appetits, Erbrechen, Purgiren, zu­weilen Kolikscbmerzen, vermehrte Urinsekretion, Durst, verstärkte Resorption hervor, und von übermässig grossen Gaben entsteht Entzündung, Anätzung, selbst Brand der Schleimhaut im Magen und Darmkanal, heftiges Fieber, wobei zuletzt die Pulse kaum fühl­bar sind, durch einige Zeit auch blutiger Durchfall, sehr grosse Mattigkeit, Schwindel, Lähmung und Tod. Von manchen Mitteln tritt auch heftige Heizung und Entzündung der Nieren und der Harnblase, blutiges und sehr schmerzhaftes Uriniren ein.
e)nbsp;Von Injektionen der scharfen Mittel in die Blutadern entstehen sehr schnell, selbst von kleinen Gaben, Ekel, Erbrechen, Drang zur Kothentlecrung, Zittern, Zuckungen, krampfhaftes, beschwerliches Athmen, — in grossen Gaben aber fast augenblicklich heftige Krämpfe, Schwindel, Lähmung und der Tod.
Die angedeuteten allgemeinen Zufalle erscheinen bei einigen der scharfen Mittel in einer ziemlich gleichmässigen, bestimmten Zeitfolge und mehrentheils (ausgenommen bei der Injektion in die Venen), erst nachdem die örtliche Wirkung vollständig entwickelt ist; ihre Stärke ist bei den Thieren von derselben Gattung und von gleichen Gaben desselben Mittels sehr verschieden, und theils von der Empfindlichkeit der einzelnen Thiere überhaupt, theils von der Empfindlichkeit und Reizbarkeit der betroffenen Organe abhängig; auch ist der Grad nur selten dem Grade der örtlichen Zufälle ent-
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sprechend, oft sehr gering, wenn diese heftig sind, und bei andern Mitteln wieder sehr heftig, wenn gleich die örtliche Wirkung nur wenig hervortritt. Eben so verschieden ist auch die Dauer der Zu­fälle; diejenigen, weiche schnell eintreten, wie Erbrechen, Schwin­del, Zuckungen und Krämpfe, bestehen mehrentheils nur durch kurze Zeit, aber die Zufalle der örtlichen Reizung, die Entzündung und ihre Folgen durch mehrere Tage. — Werden die scharfen Mit­tel durch längere Zeit in etwas grossen Gaben angewender, so stö­ren sie den gesammten Bildungsprozess, bewirken Appetitlosigkeit, schlechte Verdauung, Neigung zur Zersetzung der Säfte, grosse Abmagerung, Mattigkeit, und im höchsten Grade selbst FaulPeber. Diese Wirkungen und Folgen treten nur langsam ein, sind aber gewöhnlich sehr anhaltend.
sect;. 369.
In den Kadavern von Thieren, welche durch iibermässigo Ga­ben von scharfen Mitteln getödtet worden sind, findet man gewöhn • lieh an dem Orte der Einwirkung, sowohl äusserlich wie im Magen oder im Darmkanal, Entzündung in verschiedenem Grade, Extra-vasate von Blut und sulzigem Faserstoff, Erosionen, aber selten einen festen Schorf. Eigenthümlich ist es, dass der Magen und der Dickdarm, und an dem letztern speziell der Mastdarm mehren­theils stärker aflizirt sind, als der übrige Darmkanal. Oft sind diese Theile, und ebenso (aber seltener) die Hamwerkzeuge auf die angegebene Weise verändert, wenn auch die scharfen Mittel dem Körper an andern Stellen einverleibt waren. Das Blut ist überall ganz dunkel, selbst in der linken Höhle des Herzens; die Venen des Gekröses und der übrigen Baucheingeweide sind mehrentheils mit solchem Blut sehr angefüllt; wenn aber heftiges Purgiren durch einige Zeit anhaltend bestand, findet man sie zuweilen auch ganz leer. Die Lungen und das Gehirn zeigen keine bestimmte Verän­derung; aber am hintern Ende des Rückenmarkes finden sich sehr oft blaue Flecke, und zwischen den Rückenmarkshäufen Extrava-sate von Blut.
sect;. 370.
Alle die verschiedenen Wirkungen der scharfen Mittel bestehen primär in einer Aufregung der Lebensthätiakeit, die sie bald un­mittelbar an der Stelle der Anwendung, bald mittelbar an entfern­teren Organen, und besonders an denen des Hinterleibes in einem verschiedenen Grade hervorgerufen, und worauf stärkerer Zufluss der Säfte, Ueberflillung der Gefässe, besonders der Venen, vermehrte Absonderung und selbst Blutergiessung, so wie-an andern Stellen des Körpers Verminderung der Säfte, hierdurch vermehrte Aufsau­gung u. s. W. erfolgt. Obgleich bei jener primären Aufregung zu-
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erst immer die Empfiudlicbkeii und Reizbarkeit erhübet, wird, so ist dies doch keine wirkliebe Stärkung der betrofTeneu Tbeile, son­dern nur eine vorübergehende Reizung, welche bei sehr hohen Gra­den der Wirkung zuweilen durch Ueherreizung sogar eine Vernich­tung jener organischen Gnmdkriifte herbeiführt. In dieser Eigen-thümlichkeit beruht, ein weseutliuher Unterschied zwischen der rei­zenden Wirkung der scharfen und der ätherisch-öligen Mittel, so wie auch in ihr die Ursache des eigentbüiniicben (rotblaufartigen) Charakters der Entzündung, des so häufigen Entstehens der Extra-vasate, der grossen Mattigkeit und selbst der Lähmung und des Brandes zu finden ist.
Die ortliche Reizung erfolgt nur durch chemisch-dynami­sche Einwirkung der scharfen Stoffe auf die lebenden Gebilde, und nicht (wie Manche glauben) auf chemische Weise allein: denn wenn das Letztere geschähe, so raiisste die Wirkung auch am tod-ten Körper erfolgen, — was aber nicht der Fall ist. Die allgemeine Wirkung entsteht zum Theil a) durch dynamische Fortpflanzung der örtlichen Reizung mittelst der Kerven auf andere Organe, na­mentlich auf die grossen sympathischen Kerven, auf die Lungen-Magennerven, auf die Baucheingeweide und auf das Rückenmark; zum Theil aber auch b) durch den materiellen Uebergang der schar­fen Stoffe in das Blut, und ihre wahrscheinliche Wiederausschei­dung aus demselben in den Niereu, an den Schleimhäuten und an­dern Organen. Die meisten scharfen Mittel zeigen hierbei eine spe­zifische Richtung ihrer Wirkung auf die besondern Organe, z. B. auf den Magen, auf die Leber, auf den Dickdarm und auf die Harnwerkzeuge, und sie wirken daher bald vorzüglich als Brech­mittel, bald als Purgirmittel, als urintreibende, oder als Auswurf befördernde Mittel. In dieser eigenthünilichen Richtung der Wir­kung auf die vorzüglichsten Reproduktionsorganc und in der, durch die Reizung erzeugten stärkeren Absonderung und Aufsaugung ist es begründet, dass die scharfen Mittel vorzüglich den Bildungspro-zess im Organismus verändern.
sect;• 371.
Nach ihren verschiedenartigen Wirkungen können die scharfen Mittel bei verschiedener Anwendung mehrerlei Heilzwecken entspre­chen. Bei äusserlicher Anwendung dienen sie hauptsächlich: a) zur Erweckung eines hohem Grades der Lebensthätigkeit, so­wohl bei örtlichen Krankheiten der Haut (z. B. Räude), wie auch bei zu geringer Ernährung oder bei beginnender Lähmung in tie­fer liegenden Gebilden (z. B. beim sogenannten Schwund), b) zur Verstärkung der Resorption und zur Zertheilung bei asthenischen torpiden Entzündungen, bei Ausscbwitzungen, bei Verhärtungen,
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Exttavasaten und Verdickungeu, bei Stollbeuleu, bti Ueberbeinen,
Gallen, verhärtefem Sehnenklapp und dergl., — oder c) zur Ablei fung der Reizung und des zu starken Andranges der Säfte bei Entzündungen des Gehirns, der Augen, des Kehlkopfes, der Lun­gen und der Leber, bei Rheumatismus und bei chronischen, rheu­matischen Lahmheiten. Innerlich angewendet dienen sie zur Er­regung der Lebensthätigkeit bei torpiden Krankheitszuständen der Verdauungseingeweide (z. B. bei zu geringem Appetit, bei schlech­ter Verdauung, bei chronischem Durchfall), oder auch bei allgemei­nen asthenischen Krankheiten (z. B. bei nervösen Fiebern); — d) zur Entleerung schädlicher oder unverdaulicher Stoffe aus dem Vet-dauungskanal, vermittelst Erbrechen oder Purgiren; e) zur Erre­gung einer vermehrten Urinsekretion und einer schnelleren Resorp­tion, um seröse und andere Flüssigkeiten aus dem Zellgewebe, aus den Höhlen des Körpers u. s. w., oder um Krankheitsstoffe aus den Säften zu entfernen (z. B. bei Wassersuchten, bei veralteten Hautkrankheiten); — f) zur Ableitung von andern Organen (z. B. durch Purgiren, bei Augenentzündung und dergl.); — g) zur Er­regung einer Erschütterung des ganzen Körpers vermittelst des Er­brechens (z. B. bei gastrisch-nervösen Fiebern mit Abstumpfung, bei Lähmungen und dergl.).
sect;#9632; 372.
Aus diesen Andeutungen ergiebt sich, dass die scharfen Mit­tel bei sehr mannigfaltigen Kraükheitszuständen eine nützliche Au -wendung finden können. Im allgemeinen finden sich die Indikatio­nen für ihren innerlichen und äusserlichen Gebrauch: 1) bei Ver miuderuug der Lebensthätigkeit mit dem Charakter des Torpors, vorzüglich aber bei gesunkener Energie der Reproduktion und Ve­getation mit Anhäufimg von gastrischen üureinigkeiten im Magen und Darmkanal, bei Vcrschleimung u, s. w.; — 2) bei Ansamm­lung seröser Flüssigkeiten in den Hirnhöhlen, in der Brust- oder Bauchböhli' und im Zellgewebe; — 3) bei Entzündungen jeden Cha­rakters (wo aber diese Mittel nicht auf das leidende Organ selbst, soiuiern zur Ableitung der krankhaften Thätigkeit auf ein anderes Organ applizirt werden), bei Verhärtungen, Ausschwitzung gerinn­barer Stoffe; wuchernde Bildung neuer Massen und dergl.
g. 373.
Dagegen ist der innerliche Gebrauch dieser Mittel nachtheilig; bei synochösen Entzündungen, bei Entztindungsfieber und bei jeder Krankheit, die mit heftig aufgeregter Sensibilität und Irritabilität in den Organen der Bauch- und Beckenhöhle verbunden ist. Auch bei cacbektisebeu Krankheiten ertragen die Thiere die Anwendung dieser Mittel nicht, wenn die Schwäche und die Entmischung der
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Säfte schon einen hohen Grad erreicht haben. — Die Gegenanzeige gegen den äusserlichen Gebrauch dieser Mittel ist fast nur auf das Vorhandensein sthenischer Entziindungen der Haut beschränkt.
sect;• 374. Hinsichtlich der Gabe, der Verbindung mit andern Mitteln, der Forin und Art der Anwendung findet bei den einzelnen scharfen Mitteln, nach Verschiedenheit des Heilzweckes, der Thiergattung ü. s. w., ein so grosser Unterschied statt, dass sich darüber im Allgemeinen etwas Bestimmtes nicht angeben lässt.
1 Spanische Fliegen, Kanthariden, Cantharidea, Lyltue tesirutoriae.
sect;. 375.
Die wichtigsten Bestandtheilo dieser Insekten sind: das Kan-tharidin (eine krystallisirbare, in beissem Alkohol, Aether und fetten Oelen leicht auflösliche, in Wasser und kaltem Alkohol un­lösliche Substanz), ein grünes, wachsartiges Oel, ein gelbes, flüs­siges Oel, Harnsäure und dergl. Das Kantbaridin ist als das wirk­same Prinzip nachgewiesen, indem es, selbst nur zu einigen Ato­men in einem fetten Oel gelöst und auf die Haut gebracht, einen brennenden Reiz und binnen, sehr kurzer Zeit Blasen verursacht. Nach Orfila*) soll jedoch auch ein Qiicbtiger Rjechstoff zur Wirk­samkeit der Kanthariden viel beitragen.
g. 37G.
Die Kanthariden bringen bei ihrer Einwirkung auf den leben­digen Thierkörper überall eine heftige Reizung, bei conzentrirter Anwendung auch aktive Entzündung und deren Folgen, hauptsäch­lich aber au der Haut und den Schleimhäuteu seröse Ausschwit zung und hierdurch Bildung von Blasen hervor. Bei ihrer Anwen­dung auf die äussere Haut tritt die reizende Wirkung nach der verschiedenen Dauer der Berührung in einem verschiedenen Grade ein (sect;. 367 a.), so dass zuerst nur oberflächliche Entzündung, bei längerer Einwirkung Ausschwitzung von Serum, hierdurch Tren­nung der Oberhaut und Bildung von Blasen, und bei noch länge­rer Einwirkung auch brandige Zerstörung der Lederhaut entsteht. Höchst selten geht die Zerstörung tiefer. Die Reizung beginnt ge­wöhnlich gleich nach der Anwendung und die übrigen Erscheinun­gen bis zur Blasenbildung finden sich, je nach den Umständen, in etwa 3 bis 12 Stunden hinzu. — Die so erzeugten Blasen sind von
*) In dessen Toxikolugie, Übersetzt vonSeomiinn und Karls. Bd. 5. S. 84.
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verschiedener Grosse, bersten gewöhnlich in kurzer Zeit und ver­anlassen dann Aussickenmg einer gelblichrothen serösen Flüssig­keif, welche später mehr klebrig und eiterartig wird und zu Schor­fen vertrocknet. Oft fallen hierbei die Haare aus, erzeugen sich aber sammt der abgestorbenen Oberhaut in Zeit von 12 bis 20 Ta­gen vollständig wieder; und nur da wo die Lederhaut mit zerstört ist, bleiben nach der Heilung zuweilen haarlose Stellen zurück. Diese zerstörende Wirkung auf die Lederhaut erfolgt jedoch von den Kanthariden, selbst bei lange dauernder Berührung der betrof­fenen Stellen, verhältnissrnässig schwächer als von dem Senf, von dem Euphorbium und von den eigentlichen (mineralischen) Aetz-raitteln. —
Die blasenziehende Wirkung der Kanthariden erscheint unter gleichen Umständen am stärksten bei Pferden, etwas schwächer bei Schafen und Hunden und noch schwächer bei Rindern und Schwei­nen; sie tritt bei Thieren von edler Ra9e mit feiner Haut und im jugendlichen Alter schneller und stärker ein, als bei gemeinen, al­ten und abgetriebenen; und bei sehr gesunkener Lebenskraft oder bei heftigen innern Entzündungen bleibt sie zuweilen ganz aus.
In Wunden und Geschwüren erregen die Kanthariden heftige Entzündung und darauf vermehrte Absonderung, verbessern aber den etwa fehlerhaften Eiter nur wenig.
sect;. 377.
Die äusserliche Anwendung dieses Mittels ist häufig mit all­gemeinen Zufallen begleitet. Die Thiere werden unruhig, suchen sich an der gereizten Stelle zu reiben, zu lecken oder auch zu beis-sen, und kratzen mit den Füssen; sind sie sehr empfindlich, so werden auch die Pulse schneller, die Wärme vermehrt, das Maul trocken, der Appetit unterdrückt, der Durst gross. Zuweilen, be­sonders bei Anwendung auf grosse Flächen, entsteht eine Reizung der Harnwerkzeuge, die sich durch anhaltenden Drang zum Urini­ren, wobei aber nur wenig Harn entleert wird, zu erkennen giebt; — und in einzelnen Fällen tritt selbst Entzündung dieser Organe oder Blutharnen, oder ein lähmungsartiger Zustand im Hintertheil ein (siehe: Brandes, Beitrag zurKennfniss der Wirkung der Kan­thariden gegen Krankheiten der Hausthiere, im Magazin fürThier-heilkunde, Bd. 3. S. 355 u. f.). Diese Zufälle sind jedoch nicht con stant, und sie bleiben nicht selten ganz aus, wenn auch die äus-sere Wirkung im Umfange und in der Stärke sehr bedeutend er­folgt; sie werden aber fast immer sehr heftig, wenn eine bedeu­tende Quantität des Kantharidenpulvers auf eine wunde Fläche ge­bracht ist. Eine Drachme auf diese Weise bei einem Hunde an­gewendet, verursachte Unruhe, Angst, Appetitlosigkeit, mehrmals
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wiederholtes Erbrechen einer gelben, (iicklichen Flüssigkeit, Schmer­zen, Fieber, beschwerliches Athmen, Mattigkeit und den Tod. Letz­terer trat, bei einem Hunde nach 14, bei einem zweiten nach i'i Stunden ein (Orfila, a. a. 0. S. 6'2.). — Zehn bis zwanzig Gran in eine Wunde gebracht, hatten keine nachtheilige Folgen.
sect;. 37S.
Von der innerlichen Anwendung der Kanthariden in einzelnen kleinen Gaben (d. i. bei Pferden zu 4 bis 10 Grau, bei Rindern zu 6 bis 20 Gran, bei Schafen und Schweinen zu 1 bis 3 Gran, bei Hunden zu ^ bis l Gran), und an gesunden Thieren bemerkt man meistens keine bestimmte Erscheinungen; bei öfterer Wieder­holung solcher Gaben und bei Thieren, die an astbenischeu Krank­heiten leiden, zeigt sich dagegen eine massige Reizung, welche von der Schleimhaut des Verdauuugskauals beginnt, sich über den gan­zen Körper verbreitet, am stärksten gewöhnlich an den Harnwerk­zeugen hervortritt und eine Steigerung fast aller Funktionen zur Folge hat. Man siebt daher vermehrten Appetit, regelmässige Ver­dauung, grössere Munterkeit, munterern Blick, höheres Aufrichten des Kopfes und glatteres Haar entstehen; der kleine, sehwache Puls wird voller, das Blut mehr gerinnbar, die sonst blassen Schleim­häute werden rüther, der zu klebrige Schleim wird dünnflüssiger, der Urin reichlicher abgesondert, Anschwellungen der Lymphgefässe und Oedeme an den Füssen u. s. w. verlieren sich, Wurm und an­dere Geschwüre erhalten ein reines Ansehen und neigen zur Hei­lung. In einigen Fällen sähe ich an gesunden Pferden bei fortge­setzter Anwendung kleine Bläschen und Gescbwürchen auf der Haut entstehen.
Einzelne Gaben von massiger Grosse (bei Pferden von ^—I Drachme, bei Rindern bis zu 3 Drachmen, bei Hunden von 3 bis 10 Gran) bewirken eine massige Aufregung des Pulses, etwas be­schleunigtes Athmen, und bei Hunden fast immer Erbrechen einer gelblichen Materie; manche Thiere werden nach einiger Zeit unru­hig und urir.iren oft, setzen jedoch mehrentheils nur kleine Portio­nen Harn ab; die Pferde wedeln dabei mit dem Schweif, Hunde rutschen auf dem Hintern, und zeigen aufgeregten Geschlechtstrieb. Der Urin ist. im Anfange immer weisslich, späterhin mehr gelblich und bei einem höhern Grade der Wirkung röthlich, selbst mit Blut gemengt. Zuweilen hat man bei Pferden auch Anschwellung des Schlauches und der Eichel hierbei entstehen sehen. — Nach gros-sen Gaben (bei Pferden und Rindvieh liber | Unze, bei Schafen über 1 Drachme, bei Hunden über i Drachme.) entsteht gewöhn­lich eine Entzündung der bezeichneten Organe, die selbst tödtlich werden kann. Muysehel sagt zwar hierüber: dass die so sehr
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gefurchteten Wirkungen der Kantbariden auf die Harawerkzeuge gar nicht existiren, eben auch nicht die Wirkungen auf die Ge­schlechtsorgane (Magazin für Thierheilkunde Bd IX. S. 407.); aber, abgesehen von den vielen Beobachtungen Anderer über diese Wir­kungen, — ich muss nach ineinen Versuchen und Beobachtungen bestätigen: dass bei silmmtlichen Haustbiereu von grossen Gaben der Kantbariden eine Entzündung der Nieren, der Blase und der Harnröhre, ausserdem aber auch eine Entzündung des Magens und Darinkanals sehr häufig eintritt, zuweilen aber ausbleibt. — Von 3(1 bis zu fiO Gran des Pulvers, starben Hunde schon nach 4 bis 5 Stunden und Pferde von l Unze nach 18 Stunden. Morton sähe ein Pferd sogar schon von 1 Drachme des Mittels sterben, ein anderes aber 'i Drachmen, ohne üble Zufälle ertragen {Abstract of the Proceedings of the velerinriri medical association, p. 42, U. 60.),
— Ueber Sektions-Data und über Vermitteluug der Wirkung siehe sect;. 369 bis 370.
sect;. 379, Die Anzeigen zur innerlichen jAnwendung der Kantbariden sind bis jetzt von den Thierärzten noch nicht gehörig festgestellt worden, wahrscheinlich aus dem Grunde, weil diese Anwendung als mit Gefahr verbunden betrachtet und daher nur von Wenigen versucht worden ist. Seinen eigenthümlichen Wirkungen zufolge ist das Mitlei passend, wo Schwäche, sehr verminderte Reizbarkeit und gesunkene Tbätigkeit im Darmkanal oder in den Harnwerk­zeugen besteht, dynamische Störungen vorhanden sind, und wo als Folgen der mangelhaften Verdauung und Assimilation, Verschlei-inung, Cacbexie, Wassersucht, Abzehrung, allgemeine Schwäche oder wo Lähmungen entstanden sind; daher hauptsächlich: gegen veraltete Scbleimtlüsse (besonders aus der Nase, der Lunge und den Geschlecbtstbeilen), gegen aionisches Blutharnen, gegen atoni­sche Harnruhr, gegen ödematöse Anschwellungen der Füsse und dergl., wenn dieselben blos aus allgemeiner Schwäche oder in Folge von katarrhalischen Krankheiten entstanden sind; gegen Wasser­süchten, gegen bösartige Druse, gegen Rotz, Wurm, veraltete hart­näckige Mauke, und andere hartnäckige Hautkrankheiten; — eben so gegen Lähmung des Blasenhalses und gegen das hiervon ent­standene Unvermögen den Urin zu halten. Einige englische Thier-ärzte haben in neuerer Zeit die Kantbariden als eins der kräftig­sten tonischen Mittel betrachtet und gegen mehrere der genannten Krankheiten mit gutem Erfblgj augewendet (siehe: Abstract, etc. im vor. sect;., und The Veferiaarien 1S30 u. f.);_ besonders hat R. Vines sie als das wirksamste stärkende und umstimmende Mittel bei abgematteten, durch Entkräftimg in einen cachektischen Zu-
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stand versetzten, an bösartiger Druse, an Rotz und Wurm leiden­den Pferden empfohlen (siehe; /{. Pines, practical Treatise on glan­ders and farcy in the Horse, etc. Land. 1830. Aus dem Engl. Über­setzt von L. Wagenfeld, unter dem Titel: R. Vines, prakt. Ab-liandl. über die Rotzkrankheit und den Hautwurm der Pferde. Dan­zig, 1S33.). Muyschel hat von Gaben zu 15 Gran bis zu 2-J Drachme, tiiglich zweimal gereicht, bei mehreren rotzkranken Pfer­den einen guten Erfolg gesehen. Es wurde aber mit den Kantha-riden zugleich Terpentin, Terpentinöl, Schwefel, Scbwefelleber, An-timonium und dergl. gegeben. In andern Fällen bewährte sich das Mittel nicht. Ich habe sie auch häufig, und gegen jene erstere Krankheiten oft mit dem grössten Nutzen gegeben, aber bei aus­gebildetem Rotz und bei dem ächten quot;Wurm stets ohne Erfolg. Kersting hatte sie auch schon gegen diese Krankheiten angewen­det, jedoch ebenfalls ohne Erfolg (dessen „nachgelassene Manu­skripte,quot; 2te Aufl. S. 103 u. 104, und in Schreber, cameralisti-sche Samml. 4ter Th. S. 3G5.). Dagegen habe ich bei dem soge­nannten unächten Wurm, eigentlich eine Entzündung der Lymph-gefässe der Haut, mit nachfolgender Eiterung in kleinen, oft und schnell sich wiederholenden Abszessen, sehr günstige Wirkung des Mittels beobachtet.
Auch sind die Kanthariden als prophylaktisches Mittel gegen die Wuthkrankheit nach dem Bisse wuthkranker Thiere gebraucht worden; ihr Nutzen hierbei ist aber noch zweifelhaft.
Ausserdem werden sie noch hin und wieder zur Erregung des Geschlechtstriebes, besonders bei Kühen, wenn die Thiere zur ge­hörigen Zeit nicht brünstig werden, angewendet. Bei Beobachtung der nöthigen Vorsicht wird der Zweck gewöhnlich ohne üble Fol­gen erreicht; oft wird aber hierbei Unfug getrieben und Schaden angerichtet.
Als Gegenanzeigen sind die im sect;. 373. bezeichneten Krank-heitszustände zu betrachten.
sect;. 350.
Die Kanthariden dürfen innerlich nur in kleinen oder mittel-mässigen Gaben und stets nur in längern Zwischenzeiten angewen­det werden, nämlich bei Pferden von 4 bis 20 Gran, bei Rindvieh von 1—2 Scrupel, bei Schafen und Schweinen von 2 bis 10 Grau, bei Hunden von ^ bis 4 Gran, täglich ein bis zweimal. Man be­ginnt immer mit den kleinen Gaben, fährt damit 6 bis 8 Tage fort und verstärkt dann die Dosis um 2 Gran; nach 12 bis 14tägigem Gebrauch setzt man das Mittel durch 3 bis 4 Tage ganz aus und giebt es dann wieder in kleinen Gaben. Immer muss man die Wirkungen genau beobachten. Man giebt sie am besten in Ver-
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bindung mit bittern, aromatischeu Mitteln in Pillen, in Latwerge, zuweilen auch in flüssiger Form. Die Pillen haben den Vorzug, dass sie sich in Papier wickeln, und eiugebeu lassen, ohne von den Thieren gekauet zu werden, und dass hierbei die Einwirkung des scharfen Mittels auf das Maul und den Schlund vermieden wird; durch die flüssige Form wird dagegen die schnelle und gleichmäs' sige Wirkung sehr begünstiget. — Ratzeburg empfahl (Zoo-Pharmakologie, 2ter Th. S. 7.) 2 Unzen spanischer Fliegen mit einem Nössel (circa i Quart oder U Pfund) weissen Weins durch 4S Stunden zu digeriren, und von der durchgeseifaeten Flüssigkeit den Pferden 1 Unze mit einem schleimigen Absud als Trank oder als Kiystir zu geben. — Andere empfehlen die gewöhnliche Kan-thariden-Tinktur (sect;. 383, d), die mit Weingeist bereitet und ziemlich von demselben Gehalt an spanischen Fliegen ist, auf glei­che Weise anzuwenden; man darf sie aber niemals in so grossen Gaben, sondern für Pferde und Rindvieh nur von 1—2 Drachmen, für Schafe und Schweine von ^ Scrupel bis J Drachme, und für Hunde von 1 bis 4 Tropfen reichen.
Bei der innerlichen Anwendung der Kanthariden pflegt man ihnen zuweilen den Kampher beizufügen, um durch ihn ihre heftig reizende Wirkung auf die Nieren zu mindern (sect;. 314.).
Bei Vergiftungszufällen nach zu grossen Gaben von den Kan­thariden sind bei Thieren, welche sich erbrechen können, Brechmit­tel, nach vorausgegangener Anwendung von Schleim, Eiweis oder Mehltrank, — sonst aber innerlich schleimige Flüssigkeiten mit Salpeter, mit Bleizucker, mit Bilsenkraut, ein Aderlass, Einspritzun­gen schleimiger Mittel in den Mastdarm und in die Geschlechts theile, und das Bedecken der Nierengegend mit einem schleimigen Brei oder mit einem Schaffell am nützlichsten.
sect;. 381.
Zum änsserlichen Gebrauch sind die spanischen Fliegen ein unschätzbares Mittel, dessen genauere Kenntniss und zweckmässige Anwendung gegen sehr viele Thierkrankheiten einer der wichtig­sten Fortschritte in der praktischen Thierarzneikunde der neuern Zeit ist. Sie sind äusserlich hauptsächlich für folgende Zwecke indizirt:
I. Zur Ableitung 1) bei Entzündungen wichtiger, besonders innerlicher Organe (mit Ausnahme von Entzündungen der Nieren und der Harnblase), eben so auch bei Verwundungen der Gelenke, der Knochen, Knorpel und Sehnen, und bei zu heftiger Entzündung nach chirurgischen Operationen (z. B. nach dem Ausschälen gros­ser Stollbeulen und dergl.); 2) bei akutem und bei chronischem Rheumatismus und hei hierdurch bedingten Lahmheiten; 3) bei
llertwtg ArzDeimitfellehre.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;25
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zurückgetretenen oder zu BcbueQ unterdrückten Hautausschlägen und bei Metastasen nach innern Theilen.
II. Um eine kriiflige Erregung, Belebung, Resorption, Zerthei-lung, schnelle und feste Verwachsung glatter und beweglicher Wund-theile, auch um stärkere Contraktion zu bewirken: 1) bei Nerven-liebern mit grossem Torpor; 2) i)ei Lähmungen; 3) bei dem Schwin­den einzelner Theile, besonders nach vorausgegangenen Verletzun­gen und andern örtlichen schmerzhaften Krankheitszustäuden; 4) hei asthenischer, chronischer Entzündung, namentlich wenn sie mit plastischen oder serösen Ausschwitzungen, oder mit Ulzeration ver­bunden ist, z. B. bei den sogenannten Aderfisteln;*) 5) bei Ergies-sungen von Blut- und Serum in Folge von Quetschungen, z. B. dergleichen Genickbeulen, Widerristschäden,**) Brust- und Stollbeu­len u. s. w.; 6) bei harten Geschwülsten, die als Folgen plastischer Ausschwitzungen entstanden sind, z. B. Stollbeulen, Kniebeulen, Fiphacken, Sehnenklapp, bei Ueberbeinen; 7) bei Anhäufung von Serum in den Hirnhöhlen (z. B. bei dem Dummkollcr) so w7ie bei Anhäufung von Flüssigkeiten in den Sehnenscheiden und Kapsel-bändem (d. i. bei Gallen); 8) bei grosser Ausdehnung und Er­schlaffung der Bänder und Sehnen, z. B. nach vorausgegangenen Verrenkungen und Verstauchungen; 9) zur Unterhaltung und Ver­stärkung der Eiterung in künstlichen Geschwüren, und in Wun­den, welche durch den Biss von tollen Thieren entstanden sind; 10) bei Räude, besonders wenn sie veraltet und hartnäckig ist.
sect;. 3S2.
In mehrern hier genannten Krankheiten sind die Kanthariden durch Fontanelle, durch Haarseile, durch das glühende Eisen und durch andere Reizmittel zu ersetzen; allein diese Mittel sind nicht gut auf einer so grossen Fläche anzuwenden wie die Kanthariden, sie hinterlassen bemerkbare, zum Thcil auch haarlose Narben, und sie besitzen auch nicht die spezifische Reizkraft der Kanthariden.
*) Die Behandlung derselben mit Kanlliaridensallje ist namenllich zu­erst von Bölher (Busch, Teulsche Zeilschr. für die gesammle Thier-heilk. Bd. II. t832. [left 4, S. 3.) und Spinola (Vil U. Nebel, Zeil-scluift für Thierheilk. clc. !836.) empfohlen, nachdem sie von einigen andern Thierarzlen und auch von mir vielfach mit dem beslen Krfolge angewendet worden war. Es wird dadurch die Dolerbindung der Vene fnsl immer enlbelirlich gemachl.
#9632;*) G. W. Schrader in Hamburg bat das Verdienst, dieses ausser-ordenllich nülzliche Heilverfahren, millelsl welches man bei frischen, und selbst bei schon flukluirendeD Widerrislsclüiden noch olt die Zer-Iheilnng bewirken, sonst aber die Eiterung vormindern und die Heilung sehr beschleunigen kann, zuerst empfohlen zu haben (Busch, teulsche Zeitschr. Bd. 1. Heft t. S. 19.).
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Bei inuern EntzQuduugen, l)ei Rheumatismus und Metastaseu erfolgt die Anwendung der Kanthariden so nahe als möglich dem leidenden Theile, und in allen übrigen Fällen an dem letztem selbst. — Bei heftigen EntzUuduugen müssen ihnen Blutentziehuugen und innerlich angewendete entzündungswidrige Mittel vorausgehen, weil sie sonst das Fieber und selbst die Entzündung sehr verstärken. Bei Fanlfleber und bei starken ödematösen Anschwellungen ist die Anwendung dieses Mittels unzweckmässig, weil es unter die­sen Umständen sehr oft Hautbrand und zerstörende Verjauchung erzeugt.
sect;. 383.
Zur äusserlichen Anwendung werden die Kanthariden a) i.i Pulverform, b) in Salben und Linimcntcn, c) als Pflaster und d) als Tinktur benutzt.
a)nbsp; Das Pulver dient nur zum Einstreuen in Bisswunden von wuthkranken Thieren, und in torpide, so wie in künstliche Ge­schwüre, auch zum Bestreuen der Senfbreie, um deren Wirkung zu verstärken.
b)nbsp; nbsp;Die Kantharideusalbe {L'nguentum Cantharidum) und das Kanthariden Liniment (l.inimentum s. Oleum Canthari­dum) sind die zweckmässigsten und gebräuchlichsten Formen, theils weil die Anwendung leicht zu bewirken ist, theils auch, weil die Wirksamkeit der Kanthariden durch die Verbindung mit Fett und fettem Oel, wegen der Auflöslichkoit des Kantharidin in die­sen Substanzen, sehr befördert wird.
Es giebt eine Menge von Vorschriften zu Spanischlliegensal-ben: die einfachsten davon sind aber die besten; z. B. man nimmt Baumol (oder ein anderes fettes Oel) 8 Unzen, erhitzt es über Feuer und rührt 3 bis -'t Unzen*) gepulverte Kanthariden hinzu: das Ge­menge wird durch 12 Stunden warm gebalten, und dann mit 4 Unzen frisch geschmolzenen Wachses unter fleissigem Umrühren verbunden. — Oder, nach der in der Thierarzneiscbule zu London gebräuchlichen Vorschrift, nimm: fein pulverisirte Kanthariden und gemeinen Terpentin, von jedem 1 Theil, Schweineschmalz 4 Theile; schmelze das Fett und den Terpentin im Wasserbade zusammen, setze dann die Kanthariden hinzu und rühre bis zum Erkalten der Masse fortwährend um. — Oder, mau nimmt: Culophonium, gemei-
*) Nach der neneslon (üten) Ausgabe der Preilss. Pbarmakopöe wer­den auf die angegebene Menge von Oel und Wachs nur 2 Dozen Kan-Ihariden genommen, — was aber zum Uiieräizllichen Gebrauch eine zu schwache S.iibe giebt, welche man gewöhnlich durch llinzulhun von I bis 2 Drachmen Kanlharidenpnlver zu lt; Unze Salbe versliirkl.
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lien Terpentin, von Jedem 8 Tbeile, gelbes Wachs 1 Theii, Schweine-fetf liO Theile, gepulverte Kautharideu IG Theile. Mengt es nach vorherigem Scfamelzea der erstem Substanzen zusammen. Diese Salben können jede andere ersetzen, und niithigenfalls können sie durch Znsatz von Lorbeeröl, oder von Terpentinöl mehr flüssigge­macht werden. — Ehemals pflegte man die Kantharidensalbe last gewöhnlich mit gepulvertem Gummi Euphorbium, mit Schwefel­säure, mit Sublimat und selbst mit Aurlpigment (siehe diese Mit­fei) zu verstärken; durch diese Zusätze wird sie aber wirklieb ätzend, und es bleiben dann von ihrer Anwendung mehrentheils haarlose Karben zurück. Durch biosses Zusammenmengen von 1 Theil spa­nischen Fliegen mit 2 bis 4 Theilen Schweinefett oder grüner Seife kann man augenblicklich eine Salbe bereiten, welche jedoch bei etwas reichlichem Aufstreichen auf die Haut leichter zerfliessf, und dann eher über die Gränze der Anwendungsstelle binauswirkt als eine solche Salbe, die etwas Wachs enthält. — Auch mit Theer be­reitet man, durch biosses Zusammenmengen von etwa 4 Theilen desselben mit l Theil Kantharidenpulvers, eine Art scharfer Salbe, welche sich zwar nicht so gut einreiben lässt wie die mit Fett zu­sammengesetzten Salben, aber auch nicht so leicht wie diese zer­fliessf. Dass die Wirksamkeit der Kautharideu durch den Theer verstärkt würde, wie Manche behaupten, habe ich niemals gesehen.
Um die Anwendung der scharfen Salben zu erleichtern und ihre Wirkung zu befördern, ist es nothig, die an der Applikations-stelle vorhandenen langen Haare recht nahe an der Haut abzu­scheren. Bei Schafen soll aber, nach der Angabe von Favre (Journ. de med. veter. theorique et pratique, Sepfbr. 1831. p. 516.), die blasenziehende Wirkung viel kräftiger erfolgen, wenn die Wolle nicht abgeschoren, sondern ausgerissen wird. Auch ist es bei allen Thieren zweckmässig, die Haut mit warmem Seifenwasser zu reinigen und dann mit wollenen Lappen oder mit einer Bürste wäh­rend einiger Minuten tüchtig zu reiben. Hierauf wird die Salbe an der bestimmten Stelle überall gleichmässig gegen \ bis 1 Linie dick auf die Haut gestrichen und massig stark eingerieben, und, wenn die letztere sehr dick oder wenig empfindlich ist, nach etwa einer Stunde noch einmal eingerieben.
Der Umfang, in welchem die Salbe angewendet wird, muss sich fheils nach der Art, dem Grade und Sitze der Krankheit, theils nach der Thiergattung richten; z. B. bei Augenenfzündungen der Pferde kann man einen gegen 2| Quadrafzoll grosser. Fleck am Hin-terkiefer, — bei Lungenentzündungen dieser Thiere einen etwa 1! bis 10 Quadralzull grossen Fleck an jeder Seite der Brust einrei­ben; bei Aderfisteln wendet mau die Salbe gegen 2 Querfinger
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breit in der ganzen Länge der entarteten Vene, — und bei Stoll-benlen, Gallen und dergl. auf der ganzen äussern Fläche tier Ge­schwulst an, bestreicht aber die nächste Umgegend mit Fett oder mit einfacher Wachssalbe, um diese Theile gegen die Wirkung der Salbe zu schützen.
01) und wann die Einreibung wiederholt werden soll, ist von der Art und von der Hartnäckigkeil der vorhandenen Krankheit, so wie von der Wirkung der ersten Einreibung abhängig; die Wie­derholung Kann bei akuten Krankheiten und bei zu geringer Wir­kung mit etwa IG bis 24 Stunden, in allen andern Fällen aber am besten erst nach dem Abheilen der von der früheren Einreibung entstandenen Schorfe geschehen.
Das Einreiben oder eigentlich das Aufstreichen der einfachen Spauischfliegensalbe wird in der Regel mit der blossen Hand be­wirkt, ohne dass hierdurch ein Nachtheil fur die Person entsteht, die dasselbe verrichtet; will man aber recht vorsichtig sein, so kann hierbei die Hand mit einem alten Lederbandschuh oder mit einem Stück Blase bedeckt werden. Diese Vorsicht ist jederzeit aöthig, wenn die Salbe noch andere scharfe, besonders metallische scharfe Bestandtheile enthält, oder wenn die Hand des Einreibenden nicht frei von Verletzungen ist.
Bei dem Eintritt der reizenden Wirkung suchen die meisten Thiere sich an der Einreibungsstelle zu lecken, zu beissen oder zu reiben; sie verletzen sich hierbei zuweilen an dieser Stelle bedeu­tend, und ausserdem entsteht gewöhnlich, wenn sie die Salbe mit den Lippen, mit der Zunge u. s. w. abwischen, eine heftige Ent­zündung dieser Theile. — Es ist daher stets noting, solche Thiere in der ersten Zeit unter Aufsicht zu lassen, sie kurz anzubinden nöthigenfalls mit einem Maulkorb zu versehen, und wenn eine Ein­reibung an der innern Fläche eines Fusses geschehen, den andern Fuss mit Leinwand oder Stroh zu umwickeln.
In Form eines Liniments können die Kantbariden ganz auf dieselbe Weise wie in Salbenform angewendet werden. Da aber das Liniment selbst bei etwas langen Haaren leichter gründlich ein­zureiben ist, auch gewöhnlich etwas schneller, obgleich weniger an­haltend wirkt als die Salbe, so benutzt man es gern in solchen Fällen, wo man die Haare nicht abscheren will, oder wo eine kräf­tige Wirkung schnell erzeugt werden soll.
Die Zusammensetzung eines solchen Liniments kann mit ver­schiedenen Stoffen geschehen, je nachdem es. weniger oder mehr heftig reizend sein soll. Von massiger Wirkung ist es z. B., wenn man Baumöl 6 Unzen, und fein gepulverte Kantbariden 1 Unze, zusammengemengt in massiger Wärme (am besten in einem Was-
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Her- oder Saudbade) bei oftmab'gem Umrühren so lange digerirt, bis j des Ganzen verdampft ist; sfärker reizend und augenblick­lich fertig ist dagegen ein Gemenge ans: Terpentinöl 2 Unzen, Lor-beeröl l Unze und Kantharidenpulver 6 Drachmen bis 1 Unze. — Zuweilen wird auch Euphorbiumgummi, Schwefelsäure und dergl. zugesetzt (siehe bei Sebwefelsäure). — Das Kanthariden-Lini­ment ist nicht offizinell.
c) Eauthariden-Pflaster [Emplattrum Canlharidum s. ve-sicalorium). Sie sind in der Tbierarzneikunde weniger gebräuch­lich als die Salben und Linimente, weil die Anwendung, wenn sie zweekiuässig sein soll, mit grösserer Schwierigkeit verbunden ist als die Anwendung letzterer Präparate. Denn die, nach den Vor­schriften der Pharmakopöe bereiteten Eautharidenpflaster (I, fc'm-
plaslr. Cantharid. ordinar'tum und 'i, Empl. Caitlharid. perpetiium)
kleben nicht fest genug an der Haut, und fallen bei einer Erschüt­terung derselben durch den Hautmuskel, bei heftiger Bewegung der Thiere u, s. w. leicht ab; und festhaltende Bandagen sind bekannt­lich nur an sehr wenigen Stellen des Thierkörpers gut anzubringen. Man ist daher genüthiget, das Eantbaridenpflaster zum thierärzt-lichen Gebrauch durch Zusatz von vielem Harz oder Pech recht stark klebend zu machen; hierdurch wird aber dasselbe sehr hart und spröde, und muss deshalb vor der Anwendung jedesmal erst durch Erwärmen am Feuer flüssig gemacht werden, wobei aber durch einen zu hoben Grad der Hitze sehr leicht die Wirksamkeit der Kanthariden leiden kann.
Ein vorzügliches Pflaster dieser Art ist dasjenige welches un­ter dem Namen: Scharfes Pflaster (Empl. acre), englisches scharfes Pflaster oder schwarzes Pflaster bekannt ist, und welches nach seiner ursprünglichen Vorschrift aus folgenden Ingre­dienzien besteht: man nimmt Spanischfliegeiipulver IS Unzen, Bur-gunderharz 11 Unzen, Euphorbiumgummi 3 Unzen, Mastixgummi, Kolophonium, Safranpüaster, gemeinen Terpentin, schwarzes Pech, pulverisirten armen. Bolus, von jedem (1 Unzen, und macht daraus nach den Hegeln der Aputbekerkunst ein Pflaster.*)
Bei der Anwendung dieses Pflasters wird die nöthige Menge in einem irdenen Gefäss über gelindem Feuer flüssig gemacht, dann mit einem Span oder mit einem Spatel auf den kranken, vorher
') Diese ZusamroenselzuDg selieinl zu complizirt und isi deshalb vielßlllig abgeäadert uiul vereinraebt wurden; mc besitzt aber die beiden Eigenscbarten, krüflig zu reizen und stark zu kleben, im vorzüglichem Grade, ;ds alle mir bekannte und von mir selbst versuchte eiufaclicro Coinposilionen dieses Pflasters,
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von Haaren entblossteu Thcil gegen '4 Linifii dick aufgestrichen, sogleicli mit gaiiü kurz zeischuitieuem Werg besfrenet, und letzte­res mit der flachen Hand gut angedrückt. Durch das Bestreuen mit Werg verhütet man am besten das Äufbersteu und das theil-weise zu frühe Abfallen des Pflasters.
Die Wirkung des letztern tritt gewöhnlich etwas langsamer als von der Ksjitharidensalbo ein, ist aber mehr andauernd und gleich-massiger, als bei dieser; denn die von ihm bewirkte Aussclrwiizung dauert zuweilen durch 14Tage fort; hierbei erzeugt sich eine dicke Kruste, welche mit dem Pilaster zugleich in etwa 12 bis 20 Tagen abfallt. Die ausgefallenen Haare wachsen bald wieder.
Das auf diese Weise angewendete Pflaster wird als ein sehr wirksames Mittel gegen Ueberbeine, verhärteten Sehnenklapp recht vortheilhaft benutzt, steht aber bei akuten Krankheiten der Kantha-ridensalbe nach.
d) Eauth ariden-Tinktur (Tinctura Cantharldum) ist eine Auflösung und ein Auszug des Kantharidins in rektifizirtem Wein­geist. Sie wird nach den Vorschriften der verschiedenen Pharma-kopöen in sehr verschiedener Stärke bereitet, aber zum thierärzt-liehen Gebrauch am besten so, dass 1 Unze Kantharidenpulvers mit 1 Pfund Weingeist durch 3 Tage in der Wärme digerirt und dann filtrirt wird. Die Tinktur ist flüchtiger und durchdringender reizend, als die übrigen Präparate, aber sie verursacht bei nur ein­maliger Anwendung gewöhnlich keine Blasen; sie eignet sich daher auch nur als Reizmittel bei Lähmungen, bei Rheumatismus, bei den chronischeu Folgen der Verrenkungen, bei frischen Gallen und dergl., aber nicht zur Ableitung bei Entzündungen. Sie wird in die kranken Theile eingerieben, und zwar nach der Art- und nach dem Grade der Krankheit täglich 1 bis 3 mal, bald für sich allein, bald im verschiedenen Verhältniss mit Kampheröl, mit Amraoniak-Liuiment, mit grüner Seife, mit Kampherspiritus, Terpentinöl und dergleichen Reizmitteln verbunden.
2. Maiwürmer, Maiwurmkäfer, Meloc majales s. Vermes majales,
sect;. 384.
Unter diesen Namen sind zwei einander sehr ähnliche Insek­ten (der seh war zldaue Mai wurm, Meloc' proscarabaeus, und der kupferrothe Maiwurm, MeloS majaljs) bekannt, welche beide einen scharfen Stoff von ähnlicher, aber etwas schwächerer Wirksamkeit wie die Kalithariden besitzen.
Nach Vitet (a. a. 0. p. 423.) bringt eine aus den zerquetsch-
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fen Käfern und Fett bestehende Salbe auf die innere Seite des Dick­beins eines Pferdes gelegt, in 12 Stunden eine schmerzhafte Enf zündungsgeschwulst, und in 36 bis 4S Stunden Blasen hervor. — Innerlich in grossen Gaben oder anhaltend angewendet, wirken diese Insekten auf die Schleimhaut des Magens, des Darmkanals und auf die Harnwerkzeuge fast eben so reizend, wie die Cantha riden, und veranlassen Entzündungen dieser Theile, Drang zum Uriniren und Blutharnen.
Man kann sie innerlich und äusserlich wie die Canthariden, aber in etwas stärkeren Gaben und mehr conzentrirt, anwenden; sie sind ein wohlfeiles Ersatzmittel der Canthariden, werden aber durch diese an Stärke der reizenden Wirkung bedeutend über-froffen.
Zum innerlichen Gebrauch wurden sie ehemals vorzüglich als ein Spezificum gegen die Wasserscheu sehr gerühmt, und als sol­ches seit der Mitte des vorigen Jahrhunderts mehrentheils unter dem Namen der Maiwurm-Latwerge oder des Preussischen Mittels *), in einer eigenthümlich zusammengesetzten Latwerge angewendet. Jetzt ist dieselbe veraltet und vergessen. Als ein­facher und eben so wirksam empfiehlt Ratzeburg (Zoopharmako-logie Bd. 2. S.O.) folgende Zusammensetzung: Man nimmt 24 Mai­würmer (welche in Honig aufbewahrt gewesen), zerreibt sie in einem steinernen Mörser so fein als möglich und mischt 2 Unzen Theriak, l-j Unze Baldrianwurzelpulver, nebst so viel Honig dazu dass eine Latwerge daraus wird, von der man einem vom tollen Hunde gebissenen Pferde und Rinde tiiglich einmal 3 Quentchen, Schafen, Schweinen, Hunden und dergl. 1 Quentchen giebt und damit fortfährt, bis sich Reizung der Harnorgane zeigt; nun wird das Mittel, bis diese Reizung vorüber ist, ausgesetzt und dann wieder fortgebraucht, und so bis zum 40sten Tage fortgefah­ren. — Die zweckraässige Behandlung der Bisswimden (Reinigung derselben, Aetzen mit Kali canst., Unterhaltung der Eiterung durch 6 Wochen) darf dabei nicht unterbleiben.
Zum äusserlichen Gebrauch benutzt man die Maiwürmer am besten in einer Salbe, welche bereitet wird, indem man eine Quan­tität dieser Insekten mit eben so viel frischgeschmolzenem Schwei­nefett zusammenreibt, und das Gemenge durch einige Stunden in der Wärme stehen lässt.
1
) Deshalb su genamil, weil Friedrich iler Grosse es von dem Besitzer des Millels erkaufen und zum Bllgemeinen Besten ünenllich be-kaiini machen liess.
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,lt; Ameisen, Formicalaquo;.
sect;. 385.
Ihr wirksamer Bestaiullheil isi ein eigeiitbümlicber scharfer Ptoff, der mit einer, der Essigsäure ähnlichen Säure verbunden ist, und durch welcheu sie sowohl liei innerlicher wie äusserlicher An­wendung reizend, aber nicht blaseuziefaeud wirken. — Durch Aus­pressen der Ameisen erhält man einen bräunlichen Saft, in welchem jener scharfe Stoff zum grüssten Theil enthalten ist.
Giebt man einem ausgewachsenen Pferde 2 Loth dieses Amei-sensaftes mit 1 Pfund Wasser verdünnt auf einmal, so bemerkt man eine Viertelstunde darauf Unruhe des Pferdes, vollen, etwas vermehrten Puls, vermehrte Wärme am ganzen Körper, angestreng­teres Athmen; das Thier sieht manchmal nach den Flanken und stampft mit den Fiissen. Nach 1 Stunde sind alle diese Erschei­nungen wieder verschwunden, das Pferd ist vollkommen ruhig, setzt Harn ab, und verzehrt das ihm gereichte Futter mit dem grössten Appetit. — Ganz ähnlich wirkt die nämliche Gabe bei einem aus gewachsenen Ochsen (Rysz, Arzneimittellehre S. 22).
Man (besonders Vitet und Rysz) hat die Ameisen innerlich als reizendes, nervenstärkendes, krampfstillendes, schweiss- und urintreibendes Mittel gegen alle Krankheiten empfohlen, welche aus Schwäche und Reizlosigkeit, und von Stockungen in den Einge-weiden eutstandeu sind, uameutlich gegen Nervenfieber, Lähmun­gen, Starrkrampf, Wassersucht, Fäule und Egelkraukheii der Schaf' und dergl.
Aeusscrlich sind sie gleichfalls als reizendes, stärkendes und zertheilendes Mittel gegen Lähmungen, kalte Geschwülste, gegen ridematöse Anschwellungen, und gegen das Schwinden der Theile recht- wirksam.
Die innerliche Anwendung ist jetzt fast ganz in Vergessenheit ge­kommen. Man kann hierzu die Ameisen entweder a) frisch zerquetscht, oder b) getrocknet und pnlverisirt, oder c) den ausgepressten Saft, oder d) den Ameisenspiritus benutzen. — Von den frischen Ameisen nimmt man für Pferde und Rinder eine starke Hand voll (gegen 1^ Unze), für Schafe ^ Unze, für Hunde 1 Skrupel bis 1 Drachme, zerreibt sie in einem Mörser, versetzt sie mit aromatischen und andern passenden Mitteln, und wendet sie als Latwerge oder in flüssiger Form täglich 3 bis 4 mal an. — Um die Ameisen pulverisireu zu können, lässt man sie zuerst in einem feuchten Sacke in einem Backofen bei massiger Hitze trocknen, worauf mau sie im Mörser zerstösst. Sie lassen sich in einem gut verschlossenen Gefäss leicht
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aufbewahren. Nach Vitet's Vorschrift soll mau von iliuen den Ochsen und Pferden 3 Unzen bis zu einem halben Pfd., den Scha­fen 2 bis 4 Unzen, mit Hafer, mit Salz oder mit Kleien gemengt geben. — Der ausgepresste Ameisensaft ist zum Aufbewahren nicht gut geeignet, weil er leicht in Gährung übergeht; Rysz em­pfiehlt ihn für Pferde zu 1 Loth bis (i Drachmen und für Binder zu 2 bis 3 Loth. Der Ameisenspiritus {Spiritus Formirarum), bereitet durch Destillation oder durch blosses Digeriren von 2 Tbei-len Arischer Ameisen mit 4 Theilen Weingeistes und eben so viel Wasser, ist ein flüchtig reizendes, sehr wirksames Mittel, welches man Pferden und Rindern bei den vorhin genannten Krankheiten zu t—3 Unzen, Schafen und Schweinen zu 3 Drachmen bis 1 Unze, Bunden zu 1 Skrupel bis 2 Drachmen in Verbindung mit aroma­tischen Mitteln giebt.
Aeusserlich kann man entweder den Ameisenspiritus zum Wa­schen und Einreiben benutzen, oder man nimmt die Ameisen sanunt ihren Haufen (um zugleich die sogenannten Eier, d. i. die Puppen, zu erhalten), bringt sie in einen Eimer oder Kübel, übergiesst sie mit kochendem Wasser, bedeckt das Gefass so lange bis die Flüs­sigkeit lauwarm ist, und gebraucht sie nun als Bad oder zu Bä­hungen. Durch Zusatz von zerquetschten Wachhnlderbeeren und andern aromatischen Mitteln, liisst sich die Wirksamkeit eines sol­chen Aufgusses noch sehr verstärken.
1, Gauchheilkraul (rother Gauchheil, Hühnerdarm, rothe Miere), Uerba Anagaüidis.
% 386. Diese kleine Pflanze lässt kaum durch ihren schwachen, bitter­lich-scharfen Geschmack einen scharfen Stoff vermutheu, verursachi aber dennoch bei der Einwirkung auf den Thierkiirper ähnliche Wirkungen, wie die übrigen scharfen Mittel, und in grossen Gaben angewendet selbst den Tod. Im getrockneten Zustande wirkt sie heftiger als im frischen. Grognicr sah von einem conzentrirten Absud, und eben so von massig grossen Gaben des getrockneten Krautes bei Pferden fast jedesmal Zittern der Muskeln an den hin­tern Gliedmaassen, krampfhafte Zusammeuziehungen des Halses, und vermehrtes Uriniren erfolgen, und nach sehr grossen Gaben trat der Tod sicherer ein, als von Schierling und von andern Pflan­zengiften. Bei der Sektion fand sich die Schleimhaut des Magens entzündet. (Compte rendu des travaux de la Soc. de med. de Lyon. 1810. pag. 16., und Annal. d'Agricull. fran^. Tom 4(1. u. 44.). — Ein kräftiger Hund zeigte von 3 Drachmen des Extraktes nach
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Hl Stunden Mattigkeit, nach 15 Stunden verminderte Empfindlich­keit, nach 22 Stunden völlige Unempfindlichkeit und eine halbe Stunde später erfolgte der Tod. —#9632; 2 Drachmen dieses Extrakies auf das Schenkelzellgewebe eines kleinen Hundes applicirt, bewirk­ten den Tod unter denselben Zufallen binnen 11 .Stunden (Orfilai Toxikol. 2 Bd. S. 356.).
Der Gauchheil wird jetzt fast gar nicht therapeutisch benutzt, und verdient nur des grossen Rufes wegen, den er als Speziflcum gegen die Wasserscheu ehemals erhalten hatte, erwähnt zu werden. Unter den Thierärzteu wurde er besonders von Bourgelat und von Chahert sehr empfohlen (Almanac, veter. 1782, pag. 129.). Man gab das Pulver für Pferde und Rindvieh zu 1 bis 2 Drachmen (passender zu J- Unze), für Schafe und Schweine die Hälfte, fi.r Hunde den vierten Theil davon, täglich 1 bis 2 mal und durch wenigstens lt;quot;gt; Tage; es wurde mit etwas Salz und rohem Alaun gemengt, auf Brot gestreuet, oder auch in einem Infusum den Thieren eingegeben. Mit dem infusum sollte zugleich die vorher gebrannte Bissmmdc oft wiederholt ausgewaschen werden.
Das Mittel war auch gegen die Drehkrankheit der Schafe und gegen Wassersucht empfohlen, hat sich aber gegen diese Krank­heiten eben so wenig wie gegen die Wuth bewährt.
5. Gnadenkraut, Gottes-Gnadenkraut, Purgirkraut, Erd­galle, wilder Aurin, Herha Grallolae,
sect;. 387. Das Kraut und die Wurzel dieser Pflanze enthalten einen bitter-gcharfen Stoff (wahrscheinlich scharfes Harz), vermöge dessen sie beide stark reizend wirken, und besonders den Magen und Darm­kanal afflziren. —#9632; Wenn Pferde von diesem Kraut auf Wiesen oder im Heu viel fressen, so purgiren sie darnach anhaltend und werden sehr mager. Das Hornvieh, rührt die Pflanze gewöhnlich nicht an, purgirt aber ebenfalls, wenn man ihm 2 bis 3 Unzen des trockenen Krautes eingiebt. Bei Hunden und Schweinen ver­ursacht das trockene Kraut in der Gabe von -j bis 1 ganzen Drachme Erbrechen und gelindes Purgiren, in giösseren Gaben heftiges Er­brechen, zuweilen mit Ausleerung blutiger Stoffe, dann Magen- und Darmentzündung und den Tod. — Orfila gab einem Hunde 3i Drachmen des Extraktes; der Tod trat nach 24 Stunden, bei einem andern Hunde von 3 Drachmen des Extraktes aber schon nach 12 Stunden ein, und bei der Anwendung derselben Quantität auf eine Wunde am Schenkel starb ein Hund nach 23 Stunden. — 20 Gran des Extraktes in 5 Drachmen Wasser gelöst und in die
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Drosselvene eines Hundes gespritzt, erregten nach 6 Minuten An­strengung zum Erbrechen und nach 28 Minuten 2 Darmausleerun-gen. Das Thier erholte sich am folgenden Tage. — 28 Gran in 4 Drachmen Wassers gelöst und auf dieselbe Weise angewendet, bewirkten nach einer Stunde eine Darmentleerung, Schwindel, Un empfindlichkeit und nach 2 Stunden den Tod.
Die Gratiola ist in kleinen Gaben als ein schleimauflösendes, urin- und wurmtreibendes Mittel, in grossei: Gaben aber als Pur-gir- und Brechmittel, — gegen schlechte Verdauung, Verschleimung, Würmer, Gelbsucht, Wassersucht, veraltete Druse, und gegen die Braune der Schweine empfohlen. Sie wird jedoch nur von weni­gen Thierärzten und nur selten augewendet, obgleich sie als in­ländisches und sehr kräftiges Mittel häufiger versucht zu werden verdiente.
x\ls auflösendes und urintreibendes Mittel kann man das trok-kene Kraut und die Wurzel für Pferde und Rindvieh zu 2 Drach­men bis i Unze, für Schafe und Schweine zu 1 bis 2 Skrupel, für Hunde zu 5 bis 10 Gran, täglich 2 mal, — als Purgir- oder Brech­mittel aber in der 4 bis Gfachen Menge geben. Vom frischen Kraute kann die Gabe um die Hälfte stärker sein.
Die Anwendung (namentlich grosser Gaben) geschieht am be­sten im Dekokt, und Schweinen giebt man das Pulver in Butter­milch oder in saure Milch gerührt.
In unreinen, torpiden Geschwüren erregt das Mittel stärkere Thätigkeit, und kann daher in dieselben als Pulver eingestreuet oder als Dekokt zum Waschen benutzt werden.
6. Schöllkraut-Blätter und Wurzel, Hnhn et Radix
Chelidunii maioris.
sect;. 388. Der scharfe StufF dieser Pflanze ist nur in ihrem frischen Zu­stande vorhanden, und vorzüglich an den gelben Milchsafl gebun­den; getrocknet besitzt sie blos einen gelinden Bitterstoff. Daher sind auch die Wirkungen des frischen und getrockneten Schöll­krautes sehr verschieden von einander. — Pferde, Rindvieh und Schafe ertragen dasselbe auch im frischen Zustande in ziemlicher Menge; von den letzten sah ich oft, dass sie 3 bis 5 Hand voll des Krautes mit Appetit und ohne Nachtheil, überhaupt ohne be­merkbar eintretende Wirkung verzehrten; den ersteren aber gab ich es bis zu einem Pfunde, und sah blos vermehrtes Uriniren darnach erfolgen. Bei Hunden sind jedoch die Wirkungen sehr heftig; Or­fila brachte in den Magen eines schwächlichen Hundes 3 Drach-
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men wässeriges Extrakt, wodurch nach (i Minuten starker Reiz zum Erbrechen, nach 4 Stunden sehr verminderte Sensibilität, ver­mindertes BewegungsvermögeD, Verlust des Gesichts und des Ge­hörs und der Tod herbeigeführt wurden. — 4 Unzen des aus den Blättern gepressten Saftes wirkten eben so und verursachten nach 10 Stunden den Tod. — Von 2 Drachmen des Extraktes in Was­ser gelöst und in eine Wunde am Schenkel eines Hundes gebracht, wurde derselbe nach 15 Stunden ganz gefühllos und starb bald darauf. Die Wunde war sehr entzündet, geschwollen und mit Blut und Serum infiltrirt.
In massigen Gaben innerlich angewendet wirkt das frische #9632;Schöllkraut und seine Wurzel reizend, auflösend, urintreibend, und ist daher gegen Gelbsucht, Wassersucht, schlechte Ernährung, Drü-senverhärtungen und veraltetes Blutharnen empfohlen. Das trok-kene Schöllkraut wirkt dagegen fast gar nicht reizend, sondern gelind tonisch, wie ein gclind bitteres Mittel; es ist aber in diesem Zustande durch kräftiger wirkende Mittel zu ersetzen und ganz entbehrlich.
Den grasfressenden Thieren kann man das frische Kraut unter das Futter geben, und zwar Pferden und Rindern jedesmal gegen 1 Pfd., Schafen gegen -j Pfd., Schweinen gt;—| Pfd.; — oder man giebt den ausgepressten Saft Pferden zu 2 bis 4 Unzen, Rindvieh 3 bis 6 Unzen, Schafen 2 bis 3 Unzen, Schweinen 1 bis 2 Unzen und Hunden 2 Drachmen bis 4 Unze, täglich 1 bis 2 mal.
Der Saft kann mit bittern und andern passenden Mitteln in Latwergen, in Pillen oder auch verdünnt mit einem aromatischen fnfusum, in llüssiger Form angewendet werden.
Aeusserlich wirkt das Schöllkraut bei Verhärtungen, chroni­schen Entzündungen, bei Hautausschlägen, und bei atonischen Ge­schwüren reizend, die Resorption und die Zertheiluug befördernd, und kann daher zu Breiumschlägen, oder auch infundirt oder ge­lind gekocht zum Waschen und Bähen benutzt werden, wie es eben der Krankheitszustand erfordert. (Kersting's Waschwasser gegen die Räude oder den Grind, siehe unter Grindwurzel, S. 213.) Gegen Warzen der Pferde habe ich den Schöllkrautsaft stets ohne Erfolg angewendet.
7. Sennesblätter, Folia Scunae.
sect;. 389. Als ihren hauptsächlich wirksamen Bestandtheil betrachtet man einen eigenthümlichen, in Wasser und Weingeist auflöslichen, har­zigen Extraktivstotf, den die Chemiker Sennastoff oder auch
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Cathartin geuaimt haben. Derselbe ist nicht in allen Arten der Sennesblätter gleichmiissig vorhanden und das Mittel ist, wie es scheint, deshalb nicht immer von gleicher Wirksamkeit.
Für den Menschen und für die kleinen Hausthiere sind die Sennesblätter ein ziemlich kriiftiges, reizendes Pnrgirmittel, für die grossen Hausthiere aber nicht. Vitet behauptet zwar (a. a. 0. S. 160.), dass Schafe von dem Aufguss auf 1 bis 2-1 Unzen, Pferde und Ochsen aber von 1| bis zu 3, zuweilen auch erst von 4 Un­zen laxireu; allein J. Whithe *) gab Pferden ein Infusum von 3 Unzen der Blätter mit 4 Unzen Glaubersalz versetzt, auf einmal, ohne dass hiernach die mindeste Affektion des Darmkanals zu be­merken war. Bei einer 7jährigenKuh sähe Gilbertquot;) nach dem Eingeben eines Seuna-Iufusums, das von 4 Unzen der Blätter be­reitet und noch mit li Unzen Aloe versetzt war, nicht die geringste Veränderung erfolgen; das Thier fuhr fort zu fressen und zu sau­fen wie gewöhnlich. Bei einem 3jährigen Schaf erfolgte von 4 Un­zen Seunesbläter mit 1 Pfund Wasser eingegeben, kein Purgiren, aber nach 14 Tagen der Tod. Dit Labmagen und die Gedärme waren heftig entzündet. — Bei Schweinen wirken, nach Viborg's Angaben'**) und nach meinen eigenen Versuchen, 4 Drachmen Sennesblätter als abführendes Mittel, ohne dass widrige Zufälle da­von entstehen; bei Hunden tritt die abfuhrende Wirkung von 1 bis 4 Drachmen und bei Kat7.cn von i bis 2 Drachmen der Blät­ter ein.
Drei Unzen einer Abkochui
2 Drachmen der Blätter in
die Vene eines starken Hundes gespritzt, verursachten erst nach Verlauf einer Stunde geschwindere Respiration, Kollern im Leibe, heftige Anstrengung zum Erbrechen, Ausbrechen vieler Galle (bin­nen 1| Stunde 4 mal), Mattigkeit und Verlust des Appetits. Am dritten Tage kehrte Esslust und die vorige Munterkeit wieder zurück. -]-)
Von der Anwendung der Sennesblätter als Pnrgirmittel für Pferde und Wiederkäuer kann, nach den oben erwähnten Wirkun­gen des Mittels hei diesen Thieren, keine Rede sein; dagegen kann sie bei Schweinen, Hunden und Katzen mit gutern Erfolge gegen diejenige Verstopfung des Leibes stattfinden, welche in Erschlaf-
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) Treatise on veler. mcd. Vol. II
p.
deutsch von M iil I er
438. #9632;') Annal. d'agricuU. frani,'. Tom. III. p. 333. etc. ***) Anleitung z. Erzleb, u. Benutzung iles Schweines. S ',) Scheele, die Traiir-fnsion des Rlules. Tb. I. 3. lt;91.
SO.
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fung und Reizlosigkeit des Darmkanals begründet ist. und die bei verschiedenen Kcaukheiteu vorkommt.
Man giebt die Sennesblätter für diese Thiere in den oben be­zeichneten Gaben, entweder gepulvert und mit Honig oder Syrup zur Pille gemacht, oder noch besser in einem, mit heissem Wasser bereitetem, Infusum. Es ist fast zur Gewohnheit geworden, die Sennesblätter mit andern Purgir- oder Laxinnitteln zu versetzen, weil man glaubt, hierdurch die purgirende Wirkung der erstem zu vermehren, zugleich aber weniger reizend zu machen. Dela­bere Blaine empfiehlt z. B. fur einen kleinen Hund folgende Zu­sammensetzung: Sennesblätter, Manna, von jedem -j Quentchen, mit 2 bis 3 Unzen kochendem Wasser übergössen, nach dem Er­kalten und A.bgiessen in der Flüssigkeit 1 Skrupel englisches Salz aulgelöst und dieselbe auf einmal zu geben. Bei Entzündungs-krankheitm sind die Sennesblätter schädlich, und im Ganzen be­trachtet, sind sie entbehrlich.
8. Wohlverleih - Blumen, Wurzel und Blätter, Flores, Hadi.r et Herba ylrniiae,
g. 3911.
Die genannten Theile der Wohlverleibpflanze zeigen sowohl hin­sichtlich ihrer chemischen Bestandtheile, wie auch hinsichtlich ihrer Wirkung einige Verschiedenheit von einander.
Die Arnikablumen enthalten als wesentlichsten Bestandtheil einen sogenannten scharfen Seifenstoff (kratzenden Extraktiv-stotf) in Verbindung mit scharfem Harz, mit Salzen und mit einem kleinen Antheil von ätherischem Oel. — In der Wurzel ist adstrin-girender Seifenstoff vorherrschend (gegen % des Ganzen), aber ebenfalls mit scharfem Harz, und mit etwas ätherischem Oel ver­bunden; doch sind letztere beide Bestandtheile in geringerer Menge vorhanden, als in den Blumen. — Das Kraut verhält sich der Wur­zel ähnlich, seine wirksamen Bestandtheile sind aber in noch ge ringerer Menge vorhanden.
Die Wirkung auf den thierischen Organismus erscheint zwar bei den einzelnen Theilen der Arnika übereinstimmend als eine ei-genthümliche Reizung, welche vorzüglich die Verdauungs- und Re­spirationsorgane und deren Nerven betrifft; allein bei den Arnika­blumen tritt diese Wirkung schneller ein und verbreitet sich (ähn­lich wie von den aromatischen Mitteln) über die bezeichneten Or­gane hinaus, auf das ganze Gefäss- und Nervensystem, daher auch auf das Rückenmark und selbst auf das Gehirn, — obgleich sie am letztern verhältnissmässig am wenigsten, an den
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Verdainiugseingeweiden und an den Respirationsorganen aber stets am meisten sichtbar wird. Dagegen ist die reizende Wirkung der Amikawurzel fast allein auf die Hcproduktionsorgane beschränkt, veniger flüchtig in der Entwickelung, zugleich aber mehr tonisch, und in dieser Beziehung ähnlich den adstringirenden Mittein. — Die Wirkungen des Wohlverleihkrautes nähern sich denen der Blu­men, sind aber sehr viel schwächer als die der letzteren.
g. 391.
a) Die Erscheinungen nach dem Eingeben von 1 bis 3 Unzen der Amikablumen sind bei gesunden Pferden mehrentheils unbe­deutend und bestehen in etwas erhöhter Temperatur an der Haut und im Maule, in einer geringen Vermehrung der Pulse, in etwas vermehrter Speichelabsonderung und reichlicherer Urinentleerung; zuweilen findet sich auch Zittern der Muskeln, Aussetzen des Pul­ses, Poltern im Leibe hinzu. Die Wirkung wird 10 bis 15 Minu­ten nach dem Eingeben bemerkbar, und dauert 2 bis 4 Stunden; die Thiere behalten dabei ihr munteres Ansehen, fressen und sau­fen wie vorher. — Nach einer Gabe von 1 Unzen bis zu 1 Pfund dieser Blumen treten dieselben Zufälle ein, jedoch im stärkern Grade; das Haar wird gesträubt, der Puls voll und vermehrt; die Thiere zittern stark, gähnen oft, manche speicheln aus dem Maule, be­kommen auch etwas Ausfluss aus der Nase, entleeren öfters als gewöhnlich Koth und Urin, und sehen sich zuweilen nach dem Leibe um; das Athmen wird auch oft, aber nicht immer, etwas beschleunigter; zuletzt erscheinen die Pferde matt. Diese Wirkung dauert gegen (1 bis 8 Stunden. Ich gab einem gesunden Pferde, und eben so einer Kuh auf einmal 2 Pfund Arnikablumen im In #9632; fusum und sähe nur dieselben Erscheinungen. Viborg bemerkte*), dass bei dämpfigen Pferden das Athmen nach dem Eingeben der Arnika sehr beschleunigt und angestrengt wurde; ich kann dies aus mehreren Versuchen bestätigen. — Bei Hunden sind die Er­scheinungen nach einer Gabe von | bis 1 Drachme dieses Mittels ähnlich wie bei Pferden von 1 bis 3 Unzen; von grössern Gaben tritt aber fast immer Erbrechen ein.
Weit kräftiger, und sogar ausgezeichnet heftig wirkt die Ar­nika, wenn sie als Infusum oder als Tinktur in die Venen gespritzt wird. Viborgquot;) machte hierüber die ersten Versuche, und be­nutzte dabei ein Infusum, welches aus 1 Drachme Arnikablumen mit 2 Unzen Wasser, durch zwölfstündiges Digeriren bei 60 Gml Wärme (Reaum.) bereitet war, — oder eine aus 2 Drachmen Ar-
*) Samml. v. Abhandl. 4. lid. S. 107 u. f. 4ter bis 7ter Versucl), '*) Ebendaselbst S. 116 u. f.
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nikablumen rait 3-| Unzen Branntwein, ebenfalls durch Digestion bereitete Tinktur. — Eine Drachme des Infiisums, mit 2 Unzen Wasser verdünnt in die Dmsselvene eines alten, magern Pferdes gespritzt, verursachte gleich darauf etwas schnelleren Puls; das Pferd sah sich zuweilen nach dem Leihe um, kauete, und bekam ein feuchteres Maul, nach lü Minuten Fieberzufalle, starkes Zit­tern, Sträuben der Haare, Aufheben bald des einen, bald des an­dern Hinterbeines, etwas beschwerliches Athmen; der Puls wurde voller, buch aber nicht so schnell als vorher. Darauf erschien das Pferd träge und matt, stand mit herabhängendem Kopfe und halb-geschlossenen Augen und konnte sich kaum auf den Beinen er­halten; nach etwa einer Stunde seit Anfang des Versuchs, fiel es um und streckte die Beine nach vorn und hinten aus; es konnte nicht aufstehen, sondern blieb matt und betäubt, mit allen Vieren gestreckt liegen und war gegen Nadelstiche ganz unempßndllch (ausgenommen im Nacken); die Zunge hing schlaff aus dem Maule, die Lippen waren ohne Muskelkraft, und die Beine behielten die Stellung, die man ihnen gab; die Augen matt, doch ohne Verän­derung der Pupille; das Athmen langsam, beschwerlich, der Puls unmerklich, der Herzschlag nicht fühlbar. Nach einer Dauer von 15 Minuten verschwanden diese Zufälle so weit, dass das Pferd aufstehen konnte; es blieb aber noch Schwindel und tau­melnder Gang, und mühsame Bewegung der Beine zurück. Entlee­rungen waren bisher nicht erfolgt. Fresslust zeigte sich sogleich, als das Thier sein Bewusstsein wieder erhalten hatte. Zwei Stun­den nach gemachter Einspritzung bemerkte man keine Wirkung mehr von derselben.
Bei andern Pferden war gleich nach der Einspritzung von 2 Drachmen bis l Unze des Aufgusses (und eben so der Tinktur) eine vermehrte Munterkeit zu bemerken, die jedoch nur kurze Zeit dauerte, und worauf die angegebenen Zufälle eintraten. Die Stärke und Dauer der letztern war sehr verschieden und nicht immer im Verhältniss zur Grüsse der Gabe; denn einzelne Pferde starben un­ter krampfhaften Zufallen von 2 bis 4 Drachmen des verdünnten Aufgusses, in Zeit von wenigen Minuten, während andere fi bis 5gt; Drachmen ohne lebensgefährliche Zufälle ertrugen. Besonders wurde bei dämpfigen Pferden das Athmen sehr beschwerlich und vermehrt (zuweilen durch 24 Stunden anhaltend), und bei rotzigen wurde stets die Absonderung der Schleimhäute verstärkt. Verän­derungen am Blute sind dabei nicht zu bemerken; aber es gerinnt schneller und bildet dabei eine dünnere Speckhaut — Einzelne Pferde sah ich stark aus dem Maule schäumen, andere ganz steif in den Gliedern werden.— Bei Kühen entstehen nach der Injektion Ilortirlg Arzneimittellehre.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;2(gt;
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von 1 bis 2 Drachmen und bei Schafen von G bis 10 Gran des verdünnten Aufgusses Rann ähnliche Wirkungen wie bei Pferden. Bei Hunden findet sich aber (von li bis 10 Grran) noch ausserdem Erbrechen, und von | Drachme bis 2 Skrupel erfolgt gewöhnlich der Tod.
In den Kadavern findet man die (Masse der Bauch- und Brust eingeweide, des Gehirns und Rückenmarks strotzend voll von Blut, ohne sonstige organische Veränderungen.
Bei der Anwendung auf die äussere Haut wirkt die Aniika stark erregend, die Resorption und die Zerreibung extravasirter bliissigkeiten und torpider Geschwülste befördernd.
g. 392.
Dass die Arnikabluinen zu den kräftigsten Reizmitteln gehö­ren, ist zwar allgemein anerkannt; ihre Anwendung ist aber nicht immer mit Berücksichtigung der reizenden Eigenschaften gesche­hen. Wirklich angezeigt erscheint dieselbe nur da: wo fcorpide Asthenie, mit sehr gesunkener Thätigkeit der Nerven und Blutgefässe besteht; wo der Puls klein, weich, leicht zu unterdrücken, die Respiration langsam oder etwas beschwerlich, die Temperatur ungleich verbreitet und das Auge matt ist, wo die Schleimhäute schmierig, die Kräfte sehr gesunken, und Zufälle von örtlicher oder allgemeiner Lähmung zugegen sind. Dagegen ist das Mittel überall schädlich, wo erhöhte Heizbarkeit, grosse Em­pfindlichkeit und Congestionen zu innern Organen bestehen. — Man wendet es daher mit Nutzen an, innerlich; bei torpiden Ner­ven- und Faulfiebern; — bei Lähmungen, und zwar sowohl bei solchen, die ohne Fieber, als auch bei denen, die mit Fieber be­stehen, wenn dieses nur den Charakter der Schwäche an sich trägt und wenn das üebel nicht in einer mechanischen Verletzung des Rückenmarks oder der Nerven begründet ist; ferner bei Krämpfen, bei dem Dummkoller der Pferde, bei veralteter Druse mit starkem Schleimfluss, und überhaupt bei veraltetem Katarrh; bei Durchfall, wenn derselbe in Erschlaflung und Reizlosigkeit des Darmkanals begründet ist; bei veraltetem Rheumatismus, und besonders, wenn die Thiere in Folge desselben einen gespannten Gang behalten. Auch bei akutem Rheumatismus habe ich von der Arnika guten Erfolg gesehen; bei hohen Graden desselben licss ich Jedoch vorher durch Aderlässe die Intensität des Uebels mindern, und immer Hess ich andere Diaphoretica (Fliederblumen, Tart. sfibiatu.i. Opium oder Opiumtinktur) damit verbinden. Vorzüglich hat man jedoch die Arnika bei asthenischen Entzündungen (besonders bei den so­genannten bösartigen Lungenentzündungen), wie auch bei heftigen Quetschungen, und davon entstandenen Erschütterungen und Blut-
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aiistretimgen häufig angewendet, hierbei aber oft mehr geschadet als genutzt, indem die Anwendung geschähe, wenn auch der oben bezeichnete torpide Charakter entweder nicht zugegen, oder auch schon wieder beseitigt war, und daher die fernere Reizung nur nachtheilig sein konnte.
Aeusserlich werden die Arnikablnmen (und die aus ihr berei­tete Tinktur) bei Quetschungen, Stockungen, Blutextravasaten, öde-matüsen Anschwellungen, Verdickungen des Zellgewebes, torpiden Wunden, bei asthenischen, torpiden Entzündungen, nach Verren­kungen und Verstauchungen und dergi. Zufällen benutzt. Das Mittel wirkt schnell und kräftig zertheilend, und verdient ausser-dem noch wegen seiner Wohlfeilheit, und weil man sich die Tink­tur sehr leicht selbst bereiten kann, die Beachtung der Thierärzte recht sehr.
g. 393.
Die Gabe ist für Pferde und Rinder von i bis 2 Unzen, für Schafe und Schweine 2 Drachmen bis -j Unze, für Hunde 5 Grau bis 1 Skrupel, — alle 2 bis 3 Stunden, bei gefährlichen Zuständen auch alle Stunden wiederholt. — Die innerliche Anwendung ge­schieht am besten in einem Aufguss mit heissem Wasser (von letz­terem 1 Pfund zu 1 Unze der Blumen), weniger zweckmässig in Latwergen und am wenigsten in Pillen. Nach Erfordern der Um­stände setzt man Kampher, Weingeist, Terpentinöl, aromatische Mittel und dergi. hinzu.
Aeusserlich werden die Blumen ebenfalls am besten im Auf­guss (1 Unze zu 12 Unzen kochenden Wassers), zum Waschen und Bähen der kranken Theile, zuweilen aber auch als Breiumschlag angewendet, und zu dem Aufguss zuweilen, je nach den Krauk-heitszufällen, etwas Essig, oder Weingeist, Potasche oder Salmiak zugesetzt. Die Tinktur zum äusserlichen Gebrauch bereitet man aus 1 Theil Arnikablnmen mit 12 Theilen rektifizirtem Weingeist, durch 8 Tage dauerndes Digeriren. Man nimmt davon | Unze zu 12 Unzen Wasser und wäscht damit die leidenden Theile alle 1 bis 2 Stunden einmal.
Die Injektion in die Venen kann bei ähnlichen Krankheitszu ständen, wo der innerliche Gebrauch der Arnika angezeigt ist, statt­finden. Viborg hat sie namentlich gegen Rheumatismen und Läh mungen versucht, und ich habe sie in mehreren Fällen gegen Dummkoller, wenn derselbe mit grossein Torpor bestand, mit gu­tem Erfolge angewendet. Man kann zu. dieser Anwendung die oben (Sj. 391.) bezeichnete Tinktur oder den wässerigen Aufguss für Pferde u. Rinder in Gaben von i Drachme bis | Unze, für Schafe (j Tropfen mit oder ohne Verdünnung durch Wasser, gebrauchen. Es
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ist aber dabei grosslaquo; Vorsicht nöthig, und besonders dürfen die grösseren Gaben mir dann angewendet werden, wenn die Ein­spritzung kleinerer Quantitäten mit zu geringein Erfolge schon versucht worden ist.
sect;. 394.
b)nbsp; Die Arnikawurzel wirkt bei innerlicher Anwendung (wiche reits im sect;. 390. angedeutet), tonisch und erregend, vorzüglich auf die Verdauungscingeweide, aber viel weniger allgemein erregend als die Blumen. Bei Injektionen eines, von der Wurzel bereiteten, wässerigen Aufgusses oder einer weingeistigen Tinktur treten aber ganz dieselben Erscheinungen ein, wie sie von Injektionen des Aufgusses der Arnikablumen entstehen.
Man benutzt die Arnikawurzel innerlich als stärkendes, zu­sammenziehendes und erregendes Mittel bei solchen Krankheiten, bei denen Schwäche, Erschlaffung, Reizlosigkeit und zu sehr ver­mehrte Ab- und Aussonderungen und Neigung zur Zersetzung der Säfte, den wesentlichen Zustand bilden, wie namentlich bei ner­vösen, fauligen und gastrischen Fiebern mit dem Charakter der Atonie. bei schlechter Verdauung und bei chronischem Durchfall aus torpider Schwäche der Eingeweide, bei dem feuchten, schlei­migen Dampf, bei veralteter Druse und dergl. — Aeusserlich pflegt man die Wurzel nicht zu benutzen, sie kann aber ähnlich wie die Blumen angewendet werden; und namentlich hat Böhm in Hohen-heim die aus ihr bereitete Tinktur (I Unze der Wurzel mit J 2 Un­zen rektifizirtem Weingeist, durch 8 Tage fortgesetztes Digeriren) gegen dieselben äusserlichen Uebel, hei welchen die Arnikahlumen-Tinktur gebraucht wird, und eben so wie diese angewendet (sect;. 393.), als ein vortreffliches Heilmittel nachgewiesen (Hering, Repertor. Bd. 1. S. 61.).
Gabe und Anwendung ist wie hei den Blumen; doch eignet sich die Wurzel auch recht gut zur Anwendung in Pillen und Lat­wergen, und die Wiederholung der einzelnen Gaben kann nach grössern Zwischenzeiten geschehen, als bei den Arnikablumen.
sect;. 395.
c)nbsp; Das Arnikakraut wirkt viel schwächer als die Blumen, und ist deshalb fast ganz aus dem Gebrauch gekommen. Soll es im Nothfall statt der Blumen innerlich angewedet werden, so muss die Gabe wenigstens noch einmal so gross wie von diesen sein. Die Pflanze soll von den Schafen sehr gern gefressen, von Rind­vieh aber nicht angerührt werden (Linn, flor. Suec. p. 295.).
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9, Brechwurzel, Ruhrwurzel, Radix Ipecacuaiihae.
sect;. 396.
Sie enthält ausser Gummi, Wachs und Stärkemehl eine eigeu-(luimliche alkalinische Substanz, welche Emetin genannt wurden ist, weil sie bei Menschen, so wie bei Thieren, die sich erbrechen können, selbst in sehr kleinen Graben (zu | Gran) starkes Erbrechen bewirkt. In grossen Gaben (d. h. zu fi bis 1(1 Gran, und von dem gereinigten schon zu 2 bis 3 Gran bei Hunden) verursacht das Eme­tin auch Entzündung der Schleimhaut des Magens, des ganzen Darmkanals und in den Lungen, und hierdurch den Tod.
Die Brechwurzel selbst, in gehörig starken Gaben, d. i. bei Schweinen und Hunden zu 12 bis 40 Gran, bei Katzen zu ö bis 10 Gran innerlich angewendet, verursacht leicht Erbrechen, mit al­len Erscheinungen und Folgen, die mit demselben gewöhnlich ver­bunden sind (sect;. Gö.). Bei Pferden entsteht, Vitet's Versuchen zufolge, *) nach einer Gabe von 1 bis li Unzen dieser Wurzel eine massige Spannung der Bauchmuskeln, Flankeuschlagen, schnellerer Puls, Unruhe, aber keine Neigung zum Erbrechen. Nach 4 bis ö Stunden verschwinden diese Zufälle wieder. — Aber zu 3 Un­zen gegeben beunruhigt die Brechwurzel das Pferd sehr; es wirft sich nieder, stöhnt, schlägt mit den Flanken und bekommt Zuckun­gen. Zuletzt findet sich Purgiren, aber nicht so stark, wie von der Aloe. Wenn es unter den Zufällen stirbt, so findet man den Ma­gen stark aufgeblähet, am Pförtner entzündet und die Blutgefässe strotzend voll. Bei Ochsen soll die Wurzel ähnliche Zufälle und ausserdem auch Neigung zum Erbrechen verursachen. —Wenn die be­zeichneten Zufälle vorüber sind, geht gewöhnlich der Mist nach quot;24 Stunden etwas trockener und sparsamer ab, als vorher. — Bei Schafen entsteht von | Unze der Wurzel fast dieselbe Wirkung, wie beim Rindvieh.
Von kleinen Gaben dieses Mittels sieht man bei kranken Thie­ren Krämpfe und Zuckungen, krampfhaftes Erbrechen, Ruhr und chronischen Durchfall geheilt werden.
sect;. 397.
Die Brechwurzel wird fast nur bei Schweinen, Hunden und Katzen als Heilmittel angewendet, und zwar gewöhnlich:
a) in grossen Gaben, als Brechmittel in Krankheiten, wo Brech­mittel überhaupt, angezeigt sind, namentlich bei im Magen vor­handenen unverdaulichen oder giftigen Substanzen, bei Anhäufung
quot;) Vitel a. a. 0. S, 138, MO u. 372.
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von Schleim im Magen oder in der Luftrühre und ihren Zweigen in der Lunge, bei röchelndem Husten, hei gastrischem Fieber, bei der Staupe der Hunde, bei im Schlünde sitzenden fremden Korpern, bei asthenischer Bräuue u. s. w.; — oder
b) in kleinen Gaben, sowohl als krampfstillendes wie auch als anhaltendes, stopfendes Mittel bei den vorher (sect;. 396.) angedeute­ten Krankheitszuständen. Sie wird jedoch hierzu mehrentheils nur bei den Thieren von mittlerer und geringerer Grosse benutzt, da ihr Gebrauch bei den grossen Thieren, durch die erforderliche Griisse der Gaben zu theuer, sie auch durch andere Mittel zu er­setzen ist. Selbst als Brechmittel bei Schweinen, Hunden und Kat­zen wird die Ipecacuanha in den meisten Fallen durch den Brech-weiosteiu, den Zinkvitriol, die weisse Nieswurz und die Gratiola ersetzt. Die Brechwurzel verdient vor diesen Mitteln mir dann den Vorzug, wenn man die von ihnen manchmal entstehende zu heftige Reizung und das vom Brechweinstein fast immer zugleich erfol­gende Laxiren vermeiden will.
Als Brechmittel benutzt man sie in den bezeichneten Gaben von 20 bis 30 Gran fur Schweine, 10 Gran bis 2 Skrupel fur Hunde, und 4 bis 12 Gran für Katzen. — Man giebt am besten das Pulver der Wurzel mit | bis 1 Unze lauwarmen Wassers ge­mengt, häufig auch, um ihre Wirkung zu verstärken, mit 2, 3 bis r\ Grau Brechweinstein verbunden.
Als krampfstillendes und anhaltendes Mittel giebt man sie fiir Schweine zu 3 bis 8 Gran, fiir Hunde und Katzen zu i bis 3 Gran, alle 2 bis 1 Stunden einmal. Die Anwendung kann in jeder be­liebigen Form und in Verbindung mit andern passenden Mitteln, besonders mit Opium, mit Kampher, mit Baldrian, Kamillenblumen und dergl. geschehen.
10. Jalapenwurzel, Purgirwurzel, Radix Julapae
s. Giulapae.
sect;. 398.
Ihr wirksamster Bestandtheil ist scharfes Harz, und zwar: Hartharz (7,8 Prozent), und Weichharz (3,2 Prozent), in Ver­bindung mit Gummi, kratzendem Extraktivstoff (17,9 Prozent), mit Stärkemehl, Eiweis, Farbestoff u. a. Stoffen. Das Hartharz {Rhodeoretin oder Jalapin genannt), ist in Alkohol leicht löslich, aber nicht in Aether und in Wasser; das Weiehharz ist im Aether löslich.
Bei den fleischfressenden Thieren bewirkt diese Wurzel, in hin­reichender Gabe angewendet, ziemlich starkes Purgiren, ohne üble
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Zufälle; bei Pfferdeu iiiid Wiederkäuern verhält sich aber die Wir­kung anders. Flörmann *) sabe von h Unze Jalapenwurzel bei einem dreijährigen Pferde, und Vitet'**] von einer ganzen Unze keine merkliche Wirkung: aber 2 Unzen gepulverte Jalape mit 2 Pfund Kleiemvasser gemengt, erregten (nach Vitet) Flankenschia-gen, Unruhe, Kolik, Zuckungen und den Tod. Beim Oeffnen land sich der Magen sehr aulgetrieben und im Innern um den Pförtner entzünder. Ich habe Pferden :i bis 4 Unzen der Wurzel gegeben, darauf Kolik, Verlust des Appetits, gelindes Fieber, kein Purgiren, aber auch nicht den Tod erfolgen sehen. Viborg***) bemerkte bei einem Tjührigeu Wallach nach einer Gabe von 2 Unzen keine andere Wirkung, als dass der Urin gelblich wurde; allein bei der am dritten Tage gemachten Oeffnung des getödteten Thieres lan­den sich der Magen und Diinndarm entzündet und mit wässeriger Feuchtigkeit angefüllt, aber der Dickdarm und die in ihm enthai-tenen Exkremente unverändert. — Derselbe sähe auch von 6 Unzen, und J. White f) sogar von SUnzeu Jalape bei Pferden kein Pur­giren entstehen. Bei dem Hornvieh soll aber, nach Viborg's An­gabe, von 2 Unzen Jalape mit 4 Unzen Glaubersalz, — und bei Schalen (nach Daubenton's Versuchen) ff), von 5 Drachmen blosser Jalape Purgiren erfolgen. Die Wirkung tritt bei den letz torn nach 8 bis 9 Stunden ein, und ist so gelinde, dass sie nichts dabei zu leiden scheinen, und selbst den Appetit, nicht verlieren. Diese Beobachtungen stehen aber mit denen von Vitet und von Gilbert im Widerspruch; Ersterer (a. a. 0.) sähe bei einem jun­gen Schaf von einer Unze Jalape, mit Milch und Salz eingegeben, durch 12 Stunden Auftreibung des Leibes, schnellen Puls und Hitze im Maule entstehen, aber den Mist weder feuchter werden noch häufiger abgehen, und bei Gilbert fff) starb ein Schaf binnen 15 Stunden nach dem Eingeben von 2 Unzen Jalape mit 1 Pfund Wasser. Purgiren war nicht erfolgt. Die Sektion zeigte heftige Enfzündung des zweiten, dritten und vierten Magens.
sect;. 399. Aus dem Vorstehenden ergiebt sich; dass die Jalapenwurzel
*) Viborg, Samml. Bd. 3. S. 182.
**) Vitet, Untemclit, Bd. 5. S. (40.
'quot;) Dessen Samml. lid. 1. S. iTü.
v) Dessen Handbuch der Pferdearzneik. 2. Tii. S. WJ.
ff) In den: Memoires de. la Soc. Royale de Medecin. An. 1780. U. (781.— Üeulseli in den Auserlesenen Beitrügen* zur fhieiaizneik. Leip-zit:, 178G. 1. Stück, S. 181.
tvi) Memoires sur les ett'els des Medieamens dans les animanx iiimi-nans. In den Annal. d'Agricult. franr. 1. Ser. Turn. 'i. p. ;!33.
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bei Pferden und Wiederkäuen) als Purgirmittel nicht anzuwenden ist. Selbst wenn sie bei Wiederkäuern su wirkte, wie Vi borg und Dauben ton es angeben, so würde doch ihr hoher Preis den Ge­brauch bei diesen Thieren verbieten. Letzteres ist auch der Fall hinsichtlich ihres Gebrauchs für Schweine. In incdlzincller Hinsicht kann man sie aber bei Schweinen, Hunden und Katzen als ein kräftiges, drastisches Abführungsniittel benutzen, wenn die Träg­heit des Verdauungskanals kräftig erregt, Entleerungen durch den After befördert oder Ableitungen bewirkt werden sollen, z. B. ge­gen Leibesverstopfuug ans Schwäche und Trägheit des Darmka­nals, gegen Verscbleimung desselben, gegen Würmer, gegen hart­näckige, auf Stockungen in der Pfortader beruhende Gelbsucht und Wassersucht, gegen veraltete Hautkrankheiten und dergl.
Die Gabe ist für Schweine 2—(i Drachmen, für Katzen und Hunde 10 Gran bis 1 Drachme. Die Anwendung geschieht mei­stens in Pillen oder Bissen, weiche man aus dem Pulver der Wur­zel mit der nöthigen Menge von Syrup, Honig oder Seife bereitet; auch kann das Pulver mit warmem Wasser den Thieren einge­schüttet, oder, weniger zweckmassig, ihnen unter das Futter ge­mengt werden. — Zuweilen verbindet Juan die Jalape mit der Aloe, mit der Rhabarber, dem Kalomel und andern Purgirmitteln.
Anmerkung. Als Präparate bat man: 1) das Jalapenharz {Ilcsinu Jahpne), es wirkt wie die Jalapenwurzel, aber schneller und zugleich viel heftiger den Verdauungskanal örtlich reizend; von 30 Gran entsteht bei Hunden gewöhnlich schon innerhalb 15 Minuten starkes Purgiren, blutiger Durchfäll, Darmentzündung und der Tod. Man darf es daher nur mit grösster Vorsicht, und nur in Gaben von 1 Gran bis zu 5 Gran bei Katzen und Hunden ge­brauchen. Am besten in Pillen mit Seife.
2)nbsp; Die Jalapeu-Seife {Sapo jalapims), am gleichen Theilen Jalapenharz und reiner Seife durch Auflösen in Weingeist und Wiederabdampfen des letztern bereitet, ist ein wirksames Präparat, welches man wie die Jalapenwurzel und in Gaben von 1 Drachme bei Schweinen und von 2 bis 10 Gran bei Hunden und Katzen anwenden kann.
3)nbsp; Die Jalapen-Tinktur (Tinctura Jalapae), entweder durch Digeriren der Wurzel (1 Theil) mit Weingeist (4 bis 5 Theile), oder durch Auflösen des Harzes im Weingeist (i Theil zu S Theilen) bereitet, ist wenig gebräuchlich; Thierarzt Sörcnsen hat sie bei Pferden zu -s—2 Drachmen in die Venen gespritzt und hierdurch starkes Purgiren bewirkt. Bei Kühen trat aber selbst nach dem Einspritzen so grosser Gaben, dass die Thicre taiimlich wurden, kein Abführen ein. Viborg hat diese Einspritzungen bei Pferden
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gegen Anhwifimg des Kolhcs im Grimm- und Bliiuldann vergel)-lich angewendet, dabei aber gcümdeu: dass 30 Gran von der aus dem Jalapenharz bereiteten Tinktur ein Pferd töd-ten. (Veter. Selskab. Skrift. 3die Dec! p. 505.)
11. Meerzwiebel, Radix Scilhic s. S/jiiilluc.
sect;. 400.
Ais ihren wirksamsten Bestandtheil betrachtet man einen in ihr enthaltenen eigenthümlicheD, liarzartigen, l)ittem und sehr schar­fen Extraktivstoff, den man Scillitin genannt hat. Ausserdem enthält sie noch Gerbstoff, Gummi, phosphorsauren Kalk u. s. w.
In massigen Gaben wirkt die Meerzwiebel bei allen Thieren als ein kräftiges Reizmittel spezifisch auf die Schleimhaut der Respira­tionsorgane und auf die Nieren, und vermehrt an diesen Organen die Absonderung sehr bedeutend, besonders aber die Urinsekretiuu. Massig grosse Gaben (bei Hunden von 10—20 Gran) bringen bei Schweinen, Hunden und Katzen Erbrechen, zuweilen auch Purgiren hervor. In zu grossen Gaben verursacht die Wurzel Convulsionen, Betäubung, und zuweilen in kurzer Zeit den Tod, und wenn dieser nicht sehr schnell erfolgt, entsteht auch Entzündung der Darrn-schleimhaut und der Nieren.*)
Ehemals wurde die Meerzwiebel häufig, theils als ein Schleim auflösendes und den Auswurf beförderndes Brustmitte] gegen chro­nischen Husten mit Verschleimung, gegen die sogenannte feuchte Dämpfigkeit, — theils auch als urinf reibendes Mittel, besonders ge­gen Wassersuchten angewendet: jetzt wird sie aber in der Thier-arzneiknnst nur sehr wenig, etwa nur noch bei kleinen Thieren be­nutzt, weil sie zu theuer ist, und für die meisten Fälle durch an­dere kräftige Mittel ersetzt werden kann.
Die Gabe ist für Pferde und Rinder 2 Drachmen bis J Unze, für Schafe und Schweine 10 Gran bis 4 Drachme, für Katzen und Hunde 1—5 Gran. Man wendet sie in Zwischenzeiten von (i bis 8 Stunden, in Latwergen- oder Pillenform an, und setzt ihr als Brustmiftel Salmiak, Spiessglanz, Brechweinstein, Alant und dergl,, — als urintreibendes Mittel aber Weinstein, Essig, Wachholderbee-ren und andere Mittel zu.
Die von der Meerzwiebel in den Apotheken bereiteten Präpa-
*) Pferde uml Kühe urloirleo von %—i Unze sehr slark: 2 Pferde slarben nach einer Gab.e von 2 üuzen am vierlen Tage, ein anderes oi­ling 'S Unzen ohne zu sterben; Hunde urinirlen von ä Gran ziemlich slark, miü erbraclien sich heftig von 20 Grau.
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rate, wie der Meerzwiebelhonig, Meerzwiebelessig, Meer-zwiebelsauerhouig u.s.w., sind zum thierarzaejlichenGebrauch gaiiü entbehrlich.
12. Schwarze Nieswurz, Christwurz, Radix Hellebori nigrl
s, iVelawpodii,
sect;• 401. Die chemische Analysis hat in dieser Wurzel als Bestaudtheile
ein scharfes Harz (llelleborinl), eine eigenthi'unliche scharfe Pflau-zensäure (der Krotonsäure ähnlich), ein scharfes, fettes und ein tlüchtiges Oel, einen bitteren Stoff, Wachs, .Schleim, Eiweis und einige Salze als Bestaudtheile nachgewiesen. Dieselben lüsen sich Im Wasser und fast eben so leicht in Weingeist auf.
Die schwarze Nieswurz bringt (wenn sie acht und nicht zu sehr veraltet ist) bei allen Thieren und bei jeder Art der Anwen­dung sehr heftige, und selbst in kleinen Gaben zuweilen födtliche Wirkungen hervor. Bei Pferden entstehen nach dem Eingeben von i Drachme bis 1 Unze der gepulverten Wurzel, in Zeit von 2 bis 4 Stunden eine geringe Aengstlicbkcit, die sieb mehr durch den Blick als durch Unruhe zu erkennen giebt; dann ungleiche, zuwei­len etwas angestrengte Athemziige, worauf nach 10 bis 15 Stun­den der Puls schneller und kleiner wird, und Purgiren erfolgt. Lefz­leres ist bei manchen Pferden nicht sehr, bei andern aber ausscr-ordentlich heftig, durch 4, 8 bis 12 Stunden anhaltend; zuweilen wird der Koth ganz dünnflüssig, seihst blutig und stets sehr siin-kend; später wird bei dem fortbestehenden Drängen blos etwas wasserige oder schleimige Flüssigkeit entleert. Hierzu finden sich oft Zuckungen an den Bauchmuskeln und am Halse, Zittern des Schwanzes und grosse Mattigkeit. Die Thiere verlieren den Appe­tit, werden im weitem Verlaufe unruhig, werfen sich nieder, schla­gen mit den Beinen; die Schleimhäute werden bleifarbig, kalt, der Puls imfiiblbar, die Haut ganz kalt, und unter diesen Zufällen er­folgt gewöhnlich in 40 bis 50 Stunden, seifen später, der Tod. — Einzelne überstehen die Wirkung; bei andern sah ich dieselbe schon von 2—3 Drachmen entstehen und mit dem Tode enden. — Von 2—3 Unzen in einer Gabe treten die bezeichneten Zufälle mit gros­ser Heftigkeif ein; die Exkremente werden jedesmal blutig; die Thiere geifern aus dem Maule, zeigen krampfhafte Zusammenzie­hungen des Halses, wie Anstrengungen zum Erbrechen; sie harnen viel, und sterben fast ohne Ausnahme. — Bei dem Rindvieh er­folgt von ähnlichen Gaben ganz dieselbe Wirkung, und bei Scha­fen und Ziegen tritt dieselbe schon von 1—3 Drachmen in grosstcr
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Heftigkeit ein. — Scbweiue und Huitde erlnechen sich von 5 Wir 15 Gran der Wurzel ohne weitere üble Folgen, und ertragen sogar, wenn sie sich erbrechen können, das Mittel in der Gaue von l bis 2 Drachmen ohne Lebensgefahr; sie erleiden blos starkes Erbrechen und Purgiren, zuweilen mit Entleerung blutiger Exkremente und mit gelinden KramplV.ufallen; ist aber das Erbrechen durch irgend einen Umstand gehindert, und dadurch die längere Einwirkung der Wurzel auf den Verdauungskanal bedingt, so entstehen aussei der heftigen Anstrengung zum Erbrechen noch grosse Angst, Krämpfe, Schwindel, Lähmung, und in 30 bis 4b Stunden der Tod. Eine halbe bis 1 Unze der Wurzel im Dekokt einem Hunde eingegeben, verursacht nach wenigen Minuten Erbrechen, Krämpfe am ganzen Körper, nickweis eintretende Erstarrung und Unbeweglichkeit, ab­wechselnde Unterdrückung des Atheins und der Circulation des Blutes, dann Erbrechen, Lähmung, und nach 20 bis 30 Minuten den Tod.
Ein Infnsum von 15 Gran der Wurzel mir 2 Drachmen heis-sen Wassers bereitet, einem Pferde in die Drosselvene gespritzt, brachte fast augenblicklich beschwerliches, krampfhaftes Athmen, heftiges Zittern am ganzen Körper, Drängen zur Kothentleerung. Krämpfe im Schlünde, Anstrengung zum Erbrechen, Schäumen und Geifern aus dem Maule und grosse Mattigkeit hervor. Diese Zu­fälle dauerten über 3 Stunden, worauf das Thier wieder ganz mun­ter wurde. — Ein Infusuin von einer Drachme der Wurzel mit I Unze Wasser bereitet und in die Vene gespritzt, tödtete ein star­kes Pferd unter heftigen Krämpfen binnen 10 Minuten. — Bei einer gesunden Kuh erfolgte nach der Einspritzung des 4ten Theils die­ses Aufgusses Zittern, krampfhaftes Zucken der Muskeln am Halse, an der Brust und am Bauche, Rülpsen, und nach 4 Minuten wirk­liches Erbrechen. Nach 2 Stunden, war das Thier wieder im nor­malen Zustande.
Eine weingeistige Tinktur in gleicher Stärke wie der Aufguss bereitet, wirkt ganz wie dieser.
Auf die unverletzte Haut als Waschmittel im Dekokt, oder mit Fett zur Salbe gemacht, angewendet, bewirkt sie starke Heizung, Entzündung, und bei Hunden und Katzen zuweilen auch Erbrechen.
Zwei Drachmen des Pulvers in eine Wunde am Schenkel eines starken Hundes gebracht, erregten nach li Minuten heftiges Erbre­chen, nach 45 Minuten Schwindel, Angst, Lähmung des Hinter-theiles, worauf in 2'| Stunde der Tod eintiat. Ein kleiner Hund starb sogar von 6 Gran der Wurzel, welche ihm in eine Wunde gestreuet waren (Orfi'la).
Wird die Wurzel in Substanz zu 10 bis 20 Gran in Wunden
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unter die Haut gebracht, so verursacht sie binnen 2 bis 10 Stun­den eine ziemlich heftige Entzündung mit sehr starker Ergiessung einer serösen Flüssigkeit ins Zellgewebe, und daher mit grosser Geschwulst der Theile. Hunde, und bei grüner Fütterung auch Wiederkäuer, zeigen dabei zuweilen Erbrechen.
In den Kadavern der schnell gestorbenen Thiere findet man die Lungen, das Herz, die Leber und das Gehirn mit schwarzem Blut überfüllt; wo aber der Tod laugsamer eintrat, ist die Schleim­haut des Magens und Darmkanals, vorzüglich des Dickdarms, an einzelnen Stellen entzündet und mit Blut unterlaufen; auch am Ge­kröse finden sich zuweilen Extravasate von Blut. Die Entzündung ist jedoch nicht immer so heftig oder so ausgebreitet, dass man sie allein als Ursache des Todes betrachten könnte. —
sect;. 402.
Die schwarze Nieswurz ist trotz ihrer heftigen Wirkung seit alten Zeiten gegen Thierkrankhelten benutzt worden, und zwar in­nerlich und äusserlich.
Stockungen in den Blutgefassen des Hinterleibes, davon ent­standene Wassersuchten und ödematöse Anschwellungen, Reizlosig­keit, Schwäche und Trägheit im Dannkanal und hierin beruhende Verstopfung; Koller und Schwindel, welche mit ähnlichen Zustäu den derVerdauungseingeweido verbunden sind; Bräune der Schweine, Anhäufung von unverdaulichen Stoffen, von Schleim und von Wür­mern im Magen und Darmkanal bei Schweinen und Hunden — sind die vorzüglichsten Krankheiten, gegen welche mau den Innern Gebrauch dieser Wurzel empfohlen hat. Derselbe darf jedoch stets nur mit grösster Vorsicht, in massigen oder in kleinen Gaben, und mit Berücksichtigung der im g. 373. angedeuteten Ge-geuauzeigen geschehen.
In kleinen Gaben, nämlich für Pferde und Kinder von 15 bis 30 Gran, für Schafe und Ziegen von ö bis 10 Gran, für Schweine von 2 bis 5 Gran, für Hunde von -j bis 5 Gran, und in Zwischen­zeiten von 12 Stunden angewendet, wird das Mittel zur kräftigen Erregung der Nerventhätigkeit in den Baucheingeweiden, zur Be­förderung der Absonderungen und der Resorption, zur Auflösung von Stockungen, zur Erregung des Appetits und einer bessern Ver­dauung, — in grössern Gaben aber als Brech- und Purgirmittel angewendet. Für letztere Zwecke sollte man für Pferde und Rind­vieh 1 — 14 Drachme, für Schafe und Schweine 20 bis 30 Gran, und für Hunde 2 bis 10 Gran nicht überschreiten, um keine zu heftigen Zufälle zu erregen, die man zwar nicht so leicht bei Schwei­nen und Hunden, desto mehr aber bei Pferden und Wiederkäuern
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von grossea Gabei; zu fürchten hat. üie Wiederholung darf des­halb erst, nach 24 Stunden stattfinden.
Di? Anwendung geschieht in Pulver, in Pillen, Latwergen und in flüssiger Form. Zu letzterer kann man einen Aufguss mit heis-sem Wasser (^ Unze zu 1 Pfund) benutzen, oder (besonders bei Hunden und Schweinen) die gepulverte Wurzel blos mit Milch, Wasser oder Kleieutrank zusammenmengen. Kur als Brechmittel giebt man die Nieswurz zuweilen in Pulverform (doch nicht bei Schweinen) und für sich allein: als Purgirmittel verbindet man sie mit Aloe und selbst mit Salzen, und für die übrigen Zwecke mit bittern, aromatischen und andern passenden Mitteln.
Gegen die zu heftige Wirkung von grossen Gaben der Nies­wurz gab ich bei einigen Pferden das essigsaure Biei mit sehr gu­tem Erfolge.
sect;• 403.
Aeusserlich benutzt man diese Wurzel;
a)nbsp; um in künstlichen Geschwüren eine starke Reizung, grosse Geschwulst und reichliche Ergiessung von Säften schnell zu erzeu­gen. Sie übertrifft in dieser Wirkung alle andere Reizmittel, und wird daher bei grosser Schwäche oder bei einem hohen Grade von Torpidität, besonders bei dein Rindvieh, mit ganz vorzüglichem Er­folge angewendet. Die Indikationen hierzu sind die gewöhnlichen (sect;. 371. c). Man legt entweder einige Wurzelfasern (29 bis 30 Gran) in eine kleine Wunde unter die Haut (das sogenannte Nies­wurz- oder Christwurzstecken) und erzeugt somit eine Fon­tanelle, — oder man nähet die Wurzel auf ein Band und applizirt dasselbe wie ein gewöhnliches Haarseil. — Die frische Nieswurz wirkt hierbei viel schneller als die getrocknete, und man pflegt des­halb die letztere vor der Anwendung durch etwa j Stunde in Was­ser einzuweichen. Das ehemals gebräuchliche Einweichen der Wur­zel in Essig ist unzweckmässig, weil der letztere die wirksamen Bestandtheile auszieht.
b)nbsp; Als Heilmittel der Räude, und zum Tödten der Läuse. Für diese Zwecke wird sie sowohl im Dekokt mit Wasser oder Essig (1 Unze zu 1 Pfund Kolatur), wie auch in Salben (aus 2 Drach­men der gepulverten Wurzel und 1 Unze Fett, Butter oder grüner Seife, zuweilen auch mit Zink oder Cuprum sulphuric. (2 Drachm.) verstärkt, zusammengesetzt) mit gutem Erfolge jeden zweiten drit­ten Tag einmal angewendet.
Zu Injektionen in die Blutadern ist bisher die schwarze Nies­wurz fast gar nicht benutzt worden; ich habe sie bei 6 dummkol-lerigen Pferden raehrfältig, und zum Theil mit grossem Nutzen ge­braucht, und glaube daher, dass sie auf dieselbe Weise und gegen
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dieselben Krankheiten wie die weisse Nieswurz (siehe folg. sect;sect;.) angewendet werden kann. Doch ist letztere milder und deshalb mehrentheils brauchbarer.
Anmerkung. Die Wurzel der übrigen Nieswurzarten, na­mentlich von der grünen Nieswurz (Belleborus viridis) und von der stinkenden Nieswurz (Uelleborus foefidus) besitzen ähn­liche Kräfte wie die schwarze Nieswurz. Von allen sind die Blät­ter den Thieren sehr schädlich, und beim reichlichen Genuss selbst tiidtlicb.
13. Weisse Nieswurz, weisser Germer, Radix Veratrialbi s. Hcllcbori atii.
sect;• 404,
Ihre wichtigsten Bestandtheile sind: eine eigenthümliche alka­lische Substanz, Veratrin genannt, welche mit Gallussäure ver­bunden ist, ferner Gummi, Extraktivstoff, eine fette Materie und etwas Stärkemehl. Das Veratrin ist der hauptsächlich wirksame Bestandtheil; ein Atom von ihm in die Nase gebracht erzeugt hef­tiges Niesen; bei Hunden verursacht es in Gaben von '; bis 1 Gran Erbrechen, Diarrhöe, in grüsseren Gaben Tetanus und den Tod. Dieselben Wirkungen entstehen nach Infusionen sehr kleiner Ga­ben dieses Stoffes in die Venen. Gewöhnlich macht es auch den Puls kleiner und laugsamer. Das Veratrin ist als thierärztliches Heilmittel nicht benutzt.
Die Wirkungen der weissen Nieswurzel sind denen der schwar­zen Nieswurz sehr ähnlich, aber darin von denselben verschieden) dass die weisse Nieswurz a) bei innerlicher Anwendung in massi­gen Gaben nicht so leicht, und selbst in grossen Gaben nicht so heftige Entzündung erregt; b) dass sie dagegen bei jeder Art der Anwendung das Nervensystem, und vorzüglich den grossen sym­pathischen und den Lungen-Magennerv schneller und heftiger af-fizirt, — und c) dass sie im hohen Grade brechenerregend, höchst selten aber bei innerlicher Anwendung pnrgirend wirkt.
Pferden gab ich versuchsweise 1 Drachme bis J Unze der ge­pulverten weissen Nieswurz, mit Mehl und Wasser zur Pille ge­macht, und sah darauf in mehreren Fällen blos etwas Geifern aus dem Maule, nach 2 bis 3 Stunden Verlust des Appetits, ganz ge­ringe Zuckungen an den Halsmuskeln in der Nähe des Schlundes, zuerst eine Vermehrung der Pulse um 4 bis (gt; in jeder Minute, und etwas angestrengteres Athmen, späterhin aber in mehreren Fällen eine Verminderung der Pulse entstehen. Bei fortgesetzter Anwendung ging der Urin häufiger ab. — Nach 1 Unze des Mit­tels auf dieselbe Weise angewendet, traten dieselben Zufälle ein,
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verschwrtiuien aber nach 10 bis 15 Stuaden wieder gänzlich. — J. White (a. a. 0. S. 360.) sah von 5- Unze bei einem Pferde gar keine Wirkung, und von I Unze etwas Uobelbefinden und starken Speichelflnss entstehen. Viborg (Samml. Bd. V. S. 253.) hat hei mehreren Versuchen gefundeu, dass man Pferden 2 Loth Nieswurz eingeben kann, ohne dass sie die geringsten Zufalle danach zeigen. — Waldinger (über Nahrung und Heilmittel der Pferde. 8.221.) sagt: dass sie seihst zu 4 Loth gegeben, das Pferd nicht purgirt, sondern blos Kolikschmerzen erregt, die aber nach 3 bis 4 Stunden wieder verschwinden; dass das Thier viel speichelt, sich zuiii Er brechen anstrengt, sein Mist fester und kleiner geballt wird. — Fast allen andern Beobachtungen entgegen ist die vonRysz (Arz­neimittellehre S. 103.), welcher von 1 Unze bei einem Pferde i.ach •i Stunde Kolik, Zeichen von Darmentziindimg, starkes Speicheln, öfteres Misten mit heftigem Drängen, und nach 8 Stunden den Tod erfolgen sah. Die Sektion zeigte heftige Darmentzündung. — Bei Kühen bemerkte ich von 2 Draclunen bis i Unze der Wurzel fast gar keine Wirkung, von ö Drachmen bis 1 Unze aber ähn­liche Zufalle, wie von derselben Gabe bei Pferden; ausserdem wur­den die Thiere noch traurig, zeigten Schmerz im Hinterleibe und ihr Eotb hatte eine weit blassere Farbe. Diese Zufälle dauerten 48 Stunden, gingen aber dann wieder in vollkommene fresundheit über. E. Viborg (a. a. 0. 254.) sähe nach 2 Drachmen bei einer Kuh nicht die geringste Wirkung. Nach 3 Drachmen am ersten Tage eben so, mir der Mist schien etwas härter zu sein; am fol­genden Tage der Appetit zu Futter und Getränk vermindert, Harn­entleerung oft, aber in kleiner Menge. — 4 Drachmen, welche ihr jetzt gegeben wurden, hatten dieselben Wirkungen und einen klei­nen Puls zur Folge. — Ithen sähe bei einer Kuh, welche eineAb-kochnng von ^ Pfund weisser Nieswurz in 1 Maass Wasser erhal­ten hatte, Kolikschmerzen, Recken, unruhiges, ängstliches Geberden, wie bei Raserei, entstehen. Das Thier genas bei einer Behandlung mit Schleim, Oel und Milch. — In der Thierarzneischule zu Lyon gab man einer Kuh 3 Unzen auf einmal; es entstanden davon zwar beschwerliche Zufälle, jedoch kein Purgiren; aber durch die enorme Gabe von 6 Unzen wurden bei derselben Kuh Erbrechen, mit wirklichem Ausstossen von Futter, Durchfall mit Entleerung einer schwarzen, stinkenden Materie, und nach drei Tagen der Tod herbeigeführt. Bei der Sektion fand sich heftige Entzündung des vierten Magens und der Därme.*)
*) Compte renda des Iravaux üe l'licole voter, do Lyon, ann^e 4847. — Anna), de I'agriCDlt. franc. Tom. LXX. p. 2C2.
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Bei Schafen und Ziegen sähe ich von 1 Scrupel bis 1 Drachme der pulverisirten Wurzel, mit Wasser (2 Unzen) eingegeben, öfte­res Aufstossen, Schäumen und Speicheln, — in einem Falle auch Aufblähung erfolgen. Diese Zufalle gingen nach 10—15 Stunden wieder vorüber. Zwei Drachmen his 1 Loth bewirkten zuerst die-selben Zufalle, aber nach 2 Stunden starkes Würgen, Erbrechen mit Auswurf von Futter, und späterhin auch Abgang von wei­chem Koth.
Schweine erbrechen sich von 5 bis 15 Gran der Wurzel ziem­lich leicht, und bei Hunden und Katzen tritt diese Wirkung schon von -j bis 1 Gran ein. Grössere Gaben von 1—2 Drachmen grei­fen zwar die Thiere sehr heftig an, verursachen aber selten Lebens­gefahr, wenn nur das Erbrechen frei und bald stattfindet; ist dies aber nicht der Fall, so sterben sie oft schon von 10 Gran und nach ü bis VI Stunden unter heftigen Anstrengungen zum Erbrechen, unter Krämpfen und Lähmung. Dass schon 5 bis 10 Gran selbst für grosse Hunde tüdüich seien, wie Waldinger angegeben hat (Abhandl. über die Krankheiten der Hunde. S. 26.), habe ich bei einer Menge von Versuchen niemals gesehen, wenn nicht das Er­brechen durch Zubinden des Schlundes gehindert war. Dagegen kann ich seine Angalie bestätigen: dass ein Aufguss von ^Drachme Nieswurz und 1J Unze siedenden Wassers bereitet, nach dem Er­kalten einem Hunde in den Mastdarm gespritzt, binnen wenigen Minuten Angst, heftiges Erbrechen, dann Purgiren mit Entleerung blutiger Exkremente, und grosse Mattigkeit für mehrere Stunden verursachen kann.
Von der Injektion i Drachme bis ^ Unze Tinktur von weisser Nieswurz (oder eben so von einem Dekokt) in die Drosselvene ei­nes Pferdes, entsteht (nach Viborg's zuerst hierüber angestelltenquot;) und von mir vielfältig wiederholten Versuchen) oft augenblicklich, zuweilen erst nach Verlauf von 2—3 Minuten schnelleres und be­schwerliches Ath men; bisweilen stockt dasselbe periodisch auf einige Augenblicke; der Puls wird klein, oft unregelmässig und schnell, letzteres jedoch gewöhnlich nicht im Verhältniss zum Athmen; nach 2 bis 7 Minuten entleert das Pferd Mist, oft mehrmals nach ein­ander und später noch wiederholt; es sieht sich ängstlich nach dem Leibe um, scharrt mit den Füssen, zittert und legt sich zuweilen auch nieder; es erfolgen Zufälle des Erbrechens, krampthafte Zu-sammenzichungen des Schlundes, der Hals- und Bauchmuskeln, zuweilen verbunden mit Rülpsen oder mit lautem Quiken oder Schluchzen; eben so Kauen, starkes Speicheln, Auswurf von Schleim,
'] Viborg, Snmml. 1hl. ;i. S. 8:! u. f.
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und selbst von FuttersioSbn; es findet sich Schweiss, zuweilen von gelber Farbe und oft so heftig, dass er förmlich von den Thieren herabfhesst; bei manchen zeigt sich auch Thränenfluss und öfteres Uriniren, und alle stehen während der Wirkung traurig, und mit herabgesenktem Kopfe. — Die Stärke dieser Zufälle ist nach der individuellen Empfindlichkeit der betreffenden Thiere sehr verschie­den, und die Dauer ist von ^ Stunde bis 12 Stunden ausgedehnt.
Nach Injektionen von 1 Unze Nieswurz-Tinktur erfolgt sogleich Schwindel, Niederstürzen, sehr beschwerliches, schnelles Athmen mit krampfhaftem Oeffhen und Verscbliesscn des Mauls, Convuisionen und nach einigen Minuten der Tod. Bei einem Pferde trat der letztere schon nach der Injektion einer halben Unze der Tinktur ein.
Bei Kühen ist die Wirkung von der Einspritzung kleiner Ga­ben im Wesentlichen wie bei Pferden; aber von massig grossen Gaben sa,h ich, wie auch schon E. Viborg, aussei den übrigen Erscheimmgen fast jedesmal wirkliches Erbrechen eintreten, beson­ders wenn die Thiere grünes Futter erhalten. — Hunde starben von der Injektion sehr kleiner Quantitäten (von 15 bis 20 Tropfen) der Ti.'ctnr sehr schnell.
Bringt man einem Pferde ein Stück Nieswurz, etwa 1 Qua-itratzoll lang und % Zoll dick, in eine Wunde oder in das Zellge­webe unter die Haut, so entsteht in den meisten Fällen bald darauf Zittern der Muskeln, zuerst um die Luftröhre, später am ganzen Körper; nach 1 bis 2 Stunden erfolgt angestrengtes unregelraässi-ges Athmen, Würgen, Neigung zum Erbrechen, Speicheln aus dem Munde, Poltern im Leibe, Entleerung von Küth und Urin. An der Wunde bildet sich binnen weniger Stunden Geschwulst, die beim Druck knistert und am ersten und zweiten Tage eine schäumende, seröse Flüssigkeit, und hierauf Eiter aussickert. Bei Griinfutter ist auch hier die Wirkung stets viel heftiger als bei trockenem Futter.
Das Waschen mit einer Abkochung, bereitet von 2 Drachmen der Wurzel mit 2 Pfund Wasser, verursachte bei Hunden und Kat­zen sehr häufig Angst, schnelles Athmen, Geifern aus dem Maule Erbrechen; letzteres trat zuweilen 5 bis 10 mal in einer Stunde ein. Diese Zufalle treten besonders dann heftig ein, wenn die Thiere sich lecken; sie dauern 1 bis 5 Stunden und sind bei wiederholter Waschung geringer als bei der ersten. — Bei einem Schaf bemerkte man von dem Waschen mit einem etwas schwächeren Dekokt keine Spur einer Wirkung, und eben so war es bei Pferden nach der Anwendung einer sehr konzeutriiten Abkoohung. Aber die Haut wird durch solche Waschungen bei allen Tbieren sehr gereizt und selbst entzündet. IXertwia ArzneimiUclIehre.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;27
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sect;• 405.
Als Heilmittel wird die weisse Nieswurz innerlich, zu Injektio­nen in die Blutadern, und äusserlich angewendet.
a) Innerlich benutzt man sie bei Thieren, welche sich erbrechen können, hauptsächlich als Emeticum, und sie verdient als solches in den meisten Fällen den Vorzug vor andern, da sie kräftiger wirkt und wohlfeiler ist als Ipekakuanha und Brechweinstein, und da sie nicht, wie die Gratiola, Purgiren erregt. — Sie ist angezeigt in allen Fällen, wo Brechmittel überhaupt nüthig sind; vorzüglich aber bei im Magen befindlichen unverdaulichen oder giftigen Stof­fen, bei Verschleimiing, sowohl im Magen wie in der Rachenhühle und in der Luftrohre, bei Unverdaulicbkeit und zu geringem Ap­petit, bei gastrischem, catarrhalischem Fieber, bei der Staupe der Hunde, bei der krankhaften Dickleibigkeit der Schweine, wenn der Appetit mangelt, bei der Bräune dieser Thiere, bei unregehnässigem Ausbruch der Pocken und dergl. Gegen die Bräune der Schweine wird die weisse Nieswurz von Vielen als ein Spezificum betrachtet, und sowohl zur Verhütung, wie auch zur Heilung angewendet. Sie leistet auch wirklich für beide Zwecke sehr viel, wenn sie früh ge­nug, d. h. vor der völligen Ausbildung der Entzündung, gegeben wird. Den grössten Nutzen sah ich von ihr beim Beginnen der Anthrax-Bräune und der rheumatischen Halsentzündung.
Die Gabe als Brechmittel ist für Katzen und Hunde i—'4 Gran, für Schweine 5 bis 15 Gran, und die Anwendung geschieht, als Pulver oder in flüssiger Form, mehrentheils für sich allein, zuwei­len auch mit Znsatz von Brechweinstein. Giebt man sie als Pul­ver, so ist es (besonders bei den kleinen Gaben für Katzen und Hunde) zweckmässig, ihr etwas Zucker, als ein leicht auflösliches Vehikel, zuzusetzen; z. B. man nimmt: gepulverte weisse Nieswurz I Gran, pulverisirten Zucker 20 Gran, reibt beides gut zusammen und giebt die Hälfte davon auf einmal: erfolgt binnen | Stunde kein Erbrechen, so wendet man die zweite Portion an, worauf ge­wöhnlich die Wirkung ganz vollständig eintritt. — Um die Nies­wurz in flüssiger Form anzuwenden ist es hinreichend, das Pulver blos in etwas Wasser oder Milch (für Schweine auch in Buttermilch oder in saure Milch) zu mengen. Ein solches Gemenge kann un­ter Umständen den Thieren zum eigenen Genuss überlassen wer­den, z. B. bei der prophylaktischen Behandlung einer grnssen An­zahl von Schweinen, welche noch grosso Fresslust haben, und bei denen durch Verzug keine Gefahr entsteht. Doch muss man stets darauf sehen, dass jedes Thier seine Portion allein und ganz be­kommt.
Bei Pferden und Wiederkäuern wird die veisse Nieswurz in-
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nerlich sehr wenig benutzt Einige englische Thieriirzte haben sie mit gutem Erfolge bei asthenischeu Entzündungen, welche mit an­haltendem heftigen Fieber begleitet sind, zur Minderung desselben angewendet, — wie es gewöhnlich fur diesen Zweck mit der Digi­talis geschieht. — J. White will auch durch sie, täglich zu lt; Unze gegeben, bei einem Pferde den Wurm geheilt haben. — Beim Rind­vieh hat Kreis-Thierarzt Rehrs sie in hartnäckigen Fällen der chro­nischen Unverdaulichkeit mit fast augenblicklich gutem Erfolge an­gewendet; er gab 4 Scrupel mit li Unzen Wasser auf einmal. Es trat hiernach Geifern, und nach 1 Stunde Erbrechen mit sehr reich­licher Ausleerung von Holzstengeln und dergl. ein, begleitet mit Zittern, Mattigkeit, kaltem Schweiss und sehr unregelmässig aus­setzendem Pulse und dann Genesung (Magazin fürThierheilkunde, Jahrg. VI. S. 73.). Kreis-Thierarzt Schradcr hat bei dieser Krank­heit denselben Erfolg gesehen, jedoch eine halbe Unze der Wurzel in 2 Gaben getheilt, in Zwischenzeit von 2 Stunden gegeben. Eben so Kreis-Thierarzt Lindenberg, welcher jedoch pro dosi 11- bis 2 Unzen von der Wurzel, täglich einmal, in einem aromatischen Infusnm anwendete. — In früherer Zeit stand die Wurzel im Rufe eines Schutzmittels gegen die Rinderpest und wurde den Thicren zu l Drachme mit einer Hand voll Kochsalz gemengt, gegeben, — aber ohne Nutzen. — Neuerlich hat ein Landwirth Namens Ber­lin ein solches Gemenge von weisser Nieswurz und Salz als Heil-und Präservativmittel gegen die Lungenseuche des Rindviehes (in einer Schrift, Berlin 1S45.) mit grosser Zuversicht empfohlen. Man soll täglich einmal 1- Unze Nieswurzelpulver mit eben so viel Koch­salz, und durch 3 Tage fortgesetzt geben. Die bisherigen Ver­suche, von mehreren Thierärzten unternommen, lassen den Erfolg noch zweifelhaft. — Kuers empfahl die Wurzel als Heil- und Prä­servativmittel gegen den Blutschlag der Schafe, zu 10 Gran pro dosi zum innerlichen Gebrauch, wo das Mittel weniger heftig wirkt als dieselbe Quantität von ihm äusserlicb applizirt (Kuers Maga­zin von Beobachtungen u. s. w. 2r. Jahrg. 1s. lieft.).
b) Injektionen der Nieswurz-Tinktur in die Venen sind nütz­lich: bei allgemein abgestumpfter Sensibilität, bei Torpor, Unthä-tigkeit und Stockungen in den Verdauungseingeweiden, bei Unter­drückung der Hautausdünstung und bei den chronischen Folgen hiervon, bei Rheumatismus und dergl. Man kann sie daher, nach Viborg's Empfehlung, bei Pferden gegen den Dummkoller, gegen chronische Appetitlosigkeit, chronischen Rheumatismus, veraltete rheumatische Lahmheit, rheumatischen Starrkrampf, gegen zurück­getretene (sogenannte wandernde) Druse,— und bei Rindern gegen fieberlose unverdaulichkeit, besonders wenn sie von Körnerfutter
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entstanden ist, mitNutzeu gebrauchen. Qreve*) heilte durch solche Einspritzungen von 28 kollerigeu Pferden 7 giinzlich, und 3 wur­den gebessert; ich selbst habe sie sehr häufig und in vielen Füllen mit dem besten Erfolge gegen Koller, gegen chronischen Rheuma­tismus und gegen die bezeichneten gastrischen Beschwerden ange­wendet, oft aber auch gar keinen heilsamen Erfolg davon gesehen. Man darf sie daher weder als ein unfehlbares Heilmittel betrachten noch ganz verwerfen, wie dies einige thierärztliche Schriftsteller thun. Es scheint, den bisherigen Beobachtungen zufolge, dass sie bei dein Koller dann am meisten nützlich seien, wenn derselbe ur­sprünglich ans Fehlern der Verdauungseingeweido entstanden oder auch mit solchen Fehlern verbunden ist; wo aber organische Ver­änderungen im Gehirn bestehen, kann die Einspritzung der Nies-wurz-Tinktnr so wenig helfen, wie irgend ein anderes Mittel, üeber-haupt muss man aber diese Einspritzungen mir als Reizmittel, zur Einleitung und Unterstützung für die übrige Behandlung betrach­ten. — Bei dem Starrkrampf habe ich von ihnen niemals Nutzen, wohl aber durch die heftige Aufregung und durch die Congestio-nen znr Lunge und zum Gehirn sehr oft sichtbare Verschlimme­rung und selbst den Tod erfolgen sehen.
Congestionen und die im sect;. 373. bezeichneten Erankheitsver-hällnisse verbieten die Nieswurz-Injektionen jederzeit.
Die zu diesen Injektionen zu benutzende Tinktur {Tittclura Ve-ralri idoi) wird am besten nach Viborg's Vorschrift (a. a. 0. pag. 93.) so bereitet: dass man 1 Drachme Nieswurz, von der äus-sern schwarzen Rinde befreiet und in kleine Stücke zerschnitten, in einer Flasche mit einer Unze Kornbranntwein Übergossen, auf einem warmen Ofen durch 3 bis 4 Stunden digerirt, hierauf noch durch 24 Stunden stehen lässt und dann die Flüssigkeit durch Loschpa­pier filtrirt. — Hiervon nimmt man zu einer Einspritzung für ein ausgewachsenes Pferd oder Rind |—4 Drachmen, und wendet sie entweder rein, oder verdünnt mit lauwarmem Wasser an. Eine ganz genaue Bestimmung der Gabe lässt sich niemals im Voraus machen, sondern es ist uüthig, die Injektion mit kleinen Gaben zu beginnen, und erst nach dem Grade der hiernach entstandenen Wirkung die ferneren Gaben einzurichten. Sehr selten wird es nö-thig sein, die bezeichnete grosse Gabe von 4 Drachmen anzuwen­den oder gar sie zu Oberschreiten. Statt der Tinktur kann ein In-fusum, bereitet aus 16 bis 2b Gran der pulverisirten Wurzel mit
*) Kifahningon und Beobachtangen über die Krankhoilrn der Hnus. Uiiere. Is Bündchen. Oldenburg ISKS. S. U7 n. f.
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1nbsp; Unze kochendlaquo;) Wassers, und gut filtrirt, mit gleichem Erfolge benutzt werden.
c) Aenaserlich wird die weisse Nieswurz für dieselbeu Zwecke und auf gleiche Weise wie die schwarze Nieswurz gebraucht (sect;. 403.). Kuerti hat sie in Fontanellen, wie innerlich, als das kräftigste Prä­servativ- und Heilmittel gegen Blutschlag der Schafe empfohlen. Es soll hier dasVeratrin schnell dem Blute mitgetheilt werden und sehr erregend auf die Nerven wirken, so dass die beginnende Läh­mung und Stockung beseitiget, und die Seuche von Stund an in der Hetrde getilgt wird. 15—20 Gran sind zu einem Fontauellau der Vorderfläche der Brust hinreichend (Kuers, Magazin von Be­obachtungen, Bd. 2. Heft 1.). Bei der Anwendung als Foi.tancll muss man jedoch beachten, dass sie oft heftige Nervenzufälle er­regt, und deshalb nicht unter allen Umständen wie das zuletzt ge­nannte Mittel benutzt werden darf. Besonders muss man bei hoch-trächtigen Thieren sehr vorsichtig sein, da Beobachtungen lehren, dass zuweilen nach Anwendung der weissen Nieswurz in Fonta­nellen das Verwerfen erfolgt ist.
Gegen die Räude bei den verschiedeneu Thieren ist diese Wur­zel ein seit alten Zeiten gebräuchliches und sehr wirksames Mittel. Man wendet sie hierbei entweder im Dekokt mit Wasser oder Bier (1 Unze zu 1 Pfund Colatur), oder in Salbenform an (g. 403 b.), und setzt ihr zuweilen noch Schwefel, Spiessglanzleber, weissen Vi­triol, Taback, Terpentinöl und dergl. zu, z. B. ,S'laquo;/)olaquo;. virldis, 01.
Lauri ana 1 Unze, Pulv. rad. Vcralr. albi k Unze, Palv. nilr. rrudi
2nbsp; Drachmen. M. ad ung. VS. Während i Tagen täglich einmal einzureiben, dann 5 Tage auszusetzeu und hierauf wieder 2 Tage anzuwenden.
Anmerkung. Die Blätter der weissen Nieswurz sind allen Thieren sehr schädlich. Sie verursachen Enfzündimg des Magens und des Darmkanals, heftige Diarrhöe, Blutabgaug mit dem Koth, heftige Leibschmerzen, Entkräftung und selbst den Tod.*)
14. Zaunrübe oder Gichtrübe, Radix Bt-yoniae albac.
sect;. 406.
Der Ilaupfbestandtheil dieser Wurzel ist eine bitter-scharfe ex­traktähnliche Substanz (Bryonin genannt), vermittelst welcher sie hei innerlicher und äusserlicber Anwendung als reizendes Mit­tel wirkt.
*) Slonnlgsclirifl für Rimhiohlicilk. von Michel n. Ilhon. 2s Ilalb-jahrg. IS-21. S. 71. u. 70.
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Die Zaunrübe stand seit alten Zeiten in dem Rufe, ein kräf­tiges Purgirmittel für alle Thiere zu sein, und Ratzeburg (Zoo-pharmakologie Bd. 2. S. 391.) empfiehlt sie noch als solches für die grossen Thiere und im frischen Zustande in der Gabe von 2 bis 6 Unzen, getrocknet aber nur zum achten Theil dieser Gabe; allein Viborg (a. a. 0. Bd. 4. S. 286.) gab verschiedenen Pferden die frische Wurzel pfundweis in Latwergenform, ohne darnach eine abführende Wirkung zu bemerken; ich bähe sie frisch ebenfalls zu 2 Pfund, und getrocknet zu (i bis S Unzen auf einmal, in Latwer­genform und als Dekokt, mehrmals angewendet, und ebenfalls kein Purgiren erfolgen sehen, sondern es traten Leibschmerzen, beschleu­nigtes Athmen, Verlust des Appetits, Fieber, grosse Mattigkeit und vermehrtes Uriniren ein. Bei einer Kuh wirkten 2 Pfund der fri­schen Wurael, in einer Abkochung mit Wasser gegeben, fast ganz auf dieselbe Weise (Annal. de l'Agrlc. fraiiQ. Tome LXX, p. 200.). — Hunde zeigten von \ Unze blos grosse Mattigkeit, und ohne weitere Zufalle erfolgte der Tod innerhalb 24 Stunden, Bei der Sektion fand man die Schleimhaut des Verdauungskanals an ver­schiedenen Stellen stark gerüthet und selbst mit einigen schwarzen Flecken besetzt (Orfila).')
Hieraus ergiebt sich: dass diese Wurzel als Purgirmittel gar nicht zu gebrauchen ist. In kleinen Gaben (d. h. bei Pferden und Rindern zu 2 Drachmen bis sect; Unze, bei Schweinen zu -j Drachme, bei Hunden zu ö bis 2(1 Gran) wirkt sie erregend-zertheilend, die Resorption befördernd, und kann daher bei Verschleimung, bei Stockungen In den Eingeweiden, bei chronischer Druse und bei lidematosen Anschwellungen benutzt werden; Kcrstiug*quot;) hat sie auch (und eben so das Zaunriibenkraut) selbst gegen Rotz und Wurm, gegen epileptische Zufälle u. s. w. angewendet; sie leistet aber hierbei so wenig wie andere Mittel, Jetzt ist sie fast ganz in Vergessenheit gekommen.
15. Coloq uinten, C'oloqu intcnäpfel, Culucynthidcs s. Vomlaquo; Colocuntliidum.
sect;• 407. Diese Früchte verdanken ihre Wirksamkeit fast allein einem eigenfbümlichen scharfen und ausscrordentlich bittern Stoffe, den
) Nach dem Autslrcucn von 2 Drachmen und i8 Gran fein gepul-verler ZaanrUbenwarzel auf das Zellgewebe am Schenkel eines Hundes, zoiglo sich hiüs beCiiger Schmerz, aber der Tod erfolgte nach 00 Stun­den (Orfila).
quot;) Uannskripto über die PfcrdoarzaeiwIsseDschan. S. (00 u. f.
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mau Coloquinteubitter (Colocymhin) gcnainit hat, und von welchem das unter der Schale hefmdlicbe Mark (Culoquinteu-mark, Vulpa Coloeynthldum) das Meiste (gegen 14,4 pr. C.) ent­halt. —#9632; Ausserdem finden sich in dem Mark noch hitteres Harz, ExtmktivstoSJ Oel, Gummi, Pektinsäure, Salze und Pflanzenfaserstufl-
Die Coloquinten sind ein stark drastisches Purgirmittel, jedoch nicht lur alle Thiere; denn Versuche (Viborg a. a. O. Bd. 4-S. 282.) halien erwiesen: dass Pferde von 2 bis 12 Loth der Co-loquiutenäpfel niemals Durchlauf bekommen. Nach einer Gabe von 12 Loth bemerkte man nach 24 Stunden nur stärkern Abgang eines loser geballten Mistes. Das Mittel erweckte die Fresslust, aber der Puls wurde kleiner und langsamer. Von II Loth des in den Früchten enthaltenen Markes oder des Coloquinteumuses, zeigte ein Pferd blos sehr starken Appetit.
Ein Schaf äusserte von 1 Loth der Coloquiutenäpfel nicht die geri.igste Wirkung. Dagegen verursachte ein, von 4 Loth des Coloqv intenmarkes mit 'l Pfund Wasser bereiteter und gut ausgedrückter Aufguss bei einem 3jährigen Widder 12 Stunden nach dein Eingeben einen heftigen Durchlauf, der 2 Tage währte, dem Thiere alle Fresslust raubte, und starkes Flankenschlagen und allgemeine Schwäche erzeugte. Erst nach drei Tagen fand sich Fresslust und Wohlbefinden wieder ein. Nach dem Eingeben von 4 Loth Coloquintenkernen setzte ein anderes Schaf härteren Mist ab als vorher.
Schweine purgiren von 2 Drachmen, Katzen und Hunde von lit bis 3t) Gran des Goloquintenmarkes. Bei diesen Thieren tritt zuweilen auch starkes Erbrechen ein, und wenn dasselbe durch Un­terbindung des Schlundes gehindert ist, so erfolgt nach grossen Gaben, z. 13. von t bis 3 Drachmen des Mittels gewöhnlich der Tod. Bei der Sektion findet sich der Grund des Magens scluvaiz-roth, und der Dickdarm, zuweilen auch der Dünndarm entzündet.
Die Coloquinten können entweder in kleinen Gaben, als ein bitteres, erregendes Mittel bei Schwäche und I'nthätigkeit der Ver-dauungseingeweide, — oder in grossen Gaben für Schweine, Hunde und Katzen als Purgirmittel gegen atonische Hartleibigkeit, gegen Verschleimung, Würmer und Wassersucht angewendet werden; sie sind aber für beide Zwecke entbehrlich und durch andere Mittel zu ersetzen. Sollen sie aber als Purgirmittel gebraucht werden, so benutzt man am besten das Mark (Pulpa Culonjnlhidis) in den vor­hin bezeichneten Gaben; man kann dasselbe fein gepulvert in Pil­len und Latwergen, oder auch im Aufguss mit heissem Wasser oder mit Bier (zu einer Drachme Coloquinlenmark (i bis 8 Unzen Flüssigkeil) eingeben.
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Die Coloquiuten-Tinktur, die verschiedenen Extrakte und die übrigen Präparate von diesem Mittel sind völlig entbehrlich.
16. Krotonkürner, Krotonsamen, kleine Purgirkörner,
Grana s. Scmina Crotonis Tiglii s. Tillü s. Gruna Molucca; — und
Krotonol, 01 cum Crotonis.
sect;. 408.
Die Krotonsaincn bestehen aus einem eiweisartigcn Kern, der mit einer weisslicben Samenhaut und äusserb'cb mit einer gelb­lichen oder dunkelbraunen oder schwärzlichen, zerbrechlichen Schale überzogen ist. Die Schalen und Samenhäute betragen gegen 36 pr. C. und enrhalten wenig oder gar keine Schürfe. Letzlere fin­det sich nur im Kern. Dieser enthält als hauptsächlich wirksamen Bestandtheil die Krotonsäiire (gegen 27,5 pr. C), welche sehr scharf und giftig wirkt; ausserdem; Krotonin (eine alkalische Basis), fettes Oel (32,5), Stearin, Eiweis, Wachs, Harz, Gummi, Stärke u. s. \v. —
Das fette Oel, Krotönöl (0/elaquo;m CWonw), wird entweder durch Auspressen aus den Samen oder durch Extraktion mit Aether aus denselben, und durch nachheriges Abdestilliren des letztern, ge­wonnen. Es enthält in 100 Theilen 45 Theile jenes scharfen laxi-renden Stoffes, und 55 Theile reines, fettes Oel, dem Olivenöl ähn­lich und uicht purgireud. Die wirksamen Bestandtheile im Kro­tönöl verhalten sich somit zu denen der Samen ziemlich wie 9 zu 54. — Zwei Tropfen des Erotonöls wiegen reichlich 1 Gran.
sect;. 409.
a) Die Krotonkörner wirken bei jeder Art der Amvendung auf den Thierkörper scharf reizend, besonders und spezifisch aber auf den Darmkanal, so dass sie schon in massiger Gabe ein ziem­lich starkes Purgiren, gewöhnlich auch etwas Fieber, Appetitlosig­keit, Trockenheit im Maule und Mattigkeit, — in etwas grosser Gabe aber leicht Darmentzündung, übermässig heftiges und an­dauerndes Purgiren und den Tod verursachen. Sie übertreffen in diesen Wirkungen alle andere Mittel und können unbedingt sowohl als das stärkste drastische Purgirmittel, wie auch über­haupt als das schärfste unter allen vegetabilischen Arz­neimitteln betrachtet werden.
Schon von 10 Gran der pulvensirten Körner mit | Unze Al-theewurzelpnlver und mit Wasser zur Pille gemacht, entstand bei Pferden fast immer in 3 bis 4 Stunden nach dem Eingeben etwas Traurigkeit, kleiner, harter, vermehrter Puls (bis 55 in einer Mi­nute) und schnelleres Athmen; aber nach Verlauf von 10 bis 12
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Stunden waren diese Zufjille wieder vorüber. — 20 Gran auf die­selbe Weise augewendet, verursachten binnen einigen raquo;Stunden nach dem Eingeben eine hühcre Temperatur am ganzen Körper, Ver­mehrung der Pulse von 36 auf 50—Gö, und der AtheniÄÜgo von 9 auf 15—20 in 1 Minute; letztere geschehen mit stärkerer Anstren­gung der Bauchmuskeln; nach 7 Stunden war die Zahl der Pulse in jeder Minute über 100 und die der Athemzüge über 45, die Schleimhäute dunkel geröthet, der Appetit vermindert, das Thier matt, es sah oft nach dem Leibe, und entleerte in Zwischenzeiten von 1 Stunde zweimal gut verdaueten und fest geballten Mist. — Nach 18 Stunden minderte sich die Zahl der Pulse in kurzer Zei bedeutend, und nach 25 Stunden erfolgte Purgiren, welches gegen 8 Stunden anhielt, und wobei (j bis 7 mal sehr dünner Mist eat-leert wurde. Nach Verlauf von 48 Stunden befand sich das Pferd wieder im normalen Zustande. — Andere Pferde zeigten von einer eben so grossen Gabe zwar die angedeuteten Symptome der ent­zündlichen Reizung, aber es erfolgte nicht immer wirkliches Pur­giren; dasselbe trat jedoch nach einer Gabe von 30 bis 40 Gran bei jedem Pferde ein, und zwar oft schon nach 20 Stunden; die Exkremente wurden hiernach oft ganz wässerig, graugrün, ein we­nig übelriechend und dauerten sehr reichlich durch 1—2 Tage fort, während welcher Zeit die Pferde immer schnellen, kleinen Puls, ver­minderten Appetit, oft alier Durst, Hitze im Maule und dunkel-rothe, zuweilen mit gelblicher Schattirung versehene Flecke an der Maulschleimhaut zeigten. Nach 2 — 3 Tagen verloren sich diese Zufälle wieder gänzlich. — ] Drachme wirkte ähnlich, aber weit heftiger; das Purgiren dauerte 4—5 Tage und hinterliess eine grosso Schwäche des Darmkanals. Einzelne Pferde starben von dieser Quantität nach 5—6 Tagen.— 2 Drachmen rührten stets sehr hef­tiges Fieber, Kolikzuiälle, grosso Schwäche, nach 6, 10 bis 15 Stun­den iibermässiges Purgiren, unfühlbaren Puls, kalten Schweiss, und in 20 bis 40 Stunden den Tod herbei. Bei schwachen Thieren er­folgte der letztere zuweilen schon nach 10 Stunden.
Bei Kühen ist von denselben Gaben die Wirkung etwas schwä­cher als bei Pferden; ich sah von 30 bis 60 Gran der gepulverten Körner, mit 1 Pfund Wasser eingegeben, eine geringe Vermehrung der Pulse, und nach 8 bis 10 Stunden ein massiges Purgiren er­folgen; 1^ Drachmen bewirkten in derselben Zeit sehr heftiges Pur­giren, heftiges Fieber, gänzliche Unterdrückung des Appetites und des Wiederkauens durch 3 Tage und grosso Mattigkeit; doch blieb das Thier am Leben.
Hunde bekamen von 5 Gran des Mittels, in Pillcnform einge­geben, nach 5 bis G Minuten Erbrechen, durch welches die Pille
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wieder ausgeleert wurde; aber deimoch trat schon nach einer Stunde ziemlich starkes Purpiren ein; — 10 bis 20 Gran bewirkten Er­brechen und sehr heftiges Purgiren, und wenn das Erstere durch Unterbindung des Schlundes gehindert war, so erfolgten auf die vergeblichen Anstrengungen hierzu, Lähmung und nach i bis 7 Stunden der Tod. *)
Bei der Sektion der, durch innerliche Anwendung der Kroton-korner getodteten Pferde und Hunde findet man, wenn der Tod schnell, d. i. bald nach den ersten 24 Stunden eintrat, gewöhnlich heftige Eutzüudung des Magens und Dannkanals, zuweilen Ero­sionen der Scbleiinhaut und Blutergiessungen in den Gedärmen; — in einzelnen Fallen schien auch die Lunge entzündet zu sein. Alle übrigen Organe waren normal. Erfolgte aber der Tod nach länger dauerndem Purgiren, fand sich mehrentbeils nur eine geringe, stel­lenweise entzündliche Rothung der Därme, die Schleimhaut mehr ins Graue spielend, der ganze Darmkanal schlaff, zusammengefal­len, leer wie ausgewaschen, überall Blutmangel.
Eine Drachme Krotonpulver auf das Zellgewebe am Schenkel eines Hundes gebracht, verursachte nach 2.s. Stunden Uncmpi'md-lichkeit und Unbeweglichkeit, und nach 30 Stunden den Tod. Es fand sich äusserlich eine heftige, bis zur Brust ausgebreitete Ent­zündung, aber der Darmkanal war gesund (Orfila).
sect;• 410.
Die Krotoukömer sind, trotz ihrer heftigen Wirkung, in der neuern Zeit von englischen Thierärzten als ein sicheres Purgirmit-tel, besonders für Pferde und anstatt, der Aloe, empfohlen worden und ich habe sie häufig angewendet; allein, obgleich diese beiden Mittel purgireud wirken, so sind sie doch in andern Eigenschaften von einander verschieden, und die Krotoukömer können daher auch nicht unter allen Umständen die Aloe ersetzen; ich möchte ihre purgirende Wirkung eher mit der der schwarzen Nieswurz verglei­chen. Aber die Krotonsamen haben ihre Vorzüge vor diesen Mit­teln, denn sie wirken schneller und kräftiger als die Aloe, und si­cherer, weniger tückisch als die Nieswurz. Sie können daher überall gebraucht werden, wo drastische Purgirmittel angezeigt sind, na­mentlich aber passen sie da, wo mau eine reichliche Absonderung und Ausleerung wässeriger Säfte durch den Darmkanal bezweckt, wo jedoch die Aloe nicht wirksam genug ist, z. B. hei sehr phleg­matischen, torpiden Thieren, bei Dummkoller, bei grosser Trägheit
*) Es ist nicht nölbig, um den Tod berbeizurUbren, dass man Hun­den J! Drachmen Rrotonkörner giebl, wie Orfila es getliun. A. u. 0, Bd. -2. S. iO.
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ijiul geringer Reizbarkeit ilcs Verdauungskanals, bei Ansammlimg grosser Futtermasseu iu ileuiselbei), bei Ueberftltterungs- und Vcr-stopfungskolik ohne Eutzüudung, gegen Würmer, namentlich gegen den Bandwurm, gegen Augenentziindungen, Flechten und andere Hautleiden und gegen Wassersüchten. Ausserdem verdienen diese Samen noch deshalb unter geeigneten Umständen den Vorzug vor der Aloe, weil sie bedeutend wohlfeiler, und überhaupt das wohl­feilste Purgirmittel sind.
Krankheiten, bei denen die im sect;. 373. angedeuteten Verhiilt-nissc bestehen, verbieten den Gebrauch dieses Mittels ohne Aus­nahme, und überhaupt ist die grösste Vorsicht mit ihm nothig.
Die Gabe von den fein pulverisirten Samen ist für Pferde 25 bis 40 Gran, für Rinder 40 bis 60 Gran, für Hunde 3 bis 6 Grau;
—nbsp;für Schafe und Schweine ist sie auf G bis 10 Gran anzunehmen, aber noch nicht sicher ermittelt. Die Anwendung der pulverisirten Körner geschieht am besten in Pillen, zu deren Bereitung man Altheewurzelpulver, arabisches Gummi oder Mehl und Seife nimmt,
—nbsp; oder in einer schleimigen Flüssigkeit, z. B. in einem Dekokt von Leinsamen und dergl. Bei dem Eingeben ist stets genau darauf zu sehen, dass das Thier die Pille ganz und vollständig verschlucke; auch kann man ihm nach dem Eingeben das Maul sogleich mit Wasser oder Mehltrank ausspülen, was besonders nützlich ist, wenn die Pille zerbissen sein sollte. Die Wirkung wird, wie bei andern Abführungsmitteln, sehr befördert, wenn man den Thieren vorher ein Futter entzieht und ihm nach dem Eingeben reichlich Getränk und massige Bewegung giebt.
sect;-'t I'­ll) Das aus den Körnern gewonnene Krotouöl wirkt auf die­selbe Weise scharf reizend und drastisch purgirend, wie die Kro-tonkörner. Reibt man dasselbe bei einem Thiere an irgend einer Stelle in die äusserc Haut, so entsteht schon nach 2 bis 3 Stunden starke Entzündungsgeschwulst, es bilden sich Bläschen, die Ober­haut stirbt nach 30 bis 48 Stunden ab und vertrocknet zu Schor­fen, welche nach ihrem Abgehen für immer haarlose Flecke hinter­lassen. Ein Theil des Oels wird absorbirt, und wirkt, wenn es in grosser Quantität in die Haut am Bauche eingerieben war, nach 2G bis 3() Stunden massig purgirend. Bei Pferden war diese Wir­kung nach einer Einreibung von 60 Tropfen, bei Schafen von 30 Tropfen und bei Hunden von 15 bis 20 Tropfen zu bemerken. Die Thiere zeigten dabei ebenfalls etwas Fieber, und durch 1 bis 2 Tage verminderten Appetit.
Innerlich angewendet verursacht das Oel, bei Pferden in der Gabe zu 12 bis 20, beim Rindvieh von 20 bis 30 Tropfen nach
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7 bis 12 Stunden etwas beschleunigten Puls, Traurigkeit, Durst, Hitze im Maule, Verminderung des Appetits, zuweilen auch etwas beschleunigtes Athmen, nach 18 bis '2-i Stunden eine bald mehr bald weniger heftige Diarrhöf. Letztere trat selten vor IS, und eben so selten nach 24 Stunden ein, und dauerte 24 bis 60 Stun­den lang fort; die Exkremente gehen dabei zuerst und zuletzt brei­artig, in der mittleren Zeit aber wässerig ab. Die bezeichneten Störungen im Puls, Appetit u. s. w. mindern sich beim Eintritt des Purgirens und verlieren sich bis zum 3. oder 4. Tage wieder gänzlich. — Bei Hunden tritt dieselbe Wirkung von 5 bis 10 Tro­pfen oft schon nach \ Stunde ein: von 10 bis 20 Tropfen ist das Purgiren sehr heftig und durch 2 bis 3 Tage anhaltend, aber der Tod erfolgt hiervon nicht; von weniger als ö Tropfen sah ich bei diesenThieren niemals Purgiren entstehen; Andere behaupten, dass dasselbe schon nach einer Gabe von 2 Tropfen erfolge. *)
In die Vene gespritzt verursachen S Tropfen bei einem Pferde, und 2 Tropfen bei einem Hunde sehr heftige Krampfzufalle, und in kurzer Zeit den Tod.
Das Krotonöl ist erst in der neuesten Zeit von den Thierärzten als Arzneimittel angewendet worden, und zwar als ableitendes und als Purgirmittcl bei denselben Krankheiten, bei welchen auch die Kro-tonkörner benutzt werden. Pfannenstiel gab es auch bei com-plicirten Koliken und selbst bei Darmentzündungen mit gutem Er­folge, und zwar Kalomel 2 Drachmen und Krotonöl 1 Skrupel pro Dosi, und licss es auch äusserlich mit Terpentinöl verbunden in die Bauchdecken einreiben (Vix Zeitschr. Bd. Xllf. S. 160.). Das Oel stimmt im Wesentlichen mit der Wirkung der Samen Qbereiu, aber seine Wirkung scheint, wie Sommer ganz richtig angiebt (Magazin für Thierheilk. Bd. IX. S. 458.), milder, gleichmässiger und bestimmter zu sein und die Thiere weniger anzugreifen, als dies bei den Samen der Fall ist. Deshalb verdient das Oel vor dem letztern den Vorzug.
Die Gabe ist für Pferde 12 bis 20, fur Rindvieh 15 bis 25, für Schafe 8 bis 12, für Schweine und Hunde 3 bis 10 Tropfen.quot;) Man wendet es in Pillen oder in einer schleimigen Flüssigkeit an, ganz so und mit derselben Vorsicht wie die Erotonsamen.
*) z.B. Pope (Frorlep's Notizen a. d. Geb. d. Nat. u. Ileilk. Ajuit u. Dezbr. lt;S22, April (824. Nr. 208, 244, 2o), 257).
*') Dillweiler scliliesst ous einigen angeoaueo Vcrsuclicn, dass das Krotonöl unsicherer wirkt als die Samen und dass man von ihm zu einer Gabe für das Pferd 30 bis 60 Gran, oder 00 bis 100 Tropfen be­dürfe (Fuchs Ihieriirztl. Zeiliing, 1844. Nr. 32.). Siehe darüber: Som­mer, im Magazin für Tliierheilkundo XII. 4ü0.
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Es ist sehr zu bedauern, dass mau das Od oft verfälscht er­hält, wo es denn auch weniger wirksam ist.
Anmerkung 1. Der, nach dem Auspressen des Oels aus den Krotonkürnern verbleibende Rückstand, der sogenannte Kro-tonülkuchen (Placenta granorum Crotonh), enthält noch sehr viel scharfen Stoff und wirkt ganz wie die Krotonkürner, aber bei glei­chen Gaben schwächer als diese. Man rechnet von ihm 5 Gran, von den Kurnern aber schon 3 Gran einer Drachme Aloe in der Wirkung gleich, und die gewöhnliche Gabe für Pferde ist daher 35 bis 45 Gran. Allein das Mittel ist oft verdorben, überhaupt von sehr ungleicher Wirksamkeit, und steht daher, obgleich es wohlfeiler ist, den Krotonkürnern nach. Die Anwendung geschieht wie bei diesen.
Anmerkung 2. Eine aus dein Krotonsamen mit Weingeist oder noch besser mit Aether bereitete Tinktur (4 Unze zu 4 Un­zen), zeigti sich in der Gabe von 1 Unze bei einem Pferde inner­lich angewendet, fast eben so wirksam wie sect; Drachme der Körner in Pulverform; 2 Unzen erregten starkes Purgiren, Darmentzündung und den Tod in 12 Stunden. — Eine Drachme mit Althecschleim 1 Unze einem starken Hunde gegeben, brachte nach 3 Stunden starkes Purgiren hervor, welches durch IG Stunden dauerte, ohne dass andere Zufälle eintraten. — Nach einer halben Unze starb ein Hund unter sehr heftigen Zufallen (starkem, blutigem Erbrechen, reichlichem Purgiren, zuletzt mit Abgang von Blut, Lahmung der hintern Extremitäten) acht Stunden nach dem Eingeben. Eine Drachme dieser Tinktur in die Drosselveue eines Pferdes gespritzt, födtete dasselbe innerhalb 12 Minuten, nachdem Convulsionen, Er­stickungszufälle und Lähmung sogleich nach der Injektion einge­treten waren. — Man macht bis jetzt von diesen Tinkturen fast gar keinen Gebrauch, obgleich sie noch wohlfeiler als das Kroton-öl und von fast vierfacher Wirksamkeit desselben sind.
17. Aloe, Aloii s. Gummi-resina Aloes.
sect;• 412. Die Bestandtheile der Aloe sind, je nach der Güte derselben etwas verschieden. Die guten Sorten der Aloe (die Socotrini-sche, Aloe sncolrina, — die Cap-Aloe, A. capemls, — und die, jetzt kaum noch vorkommende glänzende, A. luclda) bestehen blos aus einem eigenthümlichen, früher für Gummi gehaltenen, sehr bittern Extraktivstoff (gegen 70 bis 80 Prozent) und aus einem bit­tern Harz (gegen 20 bis 30 Prozent); in den geringeren Sorten (in der Leber Aloe, A, hepalka, noch mehr aber in die Ross-AIoe
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A. caballina) siiui ausserdom noch: Eiweisstoff und andere fremd­artige Bestandtheile in verschiedener Menge enthalten, durch wel­che die Wirksamkeit dieses Arzneimittels geschwächt und modifi-zirt wird; namentlich bewirken die schlechteren Sorten durch ihren reicheren Gehalt an Harz eine weit stärkere Reizung der Einge­weide u. s. w. als die guten.
Wenn die Aloe innerlich in kleinen Gaben angewendet wird, wirkt sie einigermaassen den bittern .Mitteln ähnlich, auf den Ma­gen und Darmkanal gelind reizend, den Tonus vermehrend, und hierdurch den Appetit erregend, die Verdauung und die Resorption befördernd, die aus Schlaffheit entstandene übermässige Schleim­sekretion des Darmkanals und eben so die Erzeugung der Einge­weidewürmer beschränkend, — In grossen Gaben verursacht sie in den siimmtlichen Baucheingeweiden und deren Blutgefassen, be­sonders aber im Dickdarm eine heftige, mit Wallung und Conge­stion des Blutes verbundene Reizung, und hierauf Purgircn; — und in zu grosser Gabe fuhrt sie nicht selten auch Entzündung der Verdauungseingeweide und selbst den Tod herbei.
Die purgirende Wirkung der Aloe tritt bei den Thieren von verschiedener Gattung, und selbst bei Thieren von einer Gattung, nicht immer in gleicher Zeit und in gleicher Stärke ein; bei Pfer­den erfolgt sie nach einer Gabe von S bis 12 Drachmen dieses Mittels, in Zeit von 18, 24 bis 'Mi Stunden fast ganz sicher, und nachdem während dieser Zeit gewöhnlich etwas schnellerer Puls, Trockenheit und vermehrte Wärme im Maule, und Kollern im Leibe zu bemerken war. Manche Pferde versagen auch das Futter, zei­gen vermehrten Durst, Kolikzufalle (Kratzen mit den Füssen, Um­sehen nach dem Leibe, öfteres Niederlegen und Wiederaufstehen), und reichliche Urincntleerung. Vor dem Eintritt des wirklichen Purgirens wird der Koth lockerer geballt und weicher, dann ganz breiartig und selbst wässerig; er nimmt jedesmal einen eigenthiim-lichcn Geruch au, den man nach andern Purgirmitteln nicht wahr­nehmen kann. Der Grad und die Dauer der ausleerenden Wirkung ist aber sehr verschieden; letztere bei manchen Pferden auf 2, :5 Stunden beschränkt, bei andern über 24 Stunden ausgedehnt; die Individualität, der Krankheitszustand und das diätetische Verbalten der Thiere, so wie die Beschaffenheit und Gabe der Aloe sind hier­bei von sehr grossem Einfluss. — Nachdem das Purgiren wieder aufgehört bat, geht in den nächsten 24 bis 48 Stunden der Koth seltener ab als im gesunden Zustande.
Bei Wiederkäuern wirkt die Aloe viel schwächer purgirend als bei Pferden und sehr oft bleibt diese Wirkung selbst nach recht grossen Gaben ganz aus; ich sah zwar von 1 bis 2 Unzen des
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Mittels, in k Quart wannen Wassers gelöst und in kleinen abge-theilten Portionen (weil nur solche unmittelbar in den vierten Ma­gen gelangen) eingegeben, fast jederzeit nach 18—24 Stunden, und oft unter ähnlichen Zufallen wie bei Pferden, den Koth weicher und öfter als vorher entleeren, aber niemals einen wässerigen Durchfall entstehen. Rysz (Arzneiinittellehre, 8.14.) giebtan: dass bei einem gesunden Ochsen von einer, aus 4 Loth Aloe mit Seife bereiteten Pille zuerst Traurigkeit, schneller, voller Puls, geschwindes Athmen, Verlust des Appetites und des Wiederkauens, Auftreibung des Hin­terleibes, Kolikschinerzen, und endlich nach 15, 20, 24 und zuwei­len erst nach 36 Stunden häufigeres dünnes Misten entsteht. Wäh­rend des Purgirens zeigt das Thier heftigen Durst und die Fress­lust kehrt nur allmählig wieder. — Viborg (a. a. 0. Bd. 4. S. 274.) gab 3 Loth des sogenannten gummosen Bestandtheils der Aloe in 3 Pfund Wasser gelöst, einem dreijährigen inländischen Widder, es entsand nach 12 Stunden Purgiren, welches 3(5 Stunden anhielt, so dass das Thier in 2 Tagen 9 Pfund Koth entleerte. — Ein an­derer Widder, dem Viborg ein halbes Loth des gummichten Theils der Aloe, in \\ Pfund Wasser aufgelöst, eingab, entleerte nach 12 Stunden weichen Koth, der seine birnförmige Gestalt verloren hatte und dieselbe erst nach 12 Stunden wieder erhielt. — Dagegen sah Viborg bei einem zweijährigen Büffelochsen nach dem Ein­geben von 3 Loth des gummichten Theils der Aloe in 3 Pfund Wasser, keine Abführung, sondern eine grössero Fressbegierde ent­stehen. In der Tliierarzneischule zu Lyon gab man einer Kuh die Aloe bis zu 6 Unzen auf einmal, sowohl in Auflösung mit Wasser als auch in Latwergenform, worauf etwas Fieber, Beängstigung und Appetitlosigkeit, aber kein Purgiren erfolgte (Compte rendu in d. Ann. de l'Agric. Tom. 70.). Gilbert hatte gleichfalls einer Kuh 6 Unzen dieses Mittels, noch verstärkt durch ein Infusum von 4 Unzen Sennesblätter, — desgl. 2 Schafen, jedem \\ Unzen Aloe eingegeben, ohne irgend eine Wirkung hiervon zu sehen; von 2Un­zen Aloe, mit Mehlteig zu Pillen gemacht, starb ein Schaf nach 27 Tagen, aber Purgiren war nicht erfolgt. (Annal. de l'Agric. fr. Tome 3.)
Schweine purgiren von ^Unze Aloe in Zeit von 20 bis 24 Stun­den, — Hunde von 1 bis 3 Drachmen in (i bis 10 Stunden.
Eine Auflösung von 1 bis 4 Drachmen Aloe in 2 bis (1 Unzen Wassers oder schwachen Branntweins in die Drosselvene bei Pfer­den und EUhen gespritzt, verursachte nur massige Vermehrung des Pulses, etwas schnelleres.Athmen, Traurigkeit und zuweilen nach einer halben Stunde Drang zu Kotbenlleeruug; Purgiren erfolgte niemals. Dieselben Erscheinungen sähe auch Dupuy nach Injek-
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tionen von 1 bis 2 Unzen in wässerigem Weingeist gelöster Aloe au einem Esel entstehen (Journ. de med. veter. 1836. p. 177.).
Turner infuudirte einem 15 Jahr alten Pferde G Drachmen von der Aloe bnrbad. in 24 Unzen Wasser gelöst, in die Drossei-vene, und zwar zuerst ü Unzen, und als nach J Stunde keine Wirkung wahrgenommen würde, eben so viel, worauf ein beschleunigtes, uuregelmässiges Athinen eintrat. Als er später dieselbe Menge in-fundirte, wurde das Athinen sehr geräuschvoll. Als nach 15 Mi­nuten diese Erscheinung wieder vorüber war, infuudirte er den Rest, worauf sich Ekel, Angst, angestrengte Respiration, Unruhe und Schweiss einstellten; 2 Stunden nach der Infusion zeigte das Thier Kolik. Blut, welches zwischen der 3ten und 4teu Stunde aus der Vene der andern Seite abgelassen wurde, schmeckte ganz bitter. Das Schwitzen Hess nach, aber es trat Mistabgang reichlich, zum Theil unwillkürlich ein. Nach 12 Stunden erfolgte Laxiren ohne Schmerzen, welches am folgenden Tage fortdauerte. Nach 3 bis 4 Tagen befand sich das Pferd wieder wohl.
Acusserlich, auf Wunden und Geschwüre applizirt, bewirkt die Aloe, sowohl in Pulverform, wie auch im Weingeist aulgelost (Aloe-Tinktur), eine gelinde Reizung, vermehrte Resorption, Zusammen-schrurapfung und Verdichtung der Granulation, — Verbesserung, aber zugleich Verminderung des Eiters, und oft gänzliches Aus­trocknen einer eiternden Fläche. Zu anhaltend angewendet macht sie schwielige Verdickung und Verhärtung der Theile.
sect;• 413.
Die Aloe wird innerlich sowohl in kleinen Gaben, als gelind erregendes tonisches, die Sekretionen der Schleimhäute, namentlich im Dannkanale, verbesserndes Mittel, wie auch in grossen Gaben als Purgirmittel benutzt.
Zu ersterem Zwecke dient sie gegen Schwäche und Erschlaf­fung der Verdauungseingeweide, wenn die Reizbarkeit derselben weder zu sehr gesunken noch krankhaft erhöht ist. Unter diesen Umständen ist sie besonders bei Versclileimung, bei zu geringem Appetit, bei schlechter Verdauung, wenn der Koth zu locker, zu weich und mit Schleim umhüllt, abgeht, bei Diarrhöe mit reichli­chem Abgange schleimiger Exkremente, aber auch bei Leibesver-stopfung in Folge von Torpidie, und bei Würmern eine ganz vor­treffliche Arznei, welche nicht immer durch die gewöhnlichen bitfern Mittel ersetzt werden kann, wie Manche glauben.
Seit alten Zeiten schreibt man ihr auch eine spezifisch reizende, die Gallensekretion befördernde und verbessernde Wirkung auf die Leber zu, und wendet sie deshalb bei Stockungen in derselben, bei chronischer Gelbsucht, bei Leberegeln, bei Dummkoller mit gleich-
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zeitiger Leberaffektion, hei der weissen Ruhr der jungen Tbiere und dergl. asthenischen Krankheiten mit Nutzen an.
Man gieht sie in allen solchen Füllen fiir Pferde zu \ his 1 Drachme, fiir Rindvieh zu 1 his 2 Drachmen, fur Schafe und Schweine zu 1 his 2 Skrupel, fiir Hunde zn 1 bis 6 Gran, täglich 4 his 6 mal, und in Verbindung mit aromatischen oder adstringi-rendcn Mitteln, mit Ofenruss, Stinkasant und dergl. (s. sect;. 250.).
sect;#9632; 414.
Als Purgirmittel wird die Aloe am häutigsten angewendet und zu diesem Zwecke in der Thierheilkunde gewöhnlich allen andern Mitteln vorgezogen, weil, wenigstens bei Pferden, Eseln und Maul-thieren, ihre zweckmässige Anwendung in den meisten Fällen mit ziemlich sicherer Wirkung und verhältnissmässig mit der wenig­sten Gefahr begleitet ist. Doch hat sich in neuerer Zeit gezeigr, dass sie vom Krotonsamen und vom Krotonöl an Schnelligkeit, Sicherheit und Stärke des Erfolges übertroffen wird, und deshalb ziehen einige Praktiker die letztern Mittel ihr vor. Bei Wieder­käuern ist allerdings (wie sect;. 412. gezeigt) diese Wirkung von der Aloe allein nicht so sicher und daher das Mittel weniger brauchbar, in Verbindung mit andern Mitteln aber oft sehr nützlich; und bei Hunden wird es an Wirksamkeit von der Jalape übertroffen.
Die Anzeigen zur Anwendung der Aloe in purgirender Gabe sind: hartnackige, anhaltende Verstopfung des Leibes, entstanden aus Erschlaffung und aus Mangel an gehöriger Thätigkeit im Dick­darm, daher auch bei der sogenannten Verstopfungskolik der Pferde, wo sich im Grimmdarm und zuweilen auch im Mastdarm unge­heure Kothmassen anhäufen, welche durch Salze und andere Laxir-mittel nicht, wohl aber durch die Aloe gut zu beseitigen sind; wird diese früh genug augewendet und ist der Zustand richtig er­kannt, so kann man sich auf ihre Wirkung verlassen. Bei der chronischen Unverdaulicbkeit des Rindviehes, wo die Grundkrank­heit auf denselben Verhältnissen beruht, soll das Mittel (nach Cam-bran, Journ. veter. et agric. de Belgique, 1844, p. 317.) in Ver­bindung mit Glaubersalz ganz zuverlässig wirken. — Unter gleichen Umständen ist dies Mittel auch zur Entleerung von Eingeweide­würmern und von Darmsteinen am besten geeignet. Ehen so dient es auch häufig, um auf antagonistische Weise eine Ableitung von andern Organen auf den Darmkanal zu bewirken, oder um die Resorption in andern Theilen zu verstärken; daher bei asthenischen, chronischen Augenentzündungen, bei dem Dummkoller mit Ergies-sung von vielem Wasser im Gehirn, hei ödematösen Anschwellun­gen am Bauche und an den Schenkeln, hei Metastasen, bei Haut­ausschlägen und dergl.
Ifortwig ArzneiiuittftlcLrf,nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;2S
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Ausserdem wird die Aloe sehr oft tlieils als ein prophylaktisches Mittel gegen verschiedene Krankheiten, die aus Vollblütigkeit ent­stehen könnten, z. B. bei Pferden, die viel Ruhe und gutes Futter erhalten, die zu Augonentzündungen, Dummkoller und dergl. eine Anlage haben, — theils auch gegen die zu grnsse Fettigkeit, be­nutzt. In letzterer Absicht auch bei dem Trainiren der Renn­pferde.
Die Gabe ist fur ausgebildete Pferde (1 Drachmen bis 1^ Un­zen,*) für Rindvieh 1 bis 2 Unzen, für Schafe i- bis 14 Unzen, für Schweine -j Unze, für Hunde i Skrupel bis 1 Drachme. **)
Die Anwendung kann in Pillen, in Latwergen und in flüssiger Form geschehen; für Pferde ist die erste Form am gebräuchlichsten und wohl auch am zweckmässigsten, weil das Eingeben einer be­stimmten Gabe ohne Verlust am sichersten in einer Pille zu be­wirken ist, und weil, Beobachtungen zufolge, bei der Anwendung in dieser Form weniger leicht Eolikzufalle entstehen, als nach der Anwendung des Mittels in flüssiger Form. Dagegen ist die letz­tere bei Wiederkäuern am vorzüglichsten (sect;. 89.).
Die Aloe wird als Purgirmittel häufig mit andern Mitteln ver­bunden, theils um sie, und namentlich ihren harzigen Bestandiheil besser auflüslich zu machen, und hierdurch ihre eigene Wirksam­keit zu vermehren, — theils auch um die Wirkung durch jene Mit­tel, deren Eigenschalien gemäss, zu modifiziren. Zu den Mitteln ersterer Art gehören das kohlensaure Kali (Potasche), weisse und grüne Seife, Seifenwasser und schwacher Branntwein; — zu den Mitteln der zweiten Art aber das Kalomel (von Manchem zugesetzt, wenn Würmer ausgeführt werden sollen), — die schwarze Nies­wurz (bei grosser Reizlosigkeit, bei Wassersüchten),— die Neutral-und Mittelsalze (bei Verstopfung, wenn der Koth vorher sehr trok-ken abging, und sehr zweckmässig auch in Jedem Falle bei wie-
*) Traeger (sielie dessen: I-'üHonkranUIieilen H. iä.) hat öfters l)e-obachlet, dass nagende Slulen leicliler pnrgiren und deslialli kleinerer Gaben bedUrfou als andere Pferde, — Tür Füllen bat derselbe die Aloe im milllern Duruhsclinilt, nach dem Aller ungefiilir zu y Gran auf die Woche gerechnet, als brauchbare Gabe gefanden; so dass ein Fitllen von
1nbsp; nbsp;Woche ;gt; Gan, — von 2 Wochen tO Gran, — von 3 Wochen 13 Gran, — von 1 Monal 1 Skrupel, — von 2 Monat 2 Skrupel,—-von G Monat
2nbsp; nbsp;Drachmen, — und von 1 Jahr i Unze erhall.
**) Morton (Manual of Pharmacie of velorin. nied. p. 73.) sagl: dass ein Hund so viel Aloe zu nehmen im Stande sei, als hinreichend sein würde, zwei erwachsene Menschen zu tödlen. Bei dem kleinsten Hunde sei -; Drachme seilen zu viel, doch sei es besser mit i\j bis 2 1 Gran zu beginnen.
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derkäuendeu Thieren), — die Jalape, Jalapcnljarz (nur für Hunde), und dergl. in. In England, wo bei kranken und gesunden Thie­ren, von Tbierärzten und Nichtthierärzten die Aloe als das gewöhn­lichste Arzneimittel, und bis zum Misshrauch angewendet wird, pflegt man ihr gerne eine kleine Quantität Ingwer, oder ein ande­res aromatisches Mittel, seihst etwas ätherisches Oel (namentlich Kiimmclül oder Pfefferminzol) zuzusetzen, in der Absicht, um die zu grosse Schwächung des Darmkauais, Kolikzufälle und die zu­weilen sehr reichliche Entwickelnng der Blähungen zu verhüten.
Die Seife dient bei fast allen diesen Zusaminensetzimgen nicht allein zur Auflösung der Aloe, sondern zugleich auch als ein zweck-mässiges Bindemittel, besonders bei der Bereitung der Pillen; z.B. man nimmt:
pulveris. gute Aloe') (i bis Jll Drachmen, geschabte weisse Seife 3 Drachmen bis | Unze, lauwarmes Wasser 1 Drachme, oder so viel wie nuthig ist; — reibt alles in einem Mörser zu einer gleichförmigen Masse zu-sainraen und macht daraus eine Pille, die man einem Pferde auf Einmal giebt.
Die grüne Seife scheint die Wirkung der Aloe noch mehr zu befördern als es die weisse Seife thut: auch ist, wenn die erstere benutzt wird, der Zusatz des Wassers nicht nüthig.
Zu den Bestandtheilen der angegebenen einfachen Pillenmasse, kann man nach Bedürfniss der Umstände noch Kalomel 1 bis 2 Drachmen, —#9632; oder pulv. Ingwer 1 Drachme, — oder schwarze Nies­wurz 20 bis 30 Gran hinzusetzen.
Als sehr wirksam hat man auch die auf folgende Weise be­reiteten Purgirpillen befunden: man nimmt; pulv. Aloe i Pfund,
flüssiges kohlensaures Kali (d. i. eine conzentr. Aufl. der gereinigten Potasche) 9 Unzen. Diese Ingredienzien werden in einem Topfe zusammengeriihrt, dann im sogenannten Wasserbade zu einer gleichförmigen Masse zusam­mengeschmolzen , worauf man von letzterer I Loth schwere Pillen macht, und diese in Papier gewickelt aufbewahrt. Man giebt da­von Pferden und Kühen 2 bis 3, Schweinen 1 Stück, und Hunden nach Verhältniss ihrer Grosso j, -^ bis 1 ganze Pille.
*) Din bcsle Aloe Ist stels (Ik'jcnigo, welche den meisten Exlrakliv-sloll besitzt, und da man (lielt;eii In der Leber-Aloe eben so reichlich wie in der sokoIrinischen findet, so ist es unrichlig, wenn die letz­lere nnbedingl als die beste bezeichnet wird.
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Will mau die Aloe in flüssiger Form anwenden, so ist bios nöthig, die Pillen in lauwarmem Wasser aufzulösen, oder die be­stimmte Gabe der pulver. Aloe mit 1 bis lö- Pfund lauwarmen Seifenwassers zusammen zu reiben, oder auch mit letzterem in einer Flasche gut zusammen zu schütteln. Auch kann man wieViborg bei den oben angegebenen Versuchen rocht zweckmässig eine Auf­lösung der Aloe in warmem Wasser (auf 1 Theil 8 bis 10 Theile) machen, nach dem Erkalten die Flüssigkeit von dem harzigen Bo­densatz abseihen und erstere fur sich allein anwenden; dieselbe enthält den Extraktivstoff'(den sogenannten gurnmichten Bestandtbeil) der Aloe aufgelöst, und dieser wirkt, allen Versuchen zufolge, nur allein purgirend, während der harzige Bestandtbeil blos eine schmer­hafte Reizung der Gedärme verursacht. Die Wirkung von einer solchen Auflösung ist daher stets milder, aber deshalb nicht schwä­cher als von der ganzen Aloe. Cambran empfiehlt bei der chro­nischen Uuverdaulichkeit folgende Mixtur: Ep. Alvex succolr. 1 Unze, Natri sulphuric. I'-iUnz., Liquor. Ammon. canst. -^ Unze, Äf/uae comm. 4SUnz. Die Aloe wird zuerst in der Aetz-Ammoniakflüssigkeit ge­löst, dann mit der Auflösung des Glaubersalzes verbunden, und hiernach die Flüssigkeit auf 2 mal, in Zwischenzeiten von 2 Stun­den, gegeben. ('. versichert, dass selten eine Wiederholung nöthig sei.
Bei dem Gebrauch der Aloe als Pnrgirmittel ist bei allen Thie-ren, vorzüglich aber bei Pferden, ein passendes diätetisches Ver halten nöthig, um die purgirende Wirkung zu erleichtern, oder Kolik, Darmentzündung und andere widrige Zufälle zu verhüten. Erlaubt es die Zeit, so gieht man schon am Tage vor der Anwen­dung der Aloe den Thieren nur weiche, milde Nahrung (Pferden etwas Heu und Kleie, aber kein Körnerfutter), und auch nur in geringer Menge; dabei lässt man sie nach ihrem Belieben Kleien­wasser saufen. In jedem Falle entzieht man ihnen wenigstens ti, 8 bis 12 Stunden vor dem Einsehen der Purcanz das Futter gänz-lieh; nach dem Eingeben tränkt man sie von Zeit zu Zeit mit überschlagenem Kleienwasser, bedeckt sie mit einer warmen Decke und giebt ihnen bei der nächsten Futterzeit wieder nur wenig Heu und Kleie. 6 bis 8 Stunden nach dem Eingeben kann man bei müder Witterung die Pferde durch eine viertel- bis halbe Stunde herumführen oder massig reiten lassen; bei kalter, unfreundlicher Witterung behält man sie lieber im Stalle. Diese Diät wird fort­gesetzt, bis das Purgiren vorüber ist, wo man den Thieren nach und nach wieder ihre gewöhnliche Nahrung giebt.
sect;. 415.
Aeusserlicb dient die Aloe a) als gelind reizendes austrocknen­des Digestivmittel, bei schlaffen unreinen, schlecht eiternden, mit
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üppiger, lockerer Granulation oder mit Maden verseheneu Wunden und Geschwüren, uameuilich wenn Sehnen, Knochen und Knorpel mil ergriffen sind, wie z. 13. bei Widerristschäden, hei Kackentistiin. bei Ejiorpelfistelu, bei ausfallender Mauke und dergl. Rysz und Greve behaupten zwar, dass die Aloe hierbei nichts leiste, dass sie die Mjstossuug der abgestorbeneu Theile sogar bindere und die Heilung übereile; — allein diese Nachtheile hat sie nur dann, wenn sie zur Unzeit, zu früh und ohne Berücksichtigung des in den Wunden und Geschwüren bestehenden Charakters der Lebeustbä-(igkeit angewendet wird. Zur rechten Zeit gebraucht, ist sie ein sehr wirksames Heilmittel, und bei eiternden, asthenischen Hufge­schwüren wird sie hinsichtlich ihrer erregenden und austrocknenden Kraft kaum von einem andern Mittel übertreffen. Ausserdem dient sie b) als gelind erregendes tonisches Mittel zur Zertheilung asthe-nischer A igenentzündunger, welche mit Erschlaffung der Binde­haut, mit ühermässiger Absonderung von Schleim und Thränen verbunden sind; eben so auch bei Flecken und Verdunkelungen der Hornhaut.
Die äusserliche Anwendung geschieht zuweilen 1) in Pulverform, indem man sie entweder für sich allein, oder mit Kohle Arsenik (/,. B. in dem Oesterreichschen Krebsmittel), Kalmus, Eichenrinde und dergl. Mitteln versetzt, in Geschwüre eiugestreuet; 2) in Sal-ben, z. B. als Zusatz zur Terpentinsalbe, oder als Augensalbe z. B. gegen Hornhautflecke (Honig oder Fett 2 Drachmen, fein pulv. Aloe S Gran); — 3) am häufigsten in Auflosung mit Weingeist (nach Vorschrift der Preuss. Pharmakopoe 2 Unzen Aloe zu 1 Pfd. des letztern), als Aloe-Tinktur {Tlrtclara Alues), welche gewöhnlich für sich allein in torpide, unreine oder dein Vernarben nahe ge­kommene Wunden und Geschwüre, und eben so auf Horuhautflecke gestrichen, — zuweilen auch zu Salben und aromatischen Augen-wässern (l bis 2 Dracbmeu zu 3 bis 4 Unzen) gesetzt wird. In Verbindung mit Myrrhen-Tinktur, Stinkasant-Tluktur und Terpen­tinöl, bildet die Aloe-Tinktur den sogen. Wundbalsam (S. 333.).
sect;. 416.
Die Aloe darf bei den, im sect;. 373. bezeichneten Krankheitszu-ständen innerlich nicht angewendet werden, und bei noch beste­hender synochöser Entzündung, bei grosser Empfindlichkeit und Trockenheit in Wunden n. s. w., iquot;t auch ihre äusserliche Anwen­dung schädlich.
Anmerkung. Das wässerige Aloe-Extrakt [Extractmn Alots arjuosum s. gummosiim), -.- bereitet durch Auflösen der pulv. Aloe in Wasser vermittelst Digeriren, dann Filtriren und Abdampfen der Flüssigkeit bis zur Konsistenz eines Extraktes, — enthält nur
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den Extraktivstoff mid wirkt daher wie die wässerige Auflösung (S. 436.) milder und gleichmässiger, als die Aloe in Substanz. Englische Thierärzte haben deshalb in neuerer Zeit die Anwen­dung dieses Extraktes empfohlen, und zwar für Pferde in der Gabe von G bis 7 Drachmen, für Kühe zu 1 Unze, für grosse Hunde zu 20 bis 30 Gran.*)
Die übrigen mannigfaltigen Präparate von der Aloe sind in der Thierarzneiknode nicht gebräuchlich.
18. Enphorbien- oder Wolfsmilch-Harz, Eaphorbium s.
Gummi Huphnrbti.
sect;. 417.
Das Euphorbium besitzt als wirksame Besfandfheile ein schar­fes Harz (über die Hälfte des Gewichts) und etwas ätherisches, scharfes Oel, in Verbindung mit Wachs, mit Kali- und Kalksalzen, mit Pflanzenschleim und andern, weniger wichtigen Stoffen.
Es verursacht \m jeder Art der Anwendung an den betroffe­nen Stelleu des Thierkorpers sehr heftige Reizung, jedoch ohne Blasenbildung, sondern mit papuliisem Ausschlag, Entzündung, Ausschwitzung und Verschwänmg; — bei innerlicher Anwendung auch heftiges Erbrechen, Purgiren, und nach etwas starken Gaben (d. i. bei Pferden nach 1 bis 2 Unzen, bei Hunden nach 1 bis 3 Drachmen) unter heftigen Kolikzufällen den Tod. Ein Hund starb auch 39 Stunden nach dem Aufstreuen von 2 Drachmen ptdvcr. Euphnrbiumharzes auf eine Wunde am Schenkel. Bei der Sektion fand man die Entzündung von dem operirten Gliedo bis zur fünf­ten Brustrippe derselben Seite verbreitet; an der Wunde war kein Schorf entstanden und. die innern Organe waren nicht entzün­det (Orfila).
Dieser heftigen Wirkung wegen wird das Euphorbium nur äusserlich, und zwar bei denselben Krankheitszi,ständen und für dieselben Zwecke angewendet wie die Kantharidcn (ij. 381.). Da es jedoch tiefer in die Haut einwirkt, die Haarzwiebeln mehr zer­stört, und daher eher kahle Flecke hintcrlässt als die Kanthariden so verdienen die letztern fast immer, besonders aber bei feinen Pferden, den Vorzug vor ihm. Man benutzt es daher auch jetzt nur selten, nur bei sehr hartnäckigen Uebeln, bei Thiercn von gemeiner Race, und wo die Haut sehr dick und wenig empfind­lich ist.
Die Anwendung geschieht mehrentheils in Salben, indem man
') Tlie Farrier and Naturalist, ;s-28. p. 21. u. f.
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das Euphorbiura mit Fett oder mit einer Harzsalbe mengt, beson­ders aber als Zusatz zur Eantharideusalbe (1 bis 2 Draebmen fein pulv. Euphorbium zu 1 Unze), um die reizende Wirkung dersel­ben zu verstärken. Zu demselben Zwecke dient, es auch als Be-standtbeil in dem scharfen Pilaster (sect;. ÜSi.). Zuweilen benutzt man auch die aus -i Unzen Euphorbiumpulver und 1 Quart Wein­geist, bereitete Eupborbium-Tinktur (Tinetura Euphorbii) zur Anwendung auf cariüsc Geschwüre, oder zur Einreibung gegen Lähmung und Schwund, tbeils für sieb allein, tbeils in Verbindung mit Kantbariden-Tinktur, mit Terpentinöl und dergl. — Ehemals wurde auch das pulverisirte Euphorbium zur Zerstörung der wu­chernden Granulation und um die Abblättcruug cariöser Knochen zu befördern, in Wunden und Geschwüre eingestreut; da aber hier­bei oft sehr luftige Entzündung in den nahe liegenden gesunden Tbeilen entsteht, und da man zur Erreichung der bezeichneten Heil­zwecke bessere Mittel hat, so wird es jetzt nicht mehr auf diese Weise gebraucht.
Anmerkung. Fast alle, und auch die in Deutsehland wild wachsenden Species der Wolfsmilch (mit Ausnahme der siissen W., Euphorbia dulcis) besitzen einen scharfen Stoff, der besonders in dem Safte enthalten ist und der auf den Thierkorper ähnlich wirkt, wie dasEuphorbiumharz. Orfila gab einem starken Hunde S Unzen ausgepressten Saft von der kreuzblätterigen Wolfs­milch {Euphorbia LalJtyrls) und unterband den Schlund; nach % Stunden waren Neigung zum Erbrechen, 3 Darmentleerungcn, Mat­tigkeit, — nach 27 Stunden convulsivische Bewegungen und nach 28 Stunden der Tod eingetreten. BeimOeffhen fand man die Lun­gen livid, derb, mit Blut angefüllt, den Mastdarm hin und wieder geröthet, den übrigen Darm gesund. Ganz ähnlich wirkten bei einem andern Hunde 5 Unzin des Saftes von der Cypressen-W 01 fS m i 1C h ( Eaphorb. Cyparissias )#9632;
Ehemals wurden die Samen der kreuzblällerigen Wolfsmilch unter dem Namen: Springkörner, Purgirkörner (Semina Ca-taputil minorlt) als Purgirmittel benutzt, sind aber jetzt ganz aus dem Gebrauch gekommen.
19. Gummi-Gutti, Guttl s. Gummi Culluc.
sect;#9632; 418.
Es besieht grösstentheils (gegen j) aus einem scharfen Harz, welches mit Gummi innigst verbunden ist Es löst sich daher im Weingeist fast ganz, im Wasser zum grössten Theil auf, bildet aber mit dem letztern eine undurchsichtige gelbe Flüssigkeit.
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Innerlich gegeben erregt es bei allen Thieren starkes Purgiren, bei Hunden, Katzen und Schweinen auch Erbrechen. Das Purgi­ren erfolgt von etwas geringeren Gaben und etwas früher als bei der Aloe, ist aber öfter als bei diesem Mittel mit heftigen Zufällen begleitet. — Einem Füllen im zweiten Jahre gab Flormann*) 15 Gran Gummi-Gutti in 2 Nössel (etwa 2 Pfund) Wasser aufgelöst, durch die Nasenlöcher**) ein, damit nichts verschüttet-werden sollte. Eine Stunde darauf befand es sich unwohl, hatte schnelleren Puls, zog mit den Flanken, hob bisweilen den Schweif, kratzte mit den Füssen und bekam bisweilen kleine Zuckungen der Muskeln. Nach 3 Stunden schien der Bauch aufgedunsen, und die Zufälle verstärk­ten sich; nachdem es aber mehrere dünne Kothentleerungen ge­habt, bekam es 5 Stunden nach dem Eingeben heftigen Frostschauer am ganzen Körper. Mit Verlauf von 7 Stunden zeigte es Fress­lust und befand sich nachdem wieder wohl. — Dasselbe Füllen be­kam von 30 Gran des Mittels die nämlichen Zulalle, und innerhalb 5 Stunden mehrere dünne Leibesöffiiungen; es erholte sich aber erst 12 Stunden nach dem Eingeben wieder. —- Ein fünfjähriges Heiterpferd erhielt 2 Drachmen Gummi-Gutti in Pillen; es wurde darauf unruhig, wollte weder fressen noch saufen, hatte schnelleren Puls und entleerte nach l'l Stunden einmal, und dann noch ein paarmal Mist, der lockerer als gewöhnlich und beller von Farbe war. — Viborg (a. a. 0. Bd. 4. 8.275.) sah bei einem Sjährigeu Pferde von 1 Unze im Wasser aufgelöstem Gummi Gutti keine merkliche Wirkung, — dagegen von derselben Gabe bei einem yährigen Füllen innerhalb der ersten ö Stunden 11 maliges Laxireu erfolgen.
Bei einer Kuh brachten 21 Unze dieses Mittels in Wasser auf­gelöst, fast gar keine Wirkung hervor; als mau ihr aber die dop­pelte Quantität gab, traten augenblicklich Vergiftungszufälle ein, und am folgenden Tage entstand blutiger Durchfall, welcher IT Tage dauerte. Nachdem alle Zufälle vorüber waren und dasThier sich wieder erholt hatte, gab man ihm G Unzen Gummi-Gutti in 12 Pfund Wasser gelöst. Schon nach Verlauf von 2 Stunden trat starker, stinkender, aber nicht blutiger Durchfall, massiges Fieber, Beängstigung und Mattigkeit ein; das Fieber verschwand bald, aber der Durchfall dauerte durch 13 Tage.*5')
*) Viborg, Samml. Üd. 3. S. IS2.
*) Siels eiraquo; gefährlicher Weg, auf welchem niim kein Medikament boibringen sollte, am weaigsleD laquo;bur dann, wenn man durch Vcrsuciio erst die Wirkung der Miüel kennen lernen will.
quot;*) Comple rendn des IravfUix do IVcole vel. df. Lyon. Ann. 1817. Annal. de rogricull frunf. Tome 70, p. 20.
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Einem gesunden Schafe gab Daubentonquot;) 1 Gran Gunimi-Gutti in einer Püle; nach 24 Stunden erfolgte weiches Misten, ohne Zeichen von Schmerz. Dieselbe Gabe in Wasser aufgelöst wirkte auf dieselbe Weise bei einem andern Schafe in 2\i Stunden. Es ist daher merkwürdig, dass nach seiner Angabe zwei Skrupel dieses Mittels bei Schafen zuweilen gar nicht wirkeu. Von I Drachme hat derselbe dasPurgiren niemals fehlen, aber auch keine widrigen Zufalle entstehen sehen; von zwei Drachmen mit Honig eingegeben, starb dagegen ein Schaf in '.) Stunden. Vibcrg sah von 20 Gran Gummi-Gntli in S-ji Unze Wasser aufgelöst, ein Schaf nach 48 Stunden purgiren. — Nach demselben Schriftsteller wirkt bei Schweinen 1 Drachme Gummi-Gutti abführend, aber zu­weilen auch in so grosser Gabe brccheucrregeiul, weshalb es in mehreren kleinen Portionen eingegeben werden muss.*quot;)
Ich sah bei zahlreichen, hierüber gemachten Versuchen Pferde von % bis i Unze, Kühe von 1 bis IJ- Unze, Schafe und Hundt von JO bis 20 Gran, und Schweine von | bis 1 Drachme fast jedesmal purgiren, Schweine und Hunde aber auch häufig sich erbrechen. Letztere ertrugen (ganz wie bei Orfila's Versuchen) I bis 2 Drachmen Gummi-Gutti ohne Nachtheil, wenn das Er­brechen nicht gehindert war; bei unterbundenem Schlünde starben sie aber von 2 Drachmen in Zeit von 12 bis 20 Stunden. Die Sektion zeigte dann Entzündung des Dickdarms.
Auf Wunden gebracht wirkt das Gummi-Gutti reizend, jedoch weil weniger als das Euphorbium; dennoch aber starb ein Hund nach der Anwendung von 2 Drachmen des Mittels auf eine frische Wunde, die nur bis auf das Zellgewebe des Schenkels ging, binnen einigen Stunden.
sect;. 419.
Das Gummi-Gutti ist bisher nur bei wenigen Thielkrankheiten versucht worden. Daubenton empfahl es bei der Fäule und Wassersucht der Schafe, wo es aber, wie bei allen cachektischen Krankheiten, nur mit grösster Vorsicht angewendet werden darf; ich habe es gegen Würmer, besonders gegen den Bandwurm bei Hunden, und gegen den Dummkoller der Pferde mit Nutzen ge­braucht. Ueberhaupt konnte man es in solchen Fällen, wo man durch Purgiren eine Ableitung von andern Organen auf den Darmkanal bezweckt, eben so gut wie die Aloe gebrauchen; da­gegen mochte es der letztem bei gastrischen Krankheiten immer nachstehen.
') Anserl. Bt;i:r. z. Thierarzneik. ts Stück. Lelp. )7SG. S, IS'i. '#9632;) Viborg, Anleit, z. Erziel), u. Bemilz, d. Schweins, S. 80,
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Die Griisse der Gabe filr tlio verschiedenen Thiere ist in den angeführten Versuchen (g. 418.) bezeichuet. — Die Anwendung kann in Pillen oder in Auflösungen mit Wasser geschehen.
Zu den scharfen, aber jetzt nicht mehr gebräuchlichen und prOssentheils veralteten Arzneimitteln gehören noch folgende:
a) Die Kelleresel, Asseln, Kellerasseln (Millepedes), ehedem als urintreibeudes Mittel (IJO bis 101) Stück für ein Pferd) benutzt. — b) Die Eselsgurke, Eselskürbis {IBomordica Ela-lerium), von den alten griechischen und römischen und spätem Thierärzten als Purgirmittel gebraucht, aber nach Viborg's Versuchen (an Pferden) zu 1 bis U-Pfd. gegeben, ganz ohne Wirk­samkeit, — c) .Die tlasehvurzel {Radix Asari), bitterlich-scharf, im frischen Zustande brechenerregend und purgirend, aber ge­trocknet und alt meistens wenig wirksam, ehemals (z.B. von Kersting) gegen Verschleinumg u. dgl. benutzt. In einem Falle, wo eine Kuh 3 Unzen in 2 Gaben erhalten hatte, war heftige Ent­zündung der Eingeweide eingetreten.8) — d) Zworgholunder, Attichkraut, Wurzel und Beeren (llerba, Radix et Baccae Eitdf), ekelhaft bitterscharf, brechenerregend, purgirend, urintrei­bend; daher gegen Wassersucht empfohlen. Auch der eingedickte Paft der Beeren {Extract. Bacc. Ebuli) ist hierzu empfohlen, in Gaben von J, his 2 Unzen für die grosseu Thiere. — e) Johanraquo; neskraut nebst Blumen {IJolta et /Voces Hyperici), bitterlich bal­samisch und etwas scharf, ehemals ein sehr gerühmtes Wundheil-miitil, und ebenso das von ihm bereitete gekochte Johaunesöl
{Oleum Hyperici coefam), — f) Kreuzdornbeeren (ISuccac Rhamni rathnrfici s Spinae cervinae), als Purgirmittel (z. ]3. bei Hunden zu o Unze der frischen Beeren) ziemlich wirksam. In England ist auch der eingedickte Saft (das sog. Saftgrün) für diesen Zweck noch gebrauchlich. — g) Küchenschelle, das Kraut {Herba Pulsattllae nigricanfis), scharf reizend, Entzündung, Erbrechen und Purgiren erregend, besonders gegen Augenkrankheiten (schwarzen Staar) und asthenische Entzündungen versucht, von den Homöopa­then gegen stinkende Durchfälle, chronische und unregelmässige Druse, chronischen Husten, katarrhalische Lungenentzündung, Ent­zündung der Gebärmutter, Verhärtung der Hoden, Harnverhaltun­gen, Oedeme, hartnäckige Geschwüre und dergl. viel benutzt. — h) Mauerpfefferkraut, kleiueHauswurz {BerbaSediminoris), sehr reizend, brechenerregend, purgirend, uriutreibend.— i) Saba-dillsame {Semen Sabadiltae), vermöge eines eigenthümlichon
*) Arch. Schweiz. Tbierarzte, Bd. i. S. 3G9.
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Alkaloids {Sabadillin) scharf reizend, st'lir iibnlicfa der weissen Nieswurz, früher zur Vertreibung des Ungeziefers benutzt. — k) Seifenkraut, die Wurzel und das Kraut (Itudi.v cl llerha Saponarlae), Bcbleituig, bitterlich-scharf, ehedem als auflösendes, speichelerregeudes, urintreibendes Mittel benutzt. — 1) Skam-in on: um {Scammonium), drastisch purgirend, jedoch nur in grös-sern Graben als man gewöhnlich vorschreibt. -- m) Stephans-körusr, Läusesamen (Semen Staphisagriae), bitter, brennend-scharf brechenerregend, ehemals gegen Ungeziefer häufig benutzt. — n) Zeitlose, Herbstzeitlose {Colckicum autumnale), verursacht Erbrechen, Purgiren, Aufblähung, Blutharneu, Lähmung und oft den Tod;') — sie ist als Heilmittel in der Thierarzneikunde nicht gebräuchlich, obgleich in neuerer Zeit sowohl die Wurzel {/{ad, CoUhici) wie auch der Samen (Sem. Colehici) gegen Rheumatismus empfohlen ist. Von den Samen wird auch eine Tinktur bereitet.
Siebente Klasse.
B c ( ;i u li e n d e o d c r n a r k o l i s c b e Mitte 1. (Medicamenfa narcolica.)
Begriff, Wirkung und Anwendung im AUgemeinen.
g. S21.
Betäubende oder narkotische Mittel nennt man diejenigen Arznei Stoffe, welche, hei der Anwendung in gehörig grosser Gabe, im thierischeu Organismus die Nerveukraft, vorzüglich die Sensi­bilität vermindern und selbst Betäubung (Narcosis) verursachen.
Die hierher gehörigen Mittel (welche, mit Ausnahme der Blau­säure, f-ämmtlich aus dem Pflanzenreich entnommen sind) kommen jedoch nur im Allgemeinen in dieser die Thätigkeit des Nervensy­stems vermindernden Wirkung überein, denn im Einzelnen zeigen sie hinsichtlich ihrer Bestandtheile und der besondern Art, der Richtung und Ausdehnung ihrer Wirksamkeit eine grosso Ver­schiedenheit.
*) Siehe: Micliel und Itlion Monatsscbrin lt;i. Itiadviehkunde, 2lcs üalbjahr, S. 07.; — Arcli. d. Schweiz. Thicrürztc. 1). V. S tGrt; — Oekou. Neuigkeilen 1S.TC. S. 209—216.; — Henke, Zeilsdlr. d. Slaals-arzoeik, i3d. 28. S. 2S3 n. s. w.
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sect;#9632; 122.
Hinsichtlich der Btslandiheiio ist zuerst zu bemerken: dass es einen gemeinschaftlichen, d. h. einen in allen naikolisclieu Mitteln gleichartigen betäubenden Stoff nicht giebt-, und dass man seihst in den einzelnen Mitteln während langer Zeit den narkotischen Stoff in reiner Gestalt nicht darstellen konnte. Da es jedoch in neuerer Zeit den Chemikern gelungen ist, in den meisten narkoti­schen Mitteln besonders Alkaloide zu entdecken, welche die eigen-thümliche Wirksamkeit dieser Mittel in einem ausgezeichneten (irade besitzen, so hat man diese Alkaloide als das wirksame nar­kotische Prinzip befrachtet, und zwar um so lieber, weil Säuren (als den Alkalien auch in jeder andern Eigenschaft entgegengesetzt) die Wirkungen der narkotischen Mittel sehr vermindern. Allein; da in einzelnen dieser Mittel bisher kein Alkaloid gefunden werden konnte, bei andern aber die behauptete Existenz desselben sehr zweifelhaft geworden ist, und da ferner die Alkaloide von fixer Natur sind, das narkotische Prinzip sich aber auch durch den betäubenden Geruch der meisten dieser Mittel, besonders in ihrem frischen Zustande, zu erkennen giebt, — so ist es sehr wahr­scheinlich, dass ausser den Alkaloiden auch noch andere Bestand-theile zur Erzeugung der narkotischen Wirkung wesentlich beitragen.
sect;• 423,
Dass die Wirkung der einzelnen narkotischen Mittel sowohl in der Art, wie im Grade der Erscheinungen verschieden sei, isf bereits im g. 59. angedeutet worden, a) Hinsichtlich der Verschie­denheit in der Art der Wirkung kann man sicher behaupten: dass nicht ein narkotisches Mittel dem andern gleich wirke, sondern dass jedes von ihnen eine spezifische Wirkung erzeuge. Diese Eigcntlumilichkeif in der Wirkung der einzelnen narkotischen Mittel wird vorzüglich dadurch bedingt, dass sie nicht alle das ganze Nervensystem in einem gleichen Umfange atfiziren, sondern dass die meisten zu einem begränzteu Theil dieses Systems eine besondere Beziehung haben und daselbst die Thätigkeit zuerst oder vorherrschend umstimmen nnd vermin (lern; so z. B, wirkt das Opium unmittelbar und vorherrschend auf das grosse Gehirn und auf die Sinnesorgane, — die Tollkir sehe zuerst auf die sogenannten Vierhügel nnd auf die Sehnerven und dann erst auf das Gehirn, — die Brechnuss auf das Rücken­mark u. s. w. Ausserdem wird aber die Wirkung noch dadurch modifizirt, dass sie bei mehreren narkotischen Mitteln rein auf das Nervensystem gerichtet, bei andern aber zugleich mit örtlicher Heizung verschiedener Organe (namentlich der Lungen, des Her­zens und des Verdauungkanals) verbunden ist. Nach diesen Eigen-
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schafteu hat man die Mittel der erstem Art als rein narkoti­sche, und die der zweiten Art als scharfe narkotische Mittel bezeichnet. — Es ist bemerkenswert!), dass lgt;ei den grossen Hans-thiereu fast alle narkotische Mittel, wenn sie in grossen Galjen angewendet werden, auf die letztere Weise wirken, und dass sogar bei diesen Thieren die ortliche Reizung oft deutlicher hervortritt, als die narkotische Wirkung.
b) Die im J;. 59. im Allgemeinen angedeutete Verschiedenheit im Grade (und ebenso in der Daner) der Wirkung der narkoti­schen Mittel, ist besonders von der Empfänglichkeit der Thiere für diese Mittel, von der Grosse der Gabe und von dem Orte und der Art der Anwendung abhängig. — I) Die verschiedene Empfäng­lichkeit der Thiere hat fast bei keinen andern Mitteln einen so grossen Einflnss auf die Wirkung, als gerade bei den narkotischen; denn man sieht hier von einem und demselben Mittel, nach Ver­schiedenheit der Thiergattung, des Alters, der Gewohnheit, des Ge-sundheitzustaudes u. s. w. die grössteu Abweichungen erfolgen. Thiere von einer Gattung ertragen ein Mittel in sehr grossen Gaben, ohne bemerkbare Wirkung, während dasselbe bei Thieren von anderer Gattung sehr heftige Zufalle erregt (so z. B. soll das Bilsenkraut dem Schweine, Schierling den Ziegen nnscimdlich sein, den übrigen Thieren sind aber diese Mittel in grossen Gaben sehr nachtheilig). Doch sind über diesen Gegenstand noch nicht hinreichend sichere Beobachtungen gemacht, und man kann nur im Allgemeinen annehmen, dass die Wirkung der narkotischen Mitte] bei Pferden und hei Wiederkäuern verhältnissmässig viel schwächer, als bei Hunden und Katzen erfolge. — Junge Thiere werden von diesen Mitteln stets viel heftiger ergriffen, als alte, und je öfter ein narkotisches Mittel bei Thieren angewendet worden ist, um desto mehr wird die Empfänglichkeit für dasselbe gemin­dert, und um desto schwächer erscheint nach und nach die Wir­kung. Wenn die letztere von einer bestimmten Gabe eines solchen Mittels bei gesunden Thieren in massigem Grade entsteht, so er­folgt sie bei einem hohen Grade von Torpidität oft gar nicht, dagegen bei krankhafter Aufregung der Sensibilität fast immer sehr deutlich. — 2) Kleine Gaben der narkotischen Mittel verursachen gewöhnlich bei gesunden Thieren kaum wahrnehmbare Erschei­nungen, und die Centralorgane des Nervensystems werden von ihnen fast gar nicht afiizirl; ist aber die .Sensibilität krankhalt erhöht, so zeigen sie durch die erfolgende lierabstimmung der­selben, wie bereits angegeben, sehr oft eine unverkennbare Wirk­samkeit. — Selbst von mittelmässigen Gaben scheint bei gesunden Thieren die Thätigkeit des Nervensystems nicht viel zu leiden.
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und man bemerkt von ihnen gewöhnlich nur eine almorme Er­weiterung oder Unbeweglichkeit der Pupille, etwas Abstumpfung der Empfindlichkeit, zuweilen auch Trägheit oder Unrcgelmässigkeit bei der Bewegung. — Von grossen Gaben werden aber die Ver­richtungen des Nervensystems sehr bemerkbar gestört, und zwar zuerst nach der Eigentluimlicbkeit der einzelnen Mittel (wie oben im Allgemeinen angedeutet); im weiteren Verlaufe verbreitet sich aber gewöhnlich die Störung über einen grössern Theil, oder über das ganze Nervensystem, so dass oft der spezifische Charakter der Wirkung verschwindet, namentlich wenn die Gabe übermässig gross war. Man bemerkt hiernach Erweiterung der Pupille, nach und nach stärkere Abstumpfung der Sinne, Verlust der Empfind­lichkeit, Zuckungen, Schwindel, Unvermögen zu gehen und zu stehen, zuweilen auch Raserei, Bcwusstlosigkeit, Schlafsucht, Läh­mung u. s. w. Zuweilen erfolgt auch nach sehr grossen Gaben der Tod, entweder schnell durch Scblagfluss oder auch langsam durch eine typhöse Entzündung innerer Organe. — 3) Unter glei­chen übrigen Umstünden erfolgt die Wirkung der narkotischen Mittel am schwächsten bei der Anwendung derselben auf die äussere Haut, stärker bei der Anwendung auf Wunden und in den Mastdarm, noch stärker und schneller bei der innerlichen An­wendung in dem Magen und Darmkanal, und am stärksten und schnellsten bei der Injektion in die Blutadern. Von manchen Mitteln kann man bei den grossen Hausthieren fast nur allein auf die letztere Weise eine vollständige narkotische Wirkung erzeugen.
sect;#9632; laquo;4. Die Symptome der verminderten Nerventhätigkeit sind in der Regel nichi die primären Erscheinungen der Wirkung der nar­kotischen Mittel, sondern es entsteht vielmehr nach der Anwen­dung zuerst eine Aufregung in dem Blutgefässystem, nämlich schnellerer, oft auch härterer und mehr voller Puls, dunklere Rö-thung der Schleimhäute und Congestioncn des Blutes zu verschie­denen Organen, besonders aber zu denjenigen Theilen des Nerven­systems, zu welchen die einzelnen Mittel eine spezifische Beziehung haben. Diese erhöhte Gefässtbätigkeit ist hinsichtlich des Charak­ters, der Stärke und der Dauer nicht immer gleich, und besonders ist zu bemerken, dass sie gewöhnlich nur kurze Zeit besteht, und sich bei oder nach dem Eintritte der Nervenzufälle wieder ver­mindert, so, dass dann die Arterien selbst langsamer pulsiren und kleiner und weicher werden, als im normalen Zustande. — Nach kleinen und mittelmässigen Gaben der narkotischen Mittel ist die Wirkung auf die Blutgefasse oft nur allein, und ohne das Nerven­zufälle ihnen folgen, zu bemerken. — Nicht selten werden auch
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(lurch kleine Gaben von einigen dieser Mittel bei kranken Thieren die Verdauung erregt und die Absonderungen vermindert.
sect;. 425.
Bei der .Sektion der Tliiere, welche nach zu grussen Gaben narkotischer Mittel gestorben sind, linder man zwar nicht immer consfanto pathologische Veränderungen, aber niebrentheils sind doch das grosse und kleine Gehirn, das Rückenmark und selbst die Nervenscheiden blutreicher, als im normalen Zustande; beson­ders sind die Venen sehr voll von Blut; das letztere ist dunkel, oft selbst in den Arterien schwarz, und mehrentheils ungleich-massig geronnen. An den Lungen, am Magen und am Dar.nkanal findet sich nach schnell eingetretenem Tode gewöhnlich keine be­deutende Veränderung; aber nach laugsamem Verlauf der tödlichen Wirkung sieht man, besonders von den scharfen narkotischen Mit­teln, an diesen Organen fast immer Spuren von Entzündung und Blutextravasate, — ähnlich wie von der Wirkung der scharfen Mittel.
sect;• 426.
Bei dem Dunkel, welches über die Physiologie des Nerven­systems zum grossen Theil noch herrscht, ist es schwer, eine gründliche Erklärung über das Entstehen der narkotischen Wir­kung zu geben. Jedoch ist es aus dem Gange und aus der Art der Erscheinungen an lebenden, und aus den pathologischen Ver­änderungen in den Kadavern der nach zu grossen Gaben der nar­kotischen Mittel gestorbenen Thiere ganz wahrscheinlich: a) dass die Verminderung der Nerventhätigkeit zum Theil auf direkte Weise, durch Einwirkung der narkotischen Stoffe auf das Gehirn, das Rückenmark u. s. w. entstehe; b) .lass aber auch die narko­tischen Mittel auf eine eigenthümlicho Weise zuerst die Bluttbätig-keit vermehren, hierbei, besonders in den ihnen entsprechenden Theilen des Nervensystems, starke Anfullung, selbst Ueberfüllung der Blutgefässe (Orgasmus des Blutes) bewirken und hierdurch einen zu starken, ungewohnten und ungleichen Druck auf das Gehirn, oder auf das Rückenmark u. s. w. verursachen; c) dass das Blut auch chemisch umgewandelt, mit Kohlenstoff überladen wird, und dadurch umändernd und betäubend auf das Gehirn und die übrigen Theile des Nervensystems wirkt, — und d) dass dann in Folge dieses Druckes die freien Aeusserungen der Nervenkraft noch mehr vermindert, die Zufalle der Betäubung, der Lähmung U. s. w. aber stärker und anhaltender werden. — In dem letzfern Umstände verhält sich die Entstehung der narkotischen Wirkung sehr ähnlich der Entstehung der Betäubung von zu grossen Gaben des Kamphers und der Spirituosen Mittel (g. 3Ü'J. 349. und 35(1),
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aber der primäre Zustand der Wirkung bedingt bei diesen ver­schiedenen Mitteln einen sehr grossen Unterschied.
Uebrigens wird sowohl die betäubende wie die scharfe Wir­kung der narkotischen Mittel, theils durch unmittelbare Berührung der feinen Nervenenden von den wirksamen Bestandtheilen, theils auch durch den Uebergang der letztern in das Blut, vermittelt.
sect;• 427.
Die Anvendung der narkotischen Mittel ist im Allgemeinen bei denjenigen Krankheiten angezeigt, bei welchen die Kerventhä-tigkeit einseitig, d. h. ohne gleichzeitiges Mitleiden der Gefäss-thätigkeit zu sehr erhöhet ist, und besonders wo übermässige Empfindlichkeit (Schmerz), und Uuregelmässigkeiten in der Be­wegung (Zuckungen, Krämpfe) bestehen. Dass solche Zustände in keiner aktiven (synochosen) Entzündung des Gehirns, des Rückenmarkes und anderer nervenreichen Gebilde, oder in chroni­schen Reizungen und in Verletzungen derselben begründet sein dürfen, ergiebt sicli hieraus von selbst. Dagegen benutzt man aber die narko­tischen Mittel häufig mit dem besten Erfolge bei den sogenannten erethischen Entzündungen, jedoch nur, wenn dieselben übrigens einen asthenischen Charakter haben, und wo das Verhältniss der Sensibilität zur Irritabilität im Wesentlichen von der vorhin bezeichneten Art zu sein scheint, d. h. ohne Orgasmus im Blute besteht. Einzelne dieser Mittel werden auch bei den Uebergängen und Folgen von luftigen Entzündungen (z. B. die Digitalis bei Brustwassersuchi nach Lungenentzündungen), — andere auch bei Krankheilen der Verdauungseingeweide, der Ab- und Aussonderungsorgane, nament­lich der Lymphgifasse und Drüsen v. dgl. angewendet (z. B. das Opium, Krähenaugen bei Durchfall). — Bei der Anwendung dieser Mittel müssen jedoch stets die verschiedenen spezifischen Eigen­schaften derselben berücksichtiget werden.
Die Heilwirkung der narkotischen Mittel ist oft nur palliativ. Im Ganzen genommen werden sie bei kranken Thieren viel sel­tener als bei kranken Menschen gebraucht.
sect;. 428.
Bei akuten Entzündungen, bei heftigem Entzündungsfieber, überhaupt bei Orgasmus und bei Congestionen des Blutes zu innern Organen, bei der wahren Erschüpfungsschwäche, und bei fauliger Zersetzung der Säfte, dürfen diese Mittel nicht angewendet werden.
sect;. 429.
Die Gabe und die Art der Anwendung ist bei den einzelnen narkotischen Mitteln nach ihren Eigenschaften, nach Verschiedenheit des Heilzweckes u. s. w. sehr verschieden, und es lässt sich daher
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im Allgemeinen nur bemerken: 1) dass in der Hegel massige Ga­ben zur Erreichung des Heilzweckes binreicheud find, und dass man daher innerlich niemals solche Gaben reicht, welche Betäubung und die höhern Grade der Wirkung herbeiführen; — 2) dass man, wenn der Gebrauch dieser Mittel durch längere Zei: nöthig ist, allmählig die Gaben verstärkt und dann zuweilen durch einen oder durch mehrere Tage die Anwendung aussetzt, weil sich bei dem anhaltenden Gebrauch eines narkotischen Mittels die Empfänglich­keit des Organismus für dasselbe sehr vermindert.
I. Mohn salt. Opium. Opium. raquo;. Mecoiiium
sect;#9632; 430.
Das Opium ist der eingetrocknete Saft aus den unreifen Mohn-küpfen. Es besitzt nach den nenern chemischen Analysen eine grosse Anzahl von Bestandtheilen, namentlich ein Alkaloid, welches man als den schlafmachenden Stoff betrachtet, und deshalb mit dein Namen Morphin oder Morphium bezeichnet bat; es bildet mir Essigsäure ein sehr wirksames Salz, das Morphium ineiirum; — ferner eine krystallisirbaro Substanz, der man eben­falls betäubende Wirkung zuschreibt, und sie deshalb Nar-cotiu oder Opian nennt. — dann noch das Codei'u, Nar-ceiu, Mekonin, die Mekonsäure oder Mohnsäure, eine ölartige Säure, Opiumharz, Schleim, und einen flüchtigen Riechstoff. In dem Morphium und dem Narkotin ist haupt sächlich die Wirksamkeit des Opiums begründet, wie dies durch Versuche erprobt ist. Ehemals glaubte man auch dem flüssigen Riechstoffe eine wesentliche Mitwirkung zuschreiben zu müssen; allein die mit dem destillirten Opiumwasser, in welches dieser riechende Stoff grösstentheils übergeht, von dem Apotheker Meurer ungestellten Versuche widersprechen dieser Ansicht.') Die Kräfte der übrigen Bestandtheile sind grösstentheils nicht ermittelt.
Das Opium löst sich vollständig weder im Mossen Wasser, noch im reinen Weingeist, wohl aber grösstentheils in wässerigem Weingeist auf, z. B. in gleichen Theilen gem. Wassers und höchst rektifizirten Weingeistes, auch im Malagawein. Diese Auflösungen
') Meurer gab 2 kluinen Hunden jedem ,-ih L'nzo Aq. Opii, also den riechenden Stoir von S Skrupel Opium auf Einmal, oline doss eine lieiiinbende Wirkung hiernach eintrat, wütirend dieselbe nach 15 bis 30 tiran Opium sehr slark erfolgte.
Ilfirtwig ArznelmtUcIleliTttnbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; ti9
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bilden die Opium-Tiuktureu, von denen es mehrere, z.B. nach Vorschrift der Preuss. PharmakopOe drei Arten gieljt, nämlich:
1)nbsp; Die einfache Opium-Tinktur (Timt. Opü simpler), be reitet vou -'i Unz. Opium in 10 Unz. destiilirten Wassers und 10 ünz. rektiflz. Weingeistes. 1(1 Tropfen dieser Tinktur wiegen Kl Gran und enthalten 1 Gran Opium.
2)nbsp; Die bafranbaltige Opium - Tinktur (Tiuci. Opü au-inla. Laudanum lii/niämu Syden/iami), bereitet aus 4 Unz. Opium, \-.: Unz. Safran, 2 Drachmen Gewürznelken, eben so viel Zimmt-l'assia, und 38 Unz. Malagawein. Die Schwere und der Opium gehalt dieser Tinktur ist wie hei der vorigen.
3)nbsp; Die benzoehaltige Opium-Tinktur {Timt. Opü ben-zu'icii), aus Opium, BenzoSsäurc, Kampher, Äuisöl, von jedem 1 Drachme, und 24 Unzen Weingeist bereitet. Diese Tinktur ent­hält in 1 Unze nur das Auflösliehe von 2lt; Gran Opium.
Die Wirksamkeit des Opiums in den Tinkturen scheint durch den Weingeist etwas vermehrt zu sein, so wie derselbe überhaupt das Mittel mehr reizend macht.
Ausser diesen Präparaten giebt es noch ein Opium-Extrakt (Extraetum Opii), welches grösstentheils die wirksamen Bestand-theile des Mittels enthält, etwas weniger reizend örtlich einwirkt, aber seines Preises wegen in der Thierarzneikunst nicht gebrauch lieh ist. Eben so ist es mit den übrigen Präparaten: dem de­stiilirten Opiumwasser {.l'/iin Opü); — den verschiedeneu Opiumpulvern, z. B. dem Doverscheu Pulver, Pulv. Ipecacuanlme opialus (aus Opium und Ipecacuanha, v.J. 1 Drachme, und 2 Unz. schwefelsaurem Kali zusammengesetzt, so dass 18 Gran des Pulvers t Gran Opium enthalten); — dem Theriak, Electuarium Thcriara (aus vierlei aromatischen und andern Ingredienzien mit Opium zusammengemengt, so dass 1 Unze des Mitfels 4 Gran Opium enthält), — und mit dem essigsauren Morphium
( Morphium (ireticum). )
sect;. 431. Das Opium ist. ein seif alten Zeiten auch in der Thierheil-kunde benutztes Arzneimittel, welches nach Vegefius schon von
quot;) Letzteres ist sein- wenig gebräuchlich, aber sehr wirksam, liinem mit Telnnus buhafteleo Pferde, dem das Maul bereits ganz geschlossen war, wurden In 2 Wunden von Ilaurseilen an den Seilen der Brust und in eine Fonlanelle vor derselben an jeder Stelle I i Gran lUorpliimn aceticum gebracht und hierdurch aullallende Minderung des Krampfes und mit 9 Tagen gänzliche Beseitigung desselben bewirkt.
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Chiron angewendet worden sein soll.') Dasselbe wirkt als ein rein narkotisches Mittel spezifisch auf das grosse G-ehiru, und durch dieses auf die Empfindlichkeit, besonders in den Sinnesorganen, — auf die Bewegungen, auf den Kreislauf des Blutes, auf die Ver­dauung und auf dieHautausdiinstung; die Wirkungen sind jedoch verschieden, nach Verscbiedeuheit der Tbicrgattnug, der Grosse der Gabe, der Art der Anwendung u. s. w.
Bei gesunden Pferden sieht man nach dem Eingeben einer Drachme Opium oft gar keine Wirkung, zuweilen aber Trocken­heit im Maule, volleren, härteren Puls, und vermehrten Appetit entstehen. Nach 'l bis i Drachmen des Mittels findet man diese Erscheinungen deutlicher; auch werden die Thiere etwa 1 Stunde nach dem Eingeben munterer, der Blick wird zuweilen wild und stier; die Pulse werden bei manchen Pferden in dieser Zeit um .'i bis lü in einer Minute vermehrt und voller, dann aber wieder vermindert, später auch klein und schwach; nach 'l bis 3 Stunden erscheint die Pupille etwas erweitert; die erhöhete Munterkeit ver­liert sich nach 4 bis 6 Stunden, und es treten später keine andern Zufälle ein, als dass in den nächsten 24 bis 36 Stunden der Koth härter und der Urin reichlicher als sonst abgeht, und dass bei manchen Pferden die Hautansdüustuug vermehrt wird. — Vitet (a. a. O. S. 133.) will selbst von Gaben bis zu 2 Unzen keine andere Wirkungen gesehen haben; ich habe jedoch bei 2 Pferden nach dem Eingeben einer Unze Opium in 1 Pfund heissem Wasser aufgelost, aussei' den Zufällen der Erregung, welche schon nach i Stunde eintraten und nur gegen .1^ Stunden dauerten, auch noch sehr verminderte Empfindlichkeit, grosse Erweiterung der Pupille, tiefes Heralihängen des Kopfes, schwankenden, stolpernden Gang, Drängen nach vorwärts, langsameren Puls als vor dem Versuch, und verzögerte Entleerung der Darmexkremente erfolgen sehen. Diese Wirkung dauerte über 12 Stunden und die Pferde zeigten sieh selbst am folgenden Tage noch etwas matt. Von 2^ Unze starb ein Pferd, nachdem ganz dieselben Zufälle vorausgegangen waren, 20 Stunden nach dem Eingeben, und unter heftigen Krämpfen. Dagegen ertrugen allerdings mehrere Pferde h bis 1 ganze Unze dieses Mittels, ohne dass diese starke Wirkung eintrat.
Bei Wiederkäuern zeigt'das Opium noch geringere narkotische Wirksamkeit als bei Pferden. Ich gab es Kühen bis zu 1 Unze, Schafen bis zu sect; Unze, und bemerkte darauf blos Trockenheit des Maules, volleren, nicht, schnelleren Puls, grössere Wärme der Haut,
) V eg et ins. do Mulomediclna, Coij. IS. liucli i.
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Äuftreibuug lies Leibes, grössere Consisienz des Mistes und mas­sige Venniiuleiimg der Milch erfolgen. Gilbert (Annal. de l'Agric. fr. Tome 70) gab einer dreijährigen Kuh ebenfalls 1 Unze Opium in 2 Finten Wassers anfgelüst, und bemerkte nur geringe Wir­kung; aber ein zweijähriges Schaf, dem er 4 Drachmen Opium in einer Latwerge eingegeben hatte, starb nach IT Tagen und nach­dem das Thiev blos etwas Ekel gezeigt hatte. Vitct gab dagegen einem Hammel I Unze Opium in Wein aufgelöst mit dem Erfolge, class das Thier mehr Heu frass, als es in gesunden Tagen zu fressen pflegte.
Schweine werden, wenn man ihnen das Opium zu 1 bis 2 Drachmen eingiebt, zuerst munterer, nachher matt und schläfrig: ihre Augen werden n'ltber, die Haut heiss, der Koth geht seltener und trockener ah.
Bei Hunden ist es oft schwer, zu bestimmten Resultaten über die Wirksamkeit, dieses Mittels zu gelangen, weil ihr Magen eine ausserordentliche Empiindlichkeit gegen dasselbe zeigt, und es ge­wöhnlich bald nach dem Eingeben durch Erbrechen wieder aus-stüsst; giebt man aber nach dem Erbrechen eine zweite Gabe, so wird diese mebreutbeils ertragen, zuweilen muss man aber die Unterbindung des Schlundes mit zu Hülfe nehmen. Manche Hunde erbrechen sich fast augenblicklieb, andere erst 1 bis ö Stunden nach dem Eingeben des Opiums. Von 5 bis 10 Gran dieses Mittels, in Pillen eingegeben, sah ich sehr selten eine deut­liche Wirkung; Charvet*) hat dagegen von 5 Gran Opiumextrakt, nach Verlauf von 30 Minuten, Traurigkeit, Mattigkeit, Zittern der Glieder, häufige Herzschläge, — nach 2 Stunden Zittern des gan­zen Körpers, schwankenden Gang, — später starke und langsame Herzschläge, langsame Respiration, Steifheit der Gliedmaassen und Betäubung, aus welcher aber der Hund durch das mindeste Ge­räusch erweckt werden konnte, entstehen sehen. Die Wirkung dauerte gegen 10 Stunden, worauf das Thier wieder völlig munter wurde. Selbst von 20 Gran bis zu 1 Drachme Opium in einer Gabe sah ich (mit Schubarth**) übereinstimmend) bei manchen Hunden nur sehr geringe, bei andern aber ziemlich starke Wir­kung, deren Zufälle den eben beschriebenen ganz ähnlich waren, erfolgen; bei mehrern verlor sich auch durch 2 bis 4 Stunden das
') Die Wirkung des Opiums unil seiner constituirenden Beslaod-ilieile iiut die Ihler. Oekonomie, A. ü. Fninz. I.eipz, 1827. S. 42.
quot;) BeitrSge z. näliern Kennlniss il. Wirknngsarl d. Arzneimittel u. Gifts — in Horn's Archiv 1823.
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Gefühl gänzlich, so (lass sie von Nadelsticlion nicht ilic geringsip Einplimlung zeigten: die Pupillen wurden erweitert, der Gang tan-inelnd, und die Rinterfüsse fast immer, aber bald mehr, bald we­niger gelähmt: die meisten Hunde lagen während der Wirkung viel auf dem Bauehe und hatten Neigung zu schlafen; vollige Be­täubung war damit nicht verbunden, denn man konnte die Thiere ohne grosse Mühe aus dem Schlaf erwecken.—#9632; 'i bis 3 Drachmen Opium oder wässeriges Opiumextrakt erregten ähnliche Zufälle im hohen Grade, Convulslouen, auch wirkliche Betäubung, Läh­mung des Hintertheils und den Tod. — Die Zeit, in welcher die Symptome eintraten, war bei den einzelnen Versuchen sehr ver­schieden; zuweilen bemerkte man nach ö Minuten schon die be­ginnende Wirkung (besonders wenn die Anwendung in flüssiger Form geschah), in andern Fällen gingen 2 bis 3 Stunden vorüber, ohne dass eine deutliche Spur der Wirkung sich zeigte. Eben so war die Dauer der letzteren sehr verschieden, von 3 bis 15 Stunden ausgedehnt.
Eine wässerige Auflösung von 1 Drachme des Opiums in den Mastdarm gespritzt, scheint, nach Orfila's Versuchen*) an Hunden viel kräftiger zu wirken, als bei innerlicher Anwendung; Pferden brachte ich auf diese Weise eine halbe bis ganze Unze des Mittels bei, ohne dass hierauf eine merkliche Wirkung entstand.
Einspritzungen einer Auflösung von | bis 2 Drachmen Opium oder Opiumextrakt in 1 bis 4 Unzen Wasser in die Drosselvcne eines Pferdes, verursachen nach wenigen Minuten härteren, vollen, schnellen Puls, munterem Blick, dunklere Röthung der Schleim­häute, öfteres Wiehern mit heiler Stimme, Scharren mit denFttsseu, angestrengteres Athmcn, grössere Wärme der Haut; — nach 8 bis 12 Minuten Verminderung der Zahl der Pulse und der Athem-züge, Erweiterung der Pupille, stieren, selbst etwas wilden Blick, schwankenden Gang, Taumeln, Niederstürzen; zuweilen verschwin­det nach 20 bis 40 Minuten das Vermögen zu sehen, und die Thiere laufen mit dem Kopfe gegen Wände u. dgl.; auch drängen sie dann beständig vorwärts und benehmen sich ähnlich wie bei dem Dummkoller: manche Pferde sind durch l bis 2 Stunden völlig unempfindlich und bewusstlos, bei andern zeigt sich aber die Wirkung nicht in diesem hohen Grade. Die Exkretionen des Kothes und des Urins erfolgen in der ersten Zeit seltener als sonst, aber später, d. h. nach 4 bis 8 Stunden tritt oft sehr reich-
*) Toxicologie, Bd. 2. S. Io0.
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liebes üriniren ein und zuweilen folgt auch SchwcisK. Die Dauer der ganzen Wirkung ist sehr verschieden, von 4 Stunden his auf 12 und mehrere Stunden ausgedehnt, und in einigen Füllen he-merkte man noch am zweiten Tage eine Schwäche der Glied-maassen. —
Bei Hunden entstehen nach der Infusion von :! his ö Gran Opium, welches in eben so viel Drachmen Wasser gelost ist, ganz ähnliche, aber mefarentheils stärkere Zufälle wie bei Pferden; he-sonders ist die Abgestumpffheit, die Neigung zu schlafen, und die lähmungsartige Schwäche der Hiuterfüsse immer sehr deutlich wahrzunehmen. Die Wirkung tritt fast augenblicklich ein, dauert 2 bis fi Stunden und geht mehrentheils in völlige Gesundheit über; nach einer Infusion von 8 bis 10 Gran Opium erfolgt aber gewöhnlich der Tod, jedoch zuweilen erst nach 24 Stunden (bei Orfila's Versneben einmal sogar erst nach 8 Tagen).
In frische Wunden gebracht, verursacht das Opium zuerst immer eine massige Reizung, wie dieses die dunklere Röthung und die grössere Empfindlichkeit der betroffenen Theile zeigt; sehr bald entsteht aber entgegengesetzt eine Verminderung der Emp-tindlichkeit und nach der Applikation grosser Gaben auch Schwäche der Muskeln, selbst Convulsioneu und der Tod. Letzterer erfolgte bei einem Hunde von 2^ Drachmen Opiumextrakt, welches mit Wasser aufgelöst auf eine Wunde am Schenkel applizirt war, schon nach 45 Minuten, — bei einem andern Hunde aber von | Drachme nach 5^ Stunden. (Orfila.)
Im Kadaver der, von zu grossen Gaben lies Opiums gestor beuen Thiere findet man die Blntleiter, die Venen der weichen Hirnhaut, des Gehirns und des Rückenmarkes voll von schwarzem Blut, — die Lungen blassroth und knisternd, aber mit schwarzen, derben Flecken versehen, — das Herz mit schwarzem Blut erfüllt, — den Magen bald leer, bald eine bräunliche, nach Opium riechende Flüssigkeit enthaltend, an seiner innern Fläch? gewöhnlich blass, oft mit einer Schiebt von grauem Schleim bedeckt, nnddenDarm-kaual ohne Entzündung,
sect;. 432.
Die Anwendung des Opiums als Heilmittel gegen Krankheiten der Thiere ist bis jetzt durch gültige Erfahrungen noch nicht so begründet, dass man durchaus spezielle Hegeln dafür angeben könnte, und man wird sich daher in der Hauptsache hierbei an die, im sect;. 427. und 42^. im Allgemeinen bezeichneten Anzeigen und Gegenanzeigen halten müssen, mit Rücksicht auf die Eigen-thümlichkeiten der Wirkung dieses Mittels. Manche Thierärzte und thierärztliche Schriftsteller ohne praktische Erfahrung haben
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das Opium für unwirksam in Thierkrankheiteu erklärt, weil es von gesunden Thiereu in so grosscn Gaben ertragen wird, ohne dass es Schlaf macht; sie sind aber im grosseu Irrthum. Denn fieoh-achtungen an kranken Thieren, die ich seihst in grosser Zahl ge-sannnelt habe, beweisen; dass hier das Opium in viel geringerer Dosis wirkt und dass es bei rein nervös-erethischen Krankheiten, wo also gesteigerte Empfindlichkeit, Reizbarkeit und Beweglichkeit ohne primäre Aufregung des Gefässsystems besteht, namentlich bei solchem Schmerz, bei Krämpfen mit diesem Charakter, bei nervöser, nicht mit Congestion oder Orgasmus verbundener Un­ruhe, Aufregung und Schlaflosigkeit, bei Örtlicher nervöser Reiz­barkeit in den Augen, in den Schleimhäuten u. s. w., besonders wenn sie mit beständigem Reiz zum Husten, mil zu reichlichen, wässerigen und andern Absonderungen und mit zu schneller peri-staltischer Bewegung, daher mit Diarrhöe, mir starkem Drängen zur Koth- und Urinentleerung, mit Erbrechen u, dal. verbunden ist, ein ganz vortreffliches Beruhigunas-, Linderungs- und Heil­mittel. Eben so ist es, vermöge seiner Eigenschaft: die Blutthätig-keit zu erhöhen, zu erhitzen, Hautkrampf zu beseitigen, ein dia­phoretisches Mittel, welches bei frisch entstandenen Rheumatismen sich oft sehr nützlich gezeigt hat. Im Besondern ist über die Krankheiten, in denen es angewendet wurde. Folgendes zu be­merken :
1)nbsp; Bei Schmerzen. Schmerz ist Symptom sehr verschiedener Krankheitszustände, im Allgemeinen aber dadurch bedingt, dass a) die Empfindlichkeit eines Theils allein bis zum üebermaass erhöhet ist, oder b) dass zugleich eine Blutreizimg in ihm stattfindet, — oder o) dass zugleich mechanische .Missverhältuisse, die reizend wirken, bestehen. Nur bei Schmerzen der erstem Art vermag das Opium etwas zu leisten; bei denen der zweiten und dritten Art bleibt es ohne günstigen Erfolg und zuweilen wirkt es sogar entgegen­gesetzt, mehr reizend.
2)nbsp; Bei dem Starrkrampf der Pferde, Schweine und Hunde habe ich das Opium oft versucht, aber nur dann nützlich befunden, wenn die Krankheit als reines Nervenleiden bestand, und wenn noch kein Fieber und kein Schweiss eingetreten war. Laubender*) empfahl es hierbei nach der vom Dr. Stütz angegebenen Methode, abwechselnd mit Kali zu gebrauchen, und zwar so, dass man einem Pferde zuerst I Skrupel kohlensaures Kali, in* der folgenden Stunde 1 Skrupel Opiumtinktur, in der dritten Stunde D- Skrupel Kali,
') Tbeoret, pvakl. llunilb. ü. Tliierlieilk. I. iid.
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in der vierten Stuude eben so viel Opiumtinktur, in der füuften Stunde l-ä Skrupel Kali und in der sechsten Stunde eben so viel Opiumtinktur giebt, — die folgenden Gaben aber in demselben Verhältniss vermindert und also in der zehnten Stunde wieder nur 1 Skrupel von der Tinktur, mit Kamillen-Infiisum anwendet. Dabei müssen Bäder oder wenigstens Waschungen von warmer Kali­lauge gemacht werden. — Die bezeichneten Gaben sind zu klein; ich habe aber von dieser Methode, seihst wenn ich die Gaben ver­doppelte, keinen so ausgezeiebneteu Erfolg gesehen, wie Lauhen-der. Dagegen schien die Verbindung des Opiumpulvers mit Stink-asant, mit Hirscbhornöl und bei Verstopfung des Leibes auch mit Glaubersalz oft nützlich zu sein.
3) Bei clouischeu Krämpfen mit zu giusser Empfindlichkeit, namentlich bei heftiger Ktampfkolik (besonders wenn sie aus Er­kältung entstanden ist), hei kraoipfbafterHarnverhaltung, hei Zuckun­gen und Convulsionen, /,. B. bei der Staupe der Hunde u. dgl. Bei der bezeichneten Kolik der Pferde habe icli die beilsame Wir­kung des Opiums sehr oft, wo die Heftigkeit der Zufälle allen andern Mitteln hartnäckig widerstand, ganz unverkennbar eintreten sehen. Bei Darmentzündung, bei Ueberfiitterungs- und hei Ver­stopfungskolik ist aber von dem Opium kein Nutzen zu erwar­ten. Ich gehe es bei jenen krampfhaften Zuständen mchrenthcils mit aromatischen Mitteln, namentlich bei Krampfkolik, mit Kamil-lenbrühe, oder auch, wenn die Ausleerungen anhaltend unterdrückt .sind, in einer schleimigen oder schleimig-fetten Flüssigkeit.
-1) Gegen den Schwindel und die Epilepsie der Pferde. Hier ist Opium (auch Hyoscyamus und Belladonna) von spezifischer Wirksamkeit, wenn das üebel nicht offenbar mit Blutandrang zum Gehirn verbunden ist. Die Stärke und das volle Aussehen des Kiirpers entscheidet hierüber nichts, sondern mir die Beschaffenheit des Pulses, die Fülle oder die Leere der Venen am Kopfe und die Farbe der Schleimhäute an demselben zur Zeit des Paroxys-mus. Man giebt hier das Opium am besten mit Baldrian, Hirscb­hornöl, Hirschhornsalz, Kampher u. a. erregenden Mitteln,
5) Gegen asthenische, sehr schmerzhafte Lungenentzündungen. Das Opium scheint hier besonders dann nützlich zu sein, wenn durch vorausgegangene Blulenzündimgen und kühlende Salze die eigentUche Phlogosis des Blutes in der Hauptsache beseitiget ist, die zu grosso Reizbarkeit der kranken Theile aber noch fortbesteht. Es wird hierbei, je nach den übrigen Zufällen, mit Bleizucker, Digitalis, Brechweinstein, Calomel u. dgl. angewendet.
G) Bei schmerzhaftem und krampfhaftem Husten, welcher nicht durch EntzUuduns bedingt ist. Hier leistet es gute Dienste
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iu Verbindung mit Schleim, Brechweinsteiu, Salmiak, Schwefel mid dergleicbeu Mittelu.
7) Bei heftigen Duruhfalleu unil bei Ruhr, jedoch nur wenn hierbei der oben bezeichnete Charakter der nervösen Reizbarkeit besteht, ist das Opium sehr oft eins der wirksamsten Mittel, und wird theils fur sich allein, theils in Verbindung mit schleimigen, oder mit bittern, selbst mit aromatischen Mitteln, mit Rhabarber u. dgl., je nachdem der Grad der Reizbarkeit und der Schwäche es verlangt, innerlich und in Klystiren angewendet.
6) Bei geschwächten Verdannugseingeweiden und bei daher verminderter Fresslust hat es Rysz empfohlen; — es ist aber hier stets durch bessere und wohlfeilere Mittel zu ersetzen.
9) Bei der Gelbsucht der Schweine empfiehlt Viborg*) das Opium in Verbindung mit Salmiak, mit bittern Mitteln und mit weisser Seife in einer Mehlpille; — es ist aber hier durch blossu Salze (Weinsteingeist, Glaubersalz), mit bittern Mitteln, und vor­züglich durch die Aloe sehr gut zu ersetzen.
lü) Beim Vorlall des Mastdarms der Schweine, wenn der herausgetretene Theil sehr roth und schmerzhaft ist, soll man, ebenfails nach Viborg, 1 Drachme Opium in i- Pfund Oel auf­gelöst, auf einmal eingeben. Auch hier giebt es bessere Mittel zur Heilung des Vorfalls, aber das Opium vermindert den Reiz zum Drängen und wird dadurch sehr nützlich.
11)nbsp; Gegen das Verwerfen der trächtigen Sauen, wenn diesel­ben sehr mager urd schwächlich sind, giebt man (nach Viborg) bei den ersten Erscheinungen -j Drachme Opium auf solches Futter, welches sie gerne fressen (damit die mit dem Eingeben verbundene Anstrengung vermieden werde).
12)nbsp; Gegen den Milzbrand wollen es Itheu,**) Laubender u. A. mit Nutzen gebraucht haben; ich finde es hier durchaus un­passend, und gewiss ist es durch bessere Mittel zu ersetzen.
Aensserlich wendet man das Opium an;
1)nbsp; Bei dem Wundstarrkrampf, zum Verbinden der Wunden. Man benutzt hierzu entweder eine wässerige Auflösung (1 Drachme Opium auf 1 bis 1^ Unze lauwarmes Wasser), oder eine Verbin­dung mit einem milden Oel (in denselben Verhältnissen), — sel­tener die Tinktur.
2)nbsp; Gegen schmerzhafte (erethische) Aiigenentziindungen asthe-niseher Art, besonders gegen dergleichen Entzündungen der Binde­haut, und wenn sich sehr schmerzhafte Geschwüre auf der Horn-
*) Erzieh, nnil Ik-iiulz. ü. Scbwelos, S, ti'i. {SO. 111. •*) Teufel's Magaz. S. 284.
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haut erzengen. Desgleichen bei inuevn AugeueutzUndungeu der bezeichneten Art, und wenn Blut oder ausgeschwitzter Faserstoff in
die vordere Augenkammer ergossen ist. — Mau wendet hei diesen Zuständen in der ersten Zeit mehrentheils das reine Opium in Verbindung mit schleimigen Flüssigkeiten an, indem man z. B. 1 Pfund einer Malvenkrautabkochung mit ^ bis 1 Drachme Opium­pulvers gut abreiht; später benutzt man es in Verbindung mit Aufgüssen von aromatischen Kräutern, und dann auch wohl die einfache Opiumtinktnr, von welcher man 2 Drachmen bis | Unze zu 1 Pfund Colatiir setzt.
3)nbsp; Bei Verdunklung und bei Flecken der Hornhaut, wenn sie noch nicht zu sehr veraltet, nicht ganz weiss und glänzend sind, ist das Opium ein sehr wirksames, die Resorption betbrdemdes Mittel; es wird hier bald als Pulver zu Salben gesetzt, #9632;/,. B. zur grauen Merkurialsalbe, zur rothen Präzipitatsalbe (j bis 1 Drachme zu 1 Unze Salbe), bald als Tinktur, entweder diese fiir sich allein, oder in Verbindung mit Auflösungen von Zinkvitriol, von Subli­mat u. dgl. angewendet.
4)nbsp; Bei schmerzhaftem Durchfall, wobei die Thiere anhallend heftig auf dein Mastdarm drängen und wo dieser selbst sehr ge­reizt ist, benutzt man das Opium mit schleimigen Mitteln verbun­den als Klystir; z. B. für 1 Pferd 20 (Tran Opiumpulver, abgerie­ben mit (i bis 8 Unzen Leinsamenschleim.
sect;. 433.
Die Gabe von dem Opium in Substanz und zur innerlichen Anwendung ist für Pferde 1 Skrupel his U Drachme, iur Rind­vieh | bis 'l Drachmen, für Schale und Schweine 1 Skrupel bis I Drachme, fur Hunde 1 bis 10 Gran. — Von der einfachen und der safranbaltigen Opiumtinktur giebt man das Drei- bis Vierfache am Gewicht, es wird jedoch (ur Thiere gewöhnlich nur die ein fache Tinktur benutzt. — Die Wiederholung richtet sieb nach der Stärke und Dauer der Zufalle und kann z. B. bei heftiger Kolik in Zwischenzeiten von einer Stunde, bei dem Starrkrampf, bei Hu­sten, bei Diarrhöe u. dgl. anhaltenden Krankheiten, in Zwischen­zeiten von 3 bis 4 Stunden geschehen. — Die flüssige Form ist die zweckmässigste. üeber die Verbindung mit andern Mitteln, so wie über die äusserliehe Anwendung ist das Nüthigc im vori­gen sect;. angegeben.
Anmerkung 1. Das Opium ist ein theures Medikament und darf deshalb bei Thieren von geringem Werth nicht angewendet werden, besonders in solchen Fällen, wo es durch andere Mittel zu ersetzen ist.
Anmerkung 2. Aussei der einfachen Opiumtinktnr
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sind dio Ubrigeu Präparate vom Oiiium iu der Thierarzneikuust ganz entbehrlich.
Aumerkuug ü. Die in uusern Gegeuden gebaueteu Mohn-ptlanzen euthalteu in den grünen Stengeln, in den Blättern, und vorzüglich in den unreifen Samenkapseln, den sogenannten Mohn-köpfen [Cnpifii Papaveris), einen Saft, der in seinenBestandtheilen und Wirkungen dein orientalischen Opium sehr ähnlich ist, und in neuerer Zeif hat man ans diesen Pflanzen auch wirkliches Opium gewonnen. Man kann datier die Blätter und die unreifen Mohn­köpfe entweder frisch, oder vorsichtig getrocknet, in allen Fällen, wo man Schmerz und zu heftige Reizung beseitigen will, innerlich und äusserlich als ein wohlfeiles Ersatzmittel des Opiums benutzen. Pferden und Rindern giebt man innerlich von den frischen Mohn­köpfen s bis 10, von den getrockneten JU tiis 12 Stück in einer gelinden Abkochung mit 'i Quart Wasser; für grosse Hunde sind von den frischen Köpfen -^ bis 1 ganzer, von den trockenen 1 hh-'l Stück zu 3 Unzen Kolatur und für eine Gabe hinreichend. — Aensserlich gebraucht man die zerschnittenen und gekochten Mohn­köpfe zu Klystiren, zu Breiumschlägen, zu Bähungen u. dgl.
Anmerkung 4. Der wilde Mohn oder die sogenannte Klatschrose (Papaver Khaeas) wird als tbieriirztliches Heilmittel nicht benutzt, hat sich aber für pflanzenfressende Tfaiere, besonders für Rindvieh, in mebrern Füllen als eine sehr giftige Pflanze ge­zeigt. Es waren nach dem Geuuss von Grünfutter, in welchem diese Pflanze sich in Menge befand, zuerst Unruhe, Brüllen, selbst Tobsucht, stierer Blick, grosse Erweiterung der Pupille, harter vot­ler Puls, gänzliche Appetitlosigkeit, späterhin Betäubung, schlaf-süchtige Zufälle, trockenes, kaltes Flotzmaul, Kälte der Ohren und FDsse u. dgl. eingetreten. Als Gegenmittel hierbei dienen: in der ersten Periode Essig, Neutral- und Mittelsalze in grossen Gaben, Sturzbäder von kaltem Wasser, bei sehr heftigen Zufällen selbst Aderlässe; späterhin schwarzer Kaffe und ebenfalls Sturzbäder. (Siehe: Magaz. f. Thierheilk. v. Gurlt und Hertwig, Bd. 4. S. 51S; —• Recueil de med. veter. IS29. p. 99.; — und Archiv Schweiz. Thierärzte, 1844.).
2. Schwarzes Bilsenkraut und dessen Samen, Herba et Semen Hyoscyami nigri,
sect;• 434.
Die Wirksamkeit dieses Mittels soll hauplsächlich von einem eigenthlimlicben Alkaloid, welches man Hyoscyamin genannf
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hat, abhäugig sein.quot;) Sicherer ist es, laquo;lass die Wirksamkeit des Bilsenkrautes in einem Extraktivstoff beruht, der sich aus dem Kraut und aus den Samen durch Wasser wie durch Weingeist ausziehen lässt und der nicht tliichtig ist. Denn das Mittel erträgt ein massiges Kochen ohne Minderung seiner Kräfte recht gut. — Präparate sind: das Extrakt {t'slracl. Hyosegamt), — die Tink­tur (T'mct. Hi/nscyami), aus 4 Unzen Kraut, mit 8 Unzen Wein­geist und 4 Unzen destillirtem Wasser durch Digerireu, — und das gekochte Bilsenkraiitiil {Olcam Hyosr. codum) durch ge­lindes Kochen 1 Theils des trockenen Krautes mit 8 Theilen Baumöls bereitet.
Die Kenntniss der Wirkungen des Bilsenkrautes auf gesunde und kranke Thiere ist zum Theil noch unsicher. — Manche be­haupten, dass .junge Gänse und andere Vogel haupsächlich vom Hühnergeschlecht, von dieser Pflanze getödtet, wilde Schweine aber gelahmt werden; nach andern soll es dagegen Kühen, Ziegen, Schafen und Schweinen unschädlich sein, und die Schafe sollen es gern fressen.*') Gohier***) bemerkte bei den Pferden, denen er 3 bis 4 Unzen Bilsenkraut im Dekokt gegeben, blos eine grosse Erweiterung der Pupille, Zuckungen an den Lippen, unregclmäs-sigen, vermehrten Puls (von 35 Schlägen bis auf GO, selbst 72 in der Minute), zuweilen auch Zuckungen am Halse. Diese ZuDille dauerten 3 bis 5 Stunden, und die Pferde waren darauf völlig munter. — Rafn und Viborg (Samml. Bd. 3. S. 143.) gaben einem Pferde von der frischen Wurzel 2 Pfund; das Thier zeigte darauf Widerwillen gegen Futter, wurde aufgetrieben und in der folgenden Nacht unruhig. Der Puls war nicht verändert, und am folgenden Tage zeigte sich das Pferd wieder ganz wohl. — Von If Pfund des ausgepressten Saftes entstand bei einem Eselshengst am ersten Tage keine Veränderung, ausser dass die Fresslust ver­mehrt wurde; am folgenden Tage war der Puls von 34 bis auf
') Bei fiülieien Veranchen mil dem llyoscy imin zeigte sicli das­selbe an kleinen Tliieren zwar narkolisch giftig, aber es bewirkte keine Erweilernng der Pupille, und man zweifelte daher, dass ilun das ganze Wirkungsvermiigeii der Ptlanze zukomme. Bei neuem Versuchen hat man jedoch eine grosso Erweiterung der Pupille gesehen. wenn man 2 bis 3 Gran Hyoscyamin in t Drachme Wasser gelöst, und hiervon einige Tropfen ins Auge gebracht halle.
quot;*) Viborg, Samml. Bd. 2. S. 30i.
'**) Observations et ExpiSrlenc. sur le I'ain moisi, el sur qnelqnes Poissons elc. p. 42.
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HO und 70 Schläge in einer Minute vermehrt, das Athnieu schneller und angestrengter. Am 3ten Tage bestand derselbe Zustand; am •iten war das Thier wieder wohl. — Ein 16 Jahr alter Wallach, dem man 1 Pfund des halbreifen Samens gegeben, zeigte schon nach einer halben Stunde eine Vermehrung der Pulsquot; von 34 bis auf 60 in einer Minute, heftiges Flankenschlagen und ausseror-dentlich grosse Fresslust. Am folgenden Morgen war der Puls natürlich, aber gegen Mittag wurde das Thier plötzlich rasend, warf sich nieder, sprang umher und hatte starkes Flankenschlagen; nach einer Stunde wurde es wieder ruhig, hatte aber 60 Pulse und zeigte grossen Appetit zu Futter und Getränk. Dir Puls blieb noch bis zum 6ten Tage vermehrt, am 7teu war aber der normale Zustand völlig wieder eingetreten. —
Bei mehrern andern Pferden sahViborg von gleichen Gaben der Bilsenkrautsamen blos vermehrten Appetit, schnellere Pulse und etwas Aufgetriebenheit des Leibes entstehen; ich habe bei Pferden und Kühen das frische und trockene Kraut, die Wurzel und den Samen in Gaben von (i bis 12 Unzen, und das Extrakt von 2 bis 8 Drachmen versuchsweise angewendet und hiernach nur dieselbe Wirkung, wie bei Viborg's Versuchen, entstehen sehen.
Eine Kuh, welche eine unbestimmte Quantität frisches Bilsen­kraut im Anfänge des Frühjahres gefressen hatte, fiel hierauf nach 2 Stunden plötzlich nieder und machte verschiedene unregelmässige Bewegungen; die Pupille war sehr erweitert, die Conjunktiva wie injizirt und blauroth gefärbt; die Carotiden pulsirten so heftig, dass man es sehen konnte. Als man das Thier am Vordertheile unterstützte, machte es heftige Anstrengungen zum Aufstehen, was über nur sehr schwer gelang. Bei dem Versuch, einige Schritte zu geben, stürzte sie sogleich wieder nieder, indem sie mit dem Kopfe gegen die Erde stiess. Es traten Convulsionen ein, das Atbmen ward krampfhaft und laut rüchelnd, vor das Maul trat dicker Schaum, Darmausleerungen fänden fast in jedem Augen­blicke statt. Das aus der Schwanzarterie gelassene Blut floss zuerst In einem sehr dünnen Strahl und hatte die Farbe der Mistjauche, es wurde aber bald heller, der Strahl dicker, dabei die Pupille enger, und alle Zufalle minderten sich. (Siehe Cruzei, im Journ. pr. de med. veter. 1S2S. p. 44.)
Ein kleiner Hund ertrug 2 Unzen des frischen, aus den Blät­tern gepressten ßilsenkrautsaftes ohne bemerkbare Folgen. Das Extrakt verursachte in der Gabe von ^ bis 1 ganzen Drachme bei einigen Hunden gar keine Wirkung, aber ein Hund bekam nach dem Eingeben von 4ö Gran desselben Erbrechen und Mattigkeit,
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nach 6 Stunden aber sehr aufgeregten Geschlechtstrieb und sehr reichliches Uriniren. Diese Znütllc gingen bald wieder vorüber. 2 Drachmen Extrakt verursachten bei einem Hunde, dem nach dem Eingeben der Schlund zugebunden wurde, zuerst nach £ Stunde Unruhe, Neigung zum Erbrechen, unregelmiissigen, schnellen Herz-schlag, Erweiterung der Pupille. Diese Symptome nahmen binnen 5 Stunden zu, minderten sich dann und waren nach 8 Stunden last ganz verschwunden (Schubartb a. a. 0.). — Ein Dekokt von U- Unzen der Wurzel mit :) Unzen Wasser bereitet, bewirkte bei einem Hunde Winseln, Anstrengung zum Erbrechen, Uuemp-fmdiiehkeit, Convulsioneu und den Tod (Orfila).
Injektionen von 2 bis -1 Drachmen einer Bilsenkrauttinktur (aus 2 Drachmen trockenen Krautes mit li Drachme rekt. Wein­geist, durch Digestion, wie die Nieswunstiuktur bereitet) in die Drosselvene, verursachen bei Pferden sogleich Unruhe, ängstliches Trippeln mit den Füssen, schnellen, vollen, harten, zuweilen aus­setzenden Puls, schnelles, tiefes Athmen; dann Zittern am ganzen Körper, stieren Blick, Erweiterung der Pupille, Mattigkeit, vermin­derte Emfindliehkeit, Senken des Kopfes, Taumeln, unregelmässige Stellung. Oft wechselt der Zustand mit mehrmaligem Nachlassen und mit Wiederkehr der Symptome; zuweilen tritt momentan Haserei ein; Koth und Urin werden mehrmals und mit vieler An­strengung entleert. Die Wirkung ist 5 bis 20 Stunden bemerkbar, und am längsten dauert die Erweiterung der Pupille. — 1 Unze dieser Tinktur einem Pferde in die Vene gespritzt, verursachte schreckliches Toben, völlige Bewusstlosigkeit, profusen Schweiss, Convulsioneu und nach 2 Stunden den Tod. — Ein Hund zeigte nach Injektion einer Auflösung von 10 Srau des Extraktes in 2 Drachmen Wasser, sogleich Taumel, sehr grosse Erweiterung der Pupille. Unempflndlichkeit, Schlaf, nach 2^ Stunden Erbrechen und Kothentleerung: nach 4 Stunden war erwieder völlig munter.— fs Gran des Extraktes erzeugten die nämlichen Zufälle; aber die Injektion von -iö Gran desselben führte (bei Orfila's Versuchen) den Tod binnen 15 Minuten herbei. — Die Applikation von 2 bis 4 Drachmen des Extraktes auf Wunden, verursachte ganz ähnliche Erscheinungen wie bei der innerlichen Anwendung, und nach 4 bis 5 Stunden erfolgte der Tod.
Die Sektion der, auf eine oder die andere Weise durch Bilsen­kraut getödteten Thiere zeigt: Ueberfüllung der Hirnvenen mit schwarzem Blut, die Lungen bald ganz normal, bald mit schwärz­lichen Flecken besetzt, die rechte Hälfte des Herzens mit schwarzem, die linke Kammer aber mit hellrothem Blut angefüllt; Magen und Darmkanal ganz gesund, und besonders niemals entzündet.
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sect;. 435.
Aus diesen Thateacheu ergiebt sich: class das Bilsenkraut auf gesunde Thiere bei iuuerlicber Auwcuduug in iiiässigen, selbst in zietulicb starken Gaben fast aliein dgeuthünilicb erregend auf die Lebeasthätigkeit des Blutes wirkt, namentliuh auf die von dem grossen sympathischen Nerven abhängigen Orgaue: —. dass es aber in sehr grosser Gabe rein narkotische Wirkungen eigenthüm-licher Art erzeugt, besonders die Vorstellungen und das Bewusst-sein der Thiere verwirrt, und die Sensibilität im hoben Grade ver­mindert. — Das letztere findet schon nach massigen Gaben statt, wenn die Empfindlichkeit krankhaft zu sehr auigeregt ist. Das Bilsenkraut erscheint fast als das reinste Narkotikum, weil es keine Spur einer Entzündung, weder an den Stellen der unmittelbaren Einwirkung noeh an andern Organen erzeugt.
sect;• '136.
Als innerliches Arzneimittel ist das Bilsenkraut bisher nur sehr wenig von den Thierärzten angewendet worden, und spozielllaquo; Indikationen fur seineu Gebrauch sind in den Ihierärztiiuhen Lehr­büchern nicht enthalten. Selbst die meisten Schriftsteller über rbieriirztliche Arzneimittellehre gehen schnell oder verachtend über dieses Heilmittel weg. Moirond meint, dass es wie die übrigen narkotischen Mittel angewendet werden kCinne, dass es aber voi­der Belladonna und dem Opium keinen Vorzug verdiene. Am rechten Orte gebraucht, hat es aber wohl einen Vorzug vor diesen Mitteln; denn es erregt stark die Blntthäügkeit ohne örtlich zu reizen, und hierauf gründet sich die Haupt-Indikation für seinen Gebrauch, nämlich: dass man es da anwendet, wo die Blutthätig-keit zu sehr vermindert und dabei die Nerventhätigkeit einseitig über sie erhöhet, namentlich aber, wo die Sensibilität der Theile zu überwiegend ist. Greve') empfahl es gegen das Blutbarnen des Rindviehes, im Zustande der wahren Schwäche als das beste und am schnellsten wirkende Mittel: aber bei dem Blutbarnen im Entzündungszustande vermehrt es das üebel. Auch benutzte er das Kraut und das Extrakt in kleinen Gaben beim Nerven- und Faulfieber und in der Windkolik. Er hat jedoch die Art des Ner-venfiebers nicht näher bezeichnet; aber das Mittel passt hier gewiss nicht unter allen Umständen. — Ich habe es bei dem atonischen Blutbarnen, bei der Harnruhr mit demselben Charakter, bei sehr schmerzhaften asthenischen Entzündungen, besonders bei solchen Lungen- und Brustfellentzündungen, bei dem sogenannten feuchten
) Walinielmmngen am Rindviell. S. 6.J.
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Dampf, bei schmerzhaftem Husten und bei dem Dummkoller, wenn derselbe mit keinen Congestionen begleitet war, — sehr off mit dem grüssten Nutzen angewendet.
Aeusserlich dient es bei allen schmerzhaften asthenischen Ent­zündungen, bei dergleichen Verhärtungsgeschwülsten, und bei schmerzhaften Wunden, besonders sehniger Gebilde, und beim ein­getretenen Wundstarrkrampf.
sect;• 437.
Die Gabe von dem getrockneten Kraut') ist für Pferde und Kinder von h his 3 Unzen, für Schafe, Ziegen und Schweine i Drachmen bis 1 Unze, für Hunde 10 Gran bis 1 Drachme, — täglich 2 bis 3 mal.
Die Anwendung geschieht in Latwergen, Pillen, oder im ge­linden Dokokt; äusserlicfa entweder gleichfalls im Dekokt zu Waschun­gen und Bähungen, oder auch in Form von Breiumschlägen.
Man giebt das Mittel für sich allein, oder nach Bedürfniss mit andern versetzt. Als ganz vortrefflich habe ich bei dem Blut­harnen und bei der Harnruhr die Verbindung des Bilsenkrautes mit dem Bleizucker kennen gelernt.
Anmerkring. Die Wurzel des Bilsenkrautes ist von einigen Thierärzten gegen dieselben Krankheiten wo das Kraut gebräuchlich ist, angewendet worden. Sie soll stärker wirkend sein als dieses und wird deshalb nur in der Hälfte der Gabe desselben gegeben.
Die Bilsenkrautsamen sollen vortrefflich umstimmend auf den ganzen Ernährungs- und Bildungsprozess wirken und werden deshalb den Pferden zu 4 bis (I Drachmen, Rindern zu raquo;- bis I Unze, Schafen zu 2 Drachmen, Hunden zu 1 bis 2 Skrupel pro dosi täglich 3 mal, durch 14 Tage fortgesetzt, hei alten Geschwüren, bei veralteter Druse u. s. vv. gereicht. — Die Tinktur (nach obiger Bereitung sect;. 4:14) ist bisher nur versuchsweise bei dem Duinmkoller der Pferde in Gaben von 1 bis 3 Drachmen zu In­jektionen benutzt worden.
Das Bilsenkrautöl (Olemn Hyoscyami infusuni s. rorlum), ist als ein reizmilderndes Mittel innerlich bei schmerzhaftem Hu­sten, bei Kolik u. dgl. (für Pferde zu 3 bis 4 Unzen, für Hunde 2 Drachmen bis i Unze), und äusserlich bei schmerzhaften Wunden,
quot;) Im ersten Jahre ihres Waclislliunis ist die Pflanze fast ganz nn-wiiksam, und auch im raquo;weilen Jalire leistet sie niolil viel, wenn sie vor der Bliillie gesaramell wird; erst mit der Bliithe wird sie vollkommen wirksam. daher dos Kraut am besten von der iweijährigen Pflanze ge-sammull wird.
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bei Ohrenzwang der Hunde u. s. w. zu benutzen, — aber auch recht gut zu entbehren. — Das aus dem Samen gepresste Oel wirkt blos wie jedes andere fette Oel.
3. Tollkirsche, Wolfskirsche, Tollkraut, Waldnacht­schatten (Kraut und Wurzel), Iterba et Radix Belladonnae.
sect;. 438. Ausser vielen andern Bestandtheilen hat man in den Blättern ein Alkaloid (das Atropin) gefunden, und diesem die Wirksam­keit hauptsächlich zugeschrieben; dasselbe wirkt allerdings narko­tisch, hat aber nicht die volle Wirkung der Pflanze. Die Bestaud-theile der weit kräftigeren Wurzel scheinen noch nicht gründlich bekannt zu sein.
Auch die Wirksamkeit der einzelnen Theile der Belladonna in ihrer Eigenthiimlichkeit und in ihrer Intensität, verhältnissmässig zu andern narkotischen Mitteln, scheint bei den verschiedenen Hausthieren noch nicht genügend erforscht zu sein. — Nach Münch*) sollen Ziegen die Wurzel dieser Pflanze pfundweise ohne Schaden gemessen, und Schafe die Blätter mit Begierde fressen. Viborg (Samml. Bd. 3. S. 146.) gab einem S Jahr alten Wallach 1 Pfund der frischen Blätter ohne merkliche Wirkung, und Greve**) versichert, dass ein Pferd, dem er in einem Tage 2 Pfund frisch gepulvertes Kraut, in zwei Gaben vertheilt gegeben, blos ein wenig mehr Munterkeit zeigte, als sonst. Von \ Pfund der frischen Beeren wurde ein Pferd blos etwas aufgetrieben, ein anderes, welches über ein Pfund Beeren, mit Mehl zu Pillen gemacht, er­halten hatte, wurde in 2 Stunden nach dem Eingeben ebenfalls aufgetrieben, der Puls unordentlich und die Fresslust geringer. Am folgenden Tage war von dieser Wirkung nichts mehr zu spüren. Bei Hunden entstand von 20 bis 30 Beeren keine Wirkung (Vi­borg). — Die Wurzel gab Pilgerquot;**) Pferden bis 4 Unzen ohne Nachtheil; Viborg sah von 3 Loth frischer Wurzel bei einem Hunde keine Wirkung, von 4 bis G Loth aber Erbrechen, Unruhe,
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*) J. 11. Münch, prakl. Anleit., wie die Belladonna bei den Tliieren anzuwenden ist, Slendal 1787.
**) Erfahr, u. Beobachl. Bd. I. S. 163. .
***) Versuche, durch den Galvanismus die Wirkung verschiedener Gifte und Arzneimillel . auf die erhöhele oder verminderte Reizbarkeit der Nerven zu prüfen, Giesson 1801. Hertwig ArzneimtlteHefare.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;30
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trübe, thränende Augeu, Erweiterung der Pupille. Diese Zufalle waren nach 3 bis 4 Tagen wieder verschwunden. —
Mit diesen Angaben über die geringe Wirksamkeit so sehr grosser Gaben vom Kraut und von der Wurzel der Belladonna, stimmen meine Beobachtungen nicht tiberein; denn ich bemerkte bei mehr als 20 verschiedenen Pferden, denen ich 4 bis 6 Unzen des trockenen, pulv. Krautes, mit Mehl und Wasser zur Latwerge gemacht, in 1 Gaben getbeilt, binnen 4 bis 8 Stunden eingegeben hatte, zuweilen schon nach 5 bis 6 Stunden, mehrentbeils aber erst am folgenden Tage Traurigkeit, Mattigkeit, Erweiterung der Pu­pille, starren, sehr ängstlichen Blick, vermehrte Wärme im Maule, dunkle Röthung und Trockenheit der Schleimhaut der Nase und des Mauls, sehr starke, trommelsuchtartige Auftreibung des Bauches, pochende, schnelle, bis gegen 90 in einer Minute vermehrte Herz­schläge, eben so viele kleine, harte und kaum fühlbare Pulse der Arterien, beschleunigtes, kurzes Athmen, mit starkem Spiel der Nasenläppchen, Appetitlosigkeit, Abgang einzelner harter Koth-ballen, später gänzliche Verstopfung des Leibes. Bei einzelnen Pferden fanden sich ausserdem' noch gelinde Kolikschmerzen, bei andern sehr grosse Schwäche der hintern Extremitäten hinzu. Diese Zufälle wurden mehrentbeils durch S bis 20 Stunden nach ihrer Entstellung immer heftiger, und endeten in mehrern Fällen mit dem Tode, der etwa 30 bis 50 Stunden nach dem ersten Ein­geben erfolgte; in den übrigen Fällen minderten sie sich allmählig, nachdem LeibesöfTnung eingetreten war, und die Thiere erschienen nach 3G bis 4S Stunden wieder gesund.
Die trockene Wurzel verursachte ganz dieselben Zufälle wie das Kraut; sie waren aber von gleichen Gaben viel heftiger und zeigten sich mehrentbeils schon von 2 bis 3 Unzen, welche in Ga­ben von einer Unze und in Zwischenzeit von je einer Stunde gereicht wurden. G Unzen der Wurzel waren bei meinen Versuchen den meisten Pferden tüdtlich.
Bei Kühen verhielt sich die Wirksamkeit des Krautes und der Wurzel in der Art der Erscheinungen ganz wie bei Pferden, und ausserdem wurde die Milch sehr wässerig; — aber dem Grade nach war die Wirkung stets viel heftiger als bei den letztern. Ich sah schon von 1 Unze der Wurzel und von 2 Unzen der Blätter in zwei Gaben getbeilt und in Zwischenzeiten von 3 Stunden mit 1 Pfund Wasser eingegeben, Auftreibung des Leibes, schnelleren Puls, Kälte der Ohren, der Hörner und des Flotzmauls entstehen. Von 2 bis 4 Unzen der Wurzel waren die Wirkungen sehr stark und dauerten fast immer 4S Stunden, bei einigen Versuchen auch bis zum dritten Tage. Mehr als 4 Unzen der Wurzel habe ich
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keiner Kuh gegeben, weil die Zufalle von dieser Gabe schon mit Lebensgefahr verbunden zu sein schienen. Hierbei imiss ich gegen Greve*) ausdrücklich bemerken, dass der Koth stets trockener als im gesundlaquo;. Zustande war, und dass niemals Purgiren eintrat.
Sowohl bei Pferden wie bei Kühen erschien zur Zeit des höch­sten Grades der Wirkung die Empfindlichkeit etwas vermindert, aber wirkliche Betäubung und Bewusstlosigkeit sah ich in keinem Falle, selbst kurz vor dem Tode nicht entstehen. — Das zur Zeit der Wirkung abgelassene Blut, gerinnt sehr schnell zu einer festen Masse.*')
Bei Hunden bemerkte ich nach dem Eingeben von 30 bis 50 Gran des trockenen Krautes oder der Wurzel schon nach Verlauf von 15 bis 20 Minuten Unruhe, Winseln, nach 30 Minuten Erwei­terung der Pupille, fast immer in einem solchen Grade, dass von Iris keine Spur mehr zu sehen war, und dieselbe auch bei dem hellsten Licht unempfindlich blieb. Zuweilen trat Erbrechen ein. Das ängstlich klingende Winseln dauerte fast anhaltend fort, es fand sich dazu Trockenheit und grosse Hitze der Nase, schwan­kender Gang, später (nach 50 bis 70 Minuten) wirkliche Lähmung des Hintertheils; die Sehkraft war oft gänzlich verschwunden, aber das Gehör und die Empfindlichkeit nicht; manche Hunde waren sogar sehr aufgeregt. — Nach Ij- bis 2^ Stunden nahmen die Zu­fälle wieder ab, die Hunde zeigten jetzt Neigung zu schlafen, und nach 12 bis 15 Minuten waren sie recht munter; aber etwas Er­weiterung der Pupille und verminderte Reizbarkeit der Iris be­stand noch nach 24 Stunden. 40 bis 60 Gran des Extrakts wirkten stets auf dieselbe Weise. Bei Orfila's Versuchen starb ein Hund von 4 Drachmen des Extrakts unter ähnlichen Zufällen nach 'i% Stunden, ein anderer erst nach 31 Stunden.
Einspritzungen in den Mastdarm von einem Dekokt des Krautes (^ zu 6 Unzen Kolatur) täglich 3 bis 4mal wiederholt, führten bei einigen Pferden, ausser einem massigen Grade der bei der innerlichen Anwendung des Mittels entstehenden Zufälle, auch einen lähmungsartigen Zustand des Mastdarms herbei, so dass der After beständig often stand. Diese Wirkung dauerte 1, auch 2 Tage hindurch fort.
*) Walirnehmungen am Bindvieli, S. 94. Wnliniehmung 521.
**) Aderlassen, innerlich schleimige Miltel mit grossen Gaben von Miltelsalzen, oder auch Zincum sulphuricnm in Gaben von J bis I Drachme für Pferde, schleimige Klyslire, Reiben des Leibes und Bewe­gen des Thieres, mindert die heftigen Zufalle, Reichlicher Abgang von Koth und von Blähungen ist das Zeichen der eintretenden Besserung.
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Nach Injektionen von 2 bis 4 Drachmen einer Tinktur (bereitet durch Digestion von 2 Drachmen des trockenen Krautes mit 1^ Unze Weingeist) in die Drosselvene an Pferden, entsteht sogleich Unruhe, kleiner, sehr beschleunigter Puls (10(1 Schläge und mehr in einer Minute), ängstliches, beschwerliches Athmen, grosse Er­weiterung der Pupille, stierer Blick, Zittern, Zuckungen am ganzen Körper, Betäubung mit Verlust aller Sinne; dann unregelmässige Stellung, Neigung nach vorwärts zu fallen. Zuweilen scheinen die Thiere wie aus dem Schlaf zu erwachen, erschrecken, taumeln, sehen nach dem Leibe, schlagen mit den Fiissen gegen denselben, entleeren mit Stöhnen und unter starker Anstrengung Urin und Koth; im höchsten Grade der Wirkung fangen manche an zu toben, gehen wie blind gegen Wände, bekommen stärkere Zuckungen und stürzen nieder. Die Dauer dieser Zufälle erstreckt sich bei einzelnen Thieren von 8 bis gegen 20 Stunden, und nach Injek­tion von 6 Drachmen der Tinktur endeten sie bei einem Pferde gegen Ende der zweiten Stunde mit dem Tode.
Bei Hunden wirkte das Einspritzen von 30 Tropfen dieser Tinktur, oder einer Auflösung von 6 Gran des Extraktes ganz ähnlich, wie die innerliche Anwendung einer 10 bis 12fachen Menge des letztern; die Wirkung zeigte sich mehrentheils schon nach 2 bis 5 Minuten, zuerst durch grosse Erweiterung der Pu­pille u. s. w., und ging nach 5 bis 7 Stunden wieder vorüber. Orfila sah nach Injektion von 40 bis 45 Gran des Extraktes Hunde sterben.
Ein Tropfen von einer Auflösung des Extraktes oder des De-koktes auf den Augapfel gebracht, verursacht nach 2 bis 3 Mi­nuten eine sehr grosse Erweiterung der Pupille; dieselbe Wirkung sieht man nach 10 bis 12 Minuten entstehen, wenn man 20 bis 30 Gran des Extraktes mit Wasser aufgelöst, oder das Dekokt von 1 Drachme des Krautes in den Mastdarm oder in eine frische Wunde bei Hunden applizirt. —
sect;. 439.
Am Kadaver der durch Belladonna getödteten Thiere findet man das Gehirn und seine Häute sehr blutreich, besonders in der Gegend der Vierhügel; häufig an letzfern sogar Blutextravasate; die Hirnkammern oft ganz ohne Wasser; die Lungen derb, an manchen Stellen Extravasate von schwarzem Blut; im Herzen und in den grossen Gefässen viel zersetztes Blut, ähnlich wie bei dem Typhus; die Schleimhaut des Magens (bei Pferden nicht immer) dunkel geröthet, oder mit dunkelrothen Flecken besetzt; den Darm­kanal bei Hunden ganz, bei Pferden bis über die Hälfte des Leer­darms gesund, aber bei letztern den übrigen Dünndarm und den
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ganzen Dickdarm stark von Lullt aufgetrieben und an vielen Stellen dunkelroth oder blauroth gefärbt und sehr murb; die Bl:itgefässe der Bauche.ingeweide strotzend voll von schwarzem Blut; selbst das Netz, das Gekröse und das Bauchfell oft an mehrern Stelleu dunkelroth und sehr mürb.
sect;• 440.
Aus dem vorstehend Gesagten ergiebt sich: dass die Bella­donna a) weniger betäubend, aber mehr lähmend wirkt als das Opium und Bilsenkraut; 1)) dass sie vorherrschend und zuerst die Sensibilität und Irritabilität der Augen vermindert, bei grossen Ga­ben auch das Sehvermögen ganz unterdrückt, also spezifisch auf die Sehnerven und deren Ursprung im Gehirn (auf die Vierhügelgt; wirkt; e) dass sie in der primären Wirkung mehr als jedes andere Narkotikum, das Blut und die Blutgefässe auf eine eigenthümliche Weise aufregt und einen, dem nervösen Entzündungsficber ähn­lichen Zustand erzeugt; — d) dass sie in grossen Gaben auch Entzündungen der Baucheingeweide, besonders bei den pflanzen­fressenden Thieren verursacht,— und e) dass sowohl diese örtliche wie auch jene allgemeine Wirkung sehr bald den typhösen Cha­rakter annimmt, und mit Zerstörung der Irritabilität, mit Lähmung der Gefasse und mit Zersetzung des Blutes endet.
sect;. 441.
Die Anwendung der Belladonna bei kranken Thieren darf nur mit Beachtung der, für die Anwendung der narkotischen Mittel im Allgemeinen gültigen Indikationen und Contra-Indikationen (sect;. 427. und 42S.) geschehen; die besondern Krankheitsverhältnisse, für welche sie vor andern Mitteln angezeigt ist, sind jedoch von den Thierärzten bis jetzt nur wenig ermittelt. Man hat sie innerlich gebraucht:
1) Gegen die Hundswuth. Die Belladonna ist zur Verhütung und zur Heilung dieser Krankheit im nördlichen Deutschland schon lange, vorzüglich aber von dem Superintendent Münch*) sehr häufig angewendet worden, und ihr Gebrauch wurde selbst von den Landesregierungen vorgeschrieben. Das Mittel hat aber oft auch gar nichts geleistet, und daher das ehemalige grosse Ver­trauen fast ganz verloren.**) Bei seiner Anwendung darf die örtliche Behandlung der Bisswunde niemals unterlassen werden.
*) S. dessen angeführte Schrift.
**) In der Menschenheilkunde ist die Belladonpa in neuester Zeit durch Sauter als ein spezifisches Mittel zur Heilung der ausgebroche­nen Wasserscheu wieder eippfohlen worden. Siehe dessen Schrift: Die Behandlung der Hundswulh. Constanz 1833.
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2)nbsp; Gegen den Koller der Pferde. Mihich hat hier das trockene Kraut innerlich, und Grevequot;) bei 2 Pferden die Tinktur als In­jektion in die Venen mit gutem Erfolge angewendet; ich habe das trockene Kraut und die Wurzel sehr oft mit gutem Erfolge ge­geben. Letzterer zeigte sich am meisten dann, wenn die koller-krankeu Pferde grosse Empfindlichkeit und Drehen nach einer Seite zeigten. In vielen Fällen wurde aber durch das Mittel gar keine Besserung erreicht.
3)nbsp; Gegen den Starrkrampf ist das Mittel vielfältig versucht und in neuerer Zeit von Falke (Nebel und Vix Zeitschr. f. Thierheilk. Bd. 4. S. 309.) als hülfreich gerühmt worden. Ich habe es hier innerlich (so lange dies der Grad des Trismus gestattete) und in Klystiren sehr oft angewendet und im Ganzen ein ziemlich günstiges Resultat erhalten.
4)nbsp; Gegen die Staupe der Hunde. Die Belladonna ist in den spätem Zeiträumen dieses Uebels, besonders wenn Nervenzufälle (zu grosse Reizbarkeit, epileptische Anfälle, Zuckungen und Läh­mung) eintreten, ein recht wirksames Mittel; ist aber bereits Faul-fieber entstanden, so leistet sie gewöhnlich nichts mehr.
ö) Bei der Dreh- und Gnubberkrankheit der Schafe soll Bella­donna im Anfange sich (nach Fink) recht nützlich gezeigt haben. Bei den hohem Graden dieser Uebcl, namentlich der Drehkrank­heit, kann sie dagegen nichts mehr leisten.
fi) Gegen krampfbaffen Husten, wenn derselbe aus zu grosser Reizbarkeit der Respirationsorgane entsteht, z. B. nach vorausge­gangenem Strenge!, bei und nach asthenischer Bräune, bei und nach der chronischen Lungenseuche des Rindviehes; ich habe das Mittel gegen diesen beschwerlichen Zufall bei Pferden, bei Kühen und Hunden recht oft sehr wirksam befunden.
7) Gegen heftige Krampfkolik, selbst wenn schon Symptome von Darmentzündung hinzugetreten sind, habe ich die Bella­donna, innerlich und in Klystiren angewendet, als ein sehr hülf­reiches Mittel in vielen Fällen erprobt.
5)nbsp; Gegen den Rotz der Pferde ist die Belladonna ein altes Mittel, und von Sander (Hannöv. Mag. 1770. S. 714.), von Münch u. A. als ein Spezifikum angepriesen. Viborg (Samml. Bd. 2. S. 417) fand aber ihre heilsame Wirkungen nicht bestä­tiget, und ich muss ihm darin völlig beistimmen; denn obgleich bei mehrern Pferden durch einige Zeit eine Verminderung aller Symptome eintrat, so erfolgte doch niemals eine wirkliche Heilung.
') Erfahrungen und Beobaclilungen. Ir Tlieil. S. 122.
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9)nbsp; Bei fehlerhafter Ahsonderung der Milch, wenn dieselbe bei sonst gesunden Kühen, blau, klümprig, schleimig oder zäh abge­sondert wird; — ebenso bei dem sogenannten Blutmelken ist die Belladonna eins der wirksamsten Mittel.
10)nbsp; Bei Innern Augenentzündungen und bei den Folgen der­selben, bei Ausschwitzungen an der Iris, bei zurückgebliebener zu grosser Reizbarkeit u. s. w., hat man gute Wirkungen von der innerlichen Anwendung der Belladonna gesehen.
11)nbsp; Auch will man sie sowohl als Vorbeugungsraittel wie au.;h als Heilmittel gegen die Rinderpest, gegen die Schafpocken und andere ansteckende und seuchenartige Krankheiten mit Nutzen au­gewendet haben; allein mehrere Beobachtungen zeigen, dass man sich bei diesen Krankheiten gar nicht auf das Mittel verlassen darf. *)
12)nbsp; Gegen Scirrhus und Krebs, ist auch die innerliche An­wendung der Belladonna von wesentlichem Nutzen.
Aeusserlich kann das Kraut der Belladonna ganz wie das Bilsenkraut, besonders gegen erethiscbe Augenentzündungen ge­braucht werden; bei der sogenannten Mondblindheit, wenn die Iris nnregelmiissig verengert, oder wenn starke Ausschwitzungen und Blutextravasate im Innern des Auges zugegen waren, habe ich das Extrakt mit dorn besten Erfolge angewendet. Ebenso habe ich dasselbe mit Nutzen bei Krampf des Blasenhalses und bei der hierdurch erzeugten Harnverhaltung auf das Mittelfleisch und in den After, — und gegen krampfhafte Verengerung des Mutter­mundes bei schweren Geburten, an den Muttermund selbst gelind eingerieben. — Auch kann die Belladonna, besonders eine Auflö­sung des Extraktes, an die Augen applizirt werden, um die Pu­pille zu erweitern, wenn man die hintere Augenkammer im hellen Licht untersuchen, oder wenn man Operationen im Auge unter­nehmen will.
sect;• 442.
Die Gabe von dem getrockneten Kraut ist für Pferde und Rinder 3 Drachmen bis 1 Unze, für Schafe und Schweine 1 Drach­me bis i Unze, für Hunde 5 Gran bis 1 Skrupel; — vou dem frischen Kraut giebt man die 3 bis 4fache Menge, — aber von der trockenen Wurzel | weniger als von dem trockenen Kraut. Das Extrakt eignet sich zum innerlichen Gebranch nur bei Hun­den und Katzen, und kann hier in denselben Gaben, wie das trockene Kraut angewendet werden. Wegen der langen Dauer der
*) Hannöv. Mogaz. 1770. Nr. 25, 80, 81, 82.
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Wirkung reicht man von der Belladonna täglich nur 2 bis 3 Ga­ben, jede in Zwischenzeiten von 5 bis 8 Stunden.
Die innerliche Anwendung des Krautes und der Wurzel ge­schieht in Latwergen, in Pillen oder im Aufguss mit kochendem Wasser (1 Unze zu 1 Pfund Koiatur) und, nach Erfordern der verschiedenen Eraukheitszustände, entweder für sich allein oder in Verbindung mit bittern, mit aromatischen u. a. Mitteln; besonders habe ich bei Pferden oft das Glauhersalz hinzugesetzt, um die so leicht entstehende Verstopfung des Leibes zu verhüten. Metallsalze und adsttingirende Mittel sollen die Wirksamkeit der Belladonna schwächen; vom Kalomel, das ich oft mit ihr zugleich anwendete, habe ich diesen Nachtheil nicht gesehen.
Aeusserlich ist die Belladonna wie das Bilsenkraut zu be­nutzen. Bei Augeneutzündungen gebrauchte ich am vortheilhafte-sten das Extrakt, in Verbindung mit grauer Merkurialsalbe (| bis 1 Drachme zu \ Unze der letztem).
4, Stechapfel - Blätter und Samen, Berba et Semen Slramonii.
sect;• 443.
Die wirksamen Bestandtheile in diesen Theilen des Stechapfels sind noch nicht gründlich bekannt, obgleich Existenz eines eigen-thümlichen Alkaloides (Daturin oder Stramonin) hier von Geiger deutlich nachgewiesen worden ist.
Die Wirkungen des Stechapfels hält man fast allgemein für sehr ähnlich mit denen der Belladonna; sie sind jedoch noch viel zu wenig erforscht. — Viborg (Samml. Bd. 3. S. ;140.) bemerkte an einem 5 jährigen kleinen Pferde, dem er 1 Pfund der frischen Blätter in Mehlpillen eingegeben hatte, nach % Stunde blos etwas schnelleren Puls und Erweiterung der Pupille. Diese Zufälle ver­loren sich aber bald wieder. — Ein altes ausgehiiiigertes Pferd zeigte sich nach dem Fressen von 2 Pfund der abgeblüheten Pflanze etwas aufgetrieben, die vorher schon bestandenen Fieber­zufälle nahmen zu, und es schien oft stallen zu wollen. Als man es 2 Tage darauf tödtete, fand man Entzündung in den Gedär­men, so weit wie die Pflanze gekommen war. — J Pfund frisches Kraut mit 3 Pfund kochenden Wassers infundirt, verursachte bei einem 7 jährigen Pferde ausser öfterem Uriniren keine Zufälle. — Von | Pott (circa 16raquo;- Unze) ausgepressten Saftes bekam ein ein­jähriges Füllen nach 1 Stunde schnelleren Puls und Erweiterung der Pupille; am folgenden Tage zeigte es sich krank, war unruhig, wollte nicht fressen; am dritten Tage waren diese Zufälle wieder
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vorüber. — 2^ Pfund des reifen Samens verursachten bei einem 9jährigen Pferde sogleich schnellem und kleinern Puls, Verlust des Appetites, Auftreibung des Leibes. Diese Zufälle nahmen durch 24 Stunden zu, und am folgenden Tage zeigte das Pferd grosse Unruhe, Niederwerfen, Zusammenstellen der vier Füsse unter dem Leibe, Hervordrängen des Mastdarms, Herabhängen des Kopfes, heftiges Athinen; am dritten Tage dieselben Zufälle; während dieser Zeit erfolgte nur eine Kothentleerung. 52 Stunden nach dem Ein­geben warf sich das Pferd rücklings über und starb unter Zuckun­gen. Bei der Sektion war das Wichtigste; Ergicssung von rüth-lichem Wasser in die Bauchhöhle, Ausdehnung des Magens und der Gedärme von Luft, und einige Theile des Darmkanals ent­zündet.
Eine Ziege ertrug 1 Pegel (circa 8^ Unze) des ausgepressten Saftes ohne merkliche Wirkung; ein Widder zeigte nach derselben Gabe schnelleres Athinen und häufiges Uriniren.
Ein % Jahr alter Pudel wurde ^ Stunde nach dem Eingeben von 4 Unzen des Saftes unruhig und winselte sehr; nach 1 Stunde erbrach er sich 3 mal, zitterte stark, und fuhr fort zu winseln bis zum Verlauf von 4 Stunden, wo er wieder munter wurde und Appetit zeigte. — Ein Loth der Samen und | Loth der frischen Wurzel blieben bei 2 andern Hunden ganz ohne Wirkung. — Von ^ Unze des Extraktes bekam (bei Orfila) ein Hund ähnliche Zufälle wie von einer gleichen Gabe des Belladonnaextraktes, aber die Sinne blieben frei; der Tod erfolgte nach 7 Stunden.
Pferden spritzte ich in die Drosselvene ein lufusum, welches für die verschiedenen Versuche von i bis 2 Drachmen des trocke­nen Krautes, oder von eben so viel Samen mit 2 bis 3 Unzen kochenden Wassers bereitet war und bemerkte darauf: Vermehrung und Härte der Pulse, beschleunigtes Athemholen, Zittern der Mu­skeln, Erweiterung der Pupille, zuerst munterern, nach 20 bis 30 Minuten aber sehr stieren Blick, eine geringe Abstumpfung der Sinne, schleichenden Gang, zuweilen Schweiss, ungestörte, aber auch nicht vermehrte Koth- und Urinentleerung. — Injektionen von 2 bis vier Drachmen einer Stechapfeltinktur (bereitet wie Bilsenkraut­tinktur) erregten dieselben Zufälle, aber in etwas stärkerm Grade; besonders war die Abgestumpfheit grosser und das Athmen viel beschwerlicher als nach Injektion einer gleichen Quantität von dem Infusum; manche Pferde zeigten Schwindel, Krämpfe in den Hals muskeln, sehr starkes Geifern aus dem Maule, Gähnen. Greve*)
*) Erfahr, u. Beobachl. Bd. I. S. 134.
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sah auch starken Durchfall entstehen; ich bemerkte diesen nie­mals.— Hunde ertrugen von dem Infusum fast eben so viel wie die Pferde, und verhielten sich im Wesentlichen wie diese. Die Wir­kung trat in 4 bis 5 Minuten nach der Injektion ein und dauerte 2 bis 6 Stunden.
sect;. 444.
Spezielle Indikationen zur Anwendung des Stechapfels gegen bestimmte Krankheiten der Thiere lassen sich nicht angeben, weil das Mittel bis jetzt von den Thieriirzten nur iiusserst selten ange­wendet worden ist. Berühmte Menschenärzte haben an kranken Menschen vom Kraut, noch mehr aber von den Samen direkt schmerzlindernde, beruhigende Wirkungen gesehen und diese Mittel mit gutem Erfolge gegen schmerzhafte Uebel, namentlich gegen Kchmertshaftcn Rheumatismus, auch gegen Krämpfe, Wahn­sinn u. dgl. gebraucht; — ich habe das getrocknete Stechapfel­kraut innerlich bei Pferden gegen Dummkoller und Starrkrampf, in Gaben bis zu 2 Unzen täglich 4 mal ohne besondern Erfolg angewendet. Die Injektion der Stechapfeltinktur habe ich gegen Koller und Rheumatismus in 15 Fällen ganz ohne Erfolg, und in 7 Fällen mit Erleichterung der Zufälle gemacht, aber bei zwei Pferden den Koller und bei vier andern den Rheumatismus ge­heilt. — Bei dem Starrkrampf der Pferde habe ich das wässerige Infusum der Stechapfelhlätter und des Samens, und eben so die Tinktur oft zu Injektionen in die Venen benutzt, jedoch mehren-theils vergeblich; denn unter S so behandelten Patienten wurde nur einer geheilt.
Aeusserlich habe ich bei schmerzhaften rheumatischen Augen-entzündungen und bei der sogenannten Mondblindheit einen Auf-guss der Blätter und auch der Samen (^ zu 6 Unzen Kolatur) zum Waschen, bei schmerzhaften Enlziindungen anderer Theile aber die Blätter mit kochendem Wasser zum Breiumschlag ge­macht, mit Nutzen gebraucht.
6. Brechnuss, Krähenaugen, Kux vomiea.
sect;#9632; 445.
Der wesentliche Bestandtheil dieser Samen ist das Strych­nin, ein Alkaloid, welches ihre eigenthümliche Wirksamkeit im hohen Grade besitzt und in ihnen mit dem Brucin, mit der Igasur-Säure, mit viel Extraktivstoff, mit Fett- und PDanzen-säuren verbunden ist.
Die Wirkungen der Krähenaugen sind durch eine grosse An­zahl von Versuchen ziemlich genau ermittelt. Sie bestehen bei
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der Anwendung grosser Gaben in einem plötzlich, und zuweilen mit einem unwillkürlichen Sprung nach vorwärts eintretenden heftigen Krampf aller willkürlichen Muskeln, wobei der Rumpf, der Hals, die Ohren, die Gliedmaassen und der Schwanz ganz, starr und steif werden (dem Tetanus ähnlich), so dass man nicht im Stande ist, während dieses Krampfes den Thieren ein Geleni: zu beugen. Oft wird dabei der Körper nach vorwärts, zuweilen anch etwas nach rückwärts gekrümmt. Das Maul ist fest verschlossen (Trismus), der Augapfel ganz schief verzogen, die Pupille ist oft, aber nicht immer, erweitert, und zuweilen tritt Zittern an verschie­denen Theilen des Körpers ein. Der Krampf ist jedoch nicht wie bei dem wirklichen Starrkrampf gleichmässig fortdauernd, sondern er lässt nach 1 bis 3 Minuten entweder ganz oder grösstentheils nach, kehrt aber nach kurzer Zeit wieder, und so wechselt der Zu­stand bis zum gänzlichen Verschwinden der Wirkung oder bis zum erfolgenden Tod. Die wiederkehrenden Krampfanfalle treten immer zuerst mit einem kurzem Ruck oder Stoss ein, der sich mehrmals wiederholt, ganz ähnlich wie von elektrischen Schlägen, — Gleich beim Eintritt der Wirkung wird das Athmen kurz, ange­strengt und ängstlich; während des Krampfes setzt es zuweilen durch einige Sekunden ganz aus, und es ist wahrscheinlich, dass bei dem hohem Grade der Wirkung auf diese Art der Tod durch Erstickung erfolgt. Die Pulse werden schneller und härter; die Schleimhaut der Nase und des Mauls erscheint bläulich; der Urin geht zuweilen unwillkürlich ab, aber Darmcntlecrungen finden selten statt, und höchst selten erfolgt bei Thieren, die sich er­brechen können, eine Neigung hierzu; wirkliches Erbrechen sah ich niemals eintreten. — Die Empfindlichkeit ist während der ganzen Wirkung nicht vermindert, sondern in der Regel sehr ver­mehrt; denn die Thiere sehen es wenn man ihnen drohet, sie hören auf leises Anrufen, erschrecken vor Geräusch und fühlen jede Berührung ihres Körpers. Merkwürdig ist es, dass durch solche Einwirkungen, so wie durch festes Auftreten auf den Fuss-boden, — zuweilen sogar durch blosses Anhauchen der Thiere, die Krampfaufälle neu hervorgerufen werden können, und eben so merkwürdig ist es, dass die Zufälle fast ganz gleichartig durch eine kurze Zeit fortdauern, nachdem den Thieren der Kopf abge­schnitten ist.
Gaben von mittlerer Grüase erzeugen nach einer viertel bis nach einer halben Stunde zuerst Zuckungen in den Muskeln des Gesichts, des Halses und der Schenkel, dann einen massigen Grad von Steifigkeit, wobei die Thiere noch gehen können, — grosse Empfindlichkeit, etwas kürzeres Athmen, aber keine Störung in
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der Cirkulation, im Appctif, in den Sekretionen, und keine Erwei­terung der Pupille.
Von sehr kleinen Gaben bemerkt man bei gesunden Thieren wenig oder gar keine Wirkung, ausser, dass der Koth härter und in kleinereu Massen entleert wird; bei kranken Thieren sieht man die Verdauung gebessert und Durchfalle gestillt werden.
sect;. 446.
Diese Wirkungen der Brechnuss erfolgen bei Thieren aus ver­schiedenen Klassen und von verschiedener Gattung, und ebenso bei jeder Art der Anwendung im Wesentlichen sehr gleichartig, sie sind aber unter diesen verschiedenen Umständen in der Stärke, in der Zeit ihres Eintrittes und in ihrer Dauer etwas modifizirt. Vögel ertragen verhältnissmässig die grüssten Gaben, wie dies Desportes Versuch zeigt, wo einem einjährigen Huhn innerhalb 20 Tagen 1114 Gran zerstückelte Krähenaugen in steigender Dosis, aber in den ersten 12 Tagen fast ganz ohne Wirkung gegeben wurden. Erst durch die letzten sehr grossen Gaben (164 Gr. auf einmal) wurden heftige Krämpfe und der Tod verursacht (Orfila 2. Bd. S. 372). — Auch bei Kühen, Ziegen und Schafen ist die Wirkung von gleichen Gaben weit schwächer als bei Pferden; am heftigsten aber erscheint sie bei Hunden und Katzen, und man kann die Krähenaugen für diese Thiere als eins der heftigsten Gifte betrachten. Schweine sollen dagegen grosse Gaben des Mittels ohne Nachtheil ertragen.*)
Die innerliche Anwendung der Krähenaugon in Form eines groben Pulvers, oder in Pillen und Latwergen ist mit schwächerer und langsamerer Wirkung begleitet, als die Anwendung einer glei­chen Gabe in flüssiger Form; ich gab einem Pferde \ Unze des Mittels in einer Mehlpille und sah erst nach 1 Stunde massigen Krampf eintreten, der durch 6 Stunden bestand, und mit Genesung endete; als ich aber nach 4 Tagen demselben Pferde eine gleiche Gabe mit 1 Pfund Wasser eingekocht eingab, zeigten sich schon nach 15 Minuten sehr heftige Krämpfe, die ebenfalls gegen 6 Stunden anhielten. Ein anderes Pferd überstand die Wirkung von 10 Drachmen Krähenaugen, in einer Pille gegeben, aber es starb innerhalb 2 Stunden, als dieselbe Gabe in einer Abkochung ange­wendet wurde. — Eine zweijährige Ziege erhielt in 11 Tagen nach einander folgende Quantitäten von Krähenaugenpulver mit Brot zusammengeknetet. Am Isten Tage 8 Gran; am 2teu Tage 10 Gran; am 3ten Tage 16 Gran; am 4ten Tage 1 Skrupel; am öten
quot;) Lossius, de nuce vomica. sect;. 24.
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Tage 24 Gran; am Gteu Tage 30 Gran; am 7ten Tage '2 Skrupel; am Sten Tage 50 Grau; am 9ten Tage 1 Drachme; am lOten Tage 4 Skrupel; am Uten Tage 5 Skrupel; — in Summa 440 Grau, — ohne dass eine Wirkung zu spüren war.') — Be; Hun­den erfolgt mehrentheils in der ersten halben Stunde keine bemerk­bare Wirkung, wenn man ihnen 10 bis 20 Gran Eräbeuaugeu mit Fleisch gemengt oder in einer Pille giebt; erst nach dieser Zeit treten Krämpfe ein und die Thiere sterben nach 2 bis 3 Stunden; giebt man ihnen aber dieselbe in Menge im Dekokt, so erfolgt schon nach 5 bis 6 Minuten sehr heftige Wirkung und in 15 bis 25 Minuten der Tod.
Bei Injektionen in die Blutadern tritt die Wirkung fast augen-blicklich in grösster Heftigkeit ein, und von 1 Gran des aufge­lösten Extraktes oder von 2 Gran Krähenaugen im Dekokt, erfolgt bei Hunden der Tod schon in 1 Minute. — Fast eben so schnell wirkt das Mittel, wenn man es in die geöffnete Brusthöhle,, etwas weniger schnell, wenn man es in die Bauchhöhle, und noch etwas langsamer, wenn man es in eine äussere Wunde applizirt; doch irift auch hier der Tod in 15 bis 20 Minuten ein.
sect;• 447.
In den Kadavern der durch Brechnuss getödteten Thiere, findet man die Venen in den Häuten des Gehirns und des Rückenmarkes sehr voll von Blut, den Magen und Darmkanal in den meisten Fällen ganz frei von Entzündung, zuweilen aber die Schleimhaut des erstem an einzelnen Stellen dunkel geröthet, selbst etwas cor-rodirt, — alle übrige Organe aber gesund. — Waren die Krähen­augen in Substanz, gepulvert oder in Pillen eingegeben worden, so findet man gewöhnlich die ganze Gabe im Magen wieder.
sect;. 44S.
Die beschriebenen Erscheinungen, welche nach Anwendung grosser Gaben der Brechnuss entstehen, zeigen sehr deutlich, dass dieses Mittel vorherrschend und eigenthümlich auf das Rückenmark wirkt, und die Funktionen dieses Organs und der von ihm ent­stehenden Nerven bis zum Uebermaass aufregt; dass es aber in kleinen Gaben auch als ein erregendes und tonisches Mittel auf den Verdauungskanal, und wahrscheinlich zuerst auf die Gan­gliennerven in der Bauchhöhle wirkt.
Diesen Eigenschaften gemäss ist die Anwendung der Brech­nuss angezeigt: a) bei solchen Krankheiten des Rückenmarkes und
*) Genzken, in der Zoojasis von Lux. 2ter Bd. Isles Heft. 39.
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der mit ihm in Verbindimg stehenden Nerven, welche in vermin­derter Lebenskraft, in Schwäche, Unregelmässigkeit oder Unter­drückung des Wirkungsvermügens dieser Theile begründet sind, wie namentlich bei Lähmungen, bei Krämpfen, bei der Epilepsie und bei dem Starrkrampf: — und b) bei Schwäche, bei Krampf, bei Krampfkolik, und bei unregelmässiger, zu reichlicher Absonde­rung in den Verdauungseingeweiden.
Dagegen ist das Mittel zu vermeiden, wenn in den genannten Theilen krankhaft erhohete Lebensthätigkeit, und besonders zu grosse Empfindlichkeit und Reizbarkeit, oder wenn Congestion zu denselben besteht; es ist daher auch nicht passend, wenn die Läh­mungen als unmittelbare Folge von mechanischen Verletzungen des Rückenmarkes entstanden sind, oder wenn der Starrkrampf mit synochösem Fieber, oder mit Congestionen zur Lunge be­gleitet ist. —
Bei der lähmungsartigen Schwäche, bei den Zuckungen und wirklichen Lähmungen, welche so häufig nach der Staupe der Hunde am Hintertheil zurückbleiben, habe ich die Brechcuss recht oft mit gutem Erfolge angewendet. Bei rein nervösen Kreuzläh mungen und bei dem Starrkrampf der Pferde habe ich das Mittel zwar in einzelnen Fällen gleichfalls mit Nutzen, eben so oft aber auch ganz ohne Erfolg gegeben.
Gegen zu geringen Appetit, gegen schlechte Verdauung, gegen chronischen Durchfall, selbst gegen Ruhr der Pferde, gegen Wür­mer und Gastruslarven in den Gedärmen, ist die Brechnuss schon lange ein von Empirikern sehr häufig angewendetes Mittel. Ich habe dasselbe gegen diese Krankheiten oft, und fast jedesmal mit gutem Erfolge versucht. Vorzügliche Dienste hat mir aber das Mittel in Koliken, die aus Erkältung und Uuvcrdaulichkeit in Folge von Schwäche entstanden, geleistet. — Gegen Rotz und Wurm, wo das Mittel gleichfalls gerühmt wird, habe ich es ganz ohne Nutzen durch längere Zeit angewendet.
sect;• 449.
Die Brechnuss wird nur innerlich angewendet, und zwar bei Pferden in allmählig steigenden Gaben von % bis 3 Drachmen, beim Rindvieh von \ Drachme bis ^ Unze, bei Schafen und Schweinen von 1 Skrupel bis 1 Drachme, bei Hunden von 1 bis 10 Gran, — jede Gabe in Zwischenzeiten von 6 bis 8 Stunden. — Da die Wir­kung bei einzelnen Thleren in sehr ungleichem Grade erscheint, so ist es stets nöthig, seinen Gebrauch mit kleinen Gaben anzufangen, und nur allmählig zu grössern Gaben überzugehen, jedoch höchstens nur bis gelinde Zuckungen entstehen.
Die Anwendung der pulverisirten Krähenaugen kann in Lat-
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wergen, in Pillen oder im Dekokt, für sich allein oder in Verbin­dung mit bittern und aromatiscbrn Mitteln geschehen. Es ist wohl zu beachten (wie bereits im Vorhergehenden [sect;. 44ü| ange­geben), dass das Mittel im Dekokt viel schneller und stärker wirkt, als in andern Formen.
Man hat von der Brechnuss auch zwei verschiedene Extrakte, ein Weingeistiges (Exlrarium Nucis vomicae spiriluosum), und ein wässeriges (E.rlractum Ifuds vomicue aquosum), von denen das erstere viel kräftiger wirkt als das letztere; man kann tue statt der Krähenaugen, bei Pferden 2 bis 5 Gran, bei Hunden in der Gabe von | bis J Gran benutzen, aber auch entbehren. — Ein ganzer Gran des weingeistigen Extraktes tödtet jeden Hund.
Das Strychnin ist wegen seiner ausserordentlich heftigen Wirkung am besten ganz aus dein Gebrauch zu lassen; denn \ Gran dieser Substanz tödtet schon einen starken Hund. — Unter den Präparaten hiervon verdiene das salpetersaure Strychnin (Siryclwinum nifricum) den Vorzug, weil es am leichtesten auflös-lich ist. Dasselbe ist aber noch wirksamer als das blosse Alkaloid. Man hat es bei Pferden gegen Krampfkolik in Gaben von ^ bis ^ Gran, in einer schleimigen Flüssigkeit, jede 2te Stunde wiederholt, mit sehr gutem Erfolge gegeben. Bei Rindvieh, Schweinen und Hunden ist es gegen Epilepsie und bei letztern auch gegen die Zuckungen bei und nach der Staupe eben so nützlich gewesen. Ersteren Thieren giebt man das Mittel zu ^ bis 2 Gran, Schweinen und Hunden T\ bis 7V Gran, in blossem Wasser aufgelöst, z. B. Rp. Strychnin, nilric. 4 Gran, sohe in Ag. dest. comm. 3 Unzen, D. bene clauso, Sig. 30 bis 40 Tropfen auf Einmal zu geben. Man wiederholt die Gabe stündlich und steigert sie um 5 bis 10 Tropfen, bis Minderung der Zufälle eintritt, worauf mau die folgenden Ga­ben wieder allmählig vermindert. Das Glas muss wohl verwahrt und der Ueberrest der Arznei weggeschüttet werden. Streng ge­nommen, müsste die Arznei immer als — Gift! äusserlich be­zeichnet sein, damit durch Zufall oder Verwechslung kein Schade durch sie entstehe.
6. Rothes Fingerhutkraut, Digitalis, Herbu Digitalis purpureae.
sect;. 450. Unter den wirksamen Besfandtheilen dieser Pflanze steht das Digitalin, ein eigenthümliches Alkaloid, oben an; ausserdem tra­gen wahrscheinlich noch eine- harzige Substanz und Extraktivstoff zur Wirksamkeit etwas bei. Das Digitalin hat sich nach den Versuchen
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von Bouchardat und Sandrat als eins der heftigsten Gifte ge­zeigt. In sehr kleinen Gaben, d. i, zu ^ Gran, machte es bei Kaninchen eine Verlangsamerung der Pulse. Etwas grössere Gaben reizen an der Stelle der Anwendung sehr heftig und bewirken eine Hemmung der Cirkulation und den Tod durch Lähmung des Herzens. Die Substanz wird thierärztlich nicht benutzt.
Die Digitalis ist ein narkotisch-scharfes Mittel von ausgezeich­neter Wirksamkeit, welche letztere jedoch fast nur allein an Pfer­den und Hunden einigermaassen erforscht ist. — Für Pferde kann man die Digitalis hinsichtlich der Intensität ihrer Wirksamkeit neben den Krähenaugen, als das heftigste unter den narkotischen, und neben den Krotonsameu und der schwarzen Nieswurz als das heftigste unter den vegetabilischen Mitteln überhaupt betrach­ten; denn 1 Unze (in einzelnen Fällen sogar nur 6 Drachmen) der pulverisirten trockenen Blätter, in einer Mehlpille einem noch kräftigen Pferde gegeben, verursachte bei meinen vielen Versuchen fast jedesmal nach Verlauf von 3 bis 10 Stunden Appetitlosigkeit, zuweilen in der ersten Zeit etwas vermehrten vollen Puls, öfteres Uriniren, zuweilen auch dünneres Misten, bald Trockenheit, bald vermehrte Schleimabsonderung im Maule; späterhin einen kleinen, langsameren, ungleichen, zuweilen auch aussetzenden Puls, star­ken, unregelmässigen Herzschlag, Eingenommenheit des Kopfes, Verminderung der Sinnesthätigkeit, unregelmässigen Stand, grosse Mattigkeit, Verengerung der Pupille, Kälte der Ohren u. s. w. und nach 12 bis 16 Stunden den Tod. Bracy Clark') sah einen Esel schon nach 12 Stunden von einer halben Unze des trockenen Krautes sterben, ohne dass andere Zufälle dabei eingetreten waren, als eine Viertel-Stunde vor dem Tode grosse Schwäche und etwas Ausfluss von dickem Schleim aus dem Maule. — Dagegen ertrug ein Pferd 4 Unzen von den grünen Blättern ohne die geringste darauf erfolgende Wirkung; — aber 1 Pfund dieser frischen Blätter verursachten demselben Pferde etliche Stunden nach dem Eingeben kalte Ohren, kalte Beine, sehr starke Verengerung der Pupille, sehr langsamen Puls, kalten Schweiss, worauf Kälte am ganzen Körper, Lähmung der Hinterlippe und der Tod unter heftigen Convulsio-nen eintrat. — Dupuy sähe ein Pferd unter ähnlichen Erschei­nungen nach einer Gabe von 7 Unzen binnen einigen Stunden sterben, und bei einem andern Pferde, dem er die sehr grosse Gabe von etwas über 6 Pfund von dem Mittel gegeben hatte,
') Pharmacoiioea Equina, Lond. 1823. 4lo. pag. 10.
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erfolgte der Tod noch schneller, unter Züf;ülen von grosster Er­schöpfung der Kräfte und von Lähmung.')
Fast auf ganz gleiche Weise, aher langsamer, wirkt die Digi­talis bei Pferdeo, wenn man ihnen dieselbe in kleineren Gaben etwas anhaltend reicht. Ich gab mehrern kräftigen Pferden täglich dreimal 1 bis 1-| Drachmen durch vier Tage nach einander, und bemerkte dabei oft schon am zweiten Tage den Puls unregelmäs-sig, aussetzend, und um 3 bis G Schläge in der Minute verringert, auch die Munterkeit und den Appetit zum Futter und Geträi;ke vermindert werden. Am dritten und vierten Tage nahmen diese Zufälle zu, die Thiere zeigten sich sehr abgestumpft, die Pupille verengert, der Gang wurde schwankend, die Respiration beschwer­lich; zuweilen trat Durchfall ein; das aus der Ader gelassene Blut war schwarz und wenig gerinnbar; bei rotzigen Pferden wurde der Ausüuss aus der Nase sehr vermehrt und die ausgeathmete Luft höchst widrig riechend; mehrentheils wurde jetzt der Puls bedeutend schneller (in manchen Fällen bis 140 Schläge in 1 Mi­nute), die Temperatur wechselte oft und verringerte sich immer mehr, bis der Tod, stets unter heftigen Convulsionen, erfolgte.
Hunde erfragen das Mittel verhältnissmässig in viel grössern Gaben, und zeigen von 10 und 20 Gran auf einmal gegeben, mehrentheils kaum eine wahrnehmbare Wirkung. Orfila (a. a. 0. Bd. 2. S. 325.) hat bei einem Hunde selbst, von 1^ Drachmen des pulv. Krautes bis zum folgenden Tage keine auffallende Wir­kung bemerkt; — ich habe aber von solchen Gaben in Zeit von r, bis 1-^ Stunden nach dem Eingeben heftiges Erbrechen, Un­ruhe, Winseln, Verengerung der Pupille, Verminderung der Zahl der Pulse von 95 auf SO, selbst bis 70 in einer Minute, Mattigkeit, zuweilen wirkliche Betäubung, anhaltendes Liegen auf dem Bauche, dann Diarrhöe, und durch 2 bis 3 Tage sehr aufiallende Schwäche entstehen sehen. Von 2 Drachmen, und noch mehr von 3 Drach­men des Mittels traten diese Zufälle jedesmal ein und endeten ge­wöhnlich mit dem Tode, wenn den Thieren durch Zubinden des Schlundes das Ausbrechen des Mittels unmöglich gemacht worden war. — 2 Drachmen wässeriges Extrakt erzeugten bei einem Hunde nach 7i- Stunden Abgeschlagenheit, aber keinen Schwindel und der Pnls blieb wie vorher 125, und gleicbmässig; nach 14J Stunden zeigte sich leichter Schwindel, der Pids wie früher, und 2 Stunden darauf der Tod. — Dieselbe Gabe harziges Extrakt einem Hunde beigebracht und ihm der Schlund unterbunden,, verursachte nach
') Dupny, Jouni. pratique de mod, viiter. 1830, p. 449. u. f. Hertwiit J ./tpeliiiin i'UcInt,nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;laquo;Jl
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10 Miauten Drang zum Erbrechen, irreguläre, langsame Pulse; nach 16 Minuten noch Drang zum Brechen, Verminderung der Pulse von 90 auf 50 in 1 Minute; nach 2^ Stunden dieselbe Wir­kung, nach 5 Stunden den Tod.
Von 3 Drachmen des Pulvers auf eine wunde Stelle am Schen­kel eines kleines Hundes applizirt, entstand nach 3 Stunden Er­brechen, Schaum vor dem Maule, nach 8^ Stunden Schwindel, und eine Stunde darauf erfolgte der Tod. (Orfila.)
In die Venen gespritzt, wirkt die Digitalis verhiiltnissmässig schwächer als andere narkotische Mittel; ein Infusum, bereitet aus 2 Drachmen des Pulvers mit 4 Unzen kochenden Wassers, und in Gaben von ^ bis 2 Unzen verschiedenen Pferden in die Dros­selvene injicirt, verursachte in 10 bis 12 Minuten etwas schnelleren, zugleich aber atissetzenden, unregelinässigen Puls, stieren Blick, dunklere Röthung der Schleimhaut in der Nase und im Maule, geringe Mattigkeit bei der Bewegung. Nach 5 bis 7 Stunden wa­ren die Wirkungen vorüber. — Hunde zeigten nach der Injektion von ^ Drachme dieser Flüssigkeit ähnliche Symptome im massigen Grade, starben aber von 1 Drachme unter hinzugetretenen Convul-sionen. — Von der nach der Preussischen Pharmakopöe bereiteten einfachen Fingerhutkraut-Tinktur (TincturaDigitalis simplex) spritzte ich Pferden 2 Drachmen bis 4 Unze in die Vene, ohne dass hiernach eine deutlich wahrnehmbare Wirkung erfolgte; von 6 Drachmen bis 1 Unze zeigte sich die letztere fast ganz so wie nach der Injektion von 1 Unze des wässerigen Aufgusses.
Bei Wiederkäuern und Schweinen ist die Wirkung des Fiuger-hutkrautes noch wenig erforscht. Kühen gab ich dasselbe von 1 Skrupel bis 2 Drachmen täglich 2 mal mit | Pfund heissem Wasser, aber stets nur durch einen Tag, und bemerkte hierauf 2 bis 3 Stunden nach dem Eingeben eine Minderung der Stärke und der Schnelligkeit der Pulse und deren Herzschläge (von 60 oder 56 auf 55 bis 50 in der Minute), Trockenheit des Nasenspiegels, keine Veränderung der Pupille, und auch keine andere Zufälle. Jene Wirkung dauerte gewöhnlich bis zum zweiten Tage fort.
Auf das Haus-Federvieh soll die Digitalis, nach Bonjeans vielen Versuchen, keine giftige Wirkung äussern. Er gab die frischen Blätter oft bis 4 Unzen, ohne dass eine Wirkung eintrat (Journ. dePharmacie, Juli 1S43.). — Auch Bladig fand, dass das Mittel den Hühnern keinen Nachtheil brachte (Oester. med. Wochen-scbrifl 1S44, Istes Quart. S. 121.). Ich sehe dagegen, dass 10 junge Puten nach dem Genuss der blühenden Pflanze betäubt wurden, Schwindel, Lähmung und Krämpfe bekamen. Essig min­derte diese Zufalle und stellte in 16 Stunden die Thiere wieder her.
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sect;• 451.
Am Kadaver der durch die Digitalis getüdteten Pferde, findet man fast immer den Bauch stark aufgetriehen, den Magen ebenso, zugleich änsserlich seine Gefiisse sehr mit schwarzem, dii.infllissi-gem Blute augefüllt, im Innern an verschiedenen Stellen entzündet, die Schleimhaut dunkel geröthet, leicht trennbar; am Dünndarm, ausser der starken Anfüllung der Venen nichts Abnormes; den ganzen Dickdarm stark entzündet, bald gleichmässig in einem wei­ten Umfange, bald an vielen kleinen Stellen; sehr oft sind Extra-vasate von Blut in Gestalt kleiner schwarzer Flecken änsserlich unter der serösen Haut, auch innerlich unter der Schleimhaut zu­gegen; Netz und Gekrüso ebenfalls an verschiedenen Stellen ent­zündet, die Blutgef:isse wie injicirt; das Bauchfell an einigen Stellen von ähnlicher Beschaffenheit; — die Lungen massig mit Blut er­füllt, zuweilen an ihrer Oberfläche mit einigen schwarzen Flecken versehen; in den Bronchien blutiger Schaum; das Herz äusserlich an mehrern Stellen, vorzüglich im Vorlaufe der Kranzgefasse mit schwarzen Flecken (Extravasate) von verschiedener Grosse versehen, die Fasern dunkelroth, sehr miirb, die Höhlen leer, oder mit flüssi­gem Blut massig erfüllt, ihre sie auskleidende Haut dunkelroth (wie bei dem Typhus); die Häute des Gehirns und Rückenmarkes so wie diese Organe selbst sehr blutreich.
Bei Hunden zeigt sich im Wesentlichen dieselbe Beschaffenheit der Organe; ausserdem fand Orfila noch in einigen Kadavern das Blut in der rechten Herzkammer hochroth, während das in der linken ganz dunkel war.
sect;. 452.
Ueber die Wirkungen und über den Gebrauch der Digitalis bei kranken Thieren, ist bisher nur wenig Bestimmtes erforscht, und überhaupt ist das Mittel noch wenig angewendet. Man em­pfiehlt jedoch dasselbe 1) zur Minderung der fieberhaft aufgeregten Gefässthätigkeit, in allen Fällen, wTo die Pulse sehr schnell und vermehrt sind; und 2) zur Berörderung der Resorption bei Was­seransammlungen. — Diese Krankheitszustände sind jedoch viel zu allgemein bezeichnet. Denn die Erfahrung lehrt a) daslaquo; die Digitalis bei Entzündungsfiebern, so lange der Puls hart ist und die Schleimhäute sehr geröthet und trocken sind, überhaupt so lange der synochöse Charakter besteht, keinesweges eine Vermin­derung, sondern fast immer noch eine Verstärkung des Fiebers bewirkt, und unter diesen Umständen auch die Symptome der Ent­zündung verstärkt; b) dass sie ebenso bei sehr grosser Schwäche und bei Cachexien das Fieber nur selten mindert; und c) dass sie aber fast immer eine Verminderung der Zahl der Herz- und Ar-
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terieuschläge bewirkt, wenn letzteres in einem Eretbismus des Ge-fasssystems begründet, und der vorausgegangene active Entzün-dnngscharakter l)ereits durch Blutentzieluingcu und durch Salze beseitiget ist. Doch machen auch unter den eben bezeichneten Umständen diejenigen Fieber hiervon eine Ausnahme, welche die Folge eines gereizten Zustandes des Magens und Darmkauais sind; denn hier wird die Digitalis niemals gut ertragen, desto besser aber bei und nach Entzündungen der Brusteingeweide, und bei entzündlich rheumatischen Fiebern (wie dieselben im Jahre 1833 in hiesiger Gegend sehr zahlreich erschienen). Ich habe sie bei Pferden und Hunden gegen Lungen- und Brustfellentzündun­gen, wenn die Heftigkeit derselben auf die oben angegebene Weise beseitiget war, oder wenn die Krankheit bereits so lange gedauert hatte, dass Ausschwitzung und der Uebergang in akute Brustwas­sersucht drohete, — und ebenso gegen die Lungenseuche des Rindviehes unter ähnlichen Verhältnissen mit herrlichem Erfolge angewendet; dagegen bat sie bei der sogenannten Pferdeseuche, wenn aussei' der Entzündung dor Brustorgane haupsächlich eine Entzündung der Leber zugegen war, gewöhnlich gar nichts ge­leistet. Gegen Hirnentzündungen ist das Mittel zwar auch ver­sucht worden, aber mit keinem besondern Erfolg, und es kann auch wegen des, mit der narkotischen Wirkung verbundenen Blut­andranges zu dem Gehirn, während der Entzündung gewiss nicht nützlich sein.
Gegen schon vollkommen ausgebildete Wassersuchten habe ich die Digitalis bei verschiedenen Thieron mit wenig Glück ange­wendet; nur in einigen Fällen, wo akute Brustwassersucht frisch entstanden war, minderte sie die Zufälle sehr bedeutend; aber bei chronischer, torpider, sogenannter kalter Wassersucht in der Brust­höhle und in der Bauchhöhle, nutzte sie bisher wenig dauernd, oft auch gar nichts, obgleich sie auch hier in den meisten Fällen eine vermehrte Urinabsonderung verursachte. — Gegen die Was­seransammlung in den Hirnhühlen bei dem Dummkoller der Pferde, versuchte ich das Mittel sehr oft vergeblich; bei einzelnen Pferden wurde zwar nach seinem Gebrauch (auch durch denselben?) die Abstumpfung etwas geringer und das Drehen nach einer Seite hörte auf, aber bei keinem wurde der Koller gänzlich geheilt, und in mehrern Fällen musste das Mittel wegen schnell eingetretener Appetitlosigkeit und wegen sichtbar vermehrter Schwäche sehr bald wieder ausgesetzt werden. — Gegen die beginnende Drehkrankheit der Schafe, gleich nach dem Vorübergehen der geringen, und in der Regel asthenischen Hirnentzündung ist die Digitalis, jedoch in
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Verbindung mit Calomel, Aloe u. dgl. Mittein als nützlich befunden worden. — Gegen üderaaföso Anschwellung der Füsse habe ich sie bei mehreren Pferden ganz vergeblich angewendet.
sect;. 453.
Man darf die Digitalis nur in kleinen Gaben, uämtich für Pferde und Riadvieh von 1 Skrupel bis 1 Drachme, für Schafe und Schweine von -i bis 10 Gran, für Hunde von 2 bis 10 Gran verordnen, und solche Gaben nur in Zwischenzeiten von 5 bis 7 Stunden anwenden. Auch gebietet es die Vorsicht, das Mittel nur durch etwa 2 Tage anhaltend zu gebrauchen und es dann durch 24 Stunden wieder auszusetzen, um die Wirkung zu beobachten und um die, von dem länger fortgesetzten Gehrauch zuweilen ent­stehenden üblen Zufälle zu verhüten. Diese Vorsicht ist am mei­sten bei Pferden nöthig; und wenn bei diesen Thieren während des Gebrauchs der Digitalis der Appetit verschwindet, so halte ich es, meinen Beobachtungen zufolge stets für zweckmässig, den fernem Gebrauch sogleich zu unterlassen.
sect;• *54.
Die Anwendung des Fingerhutkrautes findet nur innerlich statt, und zwar in Latwergen, in Pillen oder in einem, mit kochendem Wasser gemachten Aufguss. Sehr seifen giebt man es für sich allein, sondern gewöhnlich mit andern Mitteln, welche dem kran­ken Zustande entsprechen, versetzt, wie namentlich mit Salpeter, mit Glaubersalz, Doppelsalz, Weinstein, Calomel, Brechweinstein, Salmiak, kohlensaurem Kali u. dgl. Um für grosse Thiere die nöthige Masse, besonders bei der Anwendung der Digitalis in Pillen und Latwergen zu erhalten, und um ihre nachtheilige örtliche Ein­wirkung auf die Verdauungseingeweide zu verhüten, ist in den meisten Fällen der Zusatz von schleimigen Mitteln, von Süssholz-wurzel oder auch von Enzianwurzel am zweckmässigsten. Gewürz­hafte und geistige Mittel schwächen die herabstimmende Wirkung der Digitalis auf die Blutgefässe und passen daher nicht, wenn eben nur diese Wirkung bezweckt wird, sondern nur da, wo die Resorption und die Harnabsonderung befördert werden soll, wie %. B. bei manchen veralteten Wassersuchten. Bei hartnäckigen rheumatischen Affektionen schien die Verbindung der Digitalis mit Kampber gute Dienste zu leisten. — Die angedeutete Beschränkung der Anwendung auf nicht frische Entzündungen gilt auch von den beiden Fingerhutkraut - Tinkturen, der einfachen (Tinci.
Bigiliilis simplex) und der ätherischen {Tinrf. Digitalis astherea), welche aber, so wie die übrigen Präparate dieses Mittels, in der Thierheilkunde nicht gebräuchlich sind.
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4SÖ
7. Tabak, Tabaksblätter, Tabakskraut, Herba seu Folia Xicotianue s. Tabaci.
sect;. 455.
Ein braunes, scharfes Oel, eine röthliche, stickstoffhaltige Sub­stanz, Satzinehl, Eiweis u. s. w., — auch eine eigenthümliche, krystallisirbare, weder alkalische noch saure Substanz, die mau als Nicotian in bezeichnet bat, und die zwar etwas narkotisch wirkt, aber die Pupille nicht erweitert, und eine flüchtige alkalische Sub­stanz, die scharf und etwas betäubend wirkt, und Nicotin ge­nannt worden ist, — sind die wichtigsten Bestandtheile dieses all­gemein bekannten Mittels.
Der Tabak gehört ebenfalls zu den scharfen narkotischen Arz-neistoffeu und ist der Digitalis darin ähnlich, dass er wie diese (sehr oft aber nicht immer) die Bewegungen der Blutgefässe lang­samer macht und zugleich die Resorption befördert; beide Mittel scheinen die Empfindlichkeit im sympathischen Nerven zu vermin­dern und umzustimmen, aber wahrscheinlich erst nach der Wir­kung auf das Gehirn. Uebrigens sind sie sowohl in einigen Ne­benwirkungen wie auch im Grade der Stärke von einander unter­schieden; denn der Tabak macht eine schwächere örtliche Einwir­kung und wird, wenigstens von Pferden, in viel stärkeren Gaben ertragen als die Digitalis.
Ich habe sehr oft gesunden Pferden 1 bis 2 Drachmen pulve-risirten Tabak in einer Pille täglich 3 bis 6 mal und durch 2 bis 3 Tage nach einander gegeben, aber niemals irgend eine Wirkung hiernach gesehen; von % bis 1 Unze in einer Gabe erfolgte zuwei­len schon nach 1 bis 2 Stunden eine Verminderung der Pulse um 3 bis 10 Schläge in der Minute; wurde solche Gabe nach Zwischen­zeiten von einer Stunde 2 bis 4 mal wiederholt, so trat diese Ver­minderung der Pulse um desto sicherer nach der zweiten Gabe ein. Gewöhnlich wird der Puls zuerst unregelmässig, aussetzend, dann gleichmässig langsamer. Die Wirkung dauert 6, S bis 12 Stunden und verschwindet dann wieder gänzlich; an der Pupille*) und am Athmen konnte ich dabei keine Veränderung wahrnehmen; zuweilen schien die Munterkeit der Pferde etwas vermindert zu sein, aber der Appetit bestand gut fort, der Koth ging etwas reich­licher, aber gut verdaut ab, und ebenso wurde der Urin etwas reichlicher entleert. — Von 6 Unzen des trockenen pulverisirten
*) Zuweilen war bei den slärkern Graden der Wirkung die Pupille enger als im gesunden Zustande; eine Eigenlliümlichked, wie sie bei keinem andern narkot. Mitlei vorkommt.
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Krautes auf einmal, und täglich 2 bis 3 mal (also bis 1J Pfund) gegeben sah ich im Wesentlichen nur dieselbe Wirkung; bei einem Pferde wurde jedoch nicht allein die Zahl der Pulse von 38 auf 27, sondern auch die der Athemziige von 9 auf 5 vermindert, und die Wirkung dauerte gegen 40 Stunden. — Von den frischen Blättern der Nieoliana Tabacum und ebenso von der Xicottana ru-stica vor der Bliithe und während derselben, gab ich verschiedenen Pferden 2 bis 6 Pfund auf einmal, in Pillen und Latwergen, und bemerkte hiernach die angegebenen Wirkungen in einem sehr ge­ringen Grade, zugleich aber durch einige Stunden Verlust des Appetits und reichlichen Abgang des Urins. — Von dem aus iVi-cofiana ruslica gepressten Saft wurde 1 Pfund einem 9 Jahr alten Pferde eingegeben, worauf innerhalb einer Stunde eine Vermeh­rung der Pulse um 3 Schläge pr. Minute, und innerhalb 2|[ Stun­den viermaliges Misten und öfteres Harnen erfolgte. Die Wirkung war damit vorüber. 2 Pfund dieses Saftes am folgenden Tage demselben Pfärde eingegeben, wirkten auf ganz gleiche Weise und nur eben so stark. — Ein Aufguss und eben so ein Dekokt von 1 bis 3 Unzen trockenen Tabakskrautes zu 1 bis 2 Pfund Colatur, als Klystir bei Pferden in den Mastdarm gespritzt, erregte immer in kurzer Zeit mehrmalige Koth- und Urinentleerung, ohne dass weitere Zufälle eintraten.
Das Einspritzen einer halben Unze Tabaks-Infusum (bereitet aus % Unze trockenen Krautes und 6 Unzen heissen Wassers) in die Drosselvene eines kräftigen Pferdes, verursachte sogleich schnel­leres, beschwerliches Athmen, sehr schnellen Puls, Fieberschauer am ganzen Körper, dunklere Röthung der Schleimhaut in der Nase und Mattigkeit. Diese Symptome minderten sich nach einer Stunde und verschwanden nach 3 Stunden gänzlich. — Die Injektion von
1nbsp; Unze dieses Aufgusses in die Vene desselben Pferdes, aber 4 Tage später gemacht, war mit ganz gleichen, aber viel heftigeren Zufällen begleitet, welche jedoch ebenfalls nur kurze Zeit bestanden. Das Pferd zeigte bald darauf guten Appetit und die Entleerungen des Mistes und des Urins waren normal. — Als wieder 4 Tage später
2nbsp; Unzen dieses Aufgusses injicirt wurden, entstand sogleich höchst angestrengtes, ängstliches Athmen, das Thier schien ersticken zu wollen, taumelte, fiel nieder, versuchte unter grosser Angst wieder aufzukommen, konnte sich aber nicht auf den Beinen erhalten, son­dern stürzte wieder nieder; der Puls sehr schnell, deutlich fühlbar, der Herzschlag stark pochend, kramphafte Zusamraenziehungen der Bauchmuskeln, Neigung zum Erbrechen, Umsehen nach dem Leibe. Nach 10 Minuten liessen diese Zufälle sehr nach, das Pferd stand auf, ging aber schwankend; Puls und Athem blieben noch
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gegen ö Stimdeu beschleunigt und die Fresslust durch 2 Tage vermindert, dann war Alles wieder normal. — Die Pupille erschien fortwährend unverändert und eben so die Entleerung des Kothes und Urins.
Einer gesunden Kuh von mittlerer Grosse wurden 3 Unzen pulverisirten Tabaks mit 1lt; Pfund warmen Wassers gemengt, in Zwischenzeiten von 2 Stunden eingegeben. Schon nach der zwei­ten, noch mehr aber nach der dritten Gabe entstand bedeutend erhöhte Temperatur der Haut, Vermehrung der Pulse von 65 auf 70, beschleunigtes, etwas angestrengtes Afbmen, dann Kälte der Hörner, der Ohren und Fiisse, massige Erweiterung der Pupille, und heftiger Schweiss, der bis in die Nacht fortdauerte. Am fol genden Tage frass das Thier schlechter und war etwas traurig, am dritten Tage war es ganz wohl. — Bei Wiederholungen dieses Versuchs, auch mit nur 2 Unzen Tabak trat ganz dieselbe Wir­kung ein, aber bei einer andern Kuh blieb sie selbst nach 4 Un­zen aus. — Das durchgeseihete Infusum (3 Pfund) von 4 Unzen Tabak brachte auch bei der ersten Kuh keine Wirkung hervor, aber der Rückstand von diesem Aufguss verursachte erhühte Tem­peratur des ganzen Korpers.
Zwei trächtige Kühe frassen auf der Heimkehr einige Maulvoll trockener Tabaksblätter und dann noch im Stalle eine Schnurvoll dieses Krautes. Einige Stunden später zeigten sie kolikartige Zu­fälle, trippelten hin und her, und stampften mit den Füssen furcht­bar. Dann trieb der Hinterleib auf; die Thiercn waren betäubt, hatten hervorstehende Augen, wilden Blick, bewegten den Kopf viel und hoben ihn merkwürdig hoch auf; später zittcrlui sie, fielen zur Erde, lagen betäubt mit ausgestreckten Füssen und auf­gestütztem Kopfe: die Zunge hing hervor und Geifer floss aus dem Maule. Alle Mühe, die Thicre aufzurichten, war vergeblich. Sie wurden geschlachtet, wonach blos etwas Entzündung der Magen und des Darmkanals und die Blase mit Urin erfüllt gefunden wurde. Letzteres deutet darauf: dass die Ausleerung der Blase während jenes Zustandes aufgehört hatte (Schmayer, in d. thier-ärztl. Ztg. 1844. Nr. 21. S. 61). — Ein Ochse verzehrte gegen 4 Pfund trockene Blätter von Landtabak. Bald darauf zeigte er grosse Unruhe, Zähneknirschen, Stöhnen, Auftreibung des Leibes, legte sich mit ausgestreckten Beinen, bekam stinkende Diarrhöe, der Nasenspiegel wurde kalt, das Maul aber war heiss und schlei­mig, der Körper wurde kalt und es traten Zuckungen ein; von Zeit zu Zeit stand das Thier auf, trippelte mit den Beinen, und stöhnte; Appetit und Wiederkauen waren gänzlich verschwunden. Unter Convnlsionen trat nach II Stunden der Tod ein. Section:
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Im Wanst noch die bezeichnete Menge Tabaksblätter, seine Schleim­haut dunkelroth und da, wo die Blätter gelegen, mit kleinen Ero­sionen versehen, im Leerdarm eben so, die übrige Sehleimhaut sehr blass, das Blut sehr dunkel, sonst nichts Abnormes.
Einer gesunden Ziege wurde eine halbe Unze pulv. Tabaks in Latwergenform, in 3 Theile getheilt, innerhalb 3 Stunden ein­gegeben. Bei der dritten Gabe erschienen die Pulse um G und die Athemzüge um 2 in der Minute vermindert, das Thier etwas auf­getrieben, aber munter. Die Wirkung dauerte gegen 7 Stunden. — Von 1 Unze des Mittels, auf dieselbe Weise angewendet, ent­stand eine enorme Aufblähung des Leibes, blaurothe Färbung der Schleimhäute, ein geringer Grad von Betäubung und Krämpfe. Nach einem Aderlass minderten sieh die Zufälle und am folgenden Tage zeigte sich das Thier wieder munter. — Eine Unze Tabak auf Einmal gegeben, tödfete die Ziege unter ähnlichen Zufällen, welche gegen 10 Stunden dauerten. — Bei einer zweiten Ziege trat diese tödliche Wirkung nach 2 Unzen Tabak ein.
Ueber die Wirkungen dieses Mitfels an Schafen und Schwei­nen sind keine Versuche bekannt.
Einem kräftigen Hunde gab man 1 Drachme pulv. Tabak, mit Mehl und Wasser zur Pille gemacht; nach 5 Minuten wurde die Pille wieder ausgebrochen, dennoch erfolgte nach 50 Minuten eine Verminderung der Pulse von 67 auf 49; die Arterie war weich und voll; das Athmen, die Pupille, die Bewegung der Glieder und die Ausleerungen blieben unverändert und nach 5 Stunden zeigten sich auch die Pulse wieder in normaler Zahl. Orfila (a. a. 0. S. 312.) brachte mittelst der Oesophagufomie in den Magen eines starken Hundes 5^ Drachmen pulv. Tabak. Nach einigen Minuten bemerkte man Drang zum Erbrechen, nach Gi- Stunde Schwindet, langsamen Gang, Zittern der hintern Extremitäten; — die Sinnes­organe schienen gesund, das Athmen etwas beschleunigt. Nach 8 Stunden lag das Thier auf der Seite und konnte sich nicht mehr auf den Fiissen erhalten, obgleich es bisweilen Versuche dazu machte; der Kopf zitterte beständig, die Physiognomie drückte Ab­stumpfungaus; es folgten Zuckungen der Kackenmuskeln, Schlaff­heit der Glieder, schnelle beschwerliche Respiration, schnelle, starke Herzschläge, und mit 'J Stunden der Tod. — 2 Drachmen des Pulvers mit eben so viel Wasser auf das Zellgewebe am Schenkel eines Hundes applizirt, verursachten ganz ähnliche Zufälle und schon nach SO Minuten den Tod. Dieselbe Wirkung sail Orfila sogar von IG Gran pulv. Tabaks, welche auf gleiche Weise ange­wendet wurden, erfolgen, aber der Tod trat erst nach einigen Stun­den ein. — Ein Dekokt, bereitet von -J Drachme Tabak zu | Unze
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Colatur, welches ich einem kräftigen Hunde in den After spritzte, verursachte sogleich Aeusscmngen von Schmerzen im Leibe und Drang zur Kothentleerung, wobei der grösste Theil des Dekokts wieder ausgestosscn wurde. Dennoch wurde bald darauf der Gang schwankend, der Herzschlag aussetzend, das Athmen angestrengt, und der Hund fiel nach 6 Minuten betäubt nieder; nun folgte heftiges Erbrechen, das binnen einer halben Stunde mehrmals wiederkehrte, und worauf die übrigen Zufälle nach 3 Stunden wie­der verschwanden. — Ein anderer Hund, dem die doppelte Menge eines solchen Dekoktes in den After gespritzt worden war, starb binnen 10 Minuten unter Zufallen von Lähmung.
Waschungen mit einer starken Abkochung von Tabak bei 20 Kühen wegen Läuse unternommen, verursachten bei 4 Stücken den Tod noch an demselben Tage; die übrigen kränkelten, 1 Stück starb nachträglich noch. Bei der Sektion soll sich nichts Krank­haftes gezeigt haben. (Albrecht, im Mag. f. d, gesammteThier-heilk. Bd. XI. S. 108.).
Schmayer beobachtete bei einer sehr zurückgekommenen Kuh, die ebenfalls wegen Läuse mit einer sogenannten Tahakssauge aus einer Tabaksfabrik gewaschen worden, 2 Stunden später ein Zittern am ganzen Körper, Kälte der Hörner, der Ohren und Nase, Verlust des Appetits und des Wiederkauens, Auftreibung des Leibes, stieren Blick, Angst, Unruhe, sehr beschleunigten, dabei aber öfters ganz aussetzenden Puls und Herzschlag. Als das Thier mit Wasser abgewaschen worden und innerlich zuerst alle Stun­den, später alle 2 Stunden 1| Schoppen schwarzen Kaffe mit | Schoppen Oel erhalten hatte, verloren sich die Zufälle bald wieder, aber Fresslust und Wiederkauen stellten sich erst am 2ten Tage wieder ein (thierärztl. Ztg. 1845. Nr. 21.). — Bei einer Kuh ver­ursachte eine solche, aus derselben Ursache unternommene Waschung die fürchterlichsten Zufälle; deshalb schlachtete man das Thier. Mau fand in ihm die Schleimhaut des Pansen mit Brandflecken, die des Laab mit Erosionen versehen, die Blutgefässe der Lungen, das Herz und die Aorta mit geronnenem Faserstoff erfüllt. (Ep-pele, in Hering's Repertor. 3. Jahrg. S. 43. — Von derselben Wirkung an 4 Kühen s. Bartel's Organ, S. 566.).
Waschungen mit einem Dekokt von 2 Unzen Tabak zu 2 Pfd. Colatur, verursachten bei mehreren Hunden etwas Mattigkeit und Traurigkeit, aber keine andere Zufälle.
Bei der Sektion der Thiere, welche durch innerliche Anwen­dung des Tabaks getödtet sind, findet sich die Schleimhaut des Magens mehr als gewöhnlich geröthet, der Darmkanal gesund, und überhaupt im ganzen Körper wenig verändert.
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sect;. 456. Der Tabak ist sowohl innerlich, wie auch zu Klystiren und äusserlich gegen verschiedene Krankheiten der Thiere mit Nutzen angewendet worden, jedoch grösstentheils nur empirisch und ohne solche Indikationen, die sich auf seine spezifische Wirkungen gründen.
a)nbsp; Bei seiner innerlichen Anwendung muss wohl die doppelte Wirksamkeit des Tabaks als scharfes und als narkotisches Mittel in Betracht kommen. In ersterer Hinsicht kann er besonders bei mangelhaften Sekretionen, bei Verstimmung und Verlust des Ap petits, bei Leibesverstopfung, bei den torpiden Wassersüchten und bei Unthätigkeit der Lymphdrüsen nützlich gebraucht werden. — In der zweiten Eigenschaft erscheint die umstimmende, die Lebens-thätigkeit vermindernde (selbst lähmende) Wirkung, welche er auf das ganze Nervensystem, spezifisch aber auf den Nervus sympa-thicus zeigt, fist noch wichtiger, und der innerliche Gebrauch des Tabaks ist hiernach angezeigt: gegen krankhaft erhöhte und un-regelmässige Nerventhätigkeit Überhaupt, speziell aber gegen krank­haft gesteigerte Sensibilität im Allgemeinen, so wie namentlich in den Brust- und Baucheingeweiden und gegen die hiermit ver­bundenen Störungen; daher z. B. gegen den Dmnmkoller mit er­höhter Empfindlichkeit,*) gegen Krämpfe und Starrkrampf unter ähnlichen Verhältnissen, gegen anhaltenden Reizhusteu und ner­vöse Dämpfigkeit, gegen Krampf- und Windkolik, Trommelsucht, krampfhafte Harnverhaltung u. dgl.; — ferner gegen Erethismus der Blutgefässe bei und nach Entzündungen, wenn dieselben ent­weder durch die Dauer oder durch antiphlogistische Mittel den svnochösen Charakter verloren haben.
sect;. 457.
b)nbsp; Zu den Klystiren benutzt man das Mittel auf zwiefache Weise, nämlich entweder: 1) mit Wasser gekocht in flüssiger Form, — oder 2) den Rauch vom brennenden Tabak. — Die Wirkung der Abkochung ist im Klystir ganz wie bei innerlicher Anwen­dung und nur dem Grade nach bei Pferden und Rindvieh etwas schwächer; in den Tabaksrauchklystiren erhält sie aber durch das,
*) Ein Krankheiläzusland, der bisher von den meislen TbierSrzten nicht erkannt wurde, dessen Beachtung aber in diagnostischer und the-rapeulischer Hinsicht von grosser Wichligkeil ist. Siehe: Encyclopad. Worlerb. d. med. Wissenschatlen. Herausgegeben von den Professoren der mediz. Fakult. zu Berlin. SOsler Bd. Artikel: „Koller der Pferde.quot;
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bei dem Verbrennen des Tabaks erzeugte Empyreuma eine stärker reizende Nebenwirkung, welche jedoch grüsstentheils örtlich auf den hintern Thcil des Dannkanals beschränkt zu bleiben scheint. Zugleich dehnt der Tabaksraucb den Mastdarm mehr und gleich-massiger aus, als eine eingespritzte Flüssigkeit tbut.
Die Klystire von Tabaksdekokt sind bei Krämpfen, bei dem Tetanus, vorzüglich aber bei krampfhaften Reizungen des Hinter­leibes wie bei Krampfkolik, bei krampfhafter Harnverhaltung, bei eingeklemmten Brüchen und bei ähnlichen Zuständen sehr nütz­lich; — die Tabaksraucbklystire können bei denselben Krankheiten gebraucht werden, passen aber mehr da, wo neben der krankhaften Empfmdliehkeit zugleich Schwäche der Fasern besteht; daher vor­züglich bei Windkolik, bei der ächten atonischen Verstopftmgskolik, auch bei hartnäckiger atonischer Verstopfung ohne Kolik u. dgl. Selbst bei Entzündungskolik, besonders wenn dieselbe (wie fast immer) mit hartnäckiger Verstopfung verbunden ist, hat man so­wohl das Dekokt wie auch den Rauch vom Tabak als Klystir mit gutem Erfolge angewendet, und ich kann aus eigener Erfahrung diesen Erfolg bestätigen. Andere Thierärzte haben das Mittel nicht so nützlich befunden. Bei Entzündung des Mastdarms oder selbst nur bei zu grosser Trockenheit in demselben, ist aber der Taljaks­rauch durch seine örtlich reizende Einwirkung mehr schädlich als nützlich.
sect;• 45S.
Die Gabe zum innerlichen Gehranch ist für Pferde und für Rindvieh 1 bis 3 Unzen, für Ziegen (wahrscheinlich auch für Schafe und Schweine) 1- bis 2 Drachmen, für Hunde 10 Gran bis ä Drachme, — täglich 3 bis 4 mal; man giebt den Tabak in Lat­wergen, Pillen, oder im Dekokt, und am besten für sich allein: doch setzt man ihm zuweilen noch andere Mittel zu, z. B. bei schmerzhaftem Husten den Kalonnl, bei krampfhafter Verstopfung des Leibes das Glaubersalz, bei Wassersucht den Weingeist oder Essig u. dgl. entsprechende Mittel. — Zu flüssigen Klystiren dient dieselbe Quantität wie zum innerlichen Gebrauch; bei Hunden darf man jedoch nicht mehr als 20 Gran trockenen Tabak mit -j Unze Wasser gekocht, zu einem Klystir nehmen. Man wiederholt solche Klystire nach Bedürfniss der Zufälle alle halbe bis ganze Stunden. Die Raucbklystire können, so lange die heftigen Zufälle dauern, ziemlich anhaltend fortgebraucht werden, und es lässt sich daher die Menge des hierzu erforderlichen Tabaks für jeden Fall nicht genau bestimmen; indessen sind doch für die grossen Hausthierc
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1 bis 2 Unzen, für die kleinen i bis 1 Unze gewöhnlich hin­reichend. *)
g. 459.
c) Acusserlich dient der Tabak im Dekokt als Waschmittel gegen juckende Hautausschlage, gegen Flechten und Räude, gegen den sogenannten Ratzenschweif der Pferde, und ebenso gegen Läuse. Ich habe ihn gegen diese Uebel hei allen Hausthieren stets mit gutem Erfolgequot;) angewendet, aber auch gefunden, dass er gegen hartnäckige Räude weniger leistet als die schwarze und weissc Nieswurz. Bei Hautausschlägen ist eine Abkochung in Wasser (l Th. zu 8 bis 10 Theilen des letztern), bald für sich allein, bald mit Zusatz von Schwefelleber oder Kochsalz, Kupfer­vitriol, Potasche, Sublimat, Glanzruss u. dgl. reizenden, austrock­nenden Mitteln, — oder eine Abkochung in Aschenlauge (in dem vorigen Verhältniss) zu benutzen; dagegen ist zum Tödten der Läuse eine Abkochung mit Essig von ausgezeichneter Wirksamkeit. — Die Schäfer pflegen in manchen Gegenden den Tabak zu kauen und den auf diese Weise imprägnirten Speichel, unter dein Namen Gose gegen Räude u. s. w. zu benutzen; das Dekokt verdient jedoch den Vorzug.
Anmerkung. Der sogenannte Tabakssaft oder Tabakssabber, der sich in den Abzügen der Tabakspfeifen sammelt, wirkt sowohl bei innerlicher Anwendung, w.'e auch bei dem Einspritzen in den Mastdarm und bei dem Aufstreichen auf wunde Stellen an Hunden und andern kleinen Thieren sehr giftig und oft in weni­gen Minuten tödtend. Die hierzu erforderliche Quantität ist je­doch nicht immer gieichmässig, weil das Präparat oft von sehr verschiedener Stärke ist. Bei mehrern Versuchen starben Hunde von 1 Loth, innerlich gegeben oder in den Mastdarm gespritzt, und Tauben oft von 2 bis 4 Tropfen.
8, Schierlingskraut (Erdschierling, gefleckter Schier­ling), llerba Conii maculatl s. Cicnlae terrestris. sect;. 460. Der wirksame Bestandtheil dieser Pflanze ist ein eigenthüm-liches Alkaloid, das Coniin, welches jedoch im festen Zustande
*) Das Einbringen des Tubaksraticlis in den Masldarm geschieht am besten vermittelst einer besondern Tabaksrauchklystir-Maschine, im Nolh-falle aber vermittelst einer Tabakspfeife, von der das Robr, naebdem sie mit Tabak gestopft und angezündet ist, in den After gesteckt wird. Ge­wöhnlich raucht die Pfeife von selbsl aus; zuweilen muss man dies aber durch Dlasen von aussei) her befördern.
*') Rourgelat (mal. medicale) will hiervon Zuriicklrelen der Räude und lüdlliche Melaslasen auf die Baucheingeweide haben enlslehen sehen, was ober sehr zu bezweifeln 1st.
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schwer darzustellen ist, sondern mehr in einer farblosen, öl-ahnli-chen Flüssigkeit erscheint. — Die Wirkungen dieser Substanz undeben so die des Schierlings selbst auf die verschiedenen Hausthiere sind noch nicht genügend erforscht. — Die meisten Schriftsteller haben blos die Angabe des Lucretius nachgeschriben,*) und selbst Linnequot;) sagt von der Pflanze: „Schafe und Rindvieh lassen sie auf der Weide stehen, doch schadet sie den Kühen nicht, wenn sie dieselbe getrocknet mit anderem Heu unter dein Futter erhalten; die Ziegen fressen sie gern und ohne Schaden; Wölfe, Füchse und Maulesel können sie ohne merklichen Nachtheil ertragen; Hunden, Gänsen, Schweinen und Kaninchen aber ist sie tödtlich und die Pferde wer­den davon taumlich oder schwindlig.quot; — An diese Angaben schliessen sich folgende Versuche: Mehrern Pferden gab ich das frische Kraut von 6 Unzen bis 1^ Pfund, und das trockene von 2 bis 6 Unzen auf einmal, konnte aber keine sichtbare Veränderung hier­nach wahrnehmen. Viborg (Samml. Bd. 2. S. 420.) hat sogar einem Pferde 1 Pfund Schierlingsblätter und Samen, mit 1 Pfund Saft von der Pflanze zu Pillen gemacht, eingegeben, ohne dass man hierauf eine Störung an diesem Pferde bemerkte. Moirond (Arzneimittellehre, S. 400.) gab einem jungen, starken Zugpferde gegen 3-j Pfund des Krautes auf einmal zu fressen und bemerkte an ihm keine sonderliche Beschwerde. — In friehrern Fällen, wo ich bei gesunden und bei, mit verschiedenen Krankheiten behaf­teten Pferden das (trockene) Kraut täglich zweimal zu 1 bis 1^ Unze, Hunden zu 2 Drachmen durch mehrere Tage nach einander gab, fand sich um den dritten, vierten Tag Abgang von weichen, breiartigen Exkrementen, wobei dieThiere übrigens munter blieben. — Ich gab einer Kuh 6 Unzen bis 3 Pfund des frischen, zweijährigen Krautes vor dem Abblühen**') abgeschnitten, zerquetscht und mit Mehl zur Latwerge gemacht, und sah hierbei nur von den be­zeichneten grossen Gaben eine massige Auftreibung des Bauches entstehen. Das Dekokt von 3 Pfund des frischen Krautes wirkte auf gleiche Weise. Von dem gut getrockneten und sehr kräftig riechenden Kraut gab ich einer andern Kuh zu verschiedenen Zeiten 2, 4, 6 bis S Unzen, sowohl mit Wasser iufundirt wie auch
*) Quippe videre licel pingucscere saepe eicula barbigeras peeudes, bomlni esl acre venenum.
**) Linn^', Pflanzensystem, 6ter Theil. S. S9. Nürnberg laquo;780, 8; — und dessen: Weslgöla resa, p. 150.
***) Nach mebreren Beobachtungen ist das zu einer andern Zeit ge­sammelte und besonders das jüngere Kraut last ganz unwirksam; Stand­ort, Klima u. s. w. sind vielleicht ebenfalls von Einfli.ss.
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gekocht, und bemerkte von Gaben bis zu i Unzen fasu gar keine Wirkung, von G bis 8 Unzen aber eine starke Aufblähung des Leibes, welches 2 bis 3 Stunden nach dem Eingeben entstand und gegen 12 Stunden fortdauerte. Die Pupille, der Puls, die Schleim­haut in der Nase und im Maule, die Ausleerungen des Kotbes und des Urins waren dabei nicht verändert und das Wiederkäuen be­stand gleichmässig fort; nur das Athmen war erschwert und das Thier stöhnte oft ganz laut.— Holford hat aber beobachtet, dass '/Jö Kühe auf einer Weide erkrankten und wahrscheinlich sich durch Genuss von Schierling vergiftet hatten. Die Erscheinungen waren: langsamer Puls, Betäubung, Erweiterung der Pupille, Unempfind-lichkeit der Iris gegen Licht, Schlafsucht u. s. w. Nach Tränken mit Zusatz von Amman, carbon, und Spirit, nilr. aeth. genasen sie weder.*) — Ein vierjähriger Schafbock frass durch 5 Tage gleich-massig frisches Schierlingskraut (wieviel?) ohne dadurch zu leiden; er ging jedoch an dieses Futter nur vom Hunger getrieben und zeigte weniger Widerwillen gegen die Stengel als gegen die Blät­ter.**) — Dagegen vergiftete Dr. Pöhlmann in Erlangen 1S3S einen Bock mit Schierling. — Nach Harder vertrugen Hunde den Saft der Pflanze bis zu 3 Unzen, ein Fuchs 6 bis S Unzen.***) — Orfila (Bd. 2. S. 233.) liess einem Hunde 14 Unzen frisch aus-gepressten Saft eingeben und den Schlund unterbinden. Nach | Stunde erfolgte Würgen zum Erbrechen, Schwindel, Zittern der hintern Extremitäten, — nach 3 Stunden der Tod. — Ein anderer Hund starb schon nach S Unzen dieses Saftes. Ein Hund von mittlerer Grosse zeigte in | Stunde nach dem Eingeben einer Drachme Scbierlingsextrakt einen traurigen Blick, legte sich nieder, hörte nicht auf den Zuruf, und sah beständig starr auf einen Ge­genstand; wenn er aufstand, blieb er mit gesenktem Kopfe längere Zeit auf einer Stelle stehen. Nach 2i Stunden nahmen diese Symptome wieder ab und nach 3 Stunden waren sie völlig ver­schwunden. (Schubarth, in Horn's Archiv, 1S24). Von 7^ Drachmen des Extrakts traten bei einem Hunde ähnliche Zufälle, zugleich aber noch flüssige Darmentleerungen ein; nach 30 Minuten war das Thier sinnenlos und nach 41 Minuten erfolgte der Tod. (Orfila.) Galen hatte behauptet: die Staare fressen das Kraut
*) The Veterinarian, 184! Oclbr., und Magaz. f. Thlerheilk. lt;843, S. 379.
quot;) Comple rendu des travaux de l'licole v6l. de Lyon ann. 1817, Annal. do lagricult franc. Tom, 70. p. 258.
***) v. Haller, Materia moüica. Aus d. Franz. Leipzig 1782. tsler Theil, S. 234.
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und den Samen ohne Schaden; Dr. Rossi tödtete aher einen sol­chen Vogel durch % Tropfen Coniin in | Minute. (Dissert, inaug. de Effectn Couii. Marburg 1844.)
Bei der Anwendung des Schierlings durch Injektion in die Bhitaderu wirkt er verhältnissniiissig viel heftiger als innerlich; ich spritzte einem starken, mit Rotz behafteten Pferde ein Infusum, bereitet von ^ Drachme des trockenen Krautes und -^ Unze kochen­den Wassers, in die Drosselvene, und bemerkte augenblicklich Schwindel, Blässe der Schleimhaut in der Nase und im Maule, sehr beschwerliches Athmen, Zittern der Muskeln, Zuckungen an den Lippen und sehr kleinen Puls. Nach 15 Minuten waren diese Zu­falle vorüber. Von einer doppelten Portion (1 Unze) desselben er­folgte bei einem sehr munteren Pferde ganz dieselbe Wirkung, aber in solcher Heftigkeit, dass das Thier nach kaum 8 Minuten starb.
—nbsp; 1 Drachme das wässerigen Extraktes in 1^ Unze Wasser auf­gelöst und einem kräftigen Pferde injizirt, wirkte ähnlich; aussei-den genannten Zufällen fand sich aber noch Schwanken im Gehen, Taumeln, so dass das Pferd niederstürzte, dann ganz ruhig lag und gelähmt zu sein schien; die Zunge hing wie abgestorben aus dem Maule; die Herzschläge waren von 35 bis über 100, die Athemzüge über 60 in einer Minute vermehrt. Nach 15 Minuten fingen diese Zufälle an sich zu mindern, aber erst nach 12 Stun­den waren sie ganz vorüber. — Hunde zeigten nach Injektion von 4 bis 8 Gran des Extraktes, in 2 bis 3 Drachmen Wasser gelost, dieselben Symptome, und die Wirkung dauerte 10 bis 20 Stunden.
—nbsp; Bei Orfila starb ein Hund nach der Injektion von 23 Gran des Extraktes binnen 2 Minuten.
Im Kadaver der durch Schierling getödteten Thiere, finden sich zuweilen die Schleimhaut im Magen und Darmkanal an einzelneu Stellen roth gefleckt, das Blut im Herzen bald geronnen, bald flüssig, und überhaupt wenig ausgezeichnete pathologische Ver­änderungen.
sect;. 461.
Die im Vorstehenden angegebenen Versuche zeigen: dass das Schierlingskraut innerlich bei den pflnnzenfressenden gesunden Thieren angewendet, selbst in grossen Gaben nur schwach auf das Nervensystem wirkt, dass es aber bei Hunden (wahrscheinlich bei allen Fleischfressern) narkotische Zufälle erzeugt. Wenn es durch längere Zeit in massigen Gaben angewendet wird, soll es die As­similation und Reproduktion auf eigenthümliche Weise umstimmen, namentlich das Blut sehr verdünnen, die Thätigkeit der Venen, der Lymphgcfässe und Lymphdrüsen vermehren, und daher auch die Resorption verstärken. Man hat deshalb der. Schierling fast
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nur allein als ein auflösendes, zertheilendes und umstimmendes Mittel innerlich gegen Rotz und Wurm, gegen bösartige Druse, gegen Lnngenknoten, gegen Verhärtungen, besonders in drüsigen Organen, Scirrhus, Krebs, Wassersuchten und Odematösen An­schwellungen in Folge der zu geringen Tfaätigkeit der Venen und Lymphgefässe u. dgl. benutzt, — und äusserlich ihn bei verhär­teten schmerzhaften Geschwülsten, besonders in drüsigen Gebilden, bei Scirrhus und Krebs (namentlich am Euter), bei Flecken und Verdunkelungen der Hornhaut, und selbst gegen Ausschwitzungen und Verdunkelungen im Innern des Auges gebraucht. Es ist leicht einzusehen, dass er bei diesen hartnäckigen, und mehrenfheils allen andern Mitteln widerstehenden Krankheiten nicht in jedem Falle die Genesung herbeiführen kann; indessen habe ich doch mehr­mals, besonders bei dem Hautwurm der Pferde und bei Verhär­tungen im Euter der Kühe, ganz vortreffliche Wirkung von ihm gesehen.
sect;. 462.
Das trockene Kraut kann den grossen Hausthieren zu 1 bis 3 Unzen, Schafen und Ziegen zu li- Unze, Hunden zu 1 Skrupel bis 1 Drachme in einer Gabe (das frische Kraut oder der ausgepresste Saft in der doppelten Menge), und täglich zweimal gegeben wer­den. Die Anwendung geschieht in Pillen, in Latwergen oder im Dekokt, und mehrentheils in Verbindung mit andern entsprechen­den Mitteln, besonders mit Spiessglanz, Quecksilber, Thierkohle u. dgl.
Aeusserlich benutzt man sowohl das trockene wie das frische Kraut zu Breiumschlägen und das Dekokt zum Bähen der verhär­teten oder schwärenden Theile, ähnlich wie das Bilsenkraut.
Anmerkung 1. Das aus dem Eidschierling bereitete Extrakt {Extr. Conii maculut't) ist in der Thierarzneikunde nicht gebräuch­lich, kann aber bei den oben genannten Augeufehlem recht gut, sowohl für sich allein (in Auflösungen, 1 Skrupel zu 1 Unze dest. Wassers) oder als Zusatz zur rotheu und grauen Merkurialsalbe u. s. w. benutzt werden.
Anmerkung 2. Der Wasserschierling (Cicula virosa s. aquatica) ist ebenfalls als Arzneimittel nicht gebräuchlich, wirkt aber weit kräftiger und giftiger als der Erdschierling auf alle Haus-thiere u. a. Ein Pfund dieser Pflanze war hinreichend zum Tödten eines Pferdes. Die Zufälle hierbei waren: Unruhe, Krämpfe, stierer Blick, Erweiterung der Pupille, unwillkürliches Kauen, Unvermögen zu stehen, bläuliche Färbung der Schleimhaut und dergl. (Siehe Krause, in Gurlt und Hertwig Magaz. d. Thierheilk. Bd. 3. S. 338; und Viborg, Samml. Bd. 3. S.~1ö3.)
Hertwig Ar-'ncMiilurllvlire.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;32
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9. Blausäure, Wasserstoffblausäure, Preussische Säure, Aciditm hyJrocyainiliim s. hydrocyanicum, Arid, borussicum s. prussicum.
sect;. 463.
Diese, aus tbierischen Substanzen und namentlich aus dem Blute durch Kunst bereitete Flüssigkeit besitzt, wenn sie möglichst wenig Wasser enthält (wie z. B. die nach Gay-Lussac bereitete), unter allen Arzueistoffen und Giften die grüsste Wirksamkeit, so dass selbst von ausserordentlicli kleinen Gaben augenblicklich die heftigsten Zufalle und seihst der Tod entstehen. Ein Tropfen dieser reinen (Gay-Lussac'schen) Blausäure einem Hunde auf die Zunge gebracht, verursacht sogleich einige tiefe, schnelle und röchelnde Athemzüge und den Tod. Dieselbe geringe Menge in's Auge, oder auf die Nasenschleimhaut, oder auf eine frische Wunde applizirt, tüdtet einen Hund binnen 1 Minute unter denselben Zu­fällen. Von einem Tropfen, der mit 4 Tropfen Weingeist verdünnt in die Vene gespritzt wurde, starb ein Hund augenblicklich, wie vom Blitz getroffen (Magendie, Vorschriften über die Bereitung und Anwendung einiger neuen Arzneimittel, S. 59). Bei Pferden erfolgte der Tod durch innerliche Anwendung von 12 bis 20 Tropfen dieser Säure ebenfalls so schnell und unter gleichen Zufällen.
Die Blausäure im reinen (conzentrirten) Zustande und von der eben bezeichneten Wirksamkeit ist als Arzneimittel gar nicht zu gebrauchen, weil sie in diesem Zustande ausserordentlich flüchtig und sehr leicht zersetzbar ist, — und weil ihre Anwendung sowohl für die Tbiere, denen sie eingegeben wird, als auch für die Per­sonen, die das Eingeben bewirken, stets mit Vergiftungsgefahr verbunden ist. — Man benutzt deshalb zum arzneilichen Gebrauch eine mehr wasserhaltige (verdünnte) Blausäure, die in verschiede­nen Ländern nach verschiedenen Vorschriften bereitet wird, und daher von sehr abweichender Stärke ist.*) In Deutschland war bisher diejenige Art der Blausäure am gebräuchlichsten, welche nach Ittncr's Methode bereitet ist, und von welcher 3 Tropfen einen Gran wiegen und 100 Theile, mit Reagentien behandelt, 3 Theile Berlinerblau geben.quot;) Bei mehreren Pferden entstand von
') Ausser der Verschiedenheit der Bereitung tragt auch die Art und Dauer der Aufbewahrung sehr viel zur Verschiedenheit in der Wirksam­keit der Blausäure bei, und die letztere wird hierdurch ein höchst un­sicheres Mittel.
**) Die Blausäure, welche nach der in der neue i Preuss. Pliar-makopöe enlhalienen Vorschrift bereifet wird, ist etwfis stärker und giebt aus 100 Theilen 4 Theile Berlinerblau oder 9 bis 10 Gran Cyan-silber, oder 2 Theile wasserfreie Ulausäure.
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20 Tropfen dieser Säure, mit 2 bis 3 Unzen kalten Wassers ver­dünnt eingegeben, keine bemerkbare Wirkung. — 30 Tropfen ohne Wasser verursachten bei denselben Pferden binnen (iiK'r Minute ein gering beschleunigtes Athmen, der Puls blieb unverändert; nach wenigen Minuten war die Wirkung vorüber. — Von öl) Tropfen ohne Wasser wurden sogleich die Atbemzüge etvas be­schwerlicher, schneller und tiefer, der Puls etwas beschleunigt, die Pupille erweitert. Nach 5 Minuten war Alles wieder vorüber. — Von SO Tropfen dieselben Symptome, aber das Athmen wurde stöhnend, 15 bis IG mal in einer Minute in besonderer Anstrengung der Bauchmuskeln ausgeübt, der Puls auf ö'i Schläge vermehrt, anfangs voll und weich, dann klein und unregelmässig; Zittern der Gliedmaassen, Unsicherheit im Stehen. Die Wirkung dauerte 15 Minuten. — 100 Tropfen (33 Gran) verursachten dieselben Zu­falle im höhern Grade, und namentlich war die Unruhe, die Aengst-lichkeit und das Zittern deutlicher ausgesprochen. (Schuharth a. a. 0.) — 1 Drachme (160 Tropfen) bewirkte sogleich beschwer­liches, fast röchelndes und bis auf 25 Züge in einer Minute ver­mehrtes Athmen, Sträuben der Haare am ganzen Körper, dun-kelrothe Färbung der Bindehaut der Augen und der Schleimhaut in der Nase und im Maule,*) Erweiterung der Pupille, Vermehrung der Pulse von 37 bis auf 60, wobei die Ar­terie voll und gespannt, der Herzschlag stark fühlbar war; Zittern der Gliedmaassen, Taumeln. Der Athem roch sehr stark nach Blausäure. Nach 20 Minuten schien die Wirkung vorüber zu sein; nur der Puls war noch etwas schneller, zugleich aber kleiner und weicher als vorher. 2 Drachmen erzeugten dieselben Zufälle, .aber in einem so hohen Grade, dass die Pferde unter sehr ängstlichem röchelndem Athmen nach kaum 1 bis 2 Minuten niederstürzten, die Augen verdrehten und Zuckungen bekamen, aber nach 6 bis 10 Minuten sich wieder erholten, aufstanden, und nach 1 Stunde wieder ganz munter waren. — Von i- Unze traf die Wirkung fast augenblicklich mit denselben Zufällen ein; das Pferd stürzte nach einer Minute, sehr ängstlich athmend und taumelnd, nieder, bekam Krämpfe in allen Muskeln, so dass die Augen verdreht, das Maul aufgezogen, der Hals nach rückwärts gekrümmt, die Bauchmuskeln stark gegen den Rucken gezogen, und die Beine convulsivisch be-
*) Ich habe diese dunklere, aber doch lebhafte Rblhe der Schleim­häute sehr constant nach kleineren und giösseren Gaben und bei allen Thieren beobachtet; sie zeig-t, dass die Blausäure, so wie andere narkot. Mittel, auch besonders umändernd auf das Blut und auf das Gefässsystem wirkt, aber in anderer Art als die übrigen narkotischen Mittel.
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wegt wurden; nach 15 Minuten trat Ruhe ein, die Beine und die Zunge waren ganz schlaff, die Empfindlichkeit zeigte sich bei an­gebrachten Stichen u. s. w. ganz erloschen; die, bis 120 in einer Minute vermehrten Herzschläge wurden so stark pochend, dass man sie hören konnte; dagegen nahm das früher heftige Athmen immer mehr ab, so dass nach Verlauf von 18 Minuten nur zweimal in einer Minute und nach 22 Minuten nur einmal in einer Minute mit aufgesperrtem Maule tief eingeathmet wurde. Mit 25 Minuten erfolgte der Tod ganz ruhig. Das Herz schlug noch durch 3 bis fgt; Minuten, die Schläge wurden aber immer langsamer, unregelmäs-siger und schwächer, und mit 28 Minuten blieben sie ganz aus. Die Arterien pulsirten kaum fühlbar, aber dennoch spritzte das Blut noch stossweise aus ihnen, und zwar in mehren Fällen noch 8 bis 12 Minuten nach dem Aufhören des Athmeus.
Manche Pferde wieherten etwa | bis 1 Minute nach dem Ein­geben der Blausäure ganz laut; und wenn die Wirkung tödflich wurde, so ging zuerst immer der Urin unwillkürlich ab. Zuweilen erfolgte vor dem Tode eine Art Starrkrampf, wobei der ganze Körper stark nach ri'ickwärts gestreckt wurde. Macht man während der Wirkung einen Aderlass, so erscheint das Venenblut stets viel heller roth, dem Arterienblut sehr ähnlich, und es gerinnt schnell und gleichmässig; später wird es dunkler und zersetzt sich leicht. Das Arterienblut zeigt im Anfange der Wirkung keine Abweichung von seiner normalen Beschaffenheit, späterhin wird es aber etwas dunkler gefärbt, — wie es scheint, in Folge der mangelhaften Respiration.
An Schafen und Ziegen hat C. Viborg*) mit Blausäure ti Versuche angestellt, aus denen sich ergiebt: dass bei diesen Thie-ren die Erscheinungen der Wirkung im Wesentlichen dieselben sind, wie bei Pferden und Hunden; — dass 25 bis 30 Tropfen einem 9 Monate alten Ziegenbock durch ein Klystir beigebracht, oder dieselbe Gabe einem 6 Monat alten Schafe durch das Maul eingegossen, den Tod nicht verursachten; — dass 40 Tropfen einem 2 Monat alten Lamme in die Mutterscheide gespritzt, heftige Zufälle hervorbrachten, die aber nach und nach wieder verschwan­den, und dass jenes Schaf durch 1 Drachme, der Ziegenbock aber durch 2 Drachmen getödtet wurden. — Es ist zu bedauern, dass die Art und Stärke der hierbei angewendeten Blausäure nicht be­zeichnet ist.
An Hunden ist die Ittnersche Blausäure sehr vielfältig ver-
*) Ada nova Soc. med. Havn, Vol. VI. Kopenli. 'i82t.
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sucht worden. 2 bis 6 Tropfen innerlich gegeben verursacbeu ge­wöhnlich nur etwas dunklere Röthung der Schleimhaut, Husten, zuweilen auch kurzes, schnelleres Athmen, — doch nur für wenige Minuten; — von 10 bis 15 Tropfen entsteht nach etwa £ Minute, schnelles, krampfhaftes, ängstliches Athmen, Zittern der Glieder, Röthung der Schleimhäute, manchmal Neigung zum Erbrechen, oft wirkliches Erbrechen, Taumeln, selbst Niederstürzen, schnellerer Puls, Erweiterung der Pupille, Krampf in allen Muskeln. Diese Symptome bestehen durch 3 bis 5 Minuten, nehmen dann allmahlig ab und verschwinden mit 8 bis 10 Minuten gänzlich. Je früher das Erbrechen eintritt, um desto gelinder sind die Zufälle und um desto kürzer ist ihre Dauer. — 20 bis 30 Tropfen wirken auf gleiche Weise, fuhren aber sehr oft den Tod schnell herbei, und von 40 bis 60 Tropfen erfolgt der letztere jederzeit. Bei der Ein­spritzung gleicher Quantität von dieser Blausäure in den Mast­darm oder in frische Wunden tritt die Wirkung mit ganz ähnlichen Zufällen, jedoch ein wenig langsamer als bei innerlicher Anwen­dung ein.
Noch heftiger und schneller wirkt aber das Mittel, wenn es in die Vene gespritzt wird. Pferde werden hierbei von 20 bis 30 Tropfen schon nach j Minute schwindlig und fallen nieder, die Schleimhaut im Maul und in der Nase wird hierbei zuerst für kurze Zeit etwas dunkler roth, dann aber ganz blass, das Ath­men sehr erweitert, es tritt Starrkrampf, Lähmung und der Tod ein.
Arn schnellsten tritt aber die Wirkung ein, wenn man es durch eine gemachte Oeffnung in die Luftröhre giesst. Selbst durch blosscs Einathmen der verdunstenden Blausäure, z. B. wenn man ein mit ihr gefülltes Gläschen einem Thiere in die Nasenlöcher hält, ist der Tod unter obigen Zufällen bald zu bewirken.
sect;. 464.
An den Kadavern der durch Blausäure getödteten Thiere be­merkt man: dass sie in kurzer Zeit nach dem Tode ganz steif werden, — dass der Glanz der Hornhaut ziemlich lange besteht, — dass die Nerven und Muskeln noch durch 15 bis 20 Minuten für den Galvanismus sehr empfänglich sind,*) —- dass die wurmförmige Bewegung des Darmkanals eben so lange besteht, — das Gehirn und oft das Rückenmark sehr blutreich ist, — das Blut schwarzbraun, zuweilen bläulich, schmierig erscheint und dass zuweilen bald im Magen und Darmkanal (bei Wiederkäuern vor-
') Wenraquo; ich über diesen Punkt fast allen andern Angaben wider­spreche, so geschieht dies nur auf den Grund meiner sehr zahlreichen Untersuchungen.
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ziiglich im vierteil Magen), bald im Herzen oder im Gehirn und Rückenmark ein Geruch nach Blausäure (jedoch in der Regel nur für kurze Zeit) wahrzunehmen ist. Andere pathologische Folgen, z. B. Röthuug der Schleimhaut des Magens u. s. w., welche sich in einzelnen Kadavern finden, sind mehrentheils nur als zufällige Erscheinungen zu betrachten; selbst das Vorhandensein des Blau-säurengeruchs ist von zufälligen Umständen, z. B. von dem Liegen des Kadavers während kurzer oder längerer Zeit an trockenen oder feuchten, an hellen oder dunklen Orten und dergleichen abhängig.
sect;. 465.
Die beschriebene Wirkung der Blausäure zeichnet sich vor der aller andern Arzneimittel theils durch ihre ansserordentliche Flüch­tigkeit, theils durch die dabei entstehende, von keinem andern Mittel in dieser Art und in dem Grade erfolgende Verminderung (selbst Vernichtung) der Lebenskraft, aus. In wiefern auch hier zuerst eine Aufregung des Gefässystems entsteht, scheint noch nicht gehörig erforscht zu sein; die dunkle Röthung der Schleim­häute deutet es an, dass dieselbe zugegen ist, aber ihre Dauer ist weit kürzer als bei den übrigen narkotischen Mitteln. — Ueber die spezifische Richtung der Wirkung auf einen besonderen Theil des Nervensystems hat man sciir abweichende Erklärungen gegeben; allein die sämmtlichen Erscheinungen deuten an, dass das Mittel zuerst den Lungen-Magennerv und die von ihm abhängigen Or­gane, besonders aber den Kehlkopf und die Lungen affizirt; — dass die Wirkung von kleinen Gaben auf diese Organe beschränkt bleibt, von grossen Gaben aber sich schnell auf das Rückenmark und auf das Gehin verbreitet. Die hierbei auch jederzeit erfolgende Entmischung des Blutes ist daher sehr wahrscheinlich nur eine secundäre Wirkung.
sect;. 466.
Die Anzeigen zum Gebrauch gegen Krankheiten der Thiero sind noch nicht sicher begründet, weil die Blausäure als Heilmittel noch zu neu, und überhaupt als solches auch wenig angewendet worden ist. — In der Menschenheilkunde hat man sie a) „bei zu hoher Reizbarkeit der Ganglien- und Rückenmarksnerven; b) bei zu hoch gesteigertem Wirkungsvermögen der Nerven des Ganglien­systems und des Rückenmarks; — c) bei Abnormitäten vegetativer Organe, wo die Massenbildung vorherrscht, und in chronischen Anschwellungen, Ablagerungen u. dgl. sich zu erkennen giebt, und — d) bei Abnormitäten der Sekretion in der Lungenschleim­haut, vorzüglich wenn dieselben mit mancherlei Krampfzufällen verbunden sindquot;, — im Allgemeinen empfohlen (Vogt, Lehrb. d. Pharinakodynamik, Bd. I. sect;. 347.), und sie hiernach speziell gegen
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erethische EutzUadungeu, besonders der Hcspirationscrganc, des Riickemnarks und der Baucheingeweide, gegen Krämpfe und Ner­venschmerzen, gegen Reizhusten, Brustkrampf, Koliken, Erbrechen und zu grosso Sensibilität des Magens, wo andere Mittel stets so­gleich wieder weggebrochen werden, Epilepsie, Starrkrampf, gegen Stockungen im Pfortadersystem, bei Anschwellungen und Ver­härtungen drüsiger Gebilde und dgl. mit heilsamem Erfolge an­gewendet.
In ähnlichen Krankheiten hat man das Mittel auch bei Thieren versucht; hei dem sogen, nervösen Dampf der Pferde, wo das be­schwerliche Atbmen ohne vorausgegangene Entzündung in kurzer Zeit entstanden, und bei jedem Athemzuge mit krampfhafter Z'i-sammenziehnng der Stimmritze und mit einem lauten, meh-reutheils pfeifenden Tone verbunden war, habe ich es in mehrern Fällen mit sehr gutem Erfolge, in andern Fällen aber ganz ohne Nutzen augewendet. — Bei dem chronischen Reiz-husten der Hunde, der meistens die Thiere Tag und Nacht quält, habe ich von keinem andern Mittel so schnell Erleichterung und selbst wirkliche Heilung erfolgen sehen, wie von der Blausäure. — Gegen die C'onvulsionen bei und nach der Staupe der Hunde hat es in den meisten Fällen nichts geleistet. — Bei dem Starrkrampf der Pferde hat es zwar in einigen Fällen nach jedesmaliger An­wendung ein fast auch augenblickliebes Nachlassen des Krampfes, jedoch nur vorübergehend erzevigt, selbst wenn mit der Applika­tion des Mittels bei dem Wiedereintritt des Krampfes lleissig fort­gefahren wurde; kein Pferd wurde damit geheilt; in den meisten Fällen schien es, selbst bei vorsichtiger Anwendung die, ohnedies durch den anhaltenden Krampf so sehr in Anspruch genommenen, Kräfte zu schnell und ohne Gränze zu vermindern. — Gegen den Dummkoller, selbst wenn er mit Eretbismus verbunden war, habe ich das Mittel stets vergeblich angewendet. — Gegen Darmentzün­dung versuchte ich es bei zwei Pferden mit gutem Erfolge; es wurden aber zugleich Biuteutziehuugen und schleimige Mittel be­nutzt. Bei der sogenannten Luugenseuche des Rindviehes habe ich es sehr oft und in verschiedenen Gaben, aber ganz ohne Nutzen angewendet. Dass überhaupt die Blausäure bei aktiven Entzün­dungen und akuten Rheumatismen der Thiere wirklich das beste Mittel, und dem Salpeter und andern Salzen vorzuziehen sei, wie Ritter') behauptet, kann ich nicht bestätigen. Gegen veraltete
*) Vom Verkaufe und Kaufe der nlitzlicliston Hausthiere. Mann­heim 1821.
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rheumatische Lähmungen wendete sie C. Viborg (a. a. 0.) ver­geblich au.
Die Gegenanzeigen gegen die Anwendung der Blausäure sind im Wesentlichen die im sect;. 427. im Allgemeinen angedeuteten; je mehr aber grosse Schwäche und Neigung der Säfte zur Entmischung zugegen ist, um desto weniger ist die Blausäure passend.
sect;. 467.
Die richtige Bestimmung der, bei den verschiedenen Thieren iür jeden Fall angemessenen Gabe ist bei der Blausäure schwieriger als bei andern Mitteln, theils, weil das Präparat häufig von sehr verschiedener Stärke ist (g. 4G3.), theils auch, weil die individuelle Empfänglichkeit für die Blausäure bei den einzelnen Thiereu (selbst bei denen von gleicher Gattung, von gleichem Alter, Geschlecht u. s. w.) sich in sehr verschiedenen Abstufungen zeigt. Der in dieser Beziehung durch die verschiedenen Krankheiten bedingte Unterschied ist noch gar nicht bekannt. Es kann daher nur die mittlere Gabe angedeutet werden, und diese ist von der, nach der Preuss. Pharraakopue bereiteten Blausäure (sect;. 463. die 2te Anmer­kung) für Pferde und Rinder h bis 1 Drachme oder 90 bis IbO Tropfen (nach Borisow nur 10 bis 20 Gran von der nach Giesen bereiteten Blausäure, — die mit der nach der Preuss. Pharmakopoe gleich stark ist); — für Schafe 5 bis 8 Gran oder 15 bis 24 Tropfen, fur kleine Hunde 1 bis 2, für grosse bis 4 Tropfen. — Diese Gabe darf nur mit grösster Vorsicht verstärkt werden. Die Wiederholung findet bei akuten Krankheiten in Zwischenzeiten von 2 bis 4 Stunden, bei chronischen Krankheiten nach 8 bis 12 Stun­den statt.
Die Anwendung geschieht nur durch das Maul oder durch den Mastdarm, am besten in flüssiger Form, mit 30 bis 40 Thei-Icn kalten destillirten Wassers (auch Flusswasser oder Regen­wasser) verdünnt, oder mit eben so viel von einer einfach schlei­migen Flüssigkeit versetzt; z. B. man macht eine Auflösung von pulveris. arab. Gummi i-Drachme, mit gemeinem destill. Wasser | Unze und setzt hinzu: Blausäure 6 Tropfen. Davon giebt man einem mittelgrossen Hunde alle vier Stunden den vier­ten Theil, das ist gegen 60 bis 70 Tropfen auf einmal, so dass das Ganze in einem Tage verbraucht wird. Zu grösserer Menge als für einen Tag erforderlich ist, darf man solche Zusammen­setzungen nicht bereiten lassen, weil sie bei der grossen Flüchtig­keit und bei der leichten Zersetzbarkeit des Mittels durch Licht und Luft sehr bald unwirksam gemacht werden; deshalb sind sie auch eigentlich nur für kleinere Hausthiere zu benutzen, weil für diese eine kleine Quantität ausreichend ist; für die grossen
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muss man die bestimmte einzelne Gabe der Blausäure unmittelbar vor dem Eingeben zu dem Vehikel setzen.*) Je grosser die Menge des letztem ist, um desto schwächer ist die Wirkung von einer be­stimmten Gabe, im Vergleich zu derselben Gabe, wenn das Mittel rein, d. i. für sich allein gegeben wird. — Zur Anwendung in Pil­len und Latwergen ist die Blausäure nicht geeignet, weil sie bei der Zubereitung dieser Arzueiformeu grösstentheils verdunsten würde.
Auch eignet sie sich mir sehr wenig zu Verbindungen mit an­dern Arzneimitteln, weil sie durch viele Stoffe theils leicht zersetzt, theils in ihren Wirkungen sehr inoilifizirt wird; am meisten nach-theilig sind die Zusätze von Metalloxyden, von geschwefelten Ka-lien und Erden, von Säuren und vom Brechweinstein. In dem letz­tern, und eben so im Salmiakgeist, im Terpentinöl und im Chlor­wasser hat man sogar Gegengifte der Blausäure zu finden geglaubt, jedoch mit Unrecht; denn die Erfahrung zeigt, dass weder durch diese Mittel noch durch irgend einen andern Einfluss die einmal im thierischen Organismus entstandenen Wirkungen der Blausäure wieder aufgehoben werden können.
Anmerkung. Die Blausäure kommt auch von derNaturge­bildet im Pflanzenreich vor, namentlich in den Gattungen Amygda-lus und Pnmus, besonders in den Blättern des Kirschlorbeer-baums [PrunnsLauro-Ccriisiis), des Traubenkirschstrauches {Prunus Padus), und des Pfirsichbaums {.Imygdalus persica),
ferner, in den Kernen des Bittermandelbaums {Amygdalus amara), des Pflaumbaums (Prunusdutnestica), und des Sauer-kirschbaums iPrunus Cerasus), — in den Bliithen des Schle­henstrauches {Prunus spinosu) und der Pfirschen, und in der Rinde des Traubenkirschstrauches. In allen diesen Pflanzentheilen ist die Blausäure an ein ätherisches Oel und an andere Stoffe auf eigentbUmliche Weise, gleichsam organisch, gebunden. Besondere Erwähnung verdienen:
1) Die bittern Mandeln (Amygdalae amarae), welche in etwas grosser Menge bei allen Thieren, namentlich aber bei Hun-
•) Es bedarf wohl kaum der Erinnerung, dass das Eingeben der Blausäure bei den grossen Thieren vom Tbierarzt selbst geschehen rauss, und dass der lelzleie die für ein Pferd oder Rind zu einer vollständigen Gabe erforderliche Menge dieses helligen Miltels Niemandem anvertrauen darf. Dieser Umstand, die Ungleichhoil in der Starke des .Millels, die leichte Zeiselzbarkeil und grosse Flüchtigkeit desselben, die hierdurch erschwerte Anwendung in anderer als in llüssigei' Form, — Alles dieses zusammengenommen wird stets die Benutzung der Blausäure inderlhier-srzneikunde sehr beschränken. Glücklicherweise entsteht hieraus kein grosser Verlust; denn bei den allermeisten Krankheilszuständen kann man ohne dieses heroische Mittel auskommen.
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den und Vögeln fast dieselben Zufälle erzeugen wie die Blausäure, und daher auch als giftig (wie man gewöhnlich glaubt, fur alle blindgebornen Thiere) allgemein bekannt sind. Ein Pferd zeigte nach dem Eingeben von | Pfd. bitterer Mandeln einen kleinen, schaellenPuls, heftiges Flankenziehen, Stöhnen, Aechzen, öfteres Mi­sten. Diese Zufälle dauerten gegen h Stunde. Dieselbe Gabe bald darauf wiederholt, wirkte ähnlich, aber schwächer, und als sie nach Verlauf von 6 Stunden dem nämlichen Pferde nochmals gegeben wurde, konnte man blos Mattigkeit und einen kleinen Puls bemer­ken (Viborg, Samml. Bd. I. S. 317.). leb gab einem starken Hunde 10 Stück bittere Mandeln in Pillen; nach 2 Minuten wurde das Athmen beschwerlich, schnell, das Thier lief ängstlich herum, zitterte, taumelte, fiel nach 5 Minuten nieder, bekam Erbrechen, wobei die sämmtlichen Pillen unverändert ausgeleert wurden; er erholte sich aber nach 10 Minuten wieder so, dass er aufstand und nach einer halben Stunde ganz wohl war.
Therapeutisch kann man die bittern Mandeln bei schmerzhaf­tem Husten und bei Krampf- undEuizUudungskolik benutzen; man giebt sie für Pferde und Rinder zu J—2 Drachm., für Hunde zu 20 bis 40 Gran auf einmal, — am besten, indem man sie durch Rei­ben mit 12 Theilen Wasser zur Emulsion macht. — Die wichtig­sten Präparate von ihnen sind:
a)nbsp; nbsp;das ätherische Bitterma ndelöl ( Oleum amygdalarmn ama-rarum nethereum)} welches an Stärke ziemlich gleich mit der nach der Preuss. Pharmakopöe bereiteten Blausäure ist, in der Thierarzneikunde aber nicht gebraucht wird.
b)nbsp; nbsp;Das Bittermandelwasser (Aqua amygdalarum amarärum); 24 Tropfen von ihm sollen einen Tropfen Ittuer'scher Blau­säure enthalten, und es kann daher in verhältnissmässig ver­stärkter Gabe gebraucht werden; es ist jedoch seines Preises wegen höchstens bei kleinen Thiercn zu benutzen, aber durch die Blausäure ganz zu ersetzen.
2) Die Kirs chlor he erb latter (Folia Laura-Cera si) zeigen nach Verschiedenheit ihres Alters, der Zeit des Einsammelns u. s, w. einen sehr verschiedenen Gehalt an Blausäure und daher sowohl in Substanz wie auch in den aus ihnen dargestellten Präparaten einen verschiedenen Grad der Wirksamkeit; am stärksten scheint letztere zu sein, wenn die Blätter nach ihrer völligen Ausbildung im Spätsommer gesammelt und noch frisch sind. In grossen Ga­ben erzeugen sie ganz ähnliche und eben so heftige Zufälle wie die Blausäure. Ein thierärztlicher (rebranch ist bisher von ihnen nicht gemacht worden.
Das aus diesen Blättern bereitete ätherische Kirschlor-
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beerol (Oleum Lauro-Cerasi aelhereum) sHnimf im Wesentlichen mit dem Bittermandelöl Qbereiu, ist aber etwas reicher an Blau­säure; es wird nicht angewendet. — Das destillirte Kirschlor-beerwasser (./yua Laura-Cerasi destillaiu) ist dem Bitferniandel-wasser ganz ähnlich, doch mehieutheils etwas stärker ais dieser:, wird aber, der Preuss. Pharmakopüe zufolge, durch das letztere ersetzt.
sect;. 468.
Zu den narkotischen Mitteln gehören auch noch folgende, de­ren Wirkungen noch weniger bekannt sind als die der abgehan­delten Mittel, und von denen auch wenig oder gar kein thierärzt-lieber Gebrauch gemacht wird.
a) Bittersiiss, Alpranken (SolanumDulcamara, gebräuch­lich die Siengel, SHplles Dulcamarae); sie wirken schwach betäu­bend, jedoch nur in grossen Gaben; bei Pferden sah ich von S bis 12 Unzen der frischen so wie der trockenen Stengel — und Vi-borg (Samml. Bd. 3. S. 14S.) von 16 bis SO Beeren hei Hunden, und von 12 Beeren bei einem Haushahn keine deutliche Wirkung. Dänische Thierärzto wollen die Stengel gegen den trockenen Dampf, täglich zu 0—12 Unzen mit Nutzen angewendet haben (Veter. Selsk. Skrift. Deel 1. S. 312. Decl 3. S. 506.). — b) Schwarzer Nachtschatten (Solanum nigrum), die ganze Pflanze wirkt be­täubend und zugleich etwas scharf; Versuche in der Thierarznei-schule zu Kopenhagen haben gelehrt (Viborg Samml. Bd. 3. S. 149.), dass weder die Blätter noch die Beeren dieser Pflanze für Pferde, Esel, Hunde und Hühner so giftig sind, wie man geglaubt hat. Dagegen ist sie Schweinen und Kühen schädlich, verursacht bei letztern Unruhe, Schmerz, Auftreibung des Leibes, stieren Blick, harten, vollen Puls und selbst den Tod; andere Kühe, die auf diese Weise litten, wurden durch Aderlassen und schleimige Mittel ge­rettet (Vet. Selsk. Skrift. Decl 2. S. 420.). Als Heilmittel wird das Kraut nicht benutzt. — c) Einbeere (Paris guadri/olla), Kraut; und Beeren sollen scharf narkotisch wirken und den Hühnern gif­tig sein; Hunde zeigten von 15 Beeren gar keine Wirkung, von 20 Stück aber Anstrengung zum Erbrechen (Schuhart. a. a. 0.). — d) Eisenhut, Sturmhut (Jcoullum); alle Arten dieser Pflanze sind in ihren sämmtlichen Theilen scharfnarkotisch und fast für alle Thiere im frischen Zustande sehr giftig. Viborg (Samml. Bd. 3. S. 296.) sah von 16 Loth der frischen.Wurzel und der im Frühjahr hervorsprossenden Wurzelblätter des wahren Eisenhu­tes (Aconit. Xapellus) bei einem Pferde sogleich Aufstossen, bestän­diges Bewegen der Zunge, und nach li Stunde SpeichelQuss und schnelles, starkes Athmen entstehen, worauf das Thior niederfiel.
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beständig nach dem Leibe sah, sich zum Erbrechen anstrengte, mit den Zähnen knirschte, schnellen, krampfhaften Puls hatte, nach 3 Stunden dünnen, mit Schleim geinengten Mist häufig entleerte, dann besser zu werden schien, nach 6 Stunden wieder aufstand, aber noch schwach und taumelnd war und keinen Appetit zeigte.
—nbsp; Am folgenden Tage war es wieder ganz wohl, und man gab ihm % Pfund des nämlichen Mittels; es entstanden dieselben Zu­fälle und nach 14 Stunden der Tod. Der Magen und Dünndarm fand sich entzündet. Viborg sagt auch, dass Schweine von dem Eisenhufkraut sterben (dess. Anleit. z. Erzieh, und Benutzung des Schweins, S. 70.); ich sah bei Ziegen nach dem Genuss dieser Pflanze schmerzhafte Aufblähung des Leibes, Krämpfe, stieren Blick, Erweiterung der Pupille, und in 2 Fällen den Tod erfolgen. Bei dem Rindvieh wirkt sie eben so nachtheilig. Für Hunde, Füchse, Wölfe, Katzen u. s. w. ist der Eisenhut eins der heftigsten Gifte, und erstere sterben schon von 1-2 Drachmen der Wurzel. — Das Kraut und die Wurzel sind (von Stahl) als Heilmittel gegen den Wurm der Pferde empfohlen, haben sich aber nicht bewährt. Col-laine') versuchte gegen diese Krankheit das Eisenhut-Extrakt täg­lich zu 1^ Unzen, welches sie aber ohne vortheilhafteu Erfolg sehr abmattete. — e) Eibenbaum, Taxus {Taxus baccala); die Blät­ter (Nadeln) und Zweige wirken scharf narkotisch und sind, Vi borg's Versuchen zufolge (Samml. Bd. 2. S. 49.), für alle Haus-fhiere ein heftiges Gift. Pferde zeigen Widerwillen dagegen, und sterben, wenn sie 7 bis 12 Unzen der Blätter ohne Zumischung von andern] Futter fressen, gewöhnlich in Zeit von einer Stunde, sehr plötzlich und ohne vorausgehende andere Zufälle; sie ertragen aber noch grössere Gaben ohne Nachtheil, wenn sie das Mittel mit Hafer gemengt verzehren, oder wenn sie allmählig an dasselbe ge­wöhnt werden. — Ein Widder zeigte nach dem Genuss von Ifi Loth der Blätter in den ersten 4 Stunden keine Wirkimg, dann aber Betäubung, kleinen Puls, geschwinderes Athmen, Drang zum Erbrechen, Rülpsen, Auftreibung des Leibes. Endlich fiel er nieder und starb unter Zuckungen, 12 Stunden nach dem Verschlucken des Giftes. — Eine Ziege ertrug 8 Loth ohne Schaden, und starb von 24 Loth unter ganz ähnlichen Symptomen wie jener Widder.
—nbsp; Ein balbjähriger Eber wurde von 5 Loth zerstossener Blätter getödtet, ohnerachtet er vorher 4 Pfund Fleisch gefressen hatte. — Hunde und Katzen erbrachen sich von 2 bis 3 Loth der Blätter sehr heftig, blieben aber am Leben. — Die Taxus-Beeren wirken
*J Glückliclicr Versuch, den Kotz und Wurm der Pferde zu heilen. A, d. Franz. v. Gerike. Braunschweig 18M. S. 19. u. '!0.
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ähnlich, aber weit schwächer. Als Arzneimittel wird vom Taxus für Thiere kein Gebrauch gemacht. — f) Giftlattich (Lactura virosa) wirkt auf Menschen und Hunde stark betäubend, in gros-seu Gaben (z. B. 3 Drachmen des Extraktes) die letztem auch tüd-tend; bei Pferden und den übrigen Thieren ist die Wirkung nicht erraittel1;. Als Arzneimittel dient der Lattich in der Thieiheilkunst nicht.— g) Ignatiusbohne (Faba Sf. Jgnalii), ist in der Art und im Grade der Wirksamkeit fast ganz mit der Brechnuss (sect;. 445.) übereinstimmend; h) Kockelskürner (Semen Cocculi s. Cocculi indiri), wirken auf alle Thiere stark betäubend; sowohl sie wie auch die Ignatiusbohne stammen aus südlichen Ländern und sind als thierärztliches Heilmittel nicht gebräuchlich. — i) Hundspe­tersilie, Gartengleisse (Aeihusa Cymipiam'), und k) Kälber­kropf (CAaeropAj^/uiH syluesfre, lemulum et bulbosum) sind dem ge­fleckten Schierling (sect;. 46ü.) verwandt, beide jedoch weniger wirk­sam als c.er Wasserschierling. Als Heilmittel werden sie nicht be­nutzt. — 1) Mutterkorn (Seeale eornutum), verursacht bei allen Thieren in hinreichend grosser Gabe zuerst Ekel (bei denen, die sich erbrechen können, auch Erbrechen), später, bei längerer Fort­setzung des Mittels immer mehr zunehmende Mattigkeit, Auflösung des Blutes, Lähmung und Absterben der vom Herzen entfernteren Theile, wie der Extremitäten, des Schwanzes, der Ohren, bei Häh­nen auch des Kammes, Entzündung der Verdauungseingeweide und den Tod. (Lorinser, Versuche u. Beobacht. über die Wirkung des Mutterkorns. Beil. 1S24. — Revue medic. 1831. Juillet.). In der neuem Zeit ist das Mutterkorn von Menschen- und Thierärz-ten als ein Htilfsmittel bei schweren Geburten angewendet worden, wenn bei zeitgemässer Geburt der Fötus in das hinreichend weite Becken eingetreten ist, aber die Organe erschlafft und die Wehen nicht kräftig genug sind oder ganz aufgehört haben. Bei Kühen und Hunden liess ich es unter solchen Umständen mehrmals an wenden und sähe anscheinend guten Erfolg. Die Gabe ist für Pferde und Rindvieh ^—1 Unze, für Schafe und Schweine ^ Unze, für Hunde 1 Skrupel bis 1 Drachme, — nach Zwischenzeiten von 1 Stunde 2 bis 3 mal wiederholt. Die Anwendung geschieht am zweckmässigsten im Aufguss mit heissem Wasser. Es fehlt jedoch noch sehr an solchen Beobachtungen, welche die bezeichnete Wir­kung dieses Mittels zweifelsfrei beweisen. Sam. Wight hat eine Reihe von Versuchen an Kaninchen und Hunden gemacht, aus de­nen hervorgeht: dass das Mittel auf die Contraktionen des Uterus keinen Einfluss übte, dagegen aber für die Jungen sehr schädlich war, indem die Mehrzahl der nach der Anwendung des Mittels ge-bornen jungen Thiere todt oder sehr lebensschwach war (Edinburgh
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ined. and surgic. Jouru. 1841.). — m) Porsch, Sumpfporsch, Porst, wilder Rosmarin {Ledum pahstre), wirkt erregend auf die Arterien, oft auch auf die Nerven, in grossen Gaben aber be­täubend. Ziegen sollen das Kraut ohne Nachtheil fressen. In man­chen Gegenden steht es im Rufj ein kräftiges Heilmittel gegen bös • artige Druse und selbst gegen Rotz zu sein; ich gab es sowohl irisch als getrocket den rotzigen Pferden zu 2 bis 6 Unzen, täglich zweimal und durch 4 Wochen, und bemerkte wohl eine Verminde­rung der Symptome, aber keine völlige Heilung. — Dagegen ist das Waschen der Thiere mit einer Abkochung dieses Krautes (2 Unzen zu 1 Pfund Kolatur) ein sehr sicheres Mittel zum Tödten und Vertreiben der Läuse. — n) Safran (Crncus), wirkt gelind narkotisch, zugleich erregend, ist aber grösstentheils noch nicht ge­nügend in seinen Wirkungen erforscht. Bei der Staupe der Hunde, bei Mangel an Wehen zur Zeit der Geburt und dergl. ist der Sa­fran als Arzneimittel empfohlen, aber viel zu theuer und durch an­dere Mittel zu ersetzen.
Achte Klasse.
C hemisch-ei n f ache Arzneistof f o.
sect;. 469.
Die wenigen Arzneimittel, die man mit einigem Grunde als chemisch-einfache Stoffe betrachten kann und die sich unter keine andere Klasse, nach der hier gemachten Eintheilung der Arzneimit­tel bringen lassen, sind der Schwefel, der Phosphor, das Chlor, das Jod und einigermaassen auch (als Vehikel des Kohlenstoffes) die Kohle.
Diese Stotfe sind sich in mehrern Eigenschaften einander ähn­lich, und in ihren Wirkungen auf den Thierkörper kommen sie mit einander darin überein, dass sie vorherrschend die Biklungs-thätigkeit und die Mischung der Säfte verändern; aber in der Art, wie sie dieses thun und überhaupt in der Art ihrer Wirkung wei­chen sie doch wieder bedeutend von einander ah, so dass sich in pharniako-dynamischer und in therapeutischer Hinsicht etwas Nä­heres im Allgemeinen nicht angeben lässt.
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I. Schwefel, Sulphur (zum thierarzneilichen Gehra'ich: Stan-gen- oder RoBSSChwefel, Sulphur cmdum s. vulgire s. cu-ballinum).
sect;• laquo;o.
Wird der Schwefel in kleinen Galjen und mir einmal einem Thiere eingegeben, so verursacht er gewöhnlich keine Spur einer bemerkbaren Wirkung; wird aber seine Anwendung in massig star­ken Gaben durch einige Zeit fortgesetzt, so nimmt die Hautaus­dünstung nach 2 bis 3 Tagen bei Thieren von jeder Art einen ei-genthihnlichen Geruch nach Schwefel an; doch ist dieser Geruch nicht immer dem reinen Schwefel, sondern häufig mehr dem der schwefeligen Säure, oder auch dem des Schwefelwasserstoffgas^s ähnlich. Nach dem letztem riechen auch die abgehenden Blähun­gen und der Koth, und nicht selten auch die ausgeathmete Luft. Die Beschaffenheit des Pulses, der Schleimhäute, die Schleimabson­derung und die Urinsekretion lassen hierbei an gesunden Thieren keine Veränderung erkennen, und die Hautausdi'mstung wird nicht (wie Manche glauben) bis zum Schweiss gesteigert, sondern es scheint vielmehr, dass nur die sogenannte unmerkliche Ausdünstung verstärkt von statten geht. Dabei siebt man nach massigen Gaben oft (namentlich bei Pflanzenfressern) die Verdauung besser werden; der Koth erscheint kleiner, fester und weniger reichhaltig an Säure. — Grosse Gaben des Schwefels vermehren die Absonderung der Darmsäfte, vorzüglich des Schleims, und verursachen Laxiren, stö­ren aber den Appetit nicht. — Von sehr grossen Gaben entsteht zuweilen auch eine Entzündung der Schleimhaut des Magens und Darmkanals, die jedoch mehrentheils nur oberflächlich bleibt und sehr schleichend, ohne heftige Zufalle verläuft. Ein mit Rotz be­haftetes, massig starkes Pferd, !) Jahr alt, erhielt am ersten Tage \ Unze, am zweiten Tage 2 Unzen u. s. w. in demselben Verbält-niss steigend, so dass es am seebszehnten Tage IG Unzen, also im Ganzen 136 Unzen bekam; der Durchfall stellte sich am siebenten Tage ein und dauerte bis zum siebzehnten Tage fort; die Fress­lust wurde niemals getrübt, die Urinsekretion nie verändert; die Hautausdünstung roch am driften Tage sehr deutlich nach Schwe­fel, wurde aber während der ganzen Zeit nicht bis zum Schweiss vermehrt; ein ihm aufgelegtes, mit BIelessigi bestrichenes weisses Papier erschien am vierten Tage grau; die Absonderimg des Schleims und Eiters in der Nase. vermehrte sich täglich, während die früher sehr stark angeschwollenen Lymphdrüsen im Kehlgange immer klei uer wurden; das Pferd magerte bei gutem Futter sichtbar ab,
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wurde täglich kraftloser, so dass es am sechszehnten Tage nicht mehr allein von der Streu aufstehen konnte; die Färbung der Schleimhaut in der Nase und im Maule erschien in der ersten Zeit gar nicht verändert, später mehr blass; Puls und Athem war bis zum letzten Tage normal; Kolikschmerzen traten nicht ein; vom zehnten Tage an wurde das Blut immer dunkler, und zu­letzt selbst in den Arterien ganz schwarz; dahei war es sehr dünnflüssig und langsam gerinnend. Als am sieb­zehnten Tage das Pferd getödtet und sezirt wurde, fand sich die Schleimhaut in der rechten Hälfte des Magens und im Blind- und Griramdarme bläulichroth gefärbt, aufgelockert und sehr mürbe; eine Menge Schwefel fand sich noch im Darmkanal; letzterer, und eben so die übrigen Bauchoingeweide und selbst die Lungen und zum Theil auch die Muskeln rochen nach Schwefelwasserstoff, aber das ganz schwarze und dünnflüssige Blut hatte diesen Geruch nicht. — Ausserdem waren die pathologischen Veränderungen nur wie sie bei dem Rotz gewöhnlich sind. — Waldinger*) fand bei Schafen, die bis zum Missbrauch wöchentlich 3 mal eine mit Schwe­fel versetzte Lecke erhalten hatten, das Fleisch so stark nach die­sem Stoffe riechend, dass es für den Genuss ekelhaft war.
Bei der Anwendung des Schwefels auf die Haut entsteht nach kurzer Zeit ebenfalls ein Schwefelgeruch, weisse Haut wird etwas geröthet, ihre Empfindlichkeit bleibt unverändert und der übrige Körper scheint gar nicht dabei zu leiden.
sect;. 471.
Aus dem Vorstehenden lässt sich annehmen: dass der Schwe­fel als ein eigenthümliches Umänderungsmittel des Vegetationspro-zesses auf den thierischen Organismus wirke, indem er nur die kleineren, absondernden und aufsaugenden Gefässe, speziell die Lymphgefässe und Venen, die Lymphdrüsen, die Schleimhäute und die äussere Haut zu vermehrter und veränderter Thätigkeit anregt, hauptsächlich die Sekretionen dieser Gebilde vermehrr und verän­dert, aber auf die Thätigkeit der grossen Gefässe und des Nerven­systems keinen unmittelbaren Einfluss zeigt. Auch ergiebt sich als sehr wahrscheinlich, dass er theils unverändert in die Materie des Körpers übergeht, theils aber durch die, im Verdamingskanal (be­sonders bei pflanzenfressenden Thiereu) stets vorhandenen Säuren, durch alkalische Substanzen u. s. w. in schwefelige Säure und in Schwefelwasserstoff (oder doch in etwas Aehnliches) umgewandelt wird, und in dieser veränderten Beschaffenheit auch anders auf den
quot;) Abhandlung über den Schwefel und seine Verbindungen n. !, w. \Vien und Triesl I8'20. S. 36-
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Thierkorper wirkt, besonders die arterielle Blutbilduug, die Plasti­zität der Säfte und den Reproduktionsprozess sehr beschränkt, und dass er, wenn die Einwirkung sehr reichlich stattfindet, sehrquot;ver­mehrte Absonderung im Darmkanal und hierdurch Laxiren, bei anhaltender Anwendung aber eine abnorme Verflüssigung der thie-rischen Materie erzeugt. Wahrscheinlich wirkt er auch nur in die­sem chemisch veränderten Zustande so reizend auf die Schleimhaut des Verdauungskanals, dass eine astheuiscbe Entzündung derselben entsteht. — Ausserdem ergiebt sich auch aus dem vorigen sect;., dass die quot;Wirkungen des Schwefels nur laugsam erfolgen, dass derjenige Theil von ihm, der in die Materie des Körpers eiugegangen igt, grösstentheils durch vermehrte Haut- und Lungenausdünstung wie­der ausgeschieden wird, dass aber der Schwefel kein eigentlich schweisstreibendes Mittel ist.
sect;. 472.
Der Schwefel wird sowohl innerlich wie auch äusserlich als Heilmittel benutzt.
a) Die innerliche Anwendung ist im Allgemeinen augezeigt: bei Krankheitszuständen, die in gehemmlen Ab- und Aussonderun­gen, besonders aus der Haut, aus den Lungen oder aus dem Darm • kanai und der Pfortader, — in zu reichlicher Blutbildung, — in Congestionen, — und in zu geringer Thätigkeit der Venen und Lymphgefässe begründet, oder mit Stockungen in diesen Gefässeu und in den Lymphdrüsen verbunden sind. — Dagegen erscheint diese Anwendung überall als unzweckmässig, wenn heftige, aktive Entzündung, oder wenn schon weit vorgeschrittene Entmischung der Säfte zugegen ist. Die besondern Krankheitszustände, bei de neu der Schwefel augewendet wird, sind:
1) astheuische Entzündungen, besonders der Brust- und Bauch­eingeweide. Ein wahres antiphlogistisches Mittel ist der Schwefel wohl nicht, und seine entzündungswidrige Heilkraft ist, so wie auch die Art der Entzündungen, bei der er nützlich ist, noch näher zu untersuchen. Skellet*) empfiehlt ihn beim Rindvieh gegen eine äussere Brustentzündung, die er als Anticor bezeichnet, und ge­gen Entzündung des dritten Magens und der Gedärme, neben dem Aderlass als das Hauptmittel, besonders wenn Verstopfung des Lei­bes zugegen ist. Ich habe diese, in Deutschland nicht gewöhnliche Behandlungsweise der Entzündungskraukheiten bei rheumatischen Lungenentzündungen mehrmals, jedoch immer erst nachdem die Heftigkeit der Entzündung durch einen gemachten Aderlass gemil-
*) A practical Treatise on the parturalion of the cow. Lond. iSii. p. 226, 227, 236, 241 u. f. llertwlg Arzneimittellehre.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;33
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dert war, bei Pferden und Rindern mit gutem Erfolge versucht, kann aber bis jetzt noch keinen Vorzug vor der Behandlung mit Brechweinstein und anderen Mitteln finden. Nach gehobener Ent­zündung, wenn Husten mit zu geringem Auswurf besteht, ist der Schwefel ein vortreffliches Mittel.
2)nbsp; Milzbrand. Gegen diesen ist der Schwefel von mehreren Thierärzten, namentlich von Rysz (Arzneimittellehre) gegen das sogenannte Rücken - oder Lendenblut des Rindviehes und der Schafe, als nützlich befunden worden; es fehlt jedoch die genauere Bezeichnung der Umstände unter denen die Anwendung geschah, und bei der bekannten möglichen Verschiedenheit derselben ist das Mittel gewiss nicht überall passend; besonders ist wohl bei einem schnellen Verlaufe des Uebels nicht viel von ihm zu erwarten.
3)nbsp; Katarrhalische und rheumatische Krankheiten, sowohl im frischen, wie auch im chronischen Zustande, — Druse, Strengel, Bräune, Husten, Lungenkatarrh, selbst Lungenknoten, Rehe und andere rheumatische Lahmheiten. Der Schwefel ist bei diesen Krank­heiten mehrentheils sehr nützlich, aber es ist ebenfalls noch nicht gehörig ermittelt, wo er nöthig ist, wo er entbehrt werden kann und wo nichts von ihm zu erwarten ist.
4)nbsp; Hautkrankheiten, besonders Flechten, Räude, Nesselsucht und Mauke; sie sind die vorzüglichsten Uebel, bei denen das Mittel angewendet wird und wo es vielleicht noch am meisten nützlich ist. Bei der Mauke (wo es Rysz empfiehlt), und eben so bei frisch entstandener Räude ist es jedoch fast immer zu entbehren.
5)nbsp; Rotz und Wurm. Collaine *) wollte gegen diese Krank­heit vom Schwefel ganz ausserordentlich günstigen Erfolg gesehen haben; bei meinen zahlreichen Versuchen hierüber ist es mir nicht gelungen, nur ein rotziges Pferd zu heilen, und gegen Wurm schien das Mittel nur dann etwas zu leisten, wenn wenige Wurm­beulen zugegen waren und wenn dieselben zugleich örtlich zweck-mässig behandelt wurden. Schwefelspiessglanz, Terpentinöl u. dgl. zeigten sich viel wirksamer.
6)nbsp; Ausserdem wird der Schwefel noch von Mancfaeu als Prä­servativmittel, bei Schafen gegen die Fäule, gegen Räude und ge­gen die nachtheiligen Folgen der Waldhutung, namentlich gegen milzbrandartige Uebel, besonders das Rückenblnt, und gegen eine eigenthümliche venöse und typhöse Entzündung der Gebärmutter, die bei Schafen nach dem Lammen eintritt und oft in 24 bis 30
*) Comple rendu d'une experience tenlee conlre '.a morve et le farcin. Paris 1811. — Glücklicher Versuch, den Rotz und Wurm der Pferde zu heilen. Aus d. Franz. von Gerike. Braunschweig 18H.
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Stunden födtet; — und bei Hunden gegen die Staupe und andere Krankheiten angewendet. Obgleich er zur Verhütung dieser Krank heiten unter günstigen Umständen etwas beitragen kann, so ist doch bis jetzt sein Nutzen nicht gehörig erwiesen.
b) Aeusserlich wird der Schwefel gegen Räude und Flechten, gegen das sogenannte Teigmal oder Teigmaul der Kälber und Läm­mer, und gegen Mauke angewendet; bei letzterer ist er jedoch von sehr geringer Wirksamkeit und ganz entbehrlich; auch bei der Räude wird er jetzt von den deutsehen Thierärzten mehrentheils durch wirksamere Mittel ersetzt.
sect;. 473.
Die Gabe und Verbindung zum innerlichen Gebrauch sind nach Verschiedenheit des Heilzweckes etwas verschieden; als an­führendes Mittel bei Entzündungen und bei dem Milzbrande u. s. w. soll man den Schwefel immer in grossen Gaben, nämlich für Pferde zu 8—10 Unz., für Rindvieh zu 10—13 Unz., für Schafe zu J—3Unz., für Schweine-ä—1 Unz., für Hunde 2—6 Drachm, in einer Gabe und nur einmal, in Verbindung mit Salpeter, oder Glaubersalz, oder Weinstein und dergl. anwenden. — Soll aber der Schwefel eine Umstimmung der Thätigkeit in _dcn Lymphgefässen und Lymph­drüsen bewirken, die Hautausdünstung, den Lungenauswurf und die Resorption befördern, z. B. bei katarrhalischen Krankheiten, bei Räude und andern chronischen Krankheiten, bei Räude und andern chronischen oder cachektischen Krankheiten, so giebt man ihn im­mer nur in massigen Gaben, nämlich Pferden und Rindvieh zu •£ bis 2 Unzen, Schafen 2 Drachmen bis i- Unze, und Schweinen zu \ bis 1 Drachme, Hunden zu 5 Gran bis 1 Skrupel, täglich 1, 2 bis 3 mal, und durch längere Zeit anhaltend; man versetzt ihn hier mit aromatischen Mitteln, mit Kampfer, Terpentinöl, Ofenruss, Schierling und dergl., aber nicht mit Metallpräparaten, weil er fast ohne Ausnahme deren Wirkung sehr schwächt. — Gegen Rotz und Wurm gab Collaine das Mittel in steigender Gabe, indem er ge­wohnlich mit 4 Unzen pro Tag anfing und bei einzelnen Pferden bis zu 24 Unzen damit stieg, ohne dass heftige Wirkungen ein­traten (a. a. 0. S. 23.); manche Pferde wurden jedoch hierdurch so geschwächt, dass sie durch 3 bis 4 Tage, ohne aufstehen zu kön­nen, auf der Erde lagen.
sect;• laquo;4.
Die Anwendung kann in Pulverform, als Zusatz zu sogenann ten Drüsenpulvern, zu Lecken (für Schafe), o'der besser in Pillen oder Latwergen geschehen; auch kann man den pulverisirten Schwefel, mit einer schleimigen Flüssigkeit, gemengt und gut um-geschüttelt geben; aber unzweckmassig ist es, den Thieren (und
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wie es besonders für Hunde gebräuchlich ist) ganze Stücke des Schwefelsjiu das Trinkwasser zu legen; denn er löst sich bekannt­lich im Wasser nicht auf und kann daher demselben auch keine Heilkraft mittheilen.
Aeusserlich wird der Schwefel am zweckmässigsten in Form einer Salbe oder eines Linimentes angewendet. Die erstere bereitet man gewöhnlich durch blosses Zusammenreiben von 1 Theil pul-verisirtem Schwefel mit 2 Theilen Schweineschmalz oder Butter (einfache Schwefelsalbe, Unguenlum sulphuralum simplex], oder noch besser statt des blossen Fettes mit eben so viel grüner Seife; um die Wirksamkeit zu erhöhen, setzt man oft noch 1 Theil pulv. Salmiak oder Zink vitriol (z. B. in der zusammengesetzten Schwefel sal be, Unguentum sulphuratum composiium, der preuss. Pharmacopöe, 2 Theile Schwefel, eben so viel Zinkvitriol und 8 Theile Fett), oder Terpentinöl, Hirsclihornol, Theer, pulv. Lorbeeren, Kohle und dergl. Mittel hinzu.
Zum Liniment nimmt man 1 Theil pulv. Schwefel und 2 Theile grüne Seife, und so viel heisses Wasser oder Terpentinöl, dass das Ganze eine halbflüssige Konsistenz erhält. Man reibt die Salbe und eben so das Liniment täglich einmal, und durch 3 bis 4 Tage nach einander auf die kranken Stellen der Haut ein, reinigt dann letztere mit warmem Seifenwasser und setzt nach einer Pause von 2 Tagen das Mittel auf gleiche Weise bis zur Heilung fort. — Waldinger empfahl auch den Schwefel als Zusatz zu dem Walz-schen Waschwasser gegen Schafräude (siehe oben S. 350. u. 351.),
__ und Rysz ein Pulver von gleichen Theilen Schwefel und Kohle
zum Einstreuen in feuchte Maukgeschwüre. Im Ganzen ist jedoch die äusserliche Anwendung des Schwefels jetzt nicht mehr sehr gebräuchlich.
Anmerkung 1. Zum thierärztlichen Gebrauch ist überall der oben bezeichnete Staugenschwefel, wenn derselbe nur nicht zu sehr durch andere Bestandtheile verunreinigt ist, vollkommen aus­reichend, und dertheurere gereinigte Schwefel oder die Schwe­fel!) lumen {Sulphur depuralum s. sublimalum s. Flores Su/phuris), und eben so der Schwefel-Niederschlag oder die Schwefel­milch {Sulphur praecipHatum s. Luc Sulphuris) sind ZU entbehren.
Anmerkung 2. Ausser den Schwefelsalben hat man noch die sogenannten Schwefelbalsame als officinelle Zubereitungen; a) der einfache Schwefelbalsam oder das geschwefelte Leinöl (Balsamus Sulphuris simplex s. Oleum Line sulphuralum), durch Auflösen von 1 Theil Schwefel in 4 Theilen Leinöl bereitet — ist äusserlich als gelindes Digestivmittel bei atonischen Geschwü­ren und als auflösendes Mittel hei Verhärtungen, inaerlich bei Lun-
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genkuoien, bei trockenem Husten, beim ßlutharnen und bei Gries und Sand im Urin ehemals gebraucht worden, jetzt aber fast ganz vergessen. Gabe für grosse Hausthiere 1 bis 3 Unzen, für kleinere im Verhiiltniss weniger. — b) Von dem terpeutinhaltigen Schwefelbalsam ist bereits S. 332. das Nöthige gesagt. (Schwe­felleber s. bei Salzen, Schwefelmetalle bei den Metallen.)
2. Phosphor, Phosphorus.
sect;. 475. Die Wirkungen dieser in Berührung mit atmosphärischer Luft so leicht entzündlichen Substanz, sind bei den verschiedenen Haus-thieren noch nicht gründlich erforscht. — Fast allgemein hält man den Phosphor fürdas kräftigste u.durchdringendsteunter den flüchtigen Reizmittelu, und er verdient diese Bezeichnung wohl mit einigem Recht, wenn es darauf ankommt, sein schnelles Durchdringen durch den ganzen Organismus damit anzudeuten; denn er wird nach we­nigen Minuten, zuweilen auch unmittelbar nach seiner Einverlei­bung in den lebenden Thierkorper, grösstentheils als ein nach Kno­blauch riechender und im Dunkeln leuchtender Dampf, vorzüglich durch die Luugenausdünstung, eben so auch durch die Hautaus-düustung und zum Theil auch mit dem Urin wieder ausgeschie den, er mag auch auf noch so verschiedenen Wegen, z. B. inner­lich, durch Injection in die Venen u. s. w. in den Körper gebracht, worden sein. Dagegen scheint aber jene Bezeichnung hinsichtlich der flüchtig reizenden Wirkung nicht ganz richtig zu sein, we­nigstens nicht in dem Sinne, wie dies von andern flüchtigen Reiz­mitteln gilt; denn bei oft wiederholter Anwendung des Phosphors an gesunden und kranken Thieren von verschiedener Art beobach­tete ich niemals eine solche erhitzende Aufregung, wie sie durch den Aether, die Spirituosen Mittel, den Kampher und die ätherischen Oele zu erzeugen ist. Bei manchen Thieren entstand von einer massigen Gabe, z. B. bei Pferden von 8 bis 12 Gran, bei Hunden von \ bis -i Gran des Phosphors in Baumöl aufgelöst gar keine wahrnehmbare Veränderung, namentlich nicht am Pulse und Herzschlage; wurden aber diese Gaben verdoppelt oder noch mehr verstärkt, so erschien allerdings das Athrnen etwas lebhafter, die ausgeathmete Luft und eben so die Haut wärmer, der Puls nach 30 bis 00 Minuten etwas voller und um 5 bis 10 Schläge in einer Minute vermehrt, die Schleimhaut der Nase und des Matiles dunkler geröthet; — diese Wirkung erfolgte jedoch, wie bereits an­gedeutet, weder ausgezeichnet schnell noch in besonderer Art. Aber es entstand von so grossen Gaben gewöhnlich eine Entzündung
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des Magens und Darmkanals, die sich bei Pferden ohne auffallende Symptome äusserte, und wobei oft ganz unerwartet nach 10 bis 15 Stunden, zuweilen aber auch erst nach 48 Stunden der Tod er­folgte. Bei Lowag's Versuchen trat an einem rotzigen Pferde nach Anwendung von S Gran Phosphor mit fi Unzen Leinöl pro Dosi, früh und Abends während 3 Tagen gereicht, am 4ten Tage der Tod plötzlich ein, nachdem blos der Appetit etwas vermehrt und der Nasenausfluss dünnflüssiger geworden war. Zwei andere Pferde ertrugen durch einige Tage grössere Quantitäten, starben aber, als sie 10 bis 12 Gran pro Dosi täglich zweimal erhalten hatten. (Magaz. für Thierheilk. Bd. VII. S. 443.) — Einige Hunde und Schweine starben schon nach Galjen von -1 bis 1sect; Grau in Zeit von 2 bis 5 Tagen; in dieser Zeit waren sie gewöhnlich etwas traurig, matt und ohne Appetit, 'einzelne zeigten auch Erbrechen, Unruhe und Winseln. — Hühner und Enten starben nach dem Ge nuss von | Gran Phosphor, und nachdem sie blos Traurigkeit ge­zeigt hatten.
Bei der Sektion der durch Phosphor getödteten Thiere fand man die Schleimbaut des Magens bald nur an einzelnen Stellen, bald in einer grössern Ausdehnung abnorm geröthet, zuweilen auch so im Schlünde und im Darmkanal; wo das Mittel i?i ganzen StUckcheu gegeben worden, fand sich auch oberflächliche Anätzung und um dieselbe etwas Auflockerung. War der Tod in kurzer Zeit erfolgt, so bemerkte man beim Aufschneiden des Magens phospho­rige, nach Knoblauch riechende, im Dunkeln leuchtende Dämpfe. In einzelnen Fällen war die Oberfläche der Lungen mit schwarzen Flecken besetzt und das Blut dunkel; in andern Fällen konnte man kaum die Spur einer krankhaften Veränderung finden.
Injectionen des in Oel aufgelüsten Phosphors (4 Gran in 2 Drach­men) verursachen zuerst beschwerliches, schnelleres Athmen, Aus-stossen phosphoriger Dämpfe durch Maul und Nase, grosse Angst, zuweilen Bluthusten, Erstickungszufälle und den Tod in sehr kur­zer Zeit.
Wird in Baumöl aufgelöster Phosphor äusserlich in die Haut eingerieben, so erfolgt zum Theil seine unmittelbare Verdampfung; bald darauf wird auch die ausgeathmete Luft nach phosphoriger Säure knoblauchartig riechend und im Dunkeln leuchtend; zuwei­len wird die Zahl der Pulse um einige vermehrt, andere Symptome von allgemeiner Erregung sind nicht zu bemerken; aber er verur­sacht an der Haut dunklere Röthung, vermehrte Wärme, grössere Empfindlichkeit, und bei wiederholter Anwendung auch Ausschwit-zuug einer serösen Flüssigkeit, sehr ähnlich wie es nach dem Ein-
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reiben des Kampherliniments der Fall ish — In Wunden bewirkt
er fast augenblicklich heftigen Schmerz und Anäizuug.
sect;• laquo;6.
Der Phosphor ist als ein flüchtig reizendes, belebendes Mittel em pfohlen, bei solchen Krankheitszuständen, in denen die Lebensthä-tigkeit zu erlöschen drohet, und wo das Nerven- und das Gefäss-system gieichmässig an gesunkener Thätigkeit leidet, namentlich unter solchen Umständen gegen Starrkrampf, Nervenfieber mit gros­ser Abstumpfung, Lähmungen, heftigem Rheumatismus und dergl. Er ist jedoch, und ganz mit Recht, von den Thierärzten äuseerst selten angewendet worden, denn es finden sich (ausser einem Fall von Hut chin son, der ihn bei einem Pferde gegen Erschöpfung der Kräfte nach der Influenza anwendete *) nirgends Beobachtungen über seinen Nutzen. Ich habe ihn in mehreren Fällen gegen Starr­krampf, Lähmung und Rheumatismus innerlich und äusserlich ver­sucht, aber keinen besondern Erfolg davon gesehen.
Ich kann daher dieses Mittel nicht empfehlen, sondern muss im Gegentheil vor ihm warnen, weil seine innerliche Anwendung mit Schwierigkeiten und mit Gefahr verbunden ist; denn es lässt sich zweckmässig nur in flüssiger Form, aufgelöst in Aether, in Baumöl oder in Terpentinöl geben und es verursacht (wie bereits angegeben) sehr leicht Entzündung der Eingeweide. — Will man aber dennoch das Mittel versuchen, so muss es mit grösster Vor­sicht und niemals bei Zustäden, die mit Reizung verbunden sind, geschehen; Pferden und Rindvieh gebe man nicht mehr als höch­stens 4 bis 6 Gran, Schafen nur 1 bis 1| Grau, Schweinen \ bis 1 Gran, Hunden % bis ^ Gran auf einmal und nur in Zwischen­zeiten von 8 bis 12 Stunden. — Vor der Anwendung muss der Phosphor in einem der vorhin genannten Mittel aufgelöst **) und dann noch mit einer schleimigen Flüssigkeit in dem Verhältniss gemengt werden, dass auf 1 Gran Phosphor wenigstens 1 Unze von der letztern kommt. Sind andere Arzneimittel nöthig, so wer­den diese am besten in den Zwischenzeiten gegeben, weil aus che­mischen Gründen ihre Verbindung mit dem Phosphor nicht zweck­mässig erscheint.
Aeusserlich benutzt man zum Einreiben in die Haut das so genannte Phosphor-Liniment (Linimen/um phosplwraium), eine Auflösung von 10 bis 12 Gran Phosphor in 1 Unze warmem Baumöl
*) The Veterinarian, 1837. p. 407.
quot;') Die Autlüäungen müssen so viel als möglich vollkommen sein und keinen Phosphor in Stückchen enlhallen; 1 Unze Schwefel-Aelher löst nur 5 bis 6 Gran, — 1 Unze Mohnöl gegen 10 Gran, — i L'nze Terpentinöl gegen 15 Gran Phosphor auf.
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(oder Mohnöl und dergl.). Zuweilen setzt man ihm noch 40 bis 60 Gran Kampher oder 2 Drachmen bis i Unze Terpentinöl zu.
Bei der Anwendung dieses Liniments (und eben so der übri­gen Zusammensetzungen des Phosphors) muss man die Annähe­rung brennender Körper an die Thiere (und an die geöffneten Me­dizingläser) vermeiden, weil sonst Feuersgefahr entstehen könnte. *)
3. Chlor, Chlorin, Chloringas, Ch/orum, Gas chloreum.
sect;. 477. Dieses eigenthümliche Gas wurde ehemals unrichtig für eine, an Sauerstoff überreiche Säure gehalten und oxydirte, oder oxygenirte, auch dcphlogistisirte Salzsäure {Acidam oxy-murialicum s. Acidum murialicum oxygenatum), oder oxydirt-salz-saures Gas (6'laquo;s oxt/muriaflcum), und Halogen (Balogenium) genannt. Es kommt in der Natur nicht rein vor, sondern in Ver­bindung mit andern Stoffen, namentlich mit Metallen und mit Wasserstoff, und muss daher künstlich durch gegenseitige Zerset­zung aus Kochsalz, Manganüberoxyd und Schwefelsäure dargestellt werden. — Das Chlor bat zum Wasserstoff eine grosse chemische Verwandtschaft, so dass es sich überall mit ihm vereinigt, hierdurch die meisten Verbindungen dieses Stoffes mit andern Stoffen zer­setzt und deshalb sehr viele organische Substanzen auch ganz zer­stört; dabei bildet es aber mit diesem Stoff die Chlorwasser-stoffsäure oder Salzsäure (siehe IX. Klasse bei den Säuren). Mit den Metallen geht es ebenfalls innige Verbindungen ein und bildet dadurch mehrere sehr wichtige Arzneimittel, z. B. Chlor-Eisen, Chlor-Quecksilber in minima und maxima, Chlor-Spiessglanz und
) Anmerkung. In neuerer Zeil ist der Pliosphor as einMillel zum Tödten der Ronen und Mäuse vielfältig benutzt und selbst obrigkeitlich empfohlen worden. Er eignet sich hierzu allerdings sehr gut, da er, wie es scheint, für diese Thiere einen angenehmen Geruch (WltleniDg) hat, lie­ber als der Arsenik von ihnen gefressen wird und sicherer noch als die­ser tbdlel. Alan wendet ihn für diesen Zweck in der sogenannten Phos­phor-Latwerge an, welche folgendermaassen bereitet wird: 2 Quentchen Phosphor werden in einem Mörser in 6 Loth warmem Wasser geschmol­zen, hierzu schnell 9 Loth Waizenmehls gerührt, und nach dem Erkalten noch 8 Lolh geschmolzener Bulter und 4 Lolh pulverisirten Zuckers ge­rührt. — Mit dieser Latwerge bestreicht man Holzspäne, Papier- oder Lemwandlappen und legt sie in die Mauselöcher u. s. w. — Ist in der Latwerge der Phosphor recht fein zerlheill, so hat man nicht zu fürch­ten, dass sie sich an der Luft entzündet, selbst wenn sie mit Stroh und andern brennbaren Substanzen in Berührung kommt, —#9632; wie ich dies durch Versuche ermittelt habe.
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Chlor-Zink (siebe XII. Klasse). — Das Wasser nimmt durch Ah-sorption mehr als sein eigenes Volumen beträgt, nämlich 1 1 bis 'iRaumtheile vom gasförmigen Chlor auf, bildet so, wie es scheint, als blosscs Gemenge die Chlorflüssigkeit oder das oxydirt-salzsaure Wasser, welches im Wesentlichen dieselbei. physika­lischen Eigenschaften wie das Chlorgas besitzt und aus dem sich auch das letztere ganz unverändert sehr leicht wieder entbindet, besonders bei etwas erhöhter Temperatur. Mit den Alkalien und Erden verbindet sich das Chlor, wie es scheint, ebenfalls haupt­sächlich durch blosse Absorption; denn die hierdurch entstandenen Präparate, von denen vorzüglich der Chlorkalk und das Chlor­natron als Arzneimittel dienen, — zeigen im Wesentlichen auch die Eigenschaften des Chlors unverändert und entbinden dasselbe sehr leicht bei der Einwirkung von atmosphärischer Luft oder von anderen Gasarten, und noch mehr bei der Einwirkung von Säuren.
Da das Chlor, wie im Vorstehend^?!! gezeigt, alle Wasserstoff-verbindungeu zerstört und sich dabei selbst in Chlor-Wasserstoff­säure umwandelt, so enthalten alle Zusammensetzungen desselben mit andern Arznei Stoffen oder mit Vehikeln nicht mehr reines Chlor, sondern bald mehr bald weniger verdünnte Salzsäure; und da auch seihst dann, wenn man das reine Chlor zur Anwendung bringt, durch die Berührung desselben mit den Schleimhäuten u. s. w. die­selbe Veränderung erfolgt, so hat man, hierauf gestützt, behauptet: die innerliche Anwendung des Chlors als solches, sei unmöglich und dasselbe habe als innerliches Arzneimittel niemals Nutzen ge­stiftet, sondern der ihm hierbei ertheilte Ruhm gebühre eigentlich der Salzsäure. Allein, obgleich jene chemischen Ansichten richtig sind, so muss man doch auch zugeben, dass durch die Einwir­kung des Chlors auf die organischen Säfte und Gebilde ganz an­dere Mischungsverhältnisse in denselben entstehen als von der Ein­wirkung der verdünnten Salzsäure; wie auch, dass bei der schnel­len Umwandlung der organischen Säfte durch das Chlor, wie auch bei dem Freiwerden des Sauerstoffes aus demselben bei seiner Zersetzung und der Akt der Erzeugung der Salz­säure selbst weitere wichtige Umstimmuugen in den Funktionen zur Folge haben muss. Auch zeigt die Erfahrung, dass die Ver­änderungen im Thierkörper, besonders in den Sekretionen, nach Anwendung des Chlors von anderer Art sind als nach der Anwen­dung der Salzsäure.
Da nun das wirksame Prinzip im Chlorwasser, im Chlorkalk, im Chlornatrum u. s. w. dasselbe ist wie im Chlorgas, so ist es zweckmässig, diese Arzneistoffe hier gemeinschaftlich zu betrachten.
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A. Chlorgas Gas oxymuriulicum s. Chlort s. Gas Acidi muria tici oxygenati.
sect;• 478.
Das Chlorgas im reinen Zustande conzentrirt und reichlich angewendet, wirkt zunächst und hauptsächlich auf die Respira­tionsorgane als ein sehr heftiges Reizmittel, und verursacht Husten, beschwerliches Athmen und Erstickung binnen kurzer Zeit. Bei der Sektion findet man dann das Blut im ganzen Körper dünnflüs­sig und schwarzroth, selbst in den Arterien. Wenn aber das Gas, wie es bei seiner Entwickelnng und bei der Atiwendung fast im­mer geschieht, mit atmosphärischer Luft gemengt ist, so verursacht es zwar ebenfalls zuerst Reizung des Kehlkopfes und der Bronchien, trockenen Husten, vermehrte Absonderungen der Schleimhaut, der Nase und oft reichliches Thränen der Augen, aber Erstickuugszu-fälle treten nicht ein und das Athmen wird überhaupt nur wenig, oft auch gar nicht beschwerlicher. Auf die Haut wirkt das Gas eben­falls, aber weniger heftig reizend; das Herz und die grossen Gefässe so wie das Gehirn scheinen gar nicht unmittelbar von ihm afficirt zu werden. Ich habe das Gas in engen Ställen anhaltend und sehr reichlich entwickelt und es so, mit atmosphärischer Luft gemengt, von Menschen, Pferden, Rindern, Schafen, Ziegen, Hunden, Katzen und Vögeln durch 16 bis 24 Stunden athmen lassen, aber keine andere unmittelbare Folgen als die angegebenen hiervon entstehen sehen; bei länger fortgesetzter Einwirkung wird jedoch die gute Mischung des Blutes verändert, namentlich die Plasticität vermin­dert und die Farbe dunkler; auch wird dabei die Urinsekretion ver­mehrt, die Schleimhaut in der Nase und im Maule ganz blass und die Thiere magern binnen kurzer Zeit sehr ab. Wahrscheinlich wird also ein Theil des Gases beim Einathmen eben so wie die atmosphärische Luft von dem Blute absorbirt, und hierdurch eine chemische Zersetzung des letztern (und der organischen Materie überhaupt) bewirkt, indem das Chlor auf die bereits erwähnte Weise (sect;. 477.) alle Wasserstoffverbindungen zu zersetzen strebt. Zugleich wird aber auch die Thätigkeit der meisten Absonderuugsorgane, der Lymphgefässe und Lymphdrüsen und der Schleimhaut, und eben so die Resorption vermehrt.
Auf Wunden und Geschwüre wirkt das Chlorgas stark reizend; die Empfindlichkeit wird grosser, die Färbung dunkler, die abge­sonderte Flüssigkeit consistenter und, wenn letztere irgend einen hervorstechenden Geruch hatte, so wird derselbe bedeutend vermin­dert oder auch ganz beseitigt.
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Injektionen des Gases in die Venen bewirken nach 2 bis 3 Mi­nuten den Tod unter apoplektischen Zufallen.
sect;#9632; laquo;9.
Das Chlor in Gasgestalt ist erst in der neuem Zeit als Heil­mittel in Aufnahme gekommen, und es lassen sich daher bestimmte Indikationen für seine Anwendung nicht angeben; es scheint jedoch da nützlich zu sein, wo das Blut eine zu kohlenstoffreiche, bran­dige, vielleicht auch eine zu faserstoffreiche, und eine dyskrasische Beschaffenheit bat. Es ist mit Nutzen bei dem sogenannten bran­digen Strengel, bei Lungenbrand und Luugeuverjanchung, und bei typhösen Fiebern angewendet worden. Bei Lungcuverjauchung, so­wohl wenn dieselbe acut nach Entzündungen, wie auch besondtrs wenn sie als Folge von erweichten Tuberkeln bestand, habe ich bei Pferden, Rindvieh und Hunden von dem Einathmen des Chlorgases vortreffliche Wirkung gesehen. Von Lebianc und einigen an­dern französischen Thierarzten ist es auch zur Heilung des Rotzes sehr gerühmt worden. Man soll mittelst einer eigenen Vorrichtung (siehe: Journ. theorique et prat. de Medec. veter. 1831, Mars; 1S3J, Janvier; — und Recueil de Med. veter. 1831, Juillet) das Gas in die Nase leiten, was jedoch auch mittelst jeder Flasche geschehen kann. Andere haben von dieser Heilmethode den gerühmten Erfolg nicht gesehen, und ich habe dieselbe ebenfalls bei mehreren Pferden vergeblich angewendet. Als Gegengift bei Vergiftungen durch Blau­säure ist Chlor (auch Chlorwasser und Chlorkalk) mehrfältig em­pfohlen worden; ich habe aber bei zahlreichen Versuchen hierüber weder mit dem Gas noch mit den andern Präparaten die Wirkun­gen der Blausäure sehr vermindern, und bei gehöriger Gabe der letztem niemals den Tod verhüten können.
Dagegen dient das Chlorgas als das wirksamste Mittel zur Zerstörung von Miasmen und Eoutagien, welche, in der Luft oder an irgend einer andern Materie haften; zur Reinigung der Ställe, in denen Thiere mit ansteckenden Krankheiten sich befinden oder früher befunden haben, oder, wo durch krankhafte Ab- und Aus­sonderungen, z. B. durch Jauche aus brandigen Geschwüren, durch die stinkende Ausdünstung bei Faulfieber und Typhus, durch stin­kende Excremente bei Diarrhöe u. s. w. die Luft verdorben ist; da­her auch bei dem Blauwerden*) der Milch in solchen Fällen, wo dasselbe durch ein Miasma im Milchkeller oder in den Milchgefäs-sen bedingt ist, welches der Erfahrung zufolge in manchen Fällen
*) Nicht zu verwechseln mil dem Blaumelken, welches vom Ge-nuss von Pflanzen mit blauen Süflen oder von Kra nkluilen der Milch Ihiore herrührt.
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ausserordentlich fest haftet und durch die gewöhnlichen Reinigungs-niittel nicht zu zerstören ist. Gegen Schädliubkeit dieser Art lei­stet das Chlurgas sehr viel, obgleich es nicht immer jenen fauligen Gestank ganz beseitigt; aber gegen diejenigen unbekannten Mias­men, welche in einer eigenthiimlicben Beschaffenheit der Konstitu­tion der Atmosphäre begründet sind, wie es bei Epizoofien häufig der Fall ist, scheint es weit weniger wirksam zu sein. — Die des-iuficirende Wirkung des Mittels ist wohl eine rein chemische, indem es die (ursprunglich organischen) der Luft u. s. w. anhängenden Krankheitsstoffe auf dieselbe Weise zersetzt wie andere organische Materien.
sect;#9632; -W).
Für die zuletzt bezeichneten Zwecke, nämlich zur Zerstörung
der Ansteckungsstoffe, zur Reinigung infizirter Ställe und dergl.,
kann man das Chlorgas auf mehrfache Weise entwickeln, und
zwar: 1) als sogenannte oxydirt-salzsaure oder Morveau-
schequot;) Räucherungen (Fumigaliones o-rymurluticne, Fumigaliones rum Chluro s. Guytun-Morveauianae), aus einer Mischung von iTh.fein pulv. Braunsteinoxyd, mit 3 Theilen trockenem Kochsalz und mit 2 Theilen roher Schwefelsäure, welche letztere noch mit 2 Theilen Wasser verdünnt wird.**) Nach Zengerle sind dies jedoch nach der chemischen Aequivalenten-Lehre nicht die richtigen Mengen der Bestandtheile, indem hiernach auf 4 Theile Kochsalz wenigstens 6 Theile Schwefelsäure und 3 Theile Braunstein genommen wer­den müssen. Mau mengt diese Ingredienzien erst dann, wenn das Gas entwickelt werden soll, in einem irdenen, porzellanenen oder gläsernen flachen Gefässe z. B. in einer Schüssel zusam­men und stellt sie in den zu reinigenden Stall. Das Chlor ent­weicht sogleich sehr reichlich in Gestalt gelblicher Dämpfe, nach einiger Zeit aber immer schwächer, und mankamulurch Umrühren mit einem hölzernen oder gläsernen Stäbchen die En'wickelung von
*) Bourgelat hat, ohne das Chlor zu kennen (indem es erst spa­ter entdeckt wurde) schon im Jahre 176j, also lange vor Guyton-Morveau (4798) ahnliche Räucherungen, aber in einer mehr zusam­mengesetzten Formel empfohlen (Maliero m6dic. Formel Nr. SQü), und Huzard, der dieses mit Recht zu den Verdiensten liourge lat's rech­net, sagt darüber: „que Guyton-Morveau n'a fait, sans rien changer aux bases, que simplifier la formule de Bourgelat el en entendre Tapplica-tion.quot; (Procesverbal de l'Ecole v6l. de Lyon, ann. i8\i; — Annal. de l'agricult. fran?. Tom. SI. pag. 95.)
**) Für einen Stall, der 20 Fuss lang und eben so breit ist, sind 1; ünre Braunstein, 1|f Unze Kochsalz und lt; Unze Schwefelsäure hin­reichend.
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neuem etwas befördern. Setzt man die Schwefelsäure nach und nach zu dem Braunstein und Kochsalz, so erfolgt die Entbindung des Chlors auch verhältnissmässig langsamer und schwächer, was zu beachten ist, wenn man die Räucherungen in solchen Ställen unternimmt, in denen sich noch lobende Thiere befinden oder wo Menschen sich beschäftigen. Durch massiges Erwärmen des Ge-fässes, in welchem die Ingredienzien zusammengemengt sind, wird die Entwickelung des Gases sehr befördert; will man aber das Er­wärmen vermeiden, und doch binnen kurzer Zeit viel Gas erzeugen, so kann man die Schwefelsäure unverdünnt auf den Braunstein und das Kochsalz tröpfeln. — Ist der zu reinigende Stall ganz leer von Thieren, so lässt man das Gas reichlich in ihm entwickeln und verschliesst dabei durch 2i Stunden alle seine Oeffnungen; nach der Zeit aber lässt man ihn eben so lange ganz offen stehen und von der Luft durchströmen.
2)nbsp; Die Entwickelung des Chlorgases kann auch aus dem Chlor­kalk (eigentlich chlorichtsaurer Kalk) und aus dem Chlorna­tron geschehen. Beide Präparate lassen schon, blos wenn sie der Luft ausgesetzt sind, das Gas entweichen, was zwar langsam ge­schieht, aber auch nur sehr geringe Reizung der Respirationsorgane verursacht; die Entwickelung wird durch Befeuchten oder Auflösen der Mittel mit Wasser, noch mehr aber durch den Zusatz der ver­dünnten Schwefelsäure, oder beim Chlorkalk auch durch das Zu­sammenmengen desselben mit gleichen Theilen vom sauren schwefelsauren Kali sehr verstärkt. Die Entwickelung des Gases aus diesen Substanzen ist etwas schwächer, auch etwas theurer, aber bei dem zuletzt bezeichneten Gemenge aus Chlorkalk und saurem schwefelsaurem Kali vermeidet man die üblen Folgen, welche bei den M or ve au'sehen Räucherungen aus dem Gebrauch der Schwefelsäure entstehen können. Deshalb verdient dasselbe besonders dann den Vorzug, wenn man die Ingredienzien zu den Chlorräucherungen über Land verschicken oder unkundigen Perso­nen anvertrauen muss. Die genannten beiden Substanzen müssen fein gepulvert sein und dürfen erst zusammengemengt werden, wenn man eben das Gas entbinden will. Für einen 20 Fuss lan­gen und eben so breiten Stall sind 1-j Unzen von jedem Theile zur Anfüllung mit Chlor hinreichend.
3)nbsp; Auch aus dem flüssigen Chlor ist, wenn dasselbe im Stalle ausgesprengt oder in weiten Gefässen der Luft ausgesetzt wird, das Gas zu entwickeln; dieses Verfahren ist jedoch verhältnissmäs­sig am theuersten und am wenigsten wirksam.
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B. Chlorwasser, flüssiges Chlor, oxydirt-salzsaures
Wasser, oxydirte Salzsäure, ifyuor Chlori, Acidum muriaikum
oxygenatum. Aqua orymurialifa.
sect;. 481. Das flüssige Chlor besitzt, mit Ausnahme der veränderten Form, alle Eigenschaften des Chlorgases, wirkt auch auf den le­benden Thierkörper ganz wie dieses, aber bedeutend milder. Pferde und Kühe ertrugen es bei meinen Versuchen bis zu 3 Pfd, Hunde bis zu 3 Unzen auf Einmal, ohne dass besondere Zufälle entstan­den. — 2 Unzen einem Pferde in die Vene gespritzt, verursachten sogleich Mattigkeit, ängstlichen Blick, Senken des Kopfes, Zittern der Haut und der Füsse, häufiges Bewegen des Kiefers und der Zunge, etwas schnelleres Athmen, volleren, aber nicht schnelleren Puls. Nach 2 Stunden war die Wirkung vorüber. — Von 5 Un­zen innerlich angewendeten flüssigen Chlors starb bei Orfila ein Hund nach einigen Stunden; es war ihm aber der Schlund unter­bunden worden. — Durch seine Form eignet sich das flüssige Chlor zur innerlichen und äusserlichen therapeutischen Anwendung viel mehr als das Gas; es ist aber wenig gebräuchlich. — Ich habe es innerlich gegen brandige Entzündungen, namentlich gegen derglei chen Lungenentzündungen, und eben so bei verschiedenen Formen des Anthrax, besonders auch bei dem Carbunkel an der Zunge der Pferde, mit dem besten Erfolge gegeben. Es scheint unter diesen Umständen eigenthümlich die Blutmischung zu verbessern und ent #9632; giftend auf das Blut zu wirken. Bei Rotz und Wurm und gegen eiternde Lungenknoten bei Pferden habe ich es ziemlich häufig ver­sucht und in einigen Fällen scheinbare Besserung, bei 1 rotzigen und 'i wurmigen Pferden aber auch wirkliche und bleibende Hei­lung hiernach erfolgen sehen; die Besserung des Zustandes zeigte sich immer erst nach 8 Tagen, die Heilung nach 4 Wochen, und während und nach der Kur magerten die Thiere bedeutend ab. — Chariot hat die alkalinischen Chlor-Präparate (Chlornatrou, Chlor­kalk) als das beste Mittel zum Zersetzen, Neutralisiren und Ver­dichten des Gases bei dem Aufblähen der wiederkäuenden Thiere empfohlen; das Chlorwasser dürfte für diesen Zweck ebenfalls zu benutzen sein. *) — Die Gabe ist für Pferde 4 Unzen, später 6 bis
*) Recueil de med. velür. lt;83l. p. Mi. Er gründel seine Ansiclil auf die BeschalTenheil des Gases im Magen der aufgebiiilielen Rinder; denn nach Thenard's Chemie (Tom. IV. p. 541.) besieht dasselbe aus 8 Theilen Schwefehvassersloll, 15 Theilen KohlenwasserstofI und 5 Theilen
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8 Unzen, für Rindvieh eben so; für Schafe, Ziegen und Schweine
2nbsp; bis 4 Unzen, für Hunde 2 Drachmen bis 1 Unze, täglich 2 bis
3nbsp; mal. Nach den ersten Gaben können die folgenden etwas ver-grössert werden. — Aeusserlich habe ich es gegen kalten Brand, Milzbrand, Räude, Flechten, Mauke und andere Geschwüre, welche einen asthenischen Charakter hatten, zwar mit gutem, aber nicht mit besonders ausgezeichnetem Erfolge angewendet; denn die Hei­lung erfolgte überall nicht schneller als bei dem Gebrauche anderer Mittel. Dabei ist wohl zu bemerken: dass das flüssige Chlor durch Licht und Luft sehr leicht zersetzt und in Salzsäure umgewandelt wird; dass auch alle Säuren, Salze und viele Vegetabilien es leicht zersetzen und dass es daher so viel als möglich für sich allein, für kleine Thiere nur mit destillirtem Wasser verdünnt, oder kurz vor der Anwendung mit etwa::; reinem Syrup oder mit Schleim versetzt werden darf. — Wegen dieser leichten Zersetzbarkeit wird das Mittel bei äusserlicher Anwendung gewöhnlich nicht viel an­ders als eine schwache Salzsäure wirken, und es kann deshalb zu dieser Anwendung mehrentheils durch die letztere ersetzt werden. — Als desinflzirendes Mittel ist es zum thierärztlichen Gebrauch zu theuer (sect;. 480.), und weit besser durch eine Auflösung von Chlorkalk zu ersetzen.
C. Chlorichtsaurer Kalk oder Chlorkalk, Calcaiia hypochlo-
rosa s. chlorosa s. chlornfa, Culcaria oxymuriatica} auch: Chlorelttm
Calcariae, Chloris s. Subchlorh ralcicus, Culcaria chlorinica, Chlorum
Calcuriae s. calcureum.
sect;• 452. Der Chlorkalk wirkt zunächst ebenfalls durch seinen Gehalt an Chlor und daher ebenfalls im Wesentlichen wie das Gas; allein zu der Wirkung des letztern tritt noch die des Aetzkalkes, und deshalb ist wenigstens die örtliche Einwirkung an den vom Chlor­kalk betroffenen Stellen mit viel stärkerer Reizung verbunden, als bei dem Cblorgas und bei dem flüssigen Chlor. Ich sähe oft, wenn Pferde den in Latwergen oder in Pillen eingegebenen Chlorkalk nicht verschluckten, sondern durch einige Zeit im Maule behielten, heftige Reizung, Entzündung und selbst Exkoriationen der Maul­schleimhaut, Geschwulst der Zunge und der Lippen, Geifern aus dem Maule und Verhinderung im Fressen, — bei äusserlicher An-
Kulilensüure. Bei chronisciiem Aufblähen ist melir Schwefelwasserslofl' vorhanden. Diese Gase werden allerdings durch das Chlor zersetzt und hierdurch in ein kleineres Volumen gebracht.
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Wendung aber lebhaftere Röthimg, grössere Empfindlichkeit, ver­minderte und weniger stinkende Absonderung an Geschwürflächen, und bei etwas starker Anwendung selbst Entzündung und An-ätzung der gesunden Haut entstehen. Diese reizende örtliche Wir­kung erfolgt aber am Magen und Darmkanal in viel geringerem Grade, und die Thiere ertragen, nach meinen vielfaltig wiederholten Versuchen, den Chlorkalk innerlich in sehr grossen Gaben, ohne unmittelbare üble Folgen hiervon zu erleiden; denn ich gab zum Versuch gesunden Pferden und Kühen das Mittel von 1 Unze bis zu 2 Pfund, Schafen und Ziegen von 1 Drachme bis 1 Unze, und Hunden von | Drachme bis £ Unze, — sowohl in Latwergen und Pillen (zu deren Bereitung auf 1 Unze Chlorkalk 2 Drachmen Al-theewurzelpulver und das nothige Wasser genommen wurde), als auch in wässerigen Auflösungen (zu 1 Unze Kalk 1 Pfund Was­ser) — und bemerkte nach den kleinen Gaben sehr oft kaum eine Spur von Wirkung, nach grossen Gaben aber etwas schnelleren Puls, beschwerlicheres Athmen, vermehrte Wärme im Maule, Thrä-nen der Augen, sehr reichliches Uriniren und zuweilen auch öfte­res und reichliches Misten, wobei aber derKoth fast gar nicht von der normalen Beschaffenheit abweichend zu sein schien; der Urin machte stets einen starken, weissen Bodensatz und verbreitete oft einen eigenthümlichen Geruch, der dem des Chlors ähnlich war, zugleich aber dem der Blausäure sich etwas näherte. — Bei Pfer­den trat die angedeutete geringe Veränderung am Puls und Ath­men nach 20 bis 30 Minuten ein und dauerte durch 2 bis 5 Stun­den; am Koth und Urin zeigte sich die Wirkung über 24 Stunden. Wenn nicht das Maul durch das Eingeben des Mittels auf die oben bemerkte Weise litt, so wurde selbst durch sehr grosse Gaben des Chlorkalkes der Appetit nicht gestört, oft aber der Durst stark erregt. Hunde zeigten (wie so häufig auch nach anderu Mitteln) Erbrechen, aber keine andere Zufälle. Das Blut aeigte nach der Anwendung des Chlorkalkes bei keinem Thiere eir.e sehr bemerk­bare Veränderung; alle magerten aber sehr ab, wenn man ihnen das Mittel durch einige Zeit anhaltend in grossen Quantitäten eingab. —
Eine Auflösung von 2 Drachmen Chlorkalk in 2 Unzen Was­ser bei gesunden Pferden in die Halsvene injicirt, verursacht sogleich eine Vermehrung von 6 bis 10 Pulsen in der Minute und etwas schnelleres und beschwerlicheres Athmen, jedoch nur für die Zeit von 1 bis 2 Stunden; alle übrige Funktionen scheinen ungestört zu bleiben. — Von der Injektion einer unvollständigen und nicht filtrirten Auflösung aus 1 Unze Chlorkalk in 4 Unzen Wasser wurde der Puls sogleich sehr voll, langsam, unregelmässig, das Athmen
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ängstlich, sehr angestrengt, es entstand Schwindel, Niederstürzen, Erweiterung der Pupille, Blässe der Schleimhaut, der Nase und des Manls, und in Zeit von 30 his 50 Minuten der Tod. üei der Sek­tion fand man das Blut auch in den Arterien schwarzroth und ganz flüssig.
In der Eigenschaft, der fauligen Zersetzung entgegen zu wir­ken und den Gestank in Geschwüren u. s. w. zu beseitigen, üher-trifflt der Chlorkalk die übrigen Chlorprilparate und alle andere bis jetzt bekannte Mittel.
sect;. 483.
Der Chlorkalk ist erst in der neuern Zeit als Arzneimittel in Aufnahme gekommen, und die Indikationen zu seiner Anwendung sind daher noch nicht für alle Fülle begründet. Er findet, wie das Chlorwasser, seine Anwendung hauptsächlich bei zu geringer Thä-tigkeit und bei Stockungen in den Lymphgefässen, in den Lymph­drüsen und andern drüsigen Organen, bei Versehleimung, bei Ver­härtungen bei Tuberkeln, bei stinkenden Sekretionen, bei Cachexien; zur chemischen Zersetzung und zur Einsaugung des Gases im Wanste der aufgebläheten Wiederkäuer (nach Chalot), zur Zer­störung contagioser miasmatischer Stoffe, und eben so zur Zerstö­rung des Gestanks von fauligen u. a. Effluvien. Er verdient aber in den meisten Fällen vor den übrigen chlorhaltigen Mitteln den Vorzug, weil er leichter und vielseitiger zu benutzen, auch wirksa­mer und wohlfeiler ist als sie. —
Französische Thierärzte versuchten ihn innerlich zuerst gegen Rotz und Wurm, und zwar angeblich mit gutem Erfolge; ich habe ihn gegen diese Krankheiten ganz mit. demselben Erfolge angewen­det, wie das flüssige Chlor (sect;. 4SI.). — Mandt,*) Ivart, Ger­lach u. a. gaben ihn mit Nutzen gegen den Milzbrand, und Letz­terer namentlich gegen die Blutseucho der Schafe als Heilmittel und als Präservativmittel mit dein besten,Erfolge, selbst da, wo die Anthrax-Dyskrasie in den Heerden in dem Grade bestand, dass bei unschuldigen Ursachen fortwährend fast tägliche Sterbefalle eintraten. Der Chlorkalk hat sich hierbei als das kräftigste Ent­giftungsmittel gezeigt. *') — Bei veralteter, hartnäckiger Druse und bei verjauchenden Lungenknoten war er in vielen Fällen nützlich;
*) Praklische Darstellung dernbsp; wichligslen ansieckenden Epidemien und Epizoolien in ihrer Bedeulnng für die medizinische Polizei. Ber­lin 182G. S. CO-2.
**) Magaz. für Thieiheilk. Bd.nbsp; XI. S. 42ö. Auch bei Anlhrax-Infek-
lionen am Menschen hat sich dernbsp; Chlorkolk und das Chlorwasser sehr niilzlich gezeigt.
Iltrtivi^ Arzneimittellrbre.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 34
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bei dem Aufblühen, besonders wenn dasselbe durch schlechtes, ver­dorbenes Futter entstanden war, leistete er auf der Stelle die besten Dienste. Arensberg gab ihn mit bittern Mitteln gegen das Woll-fressen erwachsener Schafe, nachdem er hiergegen schwefelsaure Salze vergebens gebraucht hatte (Veter. Sanit. Bericht der Königl. Regierung zu Königsberg, 1. Quart. 1S41). — Bei einer Kuh, wel­che von einer Viper in die Zunge gebissen worden und darnach heftige Geschwulst und blaurothe Färbung dieses Organs, grosse Hitze, schnellen Puls, starken Herzschlag, trübe Augen, Geifern aus dem Maule, Killte der Homer und Ohren, und trocknes Flotzmaul zeigte, leistete der Chlorkalk, innerlich und örtlich angewendet, bal­dige Linderung und Heilung (Oesterreioh. Mediz. Jahrbuch, Bd. 23, Stuck 1, S. 11). Bei den Versuchen gegen die Lungenseuche des Rindviehes, bei Faul- und Nervenfieber, und bei stinkender Diar­rhöe nutzte er mehrentheils nichts. — Aeusserlich hat das Mittel gegen Räude und Flechten bei Pferden, Kühen und Hunden, und eben so gegen die stinkenden Geschwüre im iiussern Gehör­gange bei den letztern, — bei dem bösartigen Klauenweh und ge­gen die Mauke der Pferde gute Dienste geleistet; vorzüglich wirk­sam war es bei der sogenannten brandigen oder ausfallenden Mauke. Bei dem Strahlkrebs und Knorpelfisteln bewirkt der Chlor­kalk in kurzer Zeit eine äusserliche Besserung der Geschwüre und schnelle Vernichtung des Gestanks, aber keine gründliche Heilung,
—nbsp; und auf gleiche Weise zeigte sich die Wirksamkeit hei cariösen Geschwüren. In neuerer Zeit hat jedoch Eichbaum den Strahl­krebs von diesem Mittel gründlich heilen sehen (Magaz. für Thier-heilk. 12. S. 272). Gegen Verdunkelung der Hornhaut war das Mittel in einigen Füllen recht wirksam, in andern leistete es nichts.
sect;. 4S4. Man giebt den Chlorkalk innerlich Pferden und Rindvieh von |f bis 2 Unzen, Schafen, Ziegen und Schweinen \ bis \.\ Drachme, Hunden \ Skrupel bis \ Drachme auf einmal und täglich 2 bis 3 mal; die Anwendung kann in Pillen, Latwergen oder Auflösun­gen, und in Verbindung mit bittern und aromatischen Mitteln ge­schehen. Latwergen sollten stets nur in geringer Quantität ange­fertigt und in einem Tage verbraucht werden, weil das Mittel schnell seine Wirksamkeit verliert. Als Bindemittel ist hier Mehl besser als Altheewurzelpulver. Letztores giebt eine bröckliche Masse.
—nbsp; Bei dem Aufblähen giebt man ihn nur in Auflösungen mit kal­tem Wasser, -j Unze Chlorkalk zu 8 Unzen des letztern. Gerlach lässt ihn als Präservativmittel gegen die Blufseuche der Schafe fol-gendermaassen in Auflösung anwenden: des Abends, wenn die Schafe von der Weide in den Stall kommen, wird ihnen etwas
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Viehsalz zum Lecken, aber kein Saufei; gegeben; am andern Mor­gen wird auf 100 bis 125 Schafe 1 Pfind Chlorkalk in so vie Wasser aufgelöst, als die Heerde ungefähr aussäuft. Dabei muss das Wasser fortwährend umgerührt werden. Das erste Mal wol­len die Schafe das Getränk gewöhnlich nicht gern sa'ifen,* aber später thun sie es, und es ist dann auch nicht mehr nöthig, ihnen des Abends vorher noch Salz zu geben. Bei vorhandener Anthrax-Dyskrasie fahre man so S Tage lang fort; bis dahin hat sich die Krankheit gewöhnlich vermindert, und man kann einige Tage aus­setzen, dann aber wieder 2 bis 3 Tage fortfahren u. s. v., bis keine Sterbefälle mehr erfolgen. — Aeusserlich wendet mau ihn in Pulverform, oder mit Wasser zum Brei gemacht, oder am hä'iflg-sten in Auflösungen mit Wasser, die man nach Verschiedenheit der Empfindlichkeit der betreffenden Theile, oder nach Verschieden­heit des Grades der fauligen Zersetzung und des Gestanks mehr oder wer.iger conzentrirt macht; zu einer sehr starken Auflösung nimmt man auf 1 Theil Chlorkalk 10 bis 12 Theile, zu einer schwa­chen Auflösung 30 bis 40 Theile des Wassers. Man benutzt solche Flüssigkeiten zum Waschen und Verbinden der kranken Theile, zu Einspritzungen und zu Fussbädern, täglich 2 bis 4 mal. Zur gründlichen Reinigung der Klauen bei dem bösartigen Klauenweh benutzt man, um die Anwendung des Mittels schnell und leicht bei der ganzen infizirten Heerde zu bewirken, eine Auflösung von 1 bis 2 Pfund Chlorkalk mit 2 Eimern Wasser als Fussbad, und zwar auf die Weise, dass mit der Chlorkalk-Auflösung eine was­serdichte Krippe gegen 4 Zoll tief angefüllt und die letztere vor die Stallthür, durch Horden von beiden Seiten begränzt, so gestellt wird, dass die aus oder in den Stall getriebenen Schafe auf einer Strecke von etwa 8 Fuss lang durch die Flüssigkeit gehen, und ihre Klauen chemisch reinigen müssen. Ist die Zahl der durch­gehenden Schafe sehr gross, so muss die Flüssigkeit von Zeit zu Zeit erneuert werden; eben so, wenn sie schmutzig geworden ist. — Zum Verbinden der Klauengeschwüre nach gründlichem Aus­schneiden der Klauen benutzt man einen Brei, der aus Chlorkalk und destill. oder Regenwasser durch Zusammenreiben in einem Mörser gebildet ist und mit einem Pinsel auf die ganze offene Flä­che gestrichen wird. Dies geschieht täglich wiederholt, bis die Flächen trocken geworden sind. (Siehe: Günther, in d. Zeifschr. iur Thierheilk. u. Viehzucht von Nebel u. Viv, Bd. 1. S. 85. u.f.) Ebenfalls in Breiform soll man ihn nach Eich bäum bei dem so­genannten Strahlkrebs anwenden, nachdem man die überflüssigen Horn- und Weichgebilde, jedoch ohne Blutung zu erregen, mit dem Messer weggenommen hat. Auf den Brei von Chlorkalk legt man
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eine [Schicht von Aetekalk und dann einen Lederschuh auf den ganzen Huf. Bei sehr profuser Jaucheabsonderung verbindet mau den Chlorkalk mit eben so vielEichenriadenpulver, und wendet das Gemenge trocken an, so lauge, bis die Menge der Jauche sich be­deutend vermindert hat, worauf mau zu dein Verbinden mit dem Chlorkalkbrei übergeht. Zuweilen habe ich den Chlorkalk auch in Pulverform, theils für sich allein, theils mit Kohlenpulver, mit Kal-muswnrzelpulver u. dergl. versetzt, bei andern stark jauchenden Geschwüren mit recht gutem Erfolge eingestreuet; man darf jedoch nur kleine Quantitäten von solchen Pulvern zubereiten, weil sie an der Luft in kurzer Zeit unwirksam werden.
Als desinfizirendes Mittel wird der Chlorkalk auf verschiedene Weise benutzt, hauptsächlich aber, indem man entweder zur Rei­nigung der Luft und zum Durchräuchern von infizirten Ställen und Utensilien das Chlorgas auf die eine oder die andere, im sect;. 4.^0. bezeichnete Weise aus ihm entwickelt; — oder indem man die Stall-wände, die Krippen, Raufen u. s. w. mit starken Auflösungen von ihm übertüncht, und die Decken, das Lederzeug, das Putzzeug und andere Gegenstände, welche mit ansteckend kranken Thieren in Be­rührung gekommen sind, mit schwächeren Auflösungen wäscht. Zu dem Uebertünchen des Stalles macht man aus 1 Pfund Chlor­kalk und etwa 12 Pfund (4 Quart) Wasser eine Art Kalkmilch, die man mittelst eines Mauerpinsels oder im Nothfalle mittelst eines an einen Stock befestigten Strohwisches gut aufträgt. Es entwik-kelt, sich dabei sehr viel Chlor, durch welches die Augen und die Brust des Arbeiters für einige Minuten etwas belästiget, vorfiandene Anstecknngsstoffe aber auch ganz sicher zerstört werden, so dass man nach dem völligen Austrocknen des Stalles gesunde Thiere ganz ohne Gefahr wieder in denselben hineinbringen kann. Will man aber recht vorsichtig sein, so kann man Krippen und Raufen nach dem Uebertünchen vorher noch einmal mit heissem Wasser abwaschen und dann den Stall mit Chlorgas durchräucheru (sect;. 4SI). — Zum Reinigen der Decken, des Lederzeuges u. s. w. ist eine Auflösung von 1 Unze Chlorkalk auf 12 bis 20 Unzen Wasser hin­reichend stark. Dabei ist aber zu bemerken: dass gefiirbte Decken und Chabraken mit einer Auflösung von Chlorkalk nicht gewaschen werden dürfen,*) weil sie dadurch ihre Farbe verlieren, und dass alle andere Gegenstände nach dem Waschen in jener Auflösung sogleich in Wasser rein ausgespült werden müssen, um die fres-
*) Dagegen schadet solchen Sachen das Durchräuchern mit Chlor­gas sehr wenig.
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sende Wirkung des Chlorkalkes zu verhüten; mefallische Gegen­stände müssen sogleich ganz trocken aligerieben, und das Leder­zeug, nachdem es halb trocken geworden, mit Fett oder Oel einge-schmiert werden.
Wenn in Ställen der Urin keinen gehörig freien Abfluss hat, und daher beständig ein scharfer ammoniakalischer Geruch besteht, so ist zur Unterdrückung des letztern das Befeuchten des Fussbo-dens und der Abzugrinnen mit einer etwas starken Chlorkalkauf­lösimg das beste Mittel.
D. Chlor-Natrum oder Chlor-Soda, Chlorum Nairl, Cltloru-
return Sodti s. Chloruretum de protoxydo Sodil.
sect;. 486.
Das Chlornatron wirkt örtlich und allgemein fast ganz wie der Chlorkalk, in einer etwas conzentrirten Auflösung aber örtlich stärker reizend als der letztere, so dass nach seiner Anwendung in Wunden und Geschwüren heilige Entzündung und selbst starke Ausschwifzung von plastischer Lymphe erfolgt. Dabei rauss je­doch bemerkt werden, dass das Chlornatron auf verschiedene Weise bereitet wird, und sowohl in flüssiger als auch in fester Gestalt be­steht; dass aber jene stärkere Reizung von dem festen oder kry-stallisirten weniger auffallend wahrzunehmen als von dem flüssi­gen. — Das Chlornatron ist ebenfalls erst seit kurzer Zeit als Heil­mittel benutzt und, besonders von französischen Thierärzten, gegen dieselben Krankheiten empfohlen worden, in denen der Chlorkalk für nützlich gehalten wird; namentlich will man gegen den Rotz und Wurm der Pferde heilsame Wirkungen von ihm gesehen ha­ben. Es leistet jedoch gegen diese und gegen andere kachektisehe Krankheiten nichts mehr als der Chlorkalk und steht dem letztem noch darin nach, dass es viel theurer ist und fast nur allein in flüssiger Form angewendet werden kann. — Auch verlangt das Chlornatron seiner schärfern Wirkung wegen eine grössere Vor­sicht, und darf nur in massigen Gaben, z. B. für Pferde und Rin der von 2 Drachmen allmählig steigend bis zu 1 Unze, für Schafe zu |—1 Drachme, für Hunde von 5 Gran bis 1 Skrupel verordnet werden; auch darf die Anwendung nur täglich 2 mal, nur in 6 bis Sfacher Verdünnung mit Wasser, oder mit Zusatz eines schleimi­gen Mittels geschehen. Zusätze von andern Mitteln erträgt das Chlornatron nicht gut.
Aeusserlich ist dasselbe in flüssiger Form wie der Chlorkalk zu benutzen.
Das Chlornatron ist auch als desinfizirendes Mittel, im Wasser
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aufgelöst zum Auswaschen von Krankenställen u. s. w. benutzt und von Labarraque*) sehr empfohlen worden; allein es hat für diesen Zweck ebenfalls keinen Vorzug vor dem Chlorkalk, sondern steht demselben des höhern Preises wegen sehr nach. — Ueber-haupt dürfte es wohl in der Thierarzneikunde zu entbehren sein.
Das Chlor-Kali {Chlorum Kali) wirkt wie das Chloruatrum, wird aber fast gar nicht als Arzneimittel benutzt. Chariot em­pfahl es vorzugsweise vor den übrigen Chlormitteln gegen Trom­melsucht und Windkolik. Die Gabe ist für Pferde und Rinder 2 Esslöffel voll in einem Quart kalten Wasser.
4. Das Jod oder die Jod ine, Jodum s. Jodiaa;
S. 487. Diese eigenthiimliche Substanz ist erst seit dem Jahre 1813 bekannt und erst seit einigen Jahren als Arzneimittel für die Thiere benutzt, daher auch noch nicht genügend in ihren Wirkungen er­forscht. — Im Allgemeinen zeigen die letztem, in so weit sie den lebenden Thierkörper betreffen, einige Aehnlichkeit mit denen des Chlors, des Quecksilbers und der Kalien, sie sind aber doch in der Hauptsache von ganz eigonthümlicher Art. Pei der äusserlichen Anwendung auf die Haut verursacht das Jod und seine Präparate eine gelbliche Färbung und massig starke Reizung, welche letztere zuweilen bis zur oberüächiithen Entzündung steigt, und mit ver­mehrter Resorption in den unter der Haut liegenden Theilen beglei­tet ist. An allen drüsigen Organen, besonders aber in den Schild­drüsen und am Euter scheint auf eine spezifische Weise selbst die Ernährung (die Vegetation) sehr beschränkt zu werden, denn sie verkleinern sich bei dem fortgesetzten Gebrauche des Jods sehr auf fallend. — Innerlich in einzelnen massigen Gaben angewendet, wirkt, dasselbe zunächst als ein Reiz auf die Schleimhaut der Verdauungs­eingeweide, und vermehrt den Appetit, verursacht aber in solchen Gaben keine bemerkbare allgemeine Zufälle; wird aber die Anwen­dung solcher Gaben durch einige Zeit fortgesetzt, so zeigt sich nach und nach eine immer stärkere Abmagerung im ganzen Kör­per, aber vorherrschend in den vorhin bezeichneten drüsigen Orga­nen. Veränderung an den Blutgefässen, am Athmen und in den Ab- und Aussonderungen bemerkt man dabei nicht; auch am Blute hat man bisher einen Einfluss der Wirkung nicht deutlich nachge­wiesen, obgleich seine Beschaffenheit sich gewiss verändert. — In
*) Labarraque: De l'emploi des clilorures d'oxyde de sodium et de chaux; Paris 1825.— Recueil de ui6dec. v6ler. 1825. S. 255. 1829. S. 190. elc. — Froriep's Notizen, aus dem Gebiete der Natur- und Heilkunde, Bd. M, S. 359.
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etwas grossen Gaben verursacht das Jod übermässige Reizung der VerdauungsschleiniLaut, Störung des Appetites, Erbrechen (bei Thicren die erbrechen können), vermehrte Haruentleerui.gt;g und sehr oft auch Diarrhöe; — von sehr grossen Gaben erfolgt Entzündung und Anätzung des Magens und der Tod in 4 bis 7 Tagen. Letz­terer erfblgt aber nicht jedesmal, sondern manche Thiere erholen sich noch, selbst wenn schon bedenkliche Zufalle eingetreten sind. Orfila (Toxicol., Bd. 1. S. 116.) sähe z. B. einen Hund wieder genesen, der nach dem Eingeben von 1 Dr. und 12 Gr. Jcd be­reits an heftigem Erbrechen und Schluchzen litt. Ich machte dieselbe Beobachtung an einem Hunde nach dem Eingeben von 1J; Drachmen des Jodes. — Von 10—15 Gr. sähe ich bei mehreru Hunden, und von 40—üO Gr. bei Pferden täglich 2 mal und durch 14 Tage gegeben, blos schwachen Durchfall (mit Entleerung von schwarzlich gefärbten Exkrementen), bei den erstem auch massiges Erbrechen und starke Abmagerung erfolgen: aber 2 bis 3 Drach­men in einer Gabe tödteten jeden Hund.
Injektionen in die Drosselvene von 1 Drachme Jod in 2 Unzen schwachem Weingeist gelöst, brachten bei Pferden Taumeln, Betäu­bung, zuweilen selbst Niederstürzen, schnelles, kurzes Athmen, schmerzhaften Husten, schnellen, harten Puls, wilden Blick mit Er­weiterung der Pupille, Auftreibung der Gefässe am Kopfe, erhöhete Temperatur, dann Aengstlichkeit, Mattigkeit hervor. Nach If Stun­den waren diese Zufalle verschwunden; der Appetit wurde sehr gut!—Bei mehrern Versuchen der Art variirten die Zufälle etwas, aber der Husten war bei allen Pferden constant. — Injektionen von 2 Drachmen Jod in 2 Unzen Branntwein gelöst, erzeugten ähn­liche, aber weit stärkere Zufälle, die 4 Tage dauerten. — 1 Drachme Jod in 1 Unze Schwefeläther gelöst und in die Drosselvene injizirt, verursachte sogleich Erstickungszufälle und den Tod. Diese Wir­kung ist jedoch mehr dem Aether als dem Jod zuzuschreiben (Ob­servation von Patu, imJourn. de med. veter. 1835. p. 229.).
Aeusserlich angewendet bewirkt das Jod (eben so die Tinktur und das Jodkali) eine Reizung der Haut, selbst eine geringe Ent­zündung und zuweilen Ausgehen der Haare an der Anwendungs­stelle. Dabei wird die Resorption in und unter der Haut sehr vermehrt.
Bei jeder Art der Anwendung des Jods fand sich stets eine Menge desselben in dem reichlich entleerten Urin.
sect;- 4^8.
Den angedeuteten Wirkungen und den an kranken Thieren ge­machten Beobachtungen zufolge ist das Jod ein sehr kräftiges, die Tbätigkeit der Venen und der Lymphgefässe beförderndes, daher
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die Resorption vermehrendes, die Ernährung beschränkendes Mittel. Als solches ist es in kleinen und massigen Gaben angezeigt: bei krankhafter, übermässiger Ernährung, Vergrösseruug und Verhär­tung drüsiger Organe, besonders aber bei solchen Zuständen der Schilddrüsen (.bei dem ächten Kropf, Slruma), des Euters und der Hoden; eben so bei zu grosser Fettbildung in einzelnen Theilen oder im ganzen Körper und bei den hieraus entstehenden nachtheiligen Folgen, z. B. bei dem chronischen, äusserst hartnäckigen Husten, der die zu gut genährten Stubenhunde zuweilen befällt und in zu grosser Fettigkeit des Herzens begründet ist. Das Mittel hat sich bei diesen Krankheiten, nach den Beobachtungen von Prevost u. A.*); so wie bei meinen Versuchen, sehr wirksam gezeigt. Ich habe es auch in der Luugenseuchekrankheit des Rindviehes und bei Wassersüchten nützlich befunden. Dagegen sähe ich es gegen Rotz und Wurm bei sehr vielen Pferden, obgleich ich es anhaltend und in den einzelnen Fällen auf verschiedene Weise anwendete, ganz ohne günstigen Erfolg. Patu (siebe vorhergehenden sect;.) ver­suchte gegen den Wurm der Pferde Einspritzungen von Jod in die Drosselvcne, jedoch ebenfalls ohne Nutzen, obgleich jedes Pferd IG bis 18 Injektionen in Zeit von 4 Weichen erhielt.
Professor Dick hält das Jod für ein vortreffliches Mittel in den meisten Fällen der Harnruhr und in der Brustwassersucht des Pferdes (The Veterinarian 1844. S. 412.), und ich kann die gute Wirkung bei beiden Krankheitszuständen bestätigen.
Gegenanzeigen gegen den Gebranch des Jods sind: aktive, frisch entstandene Entzündungen, Entzündungsfieber und Orgas­mus des Blutes. Bei schleichenden, chronischen Entzündungen, bei plastischen Ansschwitzungen und Verhärtungen nach Entzündun­gen wird aber das Jod örtlich oft sehr gut ertragen. Dies gilt je­doch nicht von Augenentzündungen, und besonders von der Mond­blindheit, wo mir das Mittel zur Beförderung der Resorption ganz angezeigt zu sein schien, aber fast gar nichts leistete. Ueberhaupt erträgt das Auge nicht gut das Jod, sondern es wird selbst von kleinen Quantitäten immer sehr gereizt (z. B. von 2 Gr. mit-j Unze Fett zur Salbe gemacht). — Bei Gallen, Piephacken, Sehnenklapp, Ueberbeinen, Drüsenverhärtungen und dergl. Zuständen ist dagegen die äusserliche Anwendung oft recht nützlich; aber sie muss durch einige Zeit fortgesetzt geschehen.
sect;. 489.
Das Jod wird innerlich und äusserlich in verschiedenen Prä-
*) Journal pral. de mod, vulcr. 1827. p, vel, 1829. p. 10S. etc.
239.
Recueil de med.
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paraten angewendet. Das reine Jod benutzt man als Medikament für sich allein gewöhnlich nicht, sondern man wendet es in Form der Jod-Tinktur (Tincfura Judi) au. Dieselbe besteht in einer Auflösung von 1 Th. Jod mit lü Th. alkoiiolisirtem Weingeist, so dass 1 Unze der Tinktur 4s Gr. Jod enthalt. Man giebt sie in­nerlich den Pferden und Rindern von 20 bis quot;2110 Tropfen. Schafen (und wahrscheinlich auch den Schweinen) von 5 bis 12 Tropfen, Hunden 2 his lü Tropfen in allmählig steigender Gabe, tiiglich 1 bis 2 mal und verdünnt mit der 12 bis 20facheu Menge Wassers. — Aeusserlich ist die Jod-Tinktur gegen Gelenk- und Sehnengal­len täglich 2 mal eingerieben worden. In einzelnen Füllen führte sie schnell eine bedeutende Verkleinerung dieser Geschwülste her­bei, in andern Fallen leistete sie nichts. Bei grosser Torpidität der Theile liess ich sie mit Terpentinöl in verschiedenem Verhaltniss versetzen.
Das gebräuchlichste Präparat ist das jodwasserstoffsaure
Kali {Kalium iodalum, Kali hijilroindicum), oder Jodkali Ulli (Jo­det um Kalii, s. Jode/um halicum). Es wirkt etwas milder als die Tinktur, löst sich im Wasser und Weingeist auf, und lässt sich auch mit Fett zur Salbe machen. Man giebt es a) innerlich den grossen Hausthieren von i Drachme in steigender Gabe bis zu 'l Drachmen, Schafen von 6 bis 20 Gran, Hunden von J bis 5 Gr., täglich 1 bis 2 mal und in der 20 bis 30 fachen Menge Wassers (wozu nicht gerade destillirtes nöthig ist) aufgelöst. Auch kann man eine schleimige oder eine aromatische Flüssigkeit zur Aufnahme des Jodkalinm benutzen, mit andern Mitteln ist es aber aus che­mischen und therapeutischen Gründen nicht gut zu verbinden. — b) Aeusserlich benutzt man das Jodkalinm entweder in Auflösung von gemeinem Wasser (20 bis 30 Gran auf 1 Unze), oder als Salbe, mit Fett (30 bis 60 Grau mit 1 Unze des letztern) zusam-mengerieben. Das Unguentum Kali hydroioülci der Preuss. Phar-makopöe besteht aus Jodkalium 1 Drachme, kohlensaurer Magnesia (i Gran, die mit einigen Tropfen destillirten Wassers abgerieben und dann mit 1 Unze Sehweinefett zusammengemengt werden. Sehr wirksam ist auch die Jodseife, welche man folgendermaassen be­reitet; Rp. Snpon. dornest. 3 Unzen, Alcohol, vini 18 Unzen, Kali iodat. 1| Unze. Erstere wird mit ITulf'e der Wärme im Alkohol gelöst, und dann das Jodkali hiermit durch Zusammenreibeu ver­einiget. Sie kann bei harten Drüsengeschwülsten, Stollbeulen, Seh-nenklapp, Uebcrbeinen, Piephackcn u. dergl. Zuständen eingerieben werden. Wo noch mehr ein rein entzündlicher Charakter besteht, benutzt mau hesser das Jodkali in Verbindung mit der grauen Mcrkurialsalbe (^—1 Drachme bis 1 Unze), wozu ich oft noch Kali
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earbouleum oder Sapo virid. setze. Alle diese Salben werden noch weit wirksamer, wenn man etwas reines Jod (1 Scrnpel bis ^ Dr. zu 1 Unze) hinzufügt. — Sowohl die Salbe als auch (lie Auflösung des Jodkaliums werden täglich 2 mal angewendet.
Ueber den Gebrauch des Jods ist im Allgemeinen noch zu be­merken: dass dasselbe und seine Präparate ziemlich thenre Arznei­mittel sind; — dass die Anwendung meistens durch einige Wochen fortgesetzt werden muss, ehe der Zweck erreicht wird; — dass man aber bei kleinen Thieron, selbst mit massigen Gaben, nicht zu an­haltend fortfähren darf, sondern nach 3 bis 4tägigem Gebrauch des Mittels wieder einen Tag dasselbe aussetzen muss, um üble Zu­falle zu vermeiden; und — dass man bei äusserlicher Anwendung des Jods die Personen, welche dieselbe bewirken, auf die hierbei entstehende Gelbfärbung der Hände aufmerksam machen und zu deren Verhütung beim Einreiben der Jodsalbe oder der Jodtinktur ein Stück Schweinsblase oder einen alten Handschuh benutzen muss.
Anmerkung. Die englischen Thierärzte, namentlich Mor­ton, empfehlen noch die mit Kupfer und mit Quecksilber bereite­ten Verbindungen des Jods gegen bösartige Druse, Wurm u. dgl. Krankheiten; die Erfahrung hat jedoch über den Werth dieser Mit­tel noch nicht entschieden. Aber von der äusserlicheu Anwendung des Jod-Quecksilbers in Salben (sect;—1 Drachme zu 1 Unze Fett) habe ich bei Gallen, Piephacken und Hasenhacken sehr gute Wir­kung gesehen.
5. Kohle, Carbu; und zwar: Pflanzenkohle oder Holzkohle,
Carbo vegelabilis s. %raquo;laquo;; — und thierische Kohle, Carbo
animulis.
sect;. 490. Die verschiedeneu Arten der Kohle enthalten zum vorherrschen­den Bestandtheile den Kohlenstoff; derselbe ist aber in ihnen nie­mals rein und allein vorhanden, sondern nach Verschiedenheit ih­res Ursprunges, bald -an thierische, bald an vegetabilische oder an mineralische Substanzen gebunden und mit Salzen, Erden und me tallischen Stoffen, auch mit Sauerstofifgas, Wasserstoffgas, Stick­stoffgas und dergleichen verunreiniget. Von diesen fremden Be standtheilen kann zwar die aus vegetabilischen und aus thicrischen Substanzen bereitete Kohle durch Auskochen mit Wasser und dar­auf erfolgendes Ausglühen in einem bedeckten Schmelztiegel be­freiet und zur reinen Kohle {Carbopurus s.praeparafns) gemacht werden; aber dennoch bleibt ein Unterschied zwischen thierischer
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und vegetabilischer Kohle und bei letzterer selbst zwischen der von verschiedenen Gewächsen bereiteten.
Die frisch ausgegliihete vegetabilische, tmd eben so die thie-rische Kohle besitzt unter andern zwei ausgezeichnete Eigenschaf­ten, nämli'jh: 1) das Vermögen, in ihren Poren verschiedene Gas­arten in bedeutender Menge einzusaugen und zu verdichten, und 2) verschiedene in Flüssigkeiten aufgelöste Substanzen, vorzüglich organische färbende, riechende und schmeckende Stoffe aus Flüs­sigkeiten auszuscheiden. — In diesen physikalischen Eigenschaften ist sicher der grösste Theil der Wirksamkeit der Kohle begründet, und auf ihnen beruhet auch hauptsächlich ihre Benutzung zu the­rapeutischen Zwecken. Doch ist es auch nicht zu verkennen, dass die Kohle im lebenden Thierkörper noch auf eine andere noch nicht genügend erklärte Weise wirken müsse, da sie nicht allein an den Stellen der unmittclharen Berührung, z. B. an brandigen Wunden und fauligen Geschwüren, oder im Magen- und Darmkanal, son­dern im ganzen Körper dem fauligen Zersetzungsprozesse entgegen­wirkt, zugleich den Tonus der Gefiisse allmählig vermehrt, die ge­schwächte Verdauung und Assimilation bessert, und krankhafte Absonderungen vermindert und ebenfalls verbessert. Innerlich in zu grossen Gaben angewendet, verursacht jedoch die Kohle fast immer .Störung der Verdauung und mehr weiche, zuweilen selbst flüssige Darmexkremente. Man schreibt dies der fast gänzlichen Unauflüslichkeit und der schweren Verdaulichkeit des Mittels, so wie der mechanischen Reizung der Verdauungseingeweide durch dasselbe zu. Doch habe ich bei meinen Versuchen hieüber niemals eine deutlich erkennbare Reizung, und noch weniger eine Entzün­dung der betroffenen Theile, weder innerlich noch äusserlich, selbst von sehr reichlicher Anwendung des Kohlenpulvers gesehen. — Wie und durch welche Kräfte jene Wirkungen entstehen, namentlich ob einige Bestandtheile des, sonst fast ganz unauflöslichen Kohlenpul­vers in die Säfte übergehe, oder, ob sich nicht vielmehr unter dem Einfluss der Körperwärme und der in den Verdauungseingeweideu vorhandenen Flüssigkeiten Kohlensäure erzeuge? u. dergl. — ist bis jetzt nicht erforscht. — Durch die in der thierischen Kohle aus-ser dem Kohlenstoff noch enthaltene kohlensaure und phosphor-saure Kalkerde und blausaure Salze, wird sicher eine grössere und mehrseitige Wirksamkeit bedingt, als sie die Pflanzenkohle besitzt; und die Beobachtungen der praktischen Aerzte und Thierärzte zei­gen auch, dass die Thierkohle viel mehr den gestörten Bildungs-prozess, namentlich in drüsigen Organen, günstig umstimmt und tiefer eindringt als die Pflanzenkohle,
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sect;• 491. Die Anwendung der Kohle als Medikament hat sich nützlich gezeigt: bei gestörter Verdauung, lympbatiscbeu Cachcxicn, bei sehr stinkender und reichlicher Jaucheabsonderung und bei fauliger Zersetzung der organischen Materie. — Mau benutzt sie sowohl innerlich als äusserlicb. Innerlich habe ich das Kohlenpulvcr hei unregelmässigoin Appetit und bei schlechter Verdauung, bei hefti­gen Durchfallen, wo die Exkremente aasbaft stinkend waren, — hei jauchenden Ltingenknoten, bei veralteter Druse und bei dem Hautwurm der Pferde, bei Scirrhus und Krebs, gegen die Finnen der Schweine, und bei Faulfieber in mehreren Fällen mit Nutzen, — aber ganz vergeblich gegen den Rotz angewendet. Waldin­ger*) hafte früher schon den innerlichen Gebrauch der Kohle bei solchen Pferden, welche dem Anscheine nach gesund'sind, aber öf­ters in der Fresslust wechseln, sehr mager bleiben, einen aufge-sebürzten Bauch haben und nicht gehörig abbaaren, und bei de­nen man nach dem Tode Anschwellungen der Lymphdrüsen im Netz und Gekröse findet, — desgleichen bei erhärteten Drüsen im Kehlgange, und überhaupt in Krankheiten des Lymphsystems als nützlich empfohlen. Derselbe empfahl auch zuerst, bei dem Stren-gel, bei gutartiger und bei verdächtiger Druse, und wo immer an Pferden ein Ausfluss aus der Käse sich zeigt, Kohlenpulver entwe­der durch ein Rohr in die letztere einzublaseu, oder noch besser, von den Pferden selbst einathmen zu lassen; es wird dadurch oft in kurzer Zeit der Ausfluss gebessert und vermindert, und die Zer-theilung der etwa vorhandenen Drüsenanschwellungen sehr beför­dert. Selbst bei dem frisch entstandenen Rotz hat man von der örtlichen Einwirkung des Kohlenpulvers diese günstige Wirkung und Heilung der Geschwüre erfolgen sehen.quot;) — Gegen verjau­chende Lungenknoten und gegen chronische Druse kann ich die heilsame Wirkung bestätigen. Waldinger hält bei letzterer Krank­heit das Einathmen des Kohleupulvers zugleich für ein Prüfuugs-mittel darüber, oh Heilung noch zu erwarten sei oder nicht; denn wenn mit 8 bis 10 Tagen keine auffallend günstige Veränderung erfolgt, oder wenn auch der Ausfluss durch 1 ochr 2 Tage ver­geht, später jedoch wieder erscheint, so schwindet die Hoffnung zur Heilung. Die Erfahrung lehrt aber, dass solche Veränderungen von verschiedenen Umständen abhängig sind, und dass also diese Prüfung unsicher ist.
*) Ueber Nahrungs- und Beilmitlei der Pferde. S. 2no. *quot;) Z. B. Giesker, In Velerinlir - Selskabcls Skriflur, 3 Deei, 209.
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Aensserlich benutzt man das Kohlenpulver als absorbirendes und gelind erregendes Mittel bei allen unreinen, stark jauchenden, stinkenden Wunden und Geschwüren, besonders bei dergleichen Widerristschäden, Satteldrücken, Wurmbeuleu, Krebsgcschwüren,
bei dem kalten Brande 11. s. w.
sect;• 492.
Man giebt innerlicb das Pulver der frisch ausgegliiheteii Kohle für Pferde von i;—1 Unze, für Kindvieh von 1 — 2 Unzen, für Schafe und-Schweine von 1—;i Drachmen, und für Hunde von 10 Gran bis i Drachme, — in Zwischenzeiten von 2 bis 4 Stunden. Die Anwendung geschieht, in Pillen und Latwergen, bei Schafen auch in Lecken und bei Schweinen im Getränk. Nach Umständen setzt man der Kohle noch bittere, aromatische oder adstringirende Mittel, Schwefel, Kochsalz, narkotische und andere Mittel zu.
Um de.i Kohlenstaub einalhmen zu lassen, schüttet man fi bis cS Unzen von frisch geglübeter und fein pulverisirter Kohle in einen nicht zu dichten Futtersack oder sogenannten Fressbeutel, und hängt denselben des Tages 2—3 mal, jedesmal durch -i—1 Stunde lang so an den Kopf des Thieres, dass dieses sich mit der Nase und dem Maule in dem Sacke befindet und in demselben athmen muss. Obgleich das Kohlenpulver schon durch den Luftstrom bei jedem Atheniznge bewegt und der Luft initgetheilt wird, so ist es doch gut, dasselbe von Zeit zu Zeit etwas in dem Beutel aufzu­lockern; wenigstens an jedem Tage einmal muss das Pulver er­neuert werden.
Aensserlich wird das Kohlenpulver entweder für sich allein, oder häufiger in Verbindung mit bittern, aromatischen und zusam­menziehenden Mitteln, mit Kampher, Zinkvitriol und dergl. einge-streuet (siehe z. B. bei Eichenrinde S. 207.). — Wo es weniger auf die Einsaugung der Jauche als auf die Umstimmung der jauchen­den Flüche ankommt, kann man auch recht zweckmässig das Koh-lenpulver mit 6 bis 8 Theilen Fett oder Honig zur Salbe machen, und nothigenfalls die Wirksamkeit derselben durch Zusatz von Ter­pentinöl, Kampber, Myrrhe n. dergl. reizende Mittel verstärken.
Alles hier über die Anwendung Gesagte gilt ziemlich gleich-massig von der thierischen wie von der vegetabilischen Kohle; die letztere verdient jetloch, ihrer grössern Leichtigkeit wegen, bei der Benutzung zum Einathmen des Kohlenstaubes den Vorzug, woge­gen zum innerlichen Gebranch bei Drüsenleidcn ,u. s. w. dieTbier-kohle als wirksamer betrachtet werden muss.
Anmerkung J. Die Schwammkohle oder der gebrannte Schwamm (Carbo Spongiae s. Spougia usta) unterscheidet sich von den übrigen Kohlenarten sehr wesentlich dadurch, dass sie
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aussei audem Bestandtheilen noch Jod in verschiedenen Verbin­dungen enthält, und durch dasselbe auch ähnlich aber milder wirkt als das Jod selbst. Sie wurde ehemals gegen krankhafte Vergrös-serung der Schilddrüsen (gegen sogenannten wahren Kropf) ange­wendet, ist aber seit der Entdeckung des Jod fast ganz aus dem Gebrauch gekommen.
Anmerkung 2. Mineralische Kohle (Carho mineralis), zu welcher vorzüglich der Graphit oder das Reissblei (Graphi­tes) gehört, ist als Heilmittel für Thiere nicht gebräuchlich, und in ihren Wirkungen auf dieselben auch nicht bekannt. Dieselbe scheint jedoch der Wirkung der Kohle überhaupt ähnlich zu sein. Man hat den fein gepulverten Graphit (1 Theil) mit Fett (4 Theile) zur Salbe gegen veraltete Mauke empfohlen.
Neunte Klasse. Säuren, saure .M i t l e 1.
( Medicamenfa aeida.) Begriff, Wirkung und Anwendung dieser Mittel im Allgemeinen.
sect;. 493.
Als Säuren bezeichnete man sonst diejenigen Substanzen, welche sauer schmecken, blaue Pflanzensäfle roth färben, mit Alkalien und Metalloxyden Salze bilden, und zum Hauptbestandtheil den Sauer­stoff enthalten. Die neuere Chemie hat jedoch den Begriff von Säure viel weiter ausgedehnt, indem sie die Verbindungen einer sogenannten säurefähigen Grundlage (z.B. des Kohlenstoffes, des Stickstoffes, des Wasserstoffes, des Schwefels u.s. w) mit einem elektro-negativen Stoffe (z. B. mit Sauerstoff, mit Chlor, Jod) als Säuren betrachtet und daher ausser den Sausrstoffsäuren (wie es z. B. die Schwefelsäure, Salpetersäure, Kohlensäure, Essig­säure ist) auch Wasserstoffsäuren, d. h. solche annimmt, in denen der Wasserstoff durch Chlor, Jod u. dergl. und mehrentheils unter Zersetzung von vorhandenem Wasser gesäuert wird, wie es in der Salzsäure, Jodwasserstoffsäure, Hydrothionsäure, Blausäure u. a der Fall ist.
Die chemische Zusammensetzung der Säuren zeigt sich aber nicht allein in der Art ihrer Bestandtheile, sondern auch in dem
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Mengeverhältniss derselben verschieden; denn 1) besifzen manche Säuren (z. B. Schwefelsäure, Salpetersäure, Salzsäure) nur eine ein­fache, — andere aher (z. B. Essigsäure, Weinsteinsäure) eine mehrfache säurefähige Grundlage, und 2) nehmen auch die Grund­lagen von dem Sauerstoff, von dem Chlor u. s. w. unter verschie­denen Verhältnissen ein verschiedenes Quantum auf, so dass oft mit einer und derselben Grundlage mehrerlei Säuren von verschie­dener Vollkommenheit gebildet werden, z. B. mit dem Schwefel die Schwefelsäure, schweflige Säure, Unterschwefelsäure und unter-schweflige Säure.
Ausserdem .vird noch eine, zwar nicht wesentliche, aher für die Wirksamkeit wichtige Verschiedenheit der Säuren durch ihren Gehalt an Wasser bedingt, da sie bald von dieser Flüssigkeit nur sehr wenig oder gar nichts enthalten und somit im conzentrir-ten Zustande bestehen, bald wieder durch sie in mannigfachen Verhältnissen verdünnt sein können.
sect;. 494.
Die Säuren werden theils aus den, ihnen zum Grunde liegen­den Elementarbestandtheilen künstlich zusammengesetzt, mehren-theils kommen sie aber fertig gebildet (aber fast immer an verschie­dene andere Substanzen gebunden) in den drei Reichen der Natur vor. In letzterer Hinsicht werden sie im gewöhnlichen Sprachge­brauche nach ihrem häufigsten Vorkommen a) als thierische Säuren (Aeida animalla), — b) als vegetabilische oder Pflan­zensäuren (Acida vegetabilia), — und c) als Mineralsäuren (AciJa minerulia) bezeichnet. Zu den beiden ersteren gehören fast alle Säuren mit mehrfacher, zu den Mineralsäuren aber diejenigen mit einfacher Grundlage. Es ist jedoch zu bemerken, dass diese Unterscheidung nicht durchaus fest begründet ist, da einige Säu­ren, z. B. die Phosphorsäure und die Kohlensäure, in 2 Naturrei­chen fast in gleicher Häufigkeit gefunden werden.
sect;. 495.
Von der grossen Anzahl der jetzt bekannten Säuren sind nur wenige als Arzneimittel für Thiere gebräuchlich, und zwar von -den Mineralsäuren die Schwefelsäure, die Salpetersäure und die Salzsäure, — und von den vegetabilischen die Essigsäure (als Es­sig und Holzessig). — Thierische Säuren werden (mit Ausnahme der bereits bei den narkotischen Mitteln betrachteten und nicht hier­her gehörenden Blausäure) gar nicht benutzt. .
sect;. 496.
Die genannten Säuren zeigen in ihrer Wirkung auf den Thierkörper zum Theil grosse Aehnlichkeit unter einander; im Ein­zelnen betrachtet weichen sie aber nach den angedeuteten Verschie-
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deuheiteo ihrer Elementarbestandtheile, und nach dem Grade der Couzentration bedeutend von einander ab, und es ist deshalb nü-thig, bei einer allgemeinen Darstellung ihrer Wirkungen, wenigstens den gebräuchlichen Unterschied zwischen Mincralsäuren und vege­tabilischen Säuren (oder vielmehr zwischen Säuren mit einfacher und mit mehrfacher Grundlage), und die Conzentration zu berück­sichtigen.
A. Die Mineralsäuren (mit Ausnahme der Kohlensäure).
1)nbsp; Im conzentrirten Zustande wirken sie zerstörend und ätzend auf alle Theile des Thicrkörpers, so dass dieselben an den unmit­telbar betroffenen Stellen in einen schwärzlichen, sehr festsitzenden Schorf umgewandelt werden. — Diese Wirkung ist mit vielem Schmerz, mit Entzündung, mit starker Zusammenschrumpfung und mit Verdichtung der Weichgebilde im Umfange der berührten Theile und unter denselben verbunden; — bei innerlicher Anwen­dung der Säuren endet sie sehr oft mit dem Tode, welcher bald nach 30 bis 60 Minuten, bald erst nach eben so viel Stunden er­folgt, je nachdem die in den Eingeweiden verursachten Störungen mehr oder minder gross sind. Bei der Sektion findet man schwarze, gelbe oder weisse Flecken im Maule, Schlünde, im Magen u. s. w., auch Anfressung und selbst Durchfressung des Schlundes und des Magens, schwarze Färbung und zähe Consistenz des Blutes, und die Empfindlichkeit für den Galvanismus ist ganz vernichtet.
In die Blutadern injicirt verursachen die conzentrirten Mine­ralsäuren augenblicklich schwarze Färbung, feste Gerinnung und Unbeweglichkeit des Blutes, zunächst in dem betreffenden Blutge-IViss, oft aber auch bis zum Herzen, worauf der Tod schnell erfolgt, in den meisten Fällen ehe noch Entzündung sich bilden kann.
Die nach äusserlicher Anwendung dieser Säuren entstandene Entzündung geht langsamer als nach andern Ursachen in Eiterung über, und der Eiter selbst ist dünn, oft mehr jauchig, und die nach­folgende Granulation gewöhnlich etwas trag.
sect;• 497.
2)nbsp; nbsp;Im gehörig verdünnten Zustande und in massig starker Gabe innerlich angewendet wirken die Mineralsäuren zuerst wirk­lich kühlend, so dass eine Verminderung der Temperatur an der ausgeathmeten Luft und an der Haut (zuweilen bis um 3 Grad R.) zu bemerken ist; gleichzeitig mindern sie den Durst (besonders den krankhaften bei bestehenden Fiebern), erregen eine vermehrte Ab­sonderung von Schleim und Serum im Maule, im Schlünde, im Magen- und Darmkanal, und befördern somit das längere Feucht­bleiben dieser Organe; dabei verursachen sie aber auch eine stär­kere Zusammenziehung und grössere Spannung der Fasern in den
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unmittelbar berührten Theilen, daher vermehrte #9632;wuriafönnige Be­wegung im Darmkanal und etwas lebhaftere Verdauung; aber der Puls wird kleiner, härter und etwas langsamer, der Herzschlag we­niger stark fühlbar; das aus der Ader gelassene Blut erscheint etwas dunkler, *) mehr gerinnbar und etwas weniger warm, die Schleimhaut in der Nase und im Maule bliisser, die Ausdünstung der Haut (und anscheinend auch die der Lunge) vermindert, aber die Urinsekretion zuweilen für eine kurze Zeit vermehrt. — Im Urin finden sich nicht selten deutliche Spuren von den eingegebe­nen Säuren, theils frei, theils an Basen gebunden als Salze. — Nachdem die bezeichneten Erscheinungen durch einige Zeit, bald mehr bald weniger deutlich bemerkbar, gedauert haben, wird der Puls wieder voll, die Temperatur erhöhet, und die Röthung der Schleimhaut wieder lebhaft, ja zuweilen noch dunkler als im nor­malen Zustande.
Werden die verdünnten Miacralsäuren anhaltend durch längere Zeit eingegeben, so wird auch die arterielle Thätigkeit immer mehr vermindert; die Arterien erscheinen anhaltend zusammengezogen und klein, die Temperatur wechselnd, die Färbung der Schleimhaut blass, der Appetit und die Verdauung unregelmässig und ge­schwächt, und das Blut wird immer dunkler; es entsteht allgemeine Schwäche, bedeutende Abmagerung, schlechte Mischung der Säfte mit vorwaltender Säure im Chylus, im Magensaft und im Urin, bei Milchkühen auch in der Milch. Zidetzt entsteht nicht selten ein heftiger Durchfall und der Tod erfolgt durch Entkräftung. — Bei der Sektion findet man die Muskeln und das Herz sehr blass, den Magen- und Darmkanal sehr zusammengezogen, die Häute dieser Organe verdickt, das Blut in geringer Menge vorhanden, schwarz, und von dickflüssiger Consistenz, die Reizbarkeit ganz erloschen.
Uebermässig grosse Gaben der verdünnten Mineralsäuren ver­ursachen Störung des Appetites und der Verdauung, oft Durchfall, Schmerz und Krampf in den Verdauungseingeweiden, Kolik, zu­weilen auch Entzündung derselben, Störung der Respiration, und zuweilen den Tod.
Nach Einspritzungen massiger Gaben von verdünnten Mineral-
*) Die von Scliritlslellern häufig ausgesprochene Behauptung: „dass die Säuren das Blut heller rülhen,quot; — habe ich bei sehr zahlreichen #9632;Versuchen nur allein von der Salpetersäure und von der Blausäure be­stätiget gesehen, besonders wenn ich dieselbe als Gas einathmen liess; alle übrige Säuren machen'das Blut bei jeder Art der Anwendung dunk­ler, was auch geschiehet, wenn man dasselbe ausserhalb des Thierkor-pers mit Säuren in irgend einem Verhällniss zusammen bringt. II e rt \vi g Arziu-iioUtcllehrc.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;35
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säuren in die Blutadern, entsteht kleiner, harter, zuweilen auch etwas langsamerer Puls, und etwas schnelleres Athracn, matter, aber ängstlicher Blick, Mattigkeit, Unruhe, Trippeln mit den Fiis-sen, Umsehen nach dem Leibe, blasse Färbung der Schleimhaut, Zittern, Verminderung der Wärme. Nach 15 bis 20 Minuten wird das Athemholen tiefer und langsamer, die Schleimhaut dunkler ge-rüthet und die Wärme wieder zum normalen Grade erhöhet.
Alle diese Wirkungen bestehen bei den verschiedenen Haus-thieren ziemlich gleichartig, dem Grade nach aber bei den Pferden am heftigsten, und es scheint, dass die Verdauungseingeweide die­ser Thiere besonders für grosse Gaben der Säuren sehr empfind­lich seien.
Aeusserlich angewendet wirken die verdünnten Mineralsäuren fast rein örtlich, kühlend, zusammenziehend, das Zellgewebe ver­dichtend, die Gcfiisse verengend, daher und zum Theil auch durch Gerinnung des Blutes blutstillend, die Absonderungen vermindernd und die Resorption befördernd.
sect;. 498.
B. Die vegetabilischen Säuren im conzenl rhlen Zustande be­wirken keine schnelle und liefe Zerstörung, sondern blos eine Zu-sammensehrumpfung und Reizung der betroffenen Weicbgebilde, so class nur zuweilen eine oberflächliche Entzündung und darauf folgende Abschilferung der Oberhaut oder des Epitheliums ent­steht. Bei Einspritzungen in die Venen wirken sie in diesem Zu­stande auf das Blut fast ganz so wie die conzentirten Mineralsäuren.
Im verdünnten Zustande innerlieh eingegeben, wirken sie pri­mär noch mehr als die letztern kühlend und den Durst mindernd, wobei der Puls weicher, schwächer und kleiner, das Athmen lang­samer, die Schleimhaut mehr blass wird. Diese Erscheinungen sind von kleinen Gaben nur im geringen Grade wahrnehmbar, von ganz kurzer Dauer, und ohne weitere Folgen; von grossen Gaben be­merkt man aber, dass nach einiger Zeit das Athmen etwas schnel­ler und angestrengter, die ausgeathmete Luft und die Haut etwas wärmer wird, so dass zuweilen selbst Schweiss eintritt; oft folgt auch vermehrtes Uriniren. — Das Blut wird verhältirssmässig noch dunkler, aber viel weniger consistent als von den Mineralsäuren. In den abgesonderten Säften, und namentlich im Urin, finden sich nur selten deutlieh erkennbare Spuren von den angewendeten ve­getabilischen Säuren, dagegen aber ein grösserer Rcichthum an Kohlensäure. Das Letztere giebt einen ziemlich sichern Beweis, dass sie dem Verdauungs^ und Assimilationsprozesse unterworfen sind, und hierbei umgewandelt werden.
Uebermässig grosse Gaben wirken auf die Verdauungswerk-
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zeuge fast ganz so uachtheilig, wie zu grosse Gaben der Mineral-siiuren, und eben so sind die Wirkungen bei zu lange fortgesetz tem Gebrauche denen der letztem sehr ähnlich, aber mit weit schnellerem Eintreten und Ueberhandnebmen der allgemeinen Schwäche und der schlechten Mischung der Säfte verbunden.
Aeus'.serlieh, und Überhaupt örtlich wirken die vegetabilischen Säuren mehr kühlend, aber weniger zusammenziehend und weni­ger die betreffenden Tbeile verdichtend als die mineralischen; sie regen daher weniger auf, schwächen aber die Irritabilität mehr, als die letzteren es tbun.
g. 499.
Der generelle Unterschied zwischen den Wirkungen der Pflan­zen- und Mineralsäuren besteht, den angegebenen Erscheinungen zufolge, hauptsächlich darin: dass die erstem milder und örtlich weniger eii greifend sind;—dass sie die Contraktion und die Span­nung der Weichgebilde an der Berührungsstelle nur wenig, durch allgemeine Wirkung aber fast gar nicht vermehren (was aber die Mineralsäuren bei massigem Gebrauche tbun), sondern im Gegen-theil den Tonus und die Irritabilität der Muskeln und Gefässe sehr vermindern, und somit wirklich schwächend wirken; — dass sie verdauet und assimilirt werden, aber die Mineralsäuren (mit Aus­nahme der Salpetersäure) nicht; — dass sie das Blut mehr als die letzteren es thun, carbonisiren aber weniger verdichten, — und dass sie durch alle diese Einwirkungen beim anhaltenden Gebrauche die Entmischung der Säfte schneller herbeiführen, als es die Mine­ralsäuren thun.
sect;. 500.
Die örtlichen Wirkungen der Säuren im lebenden Thierkör-per sind mit denen, die sie ausserhalb desselhen oder auch an tod-ten organischen Substanzen erzeugen, sehr übereinstimmend und daher in den primären Erscheinungen (z. B. Aetzung, Zerstörung, Zusammenschrumpfung der festen, Gerinnung der flüssigen Tbeile) grüsstentheils als rein chemische Wirkungen zu betrachten. In den hierauf entstehenden Reaktionen und in den seeundären Erschei­nungen ist jedoch die Wirkung zum grossen Tbeil von der Lebens­kraft selbst abhängig (dynamisch), obgleich auch hier, namentlich bei übermässigen Gaben und bei lange fortgesetztem Gebrauch ein­zelne Erscheinungen (z. B. die schnell entstehende dunklere Fär­bung und leichtere Gerinnbarkeit des Blutes, di(j saure Beschaffen­heit des Chylus, des Urins U. s. w.) auf einen unveränderten Ue bergang der Säuren (wenigstens der mineralischen) in die Säfte und auf ihre chemische Mitwirkung daselbst deuten. Als die Haupt­ursache der letztern pflegt man Gewöhnlich den Sauerstoff zu be-
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trachten, indem man glaubt, dass die Säuren denselben an das Blut abgeben, und hierdurch das letztere gleichsam höher oxydiren. Auf diese Theorie gestützt, hat man sogar die Wirkungen der Säuren mit denen des Sauerstoffes für gleichartig gehalten, jedoch mit Un­recht; denn der letztere decarbouisirt und röthet das Blut, beschleu­nigt die Cirkulation, vermehrt die Wärme, erhübet die Reizbarkeit im ganzen Organismus, vorzüglich aber in der Lunge, in den Ar­terien und in den Muskeln, und wirkt somit als ein wahres Reiz­mittel; die Säuren aber erzeugen im Wesentlichen fast ganz ent­gegengesetzte Wirkungen, da sie (wie sect;. 49ü. bis sect;. 498. angege­ben) hauptsächlich das Blut dunkler machen, seine Expansion und Cirkulation mindern (die letztere sogar hemmen küuuen) und eben so die Reizbarkeit der Gefässc und die Wärme des Körpers ver­mindern.— Dabei sind sie jedoch keinesweges absolut schwächende und reizmindernde Mitfei; denn man sieht 1) bei kranken Menschen von dem Genuss säuerlicher Getränke fast immer sogleich ein Ge­fühl von Erquickung entstehen, welches man bei kranken Thiereu in ähnlicher Art, aber (als eine subjective Empfindung) nicht so deutlich wahrnehmen kann; — 2) wirken sie bei asthenischen Krank heiten dem Zersetzungsprozess entgegen, und 3) folgt an gesunden und kranken Thiereu bei massigen Gaben auf die zuerst entstan­dene Verminderung der arteriellen Tbätigkeii eine Erhöhung der­selben, und eine vermehrte Tbätigkeit der Respirationsorgane und der Haut (g. 41)7. u. 498.) und auch der Nieren. Diese und die übrigen Erscheinungen, welche bei den vegetabilischen Säuren mehr als bei den mineralischen hervortreten, lassen sich ziemlich befrie­digend daraus erklären: a) dass jene Säuren sämmtlich viel mehr Kohlenstoff enthalten, als die letzteren, und selbst mehr als die Koh­lensäure; b) dass sie in das Blut übergehen, sich mit dem Crnor desselben verbinden und dabei durch Aufnahme von Sauerstoff und Abgabe von Wasserstoff in Kohlensäure umgewandelt werden, und —#9632; c) dass der Organismus sich bestrebt, das Uebermaass der letz­teren wieder zu entfernen, daher die Tbätigkeit der hierzu dienen­den Aussonderungsorgane, vorzüglich der Lungen und der Nieren vermehrt, und die Exkretionen so geändert werden, dass sie reicher an Kohlensäure werden.
sect;. 501. In ihren Wirkungen zeigen die Säuren einige Aehnlichkeit mit denen der adstringirendeu Mittel, der Kälte und der Neutralsalze. Den ersteren scheinen sie in der zusammenziehenden und fuulniss-widrigen Wirkung verwandt zu sein; allein sie unterscheiden sich von einander darin, dass die adstringirenden Mittel hauptsächlich und zuerst die Contraktilität und den Tonus der organischen Ge-
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hilde vermehren, die letztem verdichten, erst durch deu Verdauuugs-prozess und verändert in die Säfte übergehen, deren Mischung ver­bessern und das Blut heller rüthen (sect;. 225—227.); dass dagegen die Säuren vorherrschend auf das Blut wirken, dessen Gerinnung befördern, dabei kühlen, und bei längerer Anwendung zuletzt all­gemeine Schwäche und Verderbuiss der Säfte verursachen. — Die Kälte wirkt nur von aussen her durch Entziehung der Körperwärme kühlend, zusammenziehend, die Tbätigkeii der Arterien beschrän­kend, zeigt aber wenig oder gar keinen Einfluss auf die Mischung des Blutes, während die Säuren diese Wirkungen von innen her, durch vermehrte Gerinnbarkeit und durch Verminderung der Ex­pansion des Blutes erzeugen. — Die Neutralsalze sind nur in der kühlenden Wirkung, die einige von ihnen besitzen, deu Säureu'ähn­lich, aber wieder darin von diesen abweichend, dass sie das Blui beller rüthen, dasselbe nicht verdicken, sondern dünnflüssiger ma­chen, überhaupt die Plastizität der Säfte mindern, und dass ihre Wirkung vorherrschend auf die Arterien, bei den Säuren aber mehr auf die Venen gerichtet ist.
sect;. 502.
Die Anwendung der Säuren muss sich nach der, durch ihre Art und Conzentration oder Stärke bedingten Verschiedenheit der Wirkungen richten, und es lassen sich daher nur in Beziehung auf diese generelle Unterschiede allgemeine Indikationen angeben.
A. Die Mineralsäuren, und zwar;
1)nbsp; im conzentrirten Zustande können nur äusserlich zur Erre­gung einer heftigen Entzündung und Ausschwilzung, oder zur Zerstörung von Krankheitsgiften in Wunden und Geschwüren, und eben so zur Zerstörung krankhafter, wuchernder, sehr lockerer Ge­bilde, z. B. der zu üppigen Granulation in Geschwüren, der Poly­pen, Warzen, der Balggeschwülste, Stollbeulen und dergl. angewen­det werden; sie wirken hier, besonders bei den Pseudoorganisatio-nen, nicht allein durch unmittelbare Zerstörung nützlich, sondern auch durch eine eigenthümliche Umstimraung der Bildungsthätig-keit in diesen Erzeugnissen, indem sie dieselbe allmählig so sehr vermindern oder selbst vernichten, dass das abnorme Gebilde zu­sammenschrumpft, abstirbt, und sich von der umgebenden gesun­den Masse leicht trennen lässt. Bei blosser üppiger Granulation verdienen jedoch die trockenen Aetzmittel den Vorzug vor den Säu­ren, weil letztere nicht gut zu handhaben sindquot;, und weil sie sich leicht über die Gränze der Anwendung verbreifen. — Vegetabilische Säuren im conzentrirten Zustande werden als Heilmittel nicht benutzt.
2)nbsp; Für die verdünnten Mineralsäuren kann man als allgemeine Anzeige zur innerlichen Anwendung betrachten: jeden putrideu
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oder solchen Krankheitszustaud, der mit vermehrter
Expansion des Blutes, mit Neigung zur Verflüssigung, mit Entmischung und fauliger Zersetzung der organi­schen Materie, mit übermässigen (profusen) Ab- und Aussonderungen, und gleichzeitig mit Atonic und Er­schlaffung der festen Theile verbunden ist. Sie sind un­ter solchen Umständen hei asthcnischen Fiebern (besonders in Faul-und Nervenfieberu), hei Orgasmus des Blutes, bei Anthrax, bei ve­nösen und passiven Congestioncn, bei Bliitfllissen, und bei Dyskra-sien und Cachexieu nürziieh, — und zwar um so mehr, je mehr diese Krankheitszustände in der Säftemasse begründet sind.
Aeusserlich können sie bei ähnlichen krankhaften Verhältnissen, so wie hei heftigen Quetschungen, Zerrungen, Blutungen, Extra-vasaten, astheniseben Entzündungen und dergl, mit Nutzen ange­wendet werden.
B. Die vegetabilischen Säuren sind im Allgemeinen bei den­jenigen Krankheiten angezeigt, wo zwar ebenfalls die Expansion des Blutes, zugleich aber die Thätigkeit der Arterien vermehrt, der Puls voll und häufig, die Venen aufgetrieben, der Durst und die Hitze gross, die äusscre Haut und die Sehleimhaut im Maule trok-ken, überhaupt die Absonderungen vermindert, das Blut dickflüssig, zähe, aber keine schon weit gediehene Entmischungen der Säfte zu­gegen sind.
Sie dienen daher bei und nach Eutzüudungsfieberu, bei aku­ten Exanfhemen, bei Faul- und Nervenfiebern mit entzünciliehcin, oder erethischem Charakter, bei Anthraxkrankheiten mit demselben Charakter, bei aktiven Congestionen, namentlich wenn dieselben zu dem Gehirn oder Rückenmark erfolgen, daher auch hei dem Koller mit Raserei, und bei narkotischen Vergiftungen und dergl. Aeus­serlich sind sie theils bei denselben Krankheiten, vorzüglich aber bei Ausdehnung, Quetschung, Reizung und Entzündung, wenn Ueberfiillung der Blutgefässe, Ergiessung und Stockung zugegen sind, nützliche Heilmittel.
sect;. 503.
Die Krankheitszustände, bei denen die Anwendung der Säuren schädlich ist, sind noch nicht völlig genügend ermittelt; indessen lehrt doch die Erfahrung, dass diese Mittel bei sehr geschwächter Verdauung, bei grosser Empfindlichkeit und Reizbarkeit der Ver­dauungseingeweide, bei Verhärtungen innerer Organe, besonders in der Bauchhöhle, bei sehr hohen Graden synochöser Entzündungs-krankheiten, besonders der Respirationsorgane und zur Zeit der Crisis, — eben so bei chronischen, mit Husten verbundenen Krank­heiten der Respiratiousorgane, mehr schaden als nützen.
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sect;. 504.
Die Art der Anwendung der Säuren ist verschieden. J) Bei den conzentrirten Miaeralsäureu geschieht sie am hesten durch Auf­streichen mit einem Pinsel (am hesten von Asbest), oder mit einem Holzstäbeben, weil man so die Griisse der Stelle, welche berührt werden soll, und die Menge der Säure, welche zu dem oberfläch­lichen oder tiefen Einwirken nüthig ist, noch am sichersten abmes­sen kann. Doch muss man stets darauf sehen, dass die angewen­dete Säure sich nicht auf gesunde Theile verbreite. Das Aufstrei­chen darf deshalb nur in einer dünnen Schicht geschehen, so dass sich nirgends Tropfen bilden; ausserdem schützt man die umlie­genden Theile durch Bestreichen mit Fett oder mit Wachssalhe und lässt die Thiere festhalten, bis die Säure eingetrocknet ist.
2) Die verdünnten Säuren können innerlich in flüssiger Form (als Einguss oder im Getränkquot;) und in Latwergen, äusserlich eben­falls in flüssiger Form (als Klystir, als Einspritzung, als Wasch­mittel) oder als Zusatz zu Breiumschlägen, oder auch in Gas-oder Dampfgestalt angewendet werden. — Die Verdünnung muss im­mer in dem Grade geschehen, dass die Flüssigkeit angenehm sauer schmeckt und keine zu starke Zusammenschrumpfung der Haut er­zeugt. Mau benutzt sie entweder für sich allein, oder nach Bedürf-niss der Umstände mit schleimigen, bittern, aromatischen, adstrin-glrendeu und Spirituosen Mitteln in Verbindung, und zuweilen setzt man ihnen seihst metallische Stoffe zu (z. B. bei der eisenhaltigen Salzsäure); mit den letztern muss man aber sehr vorsichtig sein und ihre chemischen Eigenthümlichkeiten kennen. Reine Kalien und Erden, Schwefelkalien, kohlensaure Salze und Blausäure soll man aus Gründen der Chemie nicht mit Säuren verbinden, wenn nicht etwa ein besonderer Zweck dadurch erreicht werden soll.
Zum äusserlichen Gehrauch benutzt mau die verdünnten Säu­ren entweder für sich allein, oder mit aromatischen Infusionen, mit adstringirenden Dekokfen, mit Weingeist, mit Kochsalz, Salmiak und dergl. Mitteln versetzt.
1. Schwefelsäure, Vitriolöl, Acidum sulphuricum s. Oleum
vitrioli.
%. 505. Sie ist eine innige Verbindung des Schwefels mit dem Sauer­stoff und wird auf verschiedene Weise gewonnen.
*) Nur weniglaquo; Thiero saufen etwas stark gesäuertes Gelrank von selbst, und es ist daher in der Hegel nolhig, ihnen die besliinmle Menge Siiure einzuscliiillen.
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Die rohe Schwefelsäure (Arid, sulphuric, cradam) enthält oft fremdartige Bcstandtheile und ist von ungleicher Stärke, weshalb zum medizinischen Gebrauch die destillirte oder gereinigte Schwefelsäure (Acid, sulphuric, destillatum s. recli/icalum) vorzüg­licher ist. Letztere enthält 81 pr. C. wasserfreie Säure.
Im conzentrirten Zustande wirkt diese Säure, wie es von den Mineralsäuren im Allgemeinen angegeben (sect;. 496.), die thierischen Gebilde ätzend, zerstörend, wobei dieselben zuerst gelb, dann roth, braun, und zuletzt schwarz gefärbt werden, je mehr sie aber mit Wasser verdünnt ist, um desto mehr vermindert sich auch ihre ätzende Kraft, und bei lOOfitltiger Verdünnung verschwindet die­selbe gänzlich. In diesem verdünnten Zustande entwickelt sie die allgemeinen Wirkungen der Mineralsäuren (sect;. 407.) am reinsten, und auf alle Theile am gleich massigste!], und wird auch von den. Verdauungseingeweiden ziemlich gut ertragen: sie wirkt mehr zu­sammenziehend und anhaltender als die Salzsäure und als die Sal­petersäure, besitzt aber nicht die erregende Wirkung der erstem auf das Nervensystem und die der letztem auf die Blut- undLymph-gefasse.
sect;. 506.
Für die Anwendung der Schwefelsäure gelten die im sect;. 502. sub 1 und 2. für die Mineralsäuren im Allgemeinen angedeuteten Indikationen.
Die conzentrirte Säure hat man bei bösartigen, fressenden, mit sehr üppiger Granulation versehenen oder einen AnsteckuugsstofT erzeugenden Geschwüren, z. B. bei dem spanischen Klauenweh der Schafe, bei dc-m Strahlkrebs der Pferde (wo ich selbst ihre gute Wirkung erfahren habe), auch bei Feigwarzen, Warzen und Poly­pen augewendet. Die Anwendung hierbei geschieht entweder auf die im sect;. 504 bezeichnete Weise ein- oder mehrmal, in Zwischen­zeiten von 12 Stunden bis zu 3 Tagen, so lange bis ein fester Schorf gebildet ist, oder bis gute Granulation sich zeigt; oder bei dem hartnäckigen epizootischen Klauenweh der Schafe wendet man die Säure (| Unze) mit Terpentinöl (2 Unzen) und starkem Brannt­wein (12 Unzen) gemengt, zum Einpinseln in die Geschwüre, täg­lich 2 mal an. — Als ein kräftiges und schnell wirkendes Ablei­tungsmittel bei der Bräune der Schweine hat man sie (3 Theile) mit Baumöl oder einem andern fetten Oel (4 Theile) gemengt, mit­telst einer Bürste auf den Hals von einem Ohr bis zum andern aufgestrichen, in vielen gefahrdrohenden Fällen mit Nutzen ge­braucht. — Bei Nabelbrüchen au Füllen und Kälbern hat man sie auf die Weise gebraucht, dass man in den ersten 2 Tagen des Morgens und des Abends, am 3 ten und 4 ten Tage aber nur ein-
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mal täglich die äussere Flüche der ganzen Bruchgeschwulst damit bestrich, — den öten dieselbe mit einem Gemenge von Leinöl (2 Unzen) und Terpentinöl (^-1 Unze) einrieb, und dies nach ge­schehener Reinigung mit lauwarmem Wasser täglich einmal bis zum lOten oder 12 ten Tage wiederholte. Die Heilung des Bruches erfolgte mit 16—20 Tagen ganz vollständig. — Gegen ulte Stoll­beulen, wenn sie in schwammigen (aber nicht in speckartigen oder knorpeligen, verhärteten) Massen bestanden, hat sich dasselbe Ver­fahren als wirksam erwiesen, aber noch kräftiger und fast spezi­fisch wirksam gegen solche Stollbeulen und verhärtete Brustbeulen ist folgende Salbe; man nimmt Aetz-Snblimat 1 Drachme, pulverl-sirte Kantharideu und Euphorbinmharz von jedem 2 Drachmen, rauchende Salpetersäure 3 Drachmen, conzentrirte Schwefelsäure 6 Drachmen; letztere beide Ingredienzien werden zusammengemischt, tropfenweis zu den Pulvern gethan, das Ganze gut umgerührt, mit einem Span auf die Beule gebracht und mit demselben gelind ein­gerieben. Bei dem Zusammenrühren erhitzt sich die Masse und es entweicht Chlor und salpetrige Säure. Vor der Anwendung müssen die benachbarten Theile mit Fett und dergl. bestrichen, und die Thiere am Lecken verhindert werden. Es bildet sich hiernach, bei nur geringer Ausschwitzung, ein trockener Hautschorf, der sich vom Rande her nach 6—S Tagen, bei nur sehr schwacher Aus-schwitzuug zu lösen beginnt und allmählig ganz absondert. Bei recht grossen und hartnäckigen Beulen ist zuweilen eine Wieder-hulung nöthig; doch darf man sich hiermit nicht übereilen und sie, selbst bei anscheinend schwacher Wirkung der ersten Applikation, vor 1-1 Tagen nicht unternehmen. Die Thiere künnen dabei fort­während, und selbst schon einige Stunden nach der Anwendung des Mittels, arbeiten. Die Verkleinerung der Geschwulst erfolgt durch Resorption allmählig, und es scheint, dass nach länger als 4 Wochen die Wirkung des Mittels noch fortdauert.
Die verdünnte Schwefelsäure ist im Faulflcber, im Nervenfie­ber, im Typhus, in den verschiedenen Arten des Milzbrandes bei allen Arten der Hausthiere, eben so in der Luugeuseuche des Rind­viehes und anderen Krankheiten, wenn sie den im sect;. 502, sub 2. angedeuteten Charakter an sich trugen, innerlich mit Nutzen an­gewendet worden. In neuerer Zeit hat v. Ehrenfels sie als Pro-phylaktikum und als Heilmittel gegen die Rinderpest empfohlen. Sie war bereits vor 70-80 Jahren, und späterhin von Mitchel, Reich, Walz, Sauter u. A. hierbei nach theoretisch-chemischen Ansichten empfohlen und gebraucht worden, hat sich aber nicht bewährt.
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sect;. 507.
Zum innerlichen Gebrauch giebt man von der conzentrirfen Schwefelsihire für Pferde und Rinder 2 Dracbmen bis % Unze, für Schafe, Ziegen und Schweine ^ bis 1 Drachme, für Hunde 5 bis 12 Gran für eine Gabe, stets mit der nöthigen Menge Was­sers verdünnt, so dass die Flüssigkeit erträglich sauer schmeckt. Hierzu ist gewöhnlich für eine Drachme der Säure I Pfund Was­ser, und zuweilen noch etwas mehr von dem letztem nöthig. Diese Verdünnung muss auch dann geschehen, wenn man die Säure eben nicht in flüssiger Form, sondern in Latwergen anwendet. Das Letztere ist aber weniger zweckmässig, weil man zur Bindung und Einhüllung der grossen Menge Flüssigkeit eine grössere Quan­tität trockener Substauzeu bedarf, als für eine Gabe passend ist. Die Wiederholung der Gaben richtet sich nach der Art und dem Grade der Krankheit und kann in Zwischenzeiten von 1 Stunde (namenflich so bei dem Milzbrände), bis zu 4 Stunden geschehen.
Bei grosser Empfindlichkeit des Darmkanals setzt man der verdünnten Säure etwas Mehl, Stärkemehl oder Altheewurzclpnlver, Alfhee- oder Leinsamenschleim zu; bei Neigung zu Durchfall giebt man sie mit bitteren oder aromatischen Mitteln, bei grosser Schwa­che und bei Nervenzufällen ebenfalls mit aromatischen Mitteln, mit Weingeist und andern erregenden Mitteln versetzt.
Anmerkung \. In den Apotheken wird ausser der couzen-trirten auch eine verdünnte Schwefelsäure (Acidum sulphurirum dllulnm) vorräthig gehalten, welche nach der Vorschrift der Preuss. Pharmakopoe aus einem Theil conzentrirter Schwefelsäure und fünf Theilen Wassers besteht.
Anmerkung 2. Die Hallerschc saure Mixtur oder das saure Elixir [Mixlura sulplmrico• aclda, Liquor aeidas Ualleri, Elixir aeidum Hal/eri) bestand ursprünglich aus gleichen Theilen conzentrirter Schwefelsäure und rektifizirtem Weingeist, wird aber nach der neuesten Preuss. Pharmakopoe ans einem Theil Säure mit drei Theilen höchst rektifizirten Weingeistes bereitet; eine ähn­liche Mischung von einem Theile Säure mit fünf Theilen Weingei­stes war ehemals unter dem Namen Rabeis Wasser (Agua /?laquo;-Ijelti) bekannt. Diese Flüssigkeiten enthalten sämmtlich Weingeist und Schwefelsäure, theils im unveränderten Zustande, theils äther­artig umgewandelt; sie sind daher einigermaassen dem Schwefel­äthergeist ähnlich, flüchtig erregend, zugleich aber stark zusammen­ziehend, und zwar letzteres um so mehr, je mehr sie Säure enthal­ten. Sie können daher innerlich bei denselben Krankheiten, wo die Schwefelsäure passend ist, angewendet werden, besonders wenn die Empfindlichkeit und Reizbarkeit sehr vermindert ist. Die Gabe
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ist von der nach der Preuss. Pharmakopöe bereiteten sauren Mix tur für Pferde und Rindvieh ^ bis Ik Unze, für Schafe und Schweine 1 bis 3 Drachmen, für Hunde 10 Gran bis 4 Drachme mit Was­ser bis zum ertraglich sauren Geschmack verdünnt, und in Zwischenzeiten von i bis 4 Stunden. — Aeusserlich wurden diese sauren Mischungen, namentlich das Rabeische Wasser als blutstillende Mittel, und bei Gelenkwunden um die Synovia zum Gerinnen zu bringen und ihren Austluss zu hemmen, ausserdem auch bei Gallen- und Sehnenklapp, und im verdünnten Zustande als austrocknendes und heilendes Mittel bei Flechten u. s. w. be­nutzt, sind aber jetzt kaum noch gebräuchlich.
Anmerkung 3. Die saure Wundmischung, oder The-den's Schusswasser, Theden'sche Arquebusade (MlxUra vulneraria aclda, Aqua vulneraria TAeJenii) wird nacii der I reuss. Pharmakopöe aus rohen Essigs, 3 Pfund, rektifizirtcn Weingeistes, J^ Pfund verdünnter Schwefelsäure, 6 Unzen, und abgeschäumten Honigs, 1 Pfund, zusammengesetzt, wirkt erregend, zusammenzie­hend, die Resorption befördernd, daher zcrtheileud und blutstillend, und wurde äusserlich bei Quetschungen, Quetsch- und Schusswun­den, bei Blutunterlaufungen, Blutungen und ähnlichen krankhaften Zuständen ehemals mehr als jetzt angewendet. Ich habe es bei fri­schen Quetschungen, namentlich bei dergl. Sihnenklapp, Piephacken, Stollbeulen, Druckschäden, Verstauchungen, auch bei Gallen, sehr wirksam gefunden, indem ich es mit 2 bis :i Theilen Wassers ver­dünnt, täglich li bis 8 mal anwendete.
2. Salpetersäure, Acidam allrlcum; saurer Salpetergeist, Scheidewasser, Spiritus nitri arhhts. auch wohl; Atjita fortis.
sect;. 50S. Es giebt eine rohe und eine gereinigte Salpetersäure und letz­tere enthält nach der Preuss. Pharmakopöe 27 bis 28 Procent was­serfreie Säure. Sie besteht, aus Sauerstoff und Stickstoff, und ent­hält zugleich nach dem Grade ihrer Conzentration mehr oder we­niger Wasser. Der Sauerstoff ist der überwiegende Bestandtheil (beinahe 74 Procent) und nur sehr locker mit dem Stickstoff ver­bunden, so dass er sich leicht von demselben trennt, worauf beide Bestandtheile mit anderen Stoffen Verbindungen eingehen. Die Sal­petersäure ist daher leichter zcrselzbar als die übrigen Mineralsäu­ren; sie zersetzt aber auch andere, namentlich alle thierische Stoffe sehr leicht, und färbt -bei gelinder Einwirkung die letzteren gelb bei stärkerer Einwirkung aber wandelt sie dieselben theils in eine weiche, breiige Masse, theils in einen Schorf um. Ihre Wirkungen
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im conzentrirten Zustande sind also mit denen der conzentrirten Mi­neralsäuren überhaupt (sect;. 490.) Übereinstimmend,
Im verdünnten Zustande besitzt die Salpetersäure zwar zum Theil die, von den verdünnten Mineralsäuren im Allgemeinen an­gegebenen Wirkungen; sie zeichnet sich jedoch dadurch aus: a) dass sie örtlich viel stärker reizt als jede andere, mit einer gleichen Menge Wassers verdünnte Säure, und dass sie daher auch noch in einer solchen Verdünnung, in welcher andere Säuren ganz ohne Nach­theil ertragen werden, hei innerlicher Anwendung leicht zu heftige, schmerzhafte Irritation der Verdauungsgeweide, selbst Magen- und Darmentzündung erzeugen kann: — b) dass sie weniger adstrin-girend, und noch weit weniger kühlend und durststillend als die Schwefelsäure und weniger erregend auf die Nerven wirkt, als die Salzsäure; dass sie aber c) in der ersten Zeit die Thätigkeit der Blutgcfässe, der Lymphgefasse und fast aller drüsigen Organe ver­mehrt, und d) dass sie beim anhaltenden Gebrauche schneller und stärker als die übrigen Säuren eine saure Beschaffenheit der Säfte, grosse Schwäche, Abmagerung und die im Allgemeinen (g. 496.) bezeichnete Uebelsäftigkeit erzeugt.
Diese Eigenthiimlichkdten der Salpetersäure werden höchst wahrscheinlich durch deren reichlichen Gehalt an Sauerstoff, durch ihre leichte Zersetzbarkeit, durch den Ucbergang des Sauerstoffes in die Säfte und durch die Assimilation des Stickstoffes bedingt.
sect;. 509.
Die conzentrirte Salpetersäure kann äusserlich als ein sehr kräftiges Aetzmittel zur Zerstörung wuchernder Fleischauswüchse, eben so bei Warzen, bei unreinen, callösen Geschwüren, bei Biss­wunden von wuthkranken Thieren u. dergl. (sect;. 502.) angewendet werden. Morel de Vinde und von Ehreufels haben sie als das vorzüglichste Mittel gegen das bösartige Klanenweh der Me­rinoschafe sehr emplühlen. Letzterer wendete zuerst diese Säure und gleich darauf das Hirschhornül auf die Klanengeschwiire an (S. 349.).
Die mit 4 bis (i Theilen gemeinen Wassers verdünnte Salpe­tersäure ist bei der Räude aller Thiere, bei dein Teigmal der Käl­ber und Lämmer und bei der veralteten Mauke der Pferde ein sehr wirksames und wohlfeiles Heilmittel, welches man mit einem Schwamm oder mit einem wollenen Lappen sanft in die schwä­rende Fläche einreibt, nachdem erst die vorhandenen Schorfe er­weicht und entfernt sind. Die Wiederholung kann nach 1 bis 3 Tagen geschehen. — Bei dein bösartigen Klauei:.weh hat man von der täglichen Anwendung der, mit 3 bis 4 Theilen W'assers verdünnten Salpetersäure sehr gute Wirkung gesehen.
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Innerlich wird die Salpetersäure mit Recht fast gar nicht be­nutzt, weil man ihre nachtheiligen Wirkungen nicht immer ganz vermeiden kann. Auch sind die besonderen Indikationen für ihren innerlichen Gehrauch noch nicht festgestellt. Manche wollen sie bei dem Rotz imd Wurm und bei ödematösen Anschwellungen mit gutem Erfolge gegeben haben; aber gewiss wird man die ersteren beiden Krankheiten, wenn sie vollkommen entwickelt sind, mit der Salpetersäure auch nicht heilen, und fur die Ödematösen Anschwel­lungen giebt es weniger gefährliche Mittel. Will man jedoch diese Säure versuchen, so kann maa sie für Pferde und Rinder von 2 Drachmen bis ^ Unze, für Schafe und Schweine von 1 Skrupel bis •I Drachme, für Hunde von 3 bis S Gran, und stets wenigstens mit der lOOfachen Menge Wassers verdünnt, täglich 2 bis 3 mal ein­geben. Zusätze von anderen Mitteln erträgt die Salpetersäure nicht gut; am besten noch den Weingeist.
sect;.,510.
Eine besondere Art der Anwendung der Salpetersäure ist die in Gas- oder Dampfgestalt, als sogenannte Salpetersäure Räu-cherungen, welche zuerst der Engländer Smith empfohlen hat und die deshalb auch nach ihm als Smithsche Räucherungen (I'limigaiiuiics niirirae Smiihlanae) bezeichnet werden. Man bereitet sie, indem man auf gereinigten, gröblich pulverisirten Salpeter in einem nicht erwärmten irdenen, gläsernen oder porzellanenen Ge­lasse nach und nach reine, aber mit der Hälfte des Wassers ver­dünnte Schwefelsäure (auf 1 Unze Salpeter 2 Drachmen der letz­tern) tröpfelt, und von Zeit zu Zeit die Mischung mit einem höl­zernen oder gläsernen Stabe umrührt. Es entwickeln sich dabei zuerst violette, dann weissliche Dämpfe, in denen die aus dem Sal­peter ausgetriebene Salpetersäure, jedoch im zersetzten Zustande, nämlich als Sauerstoffgas und Salpetergas oder als salpetrige Säure enthalten ist. Letzteres ist um so mehr der Fall, wenn man zur Bereitung dieser Dampfe die conzentrirte Schwefelsäure benutzt; man darf dieselbe nur (wie es hier angegeben) mit Wasser ver­dünnt auf den Salpeter bringen; denn das Salpetergas wirkt, wenn es in Menge eingeathmet wird, sehr nachtheilig auf alle Thiere, während das Sauerstoffgas und die reine gasförmige Salpetersäure als ein kräftiges Reizmittel bei passenden (asthenischen) Zuständen recht wohlthätig wirken, den Respirationsprozess in beiden Rich­tungen, nämlich die Aufnahme äusserer Stoffe durch die Lungen in das Blut und die Ausscheidung verbrauchter Stoffe aus dem­selben befördern, das.Blut heller rüthen und die Irritabilität ver­mehren.
Man hat die Salpetersäuren Dämpfe als Heilmittel gegen den
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Rotz, gegen die Riuderpest, typhöse Fieber, Milzbrand u. a. Krank­heiten, — vorzüglieh aber zur Reinigung der Luft in Krankenstäl­len, zur Zerstörung der Contagien und anderer Krankheitsfalle em­pfohlen, und ihnen selbst vor den Chlordämpfen einen Vorzug ge­geben, weil sie weniger als diese die Respiration belästigen sollen. Dieser Vorzug ist jedoch noch nicht gehörig erwiesen, und über­haupt ihre therapeutische Benutzung noch nicht sicher begründet. — Bei dein Rotz habe ich von den salpetersauren Dämpfen keinen guten Erfolg, sondern in mehreren Fällen schnellere Vergrösserung der chaucrösen Geschwüre, oft Blutungen aus denselben und sogar Bluthusten entstehen sehen.
Anmerkung. Als ein Arzneipräparat von der Salpetersäure hat man die oxygenirtc Salbe (Unguent, oxygenal.), welche aus S Theilen Schweineschmal/, und 1 Theil Salpetersäure durch blos-ses Zusammenrühren bereitet wird. Sie wirkt gelind reizend, und ist bei der Räude, besonders bei der sogenannten trockenen, — hei Flechten, bei dem Maulgrind der Kälber und Lämmer, bei der Mauke und bei verhärteten Drüsen ein wirksames Heilmittel, wel­ches man täglich 1 bis 2 mal anwenden kann.
3. Salzsäure, Acidam hyärochloralum s. muriattcum, Salzgeist,
Spirllm sails laquo;eidas, — Chlor wasserstoffsäure, Acldum hy-
drochloricum.
sect;. 511.
Die Salzsäure ist eine Wassersfoffsäure (sect;. 493.) und kann so­wohl im gasformigen, wie auch im flüssigen Zustande bestehen. Im ersteren ist sie blos aus gleichen Raumtheilen Chlorgas und Wasserstolfgas zusammengesetzt, und erscheint somit als Chlor­wasserstoffgas; dieses wird aber vom Wasser sehr begierig aufgenommen, und wenn dasselbe von ihm vollkommen gesäftiget ist, stellt es die conzentrirte flüssige Salzsäure dar. Es giebt eine rohe und eine gereinigte Salzsäure. Letz^ve soll nach der Phar-makopöe in 100 Theilen 24 Theile wasserfreie Säure enthalten.
Die Wirkung der letztern auf den Thierkörper ist ätzend, wie sect;. 496. von den conzentrirten Mineralsäuren im Allgemeinen ange­geben; sie steht jedoch an Kräftigkeit der Schwefel- und Salpeter­säure etwas nach. — Gehörig verdünnt, bringt die Salzsäure bei innerlicher Anwendung solche Wirkungen hervor, welche denen der verdünnten Mineralsäuren überhaupt entsprechen (sect;. 497.), sich aber dadurch von den übrigen unterscheiden; a) dass die Salzsäure mehr als jede andere Säure die gesammte Nervcnthätigkeit, d. h. sowohl das Empfmdungs- als das Bewegungsvermögen, aufregt; — b) dass
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sie die Energie der Blutgefussc mehr als die übrigen Miueralsäuren verstärkt, al)er das Blut nicht so stark verdichtet wie die Schwefel­säure, — und c) dass sie auch die Thäfigkeit. der Verdauungs-eingeweide eigenthiimlich aufregt, und zwar sowohl die Energie in der Bewegung vermehrt, als auch die EmpBudlichkeii erhöhet, und zugleich die Absonderungen befördert.
Alle diese erregende Wirkungen zeigt die Salzsäure jedoch nur bei einer nicht zu lange fortgesetzten Anwendung; denn wenn die letztere stattfindet, treten auch die nachlheiligen und schwächenden Folgen ganz so ein, wie von den übrigen Miueralsäuren (sect;. 497.), und wie von dem Chlor (sect;. 477 — 461).). Mit dem letztern muss die Salzsäure um so mehr eine Verwandtschaft in den Wirkungen zeigen, da sie ihm ihre Kräfte und ihre übrigen Eigenschaften verdankt.
sect;• 512.
Die conzenirirte Salzsäure kann ganz wie die conzentrirte Sal­petersäure als Aeizmitfel benutzt werden. Die Anwendung der verdünnten Salzsäure ist zwar bei den im sect;. 502. bezeichneten Krankheitszuständen angezeigt, es ist aber wohl zu beachten; dass sie bei acuten Krankheiten nicht für alle Stadien derselben gleich-massig passend ist, sondern den grössteu Nutzen zu der Zeit lei­stet, wenn die entzündliche Reizung in den fauligen oder faulig - nervösen Zustand übergeht. An diesem Scheidepunkte, der bei vielen Krankheiten sehr deutlich bemerkbar ist, ist die Salzsäure oft ein unübertreffliches Mittel, während sie dagegen in einem früheren Zeiträume zu sehr reizt,, in den späte­ren aber, wenn Colliquationen schon eingetreten sind, oft entweder nicht mehr wirksam genug ist oder auch selbst nicht gut ertra­gen wird.
Ulme jene, im sect;. 502. 2 angedeutete Krankheiten, bei denen die Salzsäure als Heilmittel dienen kann, sämmtlich hier wieder zu nennen, muss ich doch bemerken: dass sie sich vorzüglich bei der Hinderpest und bei der chronischen Unverdaulichkeit der Wieder­käuer einen grossen Huf erworben hat.
Gegen die Rinderpest ist die eisenhaltige Salzsäure von Pes-sina*) in Oesterreich und Ungarn mit ausgezeichnet glücklichem
*) Anleitung zur lleilmi!; der Binderpesl mit der cisenhalligen Salz­säure. :i. Ann. Wien 18 12. kl. 8.
Reich, richtige und gewissenliarte Belehrung für den Landmann über die Rindviehseuche, KUrnberg 1797; — und G. R. Frank, über die Binderpest und über die Millel, sie zu heilen und auszurollen, Ber lin 1802,— waren Pessina vorausgegangen; idiein erslerer ohne prak-
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Erfolge angewendet worden; Hausmann *) versichert ebenfalls, 1814 im Grossherzogthum Baden einen so günstigen Erfolg von ihr gesehen zu haben, und Bojanus**) empfiehlt sie als ein Mit­tel, durch welches im Durchschnitt gegen zwei Drittheile der Kran­ken gerettet werden sollen. Schmiederer *quot;) sah dagegen von 51 Rindern, welche mit dieser Säure behandelt wurden, nicht ein Stück genesen, und eben so wenig ein Stück gegen die Ansteckung geschützt werden; er behauptet, dass die in Pessina's Schrift an­gegebenen glücklichen Erfolge Uebertrcibungen enthalten, und dass Pessina in allen Orten, wo nur ein Stück Vieh von der Pest er­griffen war, alle übrigen noch gesunden Thiere als gerettet ange­geben habe, als ob sie nuthwendig alle hätten erkranken müssen und als ob die Salzsäure wirklich alle präservirt hätte, — auch, dass er jedes Rind, welches zu jener Zeit nur im mindesten sich unwohl gezeigt, als pestkrank und dann von der Pest geheilt be­trachtet habe, wenn die letztere auch nicht vorhanden war. Daher erscheinen in den, der Schrift angehängten, Tabellen manche Rin­der schon am folgenden Tage als genesen. —
Wenn man auch die Wahrheit von Pessina's Angaben nicht auf diese Weise bestreiten will, so muss man doch bekennen, dass die Salzsäure bei den meisten Rinderpestseuchen, die in späterer Zeit vorgekommen sind, das nicht geleistet hat, was Pessina von ihr rühmt. Zur Erklärung dieses Widerspruchs giebt Veithf) einen ganz richtigen Fingerzeig, indem er darauf deutet, dass theils jene, von Pessina beobachtete Seuche eine gelinde Form hatte, noch mehr aber, dass es wahrscheinlich meistens ungarisches Schlachtvieh war, an welchem Pessina das Mittel zuerst ver­suchte, und bei welchem der Erfahrung zufolge, die Rinderpest stets einen mildern Verlauf macht, als bei dem einheimischen Vieh. Ausserdem bemerke ich noch, dass in manchen Jahren die Seuche auch bei unserem inländischen Rindvieh einen sehr milden Charak­ter annimmt, so dass viele erkrankte Stücke ohne alle Kunsfhülfe genesen. Dies scheint besonders dann sich zu ereignen, wenn die Krankheit durch mehrere Jahre in einer Gegend bestanden hat oder oft wiederholt in derselben aufgetreten ist.
tische Beweise, und Frank hatte die oxygenirlo Salzsäure, d. i. Chlor­wasser, benutzt (S. 83. in Frank's Schrift).
*) Andre, Oekonom. Neuigkeiten, 1829. Nr. 42. S. 89.
**) Anleituny zur Krkemitniss und Behandlung der wichtigsten Seu­chen. 2, Aufl. Wilna 1821.
***) Archiv für Thierheilkunde, von einer Gesellschaft schweizerischer Thierärzle. 1. Bd. ). Heft. S. 59. Aarau (816.
f) Uandb der Velerinäikunde, 3. Aufl. Wien 1831. 2. Bd. S. 442.
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Bei der chronischen Unverdaulichkeit des Rindviehes, wenn dieselbe in Schwache und Uuthätigkeii der Magen be­gründet ist, ist die Salzsäure von schweizerischen Thierärzten und besonders von Meier*) mit ausgezeichnet heiisamem Erfolge selbst in solchen Fallen gegeben worden, wo die Thiere dein Tode anheimgefallen zu sein schienen, und wo alle übrige Mittel unzu­länglich waren. Späterhin hat Rychner diese gute Wirkung be­stritten, J, Wirth sie aber bestätiget, obgleich das Mittel, wie Letz­terer richtig bemerkt, kein Universalmittcl bei der chronischen Un­verdaulichkeit ist (Archiv für Thierheilk. von d. Geselisch. Schweiz. Thierärzte. Neue Folge. Bd. VI. S. 225.). Die Zufalle, welche die ge­nannte Krankheit charakterisiren und hei denen er das Mittel so nützlich fand, waren: völlige Appetitlosigkeit, Verlust der Milch, grosse Schwäche, matte Augen, Kälte der Ohren, der Hörner, des Mauis und der Gliedmaassen, langsames Athmen, weicher, kleiner, nicht zu geschwinder Puls, stark fühlbarer Herzschlag, erhöhete Empfindlichkeit im Verlaufe der Wirbelsäule, voller, gespannter Bauch, gänzlich unfühlbare Bewegung des Pansens in der linken Hungergrube, stinkende Exkremente. Er bemerkte, dass die Thiere gleich nach dem Eingehen der Salzsäure den Kopf schütteln, die Luft stark durch die Nase ausstossen, das Maul durch einige Zeit abwechselnd offen halten, und aus demselben geifern; beim Befüh­len der linken Hungergrube zeigt sich statt der früheren Ruhe eine deutlich wahrnehmbare Bewegung, die Ab- und Aussonderungen werden regelmässiger, die Wärme gleichmässig erhöhet; nach dem dritten oder vierten Einguss der Säure findet sich das Wiederkäuen und auch bald darauf die Fresslust wieder ein, und die Thiere ge­nesen schnell. — Bei derjenigen Unverdaulichkeif, welche als Sym­ptom oder Folge von Entzündung der Verdauungseingeweide er­scheint, nutzt die Salzsäure wenig, und oft schadet sie hierbei sehr. Ich habe das Mittel in verschiedenen asthenischen Leiden der Ver­dauungseingeweide bei den Wiederkäuern stets sehr wirksam ge­funden.
sect;. 513.
Die Gabe von der Salzsäure kann grosser sein als von der Schwe­felsäure, und weit grosser als von der Salpetersäure, nämlich für Pferde 2 Drachmen bis ^ Unze, Für ausgewachsene Rinder % bis 1 Unze, für ein jähriges Kalb 1 bis 2 Drachmen, für ein Saugkalb i- bis 1 Drachme, — für Schafe, Ziegen und Schweine 1 bis 2 Drachmen, — für Hunde 10 Gran bis 1 Skrupel. Es ist hier im-
*) Archiv für Thierlieilkunde, von einer Gesellschaft schweizerischer Thieiiiizle. 4. Bd. 4. lieft. S. öS.
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mer die conzeutrirte Salzsäure gemeint, welche vor dem Eingeben nothwendig mit so viel Wasser verdünnt werden muss, dass die Flüssigkeit massig sauer schmeckt. Hierzu sind gewöhnlich etwa 24 bis 30 Theile Wasser für 1 Theil der Säure hinreichend; aber Pessina benutzte eine viel grössere Verdünnung, nämlich 1 Loth Säure mit 1 Maass (d. i. 4 Pfund mediz. Gewicht oder 1 Theil zu 96 Theilen) Wasser, und nur beim höchsten Grade der Rinderpest 1 bis 1| Loth Säure auf -J Maass Wasser; und viele Thieriirzte sind dieser Vorschrift gefolgt. Das zur Verdünnung benutzte Was­ser soll weder warm noch ganz kalt sein. — Die Wiederholung der einzelnen Graben richtet sich nach der Art, der Dauer und dem Grade der Zufälle; bei der chrüniscben Unverdaulichkeit und bei anderen gastrischen, so wie bei allen nicht schnell verlaufenden Krankheiten ist alle 3 bis 4 Stunden eine Gabe hinreichend, wäh­rend dagegen bei der Rinderpest nach Pessina's Vorschrift, jun­gen Thieren 8 bis 12, alten aber 15 bis 2U Gaben in einem Tage, d. h. vom Morgen bis zum Abende, oder vom Mittage bis durch die Nacht (also jede Stunde wenigstens eine Gabe) beigebracht werden sollen, so dass in der angegebenen Zeit für ein ausgewach­senes Rind 20 bis 30 Loth Säure verbraucht werden. Nach dieser Vorschrift soll man ferner in den nächsten 24 Stunden das Mittel aussetzen und blos Mehltrank geben; wenn aber am 3ten Tage die Besserung der Thiere nicht deutlich eingetreten ist, soll man die Hälfte jener Gaben wiederholen. —
Bei der Rinderpest und bei allen Krankheiten, welche mit ört­licher Reizung oder nur mit grosser Empfindlichkeit der Brust- und Baucheingeweide verbunden sind, ist die Anwendung der Salzsäure mit Wasser oder mit einer schleimigen Flüssigkeit am nützlichsten; wo aber ünthätigkeit oder Torpor in diesen Eingeweiden oder auch im ganzen Organismus besteht, ist der Zusatz von Weingeist, von aromatischen, bittern und adstringirenden Mitteln sehr zweckmäs-sig; z. B. gegen die chronische Unverdaulichkeit nach Meier's Vorschrift (a. a. 0.) eine Zusammcnstetzung von Salzsäure 4 Un­zen, Weingeist 6 Unzen und Wasser S Unzen, wovon der 4te Theil noch mit einem Schoppen Wasser verdünnt alle 3 bis 4 Stunden eingegeben wird. — Wenn Durchfall bei jenen Krankheiten zuge­gen ist, hat man die Salzsäure in Verbindung mit Opium als nütz­lich befunden.
sect;• 514.
Aeusserlich kann die conzeutrirte Salzsäure als Aetz- und Zer­störungsmittel dienen, wie dies von den übrigen conzentrirten Säu­ren angegeben ist. Die verdünnte Salzsäure wird äusserlich als ein erregend-zerthcilendes, zusammenziehendes, entzündungswidriges und
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austrocknendes Heilmittel, so wie auch als ein reinigendes, Krank-heitsstoffe zerstörendes Mittel benutzt, und zwar: ij zu Wasch­wässern gegen die ödernatösen und emphyseraatösen Geschwülste, welche sich bei asthenischen Krankheiten, z. B. bei der Rinderpest, bei Faulfiebern u. s. w. zuweilen entwickeln; — 2) eben so gegen Räude, Flechten, Mauke und Klauenweh; — 3) zu Maulwässern gegen asthenische Halsentzündungen, gegen das Manlweh, bei dem Lungenkrebs und bei stark jauchenden Wunden oder Geschwüren im Maule; — 4) bei Bisswunden von wuthkranken Thieren, gegen bösartige, faulige Geschwüre, und gegen kalten Brand; — und 5) nach Pessina auch zu Klystiren bei einem sehr hohen Grade der Rinderpest. — Meier hat die verdünnte Salzsäure (aus che­mischen Gründen) auch gegen Späth empfohlen; ich habe sie hier und bei anderen Knochenauftreibungen häufig versucht, aber stets ohne Erfolg, selbst wenn diese Uebel noch in der Entwickelnng be­griffen waren.
Zu den Waschwässern nimmt man nach Verhältniss der Reiz­barkeit der betreffenden Theile 1 Unze der conzentrirten Säure zu 16 bis 20 Unzen Wasser, und macht die Waschung täglich 2 bis 6 mal. — Als Maulwasser kann eine ähnliche Verdünnung mit Wasser, entweder ganz einfach, oder mit Zusatz von 2 bis 3 Un­zen Honig und mit etw7as Mehl dienen; zuweilen nimmt man auch statt des blossen Wassers ein aromatisches Infusum, z. B. von Sal­bei , und setzt ihm ausser der Säure gleichfalls Honig und Mehl bei. — Zu den Klystiren dient für Rinder | Unze Säure mit 1^ Pfd. Wasser verdünnt.
Anmerkung 1. Die sogenannte eisenhaltige Salzsäure, deren Anwendung von Pessina und Bojanus als vorzüglich wirksam gegen die Rinderpest empfohlen ist, wird bereitet, wenn man 1 Quentchen Eisenfeile, oder noch besser, fein pulverisirtea Eisen in 4 Pfund Salzsäure bei offener Flasche auflöst, dann aber die braungelb gewordene Flüssigkeit gut verwahrt. Gabe und An­wendung ist wie bei der gewöhnlichen Salzsäure.
Anmerkung 2. Die salzsauren Dämpfe, welche man durch Aufgiessen von Schwefelsäure auf Kochsalz in einem war­men Gefasse entwickelt, wirken fast ganz wie Chlordämpfe, belä­stigen aber mehr als diese die Respirationsorgane, und sind daher zur Zerstörung der Ansteckungsstolfe u. s. w., wo man sie wie die Chlordämpfe empfohlen hat, besser durch die letztern zu er­setzen. —
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4. Essig, Arelum (gewöhnlicher oder roher Essig, Ace-turn commune s. Acilum crudum).
sect;. 515.
Der Essig enthält als wesentlichen Bestandtheil die Essig­säure (Aeidum acelicum) mit Wasser verdünnt und häufig noch mit etwas Schleimzucker, oder mit Kleber, zuweilen auch mit Wein­geist, mit Weinsteinsäure, Apfelsäure u. dergl. verunreinigt. Er ist das Produkt der sauren Gährung, kann daher aus allen Sub­stanzen bereitet werden, welche fähig sind, in diese Gährung über­zugehen, und erhält gewöhnlich nach derjenigen Substanz, aus welcher er dargestellt ist, einen Beinamen, Z.B.Weinessig, Bier­essig, Fruchtessig, Obst- oder Cidoressig u. s. w. Als der beste wurde bisher gewöhnlich der Weinessig (Acetum vini) betrach­tet ; indessen ist in der neueren Zeit die Essigbereitung so vervoll­kommnet worden, class man ihn durch guten Fruchtessig vollkom­men ersetzen kann. — Der Bieressig [Aceimn cerevMae) enthält gewöhnlich viel fremdartige Bestandtheilo, und weniger Säure als Wein- und Fruchtessig, kann aber für die meisten Heilzwecke, be­sonders äusserlich auch ganz brauchbar sein.
Der reine oder destillirto Essig oder die verdünnte Es­sigsäure {Acelum purum s. ileslillalam, AciJam aesticum dilulum)*), — der verstärkte oder conzentrirte Essig, auch conzen-trirte Essigsäure (Acelum concentralum, Acidum acelicum concen-iralum) genannt,**) —• und eben so die reine Essigsäure oder der höchst conzentrirte Essig (Acidum aeetieum purum, Ace­lum concenirniissimum) werden als Arzneimittel für Tliiere nicht be­nutzt, theils, weil diese Präparate örtlich die zu starke Wirkungen der conzentrirten Pflanzensäureu erzeugen (sect;. 4Sö.), und deshalb nicht gut ertragen werden, hauptsächlich aber, weil sie zu theuer und durch den gemeinen Essig sehr gut zu ersetzen sind.
sect;. 516.
Der Essig, als eine vegetabilische Säure, wirkt bei innerlicher und änsserlicher Anwendung ganz so, wie es von diesen Säuren im Allgemeinen (sect;. 49S.) angegeben, und es gilt von ihm auch Alles, was über den Unterschied zwischen Pflanzen- und Mineral-sauren (sect;. 499.) und über die Vennittelung der Wirkungen (sect;. 500.)
*) Nach der Preuss. Pharmakopüe sollen von dem rohen, und eben laquo;o von dem deslillirlen Essig IG Theile einen Theil kohlensauren Ka­lis sälligen.
*') Enlhull in 100 Thcilen 81 bis Sä Theile wasserfreie Essigsaure.
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in Beziehung auf die Pflanzeusäureu gesagt ist. Bemerkenswerth erscheint es aber, dass der conzentrirte Essig den Faserstoff, und noch mehr das Eiweis auflüst und deshalb auch die Eiferkiigelchen in mehrere kleine Theilo zcrtheilt.
Seine innerliche Amvendung kann hei den, im sect;. 502. sub b. bezeichneten Krankheitszusländen stattfinden, im Ganzen benutzt man ihn aber nicht häufig, weil man von ihm nachtheilige Wir­kungen auf die Verdauungseingeweide fürchtet; ich halte jedoch Essig von der Stärke, welche die Pharmakopöe vorschreibt, Pfer­den in Gaben von 6 bis 12 Unzen, Kühen his 3 Pfund, Schafen und Schweinen von % bis 2 Unzen, Hunden 2 Drachmen bis 1 Unze auf Einmal, und in Zwischenzeiten von 3 bis 4 Stunden täglich dreimal eingegeben, ohne dass jemals bemerkbare nachtheilige Fol­gen hiervon entstanden sind. Die Thiere zeigten bios nach dem Eingeben etwas vermehrte Schleimabsouderung im Maule und in der Nase, und dann die gewöhnlichen Wirkungen der Püanzen-säuren. Grössere Gaben verursachten allerdings bei Pferden oft Kolik, Störung des Appetits und der Verdauung, und bei Hunden Unruhe, schmerzhaftes Qewiusel, Erbrechen und darauf grosse Traurigkeit; aber alle diese Zufälle gingen immer in etwa einer Stunde wieder vorüber.
Ausser den Entzüiiduugsfiebero, den gastrischen (biliösen), ner­vösen und typhösen Fiebern mit. entzündlichem Charakter, dem Milzbrände u. s. w. müssen noch drei Krankheitszustände, bei de­nen der innerliche Gebrauch des Essigs nützlich ist, besonders er­wähnt werden, nämlich die Aufblähung oder Trommelsucht bei den Wiederkäuern, die narkotischen Vergiftungen, und die Vergiftun­gen mit ätzenden Alkalien.
In der Trommelsucht habe ich den Essig als ein ganz vor­treffliches Mittel keimen gelernt, wenn sie mehr einen chronischen als akuten Charakter hatte, namentlich wenn sie durch unverdauete, im Wanst liegende Substanzen, aus wirklicher Gährung derselben entstanden ist, und wenn durch letztere die Gasentwickelung län­gere Zeit unterhalten, und das Aufblähen durch mehrere Tage dauernd wird, oder wenn dasselbe, nachdem es durch den Troikart und andere Mittel beseitigt ist, bald darauf wieder entsteht. Das Letztere verhindert der Essig ganz vorzüglich, indem er den Gab-rungsprozess unterdrückt; aber er ist nicht immer vermögend, die schon vorhandene, plötzlich zu einem hohen Grade entwickelte Auf­blähung schnell genug zu beseitigen, um die aus ihr entstehenden, oft lebensgefährlichen Zufälle (Berstung der Eingeweide, Schlag-fluss, Erstickung) zu verhüten, und er macht daher in dringenden Fällen den Troikart auch nicht entbehrlich.
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Gegen die üblen Wirkungen von zu grossen Gaben narkoti­scher Mittel oder nach dem zu reichlichen Genuss narkotischer Pflanzen, ist der Essig schon lange als eins der wirksamsten Mit­tel anerkannt, obgleich man in neuerer Zeit behaupten wollte, dass er die Auflüslichkeit und die Wirksamkeit der narkotischen Stoffe, namentlich der Alkalien, befördere, wenn dieselben noch im Ver-dauungskanal vorhanden seien, und dass er daher nur dann an­gewendet werden dürfe, nachdem diese Stoffe durch Erbrechen wie­der entfernt worden sind. Da aber das Erbrechen nicht bei allen Thieren möglich, auch jene Behauptung über die Verstärkung der narkotischen Wirkungen nicht allgemein richtig ist, so verdient der Essig um so mehr bei diesen Vergiftungen als Hauptmittel betrach­tet, und allgemein verwendet zu werden, da er wohlfeil, fast überall zu haben ist, und die schon eingetretene narkotische Wirkung sehr sichtbar vermindert. Bei Hunden, Katzen und Schweinen schickt man 'jedoch seiner Anwendung recht zweckmiissig ein Brechmittel voraus, wenn es wahrscheinlich ist, dass ein Theil des Giftes sich noch im Magen befindet.
Gegen die schädliche Wirkung der ätzenden Alkalien und Er­den, des Aetzkalkes u. s. w. ist der Essig (innerlich und äusser-lich) ebenfalls das wirksamste Mittel, wenn diese Stoffe noch im oder am Körper vorhanden sind, und wenn nicht schon zu heftige Entzündung und Aetzung entstanden sind.
sect;• 517.
Die Gabe vom Essig ist nach Verhältniss seiner grösseren und geringeren Stärke, nach der Heftigkeit der Krankheitszufälle u. s. w. für Pferde 4 bis 8 Unzen, für Rindvieh 1 bis 3 Pfund, für Schafe, Ziegen und Schweine 1 bis 3 Unzen, für Hunde 2 Drach­men bis J'Unze, — in Zwischenzeiten von % bis 3 Stunden. Die bezeichneten grosseu Gaben dienen besonders bei Vergiftungen mit narkotischen Stoffen oder mit ätzenden Alkalien, eben so bei Trom­melsucht. — Die Anwendung geschieht am besten in flüssiger Form, entweder blos mit Wasser verdünnt, oder mit schleimigen Flüssigkeiten versetzt; letzteres besonders dann, wenn die Brust­oder Baucheingeweide sehr gereizt erscheinen. Ehemals empfahl man auch zu solchen Flüssigkeiten den Honig zuzusetzen; derselbe ist aber entbehrlich und etwa nur da zu benutzen, wo man ihn als Hausmittel ohne Kosten erhalten kann, und wenn man Thieren den Essigtrank zum freiwilligen Genuss überlässt. — Zusätze von erregenden Mitteln sind in der Regel da nicht passend, wo der in­nerliche Gebrauch des Essigs angezeigt ist, und mit Alkalien, Kalkwasser und Seife darf er nicht zusammengebracht werden,
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weil er mit diesen Stoffen chemische Verbindungen eingeht, und dabei Keine Wirksamkeit aufgehoben wird; Neutralsalze, besonders Kochsalz, Salmiak und Salpeter schwächen aber die letztere nicht.
sect;. 518. Aeusserlich benutzt man den Essig:
1)nbsp; Am häufigsten als kühlendes, aber zugleich gelind zusam­menziehendes, zertheilendes Mittel gegen Entzündungen, welche nicht ganz rein als solche bestehen, sondern mit Quetschung, mit Ausdehnung der Theile, mit Blutuntcrlaufung oder mit grosser öde-matöser Gfeschwulst verbunden sind; daher bei Quetschungen, bei frisch entstandenen Genickbeulen, bei dergleichen Satteldrücken, Widerristschäden, Sehnenklapp, Piephacken, Gallen, bei und nach Verrenkungen, bei dem Verhallen u. dergl. — Man wendet ihn hierbei auf sehr verschiedene Weise an, und zwar entweder a) blos mit Wasser verdünnt und kalt, zum Waschen oder zu Umschlägen, wenn die Zufälle noch einigermaassen auf einen synochüsen Cha­rakter der Entzündung deuten; — oder b) mit Wasser verdünnt und mit Glaubersalz, Salmiak, Salpeter u. dergl. versetzt, als so­genanntes einfaches Oxykrat {Oxycratam simplex), das aus Salmiak 1 Unze, Essig und Wasser, von jedem 1^ Pfund, bereitet wird, und bei dem Zusätze von 2 Unzen Kampfergeist das zu­sammengesetzte Oxykrat (Oxycralum composilum) giebt; — oder in Form der Schmucker'schen kalten Umschläge, die aus: Essig i% Pfund, Wasser 4 Pfund, Salmiak und Salpeter von jedem 1 Unze gemacht werden. — c) Mit Lehm oder Thon zu einem dünnen Brei zusammengemengt, welchen man gegen | bis ^ Zoll dick auf die leidenden Theile gleichmässig aufstreicht, und entweder durch fleissiges Begiesscn beständig feucht erhält oder so off. erneuert, als er anfängt trocken zu werden. Ein solcher Lehm-brei ist besonders nützlich, wenn bei den oben bezeichneten Zu­ständen grosse und hartnäckige Geschwulst besteht. — d) Als Zu­satz zu Aufgüssen von aromatischen Kräutern, zu Waschungen, Umschlägen und Breiumschlägen, welche mehrentheils warm und dann angewendet werden, wenn die Zufälle auf Torpidität deuten, oder wenn Eiterung oder Brand drohet.
2)nbsp; Als blutstillendes Mittel, bei Blutflüssen aus der Nase, den Genitalien u. s. w., auch bei Verwundungen wird der Essig un­verdünnt angewendet; er kann aber nur gegen Blutungen aus klei­neu Gefässeu und gegen sogenannte parenehymatose Blutung etwas leisten. Viborg rühmt gegen Luugenblutsturz bei Pferden Essig­dämpfe, welche selbst dann noch wirksam waren, wenn die Thiere schon ausgestreckt lagen, nicht mehr aufstehen und kaum noch
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athraea konnten. *) — Nach seiner Vorschrift entwickelt man diese Dampfe durch Aufgiessen des Essigs auf ein erwärmtes (nicht glühendes) Stück Eisen, nahe unter der Nase des Pferdes, und so lange, bis der ganze Stall mit einem Nebel von essigsauren Däm­pfen angefüllt ist. — Ich habe dieses Verfahren gegen den Lungen-blutslurz in mehreren Fällen stets vergebens angewendet.
3)nbsp; Zu Maulwässern, bei dem gutartigen Maulweh, bei Ent­zündungen und Verletzungen der Zunge u. s. w., ganz wie die Salzsäure.
4)nbsp; Gegen das Hautjucken, welches als krankhafte Steigerung der Sensibilität, aber nicht als Folge von Unreinigkeit entstan­den ist.
5)nbsp; Zu Klystiren bei narkotischen Vergiftungen, bei Entzündung und Vorfall des Mastdarms, bei Entzünduugs- und Verstopfuugs-kolik. Mehrentheils benutzt man hierzu massig verdünnten Essig • bei der Kolik sollen aber nur einige Löffel voll Essig mit der nö-thigen Menge recht kalten Wassers zu einem Klystire genommen werden. **)
6)nbsp; Ausserdem dient der Essig noch gegen Ungeziefer als sehr wirksames Waschmittel, namentlich in Verbindung mit Tabaks-dekokt.
7)nbsp; Zur Bereitung der Senfbreie, wo er aber sehr gut entbehrt werden kann, da er die Wirksamkeit des Senfs nicht vermehrt (S. 271.).
8)nbsp; Zum Räuchern bei verdorbener, zu lange eingeschlossener, ungesunder Luft. Zu letzterem Zwecke sind die Essigdämpfe ge-wiss nicht unpassend, da sie viel SauerstoflF enthalten; das Chlor, welches sie in neuerer Zeit fast ganz verdrängt hat, kann den Es­sig hierbei in dieser Hinsicht nicht entbehrlich machen.
5. Holzsäure, Holzessig, brenzlichcr Holzessig, Acidam s. Aceliim pyro-lignosum.
519.
Die rohe Holzsäure (Jcidum pyro-lignosum rruJum), ein sehr zusammengesetztes Produkt der trockenen Destillation des Holzes, besteht aus Wasser, viel Essigsäure, essigsaurem Ammoniak, brenz-lichem Gel, Brandharz, aus einein stickstoffhaltigen Extraktivstoff,
quot;) Veler. Selskab. Skriflcr. Doel. 1 n. 2. S. 42L — Miigaz. f. llieorol. u. prakl. Tbierbeilk. von Teutfel, 1. Bd. 2. Ilcfl. S. 2ö3.
'*) Taschenbucb für Hauslliieräizte u. Oekonomcn, von J. F. Nio-mann. 1. ßinlclien, S. 7G.
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ans brenzlichem Holzessiggeist und aus Kreosot. Die Verhältnisse dieser Bestaudtheile und daher auch die Wirksamkeit der Säure sind nach Verschiedenheit der, zu ihrer Bereitung benutzten Holz­arten u. s. w. häufig etwas verschieden, und die durch noclimaligo geliiKic Destillation von den gröbern brenzlicbeu Bestandtbeilen he-freicte, sogenannte rektifiziite Holzsäurc (Acldam pyro-lign. reclißcatum) ist weniger wirksam als die rohe, wcshalli letztere den Vorzug verdient. — Nach diesen Bestandtbeilen lässt das Mit #9632; tel eine cigenthümliche und grosso Wirksamkeit erwarten, und das­selbe verdient sowohl deshall), wie auch seiner Wohlfeilheit wegen, die Aufmerksamkeit der Thierürzte recht sehr.
Die brenzlicbe Holzsäure ist bereits im grauen Alterthume be­kannt gewesen'), aber erst in neuerer Zeit wieder beachtet, und hinsiehllich ihrer Wirkung auf lebende Thiere, so wie auf todte thierische Substanzen melufältig geprüft worden.— Berres *') gab einem Haushahu durch drei Tage nach einander täglich 4 mal klein geschnittenes Brod, jedesmal mit einem -i Loth Säure getränkt, ein; das Thier wurde gleich nach dem ersten Eingeben betäubt, wankte bin und her, schäumte aus dem Schnabel und die Federn wurden buschig aufgerichtet, später wurden letztere schmutzig gelb, der Kamm blauroth, der Kopf angeschwollen, die Respiration beschwer­lich, röchelnd, und am 4ten Tage erfolgte der Tod unter Erstickungs-zufallen. — Andere HUhuer, denen man 2 Quentchen der Säure flir sich allein eingab, bekamen sogleich Krämpfe, Zuckungen, Er­brechen, dunkelblaue Farbe des Kammes, und schon nach 2 Mi­nuten erfolgte der Tod. — 1 Loth des Mittels einem Hahn in den Affer gespritzt, verursachte ähnliehe Zufälle, und in 2 Stunden den Tod. —#9632; Katzen stürzten augenblicklich nach dem Eingeben eines halben bis eines ganzen Quentchens der Säure zusammen, beka­men Convulsionen am ganzen Korper, schrieen, schäumten aus dem Maule, erbrachen sich, die Augen wurden hervorgedrängt, die Pupille sehr erweitert, der Urin ging unwillkürlich ab, und der Tod erfolgte nach 1 % bis 2 Minuten. Selbst 10 Tropfen waren bei diesen Thieren hinreichend, ähnliehe Zufälle und den Tod zu veranlassen, welcher letztere jedoch erst am dritten Tage nach dem Eingüsse erfolgte (a. a. O. S. 43). — 6 Quentchen in den Mast' dann gespritzt, tüdtetcn eine Katze unter denselben Zufällen in fi Stunden. — Bei einem Hunde entstand von 1 Drachme innerlich gegebener Säure zuerst Drang zum Erbrechen,. AusflllSS von Schaum aus Maul und Nase, nach 1 Stunde wirkliches Erbrechen mit Ent-
•) Plinins, Hist. nal. pa?. 8U. sect;. 21. quot;*) Ccbcr die liolzsöuie inul ihren Werlli. Wien IS 23. S. 39, f.
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leerung einer, nach Holzsäure riechenden Substanz, dann Traurig­keit und Sträuben der Haare. Nach 10 Stunden waren alle Zu­fälle wieder verschwunden und der Hund völlig hergestellt. — Drei Drachmen einem grossen Hunde gegeben, verursachten binnen kur­zer Zeit eine Mattigkeit in einem so hohen Grade, dass die Füsse das Thier nicht mehr ordentlich tragen konnten; nach 6 Stunden struppiges Haar, funkelnde Augen, Zittern, Ausfluss eines weissen Schaumes aus Maul und Nase, dumpfer Husten, gänzlicher Ver­lust des Appetites; nach 12 Stunden bemerkte man ausser den genannten Zufallen noch Stumpfheit der Sinne, beschwerliche Re­spiration, heiseren Husten; nach 24 Stunden waren der Schaum-ausfluss geringer, der Husten sparsamer, übrigens dieselben Zu­fälle, jedoch im höheren Grade, und noch in den nächsten 2i Stun­den steigend. Es waren alle Zeichen einer Lungenentztindnng zugegen; erst am 7ten Tage fand sich etwas lockerer Auswurf, Besserung und Appetit, und am 12ten war das Thier völlig wieder hergestellt. — Ein anderer Hund starb von einem Loth Holzsäure am 4ten Tage nach dem Eingeben, und nachdem ähnliche Zufälle entstanden waren, ganz ruhig.
Mit diesen Angaben stimmen auch die Erfolge der Versuche überein, welche sowohl von Schubarth*) wie auch von mir ge­macht worden sind; nur muss ich bemerken: dass, wenn ich den Holzessig vermittelst der Oesophagotomie und durch eine Röhre in den Magen brachte, die Zufälle stets viel milder waren, als von einer gleichen Gabe, welche durch das Maul eingegeben wurde; mehrere Hunde ertrugen auf erstere Weise eine ganze Unze des Mittels ohne lebensgefährliche Folgen.
Bei Schafen sah ich nach Gaben von | bis 1 Unze ähnliche Zufälle wie bei Hunden, besonders auch Lungenentzündung ent­stehen, und von 2 Unzen pro dosi den Tod erfolgen. — Kühe und Pferde ertrugen dagegen das Mittel bis zu 1 Pfunc' in einer Gabe ganz ohne Nachtheil; 3 bis 4 Unzen verursachten bei diesen Thie-ren oft kaum bemerkbare Veränderungen; von grossern Gaben entstand zuerst vermehrte Schleimsekretion im Maule und in der Nase, dann grössere Wärme im Maule, nach 15 bis 30 Minuten gesträubtes Haar, und zuweilen Frostschauder, kleinerer, etwas (um 8 bis 12 Schläge) vermehrter Puls, schnelleres, etwas beschwerli­ches Athmen, Verminderung des Appetits, etwas Mattigkeit, kalte Obren, und — nach 4 bis 6 Stunden sehr reichliches, oft wieder­holtes Uriniren; — in einzelnen Fällen wurde auch der Koth wei-
*) In Horn's Archiv, 1824. S. 59,
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eher, und einige Pferde zeigten massige Leibschmerzen. Nach S bis 10 Stunden war die Wirkung wieder vorüber.
Bei äusserlicher Anwendung wirkt der brenzliche Holzessig auf die betroffenen Gebilde reizend, zusammenschrunipfeml; schlaffe, blasse Granulation wird derber und dunkler geröthet, die Sekre­tion in Wunden und Geschwüren vermindert und mehr plastisch.
Todte Weichgebilde, auf welche der Holzessig durch einige Zeit eingewirkt hat, werden hierdurch gegen Fiinlniss gesenützt.
sect;. 520.
Bei den gestorbeneu Thieren fand sich fast übereinstimmeud in allen Fallen: der Kadaver in kurzer Zeit ganz steif, die Schleim­haut des Magens und des Darmkanals an verschiedenen Steilen dunkler geröthet, selbst entzündet (wenn der Tod nicht gleich nach dem Eingeben erfolgt war); der Inhalt des Verdauungskanals oil stark nach Holzsäure riechend, die übrigen Baucheingeweide ge­sund, die Luftröhre gewöhnlich mit Schaum erfüllt, die Lungen stets sehr blutreich, oft mit schwarzen Flecken versehen; das Herz an der rechten Seite mit schwarzem, flüssigem Blute ganz ange­füllt, die grossen Veneustiimme desgleichen; die linke Hälfte des Herzens leer; •Hirn- und Rückenmark sehr blutreich, aber ohne weitere Veränderung.
Aus den sämmtlichen Erscheinungen ergiebt sich: dass der Holzessig bei allen Thieren als eine sehr reizende, die Sensibilität und Irritabilität cigenthümlich erregende und umstimmende Sub­stanz wirkt, und dass er (wie es scheint durch Ueberreizung) in etwas grossen Gaben, selbst Lähmung und den Tod herbeiführt.
sect;. 521.
Man hat die brenzliche Holzsäure zwar in neurer Zeit häufig als Heilmittel angewendet, aber bisher für ihren innerlichen Ge­brauch keine bestimmte Indikationen festgestellt. Im Allgemeinen erscheint das Mittel, seinen reizenden Wirkungen gemäss, da au­gezeigt: wo die Lebensthätigkeit im Gefäss- und Nervensystem zu­gleich gesunken ist, wo die Schleimhäute erschlafft, die Sekretionen iibermässig reichlich und von zu dünner, seröser Qualität erschei­nen; daher im Besondern bei fauligen, typhösen und cachekti-schen Leiden, wenn dieselben auf torpider Atonie beruhen; bei Wassersuchten, Scbleimflüssen und Blutungen, wenn sie denselben atonischen Charakter an sich tragen.
Ich habe das Mittel gegen asthenisch-nervöse Fieber, gegen ödematöse Anschwellungen und gegen Trommelsucht des Rind­viehes mit Nutzen, — dagegen bei Rheumatismus und rheumati­schen Fiebern, bösartiger Druse und Rotz, bei chronischer Diarrhöe,
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welche nach einer zu grossen Gabe von Aloe zurückgeblieben war, in mehreren Füllen ganz ohne günstigen Erfolg angewendet.
Die Gabe darf, wie die mitgetheiltcii Versuche lehren, für die kleinen Thiere nur sehr gering sein, nämlich für Hühner und Kat­zen 1 bis 3 Tropfen, für Hunde 10 bis 20, für Schafe, Ziegen und Schweine 20 bis 40 Tropfen, täglich 1 bis 3 mal; Pferden und Rin­dern kann man dagegen eben so oft 2 bis 6 Unzen geben.
Man giebt sie entweder in einer schleimigen Flüssigkeit, oder mit andern Mitteln verbunden, in Latwergen.
Aeusserlich habe ich die Holzsäure bei Maukegeschwüreii, be­sonders bei der sogenannten ausfallenden oder Brandmatike, nach­dem die erste Entzündung vorüber war, mit ausgezeichnetem Er­folge angewendet; eben so bei anderen atonischon Geschwüren, bei Widerristschaden u. s. w., wenn die Granulation schlaff und üp­pig war; — bei Sfrahlkrcbs und in Knorpelfisteln minderte sie die Absonderung, bewirkte aber die Heilung nicht; bei dem epizooti-sehen Klauenweh war sie nützlich, bei dem bösartigen Klauenweh der Merinos hat sie aber fast nirgends das Vertrauen bestätigt, welches man nach Rödiger's günstigen Angaben *) von ihr hatte; bei Flechten und bei Räude war sie sehr wirksam; bei dem kal­ten Brande nach dem Englisiren schien sie in einem Falle zur Heilung beigetragen zu haben, in anderen Fällen leistete sie gar nichts.
Man benutzt sie bei den genannten Krankheiten zum Auspin­seln oder zum Verbinden der Geschwüre, täglich 1 bis 3 mal, — und zum Waschen der räudigen Stellen, täglich oder jeden 2fen Tag einmal. Mehrentheils ist sie für sich allein wirksam genug; bei grosser Reizlosigkeit der Geschwüre und gegen Brand habe ich sie aber auch in Verbindung mit Kampher (1 Drachme auf 4 Unzen Säure) und mit Kainphergeist (zu gleichen Theilen) an­gewendet.
sect;. 522.
Ausser den ausführlich betrachteten Säuren sind folgende noch in Kürze zu erwähnen;
Die Phosphorsäure (Acidum pliosphoricum) ist weit milder als die übrigen Mineralsäuren, zugleich aber mehr wirklich stär­kend , und den Bildungsprozess durch erhöhete Thätigkeit der Ganglien-Nerven sehr begünstigend; sie verdiente daher hei asthe-nisch-uervösen Leiden, hei dergleichen Fiebern mit erhoheter Sen­sibilität u. dergl. mehr angewendet zu werden, als es bisher in der
*) Erfahrunson über clio bösorlige Klnnenseiiche der Schafe. Clicm-iiilz lüli. S. 39.
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Thierarzueikiinde gebräuchlich war Ich habe sie in Verbindung mit bitter-aromatischen Mitteln, und abwechselnd mit Kalkwasser gegen Knochenerweichung bei Ziegen und Hunden ganz vortreff­lich wirkend gefunden. Die Gabe kann wie bei der Schwefelsäure, und selbst um die Hälfte stärker als bei dieser sein. — Die Koh­lensäure (.lc/lt;/laquo;m carbouicum) wird für sich allein auch nicht an­gewendet, sondern nur in kohlensauren Salzen und zuweilen in den Bierhefen, welche letztere von Manchen als ein wirksames Mit­tel bei hartnäckiger Verstopfung der Pferde und des Rindviehes (1 Quart mit dem Gelben von drei Eiern auf einmal gegeben) be­trachtet werden. Sie wirkt ebenfalls auf eigenthianliche Weise er­regend, in grossen Gaben angewendet, sogar berauschend; sie be­fördert überall die arterielle Thätigkeit und treibt das Blut stark gegen die äussere Peripherie des Körpers. Daher kann sie bei asthenisch-nervosen Zuständen, z. B. bei dergleichen Krampf, Kolik u. s. w., mit Nutzen angewendet werden. Im Faulfieber der Pferde habe ich sie oft mit ausgezeichnetem Erfolge gebraucht. Man er­hält sie in einem gut moussirenden Bier, bei kleinen Thieren auch in Form des sogenannten Brausepulvers, indem man z. B. für einen Hund mittlerer Grosse 1(1 Gran saures kohlensaures Natron mit 1 Esslüffel voll Wasser, und gleich darauf 1 Löffel voll schwa­chen Essig giebt. — Die Weinsteinsäure (-lr(V/laquo;m tartaHeum) wird gleichfalls nur in weinsteinsauren Salzen zuweilen benutzt. — Säuerliche Früchte aller Art können für pflanzenfressende Thiere, wenn im Sommer Seuchen mit entzündlichem Charakter herrschen, statt des Essigs benutzt werden, indem man sie zer­quetscht ins Getränk giebt. — Der Sauerkohl oder das Sauer­kraut (lirassiiu fermentula) ist innerlich auf ähnliche Weise zu gebrauchen; änsserlich wird er zuweilen als ein Hausmittel zu küh­lenden, gelind zusammenziehenden Umschlägen bei Verbällung, Huf-entzündung und dergleichen benutzt.
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Zehnte Klasse.
Reine Alkalien und Erden, oder alkalische und erdige Mittel.
(Alcalia et Terrae, Medicamenla alkaliea et terrea.) Allgemeine Bemerkungen über die Mitttel dieser Klasse.
sect;. 523.
Die Alkalien und Erden wurden früher fiir chemisch-einfache Körper gehalten, bis Davy durch seine erfolgreichen galvanischen Versuche bewies, dass sie Verbindungen sehr leicht oxydirbarer Metalle, sogenannter Metalloide mit Sauerstoff, also wahre Oxyde sind. Sie kommen in den drei Reichen der Natur häufig vor, je­doch selten rein, sondern in mannigfachen Verbindungen, meistens als Salze.
Nach dem Grade ihrer Lüslichkeit im Wasser unterscheidet man die hierher gehörigen Substanzen schon seit älteren Zeiten: 1) in eigentliche Alkalien, 2) in alkalische Erden, und 3) in eigentliche Erden.
1) Die Alkalien, früher auch Laugensalze genannt, sind im Wasser sehr leicht löslich, besitzen einen eigenthümlichen, bren­nenden, laugenhaften Geschmack, färben den Veilchensafl grün, das gelbe Pigment der Curkumewurzel und der Rhabarber braun; mit thierischen Stoffen verbinden sie sich in eigenthümlicher Art und wirken auf sie auflösend, zerstörend, weshalb man sie ätzend oder kaustisch nennt; nach C. G. Mitscherlich') geben die Kali-, Natron- und Ammoniakverbindungen mit den thierischen Flüssigkeiten keine Niederschläge; sie ändern Fette und Oele in eigenthümliche Säuren um, und bilden mit ihnen die Seifen; mit den Säuren verbinden sie sich überall sehr begierig, und bilden mit ihnen die sogenannten Neutral- und Mittelsalze.
Zu den Alkalien gehören das Kali, das Natron, das Lithion (letzteres nicht arzneilich benutzt) und das Ammoniak. Obgleich das Ammoniak in seiner chemischen Zusammensetzung von den übrigen Alkalien sehr abweicht, so muss es doch zu ihnen gezählt werden, weil es alle andere wesentliche Eigenschaften mit densel­ben gemein hat, und sich von ihnen nur dadurch unterscheidet,
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*) Med. Zeit, des Vereins f. Ileilk, in Preusscn. 4 841. Nr. 43—46.
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dass es einen Geruch besitzt und bei gewöhnlicher Temperatur gas-fürmig ist, während die übrigen selbst die Glühhitze trtragen. Man nennt deshalb die letzteren auch fixe Alkalien, das An;moniak aber flüchtiges Alkali oder Laugensalz.
2)nbsp; nbsp;Die alkalischen Erden sind weniger leicht löslich als die Alkalien, besitzen aber alle Eigenschaften derselben, jedoch in einem geringeren Grade. — Es sind die Kalkerde, die Talkerde, die Baryt- und die Strontianerde; nur die beiden ersteren werden im reinen Zustande arzneilich benutzt, so wie auch ihre Salze und die Salze der Baryterdc.
3)nbsp; Die eigentlichen Erden (Thonerde, Beryll-, Ytter- und Zirkonerde) sind nebst ihren kohlensauren und neutralen Salzen im Wasser ganz unlöslich. Sie ätzen nicht. Arzneiliche Anwen­dung macht man nur von der Thonerde und ihren Salzen.
Die metallischen Grundlagen der Alkalien und Erden verbin den sich, wie die übrigen Metalle, auch mit Schwefel und bilden damit die sogenannten Schwefellebern, die man früher für hy-drothionsanre Oxydsalze hielt, die aber nach den Erklärungen der neuern Chemie einfache Schwefelmetalle sind. Da diese Verbin­dungen der Metalloide mit Schwefel hinsichtlich ihrer arzneilichen Wirkung den Alkalien und Erden sehr nahe kommen, so finden sie auch hier ihren schicklichsten Platz.
sect;. 524.
Die Wirkungen der reinen Alkalien und der alkalischen Erden sind im Allgemeinen einander sehr ähnlich, sie treten jedoch mit verschiedenen Erscheinungen und in verschiedenem Grade ein, je nach dem Grade der Conzeutration, in welcher diese Stoffe ange­wendet werden.
a)nbsp; Im conzentrirten Zustande, d. h. trocken oder nur in sehr wenigem Wasser gelöst, zerstören sie unter heftigem, brennendem Schmerz die Textur und Mischung der von ihnen berührten thie-rischen Theile und verwandeln dieselben in eine schmierige, seifen-artige Masse, welche später zu einem Schorfe vertrocknet. Sie wir­ken also ätzend, verdichten aber dabei in der ersten Zeit die orga­nische Materie nicht (wie es die Säuren thun), sondern verflüssigen sie und lockern sie auf. — An der Gränze und unter der bewirk­ten Zerstörung entsteht Entzündung und Eiterung, und durch letz­tere die gänzliche Abstossung des Abgestorbenen. Bei innerlicher Anwendung in diesem Zustande entsteht Auflockerurg, Anschwel­lung und Zerstörung des Epitheliums und der Schleimhaut selbst, sehr vermehrte Schleimsekretion, Anätzung, Entzündung, selbst Brand der Eingeweide und mehrentheils der Tod.
b)nbsp; In massig starker Auflösung erregen diese Mittel innerlich
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wie äusserlich an den Stellen der Berührung eine schmerzhafte (erethiscbe) Entzündung, welche nicht selten in jauchende Eiterung übergeht. Bei innerlicher Anwendung entstehen dabei oft heftige Zufälle, Convulsionen, Starrkrampf, Kolik, blutige Diarrhöe, bei Tbieren, die sich erbrechen können, auch Erbrechen, und zuweilen der Tod durch Magen- und Darmentzündung. Aeusserlich erfolgt mehrentheils nach der Entzündung eine Abscbuppung der Haut.
c) In sehr schwacher Auflösung wirken sie bei innerlicher An­wendung ziuiächsi eigenthümlich erregend auf die Schleimbaut des Verdauungskanales; sie verursachen daselbst hauptsächlich eine Veränderung der Absonderungen, binden auf chemische Weise die etwa vorhandene Säure, beschränken die fernere Absonderung der­selben, machen den Darmschleim flüssiger und absorbiren Gasarten, die sich im Magen oder im Darmkanal angehäuft haben. Diese Wirkungen verbreiten sich dann weiter, und zwar theils als Folge der veränderten Digestion und Assimilation, theils auch, indem die Alkalien materiell in den Chylus, iu das Blut und selbst in die ab­gesonderten Säfte übergehen. Es wird die Gerinnbarkeit des Faser­und Eiweisstoffes und der Gallerte im Chylus, in der Lymphe, im Blute u. s. w. vermindert, Dünnüüssigkeit aller Säfte, Auflockerung und leichtere Zersetzbarkeit der organischen Materie bedingt und zugleich die Resorption derselben sehr begünstiget; die Absonde­rungen, namentlich die der serösen Flüssigkeiten, erfolgen reich­licher, und besonders wird der Urin in grösserer Menge und von mehr wässeriger Beschaffenheit entleert; zugleich verlieren die ab­gesonderten Säfte ihren Gehalt an Säure und werden zuweilen so­gar vorwaltend alkalisch. Letzteres ist vorzüglich wahrnehmbar am Urin, mit welchem ein grosser Theil der eingegebenen alkali­schen Stoffe, jedoch mit Kohlensäure und anderen Säuren zu Sal­zen umgewandelt, wieder aus dem Körper ausgeschieden wird, da • her sich in ihm auch gewöhnlich ein starker Bodensatz von diesen Stoffen bildet.
Werden die alkalischen Mittel im verdünnten Zustande durch längere Zeit in reichlicher Gabe angewendet, so stören sie die Ver-dauung und Assimilation bedeutend, vermindern den Appetit, ver­ursachen Durcbfall, wässerige Beschaffenheit und dunklere Färbung des Blutes, Aufgedunsenheit des Zellgewebes, Schlaffheit, Mürbig-keit und Schwäche in den Muskeln und Blutgefässen, und Ver­minderung der Irritabilität. Zuletzt folgt eine allgemeine Uebelsäf-tigkeit, Faulfieber, und zuweilen der Tod. — Eine eigenthümliche und direkte Wirkung auf das Nervensystem, die man den Alkalien im Allgemeinen auch zuschreibt, habe ich von ihrer innerlichen An­wendung bei Tbieren nur allein von Ammoniak bemerken können.
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Bei Injektionen in die Venen wirken diese Mittel auf ähnliche Weise wie bei innerlicher Anwendung, aber viel schneller und hef­tiger, und grosse Gaben verursachen durch schnelle Zersetzung des Blutes und durch Ueberreizung oft sehr plötzlich den Tod.
Aeusserlich angewendet wirken die sehr verdünnten alkalischen Mittel eigenthümlich die bildende Thätigkeit der Haut geiind erre­gend, die Absonderung der Hautdrüsen und des Serums im Zell­gewebe gelind vermehrend, die Auflösung plastischer Säfte und die Resorption befordernd.
Die reinen Erden besitzen wegen ihrer fast gänzlichen Unauf­löslichkeit auch fast nur eine örtliche Wirkung an den Stellen des Thierkörpers, mit denen sie in Berührung kommen, Sie verursa­chen daselbst eine schwache Zusammenschrumpfung der Fasern und Einsaugung oder selbst chemische Bindung der vorhandenen Flüssigkeiten. Hierdurch können sie allerdings auch Veränderun­gen in den Absonderungen, in dem Verdauungsprozess u. s. w. auf mittelbare Weise erzeugen. Grosse Gaben der reinen Erden wirken als unverdauliche Substanzen durch ihre Masse belästigend und störend. Ausserdem weicht die Wirkung dieser Substanzen von der der Alkalien darin ab, dass sie von den erstem seihst bei conzentrirter Anwendung nicht ätzend ist.
sect;. 525.
Die innerliche Anwendung der reinen Alkalien und Erden ge­gen Krankheiten der Thiero ist bisher nur wenig gebräuchlich ge­wesen, daher auch weder die Wirkungen dieser Mittel in verschie­denen Krankheitszuständen noch die Indikationen zu ihrer Anwen­dung vollständig erforscht sind. Es lässt sich jedoch hierüber aus den im vorigen sect;. angegebenen positiven Wirkungen und mit Be rücksichtigung einiger praktischen Beobachtungen im Allgemeinen Folgendes feststellen:
1) Als stärkster Gegensatz der Säuren dienen diese Stoffe als kräftige säurewidrige Mittel überall, wo Säure in übermässiger Menge erzeugt wird, es mag dieses durch einen Gährungsprozess in den Verdauungseingeweiden, oder durch abnorme Sekretionen von zu sauren Säften an irgend einem Orte im Thierkörper ge­schehen; daher namentlich bei unregelmässigem, wechselndem Ap petit, bei schlechter Verdauung, bei Abmagerung u. s. w., wenn der Darmkoth scharf sauer riecht, das Lackmiispapier stark röthet und mit Schleim umhüllet ist; eben so bei Durchfall, wenn die Exkremente diese Beschaffenheit zeigen; bei der Lecksucht (die sich vorzüglich am Rindvieh in einem.hohen Grade zeigt, und wobei die Thiere oft aus Instinkt Erde, Thonscherben, Kalk und dergl. fressen); bei Harnsteinen und bei Sand in der Blase und in den
UiMlnig Arzneirailtdlelirr.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 37
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Nieren, wenn der Urin viel Säure oder auch viel Schleim, Gallerte und andere fhierische Bestandtheile enthält, wie auch, wenn er iu zu geringer Menge abgesondert wird. — Nach ungeschickter An­wendung von Säuren dienen die Alkalien und Erden als die wirk­samsten Gegenmittel zur Verhütung und Beseitigung der entste­henden üblen Zuiiille.
2)nbsp; nbsp;Vermöge ihrer Eigenschaft; kohlensaures Gas in grosser Menge zu absorbireu, sind diese Mittel gegen Aufblähung des Ma­gens und des Darmkanals, daher bei der Trommelsucht der Wie­derkäuer und bei der Windkolik der Pferde sehr nützlich, beson­ders wenn die Aufblähung durch den Geuuss von frischem Klee oder von anderem saftigen Grünfutter, von gefrornen Rüben und dergleichen entstanden ist.
3)nbsp; Durch ihren Eintluss auf die Verdauung und Assimilation, durch die Veränderung der chemischen Bestandtheile der Säfte, so wie durch die stärkere Verflüssigung derselben und durch die Ver­stärkung der Resorption (sect;. 524.) wirken die Alkalien und alkali­schen Erden als sehr kräftig auflösende, zertheileude, umändernde und urintreibende Mittel bei allen Zuständen, in denen ein krank­hafter Bildungsprozess mit erhöheter Plastizität, mit gerinnbarer Ausschwitzung, mit Stockung, mit Gerinnung, Verdichtung und Verhärtung besteht; und besonders haben sie sich bei dergleichen Krankheitszuständen der Lymphgefässe, der drüsigen Organe und der Schleimhäute, bei und nach asthenischen Entzündungen mit starker Ausschwitzung, bei dergleichen Bräune, bei bösartiger Druse, bei dem Hautwurm, bei Verhärtungen der Drüsen, bei Tuberkeln, bei Hautausschlägen, bei der Egelkrankheit der Schafe, bei den Finnen der Schweine, bei Verschleimung des Verdauungskauais und der Lunge, und bei chronischen Schleimflüssen aus der Nase und aus den Geschlechtstheilen nützlich gezeigt.
4)nbsp; Auch können diese Mittel (besonders das Ammoniak und die Schwefellebern) der Beobachtung zufolge gegen Krämpfe nütz­lich sein; allein es herrscht noch ein grosses Dunkel darüber, bei welcher Art von Krämpfen diese Mittel eigentlich passend sind und wie ihre heilsame Wirkung dabei erfolgt.
sect;. 526. Als Gegeuanzeigen, die die innerliche Anwendung der Alkalien verbieten, sind grosse Schwäche und Erschlaffung der Weichgebilde und besonders des Verdauungskanals, — asthenisches Fieber im hohen Grade, namentlich Faulfieber, — stinkender, colliquativer Durchfall und dergleichen Schweiss, und sehr reichlicher Abgang des Urins zu betrachten.
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sect;• 527.
Zum innerlichen Gebrauche dürfen die reinen Alkalien, die alkalischen Erden und die Schwefellebern nur in einem so verdünn­ten oder zertheilten Zustande angewendet werden, dass sie nicht ätzend auf den Magen und Darmkanal wirken können. Die flüs­sige Fcrm ist deshalb für sie die schicklichste; weniger zweckraäs-sig geschieht die Anwendung in Latwergen und Pillen, und am wenigsten in Pulvern. Pillen und Pulver, welche alkalische Mittel enthalten, verderben auch sehr leicht, indem sie viel Feuchtigkeit und Kohlensäure aus der Luft anziehen. — Man verbindet diese Mittel, um ihre örtliche reizende Einwirkung auf die Verdauungs-eingeweide möglichst zu vermindern, besonders bei vermehrter Em­pfindlichkeit der letztem, am besten mit schleimigen Mitteln; da­gegen aber mit bittern oder selbst mit aromatischen Arzneien, weua Schwäche des Magens und Darmkanals und Unverdaulichkeit vor­handen ist. — Mit Säuren, mit Metalloxydcn und mit den meisten Metallsalzen darf man die reinen Alkalien, die alkalischen Erden und die Schwefellebern nicht gemeinschaftlich anwenden, wenn man die vollständige Wirkung dieser Mittel haben will; denn dieselben zersetzen sich gegenseitig durch ihre chemischen Kräfte.
sect;. 52S.
Aeusserlich, und zwar A. im couzentrirten Zustande, wird von diesen Mitteln das reine Kali, zuweilen auch der reine Kalk, und, obgleich seltener, auch das flüssige Ammoniak als Aetzmittel zum Zerstören der stark wuchernden Granulation, so wie der Callositä-ten in Wunden und Geschwüren, der Warzen und Feigwarzen, und der in Wunden gedrungenen Ansteckungsstoffe (besonders des Wuthgiftes) benutzt. Die genannten Mittel werden für diese Zwecke entweder ganz rein oder auch mit etwas Wasser aufgelöst, an­gewendet.
B. Im verdünnten Zustande sind diese Mittel (ausgenommen die Thonerde) vermöge ihrer, die Vegetation der Haut erregenden, ihrer auflösenden, die Resorption und die Zertheilung befordernden Wirkungen sehr nützlich: a) bei chronischen Hautausschlägen, na­mentlich bei Räude und Mauke; b) bei schlaffen, unreinen Geschwü­ren, die eine Neigung zu Verhärtungen (Callositäten) zeigen, — c) bei Geschwülsten, in denen Anhäufung von gerinnbaren Flüssig­keiten, Blutunterlaufung oder Verdichtung und Verhärtung des or­ganischen Gewebes, aber nur ein geringer Grad von Entzündung besteht, daher auch bei Verdunkelung der Hornhaut unter solchen Umständen; und — d) das Ammoniak als reizendes, ableitendes, zertheilendes Mittel bei tiefer sitzenden Entzündungen, Rheumatis­men, Verhärtungen und Lähmungen.
37quot;
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I
Mau benutzt hierbei die Mittel am besten in Wasser aufgelöst zum Waschen der betreffenden Theile und zu Umschlägen.
1. Reines vegetabilisches Laugensalz, trocknes oder
geschmolzenes Aetzkali, Alkali vegelabile eauslicum, Kali cau-
sticum siccum s. fusum (Aetzstein, Lapis causticus chirurgorum
s. Cauteriam polenliale).
I
Das Aetz-Kali ist unter den Mitteln dieser Klasse das reinste und kräftigste, und es gilt daher Alles, was liber die Wirkungen dieser Mittel im Allgemeinen (sect;. 524.) gesagt ist, von ihm ganz besonders. — Ein Pferd starb von 2 Drachmen Aetz-Kali, welche in G Unzen Wasser aufgelöst eingegeben worden, unter heftigen Kolikzufallen 32 Stunden nach dem Eingeben. Orfila sah bei einem Hunde von 32 Gran des Mittels heftiges Erbrechen, wim­merndes Geheul, Schaum vor dem Manie, gehinderte Respiration, grossen Schmerz, — am folgenden Tage bedeutende Schwäche, und am dritten Tage den Tod erfolgen. — Die Sektion zeigte die Schleim­haut des ganzen Verdauungskanals sehr geröthet, mit schwarzen Flecken, selbst mit Löchern versehen. Bei jenem Pferde fand ich ganz ähnliche Veränderungen im Magen und Darmkanal, und selbst im Maule.
Injektionen von aufgelöstem Aetzkali in die Blutadern verän­dern die Mischung des Blutes sehr gewaltsam, und vernichten zu­gleich die Reizbarkeit des Herzens. Hunde bekamen nach der In­jektion von 5 Gran Aetz-Kali, aufgelöst in 1 Drachme Wasser, so­gleich Zittern der Rumpfmuekeln, und starben nach 2 Stunden, ohne das geringste Zeichen von Schmerz oder Convulsionen vorher gegeben zu haben. Die Sektion zeigte: das Herz voluminös, die Herzkammern mit dunklem, geronnenem Blute angefüllt; die Lun­gen gesund, die Muskeln zitternd (Orfila). — Ich sah von der Injektion einer eben so starken Auflösung bei einem Hunde augen­blicklich sehr beschwerliches Athmen, grosse Aufregung, Angst, bald darauf aber Mattigkeit, unfühlbaren Puls, Lähmung, und nach 40 Minuten den Tod erfolgen; und bei der Sektion fand ich das Blut im Herzen und in den grossen Gefässen flüssig und schwarz-braun. Aehnliche Wirkungen beobachtete ich bei Pferden nach In­jektionen von 30 Grau Aetz-Kali, welche in 2 Unzen Wasser gelöst waren. Dagegen überstanden einige Pferde das Einspritzen einer Auflösung, welche aus 12 bis 20 Gran des Mittels und 3 Unzen Wasser bestand; sie wurden etwas munterer, die Wärme vermehrt, die Schleimhaut im Maule dunkler geröthet, dei Puls klein und
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schnell; das Athmen etwas angestrengt; es fand sich Gähnen, Rek­ken und Dehnen der Gliedmaassen, Umsehen nach dem Leibe, Drang zum Uriniren; nach ^ his 1 Stunde erschienen die Thiere matt und traurig, aber nach 3 bis 5 Stunden war die Wirkung wieder vorüber.
sect;. 530.
Innerlich wird das Aetz-Kali seiner heftig reizenden und ätzen­den Wirkung wegen höchst selten angewendet, und wohl mit Recht, da es durch das mildere Kalkwasser und durch das auch mildere kohlensaure Kali (Potasche) zu ersetzen ist. — Abildgaard ver­suchte gegen den Rotz eine kaustische Lauge, die aus \ Unze ät­zendem Langensalz mit 2 Pfund Wasser bereitet war (also in 1 Unze Flüssigkeit ri\ Gran Aetz-Kali enthielt); die Einspritzung die­ser Lauge in die Nase bewirkte stärkern Ausfluss des Eiters, und von ihrer innerlichen Anwendung in Gaben zu -i Unzen entstand Speichelfluss (wahrscheinlich nur durch die örtliche Einwirkung auf die Maulschleimhaut), aber übrigens blieb der Gang der Krank­heit unverändert. *)
Will man das Mittel gegen eine, im sect;. 525. angedeutete Krank heit innerlich anwenden, so darf es nur in sehr geringen Gaben, nämlich bei Pferden von 15 bis 20 Gran, bei dem Rindvieh von 20 bis 30 Gran, bei Schafen und Schweinen von 4 bis 6 Grau, und bei Hunden von 1 bis 4 Gran, und nur in einer so verdünn­ten Auflösung geschehen, dass man letztere im Munde ertragen kann. Hierzu ist 1 LTnze Wasser oder andere Flüssigkeit auf 2 Gran Aetz-Kali hinreichend. — Zusätze von anderen Mitteln macht man nach Anleitung des sect;. 527. — Die Wiederholung geschieht in Zwischenzeiten von 10 bis 12 Stunden, und nach 3 bis 4tägi-gem Gebrauche lässt man das Mittel durch ein oder zwei Tage aussetzen.
sect;. 531.
Aeusseriich benutzt man das Aetz-Kali im conzentrirten Zu­stande als Aetzmittel zur Zerstörung der wuchernden und unreinen Granulation, der Warzen, und der schwieligen Verhärtungen in Wunden, der Verhärtungen in Geschwüren, des AnsteckungsstofFes in Bisswunden von wutbkranken Thieren und dergl. (sect;. 528. A.). Es verdient für diese Zwecke in den meisten Fällen zum thierarz-ncilichen Gebrauche den Vorzug vor den übrigen Aetzmitteln, weil es wohlfeil ist, und in die Tiefe eindringt; allein da es bei der An­wendung begierig Feuchtigkeit anzieht und deshalb sehr leicht zer-fliesst, so hat es auch wieder den Nachtheil, dass es seine zerstö-
*) Vioorg, Sammlung von Abhandlungen; !. Bandchen. S. 419.
.
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rende Wirkung sehr oft viel weiter verbreitet, als es nöthig ist. Auch ist wohl zu beachten (was schon sect;. 524. angegeben), dass das Aetz-Kali die betroffenen Theile zuerst erweicht, auflockert, und in eine breiige Masse auflöst, und dass der hierauf sich bildende Schorf längere Zeit etwas feucht bleibt und niemals so fest wird, wie nach dem Aetzen mit Säuren oder mit dem Höllenstein; doch haftet er fester und sitzt tiefer als der von letzterem Mittel. Man darf es daher als Aetzmittel da nicht anwenden, wo Erschlaffung, starke ödematöse Geschwulst, ein fauliger Charakter der Entzün­dung, und Neigung zum Brande besteht, oder wenn wichtige, zarte Organe in der Nähe liegen; dagegen ist das Aetz-Kali sehr gut geeignet zur Zerstörung tbicrischer Gifte (Contagien) in Wunden und Geschwüren, besonders aber ist es, nach den Empfehlungen Mederer's v. Wuthwehr, zur Vernichtung des Wuth-Contagiums in Bisswunden von tollen Hunden u. s. w., das beste Mittel.
1)nbsp; Das Aetzen geschieht am besten mit dem trockenen Kali, welches man nach Verhältniss der Dicke der kranken Gebilde durch #9632;jf bis 2 Minuten anhaltend mit den letzteren in Berührung bringt, nachdem sie mit einem Schwämme von der überflüssigen Feuch tigkeit befreit worden. Weniger zweckmässig ist es, Stückchen von Kali in unreine Geschwüre und Aftergebilde zu legen. — Zu­weilen wendet man auch eine conzentrirte Auflösung von 8 bis 15 Gran Aetz-Kali in einer Unze Wasser (als sogenannte Aetzlauge) oder eine ähnliche Auflösung in Weingeist bei Fisteln und bei tief eingedrungenen nureinen Bisswunden an, nachdem man dieselben ausgeschnitten oder wenigtens skarifizirt und nach dem Ausbluten völlig gereiniget hat.
Um dem Aetz-Kali die Eigenschaft des schnellen Zerfliessens und des weitern Umsichgreifens der Aetzung zu nehmen, hat man unter der Benennung: „Wiener Aetzpulverquot; ein Gemenge von ihm (5 Theile) mit Aetz-Kalk (6 Theile) empfohlen, welche man als Pulver einstreuen, oder mit etwas Wasser oder Weingeist zu einem Teige gemacht, auf die kranken Stellen appliziren kann. Die ät­zende Wirkung erfolgt hiernach genau begränzt, fast ohne Schmerz, und noch schneller als von dem reinen Kali, so dass oft schon nach einer halben Stunde ein Schorf entstanden ist. Auch lässt sich das trockene Gemenge in gut verschlossenen Gläsern aufbewahren; frisch bereitet ist es jedoch am wirksamsten.
2)nbsp; Im verdünnten Zustande, d. i. In Auflösungen von 1 bis 3 Gran Aetz-Kali in 1 Unze Wasser, hat sich das Mittel zum Wa­schen bei Räude, Flechten und Mauke, und eben so zum Waschen oder zu Umschlägen bei Stockungen, Verhärtungen und dergl. (sect;. 528. B.) sehr wirksam bewiesen. Die Anwendung kann bei
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den ersteren Krankheiten täglich 1 bis 2 mal, bei den letzteren aber 6 bis 8 mal wiederholt werden.
Anmerkung. Das Aetz-Natrum oder das ätzende mi­neralische Laugensalz, die reine Soda, Natronhydrat (Kairam causticum s- purum, Sal Aleali minerale causlieum, Oxydum A'airi hydralum) — kommt in den Wirkungen mit dein Aetz-Kali ganz überein, ist nur etwas milder und zerfliesst nicht so an der Luft wie das Kali. Es kann ganz wie das letztere benutzt wer­den; seine Anwendung ist aber fast gar nicht gebräuchlich
2, Ammonium, Actz - Ammonium , flüchtiges Alkali,
flüchtiges Laugensalz, Sal volatile ammmttatum, Sal volatile;
nach neuerer Bezeichnung: Ammoniak, Ammonium, Ammonium
causticum.
sect;. 532.
Das Ammoniak besteht für sich allein und bei gewöhnlicher Temperatur nur als ein Gas, welches aber vom kalten Wasser be­gierig absorbirt wird und mit demselben das flüssige Ammo]-nium oder die Aetz-Ammoniakflüssigkeit oder den soge­nannten Salmiakgeist (Ammonium litjuidum, Liquor Ammoniaci s. Ammonii caustici, Spiritus sallt ammoniaci causticus etc.) darstellt. Diese Flüssigkeit enthält (nach der Preuss. Pharmakopöe bereitet) gegen 6 bis S pr. C. reines Aetz-Ainmoniak, und ist das gewöhn­liche Präparat, in welchem das letztere zum Arzneigebrauche dient.
Der Salmiakgeist im unverdünnten Zustande wirkt, bei inner­licher Anwendung, örtlich sehr stark und durchdringend reizend, entzündend und selbst ätzend, in letzterer Hinsicht aber schwächer und weniger tief eindringend als das Aetz-Kali; auch macht er noch weit weniger als dieses einen trockenen, festen Schorf, son­dern er bildet mit den thierischen Substanzen flüssige Verbindun­gen. — In die Haut eingerieben bewirkt er heftige Reizung, Ent­zündung mit seröser Ausschwitzung und mit Bläschen, oft auch Zerstörung der Oberhaut und Ausgehen der Haare, die jedoch in kurzer Zeit wieder wachsen.
Die reizende Wirkung verbreitet sich, besonders bei innerlicher Anwendung, sehr schnell fast durch den ganzen Organismus, tritt aber am deutlichsten in den Ganglien- und Rückenmarksnerven, in den Respirationsorganen, im Herzen und -in den kleinen Gelas­sen der Schleimhäute, der Drüsen und der Haut hervor; sehr grosse Gaben scheinen auch das Rückenmark und das Gehirn, letzteres aber weniger als ersteres, zu affiziren. — Bei dem Eingeben des Mittels entsteht fast jedesmal zuerst starker Husten, veranlagst
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durch die umnitielbare Einwirkung des, in der Wärme des Mauls stark verdunstenden Ammoniaks. Die übrigen Erscheinungen nach dein Eingeben der conzentrirteu Flüssigkeit in massiger Gabe (z.B. von 2 Drachmen bei Pferden und Rindvieh, von 8—12 Tropfen bei Hunden) sind: Geifern aus dem Maule, munterer Blick, erhöhete Wärme der Haut und der ausgeathmeten Luft, lebhaftere Röthung der Schleimhaut im Maule und in der Nase, etwas vollerer, schnel­lerer Puls, schnelleres Atlunen, bei Hunden zuweilen Erbrechen, grosse Unruhe; — später vermehrte Hautausdünstung, vermehrte Absonderung an den Schleimhäuten, oft auch reichliches Uriniren; nicht selten bemerkt man auch Anätzungen der Schleimhaut im Maule. Jene Wirkungen dauern i bis 2 Stunden. — Von grossen Gaben entstehen ausser den angegebenen Zufällen oft auch Krämpfe (Tetanus), vorzüglich in den Muskeln des Halses, wobei derselbe stark nach rückwärts gezogen wird, Fieber, Entzündung des Ma­gens und Darmkanals, zuweilen auch der Lunge, und mehrentheils folgt der Tod. Bei Orfila's Versuchen starb ein Hund nach dem Eingeben von 36 Grau reiner Aetz-AmmoniakQüssigkeit in 23 Stun­den, ohne dass Lähmung oder Convulsionen entstanden waren. — Pferde ertrugen bei meinen Versuchen das Mittel bis zu i Unze ohne gefährliche Folgen; aber von 1 Unze starb ein Pferd in Zeit von 16 Stunden an Darmentzündung und ein anderes von 3 Un­zen schon nach 50 Minuten unter heftigen Krämpfen und unter Erstickungszufallen.
In die Venen gespritzt verursacht der Salmiakgeist im Wesent­lichen dieselben Zufalle. Ein Hund zeigte nach der Injektion von 60 Gran augenblicklich Starrkrampf, unwillkürlichen Abgang des Urins, heftige Convulsionen, und starb nach 10 Minuten (Orfila). Bei Pferden von verschiedener Constitution sähe ich nach Injektio­nen von 1 Drachme des Mittels mit 1 Unze Wasser verdünnt nur eine sehr geringe Beschleunigung der Pulse, ohne anderweitige Ver­änderungen eintreten; nach Injektionen von 2 Drachmen bis ^ Unze des unverdünnten Mittels bekamen sie einen munteren Blick, etwas schnelleres Athmen, stärker fühlbaren und viel schnelleren Herz­schlag und Puls der Arterien, erhöhete Temperatur der Haut und zuweilen selbst Schweiss. Krämpfe traten niemals ein. — Nach Injektionen von 1 Unze des Mittels entstanden dieselben Zufälle in stärkcrem Grade und oft. noch in der ersten Minute auch Schwin­del, zuweilen bis zum Niederstürzen, und Krämpfe, die aber nach 4 bis 6 Minuten wieder verschwanden. — Von 2 Unzen starb ein Pferd unter heftigen Krämpfen unmittelbar nach der Einspritzung.
Im verdünnten Zustande wirkt der Salmiakgeist bei der ver­schiedenen Anwendung ganz in derselben Art., aber verhältnissraäs-
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sig milder, besonders örtlich, und er wird daher auch in diesem Zustande bei innerlicher Anwendung in grösseren Gaben, als die oben bezeichneten sind, ertragen.
Neben der flüchtigen Reizung bringt das Aetz-Ammoniak (be­sonders bei fortgesetzter Anwendung) dieselbe Wirkung auf die Säfte u. s. w. hervor, wie die übrigen Alkalien (g. 524.). C. G. Mitscherlich (a. a. 0.) giebt jedoch aus seinen Versuchen an Kaninchen noch folgende Resultate über die eigenfhüinlichen Wir­kungen dieses Mittels: Es bildet bei der Aetzuug flüssige Verbin­dungen, und führt bei innerlicher Anwendung selbst in grossen Gaben nicht ab; es wird resorbirt, da man sowohl im Magen Avie auch in Wunden nach seiner Anwendung sehr wenig von ihm wie­derfindet; das Blut wird dünnflüssiger und gerinnt langsamer, zeigt aber keine alkalische Beschaffenheit, eben so der Harn, daher zu schliessen ist, dass das Ammoniak, nach seiner Resorption Verbin­dungen eingeht, die nicht mehr alkalisch reagiren.*) Auf den Dünndarm wirkt es spezifisch; denn auch von Wunden her zer­stört es, unter starker Schleimbildung, das Epithelium desselben. Es wird nicht blos von den Gelassen aufgenommen, sondern dringt auch in gerader Richtung durch die Gewebe, — und es tödtet (in grossen Gaben) vom Magen und von Wunden aus auf gleiche Weise, unter denselben Erscheinungen und mit gleicher Zerstörung des Dünndarms, jedoch wahrscheinlich erst nachdem es resorbirt ist und eine Blutveriinderung hervorgebracht hat.
sect;. 633.
Die innerliche Anwendung des Salmiakgeistes kann zwar nach denselben Indikationen geschehen, welche für die Kalien überhaupt gelten (sect;. 525.); indessen ergiebt sich doch von selbst, dass seine flüchtig reizende Wirkung noch eine besondere Berücksichtigung verdienen muss. Er kann in dieser Hinsicht gegen solche asthe-nische Nervenleiden, bei denen gleichzeitig die Sensi­bilität und die Irritabilität sehr vermindert sind, und wo in Folge der verminderten Nervenkraft die Bewe­gungen und die Absonderungen unregelmässig gesche­hen, wie z. B. bei Schlagfluss, bei Lähmungen, Nervenfieber mit Torpor, bei der Staupe der Hunde mit Krämpfen und mit grosser Abstumpfung, bei Krämpfen überhaupt, besonders aber bei krampf­hafter Harnverhaltung und dergl. ein wirksames Heilmittel sein; allein er wird gegen diese Krankheiten, und überhaupt innerlich nur sehr selten benutzt, theils weil er bei dem Eingeben, selbst im verdünnten Zustande, Oft starken Husten und andere Beschwerden
*) Sollle es vielleicht lerselzl werden?
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erregt, fheils auch, weil er durch das milde kohlensaure Ammoniak und Hirschhornsalz in den allermeisten Fällen weit besser zu er­setzen ist. —
Am besten findet der Salmiakgeist, vermöge seiner chemischen Wirkung auf das kohlensaure Gas und andere saure Gase, und vermöge seiner reizenden Wirkung auf den Magen und Dünndarm eine Anwendung gegen das Aufblähen der Wiederkäuer, wo er ganz vortreffliche Dienste leistet, besonders wenn das Aufblähen erst frisch entstanden und durch den Genuss von Griinfutter ver­ursacht ist. Sehr oft sähe ich hier (wie auch andere Thierärzte*) unmittelbar nach dem Eingeben des Mittels den Bauch und die Flanken beträchtlich zusammenfallen. Der Salmiakgeist verbindet sich sowohl mit der im Magen vorhandenen Kohlensäure, wie auch mit dem Schwefelwasserstoffgas, und, indem er dieselben in dich­tere Substanzen umwandelt, vermindert er ihren Umfang sehr be­deutend. Wegen dieser Wirkung auf das zuletzt genannte Gas hat er den Vorzug vor dem Kalk und dem Kalkwasser; dagegen hebt er die fernere Entwickelung dieser Gase aus den noch in fortdauern­der Gährung befindlichen Nahrungsmitteln nicht auf, und seine An­wendung muss deshalb in manchen Fällen wiederholt werden. Bei einem sehr hohen Grade der Aufblähung leistet er nicht genug, und er macht unter solchen Umständen den Troikart nicht ent­behrlich.
In neuerer Zeit ist das Mittel auch bei Vergiftungen mit Blau­säure als das wichtigste Gegengift empfohlen worden; es hat sich aber als solches bei unsern Versuchen hierüber nicht im mindesten bewährt.
Gegen Betäubung durch iibermässigen Genuss tpirituüser Sub­stanzen ist der mit Wasser verdünnte Salmiakgeist innerlich, so wie als Waschmittel angewendet, nützlich gewesen.**) Man kann ihn in solchen Fällen auch als Klysticr appliziren.
Haync (Arzneimittellehre) empfiehlt ihn auch gegen plastische Ausschwitzungen bei und nach Entzündungen, als auflösendes MVttel innerlich zu gebrauchen. Die Erfahrung hat hierüber noch nichts entschieden; es scheint aber, dass das Mittel, wenngleich es die bezeichnete Wirkung besitzen mag, der mildern und wohl­feilem Potasche in diesem Gebrauche nachstehen muss.
Einspritzungen des verdünnten flüchtigen Alkali in die Dros-
*) VollslUnd. Ilamlb. d. Vieharzneikunst von Cliabert, Flandrin und Buzard. S. 124 n. 125.
**) Journ. de mlaquo;hl. vilfir. 183S. p. 114.
Itai
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Beivene empfahl Royo gegen den Rotz;*) ich habe sie bei vier mit dieser Krankheit behafteten Pferden oft wiederholt angewendet, aber in keinem Falle Nutzen davon gesehen.
sect;. 534.
Die Gabe vom Salmiakgeist ist für Pferde 2 Drachmen bis | Unze, für Rinder das doppelte und bis zu 2 Unzen, für Schafe und Schweine 1 Skrupel bis 2 Drachmen, für Hunde 5 bis 15 Tro­pfen. Die Wiederhclung geschieht in Zwischenräumen von 20 Mi­nuten (z. B. bei schneller Wiederkehr des Aufblühens) bis zu 2 Stunden, je nachdem die Zufälle es verlangen. Man giebt das Mit­tel nur in flüssiger Form, und stets sehr verdünnt, so dass ein Theil desselben mit 40 bis 50 Theilcn anderer Flüssigkeit, z. B. mit kaltem Wasser, mit einem schleimigen oder bittern Dekokte u. dergl. zusammengemengt wird. Recht zweckmässig ist ein Zu­satz von Weingeist. Die Flüssigkeit darf nur kalt, oder höchstens lauwarm eingegeben werden, um das starke Verdunsten des Am­moniaks, Schwächung der Wirksamkeit und Husten zu vermeiden. Säuren, saure Salze, erdige und metallische Salze, und narkotische Tinkturen dürfen mit dem Mittel nicht verbunden werden.
sect;. 535.
Aeusserlich ist der reine Salmiakgeist zur Zerstörung des Gif­telaquo; in Bisswuuden von tollen Hunden und von giftigen Schlangen empfohlen; er wird aber sehr selten hierzu benutzt, weil er besser durch Aetz-Kali oder Salzsäure und andere Mittel zu ersetzen ist.
Dagegen dient er sehr häufig als ein reizendes, Verhärtungen auflösendes, zertheilrndes, ableitendes und krampfstillcndes Mittel bei schleichenden asthenischen Entzündungen unter der Haut, bei Bräune, bei veralteter Buglahmheit und Verstauchung, bei chroni­schem Rheumatismus und bei hiervon entstandenen Lahmheiten, bei Stockungen und Verhärtungen, daher bei zu Verhärtung nei­genden Stollbeulen, Piephacken und Sehnenklapp, bei Krämpfen und Lähmungen.
Die Anwendung geschieht bei diesen Zuständen gewöhnlich in Verbindung mit 2 bis 4 Theilcn eines fetten Oels, wodurch das sogenannte Ammonium - Liniment, flüchtige Liniment,
oder die flüchtige Salbe (Linimentum s. Oleum ammonialum, Li-
nimentum volatile), eine Art flüssiger Seife entsteht. — Zuweilen setzt man hierzu noch 1 bis 2 Theile Kampheröl (sect;. 321. f.), und erhält so das flüchtige Kampher-Linim'ent {Linimentum am-munialo-camphoratum), welches etwas mehr erregend wirkt als das vorige; und noch stärker reizend wird das Liniment durch den
') Pomingo Royo L'laye de Albeyieria. Mailrid iH i.
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Zusatz von Terpentinöl, Steinöl, von Kantharidentinktur oder auch von Kantharidenpulver. Will man aber mehr gelind auf losen und zertheilen, so ist die Verbindung des Ammonium-Liniments mit der grauen Quecksilbersalbe, oder auch mit. grüner Seife in ver­schiedenem Verhältniss, sehr zweckmässig. Auch mit 1 bis 6 Theilen Weingeist oder Kampherspiritus verbunden, benutzt man den Sal­miakgeist bei Lähmungen, Rheumatismus etc., z. B. als schmerz­linderndes Mittel bei rheumatischer Spannung der Muskeln und Sehnen nimmt man: LUpior. ammou. causf. 4 Unzen, Spirit, vini reeiific. 3 Unzen, Spirit, rnmphor. 1 bis 2 Unzen. — Zum stärkern Reizen und Blasenziehen: Liquor. Amman, rausf. part. 5, Tinct. Cantharid. part. 2. Letztere Mischung muss etwas reichlich auf den Theil gebracht werden. Dagegen geschieht die Anwendung der erstem Mittel, je nachdem es der Grad des Uebels erfordert, täglich 1 bis 3 mal durch gelindes oder starkes Einreiben in die. Haut auf den kranken Theilen und in deren Umgebung. Es ist aber dabei zu beachten, dass durch wiederholte Anwendung, bei Pferden mit zarter Haut nicht selten schon durch die erste Einrei­bung starke Entzündung der Haut, Ausschwitzung, und später Ausfallen der Haare entsteht. Letztere wachsen jedoch bald wieder.
3. Aetz-Kalk, Calcium-Oxyd, reiner, gebrannter oder
lebendiger Kalk, Calcium oiydalum s. Oxyd am cateirum, CaLr
usla s, viva s. caustiia;— und Kalkwasser, Ayua Calcis, s. Aqua
Calcis vlvae s. tistae, s. Aqua Calcariae.
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sect;. 536.
Die Eigenschaften des Kalkes sind, je nachdem er im reinen, conzentrirten Zustande oder mit Wasser verbunden besteht, etwas verschieden. Wird Kalkerde mit etwa der Hälfte ihres Gewichts Wasser zusammengebracht, so erhitzt sie sich bedeutend und zerfällt in ein weisses Pulver, gelöschter Kalk, Kalkhydrat {Hydras eal-eiens), welches zwar noch ätzend, aber doch etwas milder ist als der trockne Aetzkalk. Dieses Hydrat lost sich in etwa 600 bis 700 Theilen kaltem, oder in etwa 1200 bis 1300 Theilen heissem Wasser auf und bildet das Kalkwasser; mit weniger Wasser löst es sich unvollkommen und stellt eine trübe, milchweisse Flüs­sigkeit, die Kalkmilch dar.
a) Der Aetz Kalk in conzentrirfem Zustande erzeugt örtlich starke Reizung, Entzündung und Aetzung, jedoch etwas weniger tief eindringend als das Aetz-Kali. Die Ursache dieser etwas ge­ringeren Wirksamkeit beruhet wahrscheinlich zum grossseu Theil in der schweren Löslichkeit des Kalkes und in seiner bald erfolgen-
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den Sättigung mit Kohlensäure, indem er dieselbe fiberall begierig an sich zieht und dadurch gemildert wird. — Ausserdem ist die Wirkung des Kalkes noch darin eigeutbtimlich, dass sie mit mehr Austiockuung und Zusammenschrumpfung der betrotTenen Theile verbunden ist, als die Wirkung der (ihrigen alkalischen Mittel.
Innerlich gegeben wirkt der Aetz-Kalk ebenfalls etwas weniger scharf auf die betroffenen Theile, als das Kali und Ammoaiak, und er wird daher auch in etwas grösseren Gaben ertragen, ohne dass lebensgefährliche Zufälle entstehen; hei grossen Gaben bleiben diese jedoch nicht aus, und bei fortgesetzter Anwendung derselben ent­stehen sie oft sehr plotziich im hohen Grade.
Ein Hund, dem Orfila (Toxikologie, Bd. 1. S. 1S9.) 2| Drach­men Aetzkalk eingegeben, brach nach 10 Minuten eine Menge Nah-rungsmittel aus, hatte Schaum vor dem Maule und äusserte Schmerz. Am folgenden Tage hatte er sich wieder erholt. Als ihm aber arn 5teu Tage 3 Drachmen des Mittels eingegeben worden, erbrach er sich nach 2 Minuten, wurde schwach und starb 3 Tage darauf, ohne eine Spur von Schwindel, Convulsionen und dergl. — Die mit dem Kalke in Berührung gewesenen Theile zeigten sich ent­zündet, alle übrigen Organe aber gesund.
Viborg (Samml. von Abhandlung., 4tes Bdchn. S. 254.) gab einem alten gesunden Pferde auf das Futter täglich 4 Loth pulve-risirten ungelöschten Kalk durch 14 Tage, ohne dass man eine Wir­kung davon bemerken konnte; das Pferd frass auch sein Futter mit dem gewöhnlichen Appetit. Es wurden ihm hierauf täglich 8 Loth von diesem Kalke auf das Futter gegeben, und als dies durch 14 Tage geschehen, hatte der Mist eine weiche Consistenz ange­nommen, war aber gut verdauet. Dieselbe Quantität des Mitfels wurde nun noch 14 Tage hindurch täglich mit dem Futter gege­ben, ohne dass davon eine nachtheilige Folge für die Gesundheit des Pferdes entstand. Als man hierauf den Kalk aussetzte, wurde nach einigen Tagen der Koth hart, klein geballt, und dunkel ge­färbt. Uebrigens gingen alle Verrichtungen des Pferdes wie im gesunden Zustande vor sich.— Viborg schliesst aus diesen Ver­suchen: dass der ungelöschte Kalk nicht die gefährliche Wirkung auf die Verdauungseingeweide des Pferdes habe, wie man gewöhn­lich glaubt; dass er vielmehr den Darmkanal reize, die Verdauung befördere, die Absonderungen an der inwendigen Fläche des Darm­kanals vermehre und hierdurch den Mist dffnner mache; dass er aber in zu grossen Gaben oder bei zu langem Fortgebrauche eine Ueberreizung und Schwäche bewirke, und dass, wenn man unter solchen Umständen plötzlich damit aufhört, Kolikzufälle aus Man­gel der Verdauung entstehen müssen.
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Ich habe diese Versuche mit dem Aetz-Kalk auf dieselbe Weise an mehr als 20 Pferden wiederholt und kann die bezeichneten Wir­kungen, so weit sie den Magen und Darmkanal betreffen, bestäti­gen, muss aber hinzufügen, dass viele Pferde gleich von dem Ge-nnss des ersten, mit frisch pulverisirtem Aetz-Kalk gemengten Fut­ters (1 bis 3 Loth Kalk mit 1 Metze Hafer und Häcksel) an ein­zelnen Stellen im Maule, an der Zunge, den Lippen u. s. w. Ent­zündung und Corrosionen der Schleimhaut, Geschwulst dieser Theile und Ausfluss von zähem Speichel aus dem Maule bekamen;*) — dass manche Pferde zwar das mit Kalk gemengte Futter ganz be­gierig frassen, viele aber nach dem einmaligen Genuss desselben es in Zeit von 2 bis 3 Tagen nicht wieder berührten, sondern lie­ber hungerten: — und dass einzelne bei dem, durch 3 bis 4 Wo­chen fortgesetzten reichlichen Kalkfuttern plötzlich in ein astheni-sches Fieber verfielen, dabei beschwerliches Athmen, ödematöse An­schwellung des Kopfes und der Beine, Kolikzufälle und grosse Schwäche zeigten und unter allen Erscheinungen eines akuten Faul­fiebers in 2 bis 4 Tagen starben.
Von dem auf dieselbe Weise gegebenen sogenannten Mehl­kalk oder Kalkinehl (d. i. der an der freien Luft zu einem Pul­ver zerfallene, durch Aufnahme von Kohlensäure und von Wasser viel milder gewordene Kalk), entstand nur sehr selten eine Spur von ätzender Einwirkung auf das Maul.
sect;. 537.
b) Das Kalk wasser ist im reinen Zustande eine vollkommene Auflösung von 1 Theil Kalkhydrat in etwa 600 bis 700 Th. Was­sers,**) und wird nach Vorschrift der Preuss. Pharmakopöe bereitet, indem man 1 Theil Aetz-Kalk mit 30 Theileu kalten Wassers ab­löscht und dann, nachdem die unaufgelösten Kalktheile sich auf den Boden gesenkt, die obere, klare Flüssigkeit zum Gebrauch ab-giesst und in gut verstopften Gläsern aufbewahrt.
Es wirkt bei innerlicher Anwendung selbst in grosseu Gaben (z. B. zu 6 Pfd. bei Pferden, zu 9 Pfd. bei Rindern und zu 1 Pfd. bei Hunden) auf die Schleimhaut des Verdauungskanals nicht ätzend, sondern reizend, zugleich aber gelind zusammenziehend, den To­nus erhöhend, stärkend, die Absonderungen beschränkend, die zu grosse Reizbarkeit vermindernd, — ausserdem auch im vorzüglichen
*) Dieselbe örtliche 'Wirkung salie ich bei 2 Pferden, welche die, vor 6 Stunden mit frisch gelöschtem Kalke übertünchten Stallwände be­leckt hatten, entstehen.
**) Zuweilen enthält äaa Kalkwasser auch etwas aufgelöstes Aeu-Kali, wodurch es viel mehr reizend, selbst ätzend wird.
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Grade Säuren und kohlensaures Gas absorbirend. — Die stärken­den Wirkungen verbreiten sich weiter auf die drüsigen Organe, auf die Lymphgefässe, auf die Scbleirahaut der Respirationsorgane und vorzüglich auf die Urinwerkzeuge; es wird der ganze Vegetatious-prozess umgestimmt und die Absonderungen werden nicht allein in der Menge vermindert, sondern auch qualitativ verändert.
Bei Injektionen von 2—6 Unzen Kalkwassers in die Drossel­vene an Pferden sähe ich die Herzschläge schwächer, aber um 6 bis 8 in der Minute vermehrt werden und reichliches Uriniren ent­stehen. Andere Erscheinungen traten nicht ein.
Auf die unverletzte Haut wirkt das Kalkwasser nur schwach reizend und geliud zusammenzieheiul. — In Wunden und Geschwü­ren wirkt es auf dieselbe Weise, aber etwas tiefer eindringend; es verbessert bei einem asthenischen Zustande derselben die Eiterung und Grauulation, mindert beide, wenn sie zu reichlich von statten gehen, und man betrachtet es daher als ein reinigendes und aus­trocknendes Mittel.
Die sogenannte Kalkmilch erzeugt dieselben Wirkungen wie das Kalkwasser, aber in einem weit stärkern Grade, und nament­lich ist die örtliche Reizung und Zusammenziehung an wunden Stellen viel heftiger. Von den Schleimhäuten der Verdauungsein­geweide wird aber die Kalkmilch ohne Kachtheil ertragen. — Auch dieses Mittel muss in gut verstopften Gläsern aufbewahrt oder am besten vor dem Gebrauch erst frisch bereitet werden.
sect;. 538.
Die innerliche Anwendung des reinen Aetz-Kalkes im conzen-trirten Zustande ist niemals nothwendig und darf bei keiner Thier-gattung, auch selbst bei Pferden, nicht, empfohlen werden, obgleich Viborg's Versuche die Anwendung bei den letztern als fast ganz gefahrlos darstellen. *)
Dagegen kann eine Auflösung und sehr verdünnte Mengung mit Wasser, am besten das Kalkwasser innerlich bei allen Krank­heiten, welche im sect;. ö2fi. angedeutet sind, als das passendste alka­lische Mittel benutzt werden, und zwar, seiner tonischen Wir­kung wegen vorzüglich dann, wenn diese Krankheiten in Erschlaffung und Reizlosigkeit der Schleimhäute des
*) Nur Pferdehändler benulzeii zuweilen den ungelöschlen Kalk, um Ihre Pferde schnell wohlbeleibt zu machen, indem sie ihn in kleinen (luanuiälen unter das Fuller mengen, oder noch besser, ihn im Getränk mit Mehl, Schlot oder Kleie geben. Mehrenlheils gebrauchen sie aber den milderen Mehlkalk. Solche aufgeschwemmle Plerde sind aber sehr weichlich und erkranken sehr leicht nach geringen Ursachen.
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Verdauungskanals, der Harn- und Geschlechtsorgane und der Luftrohre, oder in Atonie der Lymphgefässe und Lymphdrüsen begründet sind. — Eine Wiederholung der Namen dieser Krankheiten scheint unnöthig, und es verdient nur noch bemerkt zu werden: dass das Kalkwasser, wegen seiner Eigenschaft, das kohlensaure Gas reichlich zu absorbiren, gegen das Aufblähen der Wiederkäuer nach dem Geuuss von Grünfutter, besonders von frischem Klee, am häufigsten unter allen absorbiren-den Mitteln, und sehr oft mit dem besten Erfolge gebraucht wird;
—nbsp; dass es von Viborg (Anleit. z. Erzieh, u. s. w. des Schweins S. 107.) gegen die Borstenfäule der Schweine sehr empfohlen ist;
—nbsp; und dass es, besonders von französischen Thierärzteu, als ein wirksames Heilmittel gegen den Rotz gerühmt worden ist, aber nur in äusserst seltenen Fällen eine dauerhaft gute Wirkung ge­zeigt hat.
sect;. 539.
Man giebt das Kalkwasser den Pferden zu 2 bis 6 Pfund, den Rindern zu 3 bis 9 Pfund, Schafen, Ziegen und Schweinen zu J bis IJ- Pfund, Hunden %—3 Unzen, — und wiederholt diese Ga­ben bei chronischen Krankheiten täglich 2 bis 3 mal, aber bei dem Aufblähen in Zwischenzeiten von | bis 1 Stunde, so oft es nöthig ist. Am besten ist es, das Kalkwasser unmittelbar vor der Anwen­dung frisch zu bereiten, weil das durch einige Zeit aufbewahrte, durch die Einwirkung der Kohlensäure der Atmosphäre, oft ganz unwirksam geworden ist. Man nimmt dann vo:.i dem Kalke zu einer Gabe für die grossen Haustbiere |—1 Unze, für Schafe, Zie­gen und Schweine 1—3 Drachmen, für Hunde 10 Gran bis % Drachme, übergiesst ihn nach und nach mit der 30 bis 50fachen Menge Wassers, rührt die Flüssigkeit einigcmale um und giebt dieselbe entweder sogleich ein, oder man giesst, nachdem sie durch einige Minuten ruhig gestanden, den obern klaren Theil ab und benutzt diesen allein in den oben bezeichneten Gaben. In den mei­sten Fällen ist es zweckmässig, mit dem Kalkwasser zugleich bit­tere oder aromatische Mittel, bei grosser Reizlosigkeit auch Wein­geist, Terpentinöl und dcrgl. anzuwenden; aber adstringirende Mit­tel, Salze, Säuren und Quecksilberpräparate sind, der entstehenden Zersetzung wegen, zum innerlichen Gebrauche ganz unpassende Zusätze (sect;. 527.).
sect;. 540.
Aeusserlich wurde der Aetz-Kalk ehemals zuweilen als Aetz-mittel zur Zerstörung des wilden Fleisches, der Feigwarzen und Warzen benutzt; er wird aber für diesen Zweck jetzt besser durch das Aetz-Kali, den Höllenstein u. s. w., oder durch das Messer und
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das glühende Eisen ersetzt. In Verbindung mit dem Aefz-Kali als sogenanntes Wiener Aetzpulver bildet er jedoch ein ganz vor­zügliches, trockenes Aetzmittel (siehe g. 5151.). — Dagegen wird das Kalkwasser bei Wunden und Geschwüren, in denen wegen Atonie die Absonderung zu reichlich und von dünner, jauchiger Beschaffenheit, oder die Granulation zu weich und ü[)igt;ig ist, — eben so bei dergleichen Verbrennungen, bei sehr nässenden, flech-teüartigen Hautausschlagen, bei eben solcher Mauke, bei Qbermüs-sigcr Schleimabsonderung in der Nase oder in der Scheide, beson­ders wenn gleichzeitig Geschwüre vorhanden sind, bei dem epizoo-tischen Klauenweh, wenn sich nässende Geschwüre bilden, u. dgl., — häufig und mit Nutzen gebraucht. Es dient, nach der Beschaf­fenheit dieser Krankheiten, zum Verbinden, zum Einspritzen oder zum Waschen, tlieils für sich allein, theils mit andern Mitteln ver­bunden; so z. B. mit Terpentinöl oder Terpentin, als sogenanntes Digestivwasscr — (S. 324.), um gute Eiterung zu befördern, daher vorzüglich bei Wunden und Geschwüren, in denen zu ge­ringe irritable Tbätigkeit besteht; — mit Kupfervitriol oder Grün­span (als sogen. Blauwasser), um auszutrocknen und zu ver­dichten, — mit Sublimat oder Kalomel (als sogen, gelbes und schwarzes ph age dänisch es Wasser), um gelinder auszutrock­nen und zugleich die Heizung zu mindern, — auch mit Bleiessig oder mit Baumöl zu demselben Zwecke. Die letztern beiden Mittel geben ein sehr mild wirkendes Präparat, welches bei Excoriationen, bei schmerzenden Flechten, und vorzüglich bei in Eiterung über­gegangenen Verbrennungen sehr nützlich ist.
Der Kalk kann auch bei einer gewissen Dauer der Wirkungs­zeit theils für sich, theils in angemessener Verbindung mit andern Mitteln als ein sogenanntes Depilatorinm benutzt werden, — obgleich dies in der Thierheilkunst selten noting ist. Die meisten Depilatorien bestehen aus ungelöschtem Kalk, kohlensaurem Kali oder Natron und schwefelsaurem Arsenik, und sie erregen leicht tiefgehende Schwärung und sichtbare Narben. Dr. Wilson hat aber als ein unschädliches Haarvertilgungsmittel folgende Compo­sition empfohlen. Man nimmt gebrannten Kalk 1 Drachme, koh­lensäuerliches Natrum und Stärkemehl, von jedem 2 Drachmen Menge genau zusammen und mache es mit Wasser zu einem Brei, den man auf den behaarten Theil legt und denselben wieder ab­wäscht, sobald er trocken geworden ist (siehä auch bei Kalkschwe­felleber S. 600.)-
Auch bereitet man aus Kalk in Verbindung mit Bleiglätte ein Mittel zum Schwarzfarben der Ilaare (siehe Blei); — und durch Zusammenreiben mit Eiweis, oder auch mit weissem Käse, giebt
Herttrig AivnrimiKellcbre.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;38
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fein pulverisirter Kalk einen festen Kitt, den man zum Ausfüllen der Hornspaltcn sehr gut benutzen kann. Derselbe muss jedoch gleich nach der Bereitung angewendet werden, weil er schnell hart wird.
4. Reine Bittererde, Talkerde, reine, gebrannte oder ätzende Magnesia, Magnium-Oxyd, Magnesiapura, Magne­sia usla s. mlcinala, Miignium oxyäalum, Oxydum magnesirum.
sect;. 541.
Die Bittererde ist in ihren Wirkungen unter allen rein alka­lischen und erdigen Mitteln am mildesten, erzeugt selbst in gros-sen Gaben weder Aelzung noch starke Reizung, absorbirt aber kräftig die im Magen und Darmkanal vorhandene freie Säure, und scheint auch, obgleich nur in sehr geringem Grade, ähnlich wie die übrigen alkalischen Mittel auf den ganzen Organismus und speziell auf die Säfte zu wirken.
Sie leistet als Heilmittel sehr gute Dienste in solchen gastri­schen Krankheiten, welche mit übermässiger Säureentwickelung und zugleich mit erhühetcr Reizbarkeit des Verdauungskanals verbunden sind, wie namentlich bei dergleichen heftigem Durchfall und Er­brechen, wenn dabei Kolikzufälle zugegen sind; eben so bei dem Aufblähen u. dergl. Das Mittel wird jedoch selten und fast allein bei jungen oder bei kleinen Thieren gebraucht, weil es bei den grossen Thieren in den meisten Fällen durch das wohlfeilere Kalk­wasser, durch Kreide, Potasche u. dergl. Mittel ersetzt werden kann. Wenn nicht Ansammlung von Kohlensäure in den Eingeweiden zugegen ist, benutzt man auch oft statt der reinen die kohlensaure Bittererde.
Die Gabe ist für die grossen Hausthiere 3 Drachmen bis 1 Unze, für Schafe und Schweine t —2 Drachmen, für Hunde ^ Scru-pel bis lt;i Drachme am besten in einem schleimigen Dekokt, zuwei­len auch mit Zusatz von Enzian, von Opium, Brechnuss, mit Rha­barber und dergl. Mitteln, welche die krankhafte Empfindlichkeit herabsümmen und die iibermässige Sekretion beschränken.
5. Reine Thonerde, Alaunerde, Alumium-Oxyd, Alumina, Argilla fgt;ura, Alumium o.rydalum.
sect;. 542.
Die Thonerde verursacht an den Theilen, mit denen sie in Be­rührung kommt, keine Aetzung, aber eine schwache Heizung und gelinde Zusammenschruinpfung; zugleich zieht sie begierig Feuch-
lt;
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tigkeiten an sich und zersetzt vorhandene Säuren. Sie wirkt daher gelind tonisch, austrocknend und säurewidrig und kann innerlich hei ähnlichen Krankheitsverhältnissen der Verdauungsemgeweide angewendet werden, hei denen das Kalkwasser empfohlen ist (sect;. 538.); sie sieht aher dem letztern, ohgleich sie milder ist, darin nach, dass sie fast allein örtlich wirkt, indem sie wenig oder gar nicht in die Säfte iihergeht, ferner, dass sie in grossen Gaben den Magen eher belästiget, und dass sie theurer ist als das Kalkwasser. Aus die­sen Gründen wird die Tbonerde selten als Heilmittel henufzt. Die Anwendung kann in denselben Gaben und auf dieselbe Wtise ge­schehen, wie hei der Bittererde.
Anmerkung, a) Der rothe oder armenische Bolus (Bo­lus rufira .raquo;. armenia, Argüla mbra), eine natürliche Verbindung der Thonerde mit Kieselerde und etwas Eisenoxyd, und b) der weisse Bolus {Bolus laquo;/4a), dieselben Bestandtheile und zugleich Kalkerde enthaltend, — wurden ehemals als gelind adstringirende, stärkende, blutstillende, stopfende und einsaugende Mittel innerlich z. B. gegen Durchfälle, gegen Blutharnen, Harnruhr oder Lauter­fall, — äusserlich gegen Galleu, Sehnenklapp u. dergl. üebel an­gewendet. Jetzt werden beide Substanzen, obgleich sie eine mas­sig adstringirende und absorbirende Kraft besitzen, fast gar nicht mehr gehraucht, weil sie fast ganz unauflöslich und unverdaulich sind, deshalb bei innerlicher Anwendung die Verdauungseingeweide belästigen, und durch bessere Mittel leicht zu ersetzen sind; zum äusserlichen Gehrauch sind sie dagegen zu theuer und unnüthig, da sie für diesen Zweck durch den ihnen sehr ähnlichen Tb on (Töpferthon) und Lehm vollkommen ersetzt werden können(sect;.518),
6. Schwefel-Kali , geschwefeltes Kali, Ilydrothion-
Schwefel-Kali, gemeine oder Kali - Schwefelleher,
Kalium s. Kali sulphurulum, Iiali sulphurut. hydrogenalitm, lle-
jtar Sulphuris vulgäre s. salinum s. alralinum.
sect;. 543. Die gewöhnliche Schwefelleber ist eine aus Kalimetall, aus Schwefel und schwefelsaurem Kali bestehende Substanz, welche sich bei der Einwirkung der atmosphärischen Luft, des Wassers, der Säuren u. s. w. sehr leicht zersetzt und dabei ein eigenthümliches, nach faulenden Eiern stinkendes Gas, das Schwefel-Wasser­stoffgas, die sogen. Hydrothionsäure 'öder die hepatische Luft*) entwickelt.
*) Dieses Gos ist zwar kein unmillelbarer Beslandllieil der Schwe-felleber (wie man früher glaubte), aber dennoch für die Wirksamkeit die-
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Von mässigeu Gaben der Schwefelleber (z. ß. 2 Drachmen bis i- Unze bei Pferden und Rindern, 4 Gran bei Hunden) innerlich, entstehen bei keinem Thiere im gesunden Zustande sehr anfiaiiende Veränderungen; nur die Schleimhaut im Maule und in der Nase wird etwas blasser, der daselbst abgesonderte Schleim weniger zähe, der Puls weicher und etwas langsamer, das Blut dunkler und viel ärmer an Faserstoff,*) der Urin reichlicher und oft auch dunkler gefärbt; die ausgeathmete Luft riecht gewöhnlich während einer kurzen Zeit uach Schwefelwasserstoffgas; Hunde zeigen Ekel oder selbst etwas Erbrechen, aber der Appetit und die Verdauung wer­den nicht gestört; der Kolh erscheint mehr trocken, dunkel, und oft mit einer zähen Schleimkruste umhüllt, und bei Pferden weni­ger sauer riechend.
Zu diesen Symptomen findet sich ohne Unterschied der Thiere noch starkes Geifern und Schäumen aus dem Maule, und zuweilen auch etwas schnelleres und beschwerliches Athmen, wenn bei dem Eingeben des Mittels eine stärkere Berührung desselben mit der Maul- und ßacbenböhle stattfindet, daher namentlich bei dem Ein­geben in Latwergen und noch mehr in couzentrirter Auflösung.
Nach Gaben von 1—2 Unzen sähe ich bei Pferden und Rind­vieh die angeführten Zufälle in sehr hohem Grade, zugleich aber stieren Blick, beschleunigtes, beschwerliches Athmen, Unregelmäs-sigkeit des Pulses, Poltern und Schmerzen im Leibe, Unruhe, Angst, lähmungsartige Schwäche ira Hintertheil, schwankenden Gang, ent­stehen. Die Wirkung dauerte 1 bis 3 Stunden und nicht selten blieb Appetitlosigkeit durch einen Tag anhaltend zurück. Eine Veränderung der Milch bei Kühen war auch nach so grossen Ga­ben nicht zu entdecken.
ses Miltels von der grüsslen Bcilenliing, weil es sich bei jeder Art sei­ner Anwendung enlwickelt, dalier stets mitwirkend ist, und schon für sich nilein den Organismus hefüg uftizhl. Vögel starben in einer Luft, welche mit -jj',, g dieses Gases versetzt war; und einhielt sie,,1,,, davon, so liidlelo sie auch in kurzer Zeit einen Hund (Orfila, Toairologie generate 77. pag, 479 ). — 9 Quart dieses Gases in den After eines l'ferdos injlzirl, tödtelen dasselbe in t Minute, — und ein Kaninchen, des­sen Haut blos dem Gase ausgesetzt war, starb in lü Minuten [Chans-sier, im Sedillot, Journ. de mvd. XV. DJ. pag. 28. 31.). Ich spritzte 2 Unzen desl. Wasser, welches mit dem Gase sehr reichlich imprägnirt war, in die Drosselvene mehrerer Pferde und sähe darauf schnelles, be­schwerliches Athmen, grosso Angst und Schwindel entstehen, die Thiere aber lebend bleiben.
*) Bei mehrein Versuchen zeigle sich das Rlut in 1 bis 4 Stunden nach dem Eingeben der Schwefelleber bei Pferden um %, ja selbst um i ärmer an FaserslolT als vor der Anwendung des Mittels.
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Hunde ertrugen das Mittel in Gaben bis zu j Drachme, ohne dass der Tod hiernach erfolgte, wenn es in Pillenform angewendet wurde, obgleich es in solchen und selbst in kleineren Gaben fasf immer Erbrechen, Aufblähung des Leibes, Schmerzen in demselben, Husten, schnellen und kleinen Herzschlag, Angst, Unruhe und Mat-' (igkeir durch 2 bis 4 Stunden verursachte.
Grössere Gaben als die bezeichneten wirken sehr heftig und in den meisten Fällen tödtlich. Ein Hund, dem ich 1 Drachme Schwefelleber in 1 Unze destill. Wassers gelöst, in den Schlund gespritzt und darauf letzteren unterbunden hatte, zeigte nach 5 Mi­nuten Anstrengung zum Erbrechen, welche auch später noeb wie­derkehrte, grosse Mattigkeit, Zittern, nach 10 Minuten Unempfind-lichkeit, später heftigen Schmerz im Leibe, Lähmung des Hipter (heils, und nach 2 Stunden erfolgte der Tod. — Eine Auflösung von (Ji- .Drachmen Sohwefelleber in 4 Unzen Wasser, welche Or­fila (Toxikologie, Bd. 2. S. 166.) einem robusten Hunde mittelst der Oesophagotomie in den Magen brachte, führte in 2 Minuten Erstickuijgsznfälle und Keichhusten, dann Steifwerden der Glieder, Convuisionen, und in 7 Minuten den Toil herbei.
Das Einspritzen einer Auflösung von 5 Gran Schwefelleber in | Unze destill. Wasser in die Drosselvene eines Pferdes verursachte sogleich etwas schnelleren Puls, schnelleres Athiuen und Unruhe. Die ganze Wirkung dauerte aber nur fi Minuten. — Von einer hal­ben Drachme des Mittels mit Jr Unze Wasser auf dieselbe Weise angewendet, entslanden äugeublicklich die nämlichen Zufiille in stärkerem Grade; die Respiration wurde sehr beschwerlich und ängstlich, die ausgeathmele Luft roch stark nach Schwefelwasser-stofifgas, das Thier zitterte, stürzte nieder, schlug mit den Beinen; nach III Minuten war die Wirkung vorüber und das Tiiier ganz munter. — Eben so, aber noch weit heftiger, wirkte die Injektion von 1, 1-| bis 2 Drachmen des Mittels; bei der letzlern Gabe Iral augenblieklich Lebensgefahr durch Erstickungszufälle und Lähmung ein; aber das Thier erholte sich dennoch in Zeit von 15 Minuten nach der Injektion. — Ein Hund bekam (beiOrfila's Versuchen) nach Einspritzung einer Auflösung von .s Gran Schwefelleber in IS Drachmen Wasser auf der Stelle die heftigsten Convuisionen, welche aber nach 3 Minuten nacbliessen; am andern Tage war er wieder ganz wohl. — Die Injektion von 22 Gran in 1 Unze Was­ser gelöst, tödtetc ihn in 2 Minuten unter heftigen Convuisionen.
1| Drachme Schwefelleber in Substanz einem Hunde auf das Zellgewebe an der innern Seite des Schenkels gebracht, verursachte zuerst grossen Schmerz, dann Unempfindlichkeit und in 13 Stun­den den Tod. Der von dem Mittel betroffene Schenkel war stark
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geschwollen, rothbraun, rait Blut infiltrirt; die EutzUndung er-
slreckfe sich bis gegon das Brustbeiuj alle innern Organe waren gesuud (Orfila).
Wenn der Tod durch innerliche Anwendung der Schwefelleher elugetreteu ist, findet man bei der Sektion zuweilen die Schleim­haut des Magens und Diinndarms mit einer gelben, zähen Materie bedeckt, auch entzündet und zuweilen selbst mit kleinen, runden Geschwüren und mit schwarzen Flecken von extravasirtem Blut versehen. Nach schnell eingetretenem Tode riecht der Inhalt des Magens stark nach Schwefelwasserstoffgas. An den übrigen Or­ganen ist die Schleimhaut blass, die Lunge mit schwarzem Blut augefllllt.
Bei der Anwendung einer conzeutrirten Auflösung des Mittels (mit Wasser zu gleichen Theilen) auf die äussere Haut entsteht starke Reizung, heftiges Jucken und selbst Entzündung, aber keine wirkliche Aetzung. Auch wird ein Theil des Mittels absorbirt. Eine schwache Auflösung reizt die. Haut nur sehr gelind und ver­mehrt den Bilduugsprozess in ihr. — Weisse Haare und weisse Haut werden von Schwefelleberauflösung fur einige Zeit gelblich gefärbt.
sect;. 544.
Diese Wirkungen der Schwefelleber sind (besonders bei gros-sen nahen) eigenthümlich, obgleich zum Theil durch das Schwe-felwassersfoffgas bedingt, zum Theil aber auch mit den Wirkungen des Schwefels und des Aelz-Kali wesentlich verwandt. Oerilich ist die Schwefelleber viel stärker reizend, schneller und tiefer eindrin­gend als der Schwefel, aber weit weniger scharf und die Organi­sation nicht so auflösend wie das Aelz-Kali. Die allgemeine Wir­kung ist haliptsäcblicb auf Verminderung der Plastizität des Blu­tes (wahrscheinlich auch der übrigen Säfte) und auf die Herab-stimnumg der Irritabilität in den Muskeln und Blutgefässen ge richtet; doch ist es .auch nicht zu verkennen, dass sehr grosse Ga­ben des Mittels die Nerventhiltigkeit schnell und in hohem Grade vermindern, selbst Lähmung der Sensibilität und hierdurch den Tod herbeifuhren.
sect;. 545.
Die innerliche Anwendung der Schwefelleber ist, den angedeu­teten Wirkungen und vorzüglich W aldingcr's,*) so wie meinen eigenen u. A. Erfahrungen zufolge, bei kranken Thieren angezeigt:
J) Bei brandigen Entzündungsfiebern, beim Milzbrande und
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*) Waldinger, üeber den Sclnvcfel u. seine Verbindungen u. s. w,
S. tOI.
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bei Lungeueutziluduugeu, woniii die Schleimhaut im Maule und in der Nase dunkelroth oder blau und sehr hocken erscheint; wenn die Sinncsthiitigkeit und die Empfindlichkeit dabei sehr unterdrückt, der Herzschlag nnfuhlhar, der Puls klein, hart, das Athmen im Verhiiltniss zur Zahl der vermehrten Pulse Ubermässig schnell und mit grosser Anstrengung der Bauchmuskeln geschieht; wenn das aus der Ader gelassene Blut sehr schwarz ist und schnell zu einer gleicbmässigeu Masse sulzt.
2)nbsp; Bei Bräune, besonders wenn die Auflockerung derScbleim-hänte in der Rachenhöhle sehr gross, das Röcheln und überhaupt die Athembeschwerden sehr bedeutend sind.
3)nbsp; Bei Kolik, wenn dieselbe aus Ueberfütterung, aus gestörter Verdauung, aus Gährnng des Futters im Magen und Darmkanal, durch unverdauliches, blähendes oder saures Futter entstanden, oder mit starker Aufblähung (Windkolik), mit Säureentwickelung, mit Anstrengung zum Erbrechen, oder auch mit einem brandigen Ent-zündungsfieber (wie unter 1 angedeutet) verbunden ist.
4)nbsp; Bei dem Aufblähen der Wiederkäuer, besonders wenn die eben bezeichneten Verhältnisse dabei bestehen.
fgt;) Bei dem Starrkrampf der Pferde, wenn ein Entzündungs-fieber sich hiuzugesellt und das Athmen in sehr kurzen, schnellen Zügen geschieht.
(i) Bei Vergiftungen durch Arsenik, Blei und Quecksilber; je­doch nur dann, wenn die Vergiftungszufalle durch nicht sehr grosse Gaben dieser Stoffe, mehr langsam (schleichend) als akut, und in einem nicht zu hefligen Grade entstanden, oder mehr die chroni­schen Folgen sind. Unter entgegengesetzten Umständen, und na­mentlich wenn die Vergiftung erst frisch entstanden ist,, wenn Ar­senik oder ätzende Quecksilberpräparate noch im Verdaunngskanal zugegen sind, und wenn heftige Entzündung der Eingeweide be­steht, ist (nach Orfila's und Renault's Versuchen') das Mittel nicht passend; weil sich gelber Schwefelarsenik (Operment) bilden kann und dieser durch das Kali auflöslich gemacht wird, so dass hiernach die giftige Wirkung nur noch stärker hervortreten würde.
sect;. Ö4G.
Die Gabe ist für Pferde und Rindvieh 1 Drachme bis 5 Unze, für Schafe und Schweine ^—2 Scrupel, für Hunde 1—8 Gran in Zwischenzeiten von 1 Stunde (z. B. bei Kolik) bis 4 Stunden. — Die Anwendung geschieht in Pillen, in Latwergen oder in einer schwachen Auflösung (5 bis 8 Gran auf 1 Unze Flüssigkeit). Da-
*) Orfilo, Toxicol. geii(hale. Tom. I. p. 426. — Renaall, sui les Conlrepoisonä do l'Arsenic, pag. 3 3. 3j.
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hei i;;i die Vorsicht zu beachten, ilass man Pillen uiul Latwergen höchstens für einen Tag bereitet und in reelit gut mit Wacbspapier oder mil; Blase zugehuadeuen Geßisseu verwahrt, damit die Ein­wirkung der Luft und die Zersetzung der Sehwefelleber durch die-sclbe möglichst vermieden werde. Weil dies aber dennoch sehr leicht geschieht, ist eine vor der Anwendung frisch bereitete Auf-lösuug die beste Form, — wenn sonst die Anwendung einer Flüs­sigkeit passend ist.
Beim brandigen Eutzüudungsfieher verbindet man das Mittel mit Salpeter und selbst mit Kampher; — bei Kolik und Aufblä­hung mit Enzian, mit Kamillenblumen, mit Xatr. oder A'laquo;// sul-plmricum, bei Bräune mit den letztern Mitteln oder auch bei gros­ser Heizbarkeit mit llcrlgt;. oder Had. Belladonnae, und bei Vergif­tungen mit einer scbleimigeu Flüssigkeit.
sect;. 5i7.
Aeusserlich wird die Schwefelleber gegen Räude, Flechleu, Mauke und veralteten Rheumatismus in Auf lösuugen zum Waschen und Baden, — weniger zweekmässig auch zuweilen in Salben an­gewendet. Zu den Auflösungen nimmt man 2 Drachmen bis % Unze des Mittels auf ein Pfund kalten Wassers, — zur Salbe 1 Drachme auf 1—2 Unzen Fett, oder grüner Seife. Die Anwendung geschieht läglieh 1 bis 2 mal durch S bis Vi Tage. Das Mittel Isl bei ETautausschlägeu wohlfeil und sehr wirksam, hat aber das Unangenehme, dass seine Anwendung durch den dabei entstehen­den Geruch nach Schwefelwasserstoffgas für die Personen, die das Waschen und Einreiben besorgen, sehr widrig wird, dass Stubeu-himde dieses Geruchs wegen nach der Behandlung mit dem Mittel nicht im Zimmer bkiben können, und dass weisshaarige Thler'e gewöhnlich für einige Zeit an den Applikationsstellen gelb oder grün gefärbt erscheinen.
Anmerkung. Fast in allen Eigenschaften und in der Wirk­samkeit mit der Kali-Schwefelleber übereinstimmend, ist die Kalk-Schwefelleber oder der Schwefelkalk (liepar Salphuria calca-rcum s. Cahar'w sulphirala). Es gilt daher alles über die Schwe­felleber im Vorhergehenden Gesagte ohne einen wesentlichen Un­terschied auch von der Kalkschwefelleher. Letztere ist wohlfeiler und verdient daher, besonders zum äusserlicheu Gebrauche, selbst noch den Vorzug vor der gewöhnlichen Schwefelleber, indem sie mehr auflösend auf das Hautgewebe wirkt. Mit wenig Wasser gemengt und auf behaarte Theile reichlich aufgestrichen, zerstört sie schnell (binnen 1 Stunde) die Haare, die aber in etwa 20 Ta­gen wieder wachsen. Das Mittel muss nach 1 Stunde wieder ab­gewaschen werden. Wird dasselbe für den Zweck angewendet, um
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die Haut für die Anwendnug fines Senfbreies i^ler Vesikators lilos kahl zu machen, su darf man nicht zu viel von lt;ler Schwefelleber darauf bringen, weil sonst: die Haut zu spröde wird. — Auch die Talk-Schwefelleber oder Schwefel - Magnesia {Magnesia sulphirafa) ist mit der letztem im Wesentlichen ühereinstiinme.id, aber nicht gebräueblicb,— Das Schwefel-Ammoninra oder die
fl [ichtige Seh we fe lieber {Ammonium su//thnrulo - hydrolhlonicum
s. Hepur Sulphuris volatile) ist ein sehr heftiges, gefährliches, und daher nicht zu empfehlendes Reizmittel.
Elfte Klasse. Salz o (I c r A I k a 1 i e n u n tl E r d c n.
{Stdia atciilina et terren.)
sect;• 54-S. Wenn Sauren mit Alkalien, Alkaloideu oder Erden in J-ieri'ih-rung kommen, so verbinden sie sich, vermöge ihrer cheraisebeu Wablvenvandtseliaft, mit deuselbeu, und bilden hierdurch neue, ei-geuihümliche Substanzen, die man im Allgemeinen als alkalische oder erdige Salze bezeichnet. In früherer Zeit nannte man diese Salze (mit Ausnahme derer, welche Kohlensäure und welche Talg-, Oel- und Margariusäurc enthalten) auch Neutralsalze {Sa/ia neulra); und Miftelsalze {Salia media), und im gewöhnlichen Spracbgebrauche sind diese Namen first allgemein noch geltend.') Da aber die Säuren sich in einem mehrfachen Verhältnisse mit den kaiischen und erdigen Grundlagen (Basen) zu Salzen verbinden, so bezeichnet man jetzt passender nur diejenigen als neutrale Salze, in denen die chemische Wechselwirkung der Bestandtbeile sich gegenseitig vollkommen durchdrungen (gesättiget) hat, so dass in ihnen weder die chemischen Eigenschaften der Säure, noch die der Basis zu erkennen sind; wogegen man diejenigen, in denen die Säure vorherrscht, saure Salze, oder Uebersalze — und die mit vorwaltenden Eigenschaften der Grundlage: basische Salze oder Uutersalze nennt. Die meisten Salze sind nur ein­fache Verbindungen einer Basis mit einer Säure; einige bestehen
) Der letztere Name wurde zuweilen vorzüglich den Salzen beige­legt, die eine erdige oder auch eine metallische liasis besitzen.
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aber aus '2 Basen und einer Siinre (z. B. der Alaun), und einzelne sind selbst aus 2 Salzen von eben so viel verschiedeneu Basen und Säuren zusammengesetzt (z. B. der boraxsaure Weinstein). Die ersten heissen deshalb einfache Salze, — die zweiten Doppcl­salze, und die letztern Zwillingssalze.
Die physischen Eigenschaften der verschiedenen alkalischen und erdigen Salze stimmen zwar in vieler Hinsicht übereinj sie sind aber auch nach den Eigeutbütnlicbkeiten der Bestandtheile und nach den angedeuteten Verschiedenheiten in der Zusammensetzung der­selben etwas abweichend bei den einzelnen Salzen, so dass sich eine allgemein passende Charakterisirung von ihnen nicht gut ma­chen liisst.
sect;. 541).
Die Wirkungen dieser Salze im thierischeu Organismus sind ebenfalls nach den angedeuteten Verschiedenheiten von einander abweichend, im Allgemeinen aber doch in vielen Punkten einander sehr ahnlich. Bei der innerlichen Anwendung verursachen alle Neu­tral- und Mittelsalze zunächst eine Reizimg der Schleimhaut des Mauls, des Magens und des Darmkauais, in Folge deren die Ab­sonderung des Speichels, des Schleims und der übrigen Verdauungs-säfte reichlicher und die wurmförmige Bewegung des Dannkanals etwas schneller wird. Von kleinen und einzelnen Gaben ist diese Reizung nur gering, und sie geht ohne weitere sichtbare Folgen bald vorüber; grosse Graben mancher Salze bringen Laxiren oder sehr reichliches Uriniren hervor, und in iibermässigcr Gabe führen fast alle Salze eine heftige Reizung der Verdauungssclileiinliant, Auflockerung und Auflösung des Epitheliuins herbei, und selbst Kolikschmerzen, Magen- und Darmentzündung, Blutextravasate, Brand und der Tod können die Folgen davon sein. — Die laxirende Wirkung ist, jedoch nicht allein von dem Grade der Reizung ab­hängig, welchen ein Salz örtlich in der Verdauungsschleimhaut er­zeugt; denn man sieht, dass mehrere Salze, welche diese örtliche Reizung in sehr hohem Grade ausüben, z. B das Kochsalz, nur eine höchst, unbedeutende laxirende Wirkung veranlassen, wogegen die örtlich weit milder einwirkenden schwefelsauren Salze diese Wir­kung ganz vorzüglich besitzen. Massige Gaben der Salze, oft wie derbolt gereicht, bringen nach und nach eine tief eingreifende Um-Stimmung des ganzen Bildungsprozesses hervor, indem sie die Ab­sonderung in den sämmtlichen Sekretionsorganen quantitativ ver­mehren, die abgesonderten Flüssigkeiten aber dünner, mehr serös machen und somit gleichsam einen Verflüssigungsprozcss im Kör­per künstlich erzeugen. Dies geschieht von ihnen auf mehrfache Weise, namentlich aber dadurch, dass i) die Salze in das Blut und
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die übrigen Säfte übergehen und hier sieb mit den Bestaudtheilea derselben (vorzüglich mit dem Serum) verbinden, somit die frute Mischimg und Bindung des Blutes stören, seine Vitalität (ind Wärme vermindern, und die Auflüsung und Ausscheidung des Cruors und des Faserstoffes begünstigen;*)— 2) dass das Blut durch den reich­licheren Gehalt an Salz mehr reizend auf die Sekretionsorgane wirkt, so dass die Thätigkeit derselben sehr vermehrt wird, und dann in Folge der vermehrten Ausscheidungen, so wie in Folge der dünne­ren Beschaffenheit der Säfte auch die Resorption bedeutend gestei­gert wird. Hierzu kommt noch 3) dass theils durch die fehlerhafte Mischung des Blutes und durch die vermehrten Ausleerungen, theils auch auf direkte Weise, besonders von den Salzen der Potasche, der Bitterercle und des Ammoniums die Reizbarkeit und Energie des Herzens u. s. w. sehr vermindert, also Schwäche und Erschlaf­fung erzeugt und hierdurch, wie immer bei Schwäche, der normale Anbildungsprozess gestört wird. Bei lauge fortgesetzter Anwen­dung dieser Salze in etwas starken Gaben entwickelt sich daher oft ein wirklich kachektischer Zustand.
Die in das Blut iibergefiihrten Salze werden hauptsächlich durch die Nieren wieder aus demselben abgeschieden, so dass man sie, obwohl bald mehr bald weniger verändert, wenigstens in ihren Basen in dem Urin wieder findet. Ein kleinerer Theil wird auch durch den Darmkanal und durch die Haut (mit dem Schweiss) wieder entleert, und bei den Ammotiiuinsalzcn geschieht dies viel­leicht auch zum Theil durch die Lungenansdünsfung.
Auf die Haut, noch mehr auf wunde Stellen, wirken die Salze im Allgemeinen ebenfalls gelind reizend und die Resorption beför­dernd. Ausserdem verursachen die ineisten Salze sowohl bei inner­licher wie bei äusserlicher Anwendung, wenn sie eben mit einer wässerigen Flüssigkeit aufgelöst werden, ein Gefühl von Kälte, in­dem sie bei dem Uebergehen in den flüssigen Zustand eine Quan­tität Wärme binden und dieselbe dem Körper entziehen.
Ueber die Abweichungen dieser Wirkungen bei den verschie­denen Salzen lässt sich im Allgemeinen nur Folgendes in Kürze andeuten: 1) Salze von gleichen Säuren, und eben so Salze von gleichen Basen zeigen eine mehrfaltige Aehnlicbkeit mit einander, dieselbe ist aber bei Salzen von gleichen Säuren am grössten. 2) Hinsichtlich der verschiedenen Basen wirken die Natrousalze im All­gemeinen mehr reizend als die Salze der übrigen Alkalrn und Er-
*) EigenlhUmllch ist es, duss mehrere Salze, namonllicli diejenigen, in welchen Nalron, Salzsäure, Salpeleisaure oder Schwefelsaure enlhal-len ist, zugleich das Blut heller rolhcn.
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don; die Salze der Magnesia erscheineu als die mildesten, timl die atiK Kali besteheudeu Salze wirken am meisten erscblaff'eiid und
die irritable Thätigkeit vermindernd: die Salze der Thonerde wir­ken zusammenziehend und ätzend. 3) Hinsichtlich der Säuren ha­ben die Salze mit Salpetersäure und mit Salzsäure örtlich die stärk­ste Einwirkung; die schwefelsauren Salze wirken sämmtlich weit milder und zugleich am meisten laxirend; die mit vegetabilische!] Säuren sind noch milder, und am mildesten sind die kohlensauren Salze. — i) Die allgemeine Wirkung der basischen Salze zeigt eine grosse Aehnlichkeit mit der Wirkung der in ihnen vorwalten­den Grundlage, und eben so verhält sie sich bei den sauren Salzen ähnlieh der Wirkung ihrer Säuren; aber die Kraft der örtlichen, chemischen Einwirkung des einen wie des andern Bestandtheils ist sehr gemildert.
Aus diesen Andeutungen ergiebt sieh: dass die Wirksamkeit der Salze von denBestaudtheileu derselben abhängig ist; und wenn­gleich die letztem in den neutralen Salzen nicht mehr frei vorhan­den sind, so sind sie doch keinesweges vernichtet, sondern nur ge­genseitig so an einander gebunden, dass sie bei der Einwirkung der Verdauungssäfte und überhaupt thierischer Flüssigkeiten leicht wieder tbeilweis frei werden und zur Entwiekelung ihrer Kräfle ge­langen können.
Die therapeutische Wirkung und Anwendung ist bei den ein­zelnen Salzen, je nach ihrer spezifischen Verschiedenheit und nach ihrer Wirkungsweise in grosseu und in kleinen Gaben sehr verschie­den. Im Allgemeinen dienen sie innerlich in kleinen Gaben sehr häufig als umstimmende, die Sekretionen im Verdauungskanal, in der Schleimhaut der Respirationsorgaue und in den Nieren befördernde, die Verdauung bessernde, Auswurf befördernde, Sehleim, Stockun­gen und Verhärtungen auflösende, als säurewidrige, die zu dicke, plastische Beschaffenheit des Blutes beseitigende, selbst als krampf­stillende u. a. Heilmittel; — in grosseu Gaben werden die meisten Neutralsalze als kühlende Laxirmittel, als ableitende, reizmindernde, antiphlogistische Heilmittel ebenfalls sehr oft benutzt. — Die Indi • kationen für diese vielfällige Anwendung können nur bei den ein­zelnen Salzen angegeben werden.
Aeusscrlich dienen mehrere Salze als auflosende, zertheilende, andere zuweilen auch als kühlende Mittel gegen Quetschungen, Ex travasate, Entzündungen u. s w.
;#9632;
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A. Kohlensaure Salze.
1. Eoblensaures Kali, Kali carbonicum.
sect;. 550. Die Kohlensäure verbindet sich mit dem Pflanzenlaugensalz in 2 verschiedenen Verhältnissen, und bildet mit demselben: a) ein basisches — und b) ein neutrales Salz.
a)nbsp; Das basische kohlensaure Kali, oder das kohlen­säuerliche Kali, unterkohlensanre Kali, milde Kali, Weinsteinsalz, Luftsaure Pflanzenlaugensalz, Pot-
asche (AWi subcarbonicum, h'uli mile, Sal Tarlari, Atculi regetu-liile tieraliitn, Cineres clavellaU, Polassa, Carbouas Potussiie, Carbo-mis kalicui e cineribus clavellalls oder e 7'laquo;i-/laquo;ro #9632;( letzteres bei dem gereinigten Salze) — kommt im Handel vor, theils als gemeine, nicht goreinigte Fotasche, welche ausser dem kohlensauren Kali noch eine Menge fremder Bestandtheile, z. B. schwefel- und salz­saures Kali, Tiion- und Kieselerde, Eisenoxyd und dergl. enthält, — in den Apotheken aber als gereinigte Potasche, welche aus ungefähr % Kali und gt; Kohlensäure besteht,
b)nbsp; Das neutrale kohlensaure Kali, vollkommen ge-sätttigte oder krystallisirte kohlensaure Kali (Aquot;laquo;/i car­bonic, neufrum, Kali carb. perfecle saluraium s. aerafuin, It. curb, iicidulum, Sal Tarlari cryslallisaluiu, Bicarbonas Polassae)l gewöhn­lich als saures kohlensaures Kali bezeichnet, — besteht fast aus gleichen Theilen Kali und Kohlensäure mit etwas (gegen -,'„) Krystallisationswasser.
Die Wirkung dieser bilden Salze ist bei ihrer innerlichen An­wendung sehr ähnlich der Wirkung ihrer Bestandtheile, da die letztem sich, durch den sauren Magensaft, sehr leicht von einander (rennen und dann gleichsam für sich allein wirksam sind.
Das basische kohlensaure Kali, das gewöhnlich in der Thierheilkunst benutzte Präparat, nähert sich in seinen Wirkungen zum Theil denen des Aetzkali, besitzt aber eine weit mildere ort­liche Einwirkung als dieses; es lost den geronnenen Faserstoff und das Eiweis in kurzer Zeit bedeutend auf und macht mit diesen und andern thierischen Flüssigkeiten keine Niederschläge; dieThä-tigkeit der aufsaugenden Gelasse erregt es in einem hohen Grade, besonders in der Haut, im Zellgewebe, in sehnigen und drüsigen Organen, und da es zugleich die serösen Absonderungen befördert und den geronnenen Eiweisstoff auflöst, so wirkt es mächtig z.r-
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theilead iil)eraU wo Stockungen und Verhärtungen, asthenische, torpide Entzündungen, plastische Ausschwitzungen, Extravasate von gerinnbaren Stoffen, Unthiitigkeit der Haut und Uiceration in der­selben zugegen sind. — Nur bei ganz conzentrirter Anwendung verursacht es örtlich eine bis zur Entzündung steigende Reizung, aber sehr selten eine Aetzung. — In massigen Gaben und gehörig verdünnt innerlich angewendet wirkt es (abgesehen von der ört­lichen, gelind erregenden Einwirkung auf die Schleimhaut des Ma­gens und Dannkanals) eigentbUinlicb deprimirend auf die krank­haft vermehrte und unregelmässige Sensibilität der Bauch- und Brusteingeweide, absorbirt die iu dem erstem vorhandene Säure, vermindert die Gerinnbarkeit des Blutes, befördert die Absonderung des Urins sehr bedeutend, verursacht auch, dass derselbe viel wäs­seriger und weniger reich au Harnsäure wird, und scheint auch die absondernde Thätigkeit au der innern Fläche der Blase und des Uterus zu verstärken und umzustimmen. Dagegen befördert es auch die Resorption im ganzen Körper sehr bedeutend, wie es scheint, hauptsächlich mit Hülfe der vorausgegangenen Verflüssi­gung der gerinnbaren Bestaudtbeile der Säfte. — Bei der inner­lichen Anwendung sehr grosser Gaben im conzentrirten Zustande kann das Mittel gefährliche Zufälle verursachen. Als Orfila (To-xikol. I. Bd. S. 172.) einem nüchternen Hunde 2 Drachmen koh­lensaures Kali eingegeben, zeigte das Thier sogleich lebhaften Schmerz und Unruhe; es erfolgte Erbrechen weisser, dicklicher, schleimiger Flüssigkeiten, welche mit Säuren aufbrauseten, — ge­binderte Respiration und in 2rgt; Minuten der Tod. Bei der Sektion fand sich starke Röthe der Schleimhaut des Magens: die Gefässe desselben waren mit Blut injizirt, Gedärme und Lungen gesund. Eine so ausgezeichnet heftige und schnelle Wirkung sah ich nie­mals. Ich gab Hunden dieselbe Dosis des Mittels in i Unze de­still. Wasser gelost, und bemerkte blos binnen 10 bis 12 Minuten nach dem Eingeben etwas Schleimflnss aus dem Maule und mas­sig beschleunigtes Athmen; der übrige Zustand war und blieb durchaus normal. Aber dieselbe Menge als Pulver in Papier ge­wickelt einem Hunde eingegeben, verursachte nach Verlauf von ü Minuten die von Orfila angeführten Symptome, jedoch nur durch 2 Stunden andauernd und worauf das Thier vollkommen wieder hergestellt wurde. — Pferden und Kühen gab ich das Mittel bis zu 1^ Unze in ü Unzen destill. Wassers gelöst, ohne nachfolgende heftige Zufälle; aber von 2 und 3 Unzen entstand zuweilen, jedoch sehr bald vorübergehend, etwas beschwerlicheres Athmen, Unruhe und Kolik. Das Blut war heller geröthet, dünntlüssger, ärmer an Faserstoff, — Rosenbauin bat von grossen Gaben bei tragenden
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Kiihen Abortus erfolgen sehen (Magaz. f. Thierbeilk. XIL S. 162.), — eine Wirkung, die ich nach Einspritzungen kohlensaurer Salze in die Vagina gleichfalls eintreten sähe.
Eine Drachme kohlensauren Kalis mit 1 Unze destillirten Was­sers gelost, Pferden in die Drosselvene gespritzt, brachte keine be­merkbare Wirkung hervor; 2 Drachmen auf dieselbe Weise ange­wendet verursachten sogleich beschwerlicheres Athmen, Schwindel, Convulsioncn, heller geröthetes Blut; nach 2 bis 3 Stunden hatten die Thiere sich wieder erholt. Bei Hunden traten nach der Injek­tion von 10—20 Gran in % Unze Wassers gelöst dieselben Zufalle, und von 1 Drachme fast augenblicklich der Tod ein.
sect;• 551.
Aus dem Vorstellenden ergiebt sich: dass das kohlensaure Kali in seinen Wirkungen den reinen Kalien sehr ahnlich, aber durch seinen beruhigenden Einfluss auf die Thätigkeit der Ganglienner­ven ausgezeichnet und ausserdem viel milder ist. — Seine inner­liche Anwendung kann daher bei denselben Krankheiten geschehen, wo die Kalien überhaupt (sect;.525.) angezeigt sind; es verdient aber vor dem reinen Kali den Vorzug, weil es in grössern Gaben und anhaltender gegeben werden kann, ohne Nachtheil zu erzeugen. Besonders nützlich ist es bei einem gereizten nervösen Zustande der Baucheingeweide, z. B. bei anhaltendem, sehr anstrengendem Erbrechen, bei welchem, ausser Säure im Magen, keine wesentliche materielle Ursache, auch keine Entzündung des Magens u. dergl. vorhanden ist; — eben so bei Krampfkolik und krampfhafter Harn­verhaltung. (Bei Krämpfen, die in andern Ursachen begründet sind, oder die vom Gehirn und Rückenmark ausgeben, nutzt das kohlensaure Kali nicht viel, und ich habe namentlich bei dem Starr­krampf der Pferde nicht die mindeste Hülfe von ihm gesehen, ich mochte es nach der Stütz'sehen Methode mit Opium (sect;. 432.), oder auf andere Weise gebrauchen lassen.) #9632;—#9632; Gegen Vergiftun­gen mit Säuren, und gegen die Lecksucht, um die in dem Ver­dauungskanal vorhandenen Säuren zu neutralisiren, eben so gegen das Aufblähen der wiederkäuenden Thiere und gegen Windkolik der Pferde, um die hier erzeugten Gase zu absorbiren, ist das koh-lensäuerlicho Kali empfohlen. Gegen febleihaUe Milchabsonderung, wo die Milch sauer reagirt und zu schnell gerinnt, hat es sich be­währt. Vorzügliche Dienste leistet es aber gegen plastische Aus-schwitzungen bei und nach Entzündungen, gegen Stockungen und Verhärtungen, die durch Anhäufung von Faserstoff oder Eiweis-stoff, durch Extravasate u. s. w. entstanden sind. Lux hat in dieser Hinsicht das Mittel ganz mit Recht gegen die Lnngenseuche
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des Rindviehes empfohlen,*) obgleich es nicht so allgemein hiilf-reich ist (und auch nicht sein kann), wie er dasselbe rühmt. — Derselbe empfiehlt auch das Kali lt;#9632;. acidul gegen die Finnen der Schweine (wo die verwandte Holzasche als nützlich allgemein an­erkannt ist). — Uychner hat es, neben entsprechenden andern Heilmitteln, als das wirksamste Arzneimittel gegen die Dämpfigkeit erprobt.*quot;) Lnndquot;') hat das Mittel zum Abtreiben der Nachge­burt mit Nutzen angewendet; es kann aber fiir diesen Zweck nur in den Fällen etwas leisten, wenn die Nachgeburt durch Krämpfe, durch zu grosse Reizbarkeit und Mangel an Absonderung im Ute­rus zurückgeblieben ist. — Viborgf) u. A. haben das kohlen­saure Kali auch gegen Vergiftungen durch Arsenik, Aetzsublimat und andere scharfe Metallgifte empfohlen; es ist aber hierbei, schon nach Gründen der Chemie, nicht passend, und hat sich in der Er­fahrung mehr schädlich als nützlich erwiesen.
sect;. 552.
Man giebt von dem gereinigten kohlensauren Kali Pferden 2 Drachmen bis ^ Unze, dem Rindvieh 3 Drachmen bis 1 Unze, Schafen und Schweinen 3 —l.V Drachmen, Hunden 5 Gran bis | Drachme auf einmal, und wiederholt diese Gaben, nach der Hef­tigkeit der Krankiieitszufälle, in Zwischenzeiten von £ Stunde (z.B. bei heftigen krampfhaften Zufällen) bis 4 Stunden. Die Anwen­dung geschieht am besten in flüssiger Form, indem man das Mit­tel entweder blos in lauwarmem (nicht heissem) Wasser, oder in einer schleimigen, bittern oiler aromatischen Flüssigkeit auflost. Man nimmt dabei auf 5 Gran kohlensaures Kali 3 Drachmen bis J Unze Flüssigkeit.—Will man die Kohlensäure im Magen schnell aus dem Kali entwickeln, so schüttet man gleich nach dem Einge­ben des letztem eine entsprechende Quantität (d. h. auf 1 Drachme kohlensaures Kali etwa 2 Unzen) Essigs dem Thiere ein.
t;- 553.
Acusserlicb benutzt man das kohlensaure Kali, und zwar meh-rentbeils die gemeine Fotasche, a) in recht wenig Wasser (1 Tb. auf 4 Tb.) gelöst als reinigendes, austrocknendes Mittel raquo;um täg­lich 1 bis 2 maligen Bestreichen solcher Geschwüre, welche üppige, lockere und schmutzige Granulation enthalten und viel jauchen; —
•'4 gt; #9632; i
*) Zoojasis, l!ü. I. lieft 1. S. lö.— Wir liallen jedoch bei der hie­sigen Thierarzneischule das Millcl gegen diese Krankheit schon lange vorher angewendet.
**) Encyklopiidle der gesamml. theoret. prakt, Pferde- und Rhulvieh-lieilk. von Rychner und Im. Timm. Bd. 1. S. 6nl.
'quot;) Veterinär Selskah. Skrilt. 1. Decl. pag. 43ö.
t) Dess. Anleil. ?.. Erzieh. 11. Itennlznng des Schweins. S. 14.;.
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oder b) in 8 bis 12 Theilen Wassers gelöst, als auflösendes und zertheileudes Mittel zum Bestreichen der Hornhautflüche, zu Um­schlägen und Waschungen an Theilen, wo gerinnbare Ausschwit-zungen, Blutextravasate, Stockungen, Verhärtungen, z. B. Sto'lbeu-len, Piephackeu, Sehnenklapp, schleichende Entzündung und Ulce-ration an den Sehnen, Milchknoten und ähnliche pathologische Zu­stände bestehen (sect;. 550.); eben so bei Flechten, Räude und ober­flächlicher, mit Verdickung der Haut verbundener Mauke; und — c) mit Fett, oder noch besser mit grüner Seife (ITh. zu 4—7Th.) zur Salbe gemacht, theils als heilendes und reinigendes Mittel bei den eben bezeichneten Hautkrankheiten, theils als zertheileudes Mit­tel bei den unter b) angedeuteten krankhaften Zuständen. Bei den letztern wird das kohlensaure Kali sehr zweckmässig in der Form des sogenannten äussern Lebensbalsams (S. 333.) oder auch in Verbindung mit der grauen Quecksilbersalbe, mit dem Ammonium und Kampherliniment als Einreibung täglich 1 bis 2 mal an­gewendet.
sect;. 554.
Das neutrale kohlensaure Kali wirkt bei den verschiede­nen Arten der Anwendung fast ganz wie das basische, ist aber örtlich noch milder und in der belebenden und beruhigenden Wir­kung auf die Gangliennerven noch kräftiger als dieses, und ver­dient daher bei heftigen Krämpfen im Magen u. s. w. vor ihm den Vorzug; es ist jedoch auch theuer. — Innerlich kann es in denselben Gaben und auf dieselbe Weise wie das basische Salz angewendet werden; äusserlich wird es durch Potasche und Holz­asche ersetzt.
Anmerkung. Die Holzasche, namentlich die Asche von harten Holzarten, besitzt fast ganz dieselben Bestandtheile, wie die unreine Potasche (sect;. 550.), wirkt daher dem basisch-kohlensauren Kali sehr ähnlich, und kann auch wie dieses bei den bezeichneten Krankheiten innerlich und äusserlich gebraucht werden. Sie ist auch lange schon von Thierärzten und Landwirthen gegen Säure im Magen, gegen die Lecksucht, das Aufblähen und Milchfehler, gegen die Bräune und das zu häufige Erbrechen der Schweine und dergl. theils als Präservativ-, theils als Heilmittel mit Nutzen innerlich angewendet worden, und ich selbst habe von der Asche bei einigen Pferden sehr gute Wirkung gegen Wind- und Krarapf-kolik, welche aus Unverdaulichkeit und zu vieler Säure entstanden war, gesehen. In einem Falle scheint sie auch bei einer dem Brande nahen Gebärmntterentzündnng an einer Kuh sehr nützlich gewesen zu sein (Archiv f. Thierheilk. von einer Gesellsch. Schweiz. Thier ärzte; Bd. 1. S. 70.). Die Gabe von guter, reiner Holzasche ist
üertwig -Arzneimittelleliro.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;39
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für die grossen Hauthiero eine starke Handvoll oder gegen 4 Un­zen, für Schafe und Schweine die Hälfte, für Huude der 4feTheil; die Wiederholung wie hei dem kohlensauren Kali. Als Arzneimit­tel glebt man sie am besten aufgelöst im warmen Wasser (etwa mit 10 bis 12facber Menge) und nach Erforderu mit bittern oder aromatischen Mitteln versetzt. Als Präservativmiftel giebi man sie in kleineren Quantitäten (z B. für Schweine wöchentlich eine Hand­voll) unter das Futter gemengt oder im Getränk. — Aeusserlich dient sie, theils in trockener Form zum Einstreuen, theils in Was­ser gelöst (als Lauge) zu Fnssbädern und Waschungen bei unrei­nen Wunden und Geschwüren, besonders an sehnigen Theilen (Seh­nenklapp) und am Hufe, bei Rheumatismus, bei Hautjucken, Flech­ten und Räude. Bei letzterer ist jedoch die einfache Aschenlauge oft nicht wirksam genug, sondern muss durch andere Mittel, Kalk, Aetzsublimat, Tabaksabkochung und dergl. verstärkt werden. Eine recht brauchbare Zusammensetzung der Art ist das sogen. Herr-mann'sche Mittel gegen die Schafräude. Zur Bereitung desselben nimmt man 4 Scheffel gute Holzasche und 1 Metze frisebgebrann-ten Kalk, mengt beides in einem grossen Fasse zusammen, giesst so viel Wasser darauf, dass nach 24 Stunden 140 Quart Vorladge abgezogen werden können, welche man bei Seite stellt; dann zieht man von derselben Asche und auf dieselbe Weise 2S0 Quart Nach-lauge ab, kocht letztere mit 100 Pfund geschnittenen Tabaksblät-tern bis zu einem Rückstande von 1-10 Quart, seihet die Flüssigkeit durch und mengt sie mit jener Vorlauge. In dieser, vor dem Ge­brauch etwas erwärmten, Flüssigkeit werden die Schafe (mit der immer nöthigen Vorsicht, z. B. mit Schützung der Augen der Thiere, mit Aufkratzen der Räudeborken u. s. w.) jeden 3ten oder -iten Tag, im Ganzen 4 bis (1 mal gewaschen.
2. Kohlensaures Natrum, mineralisches Laugensalz, Aafrum ciirbnnicum.
sect;. 555. Das Natrum verbindet sich mit der Kohlensaure, ganz wie das Kali, in 2 Verhältnissen zu Salzen, nämlich zu dem basisc-h-kohlensauren Natrum {Natnun suhearboniemn, Sal SoJae, AU hati mmerule, Curbonus nairlcus cum Aqua}) — und zu dem neu­tralen kuhlensauren Natrum (Xuhum carbonic. acUulum s.
neutnnn, s. perfeetc sahtratam, s. IVafnim bicarbonicum, liicarbonas
natricus cum Aqua). Beide Salze verhalten sich in ihrer Wirkung fast ganz gleich dem basischen und neutralen kohlensauren Kali, sind jedoch etwas milder. Sie können für dieselben Zwecke, in
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denselben Gaben und auf die nämliche Weise wie das kohlensaure Kali angewendet, aber auch völlig durch dieses ersetzt werden; und da sie thenrer sind, werden sie nur selten benutzt.*)
3. Kohlensaures, kohlensäuerliches Ammonium oder Am­moniak, trockenes flüchtiges Alkali oder Laugensalz, Ammoniacuw. s. Ammunium carbonicum s. subrarbonicum, Airuli vohi-lile siccum, Carbonas ammoniciis.
Es besteht in 100 Theilen aus 29 Theilen Ammoniak, 5G Th Kohlensaure und 15 Th. Wasser. Wenn man es mit Blut zusam­menbringt, löst es, nach C. G. Mitscherlich (a. a. 0.); die Blut­kugelchen alimählig auf, so dass nur noch die Kerne in einer rüth-lichen Flüssigkeit schwimmen; das Epithelium des Magens wird aufgelockert, die Zellen trennen sich leicht, verschwinden aber viel später als naih Anwendung des .4uiraquo;ion. causliv-, und die Menge des dabei gebildeten Schleims ist auch geringer als bei diesem. In ähnlicher Wirksamkeit erscheint es an dem Epithelium des Dünn­darms, wo jedoch ein mehr dicker Schleim entsteht. Es ist ein durchdringendes Reizmittel, welches mit den flüchtig erregenden Kräften des Aetzammoniaks (ij. 532.) noch die milderen der Koh­lensäure vereiniget, und durch die letztere in seinen Wirkungen nicht allein sehr gemildert ist, sondern auch eine besondere Rich­tung auf die Gangliennerven erhält. — Zu grosse Gaben können jedoch gefährliche Zufälle erzeugen. Orfila (a. a. 0.) sähe einen Hund nach dem Eingeben von i% Drachmen gepulverten kohlen­sauren Ammoniaks in 12 Minuten sterben. Man fand die eine Hälfte der Magenschleimhaut stark entzündet (?), die andere Hälfte weiss und natürlich; das Herz ohne Bewegung, im linken Ventri­kel mit flüssigem schwarzem Blut erfüllt. —#9632; 1 Drachme bei Hun­den, und 2 Unzen bei Pferden und Kühen habe ich aber mehr­mals ohne üble Folgen davon zu sehen, eingegeben. C. G. Mit­scherlich sah ein Kaninchen von i Drachme des Mittels in 1 Unze Wasser gelöst und in den Magen gespritzt sehr bald ermatten, so dass es nicht mehr stehen konnte, und nach 20 Minuten von Te-
*) Das neutrale koblensaure Natrutn ist von D'Artel als das beste Miltel zur Verliiitlniij des Sauerwerdens der Milcli 'befunden worden. 8 (Iran sind lur 2 Pfund Milcli für diesen Zweck hinreichend. Das Millel wird, fein pulverisirt, blos diircli Umrühren mit der Milch gemengt: es ist der Gesundheit durchaus unschädlich und hat vor der sonst gebräuch­lichen Polascho den Vorzug, dass es der Milch keinen Nebengeschmack crlhoill. wie letztere es thut.
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fanus befallen werden; die willkürlichen Bewegungen hurten fast ganz auf, die Empfindlichkeit verminderte sich in den Extremitäten sehr, der Puls war sehr schnell, das Athmen beschwerlich. 4 Stun den nach dem Eingeben wurde das Thier wieder munter, und eine Stunde später konnte es gehen und fressen; und am folgenden Mor­gen war es ganz hergestellt. Als es 2 Tage später dieselbe Gabe erhielt, traten die nämlichen Zufälle ein und das Thier starb nach 2^ Stunde. — Ein anderes Kaninchen starb von 1 Drachme nach 25 Minuten unter heftigem Tetanus, und ein drittes nach derselben Menge, in eine Wunde gestreuet, nach 42 Minuten. Bei den Sek­tionen fand sich der Magen und die Wunde wenig gerüthet, die Schleimhaut des Dünndarms aber sehr und sein Epithelium auf­gelöst , das Blut dünnflüssig, Blut und Urin nicht alkalisch reagirend. —
Man hat das Mittel gegen krampfhafte und andere asthenisch-nervöse Krankheitszufälle, besonders wenn dieselben ihren Sitz in den Baucheingeweiden haben, oder mit Affektionen des Luugen-magennerven oder des grossen sympathischen Nerven verbunden sind, z. B. bei Appetitlosigkeit, Unverdaulichkcit, Krampf- und Windkolik, Lungenkrampf, Magenkoller, Epilepsie und dergl. mit Nutzen gebraucht. Französische Thierärzte wollen es auch bei Ka-chexien, die aus dem Lymphgefasssystem hervorgegangen sind, namentlich beim Rotz und Wurm der Pferde mit gutem Erfolge angewendet haben, — was ich aber nach meinen Beobachtungen hierüber ganz bezweifeln mnss. Die Gabe ist für Pferde 2 Drach­men bis | Unze, für Rindvieh bis 1 Unze, für Schafe 1—2 Skru­pel, für Hunde 5 Gran bis 1 Skrupel, — in 1—3 Stunden wieder­holt. Man giebt es mit schleimigen, bittern oder aromatischen Mit­teln verbunden, am besten in flüssiger Form und kalt (siebe Am­moniak sect;. 534.). Säuren darf man nicht mit ihnen zusammen ge­ben. Im Allgemeinen wird das Mittel wenig benutzt und gewöhn­lich durch das wohlfeilere und noch wirksamere Hirschhornsalz ersetzt.
4. Flüchtiges Hirschhornsalz, brenzliches kohlensäuer-liches Ammonium, brenzlich-öliges kohlensaures Am­moniak, ylnimoniVicuni s. Ammonium carbonicum pyro-oleosum, Sul volatile Cornu Ceni.
Die Wirkungen dieses eigenthümlicbcn, aus Ammoniak, Koh­lensäure und brenzlichem Thieröl zusammengesetzten Mittels sind, ganz seinen Bestandtheilen entsprechend: flüchtige und durchdrin-
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gende Erreguug dor Thütigkeit des ganzen Nerveusysteuis und des Grefässsystems, so dass gleichzeitig die Sensibilität und die Trrifa-liilität vermehrt und uamentlicfa die Energie der Gefassc verstärkt wird. Dabei ist es wichtig, dass die Schnelligkeit (und somit die Zahl) der Bewegungen des Herzens und der Arterien (bei gesun­den Thiercn) selbst durch sehr grosse Gaben des Mittels sich kaum bemerkbar, aber die Schnelligkeit der Athcmzüge sehr vermehrt. — Ich gab dasselbe versuchsweise Pferden und Kühen zu -j—4 Unzen auf einmal, in 3—6 Unzen destill. Wassers gelöst, und sähe stets die Schleimhaut im Maule und in der Nase und die Bindehaut der Augen gleich nach dem Eingeben dunkelrofh, den Blick munterer, das Auge glänzender, das Innere des Maules, die Ohren, die Nase und Füsse und die ausgeathmeteLuft warmer werden; letztere roch auch stark nach empyreumatischem Oel. Die Zahl der Athemzüge war von 10 bis zu 20, selbst 25 vermehrt, der Puls voll und kräf­tig, aber ganz ruhig. Zuweilen (wenn das Mittel sehr conzentrirt eingegeben ward) entstand auch starkes Geifern aus dem Maule, selbst oberflächliche Anätzung der Maulschleimhaut. Alle jene Er­scheinungen dauern jedoch nur 1 bis 2 Stunden. Später findet sich etwas vermehrte Hautausdüustung, wie auch reichlicheres Uli uireu und vermehrte Absonderung an der Schleimhaut der Respi­rationsorgane. Der Koth geht besser verdauet, kleiner und derber geballt ah. Der Appetit wurde niemals vermindert. — Einspritzun­gen von ^—l Drachme Hirschhornsalz, gelöst in 2—4 Unzen de-stillirlen Wassers, in die Drosselvene bei Pferden und Kühen, wirkten augenblicklich fast ganz auf dieselbe Weise, aber noch starker erregend.
Oertlich wirkt das Hirschhornsalz, wenn es mit vielem Wasser (etwa 1 Th. mit 12 Th.) gelöst auf die Haut gebracht wird, rei­zend, die Gefässthäligkeit und Vegetation in letzterer vermehrend, daher bei torpiden Geschwülsten die Resorption und die Zerthei-lung befördernd, in sehr conzentrirter Auflösung (z. B. mit glei dien Theilen Wasser) aber Entzündung erregend, selbst gelind ätzend.
sect;. 558.
Die allgemeine Wirkung des Mittels ist mit der des Kamphers, des reinen und des kohlensauren Ammoniaks, vorzüglich aber mit der des stinkenden Thieröls sehr verwandt, und es findet daher ganz wie dieses (gsect;. 340. 311.) seine innerl-iche Anwendung bei denjenigen Krankheiten, welche mit wahrer torpi-der Schwäche verbunden sind; z.B. bei nervösen, typhösen und bei rheumatischen Fiebern, bei der Staupe der Hunde, dem Koller der Pferde, bei Lähmungen und rein nervösen Krämpfen, bei dem
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Starrkrampf, bei Appetitlosigkeit und Unverdaulichkeit, bei veral­tetem Katarrh und Rheumatismus u. s. w., wenn bei diesen Krank­heiten die Thiere grosso Stumpfheit, der Sinne, weichen, kleinen Puls, verminderte Wärme, schmierige, blasse Schleimhäute zeigen. — Tenneker (Haudb. der prakt. Arzneimittellehre, 2r. Bd. S. 204.) hat selbst bei reinen Entzündungsfiebern, in der Lungen-, Nieren-. und in Gehirnentzündung von dem Hirschhornsalz, nach geraach-tem Aderlass angewendet, grosse Dienste gesehen, und erklärt dies aus der Wirkung des Mittels auf den Schweiss, durch dessen Un­terdrückung die meisten dieser Leiden entstehen. Die Anwendung dieses Mittels bei reinen Entzündungskrankheiten kann aber leicht sehr gefährlich werden, und ist daher keinesweges so unbedenklich zu empfehlen; sie darf nur stattfinden entweder ganz im ersten Entstehen solcher Krankheiten, und dann nur nach vorher gemach­tem Aderlass,—-oder, wo später die Entzündung einen, zum Brande, zur Absterbung und Auflösung führenden Verlauf zeigt, und wo das hinzugetretene Fieber den nervös-fauligen Charakter annimmt.
sect;. 559.
Die Gabe ist für Pferde und Rindvieh 1—-3 Drachmen, für Schafe und Schweine 1 Scrupel bis 1 Drachme, für Hunde 3—20 Gran, in Zwischenzeiten von 2 bis 3 Stunden wiederholt. Die An­wendung geschieht in Pillen, Latwergen oder in Auflösung; zu letzterer nimmt man auf 1 Theil des Salzes 24 bis 32 Theiie Was­ser, oder eben so viel einer schleimigen, bittern oder aromatischen Flüssigkeit.
sect;. 560.
Aeusserlich benutzt mau das Hirschhornsalz als zerlheilemks, auflösendes Mittel bei denselben krankhaften Zuständen, wo das kohlensaure Kali empfohlen ist (sect;. 553.), welches es aber an Wirk­samkeit übertrifft Zuweilen wendet man es mit 10 bis 12 Theilen Wasser oder Branntwein gelöst, zum Waschen an, mehrentheils aber dient es blos als Zusatz zu dem Kampherliniment, zur grauen Quecksilbersalbe, zum aussein Lebcnsbalsam und dergl., in dem Verhältniss von 1 Theil zu 6 bis S Theilen. — Manche Thierärzfe empfehlen es auch als Heilmittel gegen die Räude; hierzu ist es aber viel zu theuer und durch wohlfeilere sehr gut zu ersetzen. Ueberhaupt ist der Preis des Hirschhornsalzes (der dem des Kam­phers ziemlich gleich ist) zu beachten.
Anmerkung. Der Hirschhornspiritus {Spirilus Cormt Ceni, Liquor Ammonii carboniri pi/ro-o'.cusi) ist im gereinigten oder rektifizirten Zustande in den wirksamen Bestandtheiten ganz über­einstimmend mit dein Hirschhornsalz, und blos durch die flüssige Form verschieden. Es gilt daher von ihm hinsichtlich der Wir-
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kung und Amveudung Mies, was liber das Hirschhornsalz ange­geben ist; er wird aber wenig benutzt.
5. Kohlensaurer Kalk, Calx cavboulca.
g. 561. Der kohlensaure Kalk kommt im Thierreicbe und im Mineral­reiche vor. Der aus dein letztem stammende ist mehrentheils ohne Nebenbestandtheile, wahrend der aus organischem Ursprünge bald mehr bald weniger thierischeu Leim enthält und wahrscheinlich auch noch übrigens bei den einzelnen Thieren, von denen er stammt, verändert ist. — In der Thicrarzneikunde werden am gewöhnlich­sten die weisse Kreide {Creta alba), zuweilen auch die präpa-rirten Austerschalen (Conchae praeparafae) und die Lier-schalen {Tcslae ovormn) als Arzneimittel gegen Säure in den Ver-dauun-seingeweiden und gegen hiervon entstandene Diarruoe, Ap­petitlosigkeit, Unverdaulichkeit und Kolik angewendet. Der koh-lensaure Kalk ist in allen seinen Arten ein sehr mildes Arzneimit­tel welches von der scharfen Wirkung des Aetzkalkes keine Spur besitzt Er ist grösstentbells unauflöslich und kann daher nur durch Entwickelung seiner Kohlensäure im Magen und Darmkanal eine geringe allgemeine, und dem kohlensauren Kali ähnliche, aber viel mildere Wirkung erzeugen, aber am meisten wirkt er durch Absorption.der vorhandenen Säure blos örtlich und daher nur pal-liativ Auch belästiget er in zu grossen Gaben oder bei langer Fortsetzung des Gebrauchs zuweilen die Eingeweide aui mechani­sche Weise, indem er sich in festen unauflöslichen Massen anhäuft. Dieser Eigenschaften wegen wird der kohlensaure Kalk in manchen Fällen besser durch das Kalkwasser ersetzt; er verdient vor diesem nur da den Vorzug, wo entweder die Empfindlichkeit der Ver­dauungseingeweide sehr gross, oder wo durch irgend emeu L in­stand die Anwendung flüssiger Arzneien contraiudizirt ist.
Die Gabe von der möglichst fein pulverisirten Kreide u. dgl. ist für Pferde und Rindvieh %-2 Unzen, für Schafe und Schweine 1 Drachme bis | Unze, für Hunde 10 Gran bis 2 Drachmen lag­lich 3 bis 4 mal. Die Anwendung kann in jeder Form, und am besten in Verbindung mit bittern und aromatischen Mitteln, zuwei­len auch, bei heftiger Diarrhöe, in Verbindung mit Rhabarber Opium und arabischem Gummi geschehen. - Schwefelsäure und Weinsteiusäure, und eben so die Salze dieser Säuren, dürfen nicht mit dem kohlensauren Kalk gegeben werden, weil sie mit ihm un­auflösliche Substanzen bilden.
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fi. Magnesia, kohlensaure oiler kohleusäuerliche Bitter­erde oiler Magnesie, Magnesia hydriwcarb'öniea, Magnesia car-bouica s. suhcurbouicu s. alba, Carbonas magnesims cum Aqua el Hydrate magnesico,
sect;. 502. Sie verhält sich in ihren Wirkungen dem vorigen Mittel und zum grossen Theil auch der reinen Magaesie (sect;. 541.) sehr ähn­lich, ist aber milder als letztere, feiner zertheilhar und weniger die Eingeweide helästigond, als der kohlensaure Kalk, weil sie nicht so unauflösliche Verbindungen eingeht, wie dieser. Sie verdient da­her bei den im vorigen sect;. genannten und bei ähnlichen Krankhei­ten als säurewidriges Mittel vor allen andern den Vorzug, beson­ders bei jungen Thieren und bei grosser Schwäche und Reizbarkeit der Eingeweide. Da sie zugleich mehr als % wohlfeiler ist als die gebrannte Magnesie, so kann sie auch bei grossen Thieren ange­wendet werden, ohne dass hierdurch eine zu kostspielige Kur ent­steht. Die Gabe ist für ausgewachsene Pferde und Rinder 2 bis 3 Drachmen, für Fohlen und Kälber und eben so für Schafe und Schweine 1 Scrupel bis 1 Drachme, für Hunde i- Scrupel bis | Drachme. Die Anwendung geschieht wie bei den vorhergehenden Mitteln.
B. Schwefelsaure Salze.
7. Schwefelsaures Kali, Doppelsalz, vitriolisirter Wein­stein, A'u/i sulphuricum, Siit de duobus. Arcanum duplicufiim, Turinru/t vilriolalus.
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sect;. 56?. Es besteht aus Kali und Schwefelsäure und ist in IT bis 18 Theilen kalten, oder in 5 bis 6 Theilen warmen Wassers löslich. — Bei innerlicher Anwendung erzeugt es (wie im sect;. 549. angegeben) zunächst eine cigenthümlichc und massige Reizung des Verdauungs­kanals, namentlich der Drüsen und der absondernden Gefässe, wo­durch eine reichlichere und zugleich dünnflüssigere (mehr seröse) Absonderung der Magen- und Darmsäfte, und hierdurch von mas­sigen Gaben eine stärkere Auflösung und Verminderung des Schlei­mes in den Eingeweiden und leichterer Abgang der Darmexkre­mente, von grossen Gaben aber selbst Laxiren entsteht. Letzteres tritt bei Pferden und Rindern erst nach 20 bis 24 Stunden ein, und der abgehende Koth erscheint bei den erstem selten ganz flüs-
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sig, sondern nur weich, breiartig, mehr feucht und häufiger. Bei den übrigen Thieren, besonders beim Sehweine und Hunde, tritt die Wirkung schneller ein und die Exkremente werden wässerig.— Dass diese Wirkung mit einer örtlichen Reizung,' mit etwas ver-stürktem Zufhiss des Blutes zu dem Uarmkanal und daher auch mit verhiiltnissmässiger Ableitung von andern Organen verbunden sein muss, ist nach allgemeinen physiologischen Gründen als sieher arizunehmen; es ist aber dabei eigenthünilich, dass die Reizung nicht, wie bei den scharfen, harzigen, ätherisch-öligen u. a. Mitteln, mit Vermehrung der Irritabilität und Sensibilität und mit Erhitzung, sondern entgegengesetzt mit Verminderung der natürlichen Wärme und mit Schwächung der Irritabilität in den Häuten und Gelassen des Verdauungskanals verbunden ist.
Mit dieser Wirkung des Mittels auf die Verdauungseingeweide wesentlich übereinstimmend, ist auch seine weitere allgemeine Wir­kung, besonders auf das Gefässsystem und auf das Blut. Es geht in letzteres über, vermindert die Gerinnbarkeit, macht es flüssiger und heller rorh, vermindert die Irritabilität und die Zusammenzle-hungskraft der Gefässe, so dass bei der Anwendung in grosseu Gaben oder durch längere Zeit fartgeselzt, der Herzschlag fühlbarer und der Puls weicher und etwas voller erseheint; die Temperatur der Haut, im Maule u. s. w. und die Haut- und Lungenausdün-stuug wird ebenfalls vermindert, aber die Urinsecretion vermehrt und der Urin selbst wird viel reicher an salzigen Bestandtheiieu, so dass ganz wahrscheinlich ein grosser Theil des eingegebenen Salzes, obgleich etwas verändert, auf diesem Wege aus dem Kör­per wieder ausgeschieden wird.
In allen diesen Wirkungen ist das Doppelsalz sehr verwandt mit dem Glaubersalz und mit dem Bittersalz, grösstentheils auch mit dem Salpeter und mit dem Weinstein; es wirkt jedoch nach den Erfahrungen von Waldinger und Rysz örtlich milder als diese Salze, und zugleich soll es sie als Abführungsmiflel an Wirk­samkeit übertreffen; — das Letztere ist. aber, hinsichtlich des Glau­bersalzes, mit meinen und fast mit allen andern Beobachtungen nicht übereinstimmend. Dagegen steht das Doppelsalz dem Salpe­ter in der Eigenschaft, die Lebensthätigkeit im Blute und die Irri­tabilität zu vermindern, sehr weit nach, es wirkt aber auch in gros #9632; sen Gaben nicht so leicht wie dieser nachtheilig auf die Verdauungs­eingeweide. Auch kühlt es weniger als der Salpeter und als das Glaubersalz.
sect;. 564.
Zufolge der bezeichneten Wirkungen findet das Dnppelsalz eine vielfache Anwendung bei allen solchen Krankheiten, welche a) in
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zu geringer Absouderung an der iuiiern Flache des Magens und Darmkanals, daher in zu grosser Trockeuheit der daselbst befind­lichen Nahrungsmittel, in Anhäufung derselben, oder in Anhäufung von 'iähem Schleim begründet sind, — und die sich durch Trok-kenheit oder schmutzigen, klebrigen Belag der Schleimhaut im Maule, durch Appetitlosigkeit, Unvcrdaulichkeit, sparsam abgehen­den, klein geballten, harten oder mit einer zähen Schleimkruste überzogeneu Koth charakterisiren, und die wohl auch in Folge je­nes Zustamlcs mit gänzlicher Leibesverstopfung und mit Kolik-Bchmerzen verbunden sein können; z. B. Unverdaulichkeit, zu ge­ringe Frcsslust, gastrisches Fieber, Ueberfutterungs- und Versto-pfungskolik (auch des Rindviehes), Verschleimimg ohne grosse Er­schlaffung und dergl.; — b) auch bei solchen Krankheiten, welche in abnormer Aufregung der Irritabilität, in örllicher, aktiver (oder synochöscr) Entzündung, oder in dergl. allgemeiner fieberhaft ent­zündlichen Reizung, in Orgasmus, in zu grosser Plastizität des Blutes oder in aktiven Kongestionen zu edlen Organen beruhen und sich im Allgemeinen durch harten, vollen Puls, dunklere Rii-(hung und Trockenheit der Schleimhäute, grosse Wärme der Haut, sparsame Koth- und Harnentleerung und durch schnelles, festes und gleichmässiges Gerinnen des bei einem Aderlass entleerten Blu­tes zu erkennen geben; daher z. B. bei Entzündungen des Gehirns, der Augen, der Lungen, der Milz, der Leber, der Gebärmutter, der Hufe und dergl; bei Entzündungsfiebern; bei dem akuten Rheuma­tismus; bei dem Dummkoller, wenn derselbe mit den angeführten Symptomen von Gefässreizung, oder mit Kongestionen des Blules gegen den Kopf, oder mit Raserei verbunden ist; bei allen Milz-brandkrankheiten, besonders im ersten Entstehen derselben und vor­züglich, wenn die oben bezeichneten Symptome vorhanden sind. — c) Auch ist das Doppelsalz als urintreibendes und stcinlreibendcs Mittel in solchen Fällen, wo in der Blase sich ein sandiger Boden­satz bildet, mit Nutzen angewendet worden. — d) Ansserdem ist es ein wirksames Gegengift bei frisch entstandenen Vergiftungen durch Blei.
Bei Entzündung des Magens, des Darmkanals, und noch mehr bei Entzündung der Nieren und der Harnblase, geben manche Thierärzte das Doppelsalz (und überhaupt Salze) nicht gern, weil die örtliche reizende Einwirkung nachtheilig sein soll; allein bei ge­schickter Anwendung des Mittels, in Verbindung mit schleimigen Stoffen, ist die letztere nicht so sehr zu fürchten.
Die wirklichen Gegen anzeigen gegen den Gebrauch des Dop­pelsalzes, besonders gegen grosse Gaben desselben, sind: ein hoher Grad von Erschlaffung, Reizlosigkeit und Schwäche, sowohl im
#9632;#9632;.#9632;.
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ganzen Körper, wie auch vorzüglich in den Verdanungsorganen, Durchfall in Folge oder in Verbindung mit grosser Schwache, iiber-mässige Harnsekretion, Zehrfieber.
sect;. 565.
Die Grosse der Gaben und die Verbindung, in welcher das Doppelsalz angewendet wird, ist nach Verschiedenheit des Krauk-beitszustandes und des Heilzweckes sehr verschieden. — Bei den im vorigen sect;. unter a) bezeichneten Krankheiten giebt man es, um die absondernde Thätigkeit im Verdauungskanal gelind zu vermeh­ren, den Schleim aufzulösen, den Appetit und die Verdauung zu bessern (als sogen. Digestivmittel), nur in kleinen und massi­gen Gaben; nämlich den grossen Haustbieren von 1 bis 3 Unzen, Schafen und Schweinen von |-1 Unze, Hunden von |—2 Drach­men, — täglich 3 bis 4 mal, — in Verbindung mit bittern und gelind erregenden Mitteln, und am besten in Latwergen oder in Pillen. — Bei allen Koliken der Pferde soll man, nach Waldin-ger's Vorschrift,') 3 Unzen Doppelsalz mit 1 Unze Euzianwurzcl-pulver und mit warmem Wasser (h Quart) auf einmal, und in Zwi­schenzeiten von i Stunde wiederholt, so lange eingeben, bis das kranke Thicr etwas ruhiger wird, worauf diese Eingüsse nur alle Stunden wiederholt werden, bis Entleerung des Mistes und des Urins und gänzliche Beruhigung erfolgt. Dieses Verfahren ist al­lerdings bei den Koliken, die aus Ueberfüttenmg, von zu trocke­nem, oder schwer verdaulichem, kleisterigem Futter (z. B. Kleie) und aus Mangel an Absonderung im Verdauungskanal entstanden sind, sehr nützlich; allein es eignet sich weder für solche, die in heftiger Magen- und Darmentzündung bestehen, noch für diejeni­gen, die in Reizlosigkeit und Erschlatfung, oder im blossen Krampf dieser Thcile begründet, oder mit starker Aufblähung verbunden sind; denn bei ersteren darf das Salz nur mit vielem Schleim oder selbst mit Fett und fettem Oel verbunden, angewendet werden (z.B. wie im Sj. 196.),— und bei denen von letzter Art sind gewöhnlich die stärker reizenden, krampfstillendcn und absorbirenden Mittel (z. B. Terpentinöl, Opium, Schwefelleber) weit wirksamer.
Gegen die im vorigen g. unter b) angedeuteten Krankheiten muss man das Doppelsalz in den vorhin bezeichneten grösstcu Ga­ben anwenden, sie sogar verdoppeln (so dass man z.B. für Pferde oder Rinder 2 Pfund in '24 Stunden mit etwa 6 bis 8 Gaben ver­braucht), wenn diese Krankheiten in einem hohen Grade bestehen. Schafen und Schweinen 4—(i Unzen, Hunden 1—3 Unzen, Katzen 2 Drachmen bis 1 Unze, Gänsen und Hühnern i—2 Drachmen.
*) Waldinger, üb. d. Nalinings- u, Ilcilmillel der Pferde. S. 199,
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Hayue warnt gegen grosso Gaben dieses Salzes bei edleu Pferden und sagt: dass arabische und englische Pferde durch dasselbe oft umgebracht werden, wenn nicht die gehörige Vorsicht in der Gabe befolgt wird; denn es hat Fälle gegeben, wo man bei entzündlich gastrischen Leiden von dem Doppelsalze eben solche gute Wirkun­gen wie in Koliken bei gemeinen schlaffen Thierea zu erwarten be­rechtiget sein konnte, und es ohne Modifikation in grossen Gaben reichte, wovon jedoch die Folgen gewöhnlich tödtlich, durch stcllen-weisen Brand in den Gedärmen veranlasst waren.*) Ich will die­sen Beobachtungen nicht widersprechen, muss aber bemerken: a) dass ich bei mehrfältigen absichtlichen Versuchen an gesunden eng­lischen und andern Pferden von edler Rage durch die oben bezeich­neten grossen Gaben niemals Magen- oder Darmentzündung oder gar Brand habe erzeugen können; dass aber — b) solche edle Pferde, wenn sie an gastrischen entzündlichen Krankheiten lit­ten, oft schnell an dem hinzugetretenen Brande starben, obgleich gar kein Duppelsalz angewendet worden ist. Dennoch mag man Hayne's Warnung beachten und bei solchen Krankheilen edler Pferde das Mittel nur in kleinen Gaben und in einer grösseren Menge von einhüllenden Mitteln (in flüssiger Form mehr als ge­wöhnlich verdünnt), reichen, oder es ganz weglassen. — Je mehr die Symptome einer akuten synoebösen Entzündung zugegen sind, um so mehr ist es nüthig, mit dem Doppelsalz den Salpeter zu ver­binden; und bei Entzündungen des Verdauungskanals und der Harnorgane ist, wie bereits oben erwähnt, der Zusatz von schlei­migen und anderen milden, einhüllenden Mitkln erforderlich. —#9632; Will man durch das Mittel bald eine laxirendc Wirkung hervor­rufen, so ist seine Anwendung in flüssiger Form am zweckmässig-sten (wenn übrigens dieselbe durch andere Umstände nicht contra-indicirt wird). Diese Wirkung wird sehr verstärkt, wenn mau zu dem aufgelösten Salze die verdünnte Schwefelsäure setzt, und zwar auf 1 Unze Salz \ Drachme von der letztern.
Gegen Eingeweidewürmer der Pferde empfiehlt Waldinger**) als Abführungsmittel das Doppelsalz zu 4 Loth, in Verbindung mit 16 Loth Leinöl und mit 1 Loth Hirschhornöi (S. 347.). — Gegen die Ansammlung sandiger Massen in der Blase und gegen die hier­durch erzeugten Ilarnheschwerden rühmt derselbe eine Cumposition aus 4 Loth Doppelsalz, 2 Loth Kamillenpulver, •£ Loth Seife und
*) Darslell. der in der Tliierheilk. bewährt, Ilcilinillel. Bd. 4.8.309. **) Dessen Therapie, 21e Aull. 2r. Thcil. S. 87. und 282. Formel
Nro. 4.
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^ Loth Terpentinöl.*) Die Wirksamkeit der Jetztereu Arznei kann ich bestätigen.
Essig, Salpeter- und Salzsäure, Kalkwasser, Kalk-, Baryt-, Quecksilber-, Blei- und Silbersalze soll man mit ihm nicht verbinden.
Anmerkung. Das saure schwefelsaure Kali (AWi bi sulphurieum), welches aus 1 Theil Kali und 2 Theilen Schwefelsäure besteht, wird als Arzneimittel für Thiere nicht benutzt, ist aber in neuerer Zeit zur Entwickelung der Chlordämpfe aus dem Chlorkalk (S. 525.) empfohlen worden.
S. Schwefelsaures Natrum, schwefelsaure Soda, Glau­bersalz, Glaubersches Wuudersalz, Walrum sulphuricum, Sulpfias Sodae, Sulphas nalricus c. Arjuu, Sal mlrabile Glauberi.
%. 56G.
Das Glaubersalz besteht aus Natrum, Schwefelsäure und Kry-stallisationswasser; an letzterem ist es ausgezeichnet reich, enthält mehr als die Hälfte seines ganzen Gewichts (nämlich 5G pr.Cent.) von demselben, verliert es aber an der Luft und zerfallt dann in ein weisses Pulver. Man unterscheidet daher a) krystallinisches (d. i. wasserhaltiges, Natrum sulphuric, cryslallisafum) und b) zer­fallenes oder trockenes Glaubersalz {Nalr. sulphuric, delapsum s. sicnini). Da sich mit dieser Veränderung des Salzes auch seine Arzneikraft, wenigstens der Grad der Wirksamkeit verändert, so ist. der Unterschied wohl zu beachten. Das Glaubersalz löst, sich in 3 Theilen kalten und in weniger als gleichen Theilen kochenden Wassers leicht auf.
Die Wirkungen dieses Salzes kommen mit denen des Doppel­salzes sehr überein, und weichen nur darin ab, dass sie, wie es scheint, wegen der reichlichen Wärmebindung, die bei der Anwen­dung, besonders von grossen Gaben des frisch aufgelösten oder des unvollständig gelösten krystallinischen Glaubersalzes im Magen ent­steht, örtlich und allgemein mehr kühlend und antiphlogistisch sind, dass aber aus demselben Grunde das Mittel in grossen Gaben zu­weilen Kolik verursacht oder den Appetit und die Verdauung für einige Zeit schwächt. Diese üble Nebenwirkung bemerkt man von dem trockenen Glaubersalz weniger, und dennoch wirkt dasselbe stärker abtiihrend als das krystallinische; dagegen ist letzteres mehr urintreibend als jenes. Waldinger und Rysz behaupten, dass das Glaubersalz bei weitem nicht so wirksam sei wie das Doppel­salz, und Thierarzt Hoffmann führt (in der thierärztl. Ztg. 1845.
') lieber Nalirungs- und Heilmillel der Pferde. S. 512.
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Nr. 22.) G Beispiele an, in denen selbst ungewöhnlich grosse Ga­ben dieses Salzes beim Rindvieh als Laxirmittel sich ganz unwirk­sam zeigten. Bei einem 5jährigen, mit Esparsette überfütterten Ochsen wurden in Dosen von 6 Unzen innerhalb 4S Stunden 10 Pfund, — bei einem mit Klee überfütterten 3jährigen Stier in den­selben Gaben binnen 24 Stunden 8 Pfund, — bei einer 6jährigen, in Folge des übermässigen Genusses von Rübenkraut in Kolik ver­fallenen Kuh, nach vorausgegangener Anwendung von 1 Pfund Schweinefett und 1 Pfund Leinöl innerhalb 4 Tagen 11 Pfund, — bei 2 mit erhitztem Klee überfütterten Rindern nach vorausgegan­genem Pansenstiche in 3fi Stunden in Gaben zu 3 Unzen an 7—S Pfund, und — bei einer an Indigestion leidenden Kiilberkuh 3 Pfd. Glaubersalz ohne die mindeste (?) Wirkung eingegeben. Ueberall war der Ausgang tüdtlich. — Ich sähe ebenfalls von dem krysfal-lisirten Salze oft nur eine sehr schwache Wirkung, dagegen habe ich das trockene bei absichtlich hierüber angestellten Versuchen eben so wirksam, und in manchen Fällen sogar noch kräftiger ge­funden als das Doppelsalz.
sect;. 567.
Das Glaubersalz kann ganz bei deuselbeu Krankheiten, bei de­nen das Doppelsalz nützlich ist (sect;. 5(14.), als Heilmittel innerlich angewendet werden; es verdient aber vor dem letzteren in den mei­sten Fällen den Vorzug, weil es wohlfeiler ist, und bei Entzündun­gen auch wegen seiner mehr kühlenden Wirkung. — In früherer Zeit hatte man das Glaubersalz auch gegen die Rinderpest empfoh­len;*) es sind jedoch. keine Thatsachen über seinen hierbei gelei­steten Nutzen bekannt.
Die Gabe von dem krystallinischen Glaubersalz ist bei den ver­schiedenen Krankheiten wie von dem Doppelsalz (sect;. 5i)5.); — von dem trockenen aber kann sie um % geringer sein. Die Anwendung von beiden geschieht ebenfalls auf dieselbe Weise und in denselben Verbindungen wie bei jenem Salze, und es ist nur zu bemerken, dass das krystallinische Glaubersalz sich weniger gut als das trok-kene zur Anwendung in Latwergen und noch weniger in Pillen eignet, weil es sehr weiche, schmierige Massen bildet. Man giebt es daher am besten mit Wasser aufgelöst in flüssiger Form, be­sonders wenn es als Laxirmittel wirken soll; ist man aber durch die vorhandenen Krankheitsverhältnisse, namentlich durch sehr be­schwerliches Athmen oder durch heftige Unruhe der Thiere u. dgl.
*) Gulachlen der Golnüdor Cravenliorst, dio Anwendung des Glaubersalzes wider die Hindvieliscuche betreffend. In dem Braiinschw. Anzeiger vom Jahre lt;770.
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genothigt, ilas Mittel in Latwergen oder Pillen anzuwenden, so mnss man ihm etwas mehr Bindemittel zusetzen als andern Arz­neien, z. B. zu 1 Pfund des blossen Salzes gegen 2 Unzen Althee-wurzelpnlver.
Das Glaubersalz ist auch wie das Kochsalz als ein Reizmittel zur Beförderung ties Verdanuugsprozesses bei den pflanzenfressen­den Hausthieren mit Nutzen gehraucht worden. Für diesen Zweck glebt man es wöchentlich an 2 Tagen, jedesmal früh und Abends den Pferden 1| Unze, den Rindern 2 Unzen, den Schafen und Schweinen h Unze auf das Futter, oder man lüst es auf und gieht es im Getränk.
sect;. 56gt;.
Da das krysfallinische Glaubersalz hei seiner Auflösung viel Warme bindet und einen hohen Grad von Kälte künstlich erzeugt, so wird es hin und wieder auch äusserlich bei solchen Entzündun­gen, die mit grosser Hitze begleitet sind, als ein kühlendes Mittel angewendet. Für diesen Zweck wird am besten das grob puiveri-sirte Glaubersalz zwischen Leinwand auf den kranken Theil ge­legt, und dann seine Lösung durch fleissiges Anfeuchten der Lein­wand mit kaltem Wasser bewirkt. Das Waschen der entzündeten Theile mit einer Auflösung des Salzes in Wasser ist weniger wirk­sam. — Das trockene Glaubersalz eignet sich zu dieser Anwendung nicht. Dieselbe ist wenig gebräuchlich und nicht so unbedingt nützlich, wie sie es zu sein scheint, weil die örtliche Einwirkung des Salzes auf die entzündeten Theile eine neue Reizung verursacht.
9. Schwefelsaure Magnesie oder Bittererde, Englisches,
Saidschützer oder Bittersalz, Magnesia sulphuriea, Sulphas
lihigiiesine s. Sulphas magneslctts eum At/ua, Sal anglicum, Sat
SaiJsrhueliense, Sal umarum.
sect; 569.
Dieses aus Bittererdc und Schwefelsäure bestehende Salz ent­hält im krystallinischen Zustande über die Hälfte seines Gewichts (61 pr. C.) Krystallisationswasser, verliert aber dasselbe durch Ein­wirkung einer trockenen Luft und zerfällt dann, wie das Glauber­salz, in ein weisses Pulver.
In seiner Wirkung stimmt es mit dem Glaubersalze und mit dem Doppelsalze fast ganz iiherein, ist jedoch efwas weniger küh­lend, weniger abführend und weniger urintreibend, aber auch we­niger schwächend auf die Verdauungseingeweide als das erstere.— Es findet seine innere Anwendung bei denselben Krankheiten, bei denen das Doppelsalz und Glaubersalz empfohlen ist, muss aber
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den grossen Hausthieren in Gaben, die um % grosser sind als von diesen Salzen, gereicht werden. Deshalb, und zugleich weil es theu-rer ist als diese Salze, wird es selten angewendet.
10. Alaun, roher Alaun, schwefelsaures Thonkali, .4/laquo;-
men, Alumen crudum, Sulphas ahiminiro-kulicus (oder ammonicus)
cum Aqua, Arg'iUa-Kali salphurica.
sect;. 570.
Dieses Doppelsalz besteht gewöhnlich aus schwefelsaurem Kali, schwefelsaurer Thonerdo und vielem (über 45 pr. C.) Krystallisa-tionswasser, kann aber auch statt, des Kali schwefelsaures Natrum oder schwefelsaures Ammoniak enthalten. Durch Brennen in einem irdenen, nicht glasirten Topfe, oder in einem solchen Schmelztiegel, verliert es sein Krystallisationswasser, wird lockerer, schwammicht, und ist dann der sogenannte gebrannte Alaun (Alumen ustum s. Sulphas alnminico-kalicus astus).
a) Der rohe Alaun geht (nach Mitscherlich) bei innerlicher Anwendung zuerst mit dem Eiweisstoff und mit dem Käsestoft, welche im Magen und im Darmkanal vorhanden sind, Verbindun­gen ein, die durch Essig- und Chlorwasserstoffsäure wieder löslich sind und im aufgelösten Zustande auch absorbiri werden können. Seine Wirkungen sind, im Allgemeinen angedeutet, denen der ver­dünnten Schwefelsäure ähnlich, jedoch durch das Kali und die Thonerde etwas modifizirt und gemildert und nach der Grosse der Galten etwas verschieden. Wird er innerlich in massigen Gaben und in nicht zu kurzen Zwischenzeiten angewendet, so wirkt er zunächst auf die Schleimhaut des Verdauungskanals gelind erre­gend und zusammenziehend, vermehrt die Kontraktilität, beschränkt die krankhaft vermehrten Absonderungen und beseitigt daher auch dergleichen Darmausleerungen; eben so wird auch besonders bei länger fortgesetzter Anwendung, die Urin- und (bei milchenden Thieren) die Milchabsonderung vermindert. Dabei ändert sich auch die Qualität der abgesonderten Säfte, — wie man dieses bei man­chen Abnormitäten des Urins und der Milch (z. B. Blutharnen und Blutmelken), die sich durch den Alaun beseitigen lassen, zuweilen sehr deutlich sieht. Bemerkenswerth ist es jedoch, dass während und nach der Anwendung des Alauns an gesunden Kühen, bei meinen hierüber gemachten Versuchen, die Milch nicht früher säu­erte als vorher. — Wird das Mittel anhaltend, und in kurzen Zwi­schenzeiten wiederholt gegeben, so stört es den Appetit und die Verdauung, macht Hartleibigkeit, Abmagerung und Mattigkeit, und Bourgelat {Malüre me'dirale) sagt, dass Pferde in Folge des Ge-
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brauchs des Alauns schwindsüchtig geworden sind. — Zu grosse Gaben erzeugen Leibschmerzen, Durchfall, bei Schweinen und Hun­den Erbrochen, und zuweilen selbst Magen- und Darmentzündung. — Bei den Sektionen findet man dann das Epithelium des Magens und des Dünndarms theilweise in eine woissliche schmierige Masse umgewandelt.
Aeusserlich wirkt er ebenfalls zusammenziehend und gelind reizend; er verdichtet die Weichgebilde theils durch Zusammen-schrumpfung der Fasern, theils durch Gerinnung der Säfte und vermehrt daher den Tonus, vermindert krankhafte Schlaffheit und Ausdehnung, eben so zu üppige, mit Erschlaffung verbundene Bil­dung, beschränkt zu reichliche Eiterung und stillt Blutungen.
sect;• 571.
Die innerliche Anwendung des Alauns ist da angezeigt,/wo Erschlaffung und Reizlosigkeit besteht, und in Folge hiervon die Ab- und Aussonderungen in übermässiger Menge und in unregel-massiger Beschaffenheit stattfinden; daher namentlich bei derglei­chen schleimigen und blutigen Durchfällen, bei Schleimfluss aus den Geschlechtsorganen, bei veralteter Harnruhr, bei dem astheni-scheu Bluthamen, bei Auflockerung der Schleimhaut in der Rachen­höhle, im Kehlkopfe und in den Bronchien, und bei anhaltendem Schleimausfluss aus diesen Theilen; ferner, bei der Lecksucht des Rindviehes im Jsten und 2ten Stadium; bei fehlerhafter Beschaffen­heit der Milch, besonders bei der sogenannten blauen Milch, wenn dieselbe blau, wässerig, theilweis mit zähen Fäden durchzogen er­scheint, wenig Rahm ausscheidet, aber einen fetten, schmierigen Bodensatz bildet. — Auch ist der Alaun als antiseptisches Mittel gegen faulige und andere asthenischc Krankheiten, bei denen sich eine Neigung zur Zersetzung zeigt (z. B. Faulfieber, Typhus, Bor­stenfäule der Schweine), besonders wieder, wenn bei diesen Krank­heiten colliquative Ausleerungen eintreten, empfohlen worden; man soll ihn hier anstatt der verdünnten Schwefelsäure anwenden, wenn man fürchtet, class letztere von den Verdauuugseingeweiden nicht vertragen werden sollte; allein er kann dieses Mittel bei solchen fauligen Krankheiten nicht völlig ersetzen, vorzüglich deshalb, weil er nicht so energisch auf das Blut selbst wirkt. Angeblich soll er auch die Gastruslarven im Magen der Pferde zum Abgehen ver­anlassen.
Aeusserlich findet der Alaun eine häufigequot; Anwendung eben­falls gegen krankhafte Zustände, die wesentlich in Auflockerung und Erschlaffung begründet, und nicht mit vermehrter Reizbarkeit verbunden sind, z. B. gegen Auflockerung der Bindehaut nach Au­genentzündungen oder selbst bei chronischen, mit vieler Schleim-
llertiri^ Arzneimittellehre.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 40
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absonderung begleiteten, torpiden Augenentziindungen; gegen Flecke der Hornhaut, wenn letztere aufgelockert erscheint; gegen die stark jauchenden und sehr stinkenden, mit Auflockerung der Haut ver­bundenen Geschwüre im äusseren Gehörgange der Hunde; gegen die Auflockerung der Schleimhaut im Maule bei und nach dem Maulweh, eben so bei und nach Bräune; bei Aphthen, Teigmal und andern Krankheiten des Mauls, wenn ein fauliger, brandiger Zu­stand dabei besteht, oder wenn SpeichelQuss damit verbunden ist; — ferner, gegen hartnackige üdemaföse Anschwellungen, die blos durch örtliche Erschlaffung unterhalten werden; gegen dergl. Ge­schwüre, besonders wenn sie zugleich sehr reichlich absondern, oder wenn sie mit lockerer, leicht blutender, üppiger Granulation versehen sind, z. B. dergl. Mauke und Strahlgeschwüre; ferner, ge­gen Gallen, gegen Gelenkwimden, Quetschungen, Ausdehnungen, Verrenkungen und Vorfälle, wenn keine Entzündung dabei besteht; gegen Blut- und Schleimflüsse aus der Maulhöhle, aus der Nasen­höhle, den Geschlechtstheilen u. s. w. auch gegen leuchten Brand und gegen Räude.
Der Alaun schadet dagegen innerlich und äusserlich überall, wo vermehrte Irritabilität und Sensibilität, verstärkte Zusammen-ziehnng, Entzündung, Verdickung, Verhärtung besteht, oder wo gutartige kritische Ausleerungen stattfinden.
sect;. 572.
Man giebt Pferden und Rindern den Alaun innerlich von 2 Drachmen bis zu j Unze, Schafen und Schweinen von ^—1 Drachme, Hunden 5 Gran bis h Drachme, in Zwischenzeiten von 6 bis 8 Stunden, am besten in Verbindung mit bittern und aromatischen Mitteln, bei grosser Schwäche auch mit Eampher, bei heftiger Diar­rhöe oder bei heftigem, schmerzhaftem Blutharnen und bei dergl. Harnruhr auch mit schleimigen Mitteln und mit Opium oder mit Bilsenkraut. Die Anwendung kann in Pillen, Latwergen, oder in [nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; flüssiger Form geschehen; letztere scheint die Wirksamkeit am mei-
sten zu begünstigen.
Die äusserliche Anwendung des Alauns geschieht: a) als fei­nes Pulver zum Einstreuen in Geschwüre, nach Erforderniss bald Tür sich allein, bald in Verbindung mit Kohle, mit Asche, mit bit­tern und zusammenziehenden Pflanzenpulvern; oder mit Zucker zu gleichen Theilen zusammengemengt gegen Flecke und Verdunke­lungen der Hornhaut; oder mit arabischem Gummi und Colopho-nium in gleichen Theilen zusammengerieben, als blutstillendes Mit­tel in Wunden. Blutungen aus grossen Gefässen stillt aber dieses Mittel nicht, und in Wunden, welche durch schrelle Vereinigung geheilt werden sollen, ist es nachtheilig, indem es die letztere ehe-
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misch und mechanisch stört. — h) Als Auflösung in Wasser oder in Aufgüssen und Abkochungen von aromatischen und adstringi-renden Pflanzen, zuweilen auch mit Zusatz von Weingeist, zum Waschen und Bähen der ödematösen, der gequetschten, ausgedehn­ten Theile, zum Verbinden der Geschwüre, zum Einspritzen in die Höhlen bei Blut- und Schleimfluss, desgl. als Angenwasser, als Maulwasser. Zum Augenwasser nimmt man 2 Skrupel bis 1 Drachme Alaun auf 8 Unzen eines aromatischen Aufgusses,— zum Gebrauch an den Schleimhäuten 2—3 Drachmen, an andern Theilen aber -^ bis 1 Unze auf 1 Pfund Flüssigkeit. — c) In SalLenform, nur zu­weilen gegen Hornhautflecke (z.B. 1 Theil fein pulverisirten Alaun, 1 Theil Opium oder Kampher mit 18 bis 24 Theilen Honig, Fett oder Eigelb abgerieben), oder bei Widerristschäden und ähnlichen Verletzungen, gegen welche er in dieser Form nur in Verbindung von 2 bis 3 Theilen Eiweis zu dem Zwecke angewendet wird, um eine festsitzende, austrocknende Decke schnell zu bilden. Alkalien und alkalische Erden (daher auch Kalkwasser), eben so Salpeter, Salmiak, Kochsalz, essigsaures Bleioxyd und Quecksilbersalze zer­setzen den Alaun und dürfen deshalb nicht mit ihm verbunden werden, wenn man seine Wirkungen erzeugen will.
sect;. 573.
b) Der gebrannte Alaun ist gelind ätzend und zugleich stärker zusammenziehend als der rohe. Er dient nur zum äusser-lichen Gebranch als austrocknendos, zusammenziehendes und schwach ätzendes Mittel in Wunden und Geschwüren, in denen die Granu­lation schlaff, weich und üppig, und die Absonderung zu reichlich ist. Die Anwendung geschieht am besten als Einstreupulver, bald rein, bald in Verbindung mit andern adstringirenden Mitteln oder Kohle, Kampher und dergl. In Salbenform wird er seltener ange­wendet; Auflösungen mit Wasser sind unzwcckmässig, weil er in denselben mehrentheils wieder zum rohen Alaun umgewandelt und demselben auch in der Wirksamkeit ähnlich wird.
Der Alaun bildet auch einen Bestandthcil dos sogenannten Wund- oder Heilsteins und des Augensteins (siehe 12te Klasse bei dem Kupfer).
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C. Salzsäure oder Chlor - Salze.
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11. Salzsaures Natrum, Chlornatrium, Koch- oder Kü-
chensalz, gemeines Salz, Nafrium chloratum, Xalrum muriali-
cum, Chlorelum Natrii, Sut culinare s. commune (Steinsalz,
Meer salz, Quell- oiler Soolsalz, Sal gemmae, S. marinum,
S. fonlanum).
sect;• 574. Das Kochsalz besteht aus Natrium und Chlor mit beigemeng­tem Wasser, oder nach der altern Ansicht aus Natrum und aus Salzsäure; es löst sich im kalten und warmen Wasser gleichmäs-sig auf, und 100 Theile Wasser können 37 Theile des Salzes lo­sen. — Dieses Salz wirkt, bei innerlicher Anwendung in massigen Gaben, als ein kraftiges Reizmittel auf die sämmtlichen Verdauungs-cingeweide, vorzüglich aber auf die Schleimhaut des Mauls, des Magens undDarmkanals; es erzeugt zuerst einen angenehmen Salz­geschmack und eine lebhhaftere Rüthung der Schleimhaut im Maule, etwas vermehrte Absonderung eines mehr dünnen Speichels, später Trockenheit, Durst und vermehrten Appetit; auf dieselbe Weise wie im Maule werden auch im Magen und Darmkanal die zur Ver­dauung nöthigen Säfte dünnflüssiger, mehr serös und etwas reich­licher abgesondert, zugleich aber die Resorption, die Contraktion, die Irritabilität und die Bewegung im Darmkanal verstärkt; denn der Koth geht nach kleinen, einzelnen Gaben in kleineren Ballen, aber sehr gut verdauet und dabei nicht seltener als sonst ab. Wie weit diese reizenden Wirkungen des Kochsalzes auf andere Organe, besonders auf die Leber, Milz, Bauchspeicheldrüse, die Respirations-organe u. s. w. sich erstrecken, ist zwar nicht so genau nachzu­weisen, aber wahrscheinlich sind sie in einem geringen Grade über den ganzen Körper verbreitet; denn das Salz gelaugt durch die . absorbirenden Gefisse in die Säfte, verursacht eine hellere Röthung des Blutes, vermehrte Urinabsonderung, und das Ueberflüssige wird dann zum Theil durch den Urin, nach Thilow's Versuchen*) aber auch zum Theil durch den Schweiss wieder aus dem Körper aus­geschieden. — Bei Hunden bewirkt eine conzentrirte Auflösung von
*) Ueber die Wirkung des Salpeters und Kiichensalzes. Erfurt 1802. S. 19. — Bemerkenswerth scheint es, dass nach diesen und andern Versti-clien das Kochsalz die Erregbarkeit in den blosgeleglcn Nerven an frisch getödleten und an lebenden Thieren vermehrt, der Salpeter sie aber vermindert.
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einer massigen Quantität Kochsalz nach einigen Minuten Erbrechen ohne weitere üble Zufalle. Wahrscheinlich beruht diese Wirkung auf der grossen Empfindlichkeit des Magens dieser Thiere gegen alles Fremdartige.
Dasi Kochsalz bildet von Natur einen Bestandtheil des Thier-körpers, namentlich des Blutes, und es scheint hieraus schon her­vorzugehen, dass es für denselben nöthig sein muss; auch fühlen wirklich die meisten Thiere, vorzüglich die Wiederkäuer, sein Be-dürfniss; sie lecken es sehr gern und befinden sich bei einen, fort­gesetzten massigen Genüsse desselben nicht nur wohl, sondern sie werden auch dabei mehr beleibt, kräftiger und munterer, die Schleim­häute, erscheinen lebhafter geröthet, die Haare glänzender, der Ap­petit, die Se- und Exkretioncn regclmassiger. Es giebt Gegenden, wo man den Thieren Salz reichen muss, um sie am Leben zu er­balten; z. B. nach Warden starben in den nördlichen Ländern Brasiliens die Hausfhiere, wenn man ihnen nicht eine bestimmte Portion Salz oder Salzsand gab; und nach Roulin wurden in Co-lumbien, wenn das Vieh nicht Salz in Pflanzen, im Wasser oder in Erden vorfand, die weiblichen Thiere weniger fruchtbar und die Heerde kam schnell herunter.*)
In übermässigen Gaben (z. B. bei Pferden von 2 bis 3 Pfund, beim Rindvieh von 3 bis 5 Pfund, bei Hunden von 1 bis 2 Un­zen) verursacht jedoch das Kochsalz sehr bald gänzlichen Verlust des Appetites, Angst, Unruhe, Schmerzen im Leibe, bei Kühen hef­tiges Würgen im Schlünde, — bei Hunden, Schweinen und Katzen auch wirkliches Erbrechen, — sehr schnellen, kleinen Puls, Durch­fall, stieren Blick, Krämpfe, Mattigkeit, Kälte am ganzen Körper, Lähmung der hinteren Extremitäten und selbst den Tod. Letzterer erfolgt zuweilen in 16 bis 24 Stunden, zuweilen erst nach mehrern Tagen. Bei Hunden sähe ich die heftige Wirkung fast immer nur dann eintreten, wenn durch Zubinden des Schlundes das Wieder­ausbrechen des Salzes verhindert war.
In den Kadavern solcher Thiere findet sich: die Schleimhaut des Magens und Dannkanals (bei Wiederkäuern besonders an der Haube, am Laabmagen und an einem Theile des Krummdarms) stark entzündet, schwarzroth, verdickt, an einzelnen Stelleu selbst etwas angeätzt. Das Epithelium ist aufgequollen, besonders die Cyliuderzellen; Schleim war bei meinen Verspchen im ganzen Ver­dauungskanal wenig zu bemerken, Mitscherlich fand im untern Theile des Dickdarms den Koth mit Schleim bedeckt. Im Herzen ist die innere Fläche zuweilen mit dunkeln Flecken versehen. Alle
*) Möglin'sclio Annal. HO. 2. S. 29.
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andere Organe erscheinen unverändert. Das Blut ist etwas dünner als gewöhnlich und nimmt an der Luft binnen kurzer Zeit eine sehr hellrothe Farbe an.*)
Einspritzungen in die Venen von 1—2 Drachin. des Kochsalzes (in der 10 fachen Menge Wassers gelöst) verursachen bei Pferden nur etwas hellere Röthuug des Blutes, aber keine andere Zufälle. Von 1—^ Unze in derselben Art aufgelöst entstand hellere Röthung des Blutes und etwas beschwerliches, kürzeres Athmen; 2 Unzen erzeugten dieselben Zufälle im hohen Grade, so dass das Thier niederstürzte und zu ersticken schien. Nach einer Viertelstunde erholte es sich jedoch wieder.
Bei der äusserlicheu Anwendung a\if die Haut, auf die Schleim­häute, und auf Wunden und Geschwüre bringt das Mittel eben­falls Reizung, dunklere Röthung, im stärkern Grade selbst Bläschen hervor und verursacht zugleich eine lebhaftere Resorption.
sect;. 575.
Das Kochsalz wird für die Hausthiero sowohl als Arzneimittel, wie auch als diätetisches Mittel benutzt.
A. In erstcrer Hinsicht stellen es gewöhnlich die thierärztlichen Schriftsteller den übrigen Neutral- und Mittelsalzen gleich und em­pfehlen es, wie diese im Allgemeinen, als ein kühlendes, entzün­dungswidriges und abführendes Mittel, welches im Nothfalle die übrigen Salze ersetzen könne. Allein wegen seiner reizenden, den Vegetationsprozess belebenden Wirkungen ist es keinesweges an­statt der schwefelsauren und weinsteinsauren Salze und noch we­niger statt des Salpeters, gegen irritable, synochösc Entzündungen anzuwenden, sondern nur gegen solche, bei denen wesentlich die vegetative Thätigkeit und die gute Mischung der Säfte leidet, z. B. bei den katarrhalischen (Druse, Bräune), noch mehr aber bei An­thrax und bei andern typhösen Entzündungen und dergleichen Fie­bern. Seine hauptsächlichste Anwendung findet es aber bei sol­chen Krankheiten, bei denen die Reizbarkeit und die Empfindlich­keit und gleichzeitig die serösen Sekretionen in den Verdauungs-eingeweiden vermindert, oder ihrer Qualität nach krankhaft verän­dert sind, wo z. B. bei Appetitlosigkeit und Unverdaulichkeit die Schleimhaut im Maule bleich oder bläulich gefärbt, mit schmutzi­gem, zähem Schleim belegt, der Koth bald klein bald gross geballt und mit zähem Schleim umhüllt abgehet; daher auch bei Ansamm­lung von-zähem Schleim im Verdauungskanal oder in den Respi­rationsorganen bei Würmern, bei Kolik aus Unverdaulichkeit, bei
*) Einige Fälle von Vergiftung durch Kochsalz an KUhcn siehe: Ar­chiv für Thierheilk. von einer Gesellsch. Schweiz. Thlerärzte, Bd, 3. S. 378. u. 444. u. Jahrg. mCi-. )b.
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der Lecksucht lt;les Rindviehes in den ersten Stadien, bei gastrischen Fiebern, bei Fehlem in der Assimilation und Reproduktion, bei chronischer Druse, bei Fäule und Bleichsucht der Schafe, bei Ab­magerung, beim zu langsamen, unvollständigen Abhaaren u. dgl. Bei gastr.'schen Zuständen der Hunde benutzt man es als Brechmittel.
Bei allen diesen Krankheiten sind massig starke Gaben, näm­lich; für Pferde von 1—3 Unzen, für Rindvieh von 2 — 6 Unzen, für Schafe von 2 Drachmen bis 1 Unze, für Schweine von |—2 Unzen, für Hunde von % Skrupel bis 3 Drachmen (oder 1 bis 2 Theelöffei voll auf einmal), — bei den übrigen Thiereu taglich 2 bis 4 mal hinreichend. Man giebt es in Verbindung mit bittern und erregenden Mitteln, zuweilen auch in Verbindung mit Schwe­fel, Glanzruss und dergl., in jeder Form und selbst als Pulver auf das Futter gestreuet oder als sogenannte Lecke. Bei Hunden als Brechmittel in der G—Sfachen Menge lauwarmen Wassers gelöst.
Auch dient das Kochsalz zu Klystiren, wenn man durch Rei­zung des Mastdarms entweder die Kothentleerungen befordern oder auch eine gelinde Ableitung von andern Organen bewirken will. Man nimmt zu einem Klystir für die grossen Thiere gegen 2 Un­zen, für die kleinen 2 Drachmen bis 1 Loth.
Aeusserlich benutzt mau es bei Verdunkelungen der Hornhaut (wo es jedoch durch Potasche, graue Merkurialsalbe und durch den rothen Präzipitat au Wirksamkeit übertreffen wird), bei Quetschun­gen, Satteldrücken, Blutunterlaufungen, Verrenkungen und Verstau­chungen; bei Sehnenklapp, bei Verhärtungen und odemafösen An­schwellungen; bei Bisswuiulen, welche durch kranke, der Wuth ver­dächtige Thiere entstanden sind; bei unreinen, schlaffen Geschwü­ren, bei dem Maulweh, bei Räude und Flechten, bei dem Haut­jucken, besonders am Schweife und an den Mähnen.
Die Anwendung gegen diese verschiedenen krankhaften Zu­stände geschieht mehrentheils in Auflösungen (1—2 Unzen auf 1 Pfund Flüssigkeit), mit Wasser, Essig und Spiritus, oder mit Auf­güssen und Abkochungen von aromatischen oder zusammenziehen­den Pflanzen, z. B. bei dem Maulweh als Zusatz zu einem Dekokt von Salbei, oder bei Hautkrankheiten in Verbindung mit einer Ab­kochung von Tabak oder Nieswurz. — Bei Verdunkelungen der Hornhaut und bei Verhärtungen (Piephacken, Stollbeulen) benutzt mau das Kochsalz zuweilen auch in Salben, z. B. bei erstem mit Honig (1 Theil zu S bis 10 Theilen) abgerieben, bei letztern als Zusatz zu der Terpentinseife. — Manche setzen es auch zu den Senfbreien, um deren Wirksamkeit zu vermehren.
sect;. 576.
B. Ueber die Benutzung des Kochsalzes als diätetisches Mit-
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tel sind die Ansichten der besten Thierzüchter ausserordeutlich ab­weichend von einander. Manche halten es für nöthig, allen von Pflanzennahrnug lebenden Thieren anhaltend und bei jeder Art der Fütterung Salz zu geben; Andere finden dies nur für Rindvieh und Schafe, und auch für diese nur im Winter und bei Stallfütterung nüthig; noch Andere, z. B. Thaer,*) erkennen zwar au, dass den Schafen das Salz zuweilen nützlich sei, geben es ihnen aber nicht zu bestimmten Zeiten, sondern nur, wenn der Instinkt sie zum Salzlecken treibt; und Einige, z. B. Germershausen**) halten es ganz fur unnütz, den Schafen Salz zu geben. Für jede von diesen Ansichten sind Gründe und Erfahrungen vorhanden, deren ausführ­liche Angabe hier zu weitläufig sein würde; betrachtet man aber die vorhin (S.628.) angeführten wohlthätigen Wirkungen des Sal­zes, so erscheint es nicht zweifelhaft, a) dass der massige Genuss desselben den pflanzenfressenden Thieren und besonders den Wie­derkäuern, die ihre schlaffen Eingeweide mit grossen Futtermassen vollfüllen, jederzeit nützlich sein muss; — b) dass dieses aber besonders der Fall ist, wenn ein schneller Futterwechsel, namentlich der Uebergang vom grünen zum trockenen Futter stattfindet, und eben so, wenn man die Thiere nöthiget (für ökonomische Zwecke), mehr Futter auf einmal und so durch längere Zeit fortgesetzt zu verzehren, als zur Erhaltung des Körpers nöthig ist; — c) dass aber der Salzgenuss not h wen dig ist, wenn die Thiere mit truk-kenein, schwer verdaulichem, in den Eingeweiden eine, dieselben verkleisternde Masse bildendem, oder sehr erschlaffendem Futter, z. B. mit Oelkuchen, mit Körner- und Hülsenfrüchten gefüttert wer­den, besonders dann, wenn sie an diese Fütterung nicht gewohnt sind, oder wenn das Futter wenig nahrhaft, überschwemmt, schim­melig u. s. w. verdorben ist. — Das Futter selbst wird zwar durch das Salz nicht verbessert, aber es wird bei der stärker aufgeregten Thätigkeit in den Verdauungs- und Assimilationsorganen besser verarbeitet, und wahrscheinlich nimmt auch der Chymus und der Chylus durch die Bestandtheile des Salzes eine solche Beschaffen­heit an, dass hierdurch eine bessere Blutbereitung bedingt wird.
—nbsp; Aus diesen Wirkungen ist es auch erklärlich, dass das Koch­salz gegen verschiedene Krankheiten, die aus gestörter Verdauung und Assimilation, so wie aus Stockungen in den Gefässen der Baucheingeweide entstehen, z. B. Verstopfung des Lösers beim Rind­vieh, Leberentzündung, Milzbrand, Lungenseuche, Fäule u. dergl.
—nbsp; ein wirksames Präservativmittel sein kann.
) Ilandb. für die Feinwollige Scliafzuclil. Berlin 18M. S. 98. *) Das Ganze der Scliafzuclil elc. 2 Theilo. Leipzig 1789. 1790.
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Die Menge und die Art, in der mau das Salz giebf, sind ver­schieden; am gcwohnlichsien ist es, ein Stück Steinsalz in die Krippe oder in die Raufe, oder auf den Erdboden zu legen, oder es an einem Stricke im Stalle aufzuhäugeu, so dass die Thiere nach Be­liehen daran lecken können; zweckmässiger scheint es jedoch, nach Art der Fütterung u. s. w. zu hcstimmtcn Zeiten eine entsprechende Menge Salz, nämlich Pferden und Kindern etwa 3—(i Loth, Scha­fen £— 1 Lolh auf einmal und jeden 2ten bis 3teu Tag wiederholt, — mit angefeuchteter Kleie oder dergl. Hafer- oder Gerstenschrot, oder mit Kümmel, Wachholderbeereu und dergl, erregenden oder mit bittern Mitteln gemengt, zum Lecken vorzusetzen. Auch kann man das Salz im Wasser auflösen und hiermit das Heu, hesonuers wenn dasselbe fehlerhaft ist, besprengen. Manche Landwirthe hal­ten es für gut, die Thiere nicht gleicii nach dem Geuuss des Sal­zes, sondern erst etwas später, saufen zu lassen, weil sünst die rei­zende Wirkung desselben zu sehr geschwächt wird, und Andere geben sogar nach dem Salz gar kein Getränk. Dass das letztere Verfahren sehr unzweckmässig ist, dafür spricht schon das Ver­langen der Thiere, ihren künstlich erzeugten Durst zu befriedigen; ausserdem geht dies auch aus den Wirkungen des Salzes hervor.*}
12. Salzsaures Ammonium oder Ammoniak, Salmiak,
Ammoniucum hydrochlorutum, Ammonium murialicnm, Sat ammonia-
cum, Chloretum Ammonii, Bydrochloras ummuniaQus (roher und
gereinigter).
Der Salmiak besteht aus Ammoniak und Salzsäure, löst sich in 3 Theileu kalten und in gleichen Theilen kochenden Wassers, aber nur wenig im Weingeist auf, und verursacht bei seiner Lo­sung eine sehr bedeutende Verminderung der Temperatur. Erlöst kohlensauren und phosphorsauren Kalk, phosphorsaure Bittererde, dergl. Ammoniak, selbst schwefelsauren und fhisssaurenKalk auf.**)
Das Epithelium des Magens und des Dünndarms wird von der Einwirkung des Salmiaks erweicht, die Schleimhaut zumTheil auf­gelöst, aufgelockert, und die Schleimbildung sehr vermehrt. Blut
*) Vergleiche nuch: Kuers Duitelik oder Gcsuiidlieitsplk'se des Pfer-tles etc. 1r. Bd. Berlin 183'J. S. 2o'2 u. f.
*') Diese Eigenscbarten dos Salmiaks können wahrscheitilich nocli mit Vurlheil für manebe .tberapeulisebe Aufgaben benulzl werden, wie z. D. zur Aullüsung manclier tbioriseben Conkreraente, mancher üarm-steiuo und Harnsteine und dergl., da diese neuerzeuglen Massen oft gross-tentbeils aus einem oder aus einigen der genannten Salze bestehen und sich daher wie diese uielir oder weniger durch Salmiak auflösen.
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mit Salmiak gemengt verändert sich langsam durch allmählige Auf­lösung der Hülle der Blutkügelchen, so dass zuletzt der Kern allein noch übrig bleibt. Bei innerlicher Anwendung dieses Mittels in massigen Gaben und durch nicht zu lange Zeit fortgesetzt, bemerkt man eine mit dunklerer Röthung verbundene Reizimg und zugleich eine solche Umstimmung der absondernden Thätigkeit in den sämmt-lichen Schleimhäuten (vorzüglich aber in der des Magens und des Darmkanals, der Luftröhre und Bronchien), dass der Schleim dünn­flüssiger, weniger zähe und weniger gerinnbar, aber etwas reich­licher abgesondert wird. Eben so wird die Absonderung des Urins, und unter günstigen Umstünden auch die Hautausdiinstung ver­mehrt. Wahrscheinlich findet auch in den Lymphgefässen und in den aufsaugenden Blutadern eine vermehrte Thätigkeit statt; denn man sieht, dass die Resorption krankhaft ergossener Flüssigkeiten überall im Körper befördert wird. Der Koth geht gut verdauet, weniger mit Schleim umhüllt als vorher, und etwas trockener ab; an der Respiration und an der Zahl und Beschaffenheit der Pulse findet sich (bei gesunden Thiercn) keine Veränderung; aber der Faserstoff des Blutes wird mehr und mehr aufgelost, und hierdurch die Gerinnbarkeit des letztern vermindert. Dieser Umstand ist sehr beachteuswerth, um die Eigcnthümliclikeit der ganzen Wirkung des Salmiaks richtig zu beurthcilen. Auch ergiebt sich aus ihm, dass der Salmiak wahrscheinlich in das Blut selbst übergeht. — Auf die Sensibilität bemerkt man von kleinen Gaben des Salmiaks bei gesunden Thieren keine Wirkung (wohl aber bei kranken), und eben so wird die Irritabilität in keinem Organe wirklich vermehrt. Wird das Mittel durch längere Zeit in massig starken Gaben (z. B. bei Hunden zu | Drachme, bei Pferden zu 1 Unze täglich 3 bis 4 mal) angewendet, so verlieren die Thicre nach und nach immer mehr den Appetit, die Munterkeit und die Kräfte; die Schleim­haut in der Nase und im Maule erscheint blass, mit vielem schmut­zigen Schleime bedeckt; der Puls weich, klein, der Herzschlag stark pochend, das Blut von dünnerer Consistenz, langsam gerinnend und sehr reich an Serum. Zuletzt erfolgt bei Hunden mit 12 bis 16 Tagen der Tod, — wie ich dies in mehreren Versuchen gese­hen, und wie es auch Arnold's Versuche*) bestätigen. DiePferde starben erst nach 26 bis 3S Tagen und nachdem Faulfieber hinzu­getreten war. — Die Kadaver erstarren langsam und zeigen: im Magen viel unverdauetes Futter, im Darmkanal am vordem Theil Futter mit viel zähem Schleim, am hintern Ende weichen Koth,
*) In der Zeilschrifl für Physiologie von Tiedeitann und Trevi-ranus; 3r. Bd. S. (27—U7,
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ebenfalls mit viel Schleim umgeben; die Schleimhaut im Magen und Darmkanal aufgelockert, die Schleimdrüsen ebenfalls aufgelok-kert und sichtbar vergrössert; eben so, aber weniger stark an der Schleimhaut der Respirationsorgane; das Herz und die grcssen Ge-fässe schlaff, flüssiges, dunkles Blut enthaltend; die Muskeln schlaff und blass; — alle übrigen Organe normal.
Sehr grosse Gaben des Salmiaks können schnell den Tod ver­ursachen, und zwar, wie es scheint, theils durch Ueberreizung, theils durch Darmentzündung. Orfila (Toxicol. Bd. 1. S. ISO.) brachte in den Magen eines starken Hundes 2 Drachmen Salmiak in 2 Un­zen Wasser gelöst, und unterband den Schlund, um das Erbrechen zu verhindern (was sonst nach etwas starken Gaben fast jedesmal erfolgt). Das Thier zeigte nach 3 Minuten starke Neigung zum Brechen; nach 8 Minuten Schmerz und Schwäche; nach 25 Minu­ten lief es wie wüthrnd umher, fiel aber bald unter klagendem Ge­heul um, worauf convulsivische Bewegungen, Tetanus, und nach einer Stunde der Tod folgten. Bei der Oeffnung des Kadavers fand man den Magen und Darmkanal, die Leber, die Milz und das Herz unverändert; die Lungen enthielten etwas schwarzes flüssiges Blut; die aussein Gefässe des Gehirns waren etwas injicirt.— 1| Drach­men einem viel schwücbern Hunde auf dieselbe Weise in den Ma­gen gebracht verursachten dieselben Wirkungen; nur war in die­sem Falle die Schleimhaut des Magens etwas entzündet. Kanin­chen starben von | Drachme des Mittels nach etwa 10 Minuten unter Convulsionen und Tetanus, und zeigten bei der Sektion be­sonders heftige Entzündung der Schleimhaut des Magens und Darm­kanals (Arnold a. a. 0.). — Bei Pferden und Kühen sähe ich von 3 bis 6 Unzen Salmiak, die ich in einer Gabe (bald als Lat­werge, bald mit Wasser aufgelöst) eingab, zwar im Verlaufe der ersten 4 bis G Stunden nach dem Eingeben vermehrte Wärme am ganzen Körper, dunklere Röthung der Schleimhaut in der Nase und im Maule, etwas schnelleres Athmen mit stark in die Höhe gezogenen Bauchmuskeln, — dann sehr vermehrtes Uriniren, am folgenden Tage häufige Entleerungen von etwas weicherem Kothe, und ausserdem die Wirkungen wie von kleineren Gaben, aber durchaus keine weiteren üblen Folgen entstehen.
Viborg (Samml. Bd. 4. S. 141.) spritzte mehreren Pferden eine Lösung von 1 Drachme Salmiak in 2 Unzen Wasser, in die Drosselvene und bemerkte zuerst eine Erhöhung aller Lebensfunk­tionen, als: munteres, feuriges Aussehen, vollen Puls, starken, heis-sen Athem, dunklere Röthung der Nasenschleimhaut, vermehrte Wärme der Haut und Abgang von Koth, — hierauf aber entge­gengesetzt: Niederhängen des Kopfes, matte, halb zugemachte Au-
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gen, kleinen, geschwinden Puls, schnelleres Athinen und schwache Zuckungen der Muskeln. Nach 12—16 Stunden waren diese Zu­falle verschwunden und die Pferde wieder munter. Hunde zeigten nach Einspritzungen von 1 Skrupel Salmiak, aufgelöst in 2 Unzen Wasser, sogleich heftige Convulsionen, Erbrechen, beschleunigtes Athmen, aussetzenden Puls, Mattigkeit und Unvermögen zu stehen. Diese Zufälle dauerten i bis 2 Stunden und gingen in völlige Ge­sundheit über. Eine Injektion von 1laquo; Drachme Salmiak, der in 1^ Unze Wasser gelöst war, tüdtete aber einen Hund sogleich un­ter heftigen Convulsionen.
Nach den Versuchen von Smith sollen 1* Drachme bis 2 Drachm, dieses Salzes, äusserllch durch eine Wunde auf das Zellge­webe eines Humies gebracht, nach li Stunde Schwäche und Er­brechen, nach 2 Stunden Unvermögen zu stehen, und nach 12 Stun­den den Tod bewirken. Ich habe bei der Wiederholung dieser Ver­suche, selbst an schwachen Hunden, blos eine schmerzhafte, aber bald vorübergehende Reizung, und später etwas vermehrtes Urini-reu entstehen sehen. Die Thiere blieben am Leben und ganz inunter.
Auf die unverletzte Haut wirkt der Salmiak in frisch bereiteter Auflösung zuerst massig reizend, auflösend, die Resorption beför­dernd, und ausserdem auch kühlend; aber selbst wenn die Anwen­dung einer sehr couzeutrirteu Auflösung oder in einer Salbe recht oft wiederholt wird, entsteht mebrentheils keine, zuweilen nur eine sehr geringe Entzündung.
Aus diesen Angaben lässt sich entnehmen: dass die Haupt­wirkung des Salmiaks bei seiner innerlichen Anwendung in einer zuerst mit Reizung verbundenen qualitative!; Umstiramung des Vegefationsprozesses besteht, dass er vorzüglich die Thätigkeit der Schleimhäute verändert, die Schleimsekretion vermehrt, eben so die Urinabsondcrung, und dass er die Plastizität sowohl im Blute wie in den abgesonderten Säften vermindert. Die Darmausleerungen werden bei seinem massigen Gebrauche nicht vermehrt und mir um ein Geringes feuchter; die Kräfte erscheinen wenig aflizirt, aber die Resorption gewöhnlich etwas angeregt.
Diesen, auch an kranken Thicren beobachteten Wirkungen zu­folge ist die Anwendung des Salmiaks daher im Allgemeinen ge­gen solche Krankheiten angezeigt: bei denen der wesentliche Zustand in einer Störung des Bildungsprozesses mit vermehrter Plastizität der Säfte besteht, und wobei vorzüglich die Verrichtung der Schleimhäute auf die Art mitleidet, dass ihr Produkt in der Beschaffenheit
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und in der Menge krankhaft erscheint. Merkwürdig ist es, dass, allen Beobachtungen zufolge, das Mittel bei dem hier im All­gemeinen bezeichneten Krankheitszustande eben so nützlich ist, wenn derselbe frisch entstanden oder chronisch, mit oder ohne Fie­ber, selbst mit oder ohne Entzündung, mit vermehrter oder verrin­gerter Schleimsekretion verbunden ist; nur bei akuten, reinen (ar­teriellen), Entzündungen, und überall wo grosse Reizbarkeit und viel trockene Hitze bei Krankheiten zugegen sind, ist der Salmiak nicht passend, weil er unter diesen Umständen zu reizend wirkt und alle Zufälle, namentlich aber das Fieber vermehrt.
Hiernach wird derselbe speziell angewendet: gegen Katarrh bei allen Thieren (Drüse der Pferde, Schnupfen der Schafe, Staupe der Hunde), gegen katarrhalische Bräune, gegen dergleichen Lungen-entzündung und gegen Lungenkatarrh, — gegen Rheumatismus, rheumatische Bräune, rheumatische Lungen- und Brustfellentzün­dung; gegen katarrhalische und rheumatische Fieber. Bei diesen Krankheiten muss, wenn der Puls voll und kräftig ist, der Anwen­dung des Salmiaks ein Aderlass, und zuweilen auch der Gebrauch anderer entzündungswidriger Salze und besonders des Brechwein­steins vorausgehen. Man darf ihn überhaupt nicht zu früh geben, sondern erst nachdem der Puls weich und der Husten etwas locke­rer geworden ist. Eben so ist das Mittel bei gemischten Entzün­dungen und Fiebern, z. B. bei gastrischen und Scbleimfiebern nütz­lich, auch wenn diese Krankheiten einen nervösen Charakter be­sitzen, besonders aber, wenn sich schleimiger Auswurf aus den Re­spirationsorgauen einfindet, oder wenn die Krankheit eine Neigung zeigt, sich durch eine Krisis mit vermehrter Urinsekretion oder mit vermehrter Hautausdünstung zu entscheiden.— Eine nützliche An­wendung findet der Salmiak auch gegen chronische Verschleimun­gen, welche nicht offenbar in zu grosser Erschlaffung allein, son­dern zum Theil noch in einer schleichenden Reizung der Schleim­häute beruhen, daher z. B. gegen chronische Druse, gegen derglei­chen Husten mit Auswurf von zähem Schleim, gegen Unverdau-lichkeit mit Anhäufung von Schleim oder Galle im Magen und Darmkanal, auch gegen Stockungen in den Drüsen, chronische Ent-zündungen und Verhärtungen der Leber u. a. Vegetationsorgane.
sect;. 579.
Die Gabe ist für Pferde 2 Drachmen bis.4 Unze, für Rinder 3—6 Drachmen, für Schafe und Schweine i-—1 Drachme, für Hunde 5—20 Gran, täglich 3 bis 4 mal wiederholt. Die Anwendung kann in Pillen oder Latwergen, bei Wiederkäuern, Schweinen und Hun­den aber auch recht zweckmässig in flüssiger Form geschehen. Fast immer giebt man den Salmiak in Verbindung mit andern Mittein,
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durch welche seine Wirksamkeit vermehrt wird oder eine bestimmte Richtung erhält; so z. B. bei Entzuudungskrankheiten in der ersten Zeit zuweilen mit Salpeter, mit Glaubersalz, später, wenn die Reiz­barkeit gemindert ist, in Verbindung mit gelinden aromatischen Mitteln, bei grosser Schwäche selbst mit Kampher, — bei chroni­schen Verschleimungen mit bittern, stärkern aromatischen, selbst mit adstringirenden Mitteln, mit Terpentinöl, Theer, Stinkasand, mit Spiessglanz und dergl. Bei Bauchwassersucht habe ich in meh­reren Fällen, besonders bei Hunden, von dem Salmiak in Verbin­dung mit Digitalis eine ganz vortreffliche Wirkung gesehen.
sect;. 5S0.
Aeusserlich dient der Salmiak a) als ein erregend-zertheilendes und doch kühlendes Mittel gegen Enfzündungen, die nicht ganz rein, sondern mit Extravasaten von Serum oder Blut, mit Ausdeh­nung und Erschütterung verbunden sind, daher gegen Quetschun­gen, Verstauchungen, Satteldrüeken; auch gegen asthenische Au-ger.entzüudungen, Hornhautflecke, Verhärtungen, Milchknofen, Seh-nenklapp und dergl.; und — b) gegen Räude, Flechten und ver­altete Mauke.
Bei den Entzündungen und Quetschungen wird er, wenn man hauptsächlich die kühlende Wirkung beabsichtiget, mit Salpeter, Essig und Wasser als Seh muck er sehe kühlende Umschläge, oder ohne Salpeter als sogenanntes Oxykrat oder saure zertheilende Waschung (sect;. 518.), zu Waschungen und Umschlägen, und im Uebrigen ganz so wie das Kochsalz (sect;. 575.) benutzt, durch wel­ches er auch mehrentheils zum äusserlichen Gebrauch wohlfeiler ersetzt werden kann. — Gegen die sub b) genannte:;! Krankheiten wendet man ihn in conzentrirten Auflösungen (1 Unze zu 6 Unzen Wasser) oder in Verbindung mit Fett oder grüner Seife u. s. w. in Salhenform an.
Eisen-Salmiak, s. bei Eisen.
D. Salpetersäure Salze. 13. Salpetersaures Kali, Salpeter, Kali nilricum depuralam,
Nitmm, Xitras kalicus s, potassne, Stil petrae.
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sect;. 581.
Unter den salpetersauren Keutralsalzen ist der Salpeter allein
als thierärztliches Arzneimittel gebräuchlich. Er besteht aus Kali
(46| pr. C.) und Salpetersäure (53J pr. C). Seine Aufloslichkeit
im Wasser ist nach der Temperatur des letztern sehr verschieden:
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100 Theile Wasser von 0 Temperatur lösen nach Gay-Lussac 13 Theile Salpeter, von 14 Gr. R. lösen 20 Theile, von 36 Gr. R. 74 Thejle, und von 77 Gr. R. 236 Theile Salpeter auf. Bei der Auflösung bewirkt er Kälte. Im reinen Weingeist ist er unlöslich, im wasserhaltigen nur wenig löslich.
In seinen Wirkungen auf den thierischen Organismus zeigt der Salpeter eine grosse Aehnlichkeit mit dem Glaubersalz und mit dem Doppelsalz, unterscheidet sich aber von diesen und von allen an­dern Salzen dadurch, dass er stärker, als sie es thun, kühlt, den Faserstoff und Kohlenstoff im Blute vermindert, es hierdurch flüs­siger und heller macht, die Wärme, die Expansion und die Gerinn­barkeit desselben vermindert, eben so die Irritabilität im ganzen Körper, vorzüglich aber im Herzen und in den Blutgefässeu sehr vermindert, und dass er in etwas grossen Gaben den Magen mehr belästiget, den Appetit und die Verdauung stört. — Die Urinsekre-tiou wird durch den Salpeter vermehrt, besonders aber, wenn der­selbe in mehrern, nach kurzen Zwischenzeiten wiederholten Gaben angewendet worden ist; der Urin selbst wird mehr dünn, wässerig, und macht einen starken) alkalischen Bodensatz, aber der Salpeter als solcher ist in ihm nicht zu finden. Er scheint also zersetzt zu werden, und jene Wirkungen auf das Blut sind wahrscheinlich zum Theil durch die chemische Zersetzung verursacht, indem sein Sauer­stoff zur Bildung von Kohlensäure und Wasser die Elemente giebt (namentlich wo Aussonderungsstoffe krankhaft im Körper zurück­geblieben sind), dass in Folge hiervon die Lungen- und die Haut­ausdünstung freier wird und eine mehr arterielle Blutbiidung ein­tritt, wo bisher ein Uebermaass von Faserstoff bestand. — Auf die Schleimhaut des Verdauungskanals wirkt er in massigen Gaben nach Art der übrigen genannten Salze, gelind erregend und die Absonderungen befördernd, wonach dann der Koth etwas weicher und feuchter abgeht; von grossen Gaben entstehen aber a) heftige Reizung des Magens und Darmkanals, Leibschmerzen, Verminde­rung des Appetites (bei Hunden und Schweinen auch Erbrechen), starkes Laxiren, selbst mit Ausleerung von Blut, sehr reichliches Uriniren, Schwäche in den Muskeln, schneller, kleiner Puls, an den Schleimhäuten zuerst dunkelrothc, selbst livide, späterhin blasse Färbung, — und b) zuweilen auch Convulsionen, Lähmung der Extremitäten und der Tod. Bei 2 Pferden, denen man in der Thier-arzneischule zu Lyon jedem S Unzen Salpeter in 2 Pfund Wasser aufgelöst auf einmal eingegeben hatte, erfolgte nach allen Sympto­men von heftiger Darmentzündung der Tod binnen 24 Stunden, und bei der Sektion fand man die Schleimhaut des Marens und
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Darmkanals durchaus entzündet.*) — Ich habe mebrern, sowohl kräftigen, wie auch schwächlichen Pferden 8, 12, sogar 16 Unzen dieses Salzes in Latwergen, in Pillen und in conzentrirter Auflu-sung auf einmal eingegeben, und davon zwar die, vorhin unter a) genannton Zufälle, aber bei der hiernach durch lange Zeit fortge­setzten Beobachtung der Thiere keine weitern üblen Folgen be­merkt.*') Hiermit stimmen auch die Resultate der von Cupiss und von Morton gemachten Experimente***) überein. Youatt, Surginsonf) u. A. haben jedoch von kleineren Gaben jene üble Zufälle und selbst den Tod erfolgen sehen, und hiernach in den Ka­davern die Schleimhaut des Magens, theilweis auch die des Darm­kanals dunkelroth, mit Extravasatcn und an einzelnen Stellen auch mit Excoriationen behaftet gefunden. — Ueber den Eintritt solcher heftigen Wirkungen von bestimmten Gaben bei Wiederkäuern sind sichere Beobachtungen nicht bekannt; doch scheint es nach der Be­obachtung eines ungenannten englischen Thierarztesf-f-) bei Rind­vieh, so wie nach Saussol's Beobachtung an Schafen-;—;-!-) hier in ganz ähnlicher Weise zu wirken wie bei Pferden. — Auch über die Wirkung bestimmter Gaben bei Schweinen fehlen sichere Be­obachtungen. Dagegen eahe ich (wie Orfila, Toxikol. Bd. 1. S. 174.), bei Hunden, denen ich nach dem Eingeben von 2 Drach­men, selbst nur von 1 Drachme Salpeter den Schlund unterbunden hatte, sogleich Neigung zum Brechen und A?igst, dann Schwäche, nach 20 bis 40 Minuten Schwindel, Krämpfe, langsame Respira­tion, schwachen Herzschlag und nach 1 bis 2 Stunden den Tod erfolgen. Im Kadaver fand sich: der Magen äusserlich blauroth; seine Schleimliaut dunkelroth, mit schwarzem Blut injizirt; die Mus-
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*) Comple rendu dus Iravaux de l'Ecule velerinaiie de Lyon, annie 1819.
**) Auffallend war es mir, dass ich nach der Anwendung dieser ausserordenllich grossen Gaben niemals durch das Tliennomeler eine Verminderung der Temperalur, weder im Biule noch im Maule, im Afler oder an der Haul der Thiere entdecken konnte; im Gegentheil hatte die Wiirmo in der ersten Stunde gegen 1 Gr. zugenommen, und bei einem Pferde war sogar ein allgemeiner Schweiss ausgebrochen. Das nach dem Eingeben zu verschiedenen Zeilen aus der Vene entleerte Dlul erschien etwas rother als vor dem Versuch, gerann etwas langsamer, und {rennte sich schärfer in Serum, in Crnor und Faserstotl; letzterer nahm an Menge zu und zeigte nach dem Erkalten eine grosse Ziihigkeil und Festigkeil! —
'**) Veterinarian 1837. p. C7. u. 198.
t) Ebendaselbst 183G. p. 532. u. iS38. p. 8ü.
tt) Ebendas. 1838. p. 123.
#9632;Ht) Recueil de möd. vötörin. 183C. p. 281. Die Lämmer halten blos Salpeter von Erdwänden geleckt.
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kelhaut sehr gerotbet; der Dünndarm von derselben Beschaffenheit; die Nieren und die Schleimhaut der Harnblase etwas mehr gerö-thet; die Lunge gesund, mit hellrotbem Blut massig erfüllt; eben so das Herz in seiner linken Hiilfte; das Gehirn sehr blutreich. — Wurde die Unterbindung des Schlundes nicht gemacht, so entstand blos Erbrechen, Mattigkeit und zuweilen Laxiren, jedoch uald vor­übergehend. — Wird der Gebrauch des Salpeters durch einige Zeit fortgesetzt, und es entstehen jene akute Zufalle nicht, so beobach­tet man hiernach in manchen Fällen sehr reichlichen Abgang eines wasserhelleu Urins, Abmagerung und Entkräftung, selbst einen wirklich fauligen Zustand.
Nach dem Einspritzen von 1—3 Drachmen Salpeter (aufgelöst in 2—3 Unzen Wasser) in die Drosselvene entstand bei mehreren Pferden sogleich geschwindes Athmen, kleiner, geschwinder Puls, Herabhängen des Kopfes, Mattigkeit; nach etwa 5 Minuten auch etwas vollerer und geschwinderer Puls, dabei eine Art von Schlum­mer und Gähnen; nach \ Stunde wurde der Puls langsamer, das Maul trocken, das Haar gesträubt, — Frostschauder; nach 2 Stun­den Abnahme aller Zufälle, so dass nach G Stunden nur noch etwas kleiner und geschwinder Puls bestand; dabei aber Appetit zu Fut­ter und Getränk wieder eingetreten war (Viborg Samml. Bd. 4. S. 131. 132.).
Aeusserlicb wirkt der Salpeter, wenn er in Auflösungen ange­wendet wird, kühlend, und auf Wunden gelind reizend, wenigstens die Granulation etwas dunkler rüthend; aber selbst von sehr reich­licher, conzentrirter und fortgesetzter Anwendung sieht man weder Anätzung noch besondere allgemeine Zufälle entstehen. Orfila a. a. 0. sagt dasselbe. — Dagegen entsteht sowohl bei der inner­lichen Anwendung wie auch bei der Anwendung auf blossgelegte Nerven eine auffallende Verminderung der Nervenreizbarkeit.*)
Dieser Umstand scheint zur richtigen Erklärung über die Art, wie der Salpeter im Thierkörper seine schwächenden Wirkungen entwickelt, zu dienen; denn es lassen sich keinesweges alle Erschei­nungen aus seiner kühlenden und das Blut verdünnenden Wirkung allein erklären.
sect;. 5S2.
Die allgemeine Anzeige zur Anwendung des Salpeters findet sich, den angedeuteten Wirkungen gemäss und der Erfährung zu­folge, bei Krankheiten in denen die Energie des Herzens, der Ar­terien und der Muskeln vermehrt, zugleich die Reizbarkeit in die-
*) Thilow, über die Wirkung des Salpeters und Küchensalzes. Er­furt 1802. S. 13 u. f.
Ilertwijc Arzneimittellehre.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;41
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sen Theilen uud im Nervensystem zu sehr aufgeregt, das Blut zu sehr gerinnbar oder auch reich an Kohlenstoff ist; — daher, wo dasselbe sehr dunkel gefärbt und theerartig erscheint, wo der Puls hart, voll, der Herzschlag unfühlbar oder nur ganz schwach fühl­bar, die Urinabsoaderuug vermindert, die Haut huiss uud trocken, die Schleimhäute dunkelroth oder blauroth und mehr trocken als feucht sind. — Dagegen wird er nicht immer gut ertragen, wenn im Magen und Darmkanal, in den Nieren oder in der Blase ein hoher Grad von krankhafter Reizbarkeit besteht, weim die Ver­dauung sehr geschwächt, oder wenn eine faulige Zersetzung im Körper schon eingetreten ist.
Demnach dient der Salpeter innerlich als das (nächst dem Ader-lass) wirksamste antiphlogistische Mittel gegen Eutzündungsfieber, gegen jede akute Entzündung (mit Vorsicht jedoch bei Entzündung im Verdauungskanal), selbst beim drohenden Brande; gegen aku­ten Rheumatismus; gegen heftige rheumatische Fieber, wenn sie den Entzündungscharakter au sich tragen; gegen alle akute An-thraxkrankheiten mit demselben Charakter, daher auch gegen die Bräune und den sogenannten Hinterbrand der Schweine u. s. w.; gegen aktive Congestionen nach dem Kopfe oder nach der Lunge, — und nach Waldinger gegen den Starrkrampf.
Auch als Präservativ gegen Anthraxkrankheiten im Allgemei­nen, und besonders gegen die Anthraxbräune der Schweine giebt man ihn, sowohl für sich allein, wie auch in Verbindung mit an­dern Mitteln.
Aeilsserlich benutzt man den Salpeter a) als kühlendes und zertheilendes Mittel gegen heftige Entzündungen, ähnlich wie das Glaubersalz (siehe Essig, S. 567. und Salmiak, S. 638.). Englische Thierärzte (King, im Veterenarian, 1838, März, und Morton, Manual of Pharmacy, p. 240.) empfehlen eine conzentrirte Auflö­sung (1 Th. zu 7 Th. Wassers) als ein sehr kräftiges Reizmittel für Wunden, in welchen Gangrän entstanden ist. — b) Gegen Räude und Flechten ist er als Waschmittel (in Auflösungen mit Wasser oder Tabaksabkochung und dergl. 1 Unze zu 10 Unzen Flüssig­keit) oder auch in Salben (|;Unze zu 1 Unze Fett oder Seife) täglich einmal anzuwenden, sehr wirksam.*)
sect;. 5S3.
Die Gabe ist, nach dem Grade der Heftigkeit der vorhandenen Krankheit u. s. w., für Pferde und Rindvieh i—li Unze, für
*) Bei Menschen, welche sich mil Pferderäude infizirt hallen, sähe ich von keinem andern Millel so bald das lästige Jucken verschwinden und Heilung erfolgen, wie nach täglich zweimaligem Waschen mit einer Auflösung von i Unze Nil nun in 12 Unzen Wasser.
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Schweine 1 Drachme bis % Unze, für Schafe 1—2 Drachmen, für Hunde 5 Gran bis 1 Skrupel, — in Zwischenzeiten von 2—4 Stun­den wiederholt, so lange bis die Schläge des Herzens fühlbar, und die Ab- und Aussonderungen reichlicher werden. Ist dies binnen 2 Tagen nicht der Fall, so muss danach der Gebrauch des Mittels für etwa einen Tag ausgesetzt werden. — Fast immer setzt man dem Salpeter bei den Entzüudungskrankheiten, und wenn man die Kothausleerungen stärker befördern will, noch Glaubersalz oder Doppelsalz, oder Weinstein, — bei brandigen Entzündungen, bei Typhus und Milzbrand, aber die Schwefelleber oder selbst den Kam­pher hinzu. In der Verbindung mit dem letztern hat der Salpeter auch bei heftiger Bräune, bei Nierenentzündung, bei akutem Rheu­matismus, und nach Waldinger auch beim Starrkrampf sefcr gute Dienste geleistet (sect;. 3)8.); doch sind die pathologischen Zu­stände, bei denen diese Verbindung eigentlich passend ist, bis jetzt noch nicht genau bestimmt. — Die Anwendung geschieht in Pil­len, besser in Latwergen, und wenn die Wirkung recht schnell er­folgen soll, auch in flüssiger Form. Man muss dabei den Salpeter in der hinreichenden Menge Wassers (d. i. wenigstens mit 7 bis 8 Theilen desselben) vollkommen auflösen und stets mit einem schleimigen Vehikel etwas reichlicher versetzen als andere Salze, um die reizende örtliche Einwirkung auf den Magen und Darm-kanal möglichst zu mindern. Dies ist um so mehr nöthig, wenn diese Theile, oder die Harnwerkzeuge an Entzündung oder an ver­mehrter Reizbarkeit leiden. — Er dient auch zur Bereitung der Schmucker'sehen Fomentationen (sect;.518.) und der salpetersauren Räucherungen (sect;. 510.).
Anmerkung. Das Schiesspulver (Palvis pyrlui s. Pulv. sclopeturius), aus Salpeter (gegen 76 Theile), Kohle (15 Theile) und Schwefel (9 Theile) zusammengesetzt, wirkt der Hauptsache nach fast ganz wie der Salpeter und kann im Nothfalle statt des­selben bei allen Krankheiten angewendet werden, wo dieser nütz­lich ist. Die Gabe muss aber um '#9632;. stärker sein als von dem Sal­peter. Aeusserlich kann das Pulver zur Zerstörung des Contagiums in frischen Bisswuuden von tollen Hunden u. s. w. dienen, indem man es in diese Wunden streuet und anzündet; von Empirikern wird es zuweilen, mit Fett oder Ocl zur Salbe gemacht, gegen Räude, Flechten, Maulgrind, Mauke und dergl. benutzt. Gegen die Räude der Hunde hat sich folgende Zusammensetzung oft sehr wirksam gezeigt: Man nimmt Schiesspulver 4 Unze, Kochsalz 4 Un­zen, Kornbranntwein S Unzen. Täglich dreimal hiermit die kran­ken Stellen reichlich zu befeuchten.
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E. Essissauro Salze.
14. Essigsaures Ammoniak oder Ammonium, Essig-Sal­miak, MlUaerer S Geist, Ammonium acelicum, Sal ammoniacum iicelaluin, Spiritus s. Liijuor Minderer!, Liquur ammonii aeelici, l.iquor acetalis ammoniaci.
sect;. 584.
Dieses Salz bestellt aus Ammoniak, Essigsäure und Wasser, ist sehr schwer krystallisirbar und daher allgemein nur in flüssiger Form gebrliucblich. — Bei der innerlichen Anwendung in gehörig grossen Gaben (z. B. bei Pferden und Kühen in Gaben von 4 bis 6 Unzen, bei Hunden von 2 Drachmen bis 2 Unzen) verursacht es etwas volleren Puls, etwas schnelleres Athmen mit vermehrter Liingenausdünstung, lebhaftere Röthung der Schleimhaut in der Nase, vermehrtes Uriniren und stärkere Hautausdünstung. Alle diese Wirkungen entstehen ohne heftige Aufregung, sehr mild, aber auch nur in einem geringen Grade. Eine tief eindringende Wir­kung auf den Vegetationsprozcss, oder eine besondere Richtung auf das Nervensystem konnte ich niemals recht deutlich erkennen.
Man hat den Minderergeist gegen katarrhalische und rheuma­tische Fieber, gegen Druse, gegen die Staupe der Hunde, gegen katarrhalische Bräune, akuten Rheumatismus, rheumatischen Starr­krampf; bei akuten Hautausschlägen (z. B. bei den Pocken) und bei akuten Wassersuchten in mehreren Fällen mit Nutzen ange­wendet, und er schien bei diesen Krankheiten besonders dann etwas zu leisten, wenn sie mir in einem massigen Grade und ohne akute Entzündungszufälle bestanden, oder wenn die letzteren bereits be­seitiget waren, und zur Zeit der eintretenden Krisis. — In den mei­sten Fällen ist jedoch das Mittel durch den Salmiak zu ersetzen, — was bei den grossen Hausthieren um so mehr zu beachten ist, weil es theuer ist und in grossen Gaben angewendet werden muss, wenn man eine Wirkung von ihm sehen will. Es wird daher jetzt nur selten, und mehrentheils nur für die kleineren Thiere benutzt.
Eine mitHmässige Gabe ist: für Pferde und Rinder 3 Unzen, für Schafe und Schweine 1 Unze, für Hunde ^—2 Drachmen, täg­lich 3 bis 4 mal. Man giebt es mit Fliederblumen, mit stärkern aromatischen oder mit bittern Mitteln, auch mit Kampher verbun­den, in Latwergen und in flüssiger Form.
Anmerkung. Das essigsaure Kali oder die geblätterte Weinsteinerde (Kali acelicum, Terra foliata tartari) wirkt küh­lend und sehr nrintreibend, in sehr grossen Gaben auch gelind
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laxirend, wird aber sehr wenig benutzt, weil es ebenfalls zu thener ist. Dasselbe gilt von dem essigsauren Nat rum (AWrum
acelicum ),
F. Weinsteinsaure Salze.
15. Saures weinsteinsaures Kali, Weinstein, Wein-
steinrabm, Kali farlarlcum acldulum, Cremor Tarluri, Bitartrat
kalirus cum aqua,
sect;. 5S5.
Der vorwaltende Bestandtheil dieses sauren Salzes ist die #9632;Weinsteiusäure, von welciier es 70^ pr. C. neben 25 pr. G. Kali und 4 % pr. C. Wassers cnthiilt. Der im Handel vorkommende rohe Weinstein (Tartarus vrudus) enthält ausserdem noch bald mehr, ball weniger weiusteinsauren Kalk, färbende Stoffe u. s. w. und ist daher in seinen Wirkungen nicht gleichartig. Der gerei­nigte Weinstein {Tartarus de/turalus, Cryslalli Tarlari) ist des­halb vorzüglicher, jedoch noch einmal so thruer als der erstere. Er lost sich in 95 Theilen kalten und in 15 Theileu kochenden Was­sers auf; im Weingeist ist er unlöslich.
Das Mittel wirkt wegen seines überwiegenden Gehaltes an Weinsteinsäure eiuigermaasseu ähnlich den verdünnten vegetabi­lischen Säuren (sect;. 4S)S.), aber durch das Kali zugleich mehr als diese auf den Absonderungsprozess in den Schleimhäuten und auf den Resorptiousprozess in den Venen, indem es beide, und beson­ders den letztern, (hätiger macht, und vielleicht auch das Blut etwas verdünnt; es vermindert die Irritabilität und kühlt in einem mas­sigen Grade (weit weniger als der Salpeter), befördert die Urin-gekretion ziemlich stark und bewirkt, dass der Koth etwas lockerer und weicher abgeht; wirkliches Laxiren entsteht nur nach sehr grossen, wiederholten Gaben, durch welche aber der Appetit und die Verdauung sehr geschwächt werden. Deshalb, und zugleich des hohen Preises wegen (im Vergleich zu den schwefelsauren Sal­zen), benutzt man den Weinstein als Laxirmittel nicht; dagegen kann er in massigen Gaben gegen leichte Entzündungen und Ent-züudungsfieber, besonders wenn sie mit gastrischen Zuständen oder mit Störungen in der Bereitung und Ausscheidung der Galle com-plizirt sind; eben so gegen Stockungen in den Blutgefassen des Hinterleibes; gegen den sogenannten Magenkoller; gegen Anthrax, gegen das Blutharnen und Blutmelken während des entzündlichen Zustandes; — gegen akute, noch mit leichten Entzündungssynipto-men begleitete Gelbsuchten untl Wassersuchten und dergl. mit
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Nutzen angewendet werden. Er ist jedoch im Ganzen nur wenig gebräuchlich.
Man giebt ihn den Pferden auf eimial zu 1—2 Unzen, dem Rindvieh zu 2 — 6 Unzen, den Schafen zu £—1^ Unze, den Schwei­nen zu 1—3 Unzen, den Hunden zu | Drachme bis \ Unze, — täglich 3 bis 4 mal. Bei grosser Hartlcibigkeit setzt man ihm schwefelsaure Salze, bei mehr akuter Entzündung den Salpeter, — bei Wassersuchten die Digitalis, bei dem Milzbrande bittere Mittel und dergl. hinzu. Die Anwendung geschieht am besten in Latwer­gen und in Pillen, weniger zweckmässig in flüssiger Form, weil er sich schwer im Wasser auflöst; er erfordert daher eine grosse Menge Flüssigkeit und oft noch einen Zusatz von schleimigen Mitteln. — Stärkere Säuren, eben so reine und kohlensaure Ealien dürfen we­gen chemischer Zersetzung mit dem sauren Weinstein nicht zusam­mengesetzt werden, ausgenommen die letzteren da, wo man aus den kohlensauren Salzen die Kohlensäure im Magen vollständig frei machen willl, um ihre Wirkungen zu entwickeln.
Anmerkung 1. Das neutrale weinsteinsaure Kali, der tartarisirte oder auflösliche Weinstein (Tartarus farlarha-tus, Tarlras kalicus, Tnrlras I'utassae s. I.i.riiiae, Tartarus suln/jilis) ist ein sehr leicht auflösliches Neutralsalz, wirkt weniger kühlend, weniger harntreibend, aber mehr auflösend und die Absonderungen im Darmkanal stärker befördernd als der Weinstein. Er kann bei ähnlichen Zuständen und in denselben Gaben wie der letztere als Heilmittel benutzt werden, ist aber noch weniger gebräuchlich, weil er noch etwas theurer und durch andere Salze gut zu ersetzen ist. Er darf mit Säuren und mit sauren Salzen nicht verbunden wer­den, weil er durch dieselben zersetzt wird.
Aumerkiuig 2. Der natronhaltige Weinstein, wein­st e i n s a u r e Soda, S e i g n e tt e - Salz ( Natru-kall (artarlcim, Tar-fras kalico-nalricus cum Aqua, Tartarus nutronalus, Kali tartaricum natronatum, Tartras Potassae et Sndae, Sal de Selgnelle, Sal poly-chreslum Seignefti) ist ein dreifaches, leicht auflösliches Salz, des­sen Wirkung mit der des vorigen im Wesentlichen übereinstimmt, aber etwas milder ist. Von seiner Benutzung gelten die in der vorigen Anmerkung gemachten Andeutungen ebenfalls. — Der bo­raxsaure Weinstein {Tartarus horaxatus) ist ihm in der Wir­kung fast ganz gleich, und zum thierarzneilichen Gebrauch völlig entbehrlich.
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G. Ocl- und talgsaure Salze, Seifen.
16. a) Kaliseife, weiche Seife, Schmierseife, grüne oder schwarze Seife, Sopo katinus, Sapo viridis 3. nigcr. b) Na­tron- oder Sodaseife, Taigseife, weisse Seife, gemeine Ha ;)Sseife, Sapo sebaceus, S. albus, S. domeslicus nostras.
sect;. 586.
Die erstere Seife besteht ans Kali in Verbindung mit Fett- oder Oelsäure, je nachdem zu ihrer Bereitung ein Fett (z. B. Fischtbran, Schweineschmalz etc.), oder ein fettes Oel (z.B. Hanfbi, Rübol und dergl.) benutzt worden ist. Die zweite Art von Seife ist aus Na­tron, aus Talg- und Oelsäure zusammengesetzt. Beide enthalten auch Walser, jedoch in verschiedener Menge. Sie lösen sich in reinem Nasser und im Weingeist fast ganz auf und können auch eine grössere Menge Fett, Oel, Harz und andere organische Sub­stanzen in sich aufnehmen und damit eine im Wasser leicht zer-theilbare Emulsion machen. Die Seifen werden durch alle Siiureu und durch die meisten Salze, auch die Metallsalze (mit Ausnahme der einfachen und der basischen Kali- und Natronsalze) zerlegt, und sie können entgegengesetzt auch die Sauren binden und die Salze zersetzen.
Bei ihrer Einwirkung auf den Thierkörper vereinigen die Sei­fen grösstentheils die Wirkungen der Substanzen, aus denen sie gebildet sind, jedoch in der Art, dass das Kali oder Natron, da es durch die bei dein Prozess der Seifebildung entstandene Oel- und Talgsiiure theils neutralisirt, theils eingehüllt ist, — nicht mehr ätzend, sondern blos reizend und auflösend wirkt, und dass dage­gen das Fett oder Oel seine müde, einhüllende und erschlaffende Eigenschaft nur noch in einem beschränkten Grade äussern kann. — Beide Arten der Seife erscheinen in ihrer Wirkung auf den Thier­körper als fast ganz gleichartig, aber die grüne Seife ist örtlich etwas mehr reizend als die weisse.
Bei der innerlichen Anwendung in massigen Gaben verursacht die Seife bei allen Thieren eine etwas verstärkte Absonderung an der Schleimhaut des Verdauungskanals lind in den Nieren, viel­leicht auch in der Leber und in der Bauchspeicheldrüse. Der Koth wird etwas mehr feucht, aber nicht weich;'die Urinabsonderung wird immer weit stärker vermehrt und zugleich ähnlich wie bei den Kalien verändert. Dabei ist jedoch (selbst nach grossen Gaben, z. B. nach 1 Pfund bei Pferden) keine Spur einer reizenden Wir­kung auf die Irritabilität und Sensibilität, weder in den genannten
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#9632;
noch in andern Organen zu bemerken; der Appetit wird oft. be­sonders bei fortgesetzter Anwendung der Seife, etwas vermindert und die Verdauung geschwächt, — nämlich wie durch andere fet­tige Substanzen. Zuweilen leidet auch bei anhaltendem Gebrauche des Mittels in starken Gaben die ganze Ernährung des Körpers, und es entsteht Abmagerung, — wahrscheinlich theils durch Stö­rung der Assimilation, theils durch zu sehr verstärkte Resorption. Bei trächtigen Thieren soll die Seife in gleicher Weise auch auf die Gebärmutter eine nachtheilige Wirkung äussern.
Auf die Haut gebracht bewirkt die weisse Seife, mit Wasser zum Brei gemacht, und eben so die grüne Seife im unverdünnten Zustande eine ziemlich starke Reizung, und bei mehrstündiger Dauer der Einwirkung an Thieren mit etwas feiner Haut selbst eine, zwar nur oberflächliche, aber schmerzhafte Entzündung und Ausschwitzung; die Bilduugsthätigkeit in der Haut wird umge­stimmt und die Resorption wird nicht allein in der Haut, sondern auch in dem unter ihr liegenden Zellgewebe, in den Drüsen u. s. w. sehr bedeutend verstärkt. — Wird die Seife in Wasser aufgelöst auf die Haut gebracht, so entstehen dieselben Wirkungen, aber in einem schwachem Grade; zugleich wird durch das Seifwasser die Haut grüudlich gereiniget, indem es alle zähe, klebrige Unreinig-keiten, z. B. verdickte Hautschmiere, Blut, Eiter, fettige Salben und dergl. auflöst und abspült. — In Wunden und Geschwüren wirkt die Seife auf ganz gleiche Weise wie an der Haut, und in den Mastdarm gebracht verursacht, sie Reizung und schneller erfolgende Kothausleerungen. — Nach dem Einspritzen einer Auflösung von ! Drachme Seife mit 2 Unzen wannen Wassers in die Drossclvene eines Pferdes entstand sogleich etwas schnelleres Athmen, schnel­lerer, kleiner Puls und nach 1 Stunde sehr reichliches Uriniren; diese Erscheinungen dauerten über 5 Stunden fort und hatten keine weitere Folgen.
sect;#9632; 587.
Als Heilmittel wird die grüne Seife innerlich nur selten ange­wendet, und mehrentheils zieht man ihr die reinere weisse Seife vor, obgleich ein wichtiger Unterschied zwischen beiden nicht be steht. Chabert empfahl') die Seife im Wasser aufgelöst (Seifen­wasser) gegen die Trommelsucht des Rindviehs; eben so oder in Wein gelöst gegen die Fäule und Wassersucht der Schafe, und mit Hirschhornöl versetzt gegen die Egelkrankheit dieser Thiere; Wal-
*) Vollsländiges Handbuch der Vieharzneikunsl: aus d. Franz. tsler Bd. S. 219. 223.
lii-
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dingerquot;) gebrauchte sie in Verbindung mit Terpentinöl, Düppel­salz und Kamillenblumen hei Pferden gegen die Auh.iufung eines Bodensatzes aus dem Urin in der Blase; ich gab sie, mit kleinen Gaben von Aloe, mit bittern Mitteln und mit Terpentinöl versetzt, mit Nutzen gegen ebronische Leberentzündung und gegen öfters wiederkehrende Gelbsuebt bei Pferden, Rindvieh, Schweinen und Hunden; auch fand ich sie mit einem Aufguss von Kiiminelsamcn innerlich gegeben und eben so in die Gebärmutter gespril/.t, sehr wirksam zur Beförderung der Nachgeburt, wenn dieselbe bios we­gen Unthätigkeit der Gebärmutter zu lange in derselben zurückge­blieben war. — Diinuen Seifenbrei, oder conzentrirtes Seifenwasser, hat man auch gegen Vergiftungen durch Säuren mit sehr gutem Erfolge angewendet; aber bei Vergiftungen durch Arsenik und Su­blimat war der Nutzen dieses Gegengiftes sehr zweifelhaft. — Zu reizenden Klystiren, z. B. bei Verstopfung, bei Krämpfen und krank­haften Harnverhaltungen und dergl., ist Seifenwasser ein allgemein gebräuchliches und recht wirksames Mittel, welches man bald fiir sich allein, bald mit einem Aufguss von Kainillenblumen oder von Heusamen .anwendet. Zuweilen wird die Seife auch als ein isweck-mässigcs Bindemittel der Aloe, des Fichteuharzes und des Terpen­tins benutzt.
Die Gabe ist fiir Pferde und Rinder 1 — 2 Unzen, für Schafe und Schweine 2 Drachmen bis \ Unze, für Hunde i—2 Drachmen, — bei chronischen Krankheiten täglich 2 bis 3 mal, aber bei der Trommelsucht und hei Vergiftungen jede Viertelstunde bis jede halbe Stunde wiederholt. Zu einem Klystir ist die Hälfte, selbst der dritte Theil der bezeichneten kleineren Gaben bei den verschie­denen Thieren hinreichend. — Man setzt nicht gern den innerlichen Gebrauch der Seife durch lange Zeit anhaltend fort, weil hierbei gewöhnlich eine Störung des Appetits und der Verdauung eintritt.
sect;. 588.
Aeusserlich dient die Seife: a) in Verbindung mit warmem Wasser als das beste Reinigungsmittel überall, wo von der Haut, von Wunden und Geschwüren Schmutz, vertrockneter Eiter, Fettig­keiten und dergl. zu entfernen sind; — b) als Heilmittel bei Flech­ten, Räude, Hautjucken, Haarausfall und Mauke, und — c) als auf­lösendes gelind reizendes Zertheiluugsmittel gegen Geschwülste, Verdickungen und Verhärtungen, welche mit fortschleichender Ent­zündung und Ausschwitzung, seihst mit Ulc£ration verbunden sind, z. B. gegen Stollheulen, Piephacken, Gallen, Sehnenklapp, Verhär­tungen der Drüsen, asthenische Entzündungen des Euters, Milch-
*) Ueber die Nahrungs- uml Heilmillel der Pferde. S. 212.
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knoten in demselben (sogen. Einschuss), gegen Fisteln an den Seh­nen, im Hufe, am Schweife nach dem Englisiren u. s. w. — d) die grüne Seife dient auch als ein Mittel, um das Festballen des Schnees an der Sohle des Hufes zu verhüten, oder wenigstens es zu vemiinderu.
Bei den unter b) genannten Hautkrankheiten benutzt man in leichteren Fallen die grüne und eben so die weisse Seife mit Was­ser als einfaches Seifenwasser zum Waschen und Baden täglich 1 bis 2 mal; in hartnäckigen oder veralteten Fällen setzt man sie zu einem Dekokt von Tabak oder Nieswurz, oder man wendet sie als Salbe, mit Terpentinöl (S. 332.), mit Theer oder mit stinkendem Thieröl (S. 356 u. 357.), oder mit Schwefel (S. 516.), mit pulve-risirtem Tabak, Nieswurz und dergl. reizenden Mitteln, nach dem Grade der Empfindlichkeit der Theile und der Hartnäckigkeit des Uebels, im verschiedenen Verhältniss versetzt, täglich ein bis zwei mal an.
Auch bei den unter c) genannten örtlichen Krankheiten ist in leichteren Fällen das Seifenwasser zum Waschen, zum Bähen und zu Fussbädern, warm und recht fleissig angewendet, oft für sich allein im Stande, die Heilung zu bewirken; doch ist eine breiför-mige Auflösung der weissen Seife, oder die grüne Seife in Sub­stanz täglich 1 bis 2 mal auf die Haut gestrichen oder eingerieben, viel wirksamer, und durch Zusalz von Potasche, grauer Quecksil­bersalbe, von Kampher, Terpentinöl (als Terpentinseife S. 333.), Salmiakgeist, Spiritus und dergl. kann ihre Wirksamkeit noch sehr verstärkt werden, z. B. in der Form des sogenannten Opodeldoc; Nimm: grüne Seife 4 Unzen, Kampher 1 Unze, rektifizirten Wein­geist S Unzen, Salmiakgeist 2 Unzen; lose die Seife und den Kam­pher in dem Weingeist, und menge den Salmiakgeist durch Um­rühren hinzu. Die grüne Seife in solchen Verbindungen macht alle andern, theurern sogenannten zertheilenden und Nervensalben ganz entbehrlich, und sie hat vor den fettigen Salben noch den Vorzug, dass sie sich leichter als diese wieder abwaschen lässt und das uöthige Reinigen sehr erleichtert.
Anmerkung 1. Die feineren und theuereu Arten der Seife, wie z. B. die medizinische Seife (Sapo medicatus), die vene-tianische und spanische Seife (Sapo reneius, hispnnkus), sind zu theuer und zum thierarzneilichen Gebrauch entbehrlich.
Anmerkung 2. Der Seifengeist oder Seifenspiritus (Spiritus saponis s. saponalus) wird in den Apotheken durch Auf­lösung eines Theiles spanischer oder venetianischer Seife in 3 Thci-len rektifizirten Weingeistes und 1 Theile Wassers bereitet, kann aber weit wohlfeiler aus 1 Theile grüner Seife, j Potasche und 4
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Theilea verdünnten Weingeistes dargestellt werden. Er wirkt kräf­tig reiseud und zertheilend und wird bei Quetschungen, Ausdeh­nungen und Schwäche einzelner Theile, hei Blutunttrlaufungen, ödematöEen Anschwellungen, Verstauchungen und dergl. zum Wa­schen und Einreihen mit Nutzen augewendet, jedoch nur, wenn keine Symptome von akuter Entzündung oder von schmerzhafter Reizung zugegen sind. — Durch Zusatz von Terpentinöl, Salmiakgeist und dergl. reizende Mittel kam; seine Wirksamkeit noch mehr verstärkt werden.
(üeber das Kampherliniment und das Ainmoniumüui-ment, die auch als Seifen zu betrachten sind, siehe sect;. 321 f. und sect;. 535.)
Zwölfte Klasse. M e t a 1 1 i s c h e A r z n e i m i 11 e 1.
flieniedilaquo; metaltica.J
sect;. 559.
Metalle werden jene chemisch einfache Körper genannt, welche einen eigenthümlichen Glanz (Metallglanz) besitzen, sich sehr gut poliren lassen und die Wärme und die Elektrizität vorzüglich gut leiten. Von ihren übrigen mannigfachen Eigenschaften (deren Auf­zählung nicht hierher gehört) verdient in arzneilicher Beziehung noch bemerkt zu werden: dass die sämmüicben Metalle zu dem Sauerstoffe eine chemische Verwandtschaft (jedoch im verschiede­nen Grade) besitzen, sich mit ihm in verschiedenen Verhälfnissen verbinden, auch mit andern brennbaren, nicht metallischen Stoffen (Schwefel, Kohle, Jod, Chlor), so wie unter sich selbst Verbindun­gen eingehen, und auf diese Weise verschiedenartige Präparate bil­den, welche sich in folgende Abfbeilungen bringen lassen:
1) Verbindungen der Metalle mit Sauerstoff. Der Sauerstoff verbindet sich mit den meisten Metallen in mehr als einem bestimmten Verbältniss, und verwandelt sie hierdurch zu glanzlosen, verschiedentlich gefärbten, bald pulverigen, bald festen Massen, welche man nach dem Verhältnisse, in dem sie jenen Stofif enthalten, auch verschieden bezeichnet, und zwar: a) als Oxydul oder unvollkommenes Oxyd (Oxydulum, Metallum oxydulatum),
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#9632;
wenn die Masse mit dem Sauerstoffe nur unvollständig, und — b) als Oxyd (Oxgdum, MetaUum oxyrlatum), wenn sie mit ihm völlig gesättiget oder selbst übersättiget ist. Von den letztern gieht es daher noch verschiedene Abstufungen, die man Unteroxyd (Sub-oxyd), Ueberoxydul (Hyperoxydul) und üeberoxyd (Hyper-oxyd) nennt. — Je mehr ein Metall vom Sauerstoff aufgenommen hat, um desto mehr nähert es sich in seinen Eigenschaften den Säuren, und einige werden auf der höchsten Oxydationsstufe sogar zu einer Säure umgewandelt. Die meisten Oxyde sind im Was­ser unlöslich, und nur einige besitzen eme geringe Löslichkeit; da­gegen lösen sich fast alle in Säuren und auch im Magensafte auf und bilden dann Metallsalze im flüssigen Zustande.
2)nbsp; nbsp;Metallsalze. Sie entstehen aus der Verbindung eines oxydirten Metalles mit einer Säure oder mit Alkalien, und das Me­tall verhält sich daher, und nach dem verschiedenen Grade seiner Oxydation, entweder als Basis oder als Säure. Uehrigens ist die Zusammensetzung dieser Salze hinsichtlich der Verhältnisse ihrer Bestandtheile eben so verschieden, wie bei den Salzen der Alkalien und Erden (sect;. 54S.) und es giebt daher auch einfache, doppelte u. s. w., basische, neutrale und saure Metallsalze.
3)nbsp; Verbindungen der Metalle mit brennbaren Kör­pern, z. B. mit Kohlenstoff (Kohlenstoffmetalle), mit Phosphor (Phosphormetalle), mit Schwefel (Schwefelmetalle) u. s. w. Man benutzt von diesen Verbindungen nur einige Schwefelmetalle, von denen zu bemerken ist, dass sie durch verdünnte Säuren und da­her auch durch den Magensaft, auf Kosten des Wassers oxydirt werden und dabei Hydrothionsäure entwickeln.
4)nbsp; Verbindungen der Metalle unter sich, sogenannte Metalllegirungen. Sie sind hier von keinem Interesse, daman sie arzneilich nicht benutzt.
sect;. 591). Die sämmtliehen Metalle in ihrem reinen (sogenannten regu-linischen) Zustande wirken auf den Thierkörper aur durch ihre Masse, Schwere und Form, und sie bringen daher auch nur ört­liche mechanische Einwirkungen hervor; wenn sie aber auf irgend eine Weise zu einem der im vorigen sect;. unter 1 bis 3 bezeichneten Präparate umgewandelt sind, so wirken sie als sehr kräftige Arz­neimittel, und mehrere auch, bei nicht recht vorsichtiger Anwen­dung, selbst als sehr heftige Gifte. Hiermit soll aber nicht gesagt sein, dass alle Metalle, welche im reguliuischen Zustande in den Thierkörper und namentlich in den Verdauungskanal gebracht wer­den, durchaus unwirksam bleiben; denn sie können sich daselbst mit andern Stoffen, besonders mit dem in den thierischen Säften
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vorhandenen Sauerstoff und Sauren verbinden, und hierdurch eben so wirksam werden, als wenn diese Verbindung ausserhalb des Or­ganismus stattgefunden hätte. Man sieht diese im Körper erfol­gende Oxydation und die Wirkungen hiervon am stärksten bei eini­gen sogenannten unedlen Metallen, vorztiglicb bei dem Spiessglanzo und dem Eisen, — dagegen kaum bemerkbar bei den sogenannten edlen Metallen stattfinden. — Auf dieselbe Weise (besonders durch den mit Salzsäure, Essig und Milchsäure versehenen Magensaft) werden zuweilen auch (wie bereits im vorhergehenden sect;. bemerkt) die innerlich angewendeten Oxydule zu Oxyden und zu Salzen um­gewandelt und hierdurch in ihrer Wirksamkeit bedeutend verändert.
Die Wirkung der Metallpräparate kann eine örtliche und eine allgemeine sein; jene erfolgt theils durch Heizung und Umstiminung der berührten Stellen, vorzüglich aber durch chemische Einwirkung auf dieselben, indem ein oder der andere Bcstandtheil des Mittels sich mit der organischen Substanz verbindet. Es können hierbei sowohl innerlich wie äusserlich selbst Anätzuugeu und Zerstörun­gen (sect;. 43. und 82.), und hierdurch consensuell oder auch durch gestörte Funktionen mancherlei Erscheinungen eines allgemeinen Ergriffenseins entstehn. Die allgemeine Wirkung erfolgt durch den Uebergang der metallischen Substanzen in das Blut (durch Re­sorption), wobei die im sect;. -13. angedeuteten Verhältnisse in Be­tracht kommen. Diese Wirkung der Metallpräparate wird nämlich, je nach ihrer chemischen Qualität, vermittelt: indem a) diejenigen Präparate, die im Wasser löslich sind, oder die mit den organischen Stoffen (mit Eiweis, Spcichelstoff, Schleim etc.) solche Verbindungen darstellen, welche im Wasser löslich sind, von jeder resorbirenden Fläche des Thierkörpers aufgenommen werden;— wogegen !gt;) solche Metallpräparate, die an und für sich, oder nach ihren im Körper erfolgten Verbindungen mit organischen Stoffen nur in Essig- oder in Salzsäure löslich sind, auch nur an solchen Stellen resorbirt wer­den, wo eine freie Säure abgesondert wird; — und c) solche Me­tallpräparate, die an sieb, oder nach ihrer Verbindung mit orga­nischen Stoffen ganz oder grösstentheils in Wasser und in den sau­ren Säften des Körpers unlöslich sind, wenig oder gar nicht resor­birt werden, sondern nach innerlicher Anwendung mit den Darm-exkrementen, nach äusserlicber Applikation aber mit. dem Eiter und dergl. wieder entfernt werden. Die resorbirten Metallpräparate wer­den (bald mehr bald weniger verändert) grOsstentheils durch die Nieren, zum kleineren Theil bei einigen Metallen auch durch die Lungen, die Haut und durch die Schleimhaut des Verdauungska-nals wieder aus dem Körper entfernt.
Die angedeuteten Verschiedenheiten in dem Verhalten der me-
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tallischen Stoffe zum Thierkörper sind noch nicht bei allen diesen Substanzen gründlich erforscht.
sect;. 591.
Weder die örtliche noch die allgemeine Wirkung ist bei den verschiedeneu metallischen Mitteln übereinstimmend, sondern jedes einzelne Metallpriiparat wirkt, theils nach der Eigenthümlichkeit des ihm zum Grunde liegenden Metalles, theils nach der Verbindung desselben mit andern Stoffen ganz eigenthümlicb und von andern verschieden; diejenigen, welche von einem und demselben Metalle abstammen, zeigen zwar in der Art ihrer Wirkungen und in der spezifischen Richtung derselben auf bestimmte Organe eine wesent­liche Verwandtschaft unter einander, aber im Grade der Wirksam­keit eine grosse Verschiedenheit. In letzterer Hinsicht erscheinen fast allgemein die Schwefelmetalk; und die Oxydule als am milde­sten, die Oxyde als weit kräftiger, und die Metallsäuren und die Metallsalze als am wirksamsten; doch giebt es auch hiervon Aus­nahmen, wie z. B. bei dem Spiessglanze, wo das unvollkommene Oxyd stärker wirkt als das vollkommene.
sect;. 592.
Obgleich die Wirkungen der einzelnen Metalle (oder vielmehr ihre Präparate) sehr abweichend von einander sind, so kommen sie doch darin mit einander Qberein, dass sie vorherrschend den Er-nährungs- und Bildungsprozcss verändern, und zwar sowohl ört­lich an den Stellen ihrer Einwirkung, wie auch im ganzen Körper. Beides geschieht aber auf mehrfache und seihst ai;f ganz entgegen­gesetzte Weise. Hinsichtlich der örtlichen Wirkung bemerkt man namentlich a) von einigen (z. B. von dem Blei, Eisen, Kupfer, Zink), wenn sie in schwachen Auflösungen und in kleineu Gaben ange­wendet werden, eine stärkere Zusanimenschrumpfujig und Verdich­tung der organischen Gebilde und Verminderung der Absonderun­gen;—b) dagegen von andern (wie hauptsächlich von dem Queck­silber), bei gleicher Art der Anwendung eine Auflockerung der or­ganischen Masse und Verstärkung der Resorption; — .c) einige (z. B. Zink, Silber, Quecksilber, Kupfer, Spiessglanz, Arsenik) wir­ken zugleich in gewissen Präparaten stark ätzend, während andere (wie z. B. Blei und Eisen) diese Wirkung nur zeigen, wenn sie conzentrirt, in grossen Quantitäten und auf mit zarter Haut be­deckte oder auf blosse Flächen einwirken. — Die allgemeine Wir­kung (welche übrigens wie bei fast allen andern Arzneimitteln von mehrern Punkten des Organismus ausgehen kann) äussert sich 1) bei einigen Metallen (bei dem Kupfer, Zink, Spiessglanz, Arse­nik, Wismuth) zuerst und vorherrschend durch Affektionen des Nervensystems in dem Bereich der Reproduktionsorgane, z. B.
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durch Ekel, Erbrechen, durch schnelle Erregung von Schmerzen oder durch Besänftigung schmerzhafter Zustände und dergl.; — 2) bei andern (bei dem Eisen und Braunstein) erscheint sie als eine Vermehrung der arteriellen Thätigkeit und der Irritabilität, wobei hauptsächlich die Mischung des Blutes verändert und ver­bessert wird, und — 3) von andern entstehen zuerst fast nur lang­sam fortschreitende Veränderungen in der Assimilation und Repro­duktion, welche bald (wie bei der örtlichen Einwirkung) als Auf­lockerung und Verflüssigung (z. B. bei dem Quecksilber, zumTheil auch bei dem Arsenik), bald als Verdichtung und Gerinnung der Materie (z. B. bei dem Blei) wahrzunehmen sind.
Es erglebt sich hieraus a) dass die Erscheinungen bei den so sehr verschiedenartigen Wirkungen der Metalle sich nicht in einer gemeinscbafilichen Darstellung betrachten lassen, und — b) dass eben so die einzelnen Metalle, ihren Eigenthiimlichkeiten gemäss, bei manniglachen und ganz verschiedenartigen pathologischen Zu­ständen als Heilmittel dienen können, dass aber die nähere Angabe hierüber nur bei den einzelnen Mitteln gemacht werden kann.
A, Arsenik oder Arsen, Arsenicum.
1. Arsenige oder arsenichte Säure, weisser Arsenik, weisses Arsenikoxyd (Giftmehl, Ratten- oder Mäusegift, Hüt­tenrauch), Aridum arsenicosum, Arsenicum foxydatamj album.
sect;. 593. Diese in krystallinischer Form bestehende Säure ist unter den Präparaten des Arseniks das gewöhnlichste, und neben der Arse­niksäure, die aber nicht medizinisch angewendet wird, auch das wirksamste, sowohl in arzneilicher wie in giftiger Beziehung. Sie besteht aus 75,82 Arsenikmetall und 24,18 Sauerstoff, oder 2 Ato­men Arsenik und 3 Atomen Sauerstoff; bildet im frischen Zustande weisse, fast durchsichtige Stücke, welche an der Luft allmählig matt, porzellanartig, halbdurchscheinend werden; gepulvert ist sie weiss, wie Mehl. Sie schmeckt herb, etwas scharf metallisch, hinfennach süsslich, ist ohne Geruch, aber auf glühenden Kohlen verbreitet sie einen kuoblaucbartigeu Geruch und weisse Dämpfe. Sie reagirt sauer, röthet die blauen Pflanzenfarben, färbt aber den Veilcheu-saft grün. In Gü bis 100 Theilon kalten oder'10-12 Theilen sie­denden Wassers ist sie auflöslich; die Auflösung wird durch Zu­satz von andern Säuren, namentlich von etwas Salzsäure befördert. Mit den Basen bildet sie arsenigsaure Salze, die jedoch leicht zer­setzt werden, indem die arsenige Säure hinsichtlich der Stärke der
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Verwandtschaft selbst der Kohlensäure nachsteht. — Eiweis, Milch, Blut, Zuckerwasser. Kalkwasser, Schwefelleber und schwefelwasser-stoffhaltiges Wasser, besonders aber Eisenoxydhydrat (s. bei Ei­sen) und überhaupt Eisenpräparate zersetzen oder binden die ar-senige Säure und können daher diese Stoffe als Gegengifte des Ar­seniks befrachtet werden.
Die Wirksamkeit dieses Mittels bei der Anwendung auf den lebenden Thierkörper erscheint aber örtlich und allgemein so mäch­tig in den Bildungs- und Eniährungsprozess eingreifend und die Lebensthätigkeit so eigenthümlich umstimmend, dass es dieselbe bei einem geringen Ueberschreiten der fur ein Thier passenden Gabe, oder bei etwas lauger Fortsetzung des Gebrauchs sehr leicht gänzlich vernichtet und hierdurch für alle Thiere zum gefährlichsten Gifte wird. Unter den Hausthieren ertragen es die Pferde noch verhältnissmässig am besten und längsten. Ich gab es 8 ausge­wachsenen und muntern Pferden von verschiedenem Alter, von de­nen 3 mit Rotz, 3 mit Wurm und 2 mit veralteter Lahmheit be­haftet waren, durch 30 bis 40 Tage nach einander täglich einmal in Melilpillen, zuerst mit 20 Gran pro dosi anfangend und allmäh-lig bis zu 1 Drachme steigend, bemerkte aber weder während des Gebrauchs, noch 2 bis 3 Monate nach demselben, irgend einen ge­fahrdrohenden Zufall; die Thiere hatten fortwährend sehr guten Ap­petit und regelmässige Verdauung; der Puls wurde etwas kräftiger und härter, das Athmen blieb normal, die Schleimhaut in der Nase und im Maule unverändert; bei den rotzigen Pferden verminderte sich durch einige Zeit die Menge des Nasenausflusses und die Ge­schwulst der Drüsen, später (in der 3ten und 4fen Woche) wurde aber der Ausfluss wieder eben so stark wie vorher; bei sämmtlichen Pferden wurde das Haar glätter und 5 wurden auch sichtbar mehr beleibt; in ihrer Bewegung und Munterkeit war keine Veränderung wahrzunehmen, und eben so konnte ich nicht bemerken, dass die Thiere, als sie keinen Arsenik mehr erbii Iten, sehr abmagerten, — obgleich man dies gewöhnlich behauptet. — Gleiche Beobachtungen über die Wirkung von kleinen Gaben des Arseniks hat man auch an der Thierarzneischule zu Lyon*) und in Kopenhagen**) gemacht. Dagegen sähe Gerlach schon von 25 Gran Diarrhöe u. a. Wir­kungen eintreten (Magaz. f. d. gesammte Thierheilk. Bd. 8. S. 14 u. f.)— Viele Beobachtungen aber zeigen, dass die meisten Pferde
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*) Go liier, Observations et Expiiiienc. faites ä TEcole Impiriale Veler. de Lyon sur le Pain moisi et sur qnelques Poisons min6raux et V*g6laax. Lyon (807. S. 39.
'*) Veler. Selskab. Skrifl. 1r. Deel. S. 331,
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selbst 2 bis 3 Dracbmen in Pillenfürm auf einmal eingegeben ohne gefährliche Folgen ertragen, obgleiclraquo; dadurch zuweilen für 1 oder für 2 Tage Appetitlosigkeit, Traurigkeit mid selbst etwas Fieber entsteht; werden aber solche Gaben durch mehrere Tage nach ein­ander gereicht, so finden sich hierzu noch heftiger Durst, Kolik­schmerzen, wässerige Geschwulst der Augenlider und der Fiisse, Steifigkeit der letztern, Zehrfieber und der Tod. Gaben von % bis 1 Unze erzeugen fast immer tüdtliche Wirkungen. Diese beginnen damit, dass die Pferde unruhig weiden, sich oft nach dein Leibe umsehen, mit den Füssen kratzen und hauen, sich niederlegen und wieder aufspringen; sie verlieren den Appetit, zeigen aber grossen Durst, geifern aus dem Maule, bekommen einen kleinern, harten, schnellen Puls (SO bis 100 in 1 Minute), kurzes, stöhnendes Ath-ineu, Erweiterung der Pupille, stieren Blick und grosse Angst; darauf folgt Abstumpfung der Empfindlichkeit, grosse Mattigkeit, zuweilen auch Lähmung der Extremitäten, und dann unter Kräm­pfen der Tod. Letzterer tritt in seltenen Fällen vor 12 Stunden, mehrentheils aber erst nach 20 bis 36 Stunden ein.
Ueber die Wirkung des innerlich angewendeten Arseniks bei den Wiederkäuern sind hinsichtlich der Stärke der Zufälle von be­stimmten Gaben sichere Beobachtungen nicht bekannt. Nach der Mittheilung eines ausgezeichneten Oekonomen (Cambessedo) an die Academie de med. zu Paris sollen die Schafe grosse Gaben des Mittels (nämlich steigend von 10 Grammen, a IG leichte Gran, bis zu 32 Grammen in 24 Stunden) nicht nur gut ertragen haben, sondern selbst von einer Pleuresie geheilt worden sein. Die Aka­demie liess von einer Commission Versuche machen, hei welchen sich ergab: a) dass bei gesmiden Schafen 5—10 Grammen (4 bis 8 Skrupel), nüchtern eingegeben, die gewöhnlichen Vergifhingszu-fälle erzeugten; b) dass eine zweite Gabe von 10—20 Grammen, 24 Stunden nach jener ersten gegeben, den Tod herbeiführte, und — c) dass die Kadaver die Erscheinungen der Arsenikvergiftung zeigten und das Gift im Blute, im Urin, etwas auch in den Lun­gen, der Leber und den Muskeln enthielten. — Dagegen haben Danger und Flandin aus Versuchen ersehen: dass 8 Grammen am ersten Tage, und eben so viel am zweiten Tage einem Schafe gegeben, keine Vergiftung erzeugten (Gazette med. de Paris, 1843. Nr. 3,)*)
*) Danger und Flandin Hessen die durch ernsse Gaben von Ar­senik vergitlelen Schafe von Hunden verzehren, — was ohne Nacblheil für diese geschah und woraus man schliessen wollte, dass die ärztliche Behandlung der Schlachlthiere mit grossen Gaben dieses Mittels fur den llertwlg ArzneinilUclIehi-e.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 42
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Bei Hunden und Katzen entsteht nach dem Eingehen von ^ his 1 Gran Arsenik, täglich zweimal und durch S his 14 Tage fort­gesetzt, nach und nach immer stärkere Verminderung des Appeti­tes, zuweilen Erhrechen, nach 6 his 10 Tagen Diarrhöe mit Aus­leerung von schwärzlichen und hlutigen Exkrementen, grosse Mat­tigkeit, Abmagerung, schmerzhafter Husten, und nach 20 his 30 Tagen der Tod. — Von 3 his 10 Gran des Mittels, mit etwas Was­ser gemengt einem Hunde eingegeben, bemerkt man nach einigen Minuten Ekel, dann mehrmals wiederholtes Erbrechen, beschwer­liches, kurzes Athmen, sehr vermehrte Pulse (bis über 120 in 1 Mi­nute),*) Liegen auf dem Bauche, Winseln, Angst, stieren Blick, Ausleerung von schwarzgefärhtem Darmkoth unter Zeichen von Schmerz, später grosse Abstumpfung des Gefühls, und zuletzt (bald nach 6 bis 10 Stunden, bald nach 20 bis 30 Stunden) folgt der Tod unter Convnlsionen. Bei Schweinen entsteht von ähnlichen Gaben dieselbe Wirkung wie bei Hunden, — und eben so bei dem Federvieh von noch weit kleineren Gaben.
Die Schnelligkeit und Heftigkeit, mit welcher die Wirkungen erscheinen und bis zum Tode fortdauern, so wie das frühere oder spätere Eintreten des letztern, sind nicht allein von der Grosse der Gabe, sondern auch von der Form, in welcher das Mittel eingege­ben wird und von dem Zustande des Magens und Darmkanals ab­hängig; denn es hat sich bei unsern Versuchen an verschiedenen Thieren immer bestätiget: a) dass eine Gabe in flüssiger Form weit schneller und heftiger wirkt, als dieselbe Gabe in Pillen, — und 1)) dass ein Thier eine ziemlich starke Gabe Arsenik ohne sicht-baren Nachtheil ertrug, wenn sie kurz nach gehöriger Sättigung des Thieres eingegeben wurde, wogegen es an einer gleichen Gabe starb, wenn man ihm dieselbe nach vorausgegangenem Hungern oder bei bestehendem geringen Appetit eingab. — In manchen Fäl­len war die Wirkung des Mittels aus derselben Büchse bei ver­schiedenen Thieren unter übrigens gleichen Umständen so verschie­den, dass man eine verschiedene, mehr oder weniger saure Beschaf­fenheit der Verdauungssäfte als wahrscheinliche Ursache hiervon annehmen muss. — Bei Hunden blieben die tödtlichen Zufälle oft. von sehr grossen Gaben aus, wenn der Arsenik in Pillen eingege­ben wurde und wenn gleich darauf Erbrechen entstand; blieb aber
Fleischgenuss bei Menschen auch nicht schädlich sei. Dieser Punkt ver­langt jedoch noch genauere Unlersnchungen und grosse Vorsicht.
*) Brodle fand immer die Zahl der Pulse vermindert. Siehe des­sen Versuche über die Wirkungen der Gifte, in Reil's Archiv, 121er Bd. S, 234—233.
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letzteres aus, oder war es durch Zubinden des Schlundes verhin­dert, so erfolgte von grossen Gaben der Tod immer sehr schnell, wie z. B. bei Brodie's Versuchen (a. a. 0.) von 1—2 Drachmen Arseniks schon nach 50 Minuten.
Auf die äussere trockene Haut gebracht bewirkt der Arsenik, wenn die Anwendung als Pulver geschieht, bei den verschiedenen Thieren erst nach mehrern Stunden eine Reizung, eigenthümliche Entzündung, und nach 20 bis 30 Stunden einen trockenen Aetz-schorf, der ziemlich fest sitzt. Eben so, aber schneller und tiefer, ist die Wirkung, wenn man den Arsenik mit Fett oder fettem Oel (1 Theil zu 4—8 Theilen) zur Salbe, oder mit Wasser zum Brei gemacht auf die Haut bringt. Eine Auflösung des Mittels in Was­ser wirkt zwar auf die Haut so wie auf wunde Flächen reizend und den Bildungsprozess umstimmend, aber nicht ätzend. Bei allen diesen Formen der Anwendung wird es leicht absorbirt, und es entstehen daher bei sehr ausgebreiteter oder bei mehrmals wieder­holter Anwendung auch häufig Symptome der vorhin bezeichneten allgemeinen Wirkung im verschiedenen Grade, selbst bis zum Tode.
Wird der Arsenik in ganzen Stückchen, oder in Pulverform, oder mit Fett zur Salbe gemacht auf Wunden, unter die Haut ins Zellgewebe, oder auf die Schleimhaut des Mastdarms oder der Scheide in kleinen Quantitäten angewendet, so erzeugt er zuerst eine eigenthümliche Entzündung, die mit Ergiessung von vieler gelblichen, serösen Flüssigkeit im Umfange der Applikationsstelle verbunden ist; später entsteht Absterbimg der zunächst betroffeneu Gebilde, dann Eiterung und gute Granulation. Bei derselben An­wendung grösserer Quantitäten (die aber oft nicht so gross sein dürfen, wie zur innerlichen Vergiftung), entstehen ausser der ört­lichen Entzündung fast immer heftige allgemeine Zufälle, wie bei innerlicher Anwendung, und selbst der Tod. Ein Pferd starb auf diese Weise in 50 Stunden von 1 Drachme Arseniks, die ich ihm in 3 kleine, frische Wunden am Halse gebracht hatte. Bei den oben angeführten Versuchen von Danger und Flandin starl) ein Schaf, nachdem ihm 30 Centigraiinnen (etwa 4 Gran) Arsenik in eine Wunde unter die Haut gebracht worden, am öten Tage. Hunde sähe ich von 4—10 Gran, die in eine Wunde am Rücken gebracht waren, innerhalb 4 bis 24 Stunden sterben, und beiOrfila's Ver­suchen (Toxikologie, Bd. 1. S. 270.) waren sogar 2 Gran, auf die­selbe Weise einem Hunde applizirt, tödtlich. —#9632;• Indessen scheint es mehrern Beobachtungen zufolge, dass diese heftige Wirkung von der äussorlichen Anwendung des Arseniks durch frische Wunden in gesunden Organen weit mehr vermittelt wird, als in alten Ge­schwüren und in krankhaft erzeugten Gebilden; ich selbst habe an
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Krebsgeschwüren, an SiollbeuleD und Brustbeulen und dergl. viele Versuche gemacht, durch welche diese Ansicht bestätiget wird. —
Nach Orfila wird der Arsenik absorbirt und dem Blute bei­gemischt, er mag in den Magen, unter die Haut oder in das Zell­gewebe lebender Thiere gebracht werden. Mit dem Blute gelaugt er zu allen Organen und erzeugt hierdurch seine allgemeine Wir­kung. Stirbt das Thier nicht an Vergiftung, so wird der Arsenik nach und nach gänzlich wieder durch die Nieren ausgeschieden. — Wegen der schweren Löslichkeit des Mittels wird von der in das Zellgewebe gebrachten Menge, wenngleich dieselbe gross ist, immer nur ein kleiner Theil, z. B. bei Hunden nur 1^—2 Gran, absorbirt werden. Von dem im Wasser aufgelösten Arsenik wird bei glei­cher Anwendung mehr aufgenommen; eben so bei innerlicher An­wendung, wenn die arsenige Säure mit den Säften des Magens durch längere Zeit in Berührung bleibt.*)
sect;. 594.
Die pathologischen Veränderungen in den Kadavern der durch Arsenik getodteten Thiere weichen in einzelnen Erscheinungen oft von einander ab, was, wie es scheint, besonders davon abhängt: ob der Tod schnell durch grosse Gaben, oder langsam durch kleine Gaben bewirkt worden ist. Im erstem Falle finden sich gewöhn­lich im Schlünde, im Magen und Darmkanal an verschiedenen Stel­len Röthung, Entzündung, selbst Anätzungeu und Brand; eben so Extravasate von schwärzlichem Blut und von gelblichen serösen Flüssigkeiten, besonders zwischen den Häuten der in Rede stehen­den Organe, daher Auflockerung und Verdickung derselben; Ueber-füllung der Organe und Blutgefässe mit schwarzem Blute, zuwei­len schwarze Flecke am Herzen und typhöse Röthung an ihm und an der innern Fläche der grossen Pulsadern. — War der Tod mehr langsam bewirkt, so zeigen sich Geschwüre und Verhärtungen an den Häuten des Magens und Darmkanals, zuweilen auch Wasser­ansammlungen, auch Spuren von Entzündungen, und immer sehr dunkles Blut. — Alle diese Veränderungen an im:ern Organen fin­det man auch nach der äusserlichen Anwendung des Arseniks, und fast immer ist hier nach einem akuten Verlauf die Entzündung des Magens und des Darmkanals weit mehr ausgebildet, als äusserlich an der Anwendungsstelle; sie ist auch stärker, als sie von dersel­ben Quantität bei innerlicher Anwendung zu sein pflegt.
*) Orfila, neue Versuche über die Vergiftung durch arsenige Sliure, besonders neue Methode, die Vergiftung durch Auskochen der Theile u. s. w. zu entdecken, in v. Froriep's Notizen Bd. IX. Nro, (3. (lt;839.). S. 904.
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sect;. 595.
Aus den im Vorstehenden angegebenen Thafsachen, so wie aus Beobachtungen an kranken Thieren ergiebt sich als wesentliche Wirkung des weissen Arseniks: a) von kleinen Gaben eine eigen-thiimliche Aufregung der Thätigkeit in den Gangliennerven, in den von ihnen abhängigen Organen und in den Lymphgeiässen und Venen, — wodurch der Vegetationsprozess bis zu einem gewissen Grade verstärkt und selbst verbessert werden kann; — b) von gros-sen Gaben aber eine Entmischung des Blutes, Lähmung des Ner­vensystems*) und Zerstörung der Organisation der Bauch- und Brusteingeweide — und c) eben so Absterbung und Zerstörung eines jeden Gebildes, auf welches er in couzentrirter Masse örtlich einwirkt.
sect;. 596.
Die Indikationen zur Anwendung des Arseniks sind noch nicht genau bestimmt, und es ist thcils deshalb, theils aber wegen der Gefahr, die bei dem Gebrauche dieses Mittels so leicht für Men­schen und für Thiere entstehen kann, sehr schwer, die Anwendung desselben nach richtigen Grundsätzen zu empfehlen. — Nach den im vorigen g. angedeuteten wesentlichen Wirkungen dürfte der Ar­senik innerlich in recht kleinen Gaben nur gegen solche Krankhei­ten zu gebrauchen sein, bei denen hauptsächlich die Ener­gie des Vegetationsprozesses, wegen verminderter Thä­tigkeit der Gangliennerven, geschwächt ist, und wo, den Erscheinungen nach, der Appetit und der Durst sehr gering oder wechselnd, die Temperatur vermindert, die Haut trocken und welk die Schleimhaut in der Nase und im Maule blass, der Puls weich, und langsam ist, wo ohne andere Ursachen das Thier mager und schwach wird und bei der geringsten Anstrengung leicht schwitzt, und wo kein Schmerz in den Bauch- und Brusteingeweiden besteht. In manchen Gegenden wird der weisse Arsenik (noch häufiger der Kobalt) von Pferdehändlern u. A. schon lange als ein Mittel, um magere Pferde schnell fett zu machen, empirisch benutzt, und von englischen Thierärzten ist er ebenfalls schon lange gegen gastrische und andere asthenische Zustände als eines der besten tonischen Mittel gekannt (J. White, Handb. der Pferdearzueikuude, 2r. Th. S. 15S.). — Unter solchen Umständen kann er auch gegen Einge-
*) Von München wird als wesentliche, und selbst als die wcsenl-liohsle Wirkung des Arseniks auch die günzliche Vernichtung der galva­nischen Reizbarkeit angegeben; ich habe aber, wie Schubarl (Horn'raquo; Arch. a. a. 0.), diese Reizbarkeit bei mehrern, durch dieses Mitlei ge-lodlelen Pferden, Hunden und noch fortbesleliend gefunden.
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weidewürmer und gogen Dyskrasieu, namentlich gegen Rofz, Wurm, Krebs, Strahlkrebs, veraltete Mauke, veraltete Räude und Flechten nützlich sein, — wie dies auch einzelne Beobachtungen bestätigen (z. B. über Heilung einer hartnäckigen Räude, Rccueil veter. 1825. pag. 415.); bei meinen Versuchen gegen Rotz und Wurm bewirkte er zwar Minderung der Zufälle, aber keine wirkliche Heilung. — Gegen chronische Druse mit üdematöser Anschwellung des Kopfes verbunden, besonders wenn sie bei oder nach schlechtem Futter oder in nassen Jahrgängen entstanden ist; — eben so bei hart­nackigen oder oft wiederkehrenden üdematösen Anschwellungen der Füsse u. s. w. bat sich der Arsenik in kleinen Gaben oft sehr wirk­sam gezeigt. — Steiger hat das Mittel auch gegen die Lungen­seuche des Rindviehes mit gutem Erfolge angewendet, indem von G kranken Rindern 4 Stück geheilt wurden;') es lässt sich jedoch hier nicht gut eine Erklärung über die Heilwirkung des Arseniks machen. — Departements-Thierarzt Hildebrand in Magdeburg sähe von sehr kleinen Gaben weissen Arseniks bei der Blutseuche der Schafe vortrefflicho Wirkung; — und ich gab ihn in mehreren Fällen von Kreuzlähmung nach der Staupe der Hunde, ebenfalls in sehr kleinen Gaben mit gutem Erfolge.
sect;. 597. Die Gabe muss immer mit Vorsicht nach der Grosse und Con­stitution des Thieres abgemessen, und im Anfange nur gering sein, #9632;l. B. für Pferde und Rindvieh von 8—15 Gran, für Hunde ./,, bis #9632;j'j Gran, — für Schweine und Schafe gegen \ bis ^ Gran, —- täg­lich 1 bis 2 mal (Steiger gab mir jeden Sten Tag eine solche Gabe). — Wenn hiervon die beabsichtigte Wirkung nicht erfolgt, so kann diese Gabe nach und nach verstärkt und selbst verdoppelt werden. Ist es nothig, das Mittel durch einige Zeit fortzusetzen, so muss mau immer nach seinem 2 bis 3 tägigen Gebrauche durch 1 bis 2 Tage eine Pause machen, dasselbe aber sogleich aussetzen, wenn Speichelfluss oder wenn Koliksymptome entstehen. — Die An­wendung geschieht in Auflösungen oder am besten in Pillen; aber auch bei Bereitung der letztern muss der Arsenik vorher vollstän­dig aufgelöst sein, ehe man ihn mit den übrigen Substanzen der Pillenmasse zusammenmengt, weil auf diese Weise die sonst leicht erfolgende zu starke örtliche Einwirkung des unaufgelösten Arse­niks auf einzelne Stellen des Verdauuugskanals möglichst verhütet, die schnelle und gleichmässige Wirkung aber beiordert wird. Es ist jedoch zu beachten (wie oben schon angedeutet), dass der Ar-
*) Oekonom. Neuigkeiten von E. Andrö, 4835. Nr. 45. S. 353 bis 358. Es waren aber auch starke Ilaarseile mil 01, Terebinth, und 01, Lauri angewendet worden.
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senik sich in blossem Wasser mir schwer und langsam auflöst, und zwar 1 Theil von ihm in 13 Theileu Wassers von der Sied­hitze, oder in 22 Theilen von 48 Gr. R., oder in 50 Theilen von 14 Gr. R., und in G6 Theilen von 8 Gr. R. Um die Aufloslichkeit zu verrachren, pflegt man ihm eine gleiche Menge von kohlensau­rem Kali zuzusetzen, wie dies z.B. in der bekannten Fowlerschen Arsenik-Solution (Solulio arsenicalts s. Fotrleri) der Fall ist. Zur Bereitung derselben nach der Preuss. Pharmakopüe nimmt man; weisseu pulverisirten Arsenik und kohlensaures Kali, von jedem 64 Gran, kocht beides mit 8 Unzen destillirten Wassers bis zur vollständigen Auflösung des Arseniks; daraufsetzt man der Auf­lösung nach dem Erkalten noch -i- Unze des zusammengesetzten .Angelika-Spiritus und so viel destillirtes Wasser hinzu, dass das Ganze 12 Unzen beträgt. In 1-j Drachme oder 75 bis 80 Tropfen dieser Auflösung ist 1 Gran Arsenik enthalten, — wonach sich die Gabe leicht bestimmen hisse. Man giebt sie mit der 10 bis 12 fa­chen Menge von einer schleimigen, oder bittern, oder aromatischen Flüssigkeit, oder man verbindet sie mit ähnlichen Mitteln zu Pillen. — Mineralsäuren, Metalipräparate (namentlich Eisenoxydul) und Schwefel soll man mit dem Arsenik nicht verbinden, weil diese Substanzen seine Wirksamkeit beschränken; und Salpeter darf man weder mit ihm verbinden noch unmittelbar nach ihm geben, weil dieses Salz seine Wirksamkeit sehr vermehrt, so dass leicht Ver-giftungszuialle eintreten (Allg. pharmazeut. Zeitschr. von Dr. Ar­tus, 1842. Heft 2.).
sect;. 598. Aeusscrlich angewendet hat sich der weisse Arsenik gegen Krebs, gegen bösartige Warzen, gegen Wurmgeschwüre, gegen ver­altete, hartnäckige Räude, Flechten und Ungeziefer (Läuse, Räude-milben, Holzböcke u. s. w.), ferner: bei Balggeschwülsteu, vorzüg­lich bei verhärteten Stollbeuleu und bei Brustbeulen, und eben so gegen Ueberbeine, gegen andere Exostosen und gegen Gallen, als ein sehr kräftiges Heilmittel gezeigt, a) Gegen den Krebs, und be­sonders, wenn derselbe von häutigen Gebilden ausgegangen ist, da­her auch bei dem Strahlkrebs, ist der Arsenik bis jetzt unter allen Mitteln noch das am meisten wirksame. Man benutzt ihn hier am gewöhnlichsten in der Form des sogenannten Cosme'schen Mittels (Pnlvis ursenicalis Cosmi), dessen Zusammensetzung nach ver­schiedeneu, jedoch nicht sehr von einander abweichenden Vorschrif­ten geschehen kann. Nach der gewöhnlichsten Vorschrift besteht es aus Zinnober 2 Drachmen, Asche von verbrannten alten Schuh­sohlen 8 Gran, pulverisirtem Drachenblut 12 Grau, und pulverisir-tem weissen Arsenik 40 Grau, auf das Genaueste zu einem Pulver
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ziisammengemengt; — nach einer andern Vorschrift wird es aus Zinnober 2 Drachmen, Arsenik 42 Gr., Drachenblut 12 Gr., Asche vcn verbrannten Schuhsohlen und Aetzkalk, von jedem 10 Grau /,i;sarameiigeselt;zt. In 1 Skrupel des Pulvers sind gegen 5 Gran Arsenik enthalten. — Dieses Pulver wird entweder in das Geschwür gestreut, oder mit etwas quot;Wasser oder auch mit etwas fettem Oel zu einem Breie gemacht, mittelst eines Pinsels ganz dünn auf das­selbe gestrichen, hierauf aber mit Werg bedeckt. Die umliegenden gesunden Tbeile müssen, zum Schütze gegen die Einwirkung des Mittels, mit Fett oder mit einer einfachen Wachssalbe, oder noch besser mit Mehlkleister bestrichen, und die Thiere vom Belecken und Reiben der kranken Stellen abgehalten werden. Es entsteht bald eine Entzündung mit grosser, im Umfange gewöhnlich öde-matosen Geschwulst, und an der Geschwürsfläche eine harte, schwarze Borke, welche mau völlig unberührt lässt, bis sie von selbst abfällt, — was sehr ungleich, bald mit S Tagen, bald auch erst mit 14 und 20 Tagen geschieht, je nachdem das Mittel oberflächlich oder tief eingewirkt hat. Erscheint nach dem Abgehen des Schorfes die Geschwürsfläche nicht ganz rein, so muss das Mittel wiederholt werden; doch ist dies selten nöthig. — In einigen Fallen habe ich von der Anwendung des weissen Arseniks für sich allein, oder von einer Verbindung desselben mit 2 Theilen Kohlenpulver dieselbe Wirkung wie von dem Cosmeschen Pulver gesehen. — Gegen den Strahlkrebs hat die K. K. Österreich. Militair-Gestüts-Verwal-tung ein Specificum, unter dem Namen: Krebs-Tinktur, erkauft, welches man bereitet: aus 4 Gran weissem, fein zerriebenem Ar­senik, GO Gran Aetzstein und 2 Unzen destillirtem Wasser, zusam men in einem hermetisch verschlicssbaren Glase aufgelöst und dann noch 60 Gran fein pulverisirter Aloe hinzugethan. Mau befeuch­tet damit, nachdem das hohle Horn und die grösste Masse der üppigen Granulation mit dem Messer weggenommen ist und nach jedesmaliger Reinigung des Geschwürs, dasselbe täglich 2—3 mal. Die Heilung erfolgt in 5—12 Monaten. Das Mittel wirkt im frisch bereiteten Zustande am kräftigsten.
Nach mehreren Beobachtungen geschieht zwar die Aufsaugung des Arseniks in Krebsgeschwüren bei weitem nicht in dem Grade, wie in Wunden gesunder Theile, und nachtheilige Folgen entste­hen daher dort selten, besonders bei völlig ausgewachsenen Pfer­den und Rindern; dennoch ist es gut, eine grosse Geschwürsfläche nicht auf einmal ganz, sondern nur zum Theil mit Arsenikmitteln zu bedecken und dieselben erst dann auf den übrigen Theil zu bringen, wenn an der ersten Stelle die Entzündung vorüber ist,
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Diese Vorsicht muss besonders bei Tbiercn von kleinerer Art und bei allen jungen Thieren beobachtet werden.
b)nbsp; Zur Zerstörung und Umwandlung der Wunngcschwüre ist der weisse Arsenik und das Cosmesche Pulver, auf d.:e angege­bene Weise angewendet, sehr wirksam. Vitet empfiehlt für diesen Zweck auch eine Salbe aus Arsenik und Aetzkalk zu gleichen Thei-len, und Honig so viel als nöthig ist, bestehend. Neuerlich hat der Apotheker Terrat ein Mittel unter dem Namen: „Topique Ter-ratquot; als Specificnm gegen den Wurm empfohlen, welches neben Sublimat u. s. w. auch einen bedeutenden Theil Arsenik enthält (s. Aetzsublimat, sect;. G31.), und früher schon benufzte man ein ähn­liches Gemenge unter dem Namen: Pommade arsenieale de Nnp/es (ebendas.). Wohlfeiler, eben so wirksam und weniger mit Gefahr verbunden als die Anwendung dieser Mittel ist jedoch das glü­hende Eisen.
c)nbsp; Sehr hartnäckige, stark wuchernde Warzen werden durch die eben genannten Arsenikmittel, oder auch durch eine aus 1 Tb. pulverisirtem Arsenik und 3 bis 4 Theilen Fett oder Wachssalbe be #9632; stehende Salbe oft schnell und gründlich ausgerottet, wenn man zuerst die gröbste Masse der Warze wegschneidet, den Grund ska-rifizirt und nach dem Ausbluten die Mittel auf ihn bringt. Die Anwendung der letztern darf jedoch nur mit grosser Vorsicht ge­schehen, und besonders müssen empfindliche oder wichtige Organe, die in der Nähe sind, durch Bestreichen mit Fett, mit Mehlbrei und dergl. geschützt, jene Mittel selbst aber nur in sehr dünnen Lagen aufgetragen werden, um ihr Abfliessen zu verhüten. Ich habe deshalb in mehreren Fällen, besonders bei Warzen an den Ohren, eine Art Paste aus Pnlv. Gum. mlmos. 2 Drachmen, Ai/. cwn. g. s. ad cuusislenl. Liniment, und Pulv. Arsen, albi \ Drachme, ge­nau zusammengerieben, bestehend, dünn aufgestrichen, mit dem besten Erfolge angewendet. Das Mittel wird durch die Wärme des Körpers nicht flüssiger, sondern trocknet bald fest an den Thcil an.
d)nbsp; Bei veralteter Räude hat der Arsenik oft dann noch Heilung bewirkt, wenn alle übrige Mittel vergebens waren. Er wird hier zweckmässig in der Form des von Viborg (Samml. Bd. 5. 8.359. — und dess. Anleit. zur Erzieh, u. Benutz, des Schweins, g. 120. 12'2.) empfohlenen Arsenikessigs, oder in Form einer von Tcs-sier (Ueber d. Schafzucht, S. 149.) angegebeneu Auflösung oder auch in Form einer Arsenik-Kali-Auflösungquot; angewendet. — Den Arsenikessig bereitet man aus: Essig 4 Pfund (Handelsgewicht), Wasser 2 Pfund und Arsenik 1 Unze, durch Kochen bis zur voll­ständigen Auflösung des letztern; er enthält in 96 Tlieilen 1 Theil Arsenik.—Die Auflösung uachTessier wird bereitet, indem man 3
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Theile Arsenik mit 20 Theileii Eisenvitriol und 200 Theilen Was­ser*) in einem Kessel zusammen bis auf % einkochen lässt, dann aber eben so viel Wasser als verdunstet ist wieder zugiesst und es dann noch einmal aufkochen lilsst. Die Flüssigkeit würde 1 Th. Arsen auf 73 Theile des Gewichts enthalten; es ist aber wahrschein­lich, dass derselbe grüsstenthcüs durch das Eisen gebunden und deshalb wenig wirksam ist, — was zur Erklärung der folgenden Angaben von Tessier über die Wirkung dienen kann.—Als Kali-Arsenik-Auflosung kann man die oben angegebene Fowlersche, oder die nach Morton (Veterinari-Pharmacy, S. 41.) bereitete, weit schwächere Auflösung benutzen. Diese besteht aus: arseniger Säure und kohlensaurem Kali, von jedem S Unzen, Wasser 12 Gallonen oder 1920 Unzen, zusammen k Stunde gekocht. Es ist demnach in 2-il Gewichtstheilen der Flüssigkeit 1 Theil Arsenik. Die An­wendung der einen wie der andern Flüssigkeit geschieht, indem man sie mittelst eines Schwammes auf die vorher von den gröb­sten Schorfen befreiten Räudegeschwüre täglich 1 mal bringt und daselbst eintrocknen lässt. Selten braucht man sie bei einem Thiere mehr als 2 mal, und oft weicht die Räude schon nach der ersten Anwendung. Das Belecken der gewaschenen Thiere durch andere muss streng verhindert werden. Ist ein Thier über den ganzen Korper räudig und dabei sehr wund, so darf man nicht die ganze, Oberfläche auf einmal, sondern nur einen Theil nach dem andern waschen, so dass man einige Tage braucht, ehe man über den ganzen Leib kommt. Tessier schreibt zwar vor (a. a. 0.), eben geschorno Schafe (denen aber dabei die Ohren und Augen mit den Händen der Gehülfen gut zugehalten werden müssen) in die oben bezeichnete Arsenikauflosung zweimal einzutauchen und sie mit Bürsten über den ganzen Leib tüchtig zu reiben, und er behaup­tet, dass dies Mittel selbst bei Schafen, die eben werfen wollten, oder den Tag vorher geworfen hatten, und bei neugebornen Läm­mern versucht worden ist, ohne dass es ihnen im mindesten ge­schadet hätte; ich rathe aber dennoch wiederholt, die eben empfoh­lene Vorsicht zu beachten; denn es sind auch Fälle bekannt, in denen arsenikhaltige Waschmittel, wenn sie bei der Räude über den ganzen Leib angewendet wurden, den Tod veraulasst haben.quot;)
*) Für 100 Schafe sollen nach dieser Vorschrift 3 Pfund Arsenik (1), 20 Pfund Riüner Vitriol und 100 Pinien oder 200 Pfund Wasser ge­nommen weiden.
*') God ine erziihll (Kapport de VEcole d'AlfuH, lt;812.), dass von einer Auflösung des Arseniks in etwa 50 Pinien (ii 2 Pfund) Ta-baksdekokt und eben so viel Misljauche, als Waschung argewendel, Schafe golodlul wurden, und Goliier {Mcmoires, Tom. i. p. 88.) sähe ein
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— Ueberhaupt dürfen solche Mittel mir im äussersteu Falle (der aber bei gründlicher Anwendung der Walz sehen Lauge, des Ter­pentinöls u. a. Mittel gewiss selten eintritt) angewendet werden. — Hinsichtlich des Gebrauchs der Arsenikmitlel gegen Läuse und ge­gen anderes Ungeziefer sind die geuannteu Flüssigkeiten sehr wirk­sam, und besonders die Kali-Arsenikauflösung. Man muss sie mit einer Bürste auf die vorher von Schraufz befreiete Haut bringen und unter Aufsicht eintrocknen lassen, übrigens dieselbe Vorsicht, wie oben angegeben, anwenden.
e) Gegen verschiedene ächte und falsche Balggeschwülsle, und vorzüglich- gegen verhärtete, grosse Stollbeulen (sogenannte Stoli-schwämme), habe ich den Arsenik als ein Specificum, und selbst da von ganz vorzüglicher Wirksamkeit gefunden, wo durch lauge Zeit alle andere gebräuchlichen Mittel und die wiederholte Exstir-pation fruchtlos gewesen waren. — Die Anwendung geschieht hier­bei ganz einfach so, dass mau zuerst mit einem Messer einen Ein­stich bis in die Mitte der krankhaften Masse macht, und dann, nachdem die Blutung völlig gestillt und die Wunde gereinigt ist, 20 bis 30 Gran Arsenik in die letztere bis auf den Grund hinein­bringt, und hierauf die Öffnung äusserlich mit Werg verstopft. In etwa 20' bis 24 Stunden wird die Geschwulst wärmer, etwas empfindlicher, und dann allmäfalig viel grosser; es entsteht massige Eiterung, die Masse stirbt im Innern nach und nach ah, und nach S bis 12 Tagen trennt sie sich zuerst im Umfange dor gemachten Oeffhung (die sich bedeutend vergrössert) von der Haut, und dann immer mehr von den übrigen gesunden Theilen, so dass sie (heils von selbst abfällt, theils mit den Fingern, oder mit geringer Nach­hülfe des Messers an der tiefsten Stelle, leicht weggenommen wer­den kann. Die ganze Heilung erfolgt in 4 bis 5 Wochen gründ­lich, und fast immer können die Pferde während dieser Zeit zur Arbeit benutzt werden. — Gewöhnlich habe ich den Arsenik pul-verisirt, zuweilen aber auch in einem ganzen Stückchen angewen­det, und unter beiden Umständen die Wirkung fast in ganz glei­cher Art und Stärke erfolgen gesehen. Ist die Stollbeule durch die vorausgegangene Behandlung bereits geöffnet und in ein flaches oder hohles Geschwür mit dicken Callositäten umgewandelt, so ist es zweckmässig, den Arsenik in 2 oder 3 gemachte Einstiche oder Einschnitte zu bringen; und wenn die Höhle oder die Fläche gross, aber die Masse nicht sehr dick ist, so bestretcht man sie am besten
räudiges Pferd nach dem Waschen mit einer Abkochung von i Tii. Ar­senik, 2 Tli. Schwefel U, iU—üO Tb. Wasser am fölen Tage sterben, nachdem lebhafle Kolikiclnnerzen und an der Haul vieje lilaseu er.lstanclcn waren,
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mit einer der unter b) und c) vorhin angegebenen Arseniksalben in einem Tage 2 bis 3 mal, nach Zwischenzeiten von 6 bis 8 Stnn-den, und wartet dann die Wirkung ab, welche ähnlich und in der­selben Zeit wie bei der vorigen Anwendungsart eintritt. — Auch hier müssen gleich vom Anfange au und während der nachfolgen­den Eiterung, die zunächst gelegenen Theile durch Bestreichen mit Fett oder mit Waehssalbe gegen die Einwirkung des Arseniks ge­schützt werden.
f) Gegen Ueberbeine, Späth und andere Exostosen, auch gegen Gallen ist der Arsenik schon lange in verschiedenartig zusammen­gesetzten Salben (z. B. mit Kantharideusalbe und Euphorbium ver­bunden) im Gebrauch gewesen. In neuerer Zeit hat man für die­sen Zweck eine einfache Salbe, welche aus AciJ. arsenicos. subtiltas. .pulreris. 1 Skrupel, und Axungia pare \ Unze besteht, als sehr wirksam gebraucht. Es wird von derselben zuerst täglich einmal, späterhin aber, wenn hiernach Entzündung der Haut eingetreten ist, nur jeden 3ten oder 4ton Tag so viel wie eine kleine Bohne be­trägt, in die Haut auf dem Ueberbeine oder der Galle eingerieben, bis daselbst etwas Aussclnvitzung eutsteht, wo man dann das Mit­tel ganz weglässt. Es bildet sich nun ein trockener Schorf, mit welchem später auch die Haare abfallen. Dieselben wachsen ge­wöhnlich bald wieder. Wendet man aber die Salbe anhaltend, zu reichlich oder mehr conzentrirt au, so entsteht tiefe Zerstörung und es bleiben haarlose Narben zurück. Ist die Heilung in etwa 4 Wo­chen nicht erfolgt, so darf dann erst das Verfihren wiederholt werden.
Anmerkung 1. Der sogenannte Fliegeustein oder Scher­benkobalt (Coballum) ist gediegenes Arsenikmetall,- welches sich an der Luft, in Wasser, Essig und in den Flüssigkeiteu des Thier-körpers leicht oxydirt und dann ähnliche, aber schwächere Wirk­samkeit erhält, wie der weisse Arsenik. Er wird zuweilen von den Pferdehändlern und andern Personen den magern Pferden, pulveri-sirt eine Messerspitze voll jeden 2ten Tag auf das Futter gegeben, in der Absicht, dieselben bei geringem Futter schnell in einen gut genährten Zustand zu bringen. Die Landleute in manchen Gegen­den wenden ihn mit Wasser und Essig gekocht als Waschmittel gegen Räude und Ungeziefer bei allen Hausthieren au. Er ist ent­behrlich und verlangt dieselbe Vorsicht wie der weisse Arsenik.
Anmerkung2. Der gelbe Schwefelarsenik, dasRausch-gelb, Auripigment, Operment {Auriplgmenlum, Arsenirum ci-trinum nativum fossile, Arseuicum sulphuralum), ist eine in der Na­tur vorkommende Verbindung aus circa 61 Theilen Arsenik und 39 Theilen Schwefel, und das mildeste Arseuikpräparat. Von Manchen
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wird es sogar fur völlig unschädlich gehalten, jedoch mit Unrecht, denn Versuche haben gezeigt, dass Hunde von 1—2 Drachmen des Mittels nach 4S Stunden gefödtet wurden (Orfila, Toxikologie, Bd. 1. S. 310.). — Vitet (Unterricht, 3tenThls. Ister Bd. S. 466.) benutzte es mit einigem Erfolge zum Räuchern rotziger und wur­miger Pferde, und Kersting (Nachgelassene Manuscripte, S. 354.) u. A. haben es als Zusatz zu scharfen und ätzenden Salben (z. B. 1—2 Drachmen zu 1 Drachme der Spanischniegeusalbe) gegen ver­altete Stollbeulen, Ueberbeine, Gallen, Piephacken und dergi. ange­wendet. Wagner empfahl zur sichern Heilung der Flussgallen eine schwächere Salbe, aus arsenic, sulphurai. k Drachme und Axung. porci 1 Unze bestehend. Es soll von derselben nur etwas Weniges auf der erhabensten Stelle der von Haaren entblössten Galle eingerieben werden, und dies den 3ten und 7 ten Tag wiederholt, bis Ausschwitzung entstanden ist, — sehr ähnlich wie vorhergehend unter f) angegeben ist (siehe Nebel und Vix Zeitschrift. Bd. 1. S. 18.). Bei Pferden von Werth muss man mit dem Gebrauch auch dieser Arseniksalben sehr vorsichtig sein, weil sonst durch Corrodiruug der Haut oft haarlose Stellen für immer zurückbleiben. — Das früher zur Heilung der Rotzkrankheit von manchen Thier-ärzten empfohlene Räuchern mit Operment muss wegen der damit verbundenen Gefahr für Menschen ganz verworfen werden.*)
ß. Blei, Plumbum, Salumus.
sect;. 599. Das metallische Blei übt, wegen seiner sehr geringen Löslich­keit in den thierischen Säften nur eine ganz unbedeutende Wirk­samkeit auf den Organismus aus, aber im oxydirten Zustande und in Verbindung mit Säuren (ausgenommen die Schwefelsäure) wirkt
*) Ausser der bereits empfolilenen Vorsicht bei der Anwendung des Arseniks isl nocli Folgendes zu hoachten: derselbe muss gut vorpackt und verschlossen, mit seinem Namen und als Gift bezeichne!, aufbe­wahrt weiden; die Anwendung muss der Tliierarzt immer selbst besor­gen, oder in seiner Gegenwart besorgen lassen; niemals darl man Vieh-besilzern und Wärtern oder Boten die arsenikhulligeu Mittel anvertrauen: was von den lelzlern nach dem Geliranche Übrig bleibt, mnss man ent-weder sicher verwahren, oder lief in die Erde vergraben, niemals aber in den Slall oder in der Nahe desselben auf d(5n Hof werfen, wo es von Hühnern elc. gefressen werden künnle; Personen mit vorlelzlen Händen lasse man bei der Anwendung solcher Mittel keine Hülfe leisten.— Bei Arsenikvergiflung ist die Anwendung des Eisenoxydhydrals, in dessen Er­mangelung aber die von vielem Eiweis, oder Milch, oder Blut, oder eines Mehlbreies, und dann sogleich darauf ein Brechmitlei nülzlich.
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es auf alle Hausthiere in eigeuthümllcher Weise adstringireud, die Erregbarkeit in .den vegetativen Nerven zuerst etwas excitirend, dann aber dieselbe, so wie die Tbätigkeit in den motorischen und sensiblen Nerven, und eben so die Absonderungen vermindernd. In den iiühern Graden der Wirkung entsteht eine Bleivergiftung, die sich durch heftige und andauernde Contrakfion im Darmkanal, Verkrümmung und Lähmung der Glieder u. s. w. äussert. Diese Zufälle sind jedoch etwas verschieden darnach: ob die Vergiftung langsam, durch kleine, oft wiederholte Gaben, oder mehr schnell durch grosse Gaben, durch innerliche oder iiusserliche Einwirkung des Bleies geschehen ist; denn von grossen Gaben entstehen mehr heftige Reizungen und Contraktiouen an der Stelle der Einwirkung und akute Reizungen des Nervensystems, dagegen von kleineu, lange wiederholten Quantitäten mehr allgemeine Zusaramenschrumpfung, besonders aber des Darmkanals (die sogenannte Bleikolik) und Lähmung. Die Ernährung leidet immer sehr; die Thiere magern ab und Weibchen werden häufig unfruchtbar. Schleimhäute, Zell­gewebe und Fleischwärzchen werden durch Berührung von Blei ver­dickt und schwielig. Alle Wirkungen dieses Metallcs erfolgen ver-hältnissmässig am stärksten bei dem Rindvieh und bei Vögeln, bei Schweinen weniger, bei Pferden, Schafen und Ziegen am we­nigsten. Die Ursache dieser Verschiedenheit ist nicht bekannt.*)
2. Essigsaurem Blei, Plumbum acelicum, Acetas Plumbi.
sect;. G00.
Das essigsaure Blei ist in zwei verschiedenen Präparaten ge­bräuchlich, nämlich:
a) in flüssiger Form, als Bleiessig, Bleiglätte- oder Sil­berglätteessig, basisches essigsaures Blei, Liyuor Plumbi hyjrico-aceiici, Acelas Plumbi litjuidus, Acelis Plumbi liquida, Acelum Plumbi $. safurniuum, LUtuur arefalis Plumbi basici s. Plumbi acetici
basici s. subucelaii, — aus 86% pr. C. Bleioxyd und 13^pr.C. Es­sigsäure bestehend, ist eine klare Flüssigkeit, welche mit völlig rei­nem destillirten Wasser in jedem Verhältnisse auch eine ganz klare Auflösung, mit Brunnenwasser aber eine weisse undurchsichtige Flüssigkeit giebt, indem sich, je nachdem das Wasser kohlensaure, salz- oder schwefelsaure Salze enthält, kohlensaures, salz- oder
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*) In Gegenden wo Bleiwerke beirieben werden, enlslehl Iiüufig bei Thieren eine Bleivergiftung auf der Weide und durcli djs Wasser, indem sich Bleidämpfe auf die Pflunzen ablagern oder das Wasser Bleierz u. 8. w. enlliiilt. Siehe J. C. Fuchs, die schädlichen Einflüsse der Bleibergwerke auf die Gesundheit der Hausthiere, insbesondere des Rindviehes, Ber­lin, 1842.
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schwefelsaures Blei niederschlägt. Dasselbe geschieht auch, wenn dergleichen Salze, Schwefelsäure oder Gerbsäure zu dem Bleiessig oder zu seiner Auflösung gethan werden.
b) In fester (krystallisirter) Form, als Bleizucker, essig­saures Bleioxyd, saures essigsaures Bleioxydul (Succhi.-rum Salurni, Acelas plumbieus cryslallisatus, Acetns Plumbi acidulus siecus s. Acet. plumbieus c. Aqua), aus 58% pr. C. Bleioxyd, 27 pr. C. Essigsäure und 14% pr. C. Wasser. — Beide Präparate unter­scheiden sich nur darin von einander, dass der Bleiessig eine grös-sere Menge Bleioxyd enthiilt, als der Bleizucker; in der Art ihrer Wirkungen stimmen sie fast ganz überein, aber der letztere ist be­deutend stärker wirkend als der erstere. — Der Bleizucker löst sich in 1^—2 Theilen Wassers und im Weingeist leicht und vollkom-men auf, Schwefelsäure, schwefelsaure und kohlensaure Salze, reine und kohlensaure Alkalien, die Kohlensäure, Kalk, die Schwefelle­bern und die Gerbsäure zersetzen ihn aber ebenfalls. Mit Eiweis geht er eine Verbindung ein, welche in Flüssigkeiten als ein weis-ser Niederschlag erscheint, der Blei und eine organische Substanz enthält und durch Zusatz einer kleinen Menge von Essig- oder Salzsäure wieder gelost werden kann. Der Faserstoff verbindet sich, nach den Versuchen von Mitscherlich*) wahrscheinlich gar nicht mit dem essigsauren Blei, sondern er schwillt in einer Auflüsimg desselben blos auf, verändert aber seine Farbe sehr wenig; Essig-und Salzsäure lösen den so veränderten Faserstoff eben so wenig wie früher. — Schleim wird durch eine Bleizuckerauflösung weiss, undurchsichtig,**) in Wasser und in den genannten Säuren unlöslich.
Am lebenden Thierkörper verhält sich nach Mitscherlich das essigsaure Blei gegen die verschiedenen organischen Substanzen eben so, indem er, je nach der Art und der Menge derselben an den verschiedenen Applikatiousstellen bald lösliche, bald unlösliche Verbindungen macht. In diesem Umstände ist es (wie von den Metallen im Allgemeinen sect;. 5Ü0. angedeutet) begründet, dass das essigsaure Blei an verschiedenen Stellen bald nur örtlich einwirkt, bald auch resorbirt wird und Zufälle einer allgemeinen Wirkung erzeust.
*) Ueber die Wirkung des essigsauren Bleioxydes auf den lliieri-sehen Organismus. Im Arcliiv fdr Anatomie ete. von Joli. Müller. Jahr­gang 1836. S. 293 u. f.
*') Hieraus lässt sich das Enlstehen weisser, undurchsichliger Nar­ben und Flecken auf der- dnrchsichligen Hornhaut der Augen, welche man nach der Anwendung der Bleimiltol so oft beobachtet, erklären, und zugleich ein Wink zur Vorsicht beim Gebrauch dieser Mittel gegen Au-genverlelzungen entnehmen.
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Innerlich angewendet tritt das essigsaure Blei zuerst mit dem Schleim der Maulhohle, des Magens u. s. w., so wie mit den übri­gen abgesonderten Flüssigkeiten und mit den vorhandenen Nah­rungsmitteln in Verbindung; wird es aber durch diese Substanzen nicht völlig gesättiget, so verbindet es sich mit der Schleimhaut selbst, und zuweilen wirkt es noch tiefer ein, so dass sie sogar an­geätzt wird. Kleine Gaben dieses Mittels einmal, oder in grossen Zwischenzeiten angewendet verursachen daher kaum bemerkbare Zufalle; aber bei öfterer Wiederholung in kurzen Zwischenzeiten können sie doch eine sehr eingreifende, und selbst tödtliche Wir­kung herbeiführen. Mi tscherlich sähe bei Kaninchen von 8 Gr. Blcizucker, in 5 Theilen destillirteu Wassers gelöst, täglich einmal und 10—12 mal wiederholt gegeben, zuerst nur etwas Durst, ver­minderten Appetit und seltenere Ausleerungen erfolgen; erst nach der Gten, — 7ten Gabe wurde das Thier matter, legte sich oft auf den Bauch, es traten zuweilen leichte Krämpfe, auch Zähneknirschen ein; Koth und Urin wurden wenig entleert; der Leib war nicht schmerzhaft; dieThiere wurden sehr matt, das Athmen immer lang­samer, und zuletzt erfolgte der Tod in einem Anfalle von Opis-thotonus.
Tritt der Tod nicht so schnell ein, so sieht man in den mei­sten Fällen erst Mattigkeit, Abmagerung, Steifigkeit der Gliedmaas-sen, verminderte Tliätigkeit im Verdauungskanal, Verminderung der Sekretionen, und zuletzt bei einem fast ganz gelähmten Zu­stande des Thieres das Absterben langsam erfolgen.
Wird essigsaures Blei innerlich in einzelnen zu grossen Ga­ben (z. B. bei Pferden mehr als 1 Pfund, bei Hunden mehr als 3 bis 6 Drachmen auf einmal) gereicht, so entsteht Ekel, Kolik (bei Hunden auch Erbrechen ), kleiner, harter, schneller Puls, Blässe der Schleimhäute, zuerst Vermehrung der Ab- und Aussonderungen, dann Verminderung der Resorption, und eben so Verminderung der Sekretionen, Schwäche, Steifigkeit der Glieder, zuweilen Läh­mung verschiedener Theile, namentlich der Sohenerven, Unempfmd-lichkeit und oft der Tod. Letzterer erfolgte bei einem Hunde, dem 1 ^ Unze Bleizucker in 3 Unzen Wasser aufgelöst, eingegeben und dann der Schlund unterbunden worden, nach 9 Stunden, — bei einem andern von 34 Drachme ohne Schlundunterbindung erst nach 28 Stunden {Orfila, Toxikol. Bd. 1. S. 3lJ7.). — Ein rotzkrankes Pferd, dem ich 1 Pfd. Bleizucker in 4 Pfd. Wasser gelöst eingegeben, zeigte die genannten Zufälle nur durch etwa 12 Stunden, war dann ganz munter und starb erst nach 7 Tagen am Rotz.
Bei Rindvieh sind dagegen die Wirkungen v/eit heftiger. Prinz sah z. B. in folgendem Falle bei Kühen von verhältnissmässig viel
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kleineren Gaben sehr üble Zufalle und selbst den Tod erfolgen. Zehn Kühe von verschiedenem Alter hatten zusaininen in 3 Tagen 1 Pfund Sacchar. salurni, also jedes Rind täglich etwas über ein Loth, und in 3 Tagen 3| Loth bekommen und hiernach Fieber, stieren Blick, Kälte der Ohren und der Gliedmaassen, Trockenheit und Hitze des Flotzmauls, kleinen, schnellen Puls, pochenden Herz­schlag, beschleunigtes Athmen, Zusammenfallen des Bauches, Schleimtluss aus dem Maule und den Nasenlöchern, Verlust des Appetites, Aufhören des Wiederkauens, seltene Ausleerungen von kleinem, hartem, schwarzgefärbtem, mit Schleim überzogenem Mist, Drängen zur Kothentleenmg, heftige Kolikzufälle und grosse Er­schöpfung gezeigt. Bei einer Kuh war vorherrschend ein Gehirn­leiden mit Raserei, und bei 4 Stücken, bei denen das Leiden des Verdauungskanals geringer war und wo der Tod nicht erfolgte, hatte sich ein eigenthümlicher, mit vielem Jucken verbundener Haut­ausschlag eingefunden. — Auch Departements-Thierarzt Mecke in Coblenz sähe 9 Kühe sterben, von denen jede nur 1% Loth Blei­zucker in Wasser gelöst auf eine Gabe, und in 2 Tagen zwei sol­cher Gaben erhalten hatte. Eine Kuh starb schon am 2ten, die letzte am 14 ten Tage.
Bei der Sektion der durch essigsaures Blei getödteten Thiere findet man, wenn der Tod nach kleinen Gaben erfolgte, die Schleim­haut des Magens und des Dünndarms mit einer Schicht dicken, zähen Schleims bedeckt, hin und wieder weissgrau gefärbt, und in eine trockene, zerreibliche Masse umgeändert; auch die Muskelhaut erscheint an manchen Stellen weiss. Nach grossen Gaben findet sich die Schleimhaut zuweilen von ähnlicher Beschaffenheit, in man­chen Fällen aber sowohl sie als auch andere Eingeweide mit ro-then, entzündeten, oder mit Blut unterlaufenen Flecken versehn.*) An den übrigen Organen sieht man mebrentheils nur Spuren von übermässiger Contraktiou und Trockenheit.
Aeusserlich tritt das essigsaure Blei ebenfalls in Verbindung mit den vorhandenen organischen Flüssigkeiten. Auf wunde Flächen ge­bracht macht es einen weisslichen Ueberzug auf denselben. Uebrigens bewirkt es an den unmittelbar berührten Stellen vermehrte Zusam-menziehuug und Verdichtung der Weichgebilde, besonders der Ge-fässe, Verminderung der Irritabilität und Sensibilität, und eben so Verminderung der Temperatur und der Absonderungen. In sehr hohem Grade der Wirkung werden letztere ganz unterdrückt, die
*) Milsclierlich sähe diese Wirkung nicht, ich ebenlolls niemals, aber Orfila u. A. geben sie an, raquo;ml Prinz (and sie in den oben er-wamp;hnlen Fallen an inehrern Rindern.
Ilrrtw'i^ Arzneiinittcllohru.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;43
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Weichgebilde förmlich zusammengeschrumpft und ihre Masse oft sogar verhärtet, besonders wenn Exfravasate von faserstofFhaltigen Säften zugegen sind; denn letztere gerinnen durch die Einwirkung des essigsauren Bleies sehr leicht. — Bei sehr reichlicher und an­haltender Anwendung desselben auf grossen wunden Flächen hat man zuweilen eine allgemeine Wirkung -auf den ganzen Organis­mus, wie von dem innerlichen anhaltenden Gebrauche diesem Mit­tels entstehen sehen.
Von Injektionen einer halben Drachme Bleizuckers mit \ Unze destillirten Wassers in die Drosselvene entstand bei mehreren star­ken Pferden innerhalb 2 bis 4 Minuten schnelleres, beschwerliches Athmen, schnellerer Puls, Blässe der Schleimhaut im Maule, Wie­hern, Schwäche der Gliedmaassen, Schwindel, Niederstürzen, und mit 5 bis 8 Minuten der Tod unter Gonvulsionen. — 10 Gran auf diese Weise applizirt bewirkten blos durch einige Stunden Schau­dern der Haut, Mattigkeit und etwas vermehrte Pulse und Athem-züge. Bei Hunden erfolgte auf die Injektion von 10 Gran Blei­zucker der Tod augenblicklich, ohne Zeichen von Schmerz oder Gonvulsionen; Injektionen von 1 bis 5 Grau bewirkten bei verschie­denen Hunden ähnliche Zufalle, wie von der lange fortgesetzten in­nerlichen Anwendung des Bleies und nach 3, 5 bis 7 Tagen den Tod (Orfila a a. 0.).
Das essigsaure Blei zeigt, besonders bei der innerlichen An­wendung in geringen Gaben und äusserlich in seinen Wirkungen einige Aehnlichkeit mit denen der adstringirenden Pflanzenmittel; es ist aber von diesen sehr wesentlich darin abweichend, dass es nicht wie sie mit der Vermehrung der Contraktion zugleich die Irritabilität steigert, sondern die letztere und eben so die Sensibili­tät und die Vegetation herabstimmt und daher die Lebensthätigkeit in allen ihnu Richtungen vermindert.
sect;. 601,
Innerlich wird das essigsaure Blei nur wenig angewendet, weil man seine nachtheiligon Wirkungen fürchtet. Letztere treten aber bei einiger Vorsicht nicht leicht ein. Angezeigt ist es im Allgemei­nen bei denjenigen Krankheiten, bei welchen 1) heftige entzündliche Reizung mit Gefässerweiterung oder mit Blutflüssen bestehen, und 2) wo übermässige Ab- und Aussonderungen die Haupterscheiuun-gen sind, und wo der Zustand in Erschlaffung und Schwäche der Blutgefässe, und eben so in Erschlaffung, Auflockerung und Schwäche der Schleimhaut im Verdauungskanal, in den Respirationsorganen oder in den Harnwerkzeugen begründet ist, und wenn diese Krank­heiten mit erhiiheter Reizbarkeit und Empfindlichkeit verbunden sind; es muss aber entgegengesetzt überall vermie-
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den werden, wo Trockenheit der Fasern und d6r Schleimhäute, Ver­minderung der Wärme und der Absonderungen, grosse Reizlosig­keit und Neigung zu Verhärtungen besteht. — Ich habe es unter den vorher bezeichneten Umständen mit ausgezeichnetem Erfolge gegen das Blutharnen bei allen Thieren, — gegen die Harnruhr (sogen. Lauterstall) bei Pferden und Rindvieh, — gegen schlei­chende Entzündung des Darmkanals, — gegen heftige, und beson­ders gegen blutige, mit Zufallen von schleichender Darmentziiiulung begleitete Diarrhöe (auch wenn dieselbe durch zu grosse Gaben von Aloe, von schwarzer Nieswurz, von Croton und dergl. scharfen Stoffen entstanden war), gegen asthenische, sehr schmerzhafte Lun­genentzündungen #9632;— gegen verjauchende Lungenknoten, — gegen hartnäckige SchleimOiisse aus den Respirationsorganen und aus den Geschlechfstheilen, und — gegen den zu heftigen oder zu oft eintretenden Geschlechtstrieb angewendet. Viborg empfahl es auch gegen die Finnen der Schweine. Gegen den Rotz ist das essig­saure Blei von andern Thierärzten auch empfohlen; ich versuchte es hier stets ohne Nutzen.
sect;. 602. Zum innerlichen Gebrauche dient fast nur allein der Bleizucker. Man giebt ihn den Pferden und Rindern zu |—2 Drachmen, Scha­fen und Schweinen zu 5—15 Gran, Hunden 1 — 6 Gran auf einmal, und nach Zwischenzeiten von 3, 4, 8 bis 12 Stunden wiederholt, je nach der Heftigkeit der Zufälle: z. B. bei heftiger Darmentzün­dung, wo mau Pferden sogar in Zwischenzeiten von einer Stunde l Drachme pro Dosi geben kann. Die Anwendung kann in Lat­wergen, Pillen oder in Auflösungen (mit 20 bis 25 Theilen Flüs­sigkeit) und selbst im gewöhnlichen Getränk geschehen. Man ver­bindet den Bleizucker bei den meisten der genannten Krankheiten recht zweckmässig mit bittern Mitteln; und wenn bei der Harnruhr, bei dem Blutharnen und bei Ulcerafion der Lungen u. s. w. hef­tige Schmerzen bestehen, habe ich die Verbindung des Bleizuckers mit Bilsenkraut sehr hülfreieh gefunden; bei dem rein atonischen Blutharnen und dergl. Harnruhr war dagegen die Verbindung des erstem mit dem Kampher sehr wirksam, und bei Diarrhöe, bei Lungenentzündungen und bei Bluthusten hat sich in vielen Fällen der Bleizucker mit Opium versetzt als nützlich bewährt. — Säuren, adstringirende Mittel, Alkalien, fast alle Neutral- und Metallsalze und die Seifen zersetzen den Blcizucker und dürfen daher nicht mit ihm verbunden werden, wenn man nicht etwa die Wirkung der neu entstehenden Verbindungen beabsichtiget, wie dies z. B. zu­weilen der Fall ist bei dem Gebrauch des Bleizuckers in Verbin­dung mit Gerbstoff, namentlich mit einer Abkochung der Eichen-
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rinde, in welcher das essigsaure Blei ein noch mehr tonisches Prä­parat liefert.
sect;. 6Ü3. Aeusserlich ist das essigsaure Blei ein häufig gehrauchtes und sehr wirksames, reizmilderndes, zertheilendes, zusammenziehendes und austrocknendes Heilmittel, welches im Allgemeinen da seine Anzeigen findet; wo örtlich die Reizbarkeit, die Empfind­lichkeit und die Wärmeentwickelung zu sehr vermehrt ist, wo dabei die Blutgefässe und die Fasern durch Ausdehnung u. s. w. erschlafft und geschwächt, die Ab­sonderungen zu reichlich sind, und wo ein wuchernder Bildungsprozess besteht. — Es dient daher:
a)nbsp; bei schmerzhaften Entzündungen, welche durch mechanische Einwirkungen entstanden sind (z.B. bei Quetschungen und Quetsch­wunden, bei dem Durchlicgen und Durchscheuern, bei Sattel- und Geschirrdrücken, Verbällungen, Verrenkungen und Knochenbrüchen). — Das Blti zeigt sich bei diesen Entzündungen um so wirksamer, je mehr sie einen oberflächlichen Sitz haben; es ist auch in der ersten Zeit, ehe sie den höchsten Grad erreichen und dann wieder im Stadium der Abnahme am meisten nützlich. — Dagegen ist das Mittel in der Regel schädlich: bei heftigen, sogenaimfen hypersthe-nischeu Entzündungen, bei schon eingetretener gutartiger Eiterung oder bei deutlicher Neigung dazu, — bei sogenannten asthenischen Entzündungen in Drüsen, und überall, wo aus Maugel au gehöri­ger arterieller Thätigkeit eine Neigung zu Verhärtungen besteht, und auch bei katarrhalischen, rheumatischen, typhösen und Au-thraxentzüudungen. Eben so ist es bei Augenentzündungen, die mit Verdunkelungen oder mit Wunden und Geschwüren der Horn­haut verbunden sind; indem hier, meinen vielen Beobachtungen zu­folge, bei dem Gebrauch der Bleimittel sehr oft die Verdunkelun­gen unauflöslich werden und die Wunden und Geschwüre weisse, undurchsichtige Narben zurücklassen (siehe Anmerk. S. 671.).
b)nbsp; Gegen Verbrennungen leistet das essigsaure Blei fast bei jedem Grade und in jeder Periode derselben gute Dienste, am mei­sten aber wenn die Entzündung in jauchende übergeht, und wenn die verbrannten Theile sich ablösen. Sind die Brandflächen sehr gross, so ist bei der Anwendung der Bleimittel, wegen der allge­meinen Wirkung derselben, stets eine grosse Aufmerksamkeit auf das Befinden der Thiere nöthig.
c)nbsp; Bei Geschwüren ist das essigsaure Blei ein vortreffliches Mittel, wenn sie lockere, schwammichte Granulation besitzen, viel jauchen, juckenden Schmerz erregen, übrigens aber im Grunde rein und zur Heilung geneigt sind. Unter entgegengesetzten Umstän-
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den, und da, wo die Geschwüre mit Callositäten verbunden, oder wo sie in Folge eines allgemeinen Krankbeitszustandes (besonders als Crisis oder als Metastasis) entstanden, und wo sie veraltet, dein Körper zur Gewohnheit geworden sind, ist das Blei fast immer schädlich.
d)nbsp; Bei Hautausschlägen ist das Blei wirksam, besonders wenn sie viel nässen und stark jucken, wie z. B. bei den sogenannten Hitzblattem und bei dem Schweif- und Mähnengrinde der Pferde und dergl.; — da es aber zu schnell die Absonderungen unter­drückt, so darf es immer nur mit Vorsicht gebraucht werden, na­mentlich bei kritisch und metastatisch entstandenen Ausschlägen, bei veralteter und sehr ausgebreiteter Räude und bei dergl. Flechten.
e)nbsp; Bei starken und anhaltenden Schleimflüssen, bei zu starker Eiterung und bei andern zu reichlichen Absonderungen ist das Blei ebenfalls von ausgezeichneter Wirksamkeit, verlaugt aber auch bei der Anwendung die Berücksichtigung der Dauer des Uebels und der etwa vorhandenen, unter c) und d) angedeuteten patholo­gischen Verhältnisse.
sect;, 604.
Man benutzt zum äusserlichen Gebrauche den Bleiessig und den Bleizucker auf mehrfache Weise, und zwar:
a) in Auflösungen mit Wasser (als sogenanntes Bleiwasser, Ai/na jtlumbica s salurnina); sie werden am besten mit destillirtem oder mit Flusswasser, und, nach dem Orte der Anwendung und dem Grade des Uebels, in verschiedener Conzentration bereitet: z. B. bei Augenentziindungen aus 5 bis 10 Gran Bleiessig oder 1 bis 2 Gran Bleizucker mit l Unze Wasser, — bei Schleimllüsscn, bei Verbrennungen, Geschwüren, Hautausschlägen und dergl. mit Verletzung der Haut verbundenen Krankheiten, aus S bis 1(1 Gran Bleiessig oder 2 bis 4 Gran Bleizucker auf 1 Unze Wasser, — und zur Anwendung auf die unverletzte Oberhaut kann diese Auflösung von doppelter Stärke sein.—Das in der Preuss. Pharmakopöe vor­geschriebene Bleiwasser besteht aus | Unze Bleiessig und 2 Pfund destillirtem Wasser. Wenn bei Entzündungen, Quetschungen u. s. w. Neigung zu einem torpiden Charakter oder zu Verhärtungen ein­tritt, so nimmt man statt des blossen Wassers weit besser ein In-fusnm von gelind aromatischen Pflanzen, z. B. von Flieder- oder von Chamillenblumen, oder man setzt dem einfachen Bleiwasser etwas Weingeist (auf 20 — 24 Theilo 2 Theile) zu. Die letztere Zusammensetzung bildet das sogenannte „Goulardsche Blei­wasser, Aqua Goulardi s vegelo-mineralis Goulardi.quot;—Bei chro­nischen, mit heftigem Schmerz und mit reichlicher Schleimabson­derung begleiteten Augenentziindungen hat sich die Verbindung
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des Bleiwassers mit Opiumtinktur (20 bis 30 Tropfen der letztern auf 1 Unze des erstem), so wie bei sebmerzhaften akuten Augeu-entzündungen die Verbindung des essigsauren Bleies mit schleimi­gen Mitteln, besonders mit Quittenschleim sehr heilsam gezeigt, obgleich die letztere Zusammensetzung in chemischer Hinsicht nicht ganz passend erscheinen mag (S. 139.).
b) In Linimenten und Salben. In dieser Form wendet man gewöhnlich nur den Bleiessig an, und zwar bei schmerzhaften Ent­zündungen der Haut, oder wo letztere theilweis zerstört ist, wie bei Anützungen, Verbrennungen, Sattel- und Geschirrdriicken und dergl. — Die einfachste Zusammensetzung besteht aus ITheil Blei­essig und 4 bis 8 Theilen Fett oder eines fetten Oels, z. B. Baumöl, Mohn- oder Riibiil; mehr gebräuchlich ist aber das sogenannte Bleicerat oder die Bleisalbe (Ceralum Saturnl, Unguentum Plamlii s. saluranutm), die aus weissem Wachs 10 Unzen, Baumöl 26 Un­zen und Bleiessig 3 Unzen bereitet wird. — Bei alten Geschwüren, die heftig schmerzen, viel jauchen und oft an den geheilten Stellen wieder aufbrechen, ohne dass Caries oder fremde Körper dies ver­ursachen, hat sich eine Salbe aus 1 Theil Bleizucker mit IG Thei­len Grünspan-Sauerhonig, täglich einmal angewendet, in vielen Fäl­len sehr nützlich gezeigt.
Anmerkung i. Das sogenannte Bleiextrakt [Exlräctum Salami) ist ein durch Abdampfen mehr dickflüssig und couzentrirt gewordener Bleiessig, der in halb so starken Gaben wie der ge­wöhnliche Bleicssig benutzt werden kann, jetzt aber gewöhnlich durch den letztem ersetzt wird.
Anmerkung 2. Die Bleiglätte, Silberglätte, Gold­glätte (Oxydam plumiicum semifusum, Liihargyrum, Plumbum oxij~ datum suhfusrum, Ueutoiydum P/umbi), aus fast 93 Theilen Blei und 7 Theilen Sauerstoff bestehend, in Säuren, aber nicht im Was­ser auf löslich, wirkt ähnlich, aber schwächer, wie das essigsaure Blei.*) Sie wird innerlich gar nicht und äusserlich nur von weni­gen Thierärzten als ein zusammenziehendes, austrocknendes Mittel bei Gallen, Quetschungen, Sehnenklapp, Ausdehnungen und dergl. örtlichen Leiden benutzt. Die Anwendung geschieht am zweckmäs-sigsten in Verbindung mit. Fett oder mit Honig als Salbe, oder mit Essig zum dünnen Brei gemacht. Am meisten dient sie zur Bereitung des essigsauren Bleies, durch welches sie auch völlig zu ersetzen ist.**)
*) Grognier sähe von 4 Drachmen bei einem Hunde alle Sym­ptome der sogenannten Bleikolik, und nach einer slarkern Gabe den Tod erfolgen. Gohier, MCm. et observat. Tora. I. p. 4(0.
quot;*) Die Bleigliilte dient auch zur Bereitung einer schwarzen Farbe,
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Anmerkung 3. Das Bleiweiss, kohlensaures Blei, kohlensaures Bleioxyd (Cerussa, Plumbum carbuni-um, Subcar-bunas Plumbi, Oxydam Plumbl album), aus circa 85 Theüen Bleioxyd und 15 Theileu Kohlensäure gebildef, wirkt ebenfalls dem essigsau­ren Bleie ähnlich, aber schwächer, und dient nur äusserlich als aus­trocknendes Mittel bei Geschwüren, bei nässenden Exkoriationen, bei Wunden, die im Vernarben begriffen sind, und zuweilen auch bei Verbrennungen, — wo jedoch der Bleiessig vorzüglicher ist. Man wendet es theils als Pulver zum Einstreuen (z. B. bei Ge­schwüren im äussern Gchorgange der Hunde), theils als Salbe an. In ersterer Form wird es inehrentheils mit dem Pulver von Kohle, von Kamillenhliimen, Eichenrinde und dergl. in einem dem Krank­heitszustande entsprechenden Verhältnisse versetzt, und eben su wird es in der Salbeuform bald mit mehr, bald mit weniger Fett verbunden. Nach der Preuss. Pharmakopöe besteht die einfache Bleiweisssalbe (üuguenlum Cerassae s. Vng. album simplex), jetzt aus 2 Theilen Schweineschmalz und 1 Theil fein zerriebenem Bleiweiss, durch Reiben zusammengemengt (früher aus 2 Theilen Bleiweiss, eben so viel Schweinefett, und 1 Theil Hammeltalg), und wenn zu 1 Pfund dieser Salbe % Unze Kampher gesetzt wird, so stellt sie die kampherhaltige Bleiweisssalbe (_Ung. Cerussae caaiphoralam s. Vng. ulb. camphoralum) dar. Die letztere begün­stiget weniger die Neigung zu Verhärtungen als die erstere.
G. Braunstein, Mangan, Manganesium.
3. Graubraunsteinerz, Braunsteinüberoxyd, Mangaaum o.njjalum nalivum, Manganum hypcroxydalum, Oxydam Mangani nl-grum, Oxydam Magnesiuc nigrum nuliiam, Superorydum mangunlcum.
sect;. 605.
Das Braunsteinüberoxyd besteht aus 3G,G4 pr. C. Sauerstoff und 03,30 pr. C. Mangan, welche locker mit einander verbunden
die zum Farben widriger Abzeicben sehr gut bemilzt werden kann. Man nimmt hierzu fein pulvcrislrte Hleigliille I Pfund, Aelzkalk J Pfund (pond, civ), mengt beide Snhslanzcn mit Wasser zum Brei und setzt diesem l Unzen Slärkemelil und 2 Unzen fein pulverisiiie Iloizkohle zu. Die Masse wird gelrocknel und pulverisirl. Beim Gfebrauch rührt man einen Theil des Pulvers mit Wasser zur Consislenz eines dünnen Liniments zu­sammen, und streicht dies reichlich auf und zwischen die Haare, nach­dem dieselben vorher durch Waschen mit Kleienwasser von Fett mög­lichst befreiet sind. Ueber die Stelle bindet man ein Tuch. Nach dem Trocknen (ä—6 Stunden) wird die Masse wieder abgerieben.
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sind, so dass erstcrer bei der Einwirkung der Glühhitze und der starkem Säuren zum Theil entweicht, und daher bei der quot;Wirkung des Mittels gewiss von grosser Bedeutung ist. Eben so bei der Chlorbildung. In Wasser und in Weingeist ist es unlöslich, bildet aber mit ersterem zwei Hydrate. In Säuren kann es sich auflösen, wenn es die Hälfte seines Sauerstoffes abgiebt. Es wirkt innerlich und äusserlich im Allgemeinen als ein reizendes, umänderndes und zugleich stärkendes, tonisches Mittel, jedoch mit besonderer Rich­tung auf die Verdauungs- und Assimilationsorgaue, auf die Lymph­drüsen, Lymphgefässe und die Haut. Durch seine innerliche An­wendung bei Thieren, die au Trägheit im Vegetationsprozesse lei­den, wird der Appetit vermehrt, die Verdauung gebessert, der ab­gesetzte Koth fester und dunkler, die Schleimhaut im Maule und iu der Nase, so wie die Bindehaut der Augen lebhafter geröthet, und die Se- und Bxkretiouen geben regelmässiger von statten. — In Geschwüren wird die abgesonderte Jauche der Qualität nach ge­bessert, der Quantität nach vermindert, die Granulation lebhafter und reiner, und die Vernarbung erfolgt schneller.
Das Braunsteinüberoxyd ist von Pessina und Rysz innerlich gegen bösartige Druse, gegen den durch Ansteckung entstandenen Rotz und gegen den Hautwurm mit dem besten Erfolge angewen­det worden, und Rysz will auch bei einem Pferde die Anlage (?) zum Koller durch den länger fortgesetzten Gebrauch dieses Mittels gänzlich gehoben haben.*) Bei veralteter Druse, bei dergl. Räude und bei dem Wurm sähe ich ebenfalls gute Wirkung von ihm. — Die Gabe ist für Pferde ^—1 Unze, für Hunde ^ — 2 Drachmen, täglich 'Z bis 3 mal, und in Verbindung mit bittern und aromali­schen Mitteln. — Bei dem Rindvieh, den Schafen und Schweinen ist die Wirksamkeit und die passende Gabe vom Braunstein noch nicht ermittelt.
Aeusserlich hat zuerst Grille und Morelot, und später auch Rysz (a. a. 0.) das Braunsteinüberoxyd gegen die Räude der Pferde, der Schafe und Hunde mit gutem Erfolge ingewendet, und der Letztere lobt es als das wirksamste Mittel gegen die trockene, sehr veraltete Mauke, gegen trockene Fussflechten bei allen Thie­ren, gegen das Teigmaul der Kälber und Lämmer und gegen den Maul- und Ohrengrind, der sich oft über den ganzen Kopf verbrei­tet, die Thiere am Fressen hindert, und beim Weidevieh nach an­haltendem Regen und nach nassen Herbst- und Winterweiden (?) entsteht.
Die Anwendung bei diesen Hautkrankheiten geschieht in Sal-
*) Rysz, Arzncimillellehre, S, 38,
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ben, welche man aus 2 bis 3 Theilen recht fein pulverisirten Braun­steins mit 8 Theilen Schweinefett bereiten und auf die kranken Stel­len täglich, oder jeden 2ten Tag einmal gelind einreiben lässt. — Bei grossen, schlaffen Geschwiirfliichen kann das Mittel auch als Pulver eingestreut werden.
quot;Wegen seiner grossen Wohlfeilheit und seiner nicht geringen Wirksamkeit verdient der Braunstein in derTbierarzneikuude häu­figer angewendet zu werden als bisher. Seine Benutzung isur Er­zeugung des Chlors und der Chlorräucherungen ist sect;. 477. und sect;. -ISO. angegeben. — Die von ihm gebildeten Präparate, nament­lich das schwefelsaure und das salz- (chlor-) saure Braun-steinoxydul sind nicht gebräuchlich.
D. Eisen, Femim. Mars-
sect;. G06. Das Eisen vermittelt seine Wirkungen im Thierkorper auf die­selbe Weise, wie die Metalle überhaupt (sect;. 591.), indem es an den Stellen, mit denen es in Berührung kommt, chemische Verbindun­gen mit den organischen Sfoffen (ausgenommen das Horngewebe) eingeht, die bald mehr bald weniger lüslich sind, und die hiernach auch mehr oder weniger die Resorption des Mittels begünstigen. Das metallische Eisen wird z. B. im Magen unter Zersetzung des Wassers durch die freie Säure des Magensaftes in milchsaures Ei-seuoxydul umgeändert, und dieses verbindet sich weiter mit dersel­ben Säure zu einem Oxydulsalze. Auch das eingegebene Eisen­oxydul wird im Magen durch Verbindung mit der Milchsäure des Magensaftes zu einem miiehsauren Eisenoxydulsalzc, und dieses, so wie alle andere Eisenoxydulsalze werden (nach C. G. Mitscher-lich) im Magen und Darmkanal in Eisenoxydsalze umgeändert. Eben so verbindet sich das Eisenoxyd im Magen mit der hier vor­handenen freien Milchsäure zu milchsaurem Eisenoxyd, und dieses geht, wie jedes andere Eisenoxydsalz, mit den proteinhaltigen Be-standtheilen des Magensaftes Verbindungen ein, welche bei einem Ueberschuss von Säure sich wieder auflösen und sich dann zur Aufsaugung eignen. Ist die Quantität eines Eisensalzes grosser, als dass sich dasselbe mit dem Mageninhalt sättigen könnte, so verbindet es sich mit den Bestandtheilen der Häute des Magens und Darmkanals, und bewirkt dadurch Auätzuug der Schleimhaut. Das so umgewandelte Eisen geht in das Blut (in welchem es ein natürlicher Bestandtheil ist) über, und wird aus demselben durch die Nieren zum Theil wieder ausgeschieden. Seine Wirkungen im Allgemeinen charakterisiren sich dadurch, dass alle Eisenmittel in
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massiger Gabe die Contraktion örtlich und im ganzen Körper ver­mehren, die Verdauung und die Assimilation hessern unddioBlut-mischnng so umändern, dass das Blut eine mehr hervortretende arterielle Beschaffenheit erhält. Der mit den Futterstoffen im Ma­gen und Darmkaual in Verbindung getretene Tiieil des angewen­deten Eisens giebt dem Koth, namentlich bei Pflanzenfressern, eine schwarze Farbe, welche wahrscheinlich durch Verbindung des Me­talls mit Gallussäure entsteht und darauf hindeutet, dass auch auf diesem Wege ein Theil desselben wieder aus dem Körper ent­fernt wird.
Zu grosse Gaben der Eisenmittel und zu lange Fortsetzung derselben erzeugen örtlich im Magen und Darmkanal heftige Rei­zung bis zur Entzündung, starke Zusammenschruinpfung und Ver­dichtung der betroffenen Gebilde, Congestiouen und zu grosse Pla­stizität der Säfte.
Diese ganz im Allgemeinen angedeutete Wirkungen erfolgen bei den sämmtlichen Eisenpräparaten, obwohl nicht in gleichem Grade. Es sind hier folgende fünf Abtheilungen zu unterscheiden:')
1)nbsp; Metallisches Eisen, die Oxyde des Eisens und diejenigen Salze desselben, welche eine schwächere Säure enthalten, wirken vorzüglich durch Beförderung der Verdauung und Umänderung des Blutes; sie vermehren nur im geringen Grade die Contraktiun.
2)nbsp; Die Elscnsalze mit, stärkeren Säuren, besonders das schwe­felsaure Eisenoxydul, wirken am stärksten contrahirend.
3)nbsp; Auflösungen der Eisensalze in alkoholischen und ätherischen Flüssigkeiten haben die Wirkung dieser Eisenpräparate, erregen aber zugleich flüchtig nach Art des Alkohols und des Aethers.
4)nbsp; Die Wirkung der Doppelsalze, welche aus eiuem Eisensalze und aus Salmiak oder weinsteinsaurem Kali bestehen, ist- zusam­mengesetzt aus der Wirkung des Eisens und dieser Salze; — und
ö) die Verbindungen des Eisens mit Schwefel wirken wie Ei­senoxyd, wie Schwefel- und Hydrothionsäure.
lt;1. Eisenfeile, pulverisirtes metallisches Eisen, Limntura
Marlis praeparata, I'errum purum limatum, Ferrum pulveralum,
alcohol Marlis.
sect;. 607. Das Eisen im metallischen Zustande besitzt keine bemerkbare Arzueikraft; es wird aber durch die Einwirkung der Luft, desWas-
*) C. G. M ilscliorllch, Lebrbnch der Ai-ziieimi'lcllelire, Islurlld. 2le Ablli. S. 306. u. Zeitung des Vereins für Meilk. ir Preussen. (840. Nr. 21.
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sers, der Säuren und durch Hitze sehr leicht in verschiedenem Grade oxydirt, und dadurch zu einem sehr wirksamen Arzntimittei. Dies geschieht auch hei der Anwendung des gefeilten oder pulverisirten Eisens auf den Thierkörper, da in dem letztern, und namentlich in den saureu Siifren des Magens und Darmkauais, die Erfürdernisse zur Oxydation reichlich vorhanden sind. Dass die letzter* wirklich stattfindet ergieht sich ausser den Wirkungen, die das Mittel auf den .ganzen Organismus ilussert, hauptsächlich aus der schwarzen Färbung, welche der Koth annimmt, wenn die Eisenfeile durch einige Zeit innerlich angewendet worden ist. Wahrscheinlich ist aber diese Färbung nicht allein von der Oxydation des Eisens, son­dern eben so viel von der Verbindung desselben mit Gerbesäure abhängig, die in den Nahrungsmitteln im Darmkanal oft enthalten ist; denn die Färbung entsteht bei den Pflanzenfressern stets viel eher und stärker als bei den Fleischfressern. Die Wirkungen von massigen Gaben dieses Mittels zeigen sich niemals sogleich, son­dern erst nach längerem Gebrauche desselben, und geben sich (vor­züglich bei Thiercn die an Atonie leiden) durch lebhaftere Rothung der sichtbaren Sehleimhäute (bei Schafen auch durch lebhaftere Röthung der Haut), durch höhere Temperatur des ganzen Körpers, durch munteren Blick, grössere Energie in allen Verrichtungen, be sonders durch kräftigeren, volleren Puls, durch hellere Röthung und grössere Gerinnbarkeit des aus der Ader gelassenen Blutes,*) durch gut verdauten aber härteren und (wie bereits angegeben) schwarz gefärbten Darmkoth, und durch Verminderung oder gänzliche Be­seitigung aller unregclmässigen, zu reichlichen Absonderungen zu erkennen. — Bei vollblütigen, sehr reizbaren, zu Entzündungen nei­genden, oder mit Enfzündungskrankheiten behafteten Thieren ent­stehen von dem Eisen leicht Congestionen, Verstopfung des Leibes, Verschlimmerung aller Krankheitszufälle,— und bei sehr geschwäch­ten Verdauungseingeweiden grosse Belästigung in denselben.
sect;. 608. Diesen Wirkungen zufolge ist das Eisen ein eigenthümlich to­nisches und erregendes Mittel, durch welches die Contraktilität und die Irritabilität, vorzüglich aber die arterielle Thätigkeit, so-
*) Das Eisen Qndel sich im Blute fast aller Tbiere und scheint ein nolhwendiger Beslandlhcil desselben zu sein. Noch den Versuchen von Graelin und Tiodemann n. A. geht es auclf von aussen her durch Absorption in das Blut über, ist aber nicht, wie man früher annahm, die alleinige und unmittelbare Ursache der rothen Farbe desselben; beson­ders ist die beim Gebrauche des Eisens enlslehende hellere Rbtliung des Blutes gewiss nur die Folge der im Gefasssysteme überhaupt vermehr­ten Arteriellitäl.
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wohl der Energie, als der Bewegung nach, vermehrt wird, und weiches daher bei solchen Krankheitszuständen passend ist, die wesentlich in arterieller Atonie begrün­det sind, wo der Puls zu klein, weich, häufig aber regelmässig, die Schleimhäute und die Haut blass gefärbt, die Wärme, die Kraft der Muskeln gering, die Ab- und Aussonderungen frei oder zu reichlich sind. — Demnach ist es bei Dnmmkollcr, wenn er nicht in zu hohem Grade besteht und wenn die Thiere noch gute Fress­lust zeigen, — bei Verschleimimg und Würmern, unter denselben Umständen, — bei veralteter, oder aus Schwäche und Erschlaffung immer wiederkehrender Druse, — bei dergl. Hautkrankheiten, — bei und nach chronischen Wassersüchten, die aus Schwäche des Gefässsystems entstanden sind oder durch diese Ursache fortbeste­hen, — daher auch bei und nach der Fäule der Wiederkäuer und bei öfters wiederkehrenden wässerigen Anschwellungen der Füsse und unter dem Leibe, — bei grosser Schwäche nach überstandenen Krankheiten, oder bei Zuchthengsten und Zuchtböcken nach gros­ser Erschöpfung durch zu vieles Begatten, und in mehrern dergl. Fällen mit Nutzen zu gebrauchen. Im Ganzen wird es aber wenig und nur innerlich benutzt.
sect;. 609.
Die Gabe von der Eisenfeile ist für Pferde und Rindvieh 2 Drachmen bis i Unze, für Schafe und Schweine 15 bis 30 Gran, und für Hunde 5 bis 30 Gran, täglich 1 bis 2 mal. Die Anwen­dung geschieht in Latwergen und Pillen, in Verbindung mit bittern und aromatischen Mitteln, mit ätherischem Oel, Kampher, mit Schwefel, Spiessglanz, Kochsalz, Glaubersalz (in kleinen Gaben), aber nicht mit Quecksilberpräparaten, weil dieseljcn in ihrer Wir­kung denen des Eisens ganz entgegenstehen. Durch die Verbin­dung mit adstringirenden Mitteln wird die Wirksamkeit des Eisens zwar etwas gemindert, aber keinesweges ganz aufgehoben.
Anmerkung. 1) Das Eisenoxydul, schwarze Eisen­oxyd, oder der Eisenmohr {Ferrum orydulatum nigrum, Aethiops mar/ialis) ist in seinen Wirkungen der Eisenfeile fast ganz gleich zu stellen. Es macht den grüssten Theil des Hammerschlages aus, und letzterer kann daher, wenn er frei von fremdartigen Be-standtheilen und fein pulverisirt ist, ganz wie die Eisenfeile und wohlfeiler als diese benutzt werden. — 2) Das braune Eisen­oxyd, Eisenoxydhydrat, kohlensaures Eisenoxyd, er­öffnender Eisensafran {Ferrum hydricum, Ferrum orydatum fuscum, Oxydum ferricum cum Aijua, Ferrum earlionlcum, Crocus Martis aperllivus, Oxydum ferroso-ferricum). Es ist in den Apo­theken auch in flüssiger Form vorhanden als Ferrum hydricum in
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Agua, oder Liquor I'erri oxyduli hydrati. Ill der Meuscheilheilklinde ist dieses Präparat viel benutzt. Es wirkt schwach adstringirend und iai Wesentlichen wie das metallische Eisen. Berthold und Bimsen*) haben es in neuerer Zeit als das wirksamste Gegengift gegen Arsenik empfohlen, indem sie von der Idee ausgingen, dass sich das Mittel mit dem Gift im Magen zu arseuigsaurem Eisen­oxyd, welches in Wasser ganz unlöslich und somit auch unwirk­sam ist, verbindet. Die von Lassaigne, vonBouley, vonSpecz, von mir selbst u. A. angestellten Versuche haben diese Wirkung bestätiget, wenn das Mittel früh genug und in erforderlicher Menge angewendet wurde. Die Gabe muss 10 bis 20fach stärker stin als die Quantität des Arseniks. Das Mittel an sich ist auch in gros-sen Gaben nicht nachtheilig, und man kann Pferden sehr gut 2 bis 3 Unzen, Hunden | Drachme bis 1 Unze auf einmal geben. Die Anwendung geschieht in recht warmem Wasser (12 bis 15 Tbeile zu 1 Theil des Mittels), und nach i Stunde noch cinma! wiederholt. — 3) Das essigsaure Eisenoxyd (l'err. acelic. oxy-Jaium) ist nach Duflos (Buchner's Repertor. 1039.) als Gegen­gift bei Arsenikvergiftungen dem Ferr. hydrlcum vorzuziehen, be­sonders wenn man nicht weiss, mit welchem Präparat die Vergif­tung geschehen ist. Denn das Ferrum hydrlcum wirkt blos bei freier Arsen- oder bei arseniger Säure, aber nicht wenn die Fow-lersche Solution angewendet war. Man gebraucht das Präparat am besten in Form eines Liquors, den man bereitet aus 1 Theil Eisenoxydhydrat mit 3 Theilen Essigsäure und so viel Wasser, dass das Ganze 16 Theile beträgt. Je mehr verdünnt angewendet, um desto besser wirkt das Mittel. — Das rothe Eisenoxyd {Ferr. oxydaf. rubrum s. Oxydum /erricum); — das äpfelsaure Eisen-extrakt {Extract. Fen-i pomatum); — das phosphorsaure Ei­sen ox yd ul und Eisenoxyd {Ferrum photphorlcum oxydalam et oxijdulatum); — das hlausaure Eisen, Eisencyaniircyanid, Berlinerblau {Ferrum hydroeyunicum s. borussicum) und — das Jodeiseu, Eisenjodür, hydriodsaures Eisenoxydul {Ferr. iodatum s. hydroiodicum oxydulatum) erscheinen in ihren Wirkungen ähnlich mild wie das reine Eisen, sind jedoch nicht genügend in der Thierheilkunde geprüft und bisher nur wenig gebraucht wor­den. Bei Versuchen können ähnliche Gaben wie von dem reinen Eisen benutzt werden. Von dem Jodeiseu schreibt Morton für Pferde bei chronischem Naseuausfluss 1—2. Drachmen vor. — 4) Das sogenannte Lüschwasser, welches von Vielen für ein sehr
') Eisenoxydliydral, das Gegengift des weissen Arseniks. Von R. W. Bimsen und A. A. Bcrlliold. -2le Ann. Gulling. 1837.
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wirksames, stärkentles und gelind zusammenziehendes Mittel ge­halten, und innerlich gegen Durchfall, Harnruhr u. a. mit übermäs-siger Ab- und Aussonderung verbundene Krankheiten, äusseriich aber gegen Piephacken, Ausdehnung der Sehnen und dergl. Fehler empfohlen ist, soll ebenfalls Eisen im oxydulirten Zustande enthal­ten; nach unsern wiederholten und genauen Untersuchungen mit den besten Reagentien, fand sich jedoch in dem recht gut bereite­ten Lüschwasser nicht quot;die geringste Spur von Eisen.
5. Schwefeleisen, Stahlschwefel, Ferrum sulphuratum, Sul­phur chulybealum.
sect;. 610.
Verbindungen des Eisens mit dem Schwefel in verschiedenen Verhältnissen kommen in der Natur vor; das als Arzneimittel ge­bräuchliche Schwefeleisen wird aber gewöhnlich durch Zusammen­schmelzen der beiden Mineralien gebildet, und enthält gegen 63,77 Theile Eisen und 37,2;? Theile Schwefel.
Die Wirkungen dieses Mittels sind grüsstentheils dieselben, welche von dem gefeilten Eisen (sect;. 607.) entstehen, zum Theil aber stimmen sie auch mit denen des Schwefels (sect;. 470.) überein. In wie weit das Schwefelwasserstotfgas (sect;.543. Anmerk.), welches bei der innerlichen Anwendung des Stahlschwefeis, durch die Einwir­kung des sauren Magensaftes auf ihn, sich jederzeit entwickelt, Abweichungen von diesen Wirkungen bedingt, — ist noch nicht gehörig erforscht. — Von der Eisenfeile scheint sieh der Stahlschwe­fel in der Wirksamkeit vorzüglich dadurch zu unterscheiden, dass er selbst bei grosser Schwäche der Verdauungseingeweide ziemlich gut ertragen wird, — dass seine Wirkungen schneller eintreten, und dass sie mehr auf die Verstärkung der Thätigkeit in den ab-und aussondernden Organen, und auch auf die der Lymphgefässe mehr gerichtet sind, als die der Eisenfeile.
Hieraus ergeben sieb die Anzeigen zur Anwendung des Stahl­schwefels, welche übrigens mit denen, die für die Siseufeile aufge­stellt worden sind, in der Hauptsache übereinstimmen. Der erstere ist jedoch, seinen eben angedeuteten Eigenthümlichkeiten zufolge, bei gastrischen Krankheiten mit grosser Schwäche und mit vieler Säure im Magen, bei veralteten Hautkrankheiten, bei dergleichen Druse, bei Wassersuchten und bei der Fäule zweckmässiger als die Eisenfeile. Pessina gab ihn mit Nutzen bei Faul- und Nerven­fiebern, bei Durchfällen und bei Würmern, — Waldinger auch bei dem Hautwurm. Die Gabe ist für die grossen Thiere 1 bis 2
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Drachmen, für Schafe 1 bis 2 Scrupel, für Hunde 2 bis 12 Gran, täglich 2 mal. Die Anwendung geschieht in Pillen oder Latwer­gen, mit bittern und aromatischen Mitteln, mit Terpentinöl, auch mit Kampher versetzt; Säuren, saure Salze, adstringirende und Bleimittel vertragen sicli mit ihm nicht.
G. Schwefelsaures Eisenoxydul, Eisenvitriol, grüner
Vitriol, Kupferwasser, Ferrum sulphuricum oxydulatum s. cry-
stullisutum, Sulphas oxyduli l'erri, Sulphas ferrosus cum Arjua,
l'ilriolum Martis s. I'. viride.
Dieses Eisensalz besteht ans circa 25 Thcilen Eisen, 29 Thni-len Schwefelsäure und 4ü Thcilen Wasser, ist sehr leicht auflöslich (in % heissen und in 2 Thcilen kalten Wassers, aber nicht in Wein­geist), und seiner Woblfeilheii und Wirksamkeit wegen ist es un­ter den sämmtlichen Eisenpräparaten das gebräuchlichste. Die Phar-makopöe schreibt, zum inedizinischen Gebrauch einen gereinigten Eisenvitriol vor.
Bei Pferden und Rindvieh verursacht der Eisenvitriol in Gaben von 2 Drachmen bis 1 Unze keine sogleich bemerkbaren Verände­rungen; bei fortgesetzter Anwendung des Mittels treten aber die in sect;. 607. bezeichneten Erscheinungen der Wirkung früher und stärker ein, als von allen übrigen Eisenmitteln; besonders erfolgt die Schwarzfärbung der Exkremente und eine Beschränkung der Absonderungen sehr bald. — In grössern Gaben soll das Mittel laxirend wirken; allein Flormann (in Viborg's Samml. Bd. 3. S. 182.) sähe bei einem 2jährigen Füllen nach dem Eingeben von 1 Unze desselben blus schnelleren Puls und schnelleres Athmen, Schauder, Haarsträuben, Abneigung gegen Futter und Getränk, Mattigkeit, schwache Kolikzufälle und 2 maligeu Abgang eines har­ten Mistes innerhalb 12 Stunden erfolgen. Nach 14 Stunden wa­ren diese Wirkungen vorüber und das Thier frass mit Appetit. — Viborg (Veter. Sclskab. Skrifr. Bd. 1. — Teuffel's Magaz. für Thierheilknnde, Heft 1, S. 173.) gab einem 2iljährigen Pferde 4 Unzen Eisenvitriol in Wasser aufgelöst, ohne die geringsten Zu­fälle darnach zu bemerken. Diese Gabe wurde bei demselben Pferde nach 3 Tagen wiederholt, ebenfalls ohne dasa besondere Zufälle dar­nach eintraten. Es würde daher nach 6 Stunden getödtet, und man fand die Zottenhaut des Magens röther und dicker, den Darmkanal erweitert und an seiner ganzen inwendigen Fläche roth. — Von ü Unzen in Wasser gelöst einem Ibjährigon Pferde eingegeben,
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bemerkte man uaoh 10 Minuten sehr kleinen Puls, Erbrechen,*) Ausfluss einer grünen, schleimigen, mit Futter geraengten Feuch­tigkeit aus den Nasenlöchern; das Thier stand mit hängendem Kopfe, schien sehr schwach zu sein, und sähe sich von Zeit zu Zeit nach dem Leibe um. Nach G Stunden urinirte es häufig und entleerte Mist von unveränderter Beschaffenheit; es hustete trocken und heftig; Appetit zu Futter und Getränk war völlig verschwun­den _ Am folgenden Tage bestanden fast ganz dieselben Zufälle;
__ am 3ten, 4ten und öten minderten sie sich; Appetit stellte sich
wieder ein; das Pferd mistete hart und schwarz; — am Gten be­fand es sich in demselben Zustande wie vor dem Versuche. — Bei Hunden entsteht nach zu grossen Gaben (von mehr als ^ Drachme) des Eisenvitriols Erbrechen, und wenn dieses gehindert ist, auch zuweilen eine geringe Entzündung des Magens und Darmkanals. Orfila sähe von 2 Drachmen dieses Mittels bei einem Hunde nach etwa 26 Stunden den Tod erfolgen (Toxikologie, Bd. 1. S. 408.).
Eine Auflösung von 23 Gran Eisenvitriol in 96 Gran Wasser, einem alten matten Pferde in die Drosselvene gespritzt, verursachte nur eine ganz unbedeutende Vermehrung der Pulse (um 2 in je­der Minute). — Eine Auflösung von 72 Gran Eisenvitriol in 268 Gran (gegen 14^ Skrupel) Wasser demselben Pferde in die Dros­selvene injizirt, verursachte nach 15 Minuten sehr kleinen und um 4 Schläge vermehrten Puls. Das Thier wurde etwas träge, behielt aber seinen Appetit und athmete wie vorher: der Urin ging unver­ändert, der Mist klein geballt, hart und mit Schleim überzogen ab. So auch am folgenden Tage, wo sich jedoch Nachmittags das Pferd wie vor dem Versuche zeigte. — Bei einem andern Pferde trat die Wirkung von einer gleichen Injektion auf ähnliche Weise ein, und zugleich Gähnen, öfteres Kopfschütteln, starkes Ziehen mit den Flan­ken Abneigung gegen Futter und Getränk, und Stampfen mit den Füssen. Nach % Stunde wurde das Pferd ruhig; nach | Stunden wurde schwärzlicher, harter, mit Schleim überzogener Mist entleert, und nach 3 Stunden war die Wirkung wieder vorüber.**) — Von
') Es ist wahrscheinilcli, dass dieses Erbrechen nur durch das Ein­dringen der Flüssigkuil in den Kehlkopf eulslanden und nur scheinbar war; ich bemerkte dasselbe bei G solchen Versuchen niemals, und Co­llier (Mem. et Observ. Tom. I p. 427.), der den Eisenvilriol einem Pferde zu 9^ Unze, einem Esel zu 6 Unzen, und einem 3 monallichen Füllen zu 3 Unzen gegeben, bemerkte es ebenfalls nicht; auch sähe Ge­bier kein vermehrles Uiiniren, wohl aber eine hefligo Darmenlzündung enlslehen, an welcher alle 3 Tbiere am folgenden Tage starben.
**) Viborg, Erfahrungen über die innere Wirkung des Eisenvitriols bei unsern Hauslhieren; in Teuffel's Mag. für Thierneilk. Bd. I.S. t70.
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1 ^ Drachme des Mittels in 4 Unzen destillirten Wassers gelöst und injizirt sähe ich hei einem Pferde sogleich schnelleres Athmen, Tau­meln und Niederstürzen erfolgen: aher auch dies Thier erholte sich hinnen 4 Stunden gänzlich wieder.
Bei Hunden trat wenige Minuten nach der Einspritzung von S his 10 Gran Eisenvitriol Erbrechen und Acusserung von hefti­gem Schmerz ein. Nach kurzer Zeit wurden die Thiere aber wie­der gesund.
Aeusserlich, durch Wunden auf das Zellgewebe am Schenkel, in der Gabe von 2 Drachmen applizirt, tödtete der Eisenvitriol bei den Versuchen von Smith und Orfila mehrere Hunde in der Zeit von 15 bis 27 Stunden, nachdem Zufalle von ortlicher und alige­meiner Entzündung im hohen Grade eingetreten waren. — Bei der Sektion fanden sich Blutergiessuugen und schwarze Flecke im Ma­gen und im Darmkanal (Orfila a. a. 0.).
sect;. 612.
Die angeführten Versuche zeigen, dass der Eisenvitriol schnel­ler und heftiger wirkt, als die Eisenfeile und als der Stahlschwefel, und dass er (wohl durch seinen Gehalt an Schwefelsäure) nicht allein in der tonischen, sondern vorzüglich in der reizenden Wir­kung beide Mittel übertrifft. — Seine innerliche Anwendung findet er im Allgemeinen bei den im sect;. 608. bezeichneten krankhaften Zu­ständen, besonders aber dann, wenn dieselben auf einem hohen Grade von torpider Aionie herüben. Er hat sich in solchen Fällen gegen hartnäckigen DnrchJäll, gegen Blutharnen, gegen Harn­ruhr, gegen Eingeweidewürmer, gegen langwierige, heftige Sehleim-Düsse und alle andere übermässige Ausleerungen, gegen Faulfieber, gegen öfters wiederkehrendes Aufblähen, bei allgemeiner Schwäche nach vorausgegangenen Krankheiten, und sowohl als Heilmittel, wie auch als Präservativmittel gegen die Fäule der Schafe sehr nützlich bewiesen.
Aeusserlich kann der Eisenvitriol als zusammenziehendes, aus­trocknendes Mittel gegen Piephackeu, Gallen und Ausdehnungen der Bänder nach Verrenkungen, — eben so gegen stark nässende Hautausschläge, gegen zu starke Eiterung und lockere Granulation in Wunden und Geschwüren, namentlich gegen das Klauenweh der Schafe, Strahlkrebs und dergl., — gegen asthenische Augenentzün­dungen, gegen Schleimflüsse und dergl. angewendet werden, — jedoch auch hier nur dann, wenn Atonie den Grundcharakter dieser krankhaften Zustände bildet. Ehemals wurde es auch als blutstil­lendes Mittel benutzt, für welchen Zweck es aber nur bei parenehy-matösen Blutungen mit Erfolg gebraucht werden kann.
HertwiK ArzneimlUellelire.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;44
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sect;. 613.
Man giebt tlen Eisenvitriol innerlich Pferden und Rindvieh zu 2 Drachmen bis 1 Unze, Schafen und Schweinen zu 5 bis 20 Gran, und Hunden zu 1 bis 6 Gran, täglich 2 bis 3 mal, mit Zusätzen von bittern, aromatischen, flüchtigen und narkotischen Mitteln (be­sonders bei Durchfüllen mit Opium), und in jeder für die vorhan­dene Krankheit passenden Form. — Verbindungen mit gerbstoff-haltigeu Mitteln sind zwar in chemischer Hinsicht noch weniger passend als hei den übrigen Eisenpräparaten, sie sind aber doch recht wirksam, wie dies die Dinte beweiset, die man als ein kräf­tiges tonisches Hausmittel benutzen kann.
Zum äusserlicheu Gebrauche benutzt man den Eisenvitriol mei­stens in Auflösungen, die man nach dem Grade der Schlaffheit in verschiedener Couzentratiou, und nach dem Grade der Reizlosigkeit bald in blossem Wasser, bald in aromatischen Infusionen und mit Zusatz von Spiritus (Wein) und dergl. macht. Zur Anwendung auf die Augen nimmt man 3 bis 8 Gran, für die Schleimhaut G bis 10 Grau, und für die Haut und andere Gebilde 10 bis 30 Grau auf 1 Unze Flüssigkeit. Die Anwendung geschieht als Waschung, Bähung, Einspritzung u. s. w. — Zuweilen wird das Mittel aber auch als Pulver, mit Kamillen, Kalmus, Kohle und dergl. versetzt, zum Einstreuen bei Geschwüren benutzt. — Hofthierarzt Seifert in Wien empfiehlt als Spczificum gegen Strahlfäule der Pferde und gegen das Klauenweh der Schafe ein Gemenge von Ferruni sufphuric. 12 Unzen, Fei rum muriatic, oxydul. 8 Unzen, Cupr. sulphuric. 2\Jn-zen, Alumen uslum 24 Unzen und Camphor, ras. V Unze, — Alles fein pulverisirt und auf das Genatieste zusammeugerieben, in einem gut verschlossenen Glase aufbewahrt (das Mittel ist den sogenann­ten Heilsteinen ähnlich). Zum Gehrauch wird 1 Unze in 1 Pfund Wasser aufgelöst, und mit der Flüssigkeit das Geschwür täglich 2 bis 3 mal befeuchtet oder mit angefeuchtetem Werg verbunden, nachdem vorher alles lose Horn mit dem Messer weggenommen ist. Das Mittel bewirkt ein schnelles Trockenwerden der Geschwüre.
Anmerkung. Das salzsaure Eisenoxydul, Eisenchlo-
Ürr (Fcrrum muriaiieum oxydulufum, IMurias Fcrri •um Aqua, Chlo­re/um Ferri), — der Eisensalmiak, das salzsaure Eisen­oxyd-Ammoniak (^mmolaquo;/laquo;iii muriaiieum Jerrn/um s. martialum), — das eisenoxydhaltige weinsteinsaure Kali, der Eisen­weinstein (Kali tartarhum ferrulum, Tartarus martiatus) und die fast ganz gleichartigen Eisenweinsteinkugeln oder Stahlku­geln (Globuli martiales, s. murliali, s. Gloh. Tarlari ferrati, Ferro-
Jeali tarfaricum) sind sämmtlich in ihren Wirkungen bei den ver­schiedenen Hausthieren noch nicht genügend erkannt. Sie wirken
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schwächer adstritigirend als der Eisenvitriol, im Allgemeinen aber diesem Mittel ähnlich, durch welches sie auch mehrentheils in der thierärztlichen Praxis ersetzt werden. Krause gab die Stahlkngeln bei einem Pferde gegen Würmer mit sehr gutem Erfolg (Magaz. für Thierheilk. von Gurlt und Hertwig. 1839. S. 208.).
E. Kupier, Cuprum, Venus.
sect;. G14. Das Kupfer im metallischen Zustande wirkt auf den Thhrkör-per sehr wenig ein, weil es sich, wegen seiner geringen Verwandt­schaft zum Sauerstoff, nur langsam und unvollständig durch die thierischen Säfte so verändert, dass es auflüslich wird; doch ge­schieht dies zuweilen, wenn die organischen Flüssigkeiten viel freie Säure enthalten. — Die Wirkungen der Kupferpräparate charakte-risiren sich weniger übereinstimmend als die der Blei- und Eisen­mittel, und es lässt sich im Allgemeinen von ihnen nur sagen: a) dass sie adstringiren, aber nicht wie das Eisen zugleich den To­nus und die Artericllität erhöhen; b) dass sie den Verdauungs- und Ernährungsprozess umstimmen, theils durch örtliche Einwirkung, theils durch Uinstimiiuing der Gangliennerven, und c) dass sie in zu grossen Gaben als ätzende und als lähmende Gifte wirken. Morton giebt an (,4 lilanuat of Pharmacy etc. p. 144.), dass die Thiere, welche das in der Nachbarschaft von Kupfer-Schmelzhütten wachsende Gras fressen, mancherlei üblen Zufällen unterworfen sind, wie namentlich: dem grauen Staar, Anschwellungen der Gelenke, Verlust des Appetits, Eingenommenheit des Kopfes, Abmagerung u. s. w. Man schreibt diese Zufalle den Wirkungen des Kupfer­rauchs (welcher zuweilen arsenikhaltig ist) zu.
7. Schwefelsaures Kupferoxyd, blauer, cyprischer oder
Kupfervitriol, Cuprum oxydalum sulphuricum, yUriolttm coeru-
leum, Vi(r, cyprhim, f. de Cypro, V. veneris, Sulphas ctiprirus
cum Arjua punts.
sect;. 615.
Der blaue Vitriol besteht aus 32 Theileu Kupfer, eben so viel Schwefelsäure und 36 Theilen Wasser, löst sich in 2 Theilen heis-sen und in 4 Theilen kalten Wassers, aber nicht in Weingeist auf. Mit Eiweis bildet er, wenn dasselbe überflüssig vorhanden ist, eine auf lösliche Verbindung, ist aber nur eine geringe Menge Eiweis vorhanden, so bildet er eine im Wasser unlösliche Verbindung, welche jedoch durch Essig- oder Salzsäure, so wie auch durch
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etwas Aetzammouiak, Kali und Natron wieder löslich werden kann. Mit dem Speichelstoff, dem Käsestoff (der Milch), dem Osmazom, dem Verdamingsstoff, dem Schleim, geht er theils lösliche Verbin­dungen aliein, theils zugleich milüsliche Verbindungen ein; mit dem reinen Faserstoff verbindet er sich aber gar nicht (Mitscherlich, in Miiller's Archiv, 1837. S. 91. n. f.).
Seine Wirkungen sind, sehr wahrscheinlich durch die im Vor­stehenden bezeichneten chemischen Eigenschaften bedingt, nach dem Orte der Anwendung, wie auch nach der Gabe und nach der Con-zentration, in welcher er angewendet wird, etwas verschieden. In Pulver oder als recht conzentrirto Auflösung auf offene Wunden und Geschwüre, oder auf irgend einen Theil der Schleimhaut ge­bracht verursacht er starke Reizung, Actzung und aktive Entzün­dung, unter und neben der geätzten Stelle aber Zusammenschrum-pfung und Verdichtung der Weicbgebilde; ein Theil von ihm wird dabei absorbirt, gelangt in die Säfte nud verursacht, wenn die Ap­plikationsstelle gross und die Anwendung sehr reichlich oder an­haltend war, zuweilen Entzündung des Magens und Darmkanals, Ekel, Erbrechen, Fieber und Störungen in den Ab- und Aussonde­rungen (nach Moiroud*) besonders in der llarnabsonderung).— Seine ätzende Wirkung ist grosser als die des Grünspans, aber schwächer als die des Höllensteins, dor Spiessglanzbutter, des Aefz-kalis u. s. w.; auch ist sie mehrentheils nur oberflächlich. — Bei der Anwendung auf die unverletzte Haut zeigt der blaue Vitriol jene Wirkungen nur in einem geringen Grade; — und in Auflö­sungen mit der 30 bis SOfachen Menge Wassers wirkt er überall nur stark zusammenziehend, gelind reizend, vorzüglich aber die Sekretionen beschränkend, daher in Wunden und Geschwüren aus­trocknend; hier vorhandene thierische Säfte bringt er zum Gerin-neu, und er bildet mit ihnen eine massig feste, blaue Kruste.
Innerlich in massigen Gaben und in verdünnter Auflösung an­gewendet wirkt er bei allen Thicren zunächst örtlich auf die innere Oberfläche des Magens und des Darmkanals, indem er sich mit dem daselbst vorhandenen Schleim, so wie mit dem übrigen Inhalt dieser Theile chemisch verbindet und so mit der Schleimhaut selbst in Berührung tritt; er reizt und zieht die Gewebe stärker zusam­men, beschleuniget die peristaltische Bewegung, vermindert aber die Absonderung im Dannkanal etwas. Wahrscheinlich wird auch die Thätigkeit der übrigen Verdauungs- und Assimilationsorgane, und namentlich der Lymphgefässe umgestimmt und vermehrt. Fast allgemein behauptet man auch, dass das Mittel (und eben so jedes
') liccueil de m^d. vul^rin. 1829. Oclbr.
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andere Kupl'erpräparat) eine spezifische Wirkung auf das Nerven­system äussere; allein bei Pferden und Wiederkäuern konnte ich nach verschiedenen Gaben und bei fortgesetzter Anwendung hier­von nichts entdecken, und bei Schweinen, Hunden und Katzen giebt sich diese Wirkung nur durch sehr leicht entstehendes heftiges Er­brechen zu erkennen. — Zu grosse Gaben (bei Pferden und Rin­dern mehr als 14 Unze, bei Schafen und Schweinen mehr als 1 Drachme, bei Hunden mehr als % Drachme) verursachen ausser dem Erbrechen Verminderung des Appetits, gestörte Verdauung, zuweilen auch Diarrhöe, Entzündung im Magen und Darn.kanal, und mehrentheils den Tod. Tritt bei Schweinen und Hunden das Erbrechen recht bald ein, so erholen sich die Thiere zuweilen nach so grossen Gaben uocl^gt; erfolgt es aber spät oder ist es gänzlich gehindert, so können auch S bis 12 Gran schon todflich sein. — Auch bei innerlicher Anwendung des Mittels wird ein bald grös-serer bald kleinerer Theil desselben reso.rbirt, je nach den mit den organischen Substanzen entstehenden Verbindungen, und es wer­den hierdurch die bemerkten allgemeinen Wirkungen hauptsächlich bedingt.
Am heftigsten wirkt der Kupfervitriol, wenn er in die Venen injizirt wird; 20 Grau in 2 Drachmen gelöst tödteten hier ein Pferd, und 5- bis 2 Gran jeden Hund unter heftigen Krämpfen binnen we­nigen Minuten. Es werden hierbei die Blutkörperchen in ihrer Grosse, Form und Beschaffenheit verändert.
sect;. (ilG.
Die innerliche Anwendung des Kupfervitriols gegen Krankhei ten ist auf typhöse Darmentzündung, hartnäckige Diarrhöe, auf das Blutharnen bei Pferden und Kindvieh, auf bösartige Druse und auf den Rotz und Wurm bei Pferden beschränkt. Es ist jedoch nur bei demjenigen Blutharnen passend, welches in sehr weit gediehe­ner torpider Atonic begründet ist, und wenn das Eisen dabei zu geringe Wirksamkeit zeigt. In mehreren solchen Fällen war sein Nutzen auffallend sichtbar. Bei derjenigen chronischen Druse, wel­che wesentlich mit einer Erschlaffung der Respirations-Schleimhaut, mit andauernder, sehr reichlicher Schleimabsonderung und mit Auf­lockerung der Lymphdrusen im Kehlgange verbunden ist, leistete mir dies Mittel oft die vortrefflichsten Dienste. Gegen den Rotz hat Sewel in neuerer Zeit den Kupfervitriol als das wirksainslc Mittel sehr gerühmt, nachdem derselbe von pudern englischen Thier-ärzten jedoch schon früher versucht worden war (J. White, Hand­buch der Pferdearzneik. Bd. 2. S. 474.); Versmann (über die Rotz- und Wurmkrankheit des Pferdes, Hannover 1S43.), Kreis-Thierarzt Stephan, Weynen u. A. haben von dem Mittel, jedoch
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neben dem Gebrauch anderer, incbrlaltig guten Erfolg gesehen; ich habe bei einer grossen Zahl mit diesem Mittel behandelter rotziger Pferde jedoch nur sehr wenige retten können. — Für Schweine, Hunde und Katzen kann es als ein sehr wirksames Brechmittel be­nutzt werden, in allen Fallen wo ein solches Mittel überhaupt an­gezeigt ist.
Die Gabe täglich 1 bis 2 mal ist für Pferde 1 Drachme bis i- Unze, für Kühe |- bis 2 Drachmen, für Schafe und Ziegen ^ Scru-pel bis -1 Drachme, für Schweine als Brechmittel 10 bis 20 Gran, in andern Fallen 2 bis 5 Gran; für Hunde als Brechmittel 2 bis 10 Gran, sonst i bia 2 Gran. — Die Anwendung geschieht als Brechmittel in einer Auflösung mit. der 30 fachen Menge Wassers, übrigens aber in Pillen und Latwergen, oder am besten in einer schleimigen Flüssigkeit, z. B. in •£ Quart Leiusamcuabkochuug, und je nach dem Krankheitszustande mit bittern, aromatischen u. a. Mitteln verbunden. Versmanu gab den Vitriol mit Aloe (Rp. Cupr. sulphuric. 6 Drachmen, Alnes socotrin. 2 Drachmen, Sapon. v'trtd. q. s. ad pilul.), Step hau gab ihn mit Kalomel {Cupr. tul-phuric. I) Drachmen, Hydrarg.'mur. mit. 1 Drachme, Pulv. rad. Al-iltaeae 3 Unzen, Ar/, c g. s. ad electuar. In 1 Tage auf 2—3 Ga­ben zu verbrauchen). In frischen Fällen von Rotz und Wurm soll ein 14tägiger Gebrauch oft genügen. Man thut stets gut, mit klei­nen Gaben anzufangen, nach einigen Tagen einmal auszusetzen und bei den kleineren Thieren den innerlichen Gebrauch des Mit­tels möglichst zu beschränken, ausgenommen als Brechmittel.
sect;• 617.
Aeusserlicb benutzt man den Kupfervitriol:
a) in conzentrirtem Zustande, als ätzendes, reinigendes und austrocknendes Mittel bei Warzen und Feigwarzen, bei Wunden und Geschwüren, in denen üppige und schlaffe Granulation und zu reichliche Jaucheabsonderung stattfindet, besonders bei derglei eben Genickflstein, Widerrisfschäden, Knorpelfistelii, Strahlfäule und Strahlkrebs, und bei dem bösartigen Klauenweh der Schafe. Ge­gen letztere Krankheit ist er in England schon sehr lange bekannt *) und gegen das Klauenweh der Merinos rühmen ihn Thaer,**) Giesker**') u. A. als das vorzüglichste Mittel; aber Pictet-j-)
') W. Ellis von der engt. Schofzuclit; — in Schrebor's Samml. verschiedener Scliriften, welche in die ükonom. poliz. und cameral. Wis­senschaften einschlagen, liier Theil. S. 275 u. f.
*') Mögt in. Annalen. Bd. 8. S. 262.
***) Heber die bösarl. Klauenseuche der Schafe, ßraunschw. 1822.
) Annal. de l'agricult, franf. Tom. 28. p. 200.
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ii. A. haben ihn hierbei ohne Erfolg gebraucht. Bei der grossen Verbreitung dieses Uebels habe ich häutig Gelegenheit gehabt, den blauen Vitriol dabei zu versuchen. Er trocknete jederzeit die Klauen-geschwüre sehr schnell aus, machte eine trockene harte Kruste auf ihnen, beförderte die Wiederbildung der hornigen Theil.!, und oft auch die gründliche Heilung in kurzer Zeit. Bei einzelnen Thieren war aber durch jene schnell entstandene Kruste das Geschwür nur oberflächlich und scheinbar geheilt, und es brach bald früher, bald später v/ieder auf, besonders wenn man die Entfernung der Kruste und das Abschneiden alles hohlen Horns nicht recht fleissig bewirkt hatte. Diese manuelle Behandlung, und vorzüglich die gründliche Anwendung des Messers, ist bei dem Gebrauche des blauen Vi­triols wesentlich nöthig.
Die Anwendung des Mittels geschieht bei den bezeichneten Zu­ständen mehrentheils als Pulver, welches man für sich allein, oder nach Erfordern des Zustamles mit andern passenden Mitteln ein­streuet; bei dem Klauenweh ist aber die Anwendung in einer con-zeutrirlen Auflösung (1 Theil Vitriol in 4 bis G Theileu Wasser oder Essig) vorzüglicher, weil sie besser in alle Vertiefungen der Klauengeschwürc, besonders in den Klauenspalt eindringt. — Manche haben eine Abkochung von blauem Vitriol, Eisenvitriol und Alaun ä 3 Theile, Grünspan 2 Theile und Essig 9 Theile als das wirk­samste Mittel zum Verbinden der Klanengeschwüre gefunden, — und Stoerig empfiehlt für diesen Zweck eine Salbe aus Thccr 2 Theile, Terpentinöl und Salzsäure von jedem 1 Theil und fein pul-verisirtem blauem Vitriol 4 Thrilen zusammengesetzt.*) Die An­wendung dieser Salbe findet jeden 2ten, 3ten Tag einmal mit einem Pinsel statt.
b) Bei verhärteten, speckartigen Stollbeulen wird der Kupfer­vitriol ebenfalls im conzentrirten Znstande benutzt, indem man ent­weder ein Stückchen (etwa 1—2 Scrnpel), oder eben so viel Pulver von ihm in einen, bis in die Mitte der Geschwulst gemachten Ein­stich bringt. Die hierauf erfolgende Wirkung besteht in allmähli-ger Absterbung der krankhaften Masse, sehr ähnlich wie bei der­selben Anwendungsart des Arseniks (S. 667.). Daher sind auch die bei dem letztern in dieser Beziehung gemachten Angaben fast ganz hier gültig; doch habe ich bei flachen, callösen Geschwüren am Ellbogen, die von den Stöllbeulen zurückgeblieben sind, durch
*) Für 300 bis .'iöO Schafe sollen 6 Pfund Tlieer, 3 Pfuml Terpen-linöl und eben so viel Salzsäure und 12 Pfund Kupforvilriol für einmal hinreichend sein.
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den Vitriol niemals eine so baldige und gründliche Absterbuug der verhärteten Theile erfolgen sehen, wie durch den Arsenik.
c)nbsp; Er dient als das gewöhnlichste Aetzmittel, welches auf die Kastrirkluppen gebracht wird, um das Absterben des Satneustran-ges an der Applikationsstelle schneller als durch die blossen Klup­pen zu bewirken. Diese Wirkung erfolgt jedoch nur sehr wenig, da der Vitriol durch die übrigen, ihm zugesetzten Mittel chemisch verändert und grösstenthells unlöslich gemacht wird. — Die Art der Anwendung auf die Kluppen ist verschieden; gewübnlich wird er (i Theil) zu einem Teige aus Mehl oder Stärkemehl (2 Theile) und Wasser gemengt; oder mit gleichen Theilen Eiweis und etwas Mehl, oder mit gleichen Theilen Wasser und pulverisirtem arabi­schem Gummi zusammengerührt, von manchen Kastrirern auch in einem Teige aus Cupr. sulphuric, part, 11'., Cerussae, Bolt rubr., Farin. secal. ana purl. I., und Aquae c. q. $. auf die Kluppen oder
in deren Rinne gestrichen.
d)nbsp; Bei parenehymatosen Blutungen ist er eins der wirksamsten Mittel und wird theils in schwachen Auflösungen (3—6 Gran auf 1 Unze Wasser), theils in Pulverform, mit klebenden und absorbi-renden Substanzen verbunden (z. B. 1 Theil Kupfervitriol, 2 Theile Kohle, eben so viel Kolophonium und arab. Gummi) angewendet. Er schadet aber bei einfachen Wunden, weil er zu sehr reizt und die plastischen Sekretionen durch einige Zeit zurückhält.
e)nbsp; nbsp;Gegen Räude, namentlich der Pferde und Schafe, wird er in Abkochungen von Tabak, von Nieswurz und dergl. (1 Unze zu 3 Pfund Flüssigkeit) als Waschmittel, zuweilen auch in Salben mit Fett, Oel oder Seife (1 Theil zu S Theilen) benutzt.
f)nbsp; In verdünnter Auflösung wirkt er als austrocknendes und heilendes Mittel bei solchen Wunden und Geschwüren, die der Ver­narbung nahe sind, aber noch viel eitern, eine schlechte, d. i. schlaffe, schwammige, faulartig riechende Granulation zeigen und leicht blu­ten, besonders aber wenn fibröse Theile mitleiden, z. B. bei Ver­wundungen des Nackenbandes, der Sehnen u. s. w.; — eben so hei veralteter Mauke. Man nimmt hier etwa 3 bis 10 Gran auf 1 Unze Wasser.
g)nbsp; In ganz schwacher Auflösung (^ bis 2 Grau auf 1 Unze destillirtes Wasser, Flieder- oder Chamillen-Infusum und dergl.) ist der blaue Vitriol ein vortreffliches Mittel bei Augeneutzündun-gen, die mit reichlichem Ausfluss von dickem, eiterartigem Schleim und mit Auflockerung der Bindehaut und der Hornhaut verbunden sind. Bei grosser Atonic kann man einem solchen Augenwasser noeh etwas Weingeist oder Opiumtinktur zusetzen. Eben so be­nutzt mau es auch gegen chronische Schleimabsonderuug.
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Anmerkung. Der blaue Vifriul ist auch ein weseutiicher Be-statidtbeil Ibigeuder Medikameute: J) des Kupf'ersalmiaks oder schwefelsauren Animoniakkiipf'ers {Ammnniam evprlco-sul-phuricum, Sulphas cupricus ammoniacalis, Cuprum ammoniacale laquo;. Cu­prum siilpliuriro-amnwniiiium), wird bereitet, indeiii Kupfervitriol in Aetzannnoniakfliissigkeit aufgelöst wird u. s. w., ist nach Berze-lius ein Prittelschwefelsaures-Doppelsalz aus Kupferoxyd uud Am­moniak, in l^f Theil Wasser löslich, in Weingeist unlöslich und wird durch mehr Wasser zersetzt. In der Meuschenheilkuust gilt er für eins der kräftigsten Mittel wider chronische Krämpfe und Epilepsie, in der Thierheilkuust ist er bis jetzt nicht benutzt wor­den.— 2) Des sogenannten Heilsteins oder Geschwulststeins {Lapis meJiramentosus s. viilnerarius), zu dessen Bereitung es ver­schiedene Vorschriften giebt, die aber einander sehr Uhnlich sind; z. B. nach Korsting (Nachgelassene Manuskripte über die Pferde-arzneiwisseuschaft, S. 312.), am einfachsten aus blauem Vitriol und Alaun von jedem | Pfund, Salmiak 3 Unzen, — welche Ingredien­zien in einem glasirten Topfe über Feuer zusammengeschmolzen und dann mit ^ Unze pulverisirtem Kampher versetzt werden; — oder, mehr complizirt, z. B. nach der sächsischen Pharmakopoe aus rohem Alaun und Grünspan von jedem 1 Theil, Eisenvitriol 3 Theile, Kupfervitriol ü Theile gt;iu(i Salmiak -!; Theil; — oder nach He ss el bach aus Alaun 16 Theile, Eisenvitriol S Theile, Kupfer­vitriol 4 Theile, Grünspan 1 Theil, Salmiak i Theil; — oder nach Krumm (Ratzeburg, Zoopharmakologie, Bd. 1. S. 209.) aus blauem Vitriol, weissein Vitriol, gemeinem Alaun, Gallmeisteiu, ro-them Bolus, Blei weis, von jedem 1 Pfund, Essig G Pfund durch Zusammenkochen und Abdunsten bis zur Trockenheit, bereitet.quot;) — Die Wirkung dieser ehemals berühmten Präparate ist sehr ähnlich der des Kupfervitriols, aber etwas mehr reizend und umstimmend, und ihre Anwendung findet bei asthenischen Entzündungen, bei Quetschungen, bei Widerristschäden, bei Mauke- und andern Ge­schwüren, wenn Erschlaöüng, Ausdehnung, üppige, weiche Granu­lation, zu reichliche Sekretion, aber wenig Schmerz zugegen war, fast allgemein statt; sie ist aber unzweckmässig, wenn aktive Enl-zündung, oder wenn Ergiessuug von Blut uud andern gerinnba­ren Flüssigkeiten besteht. Jetzt benutzt man diese Mittel sehr we­nig, vielleicht zu wenig. Die Applikation geschieht zuweilen als Pulver (hei offenen Geschwüren), mehrentheils aber als Auflösung
*) Villalo hat uniüDgst eine ülinllclie ZusatnmenselzuDg aus blauem Vlliiol, Zinkvilriol und llleiessi;; gegeu eariüse u. a. Widerrislscliaden sehr empfolilen (ttecueil velor. 1829. Janvier.).
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(1 Theil auf 15 bis 40 Theile Wasser oder aromatisches Infiisum). Gegen asthenische, torpide, katarrhalische Augenentzuudiingen sind diese Präparate sehr wirksam und werden 1 his 2 Gran zu 1 Unze Wasser oder eben so viel aromatischem Infnsmn angewendet. — 3) Des Blauwassers {A/jua coerulea), das aus blauem Vitriol 3 Unzen und 6 Drachmen, Salmiak 1 Unze und 7 Drachmen, und Grünspan 2^ Drachme, durch Auflösen in T raquo; Pfd. (p. m.) Kalkwäs-sers, oder nach der preuss. Pharmakopüe aus Kalkwasscr 6 Unzen, destillirtem Wasser 4 Pfund, Salmiak 2 Drachmen, und Kupferfeil­späne 1 Drachme, durch 12sti'mdiges Stehen zusammen, bereitet wird. Ein sehr wirksames und wohlfeiles Mittel, dessen Eigen­schaften schärfer reizend sind als die des Heilsteins, und dessen Anwendung mit der des letztem ziemlich übereinstimmt, aber bei unreiner Granulation und grosser Reizlosigkeit den Vorzug verdient.
8. Essigsaures Kupferoxyd, Grünspan, Cuprum orydäfürit acetalum, dentgo, Aes viride, I'iriJe acris.
sect;. (ilS. Das essigsaure Kupfer kommt theils als basisches Salz, als gewöhnlicher Grünspan, theils als neutrales Salz, krystal-lisirter oder destillirter Grünspan (Aerugo cryslitllisafa s. deslillata, Acetas cupricits rum Arjua) vor. Die Bestandtheile von beiden werden von den Chemikern verschieden angegeben; mehren-theils besteht das erstere Präparat aus 43 pr. 0. Kupferoxyd, 29 J pr. G. Essigsäure und 27laquo; pr. C. Wasser, das andere aber aus 39 pr. C. Kupferoxyd, 51^ pr. C. Essigsäure, und DJ- pr. C. Was­ser. Der gemeine Grünspan ist im Wasser nur zum Theil auf­löslich, und es entstehen dabei verschiedene Verbindungsstufen zwischen Kupferoxyd und Essigsäure; durch Hinzutritt einer Säure löst er sich aber leicht auf, daher auch im Magen durch den Ma­gensaft; Gallerte und Fleischbrühe bilden im Wasser auflosliche, Eiweis und Schleim bilden im Wasser (heilweis lösliche, in Essig-nnd Salzsäure ganz lösliche Verbindungen. — Der destillirte Grün­span löst sich in 14 Theilen kalten, in 5 Thcilen kochenden Was­sers und in 14 Theilen kochenden Weingeistes vollständig auf, und mit den thierischen Säften geht er Verbindungen ein, die mehren-theils löslich in denselben sind. — Die Wirkungen beider Substan­zen sind einander fast ganz gleich, aber vom destillirten Grünspan etwas stärker als von dem gewöhnlichen; die Art der Wirkung ist ähnlich der des blauen Vitriols; der Grünspan wirkt jedoch mehr zusammenziehend und weniger scharf als der Vitriol. — Ein Pferd zeigte von 1 Unze des gewöhnlichen Grünspans in den ersten 2
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Stunden keine Wirkung, dann aber Unruhe, Angst, Schlagen mit den Füssen, vermehrten Puls (7 in jeder Minute mehr), stärkeres Flankenziehen und andere Symptome von Kolik. — Als dieselben ganz vorüber waren, gab man dem Thicro 2 Unzen von dieser Substanz; es traten darauf nach ^ Stunde die vorigen Zufalle wie­der ein; die Pulse waren klein und schwach, erreichten in den er­sten 2 Stunden die Zahl von 75, minderten tich dann aber auf 45, und nach 8 Stunden bis auf 30 pr. Minute. Das Thier frass in gewohnter Art und schien nicht sterben zu wollen; aber am 6 ten Tage traten plötzlich grosse Schwache und Convulsionen ein, de­nen der Tod bald folgte.') — Hunde und Katzen bekamen nach dem Eingeben von 12 bis 15 Gran des Mittels heiliges, oft wieder­holtes Erbrechen mit Ausleerung bläulicher oder blutiger Stofferaquo; Störung der Respiration, ünempfmdlichkeit, Convulsionen und Starr­krampf, und starben in Zeit von 1^ Stunde, bisweilen aber, selbst wenn grössere Gaben gereicht worden, erst nach einigen 20 Stun­den.**) Bei der Sektion findet sich Magen- und Darmentzündung in sehr verschiedenem Grade, und zuweilen fehlt sie im Dünndarm gänzlich. — In die Venen injizirt bewirkte der Grünspan schon in sehr kleinen Gaben (z. B. bei Pferden zu 15 Gran, bei Hunden zu
2nbsp; Gran in i Unze Wasser gelöst) binnen wenigen Minuten heftige Krämpfe, Erbrechen (bei Hunden), Störung der Respiration und zuweilen nach 20 bis 30 Minuten den Tod. — Selbst von der In­jektion i Gran traten bei einem Hunde diese Zufalle und am 5ten Tage Lähmung und der Tod ein. — Es ist daher merkwürdig, dass das essigsaure Kupfer bei der Anwendung auf Wunden, selbst in ziemlich starken Gaben (2 Drachmen bei Hunden), blos örtliche Entzündung, aber keine allgemeinen Zufälle verursacht.*'quot;)
sect;. 619. Innerlich ist der Grünspan von englischen Thierärzten bei Pfer­den gegen den Rotz und Wurm, täglich zu ^ Unze und durch län­gere Zeit fortgesetzt, gegeben worden-, jedoch ohne günstigen Er­folg,!) — quot;quot;d Viborgf-]-) empfiehlt ihn (neben dem Spiessglanz und Bleizncker) als das wirksamste Mittel gegen die Finnen der Schweine, an jedem 3ten Tage zu 1 Drachme, und so durch 2 bis
3nbsp; Wochen zu geben, dabei aber in den Zwischentagen Senf und Kochsalz auf das Futter zu streuen; ich rathe jedoch, mit nur 10
*) Dupny, Journ. praliq. de 516(1. velör. 1830. p. 369.
quot;) Oifila, Toxikologie, deutsch von Seemann, Bd. 4. S. 3Ö8.
***) Orfila, Toxicologie generale. Tom. I. p. blö.
t) J. While, Handb. der Pferdearzneik. Bd. 2. S. 250.
tt) Anleitung zur Erziehung u, Benutzung des Schweins. S. 103.
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his 20 Gran anzufangen, die Wirkung zu beobachten, und allmäh-lig die Gabe zu verstärken. Die Anwendung geschieht bei den Pferden in Auflösuugeu und mit schleimigen Mitteln versetzt, — hei den Schweinen ebenfalls in Auflösungen, welche man unter das Futter mengt.
Bei den übrigen Thieren ist die innerliche Anwendung des Grünspans, der damit verbundenen Gefahr wregen, nicht gebräuchlich.
Aeusserlich wird der Grünspan bei schlafTen, unreinen, mit üp­piger Granulation und mit zu reichlicher Jaucheabsouderuug ver­sehenen Wunden und Geschwüren aller Art benutzt, da er hierbei, der Erfahrung zufolge, die bildende Thätigkeit verbessert, die Gra­nulation consolidirt und die Sekretionen vermindert. Die Anwen­dung geschieht entweder: a) als Pulver, rein oder mit andern aus­trocknenden, erregenden und dergl. Mitteln gemengt. Für sich allein wirkt er in dieser Form selbst gelind ätzend und erzeugt sehr leicht harte Krusten, die täglich entfernt werden müssen. — b) lu Salben, und zwar am gewöhnlichsten in der Form des sogenann-ren Grünspan - Sauerhonigs oder der ägyptischen Salbe {Linimenttim Aeruginh, Oxymel s. Unguentitin Aentginis, Ungnentum aegypiiacum), welches nach verschieden u Vorschriften bereitet wird, z. B. nach der preussischen Pharmakopoe, indem man pulverisirten Grünspan 1 Theil mit 8 Theilen Essig bis auf 's einkocht, dann 8 Theile Honig zusetzt und hierauf das Ganze bis zur Honigsdicke abdunstet. Diese Salbe besitzt die oben bezeichnete Wirkung in einem milden Grade, ätzt nicht, erschlafft aber auch nicht so sehr, wie es die meisten fetten Salben thun; sie muss aber bei der Auf­bewahrung in grossen Gefässen öfters umgerührt werden, weil sich der Grünspan leicht ausscheidet und auf den Boden setzt. Bei dem bösartigen Klauenweh der Merinos fand Hiibner ihre Wirkung zu oberflächlich; er empfiehlt dagegen ein Liniment aus: Grünspan ^ Unze und Leinöl 'l Unzen durch vollkommenes Zusaminenreiben in einem Mörser bereitet, als das wirksamste Mittel.*) Dasselbe soll mit einem Pinsel täglich mehrere male1) ('.) auf die Ge-
*) Sielie Buscli, loulscbe ZeilschrUl für Tbierlieilkuude, !r. Bd. 2s. St. S. 1 li.
**) Man bedenke: liiglicli mehrcro uiale! Heissl das 2, 3 mal, 10 mal oder noeli öfter? — 1st eine su uft wiederbollo Anwcnüunsc eines adslrlngirend-reizendeu Millels auf eine Gescbwiirsfliiclits durch 2, 3 und niebrero Tage, veruüufllgeu Ihierärzlllclieu Ansiclilon Ubei' den Huilungspiozess eulsprecbeild? — Ist sie bei grossen Ueeiden ytit aus-Iüliibai'7 #9632;— Wie stellen sieb dabei die Koslen der Kur im Vergieicli zu der mit andern Milteln, deren Anwendung weil scllener nütliig und ebon so wirksam ist? u. s. w.
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schwüre gestrichen werden; in 2 bis 15 Tagen zeigt sich Austrock­nung und beginnende Heilung, und die Thiere können dabei ohne Verband gehen. Eine andere sehr ähnliche Salbe aus Grünspan 1 Theil, Schweineschmalz 4 Theilc und Honig, so viel als nöthig ist, um dem Ganzen die Beschaffenheit einer dünnen Salbe zu ge­ben, hat Rodier gegen Mauke, nach Beseitigung der vielleicht vor­handenen grossen Empfindlichkeit, empfohlen. — c) In Auflosun­gen. Diese werden in Wasser, Essig, Franzwein oder Kalkwasser, und nach dem Grade der Erschlaffung u. s. w. in verschiedener Gonzentr^tion gemacht, z. B. bei massiger Atonic der Geschwüre aus 2 bis 4 Gran, — bei grosser Atonie ans 6 bis 10 Gran Grün­span in 1 Unze von jenen Flüssigkeiten. Die schwächern Aiiflö-sungen sind selbst bei torpiden, oder mit starker Schleimsekretion und mit Auflockerung der Bindehaut verbundenen Augenentzün-dungen mit Nutzen angewendet worden. — Eine mehr zusammen­gesetzte Auflösung ist auch das bekannte grüne Wasser (Agun vtridls), welches aus Grünspan und Alaun, von jedem 2 Drachmen, Honig % Unze, und Franzwein 12 Unzen, durch blosses Zusamraen-schütteln bereitet wird, und in seinen Wirkungen etwas mehr zu­sammenziehend, aber weniger stark reizend ist, als eine einfache Auflösung des Grünspans von gleicher Conzentration.
Anmerkung 1. Als oflizinclles Präparat ist noch der Kupfer­alaun, göttliche Stein, Augenstein (Ciiprumaluminalum,Lti-pis dieinus s. Lap. ophthalminis) zu nennen. Er wird durch Zu­sammenschmelzen gleicher Theile Grünspan, Salpeter und Alaun, denen man beim Erkalten auf eine Masse von (i Unzen 1 Drachme Kamphers zusetzt, bereitet. Er löst sich in Wasser vollkommen auf. Im conzentrirten Zustande wirkt er auf offene Wunden und Geschwüre gelind ätzend, dabei etwas mehr reizend als der blaue Vitriol, und zugleich etwas adstringirend; in Auflösungen zeigt er nur letztere Wirkungen. Man benutzt ihn hauptsächlich gegen asthenische, torpide Augenentzündungen mit Auflockerung der Binde­haut und mit zu reichlicher Schleimsekretion, ^—2 Gran in 1 Unze Wasser oder aromatischem Infusum, und zuweilen mit etwas Wein­geist oder Opiumtinktur versetzt.
Anmerkung 2. Das Jodkupfer {Cuprum Diniodidiim), ist in neuerer Zeit von englischen Thierärzten, namentlich von Mor­ton (On the Diniodide of Copper etc. Loud. 1S39.) als ein sehr kräftiges, tonisches, umstimmendes und die. Absorption anregendes Mittel, besonders gegen Wurm, gegen chronische Oedeme der Schen­kel und gegen solche Krankheiten, die eine Neigung zum Ueber-gehen in Rotz zeigen, gerühmt worden. Man giebt es den Pfer­den in Gaben von lt;—2 Drachmen täslich, in Verbindung mit Gen-
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tian, aromatischen Mitteln, kleinen Gaben von Eantbariden und dergl. Grossere Gaben als die bezeichneten verursachen schlechten Appetit und Hartleibigkeit. Nachdem das Mittel einige Tage ge­braucht worden, setzt man es wieder einmal aus.
F. Quecksilber, Hydrargyrum s. Mercurius.
sect;. 620. Das metallische Quecksilber, welches vom Wasser, vom Wein­geist und von fast allen Säuren (ausgenommen die Salpetersäure) bei gewöhnlicher Temperatur keine chemische Umwandlung erlei­det, und das auch mechanisch die Epidermis nicht durchdringt, wirkt auf den Thierkürper nur mechanisch durch seine Schwere. Durch diese Einwirkung wollte man in früherer Zeit hartnäckige Verstopfungen des Darmkanals heben; heut zu Tage sieht jeder Thierarzt wohl das Unzweckinässigc einer sulchen Anwendung des Mittels ein, und dasselbe wird daher jetzt nicht mehr benutzt. Wenn Quecksilber verdampft, so kann es tbeils durch Einwirkung der Dämpfe auf die Haut, noch mehr aber auf die Schleimhäute, in den Körper übergehen und seine spezifischen Wirkungen erzeugen. Eben so wird es in den Körper aufgenommen,*) wenn es in Ver­bindung mit Sauerstoff als Oxydul oder als Oxyd, oder in Verbin­dung mit Säuren, mit Chlor oder mit Jod, mit Blaustoff oder mit
*) Thierarzt ODgeffobn hat in der Iculscheri Zeilschr. VII. S. li u, f. zu beweisen gesucljl, dass eins Quecksilber an( keine Art und Weise ins Blul, oder überhaupt in die Siiflemnsse des Körpers aurgenommen wird, und hat hierzu einige Versuche erziihll, welcJie der scharfsinnige und verehrte Direktor Hausmann in Hannover unlernommeu hat. Diese bestanden darin: 1) eine goldene Kugel wurde einem Pferde in die Dros­selvene gelesl, dem Tliiere viel Ouecksilber gegeber, — der Knopf blieb unverändert. 2) Ein solcher Knopf wurde an einem Faden hängend in die Vene gebracht, dem Tliier Merkur gegeben, — der Knopf zeigte hier-laquo;ach keine Veränderung. 3) Lymphe aus dem Milclibruslgauge eines Pferdes zeigle nach Eingeben von Quecksilber bei dar Behandlung mit Keagenlien keine Spur davon. 4) Zwei Knöpfe von (iold und einer von anderem Metall wurden einem mit Quecksilber behandelten Pferde in den Milchbrusigang gebrachl. Erstere blieben linveränderl, letzlerer wurde von der Lymphe weiss. b) Einem mit Merkur behandeilen Pferde wurde ein goldener Knopf eingegeben. Er kam weiss gefärbt vom Quecksilber aus dem Darmkanal hervor.
Gegen diese Versuche treten diejenigen, welche früher Schubarth (Horn, Archiv, 1824.) und in neuerer Zeit Oesterlein (im Arch, von Roser und Wunderlich, II. Heft 4. u. Haeser's Repert. 1844. Febr. S. 94.) Biilgelheilt haben, und aus welchen der Uebeigang des Mittels ganz sicher nachgewiesen ist, — abgesehen von vielen praktischen Er­fahrungen hierüber.
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Schwefel als Salz u. s. w. auf denselben einwirkt. Es entstehen hierbei zunächst, wie bei den übrigen Metallen, an den betreffenden Stelleu mit den thierischeu Säften und mit der organischen Sub­stanz überhaupt chemische Verbindungen, und hierdurch Verände­rungen des augewendeten Quecksilberpräpamtes; dieselben sind aber bisher sehr wenig untersucht worden. Die hierdurch bedingte ört­liche Wirkung ist von den Oxydulen, so wie von den im Wasser unlöslicaeu Salzen und von den Präparaten, welche durch Verbin­dung des Quecksilbers mit Jod, mit Blaustoff und mit Schwefel gebildet werden, in der Regel eine milde, und sie besteht haupt­sächlich in Verminderung der Irritabilität, in Erweichung und Auf­lockerung der Substanz und in vermehrter Resorptionsthätigkeit. Dagegen bewirken das Quecksilberoxyd, die in Wasser auflöslichen Salze, und diejenigen Präparate, welche mit Chlorwasserstoffsärre oder mit Essigsäure auflösliche Verbiudiingen eingehen, örtlich eine Reizung, im conzentrirten Zustande selbst Entzündung und auch sehr starke Aetzung. Das Quecksilber scheint durch alle Sekre-tionsorgaae wieder aus dem Körper entfernt zu werden, doch am wenigsten durch die Niereu.— Die allgemeine und spezifische Wir­kung des Quecksilbers erscheint der des Eisens fast ganz entgegen­gesetzt. Sie besteht in der Verminderung aller Bildungstbätigkeit und äussert sich durch verminderte Plastizität des Blutes, vermehrte Se- und Exkretioncn, besonders in den Schleimhäuten, verstärkte Resorption, sehr verminderte Anbildung, in Erschlaffimg und Auf­lockerung aller drüsigen und häutigen Gebilde, besonders wieder der Schleimhäute und der Speicheldrüsen; im höhern Grade der Wirkung, bei unvorsichtigem Gebrauch des Merkurs, entsteht Spei-chelfluss (sect;. G3.), profuse Diarrhöe, Auflockerung des Zahnflei­sches , Geschwüre an demselben, stinkender Athem, Abmagerung und Entkräftung, zuweilen auch Fieber. Diese Wirkungen erfolgen bei Wiederkäuern und Vögeln am schnellsten und stärksten, etwas minder bei Pferden. Auch zeigen sie sicli von den einzelnen Prä­paraten und von verschiedenen Gaben derselben etwas verschieden. Nach diesen Andeutungen ergiebt sich, dass das Quecksilber im Allgemeinen da indizirt ist, wo man die Aufgabe hat, den krank­haft erhöheten Vegetationsprozess zu beschränken.
9. Graue Quecksilbersalbe, graue Merkurialsalbe, Nea­pelsalbe, Unguenlum Hydrargyri cinereum, Ung. mercuriale s. neapolUamim.
sect;. G21. Diese Salbe wird auf mehrfache Weise und in verschiedener Conzentration bereitet, z. B. nach der Preuss. Pharmakopöe, indem
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mau 12 Theile gereinigtes metallisches Quecksilber mit 8 Theilen Hammeltalg zusammenreibt, bis das Quecksilber völlig getödtet ist, und dann noch 16 Theile Sehweineschmalz dazu mischt.') Das Quecksilber ist in ihr, wenn sie frisch bereitet ist, mir höchst fein zertheilt enthalten, verwandelt sich aber zum Theil in Oxydul, wenn sie alt wird. — Sie ist nur für den äusserlichen Gebrauch bestimmt, und von ihrer Anwendung entsteht zuerst blos an der Applikations­stelle Vermebrnng der. Tbätigkeit der resorbireaden Gelasse und Lymphdrüsen, daher verstärkte Resorption und grössere Verflüssi­gung der organischen Substanz, zugleich aber Verminderung der arteriellen Tbätigkeit, ^') und hauptsächlich Auflockerung der or­ganischen Cohäsion; wird jedoch die Anwendung lange fortgesetzt, oder ist sie zu reichlieh auf einer grosseu Fläche, so entwickelt sich auch eine allgemeine Wirkung, die sich durch Verstärkung der Se­kretionen in verschiedenen Organen (besonders in den Nieren, in der Leber, in der Scblcimhaut des Mauls und des übrigen Ver-dauungskauals und in den Speicheldrüsen), durch Geifern, zuwei­len Diarrhöe, Störung des Vegctationsprozesses, Abmagerung, grosse Schwäche, pochenden Herzschlag und Entwickelung einer eigen-thümlichen Cachexie mit fauliger Zersetzung zu erkennen giebt. Zuweilen erfolgt dann auch der Tod, bald schnell, bald langsam. Eigeuthiimlich ist auch die allgemeine Wirkung an sezernirenden Flächen zu erkennen. Wenn man z. B. einem Pferde, welches an eiternden Wunden oder Geschwüren leidet, täglich gegen 2 Unzen dieser Salbe einreibt, ohne die eiternde Fläche zu berühren, so macht sich doch auch an der letztern nach 2—(i Tagen (je nach der Constitution der Thiere) die Wirkung des Merkurs bemerkbar. Die Fleischwärzchen nehmen eine bleigrauc, zuweilen ins Schwarze übergehende Farbe an; der abgesonderte Eiter wird an Quantität sehr vermindert, mehr dünnflüssig, und verbreitet einen Gestank, welcher dem bei Speicbelfisteln ähnlich ist. Nachdem die Merku-rialvergiflung ganz erfolgt ist, hört die Eiterabsonderuug ganz auf
) Die neuesle Preuss. Ptiarmakoiiüe hisst deis Quecksilber zuerst mit 2 Unzen von derselben Sallie abreiben, und dann das gescliniolzene Fell und Talg biuzulbun. Die Tüdlung des Merkurs erlolgt liierdurcli lelcliliT. — Nach einigen Vorschriflen selzl man für lelzteni Zweck elwos Citronül oder Terpentinöl liinzii, was aber in BcIrclT der Wirkung un-zweckmässig ist.
**) Zuweilen wird zwar die Reizbarkeit an dein Orle der Anwen­dung etwas vormehrl, ja es enlstelu wohl selbst eine überdachliche Ent­zündung, Diese Wirkung ist aber entweder dadurch bedingt, dass die Salbe ranzig geworden ist, und dann allerdings wie jedes andere ranzige Fell wirkt {sect;. 4 88.), oder, dass man ihr, um das Quecksilber leichler zu lüdten, Terpentin, Terpenlinbl u, dgl. reizende Substanzen zugesetzt bat.
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und findet sich in guter Beschaffenheit erst lauge nach dem Aus­setzen des Mittels wieder ein. Bei mehreren Pferden fand sich auch, wenn eine Sättigung des Körpers mit Merkur eingetreten zu sein schien, ein stinkender Geruch der ausgeafhmeten Luft, der sich ehenfalls wieder in einiger Zeit nach dem Weglassen des Mittels verlor (Extrait du compte rendu des travaux de l'Ecole r. veter. d'Alfort pend. Pauuee 1839—1840; im Rec. vet. 1840. p. 542.) — Jene örtliche Wirkungen finden ohne Unterschied der Thiere, je­doch am stärksten an solchen Gebilden statt, welche reich an Ge-fässen und an Zellgewebe sind, wie z. B. Drüsen und Häute; die allgemeinen Wirkungen entstehen nicht bei allenThieren gleich-massig schnell und stark, sondern am stärksten und schnellsten bei Vögeln, bei Hunden und Katzen, etwas langsamer bei Schafen, Ziegen und Rindvieh, noch langsamer bei Schweinen, und am lang­samsten bei Pferden. Ich sähe bei Kanarienvögeln, Sperlingen und dergl. kleinen Vögeln nach dem Aufstreichen von | Skrupel dieser Salbe, — bei mehreren Hunden, Katzen, Schafen, Ziegen und Rin­dern nach mehrtägiger (zuweilen sogar nach einer einzigen, etwas reichlichen) Einreibung grosse Mattigkeit, Traurigkeit, Verlust des Appetites, Erbrechen, Gestank aus dem Maule, Diarrhöe, und zu­weilen auch Fieber, Auflockerung und Missfarbigkeit des Zahnflei­sches, Speichelfluss,*) und in einzelnen Fallen auch Hautausschlag mit Ablösung der Epidermis und Ausfallen der Haare, grosse Ab­magerung und den Tod erfolgen. Letzterer trat gewöhnlich nach 6 bis S Tagen, zuweilen aber schon nach 3 bis 5 Tagen ein. Aber einzelne Stücke (namentlich Rindvieh) verfallen unter den angege­benen Symptomen allmählig in Abzehrung und kränkeln durch 2 bis 3 Monate (Archiv für Thierheilk. von der Gesellsch. Schweiz. Thierärzte. Neue Folge. 5r. Bd. Zürich 1844. S. 316 u. 321. Beob-acht. von Zähndler und von Hübscher, fir. Bd. S. 17. v. Gat-tiker). Die ganze Wirkung war stets viel heftiger, wenn die Thiere sich an den Applikationsstellen belecken konnten. — Ein Pferd be­kam bei fortgesetzter Einreibung der Salbe nach und nach alle diese Zufälle; am 16ten Tage trat Speichelfluss, und am 29sten Tage der Tod ein, nachdem (i Pfund und 8 Unzen einer sehr con-zentrirten Merkurialsalbe verbraucht waren (Schubart in Horn's
) Manche Tbierürzle bezweifeln das Entslehen des Speichelflusses durch die Wirkung des Merkurs, aber ganz mit Unrechl, — obgleich diese Wirkung bei den Thieren seltener, longsamer und niemals so deut­lich wie bei dem Menschen einlrill; denn da die Thiere nicht ausspuk-ken können, so suchen sie den abgesonderten Speichel beständig hinab zu schlucken, und lassen daher nur einen kleinen Theil aus dem Maule ausüiessen,
llr rtwig ArzneimiUcllcliri'.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;45
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Archiv 1S24.). Iu 'ler Thierarzneischule zu Alfort starb ein Pferd erst nach einein Monat, nachdem täglich 120 Grammen (gegen 3t* Drachmen) eingerieben worden waren (Recueil de med. vet. 1S40. p. 544.). — Bei Kühen und Ziegen habe icli zuweilen auch nach etwas reichlicher, durch 3—4 Tage fortgesetzter Anwendung der Salbe gegen Ungeziefer in mehreren Fallen Krämpfe und auch Abor­tus erfolgen sehen, ohne dass eine andere Ursache hierzu zu ent­decken war. Die Menge der eingeriebenen Salbe betrug hier bei ersteren Thiercn nur 2 Unzen, bei den Ziegen 1 Unze.
Wie diese Wirkungen durch die graue Merkurialsalbe vermit­telt werden? — ist bis jetzt nicht gut zu erklären; nur so viel scheint sicher, dass sie durch eine spezilischc Beziehung des Quecksilbers zu den Organen der Vegetation, namentlich zu den Lymphgefassen und Lymphdrüsen, und durch seinen Uebergang in die Säfte des Organismus bedingt sind.
sect;. 622.
Man wendet diese Salbe an:
1)nbsp; gegen örtliche Entzündungen, bei denen sie der Erfahrung zulblge als ein ausgezeichnetes Zertheilungsmittel wirkt, wenn die Krankheit keinen bypersthenischen oder arteriellen, sondern einen sogenannten vegetativen, exsudativen oder plastischen Charakter besitzt, und wenn Ergiessungen von plastischen Stoffen, oder selbst schon beginnende Verdlckung und Verhärtung der Gebilde mit der Entzündung verbunden sind;— daher namentlich bei rheuma­tischen Entzündungen, bei der sogenannten Moudblindheit, bei Quetschungen, bei Entzündungen der Lymphdrüsen, der Hoden, der Euter, der Knochen, Sehnen, Bänder und dergl. drüsigen und fibrösen Organen; eben so bei den sogenannten schleichenden und chronischen Enlzündungen, z. B. bei nicht ganz frisch entstande­nen Stollbeulen, Sehneuklapp, Ueberbeiaeu, Aderfisteln u. s. w. Die Salbe nutzt gegen solche Entzündungskrankheiten am meisten dann, wenn der Sitz derselben in der Haut, oder nicht zu tief unter ihr ist, daher besonders auch bei der Mauke, namentlich der gutarti­gen, wenn sie sehr schmerzhaft ist. Dagegen scheint das Mittel nichts zu nutzen bei denjenigen asthenischen Enlzündungen, welche mit wirklicher Verjauchung verbunden sind, —• bei sogenannten fauligen Entzündungen und bei schon eingetretenem kalten Brande; aber bei Geschwüren, deren Ränder kallüs sind, kann es zur Auf­lösung der letztern mit gutem Erfolge angewendet werden.
2)nbsp; Gegen Ausschwitzungen, Verdickungen und Verhärtungen jeder Art, wenn sie auch eben nicht mit Entzündung verbunden sind, wie z. B. bei Flecken und Verdunkelungen der durchsichtigen Hornhaut, bei Verhärtungen der Euter, der Lymphdrüsen im Kehl-
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gange, bei Wurmbeuteu, Ueberheinen, Späth, Schalle, Sehnenklapp und dergl.
3)nbsp; Bei zu reichlich eiternden Wuiulen und Geschwüren, wo die profuse Sekretion nicht durch örtliche Reizungen bedingt, son­dern nur allein in einem abnormen Bildungsprozess begründet ist, — ferner bei Flechten und Räude. Die graue Salbe ist bei diesen krankhaften Zuständen eins der wirksamsten Mittel, besonders dann, wenn dieselben mit heftigem Jucken verbunden, und nicht auf eine grosse Fläche ausgebreitet sind. Ist das letztere der Fall, nament­lich bei grossen Thieren, so ist die graue Salbe zu theuer, und dann auch mehrentheils durch andere Mittel zu ersetzen. Gegen die sogenannte Speckräude der Hunde ist sie jedoch nach meinen vielfältigen Beobachtungen ein wahres Spezifikum, dessen Wirk­samkeit von keinem andern Mittel erreicht wird; sie verlangt aber hier, und überhaupt bei den kleineren Ilaustliieren, die grosste Vor­sicht in der Anwendung, und zwar bei allen kleinen Thieren mehr als bei grossen, damit die im vorigen sect;. angedeuteten allgemeinen Wirkungen verhütet werden. Bei der Schafräude, wo die Salbe auch von Einigen empfohlen ist, verbieten ebenfalls die allgemeinen Wirkungen, ausserdem noch der hohe Preis des Mittels dessen An­wendung; auch ist die dabei unvermeidliche Besudelung der Wolle sehr unangenehm.
4)nbsp; Gegen Starrkrampf. Die Einreibung der Salbe in die Ge­gend der Kaumuskeln, am Halse und Rücken, scheint in mehrern Fällen, und zwar sowohl bei dem idiopathischen, wie bei dem trau­matischen Tetanus gute Dienste geleistet zu haben; — in vielen andern Fällen sähe ich aber hiervon gar keinen Nutzen.
5)nbsp; Gegen Ungeziefer aller Art wird die Quecksilbersalbe mit Recht als ein Spezifikum betrachtet; doch verlangt die Anwendung auch für diesen Zweck bei den Wiederkäuern und den kleinen Thie­ren viele Vorsicht.
sect;. Ü23. Die Salbe wird einfach angewendet, wenn bei Entzündungen die Sensibilität und die Wärme erhöhet, oder wenn sie wenigstens bei den Ausschwitzungen und Verhärtungen nicht zu sehr vermin­dert sind; bei grossem Erethisrnus verbindet man sie aber mit nar­kotischen Extrakten. Auch bei Flechten und gegen Ungeziefer ist die einfache Salbe hinreichend. Je mehr aber bei Entzündungen, Verhärtungen u, s. w. Torpidität besteht, upi desto nöthiger ist es, dem Grade der letzteren entsprechende Auflösungs- und Reizmittel, z. B. Rindsgalle, Kampherliniment, Ammoniakliniment, grüne Seife, Potasche, Jod, Kampher, Terpentinöl, Salmiak und dergl. in einem passenden Verhältnisse mit der Salbe zu verbinden. Bei Verbär-
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Archiv 1S24.)- In tier Thierarzneischule zu Alfort starb ein Pferd erst nach einein Monat, nachdem täglich 120 Grammen (gegen 30 Drachmen) eingerieben worden waren (Recueil de med. vet. 1840. p. 544.). — Bei Kühen und Ziegen habe ich zuweilen auch nach etwas reichlicher, durch 3—4 Tage fortgesetzter Anwendung der Salbe gegen Ungeziefer in mehreren Fällen Krämpfe und auch Abor­tus erfolgen sehen, ohne dass eine andere Ursache hierzu zu ent­decken war. Die Menge der eingeriebenen Salbe betrug hier bei ersteren Thieren mir 2 Unzen, bei den Ziegen 1 Unze.
Wie diese Wirkungen durch die graue Merkurialsalbe vermit­telt werden? — ist bis jetzt nicht gut zu erklären; nur so viel scheint sicher, dass sie durch eine spezifische Beziehung des Quecksilbers zu den Organen der Vegetation, namentlich zu den Lymphgefässen und Lymphdrüsen, und durch seinen Uebergang in die Säfte des Organismus bedingt sind.
sect;. 622.
Man wendet diese Salbe an:
1)nbsp; gegen ürtliche Entzündungen, bei denen sie der Erfahrung zufolge als ein ausgezeichnetes Zertheilungsmittel wirkt, wenn die Krankheit keinen hypersthenischen oder arteriellen, sondern einen sogenannten vegetativen, exsudativen oder plastischen Charakter besitzt, und wenn Ergicssungen von plastischen Stoffen, oder selbst schon beginnende Verdickung und Verhärtung der Gebilde mit der Entzündung verbunden sind; — daher namentlich bei rheuma­tischen Entzündungen, bei der sogenannten Mondblindheit, bei Quetschungen, bei Entzündungen der Lymphdrüsen, der Hoden, der Euter, der Knochen, Sehnen, Bänder und dergl. drüsigen und fibrösen Organen; eben so bei den sogenannter, schleichenden und chronischen Eulzündungen, z. B. bei nicht ganz frisch entstande-7ien Stolibenlen, Sehnenklapp, Ueberbeincn, Aderfisteln u. s. w. Die Salbe nutzt gegen solche Entzündungskrankheiteu am meisten dann, wenn der Sitz derselben in der Haut, oder nicht zu tief unter ihr ist, daher besonders auch bei der Mauke, namentlich der gutarti­gen, wenn sie sehr schmerzhaft ist. Dagegen scheint das Mittel nichts zu nutzen bei denjenigen asthenischen Entzündungen, welche mit wirklicher Verjauchung verbunden sind, — bei sogenannten fauligen Entzündungen und bei schon eingetretenem kalten Brande; aber bei Geschwüren, deren Ränder kallos sind, kann es zur Auf­lösung der letztem mit gutem Erfolge angewendet werden.
2)nbsp; Gegen Ausschwitzungen, Verdickungen und Verhärtungen jeder Art, wenn sie auch eben nicht mit Entzündung verbunden sind, wie z.B. bei Flecken und Verdunkelungen der durchsichtigen Hornhaut, bei Verhärtungen der Euter, der Lymphdrüsen im Kehl-
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gange, bei Wurmbeulen, Ueberheinen, Späth, Schaale. Sehnenklapp und dergl.
3)nbsp; Bei zu reichlich eiternden Wunden und Geschwüren, wo die profuse Sekretion nicht durch Ortliche Reizungen bedingt, son­dern nur allein in einem abnonnen Bilduugsprozess begründet ist, — ferner hei Flechten und Räude. Die graue Salbe ist bei diesen krankhaften Zuständen eins der wirksamsten Mittel, besonders dann, wenn dieselben mit heftigem Jucken verbunden, und nicht auf eine grosse Fläche ausgebreitet sind. Ist das letztere der Fall, nament­lich bei grossen Thieren, so ist die graue Salbe zu theuer, und dann auch mehrentheils durch andere Mittel zu ersetzen. Gegen die sogenannte Speckräudo der Hunde ist sie jedoch nach meinen vielfältigen Beobachtungen ein wahres Spezißkutn, dessen Wirk­samkeit von keinem andern Mittel erreicht wird; sie verlangt aber hier, und überhaupt bei den kleinereu ITausthieren, die grösste Vor­sicht in der Anwendung, und zwar bei allen kleinen Thieren mehr als bei grossen, damit die im vorigen Sj. angedeuteten allgemeinen Wirkungen verhütet werden. Bei der Schafräude, wo die Salbe auch von Einigen empfohlen ist, verbieten ebenfalls die allgemeinen Wirkungen, ausserdem noch der hohe Preis des Mittels dessen An­wendung; auch ist die dabei unvermeidliche Besudelung der Wolle sehr unangenehm.
4)nbsp; Gegen Starrkrampf. Die Einreibung der Salbe in die Ge­gend der Kaumuskeln, am Halse und Rücken, scheint in mehrern Fällen, und zwar sowohl bei dem idiopathischen, wie bei dem trau­matischen Tetanus gute Dienste geleistet zu haben; — in vielen andern Fällen sähe ich aber hiervon gar keinen Nutzen.
5)nbsp; Gegen Ungeziefer aller Art wird die Quecksilbersalbe mit Recht als ein Speziflkum betrachtet; doch verlangt die Anwendung auch für diesen Zweck bei den Wiederkäuern und den kleinen Thie­ren viele Vorsicht.
sect;. 023. Die Salbe wird einfach angewendet, wenn bei Entzündungen die Sensibilität und die Wärme erhöhet, oder wenn sie wenigstens bei den Ausschwitzungen und Verhärtungen nicht zu sehr vermin­dert sind; bei grossem Erethismus verbindet man sie aber mit nar­kotischen Extrakten. Auch bei Flechten und gegen Ungeziefer ist die einfache Salbe hinreichend. Je mehr aber bei Entzündungen, Verhärtungen u. s. w. Torpidität besteht, um desto nöthiger ist es, dem Grade der letzteren entsprechende Auflösungs- und Reizmittel, z. B. Rindsgalle, Kampherliniment, Amnioniakliniment, grüne Seife, Potasche, Jod, Kampher, Terpentinöl, Salmiak und dergl. in einem passenden Verhältnisse mit der Salbe zu verbinden. Bei Verhär-
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tungeii, Ueberbeinen, Späth und dergl. hat sich auch eine nicht of-fizinelle Salbe, welche neben dem Quecksilber reizende Stofife ent­hält, sehr wirksam gezeigt. Man bereifet dieselLe aus; Hydrarg. viv. k Unze, 01. Lauri unguin. 6 Drachmen, Ot. Terebinthin. 1 Unze, Puh. Cantharid. i% Drachme, durch Zusammenreiben, und wendet sie, je nach der Empfindlichkeit der Haut täglich oder jeden zwei­ten Tag einmal an. — Bei dem Starrkrämpfe fand ich eine Mi­schung aus gleichen Theilen der Salbe und des Kampherlinlments am zweckmässigsteu. — Die Anwendung geschieht bei den gros-sen Thieren gegen Entzündungen, Verhärtungen und beim Starr­krämpfe täglich 2 bis 3 mal, gegen Hautkrankheiten und Ungezie­fer aber nur an jedem 2tcn oder 3ten Tage. Bei kleinern Thieren darf die Anwendung immer nur nach längeren Zwischenzeiten und sparsam, niemals über einen grossen Theil des Körpers, sondern nur auf kleinern Stellen oder in einzelnen Strichen geschehen. Man übersteigt nicht gern bei den Pferden die Quantität von 2 Unzen, bei dem Rindvieh von 1 Unze und bei Hunden von 2 Drachmen pro Tag, wenn man die Einreibungen durch mehrere Tage machen will. Auch muss man die Tliiere durch Maulkörbe u. s. w. am Ablecken der Salbe hindern.*) Sehr oft habe ich gegen Ungezie­fer die Salbe blos auf einen Streif (ein Band) von Leinwand u. s. w. gestrichen und auf den Körper gebunden als vollkommen hinrei­chend und ganz ohne gefährliche Nebenwirkungen befunden. — Bei Entzündungen darf übrigens die Salbe nur gelind, aber an verhärteten Theilen muss sie kräftig eingerieben werden.**)
quot;) Sind deiiDocli bei einem Tliiere die im vorigen sect;. bezeichneten nllgcmeinen Zuliillo cnlslanden, so müssen sie durch Eisenpräparate, Schwefel, verdünnle Mineralsäuren, adsiringirende und bilter-aromatischc Miltel wieder beseitiget werden.
**) Das Einreiben kann mehrenlheils mit der blossen Hand, ohne Schaden dessen, der es lliul, unternommen werden. — wie dies die Eleven der Berliner Thierarzneischule täglich beweisen. Denn in den Krankenställen der lelztern werden jährlich gegen 80 bis 100 Pfund graue Ouecksilbersalbe verbraucht und von den Eleven mit blossen Hän­den den kranken Thieren eingerieben; aber seit 26 Jahren ist kein Fall vorgekommen, wo hierdurch eine heftige Merknrialwirkung, namentlich Speichellluss, entstanden wäre. — Dennoch ist es zweckmässig, dass Personen, die eine zarte Haut haben, bei dem Einreiben dieser Salbe sich die Hand mit einem Stück Leder oder mit Blase bekleiden.
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10. Rothes Quecksill)eroxylt;l, rother Quecksilberpräzi-
pitat, Hydrargyrum oxydalum rubrum, Hydrarsyrum praecipifalitm
rubrum, Oxydum hydrargyricum s. Hydrargyri praepurulam, Memi-
rius praecipilatus ruber (oft auch lilos „rothcr Priizipitat, Vrue-
cipilalus ruberquot; genannt).
sect;. 624.
Das vollkommene Qnocksilheroxyd besteht ans circa S'ij Tlieil Quecksilber und 7f Theil Sauerstoff, ist im Wasser und Weingeist unlöslich, bewirkt als trockenes Pulver auf der unverletzten Haut massige Reizung, zuweilen auch Entzündung, in Wunden und Ge­schwüren aber sehr heftige Reizung, Entzündung, zuerst Minderung der Eitersekretion und der Granulation, oberilächliche Aetzung und Schorfbildung, dann aber (nach 30 bis 40 Stunden) die Absonde­rung eines gutartigen, recht consistenfen Eiters. Durch diese sthneli eintretende Umstimmung des Eiterungsprozesses zeichnet sich die Wirkung des rothen Präzipitats vor der Wirkung fast aller ande­ren Aetzmittel (ausgenommen des Höllensteins) aus, da bei ihnen die gute Eiterung und das Ablösen des Schorfes immer viel spä­ter erfolgt. — In der ätzenden Kraft ist der Präzipitat dem Hüllen­stein ziemlich gleich, steht aber dem Aetzkali, der Spiessglanzbut-ter, dem Chlorzink, Sublimat, Arsenik, Kupfervitriol und den con-zentrirten Säuren weit nach. — Mit Fett oder Honig zur Salbe ge­macht wirkt er verhältuissmässig nach der Conzentration derselben mehr oder weniger stark reizend, die Resorption, die Zertheilung atonischer, torpider Entzündungen und (an eiternden Flächen) die Eiterung befördernd. — Innerlich angewendet verursacht er schon in ganz massigen Gaben (bei Hunden zu 2 bis 4 Gran, bei Pfer­den zu 8 bis 15 Gran) heftige Leibschmerzen (bei Hunden auch Erbrechen), in etwas starken Gaben (bei Pferden 1—2Drachmen), besonders bei wiederholter Anwendung, aber Magen- und Darm-eutzündung und den Tod.
sect;. 025.
Die innerliche Anwendung des rothen Präzipitats ist wegen der damit verbundenen Gefahr bei keinem Thiere gebräuchlich, ob­wohl das Mittel gegen Rotz und Wurm versucht worden ist. Aeus-serlich benutzt mau aber denselben:
1) als Aetzmittel, um Wucherungen oder Ansteckungsstoffe in Wunden und Geschwüren zu zerstören, z. B. in Bisswunden von tollen Hunden, oder bei Feigwarzen, Strahlkrebs, Wurmgeschwüren und dergl. Der Präzipitat wird hier am besten in reinem Zustande, fein pulverisirt, etwas reichlich eingestreut, und nach dem Abgeben
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des entstandenen Schorfes so oft als nüthig ist wiederholt. Sehr oft kann er durch das Glüheisen oder durch andere Aetzmittel er­setzt werden.
2)nbsp; Als kräftiges Digestivmittel bei torpidcu Wunden und Ge­schwüren, in denen geringe Empfindlichkeit, blasse, schlaffe, sclnvammichte, oder entgegengesetzt, speckartige, harte Granulation und die Absonderung einer dünnen Jauche besteht, — wie dies zuweilen bei veralteten Kronentritten, bei dergl. Strahlgeschwüren, bei bösartiger und veralteter Mauke, bei Knochengeschwiirenu. s. w. der Fall ist. Die Anwendung des Präzipitats hierbei geschieht ent­weder: a) rein für sich, als feines Pulver — wenn nämlich die Reizlosigkeit sehr gross, die Absonderung massig ist; — oder b) mit Kohle, Kamillen, Kalmus und dergl. absorbirenden Mitteln ver­setzt, ebenfalls als Pulver, — wenn die Reizlosigkeit etwas gerin­ger, die Jaucbeabsonderuug aber sehr reichlich ist, und — c) als Salbe, in Verbindung mit 4 bis STheilen Fett, Butter, Wachssalbe oder Konigssalbe (S. 317.), bei verschiedenen Graden derTorpidi-tät, wenn die Granulation hart und die Absonderung gering ist.
3)nbsp; Als erregendes Zertheilungsmittel gegen torpide, chronische Augenentzündungen und deren pathologische Folgen, z. B. gegen Verdickungen und Verhärtungen der Augenlider, besonders der Mei bum'sehen Drüsen, gegen zu reichliche Schleimsekretion aus den letztern, Verdunkelungen der Hornhaut, Ausschwitzungen im Innern des Auges und dergl. Der rothe Präzipitat ist gegen diese Zustände von ausgezeichneter Wirksamkeit, wenn sie wirklich den torpiden Charakter haben; er ist aber unpassend und schädlich, so lange sie noch mit Trockenheit, mit vermehrter Wärme und mit vielem Schmerz begleitet sind. — Die Anwendung geschieht nur in Salben, die bald einfach (z. B. aus 10 bis 30 Gran aufs feinste pulverisirtem Präzipitat und 1 Unze Fett, ungesalzener Butter oder einfacher Wachssalbe, — nach der Prcuss. Pharmakopoe 10 Gran zu 1 Unze Rosensalbe), bald mit verschiedenen Zusätzen, z.B. von Zinkoxyd, von Eampber oder Opium (von dem erstem 15 bis 30 Gran, von den letztern beiden ^ Skrupel bis |-Drachme auf 1 Unze der Salbe) bereitet, und täglich 1 bis 2 mal in der Grosse einer Erbse zwischen und auf die Augenlider gestrichen werden. — Es ist unzweckmässig, die rothe Präzipitatsalhe in grosser Quantität bereitet zu halten, denn sie verliert durch langes Aufbewahren von ihrer Wirksamkeit, indem der Präzipitat durch das Fett zum Theil desoxydirt wird.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;i
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II. Mildes salüsaures Quecksilber, vcrsüss!os Queck­silber, Kalomel, einfaches Chlorquecksilber, Quecksil­ber chlorür, Hydrargyrum chluralum mile. Hydrargyrum muriati-cum mite, ilercurius dnlcis, Calomelas, CMoretum Hydrargyri.
g. G26, Dieses bekannte Quecksilbersalz besteht in 100 Theileu aus 85 Theilcn Quecksilber und 15 Theilen Chlor, und ist im Wasser (sell)st im kochenden) und im Weingeist unlöslich, obgleich es durch an­haltendes Kochen langsam in metallisches Quecksilber und in sich auflösenden Sublimat zersetzt wird. Wegen der Unlösliehkeit ver­ursacht es, wenn es für sich allein auf die trockene, unverletzte Haut gebracht wird, keine wahrnehmbare Wirkungen; wird es aber mit Fett, Oel oder Honig zur Salbe gemacht, eingerieben, so geht es in die Säfte über und wirkt dann ganz ähnlich, aber weit mil­der als die graue Merkurialsalbe (sect;. 621.). — Innerlich angewen­det erzeugt es die im sect;. 620. und ebenfalls im sect;. 621. angegebenen wesentlichen Wirkungen der Merkuriahnittel sehr vollständig, die­selben sind aber hinsichtlich ihres Grades und ihrer Richtung ziem­lich bestimmt von der Grosse der Gaben und von der Wiederho­lung derselben abhängig. Eine einzelne kleine Gabe (z. B. für Pferde 30 bis 40 Gran, für Rindvieh 15 bis 20 Gran, für Schafe 4 bis 6 Gran, für Schweine G bis 10 Gran, und für Hunde 1 bis 4 Gran) bringt in der Regel keine sichtbare Veränderungen imBe-finden der Thiere hervor; werden aber solche Gaben in Zwischen­zeiten von 3 bis 4 Stunden und durch einige Tage nach einander einem gesunden Thiere gereicht, so erscheint zuerst der Koth etwas (rockener, dann aber grünlich gefärbt, mehr feucht und locker; der Urin geht etwas reichlicher ab, der Speichel wird mehr zähe und ebenfalls reichlicher abgesondert; der Herzschlag wird fühlbarer, der Puls weicher, die Schleimhaut der Nase und des Mauls bläs­ser, der Appetit oft gemindert; bei lange fortgesetzter Anwendung werden die Thiere sehr matt, und zuweilen findet sich auch Diar­rhöe, seltner Speichelfluss plötzlich hinzu. Von einer grösseren Gabe (z. B. bei Pferden zu 3 bis 6 Drachmen, bei Rindern zu 1 bis 2 Drachmen, bei Schweinen desgleichen, bei Schafen zu 15 Gran bis \ Drachme, und bei Hunden zu 6 Gran bis ^ Drachme) ent­steht fast immer in etwa 24 bis 36 Stundep (bei Hunden-oft frü­her, bei Schafen zuweilen erst am 3ten Tage) Laxiren. Dieses er­folgt wie bei den übrigen Laxirmitteln nach der Constitution der Thiere, nach Art der Fütterung u. s. w. im verschiedenen Grade, so dass oft der Koth nur sehr locker, oder breiartig, oft aber auch
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gaun diiini, seihst wässerig, und bei Pferden, Rindern und Schafen (auch wenn sie kein Grünfutter fressen) eigenthümlich graugrün, bei Hunden aber schwärzlich gefärbt, abgeht. Immer wird dabei viel Galle ausgeschieden, aber die eigenthümliche grüne Farbe der Exkremente soll doch hauptsächlich durch Umbildung eines Theils des Calomels in Quecksilbersulphür, vermittelst Einwirkung des Schwefelwasserstoffgases im Darmkaual entstehen. In einzelnen, aber seltenen Fällen, entsteht dabei eine geringe Kolik. — quot;Werden in einem Tage 2 bis 4 solcher Gaben, und vielleicht durch 2 oder mehrere Tage nach einander gegeben, so tritt gewöhnlich das La­xiren plötzlich mit grosser Heftigkeit ein; die Exkremente gehen sehr häufig ganz flüssig, zuweilen mit Blut gemengt und sehr stin­kend, durch 3 bis (i Tage ab; die Thiere werden sehr matt, ma­ger, verlieren den Appetit und zeigen die vorhin und im sect;. 620. angegebenen Symptome der zu heftigen Quecksilberwirkung im hohen Grade. Zuweilen ist der künstlich erregte Durchfall selbst durch die kräftigsten Arzneien nicht zu stillen, und die Thiere ge­hen durch ihn an Erschöpfung und Faulßeber zu Grunde. Diese übermässige Wirkung entsteht am ehesten und stärksten bei den Wiederkäuern, besonders bei den Schafen (was in der weichen, schlaffen Organisation derselben begründet zu sein scheint); weni­ger leicht erfolgt sie bei Pferden, und am wenigsten bei Hunden und Schweinen. Es tritt aber bei den letztern beiden Thiergattun-gen nicht selten Erbrechen ein, wodurch das Kalomel zum Theil wieder entleert wird, ehe es vollständig zur Wirkung gelangt. — Auf die Beschaffenheit und Mischung der Säfte wirkt das Kalomel sehr stark umändernd, und namentlich sieht man, dass die Gerinn­barkeit und die Menge des Faserstoffes im Blute oft schon nach einer einzigen etwas starken Gabe, bestimmt aber durch die fort­gesetzte Anwendung des Mittels sehr bedeutend vermindert wird. Die heftigen Wirkungen scheinen in manchen Fällen von einer durch die gastrischen Säfte, namentlich die sauren, bewirkten Um­änderung des Kalomels in Sublimat bedingt zu sein; doch sind hierzu gewiss besondere Umstände erforderlich, da man sonst die heftigen Erscheinungen häufiger beobachten müsste (Orfila, im Journal de Chimie et de Toxicologie, 1842. Juli.).
Bei der Sektion der durch zu reichliche Anwendung des Ka­lomels getödteten Thiere findet man in der Regel an Pferden und Hunden den Magen und ganzen Darmkanal schlaff, zusammenge­fallen, den letztern ohne tiefe Querfalten, die Blutgefässe äusserlich und innerlich sehr wenig mit Blut erfüllt, daher die Färbung die­ser Organe ganz blass oder grau, den Darm mehrentheils ganz leer, zuweilen wie ausgewaschen; entgegengesetzt ist aber auch zuwei-
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len die Schleimhaut blaiiroth gefärbt, eudsim'Jet, aufgelotkert, stel­lenweis ohne Epithelium, mit Blutextravasaten, oder mit Exkoria-(ioueu, deren Räuder oft weisslich gefärbt erscheinen, versehen; bei Thiereu mit einer Grallenblase ist dieselbe voll Galle, die Leber und alle übrigen Organe weich und mürb. An Wiederkäuern fand sich im Wesentlichen derselbe Zustand; zugleich aber zeigten sich fast immer im 4 ten Magen, zuweilen auch am Zwölffingerdärme und Mastdärme stärker geröthete Stellen von verschiedener Grosse, die mehrentbeils als Extravasate, zuweilen aber auch als Entzün­dung erschienen.
sect;• G27.
Das Kalomel erscheint hiernach bei vorsichtiger Anwendung in der örtlichen Wirkung mehrentbeils als ein mildes, in der allge­meinen Wirkung aber als ein sehr kräftiges Mittel. Es verdient deshalb zur innerlichen Anwendung den Vorzug vor fast allen an­dern Quecksilberpräparaten, und findet der Erfahrung zufolge seine allgemeine Indikation gegen alle solche pathologische Zustände., welche wesentlich in einem zu sehr erhöheten Vegeta­tionsprozesse mit vermehrter Plastizität des Blutes und der übrigen Säfte, — oder in gerinnbaren Ausschwiz-zungeu, oder in Stockungen und Verhärtungen in den Gefässen und drüsigen Organen, — bestehen.*)
Man benutzt es daher:
1) gegen Entzündungskrankheiteu, und zwar vorzüglich gegen solche, die a) einen sogenannten vegetativen, plastischen oder lym­phatischen Charakter besitzen, wo keine vorherrschende aktive Auf­regung der Arterien- und Herzthätigkeit, sondern mehr Neigung zu plastischen und serösen Ausschwitzungen und zu Verhärtungen besteht, oder wo an den absondernden Flächen die sezernirten Flüs­sigkeiten zähe und sehr gerinnbar werden; — daher namentlich bei rheumatischen und katarrhalischen Entzündungen, bei dem akuten Rheumatismus und dergl.
b)nbsp; Gegen solche, die mit gastrischen oder nervösen Komplika­tionen innig verbunden sind, wie z. B. die sogenannten gallichten, die crethischen, die typhösen und die Anthrax-Entzündungen; und
c)nbsp; gegen chronische, sogenannte schleichende Entzündungen. Bei wahren hypersthenischenEnlZündungen, besonders in sehr
gefässreichen Organen, ist das Kalomel nicht passend; wenn aber.
*) Die Wirkung gegen diese Zustande scheint 'wenigstens von den grössern Gaben, und wenn Puigiren erfolgt, zum Theil von der Ausschei­dung vieler Galle, somit von vieler KohlenwasserstolTausschcidung ab­hängig zu sein, zum Theil aber auch von seiner spezifischen auflösen­den Wirkung als Merkurialmittel.
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nachdem die arferielle aktive Aufregung durch Blutentziehungen und Salpeter beseitiget ist, die übrigen Entziindungszufiille noch fortbestehen, so kann das Kalomel auch bei ursprünglich ganz hy-persthenischen Entzündungen eine sehr nützliche Anwendung finden.
Es ist zwar auch bei Entzündnngsliebern mit dem besten Er­folge angewendet worden, zeigt aber seine heilsame Wirkungen am meisten bei den Entzündungen einzelner Gebilde, vorzüglich der serösen und fibrösen Hiiute und der drüsigen Organe, und es hat sich bei Entzündungen des Gehirns, der Gehirnhäute (daher auch bei dem rasenden Koller), bei AugeuentzUudungen mit heftiger Aus-schwitzuns in den Augenkammern (daher bei der sogenannten Mondblindheit), bei Bräune, bei Rippenfell- und Lungenentzündun­gen, bei Leberentzündung, Hauchfellentzündung, Darmentzündung, bei eingeklemmten Brüchen, bei Entzündungen der Hoden, des Eu­ters, der Venen, der Beinhaut u. s. w. in unzähligen Fällen be­währt. — Bei der seit mehreren Jahren unter den Pferden seuchen­artig herrschenden typhösen Lungen- und Leberentziindung (In-Quenza) habe ich das Kalomel, wenn es zur rechten Zeit und mit der nothigen Vorsicht angewendet wurde, als das vorzüglichste in­nerliche Heilmittel kennen gelernt. — Dagegen hat es in der soge­nannten Lungeusenche des Rindviehes, meinen Beobachtungen zu­folge (bei wenigstens 200 Rindern), sich bei weitem nicht so heil­sam gezeigt, wie Dr. Muhrbeck dies gesehen, und wie man es bei der eigenthiunliehen Richtung des Mitteis gegen die abnorme Plastizität erwarten konnte.
Auch bei der Rinderpest, gegen welche (als eine typhöse Ent­zündung) es von Einigen mit scheinbar gutem Erfolge versucht worden ist, hat es sich nicht bewährt.
2)nbsp; Gegen Leberleiden, und zwar (ausser den Entzündungen, wie oben angegeben) a) gegen solche, bei denen die Leber sich in einem Zustande von Reizung befindet, und in Folge dessen die Gallensekretiou zu reichlich, wenigstens weit reichlicher als die freie Exkretion derselben stattfindet, so dass die biliöseu Stoffe re-sorhirt werden und sich im Blute anhäufen, wodurch fehlerhafte Verdauung, Gelbsucht, gastrisch-hiliöse Fieber u. s. w. entstehen. Dieser Zustand kommt hei allen Hausthieren nicht selten vor, bald rein und selbstständig, bald in verschiedenen Komplikationen, z.B. bei dem Dummkollcr, bei dem Tetanus, bei Nervenfiebern und dgl. — b) Das Kalomel ist auch bei solchen Leberkrankheiten nützlich, wo die Leber selbst an Vergrösserung, an Verhärtungen, Stockun­gen u. s. w. leidet.
3)nbsp; Gegen die Erzeugung und Ansammlung von zähem Schleim im Darmkanal, gegen Stockungen in demselben und gegen Hart-
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leibigkeit aus zu geringer Absonderung, -so wie gegen die aus die­sen Zuständen hervorgehenden verschiedenen Krankbeitsfonnen, z. B. Verstopfungskolik, Kongestionen zum Kopfe, sogenannlen Ma­genkoller und dcrgl.
4)nbsp; Gegen Eingeweidewürmer im Darmkaualc ist das Ealomel ein sehr kräftiges Mittel, indem es theils durch eine spezifische Kraft des Quecksilhers gegen das Leben der Thiere von niederer Orga­nisation, theils aber auch als ausluhrendes Mittel wirkt. Ob es-: ge­gen diejenigen Würmer, die ausserhalb des Darmkanals ihren Silz haben, z. B. gegen die Leberegel, gegen die Finnen, die Blasen-würnier im Gehirn der Schafe und dergl etwas leistet — ist noch nicht durch die Erfahrung bewiesen. Ich habe es gegen die Dreh­krankheit der Schafe in jedem Stadium derselben vergebens an­gewendet.
5)nbsp; Gegea Koliken, welche unter den vorgenannten (1—4) Um­ständen auftreten, und zwar immer um so mehr, je mehr die Zu­fälle auf eine entzündliche Reizung der Gedärme oder der Leber deuten.
6)nbsp; nbsp;Gegen Verhärtungen, hauptsächlich in drüsigen Organen, gegen schwarze Knoten und Scirrhus. Das Kalomel hat hier oft noch Auflösung oder wenigstens Minderung bewirkt, besonders wenn die Verhärtungen noch nicht zu sehr alt, oder wenn sie das Produkt von Entzündungen waren.
7j Gegen Wassersüchten und örtliche seröse Ergiessungen, z. B. in den Hirnhöhlen bei dem Dummkoller der Pferde. Das Kalomel ist durch seine die Resorption so kräftig befördernde Wirkung bei diesen Krankheiten eins der vorzüglichsten Heilmittel, wenn sie durch Entzündungen, durch Unterdrückung der normalen oder ge­wohnten Absonderungen, oder durch Verstopfungen in der Leber, Milz, in den Gekrösdrüsen u. s.w. entstanden, und nicht mit einem hohen Grade von Atonie oder mit Kachexie verbunden sind. — Ist aber letzteres der Fall, so ist das Mittel schädlich.
8) Gegen dyskrasische Krankheiten, besonders solche, die mit einem abnormen Zustande der Lymphdrüsen, der Lympbgefasse wesentlich verbunden sind, wie Rotz und Wurm der Pferde, die sogenannte Franzosenkrankheit des Rindviehes, veraltete Räude und Flechten, bösartige Mauke mit schmerzhafter Gesehwulst und dgl. Ich habe von dem Kalomel hei diesen Krankheiten, mit Ausuabme des Rotzes, sehr oft die besten Erfolge gesehen; bei dem letztern bewirkte es aber niemals Besserung, sondern hilufig Verschlimme­rung und schnellen Uebergang in faulige Kachexie. Bei dem Wurm war die Wirkung in einigen Fällen eben so ungünstig, in mehrern
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andern aber recht günstig, — ohne dass ein bedeutender sympto­matischer oder gradueller Unterschied zwischen diesen Fällen bestand.
!)) Auch gegen einige Nervenkrankheiten, namentlich gegen Starrkrampf und gegen die in der neuem Zeit häufiger als sonst vorgekommene Fiillenlähinung ist es als Heilmittel, und gegen die Wuthkrankheit als ein prophylaktisches Mittel in mehrern Fällen mit anscheinend gutem Erfolge angewendet worden.
Aensserlich wird das Kalomel zuweilen gegen sehr schmerz­hafte Flechten, hauptsächlich aber gegen Angenentzündungen, die mit Ausschwitzung von Blut oder plastischer Lymphe im Innern des Auges oder an der durchsichtigen Hornhaut verbunden sind, besonders gegen die sogenannte Moudblindheit und deren Folgen angewendet, und ich kann es hierbei als ein höchst wirksames Mit­tel rühmen.
Allgemeine Gegeuanzeigen gegen die innerliche Anwendung des Kalomels sind: ein hoher Grad von torpider Asthenie, Kache-xie, Neigung zu fauliger Auflösung der Säfte, sehr schwächender Durchfall.
sect;. 628.
Die Gabe ist für Pferde | Drachme, 1^ bis höchstens 2 Drach­men, für Rinder |-, 1 bis 1^ Drachme, für Schafe und Ziegen 4, 8 bis 12 Gran, für Schweine ^ Skrupel, |—1 Drachme, für Hunde 5—10 Grau bis 1 Skrupel. Die grössern und mittlern von diesen Gaben finden ihre Anwendung da, wo man Laxiren erregen will, um entweder den Darmkanal selbst von Schleim, Galle, Würmern oder verhärteten Kothballen zu entleeren, oder um eine Ableitung von heftig entzündeten Organen zu bewirken. Man giebt sie für den erstem Zweck täglich 1 bis 2 mal, in Zwischenzeiten von 8 bis 12 Stunden, — bei heftigen Entziinduugen aber täglich 3 bis 4 mal, in Zwischenzeiten von etwa 3 bis 6 Stunden, — so lange, bis entweder der Krankheitscharakter geändert ist, oder bis ein kluckerndes Geräusch in den Gedärmen (Poltern im Leibe), oder bis weicheres Misten eintritt. Letzteres verbietet in jedem Falle den Fortgebrauch des Mittels, weil sonst der im sect;. 62o. bezeichnete Durchfall mit seinen üblen Folgen sehr leicht entsteht. Dies gilt besonders bei den Wiederkäuern, und hauptsächlich bei Schafen, bei denen man daher mit dem Kalomel höchst vorsichtig sein muss, und namentlich a) die mittlern Gaben nur nach den bezeichneten grössten Zwischenzeiten wiederholen, — und b) die Anwendung niemals länger als durch 1| bis 2 Tage fortsetzen darf.*) Die Vor-
*) Es ist unbegreiflich, wie französische Thierärzlo (z. B. Vatel, Ele'mens, T. //. part. 2. pag. 732, und Moiroud, Mat. mcd.p. Wo.)
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sieht gebietet, dass mau bei Thieren, denen Kalomel gereicht wor­den ist, öfters am Leibe horcht, um das oben erwähnte Geräusch zeitig in demselben wahrnehinen zu können. In den vorgeschrie­benen kleineren Gaben wird das Kalomel täglich 2 bis 3 mal an­gewendet: bei chronischen Krankheiten und wo der Zweck ist, Ver­härtungen und Stockungen aufzulösen, die Sekretionen in den drü­sigen Organen, die Thätigkeit der Lymphgefässe und die Resorption zu befordern, oder eine bessere Beschaffenheit der Dyskrasien zu bewirken.
Man gebraucht das Kalomel für sich allein, d. h. blos mit einem schicklichen Vehikel, z. B. mit schleimigen Mitteln oder mit Süssholzwurzel versetzt, wenn bei Entzündungen der vegetative und lymphatische Charakter rein besteht; ist aber die Irritabilität dabei gleichzeitig stark aufgeregt, so verbindet man es mit Salpeter, mit Glaubersalz oder Doppelsalz; — dagegen bei geringer Energie der Blutgelasse, bei typhösen Entzündungen und bei Schwäche der Verdauungseingeweide ist die Verbindung mit bittern und aroma­tischen Mitteln, — bei hohen Graden des Uebels selbst mit Kam­pher und Terpentinöl nützlich. Wenn das Fieber bei Entzündun­gen einen hohen Grad erreicht, wenn Ausschwitzungen entstehen, und eben so bei wirklichen Wassersuchten hat sich die Verbindung mit Digitalis, oder Tabak, oder Bilsenkraut, sehr wirksam gezeigt, — Bei gastrischen Zuständen giebt man das Kalomel mit bittern oder aromatischen Mitteln, oder wenn man dabei Laxiren erzeugen will, am besten mit der Aloe; eben so, oder auch in Verbindung mit Ofenruss, mit stinkendem Thieröl und dergl. giebt man es ge­gen Würmer, — mit bittern. aromatischen Mitteln, mit Schierling, Ofenruss, Schwefel oder Schwefelspiessglanz und dergl. bei Dys­krasien. Mit Salmiak und andern salzsauren Salzen versetzt man Kalomel nicht gern, weil sich nach Mialhe, Orfila u.A. das Ka­lomel in Aetzsublimat umwandeln soll,*) — was jedoch nach un-sern Versuchen nur unter besondern Umständen zu erfolgen scheint, namentlich in sehr grosser Wärme und wenn man den Salmiak in unverhältnissmässiger Menge (etwa 20 Theile zu 1 Theil Kalomel) mengt.
Die schicklichste Form zur innern Anwendung des Kalomels ist, seiner Unlöslichkeit wegen, die Pillen- und Latwergenform; doch habe ich es bei Wiederkäuern auch zuweilen in einer dick­lichen schleimigen Flüssigkeit (die aber bei dem Eingeben gut um-
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das Kalomel für Rinder in der Gabe ven 1|—2 Unzen vorschreiben kön­nen, ohne die hieraus entstehende Gefahr nur anzudeuten. quot;) Journ. de Cliimio etc. a, a. 0.
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geschüttelt werden muss) gegeben und hierauf eine schnellere Wir­kung als nach der Anwendung in Pillen erfolgen sehen.
Aeusserlich, bei den bezeichneten Augenkrankheiten, wurde es sonst als Pulver in die Augen geblasen; am besten benutzt man es aber in Form eines dünnen Liniments, welches, nach dem Grade des Uebels, aus 1 Drachme Kalomel und 2 bis 4 Drachmen frischen Baumöls (oder Mohnöls und dergl.) durch Zusarnmenreiben be­reitet, und täglich 2 bis 3 mal mit einer Feder reichlich auf die Hornhaut gestrichen wird. Bei grosser Empfindlichkeit des Auges ist der Zusatz von 10 bis 20 Gran Belladonnaextrakt, und bei Reizlosigkeit der Zusatz von eben so viel fein pulverisirtem Opium sehr nützlich. — Gegen Flechten wird es entweder als Salbe (1 Th. Kalomel mit 4 bis 6 Th. Fett oder Butter zusammengerieben) oder in einer (zwar nicht chemisch richtigen, aber wegen ihrer milden Wirkung oft sehr passenden) Mischung mit Kalkwasser (auf 10 bis 12 Theile des letztern 1 Theil Kalomel) zum Waschen und Verbinden, als sogenanntes schwarzes oder mildes phagedä-nisches Wasser {Atjua phagadaenica nigra s. milis) benutzt.
12. Aetzendes salzsaures Quecksilher, ätzender Queck silbersublimat, Aetzsublimat, doppelt Chlorquecksil­ber, Quecksilberchlorid, Byärargyrum muriaticum corrosivüm, Mercurius snblimatus corrosiviis, Bichloretum Uydrargyri, t/ydrargy-runt perchloratum.
sect;. 629. Der Aetzsublimat ist in der Art seiner Bestandtheile ganz über­einstimmend mit dem Kalomel; er unterscheidet sich aber von dem letztern dadurch, dass er mehr Chlor (gegen 26 pr. C.) enthält, und dass er sich in 16 Thfilen kalten und 3 T heilen kochenden Wassers, so wie in 2| Theil kalten und in 1J Theil kochenden Weingeistes, und in 3 Theilen Aethers vollständig auflöst. Der Sublimat wird durch ätzende Alkalien, durch Kalk- und Barytwas­ser und durch Magnesia zersetzt, im aufgelösten Zustande wird er auch durch die Einwirkung des Sonnenlichts und durch viele or­ganische Substanzen, namentlich durch Ei weis, Gummi, Zucker, braunen Syrup (nicht so durch weissen), Extrakte, Opium, Mehl, Kleber, Leim, Osmazom, Oele, Fette, Harze u. s. w. zersetzt, indem diese Substanzen sich in verschiedenen Verhältnissen mit dem Chlor des Sublimats verbinden und das Quecksilber mehr oder weniger zu Chloriir (Kalomel) reduziren. Diese Zersetzungen erfolgen von manchen Substanzen sogleich vollständig, von andern erst nach und nach. Am lebenden Thierkörper verhält sieb das Mittel eben
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so; überall verbindet es sich mit der organisdicii Substanz schnell und macht an wunden Stellen und an den Schleimhäuten zuerst einen weisslichen Ueberzug, der aus Ealomel und chemisch verän­derter organischer Substanz besteht, und dann bewirkt es Zusam-menschniinpfung der Theile; wirkte es aber im conzentrirtcn Zu­stande ein, so verursacht es sogleich Anätzuug, wobei die betroffene Substanz weissgrau, raürb und weich wird, dann aber ebonfalis zusainintnschrumpft und zu einem schwärzlichen Schorf vertrock­net. Ein Theil des Mittels wird resorbirt und bringt in den Säf­ten u. s. w. ähnliche Wirkungen hervor wie die übrigen Merkurial-mittel. Demnach ist der Unterschied in der örtlichen Wirksamkeit zwischen dem Kalomel und dem Sublimat sehr gross; denn der letztere erzeugt an allen organischen Gebilden, auf welche er im konzentrirten Zustande einwirkt, Enfzüiulung, Aetzung und bran­dige Zerstörung, hierdurch die heftigsten Zufälle, und sehr leicht den Tod. Diese Wirkungen scheinen bei innerlicher Anwendung heftiger an fleischfressenden Thieren als an pflanzenfressenden zu sein, — was wahrscheinlich durch die bei beiden Arten verschie­dene Beschaffenheit der Nabrungsstoffe und der Säfte im Darm-kanal bedingt wird. Hunde starben von 4 bis (! Gran des Mittels, nachdem sie sehr heftiges, blutiges Erbrechen, blutige Diarrhöe und zuletzt Lähmung gezeigt hatten, in 7, 12 bis 30 Stunden. — Pferde zeigten nach der durch 6 bis 8 Tage täglich einmal wiederholten Anwendung einer aus 20 bis 30 Gran Sublimat und 3 Unzen Al-theewurzelpulver bestehenden Pille keine sichtbare Veränderung in ihrem Befinden, und mehrere Pferde ertrugen durch 8 Tage anhal­tend täglich 2 solche Gaben, ohne dass eine sichtbare Wirkung er­folgte. Bei andern minderte sich aber, wenn sie in steigender Gabe täglich 1 Skrupel bis 1 Drachme Sublimat in einer Mehlpille er­hielten, nach 4 bis (1 Tagen der Appetit, und hei noch längerem Fortgebrauch trat mit etwa S bis 10 Tagen fast immer sehr ver­mehrtes Uriniren ein. Diese Zufälle minderten und verloren sich bald wieder, wenn man das Mittel durch 1 bis 3 Tage aussetzte, und sie entstanden zuweilen erst nach 3 bis 4 Wochen, wenn man dasselbe gleich vom Anfange an nur jeden 2ten Tag in der Gabe von 1 Skrupel bis •£ Drachme angewendet hatte. Wurde aber der Sublimat den Pferden täglich, von I Skrupel bis zu 2 Drachmen steigend, durch 12 bis 16 Tage (im Ganzen zu 10 bis 15 Drach­men) gegeben, so erfolgte ausser der Appetitlosigkeit und dem star­ken Uriniren auch heiliger, zuletzt blutiger Durchfall, grosso Schwä­che, Fieber mit fauligem Charakter und der Tod. Zuweilen waren in der letzten Zeit auch Symptome von Darmentzündung, Schmer­zen und Krämpfe zugegen. Eine einzelne Gabe von 1 Drachme
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verursachte blos Vermehrung der Pulse um 4 bis 6 in 1 Minute, Kolikschraerzen und stärkere Röthung der Schleimhaut, Nach 2 bis 4 Stunden waren diese Zufälle wieder vorüber. Aber von i Unze Sublimat in 3 Pfund Wasser gelöst, entstand sogleich hef­tiger Kolikschmerz, Recken, starkes Speicheln und in 12 Stunden der Tod (Rysz, Arzneimittellehre, S. 147.). Percivall stieg bei einem Pferde von 10 Gran des Mittels allmäblig bis zur Gabe von 5 Drachmen, wonach es während 4 Tagen schlechter frass und Fie­ber zeigte. Als er hierauf 6 Drachmen gab (so dass im Ganzen 4 Unzen und 12 Gran verbraucht waren), trat Darmentzündung ein, an welcher das Tbier starb. Er hatte das Mittel im Trink­wasser gereicht, zu dessen Genuss das Tbier durch Durst gezwun­gen wurde. — Wenn der Sublimat in flüssiger Form 'eingegeben wurde, oder wenn bei dem Eingeben in Pillen diese nicht sogleich ganz verschluckt, sondern im Maule behalten und gekauet wurden, so entstand jedesmal, selbst nach kleinen Gaben, heftige Reizung, Entzündung und Anätzung der Zunge und anderer Theile im Maule, starkes Speicheln und Verminderung des Futtergenusses. Auf an­dere Weise und als Erscheinung der allgemeinen Wirkung sähe ich vom Sublimat bei Pferden niemals Speichelfluss entstehen. — Aehulich, jedoch etwas stärker, ist die Wirksamkeit des Mittels beim Rindvieh. IS Gran Sublimat in 2 Unzen Mehlteig gehüllt, einer Kuh eingegeben, erregte blos vorübergehend etwas vermehrte Wärme (Gilbert, Atinal. de l'agric. fr. Tom. 3. p. 343.). — Ich sähe bei einer ganz gesunden Kuh nach dem Eingeben von 1 Drachme Sublimat in 6 Unzen dcstillirten Wassers gelöst, Husten, öfters Rülpsen, etwas Geifern aus dem Maule und Verminderung des Ap­petits entstehen; aber das Wiederkäuen schien ungestört fortzube­stehen, und am folgenden Tage waren auch die übrigen Zufälle wieder vorüber. Nach 5 Tagen erhielt diese Kuh. bei vollkomme­nem Wohlsein 2 Drachmen des Mittels in 1 Pfund destillirtem Wasser, worauf sogleich wieder Geifern und Rülpsen eintrat, das Fressen und Wiederkäuen aber erst am folgenden Tage nachliess, wo zugleich sehr kleiner, vermehrter Puls, schnelleres, etwas be­schwerliches Athmen und weicheres Misten entstand. In den näch­sten Tagen verschwand die Fresslust gänzlich, der Koth war sehr dünn, stinkend und blutig, das Athmen noch beschwerlich, das Fieber vermehrt, die Mattigkeit gross, das Tbier lag viel, magerte sichtbar ab, und starb am 14ten Tage. — Schafe ertrugen 12 Gran und selbst 24 Gran Sublimat in einer Mehlpille, ohne dass die ge­ringste Wirkung entstand (Gilbert a. a. 0, p. 345. 347.); aber von 1 Drachme starb bei meinen Versuchen ein Schaf in weniger als 12 Stunden.
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Durch Einspritzungen in die Halsvene entstand bei mehrern Pferden von 3 bis 6 Gran Sublimat, in 3 bis G Drachmen destil-lirten Wassers gelöst, blos eine geringe Vermehrung draquo;r Pulse um 4 Schläge in der Minute und durch etwa 15 Minuten dauernd; andere Zufalle waren selbst dann nicht zu bemerken, als die Pferde durch solche täglich wiederholte Einspritzungen nach und nach 1 Drachme Sublimat in die Blutmasse erhalten hatten. Es entstan­den aber fast immer Aderfisteln (Viborg, Veterin. Selsk. Skrift. 2r. Deel. S. 375.)- — Bei einem Hunde verursachten 5 Gran Subli­mat, in 1^ Unze Wassers gelost und in die Drosselveno injizirt, sogleich Kurzathmigkeit, grossen Schmerz, Abgang von Urin, und in wenigen Stunden den Tod; —und ein anderer starb unter den­selben Zufallen nach der Injektion von nur | Gran Sublimat in 5| Stunde (Gaspard in Orfila's Toxikologie, Bd. I. S. 228,).
In Wunden und Geschwüren wirkt der Sublimat, obgleich er durch die organischen Flüssigkeiten zersetzt wird, in verdünnter Auflösung (1 bis 3 Gran auf 1 Unze Wasser) angewendet, rei­zend, die Lebensthiltigkeit der absondernden und der aufsaugenden Organe steigernd und qualitativ umstimmend; mehr conzentrirt (4 bis 10 Gran auf 1 Unze Wasser), verursacht er Entzündung, und in ganz conzentrirter Auflösung (z. B. 1 Drachme auf-j Unze Wasser), noch mehr aber im reinen Zustande wirkt er ätzend und zerstörend. Er geht dabei durch Absorption in die Blutmasse über und verursacht, wenn die conzentrirte Anwendung etwas reichlich geschieht, Entzündung des Magens, des Darmkanals, des Bauch­fells und des Herzens, und dadurch den Tod. Mehrere Hunde star­ben nach 1 bis 5 Tagen, als ihnen 3 bis G Gran Sublimat in Wun­den auf das Zellgewebe des Schenkels oder des Rückens gebracht worden. — Aehnlich wie auf wunde Stellen, aber weit schwächer, wirkt der Sublimat auch auf die unverletzte Haut, und namentlich findet nur eine geringe Absorption durch dieselbe statt.
Bei der Sektion der durch Sublimat getödteten Thiere findet man, derselbe mag auf die eine oder auf die andere Weise zu reich­lich in den Körper gebracht worden sein, hauptsächlich die Schleim­haut des Magens und Darmkanals, das Herz, die Lungen, zuwei­len auch die Nieren entzündet, mit rothen oder schwarzen Flecken versehen, die genannte Schleimhaut auch zuweilen zerstört. Am stärksten sind diese Veränderungen an den von dem Sublimat un­mittelbar berührten Theilen.
Aus Allem ergiebt sich: dass der Sublimat zwar der Art nach im Wesentlichen wie die übrigen Quceksilbermittel wirkt, aber mehr als andere die Urinsekretion befördert, dass er sie alle an Aetzkraft übertrifft, und hierdurch sehr leicht tödtliche Wirkungen erzeugt,
llertwig Arzneimilltltelm',nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;4G
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und dass er weit weniger als das Kalomel sichtbar ilie Plastizität im Organismus mindert.
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Für die innerliche Anwendung dieses heiligen Mittels gegen Krankheiten der Hausthiere giebt es bis jetzt eigentlich keine sichere Indikationen, sondern man hat dasselbe mehrentheils nur empirisch gegen Rotz, Wurm, bösartige Druse, veraltete Räude, dergleichen Flechten und Mauke, gegen heftige Ruhr, namcutlich der Lämmer, und gegen den Koller bei Pferden versucht. Bei dem letztern hat es nach Kersting's Beobachtung (Nachgel. Manuskripte, S. 213.) oft gute Dienste geleistet, und ich habe es ebenfalls in mehreren Fällen mit Nutzen augewendet, wenn das Uebel veraltet und mit einem krankhaften Zustande der Leber verbunden war. Bei dem Wurm und bei veralteten Hautkrankheiten hat sich der Sublimat häufig als sehr nützlich gezeigt, und ist besonders vou Hurel und Hübner empfohlen; doch darf ein cachektischer, fieberhafter Zu­stand nicht zugegen sein Die Heilung des Ro(zes hat er aber in keinem vollständig entwickelten Falle befördert, selbst nicht bei der durch ein ganzes Jahr fortgesetzten Auwendung (Viborg a.a.O.); dagegen hat er (wie Quecksilbermittel überhaupt) sehr oft eine sichtbare Verschlimmerung des Uebels bewirkt.
Man giebt den .Sublimat Pferden und Rindern von G, 10 bis höchstens 20 Gran, Schweinen 1 bis 3 Gran, Schafen und Hunden | bis 1 Gran, täglich 1 bis höchstens 2 mal, am besten in Pillen oder in Auflösung. Die letztere kann 1 Gran Sublimat in 1 Unze Flüssigkeit enthalten, und das Auflösen kann zweckmässig zuerst mit etwa 50 Theilen Weingeist geschehen. Gegen die Ruhr der Schafe gab Departeuients-Thierarzt Hildcbrandt in homöopathi­scher Verdünnung von der 4ten Potenz 30 Tropfen (also etwa tskWo Grau) pro dosi. — Bei der Bereitung der Pillen muss der Sublimat erst mit der nöthigen Menge Wassers aufgelöst werden, ehe man ihn mit den übrigen Substanzen verbindet. Diese letz­teren sind rein schleimige, bittere oder gelind aromatische und nar­kotische Mittel; als die zweckmässigsten Vehikel betrachtet man Altheeschleim und Succus Liqairitiae; dagegen sind Mehl, Eiweis und Alkalien unpassende Zusätze.
Der Gebrauch dieses Mittels ist fast immer für längere Zeit nothig; dabei muss aber das kranke Thier gegen Erkältung ge­schützt und mit leicht verdaulichem Futter hinreichend versehen werden. — Entstehen Speichelfluss, Verlust des Appetits, Kolikzu­falle, Diarrhöe oder Fieber, so muss das Mittel sogleich ausgesetzt werden, — was auch blos aus Vorsicht an jedem 3 ten oder 4 ten Tag geschehen kann.
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Aeusserlich wird der Sublimat angewendet:
1) als Aetzmittel bei bösartigen Warzen, bei dem Strahl­krebs und bei kariösen Geschwüren des Hutknorpels (bei den so­genannten Kuorpelfisteln), bei dem sogenannten Nageltritt, wenn die Hnfheinsbcngesehne und deren Scheide, oder selbst das Strahl­hein und das Hnfgelenk mit verletzt ist, und wenn nach gehöriger Erweiterung der Wunde nach zweckmässiger Behandlung dieselbe sich nicht schliesst, sondern zu einer Fistel umwandelt; — dann auch zum Bestreichen der Kastrirkluppeu. Die Anwendung als Aetzmittel geschieht entweder in Substanz, oder in Form einer ton-zeutrirteu Auflösung in destillirtem Wasser (1 bis 2 Drachmen auf 1 Unze des letztem), — oder in einer consistenten, salbenartigtn Mengung (eine sogenannte Paste) aus; Sublimat 2 Drachmen, pul-verisirtem arabischem Gummi und Wasser, von jedem 1 Skrupel. — Bei Warzen ist derselbe durch das Messer, das Glüheisen u. a. Mittel mehreutheils zu ersetzen; will man aber in hartnäckigen Fäl­len die krankhafte Bilduugsthätigkcit vom Grunde aus umstimmen, so ist, wie der Arsenik, auch der Sublimat hierzu ganz geeignet. Eben so wirkt er bei dem Strahlkrebs und bei Knorpelfisteln nicht blos zerstörend, sondern auch eigenthümlich umstimmend. Die An­wendung geschieht täglich 1 bis 2 mal, durch etwa 2 Tage, bis ein Schorf entstanden ist. — Bei Knorpelfisteln soll laquo;ach Girard (Recueil veterin. Tom. II. p. 1S5. etc.) am zweckmässigsten ein ke­gelförmig geschnittenes Sublimatstückchen, 5 bis 6 Linien lang und an der Basis 3 bis 4 Linien breit, bis auf den Grund der vorher gehörig erweiterten Fisteln gebracht werden und mit dem darüber gelegten Verbände durch 5 bis 6 Tage unberührt liegen bleiben: es bildet sich ein schwärzlicher Schorf, der sich langsam (nach 14 Tagen) ahstösst, und worauf hei ganz einfacher Behandlung (von Zeit zu Zeit ein Fussbad) die Heilung in 30 bis 40 Tagen voll­ständig erfolgt. Ich sähe in mehrern Fällen denselben Erfolg, in andern aber die Heilung erst sehr spät eintreten. Jetzt wende ich mit Nutzen in die vorher etwas erweiterte Knorpelfistel mehrentheils ein Stückchen von einem wollenen Faden an, welcher in conzentrir-ter Suhliniatauflösung getränkt und wieder getrocknet ist. — Bei den oben bezeichneten Nageltritten hat Professor Roy in Lyon den Sublimat ganz auf dieselbe Weise wie Girard bei der Knorpel-fistel angewendet. Der Aetzschorf sass gewöhylich 4 Wochen, hiu-terliess nach dem Abfallen eine reine Wunde und die Heilung er­folgte in 6 bis S Wochen nach der Applikation des Mittels. Die üblen Zufalle, welche bei diesen Verletzungen fast immer bestehen (Appetitverlust, heftiges Reizfieber, grosse Schmerzen und Lahm-
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heit imd ilergl.) verloren sich gewöhnlich in 8 Tagen; geschieht dies nicht, so ist es ein Zeichen, dass der Sublimat nicht alles Ent­artete des Sehneugewebes zerstört hat, und dass die Heilung durch ihn kaum erfolgen werde (Recueil de med. veter. Vol. XX. p. 128., und Joum. de med. vet. de Lyon, T. 2. p. 113.). Zum Bestrei­chen der Kastrirkluppen wird der Sublimat (1 Theil) in einem Teige aus Stärkemehl (2 Theile) und Wasser q. s. benutzt. Er leistet nicht mehr als der Kupfervitriol, verursacht aber oft bösar­tige Entzündung, Eiterung und Verhärtung des Samenstranges, und ich empfehle ihn daher nicht.
2)nbsp; Als umstimmendes und Heilmittel bei veralteten Fisteln und Geschwüren, ia denen zu geringe Thätigkeit, wenig Empfindlich­keit und sehr stinkende Jaucbeabsouderuug besteht, namentlich bei dergleichen Genickfisteln, Widerristfisteln, Knorpelfisteln, bei Wurra-geschwüren, bei veralteter Mauke und Klauenweb. Man wendet hier den Sublimat in Auflösungen von 5 bis 10 Gran auf 1 Unze Wasser zum Verbinden und zum Einspritzen, täglich oder jeden 2ten Tag einmal an. — Ist die Empfiiidlichkeit nicht vermindert, so verdient die Verbindung dos Sublimats mit Kalkwasser (1 bis 3 Gran auf 1 Unze des letztern, nach der Preuss. Pharmakopöe jt Gran auf 1 Unze) als sogenannles gelbes phagedänisches Wasser, Aqua phagedaenha luteu, den Vorzug vor der einfachen Sublimatauflösung. — Die französischen Thierärzte benutzen unter dem Namen: „Pommade arsenicale de Naples1' gegen den Wurm zuweilen eine sehr scharf und ätzend wirkende Salbe, welche nach der dortigen Veterinär-Pharmakopöe besteht, ans: IJydrurg. muriatic, enrros. und Aarum pigment, ana 1% Unze, Arsenic, alb. 1 Unze, Gumm. Eaplwrb. 6 Drachmen, Ol. Laurin. 7 Unzen. M. Sie wird ein- oder zweimal in Zwischenzeiten von 8—10 Tagen dünn auf die Wurmbeulen, Wurmgeschwüre und die verdickten Lymphgefässe gestrichen. — Sehr ähnlich ist das von dem Apotheker Terrat in neuerer Zeit gegen den Wurm so sehr gepriesene, und von ihm selbst mit dem Namen: „Topique Terratquot; benannte Mittel. Das­selbe ist zusammengesetzt aus: llydrarg. murint. corros. 1 Unze, Arsenic, alb \ Unze, Aurum pigment. 5 Drachmen und 4 Gran (19 Grammen), Euphorb. \ Unze, Ol, Laurin. 4 Unzen. M. Beide Mit­tel sind in Deutschland nicht gebräuchlich und auch wohl zu ent­behren. —
3)nbsp; Bei hartnäckiger Räude und bei dergleichen Flechten. Der Sublimat übertrifft bei diesen Hautkrankheiten fast alle andere Mit­tel an Wirksamkeit, indem er schnell austrocknet, die Räudemilben tödtet, den Ansteckungsstotf vernichtet und die regelmässige Wie-derbildung der Haut befördert. Er wird hier entweder als einfache
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Auflösung in Wasser, in Tabaksdekokt und dcrgl. Mitteln (6 bis 12 Gran auf 1 Pfund Flüssigkeit), oder noch mit verschiedenarti­gen Zusätzen von Kali (Asclienlauge), Ealkwasser (als phagedä-nisches Wasser), Salmiak und dergl. angewendet, wie z. B. in fol­gender Mischung, die sich in mehrern Fällen hei veralteter Schaf­räude sehr heilsam gezeigt hat: man zieht von 10 Scheffeln Asche mit dem nothigen Wasser 300 Quart Vorlauge und GOO Quart Nach­lauge, kocht letztere mit 1^ Centner ordinärem Tabak bis auf 300 Quart ein, mengt diese Abkochung mit der Vorlauge, und löst dann in der ganzen Flüssigkeit 4 bis 5 Unzen Sublimat, then so viel Salmiak und 10 Pfd. Potascbe.*) Hiermit betupft oder wäscht man lauwarm die räudigen Stellen gründlich, nachdem sie durch Seifenwasser und mit einem passenden Instrumente (z. B. mit einer scharfen Bürste, mit einem stumpfen Messer u. dgl.) von Schimtz und Schorfen gründlich befreiet worden. Das Waschen wird nach Zwischenzeiten von 8 Tagen ein- auch zweimal wiederholt.
4)nbsp; Bei torpiden Geschwülsten, z. B. bei Brustbenlen, Stollheu­len, Piepbacken, Hasenhacken, Gallen und dcrgl., benutzen manche Thierärzte den Sublimat auf die S. 324. angegebene Weise, in Ver­bindung mit S, 12 bis IG Theilen Terpentin, um Ausschwitzung und Zertheilung zu bewirken. — Gegen Basenhacken hat man un­längst navh der Vorschrift englischer Jagdliebhaber eine Auflösung des Sublimats (2 Drachmen) in Weingeist (1 Unze) empfohlen. Man soll diese Auflösung mit einem Kork auf die kranke Stelle bringen, 1 Minute lang einreiben und dies den 3teii Tag wieder­holen. Die Haare fallen hiernach zum Theil aus, wachsen aber wieder; die Hasenhacke vergeht nicht ganz, aber die Lahmheit ver schwindet. Das Thicr kann während der Kur gebraucht werden. Eine öftere oder reichlichere Anwendung bewirkt Aetzung.
5)nbsp; Bei Augenentzündtmgen, bei Flecken und Verdunkelungen der Hornhaut ist der Sublimat unter ähnlichen Umständen, wo der rothe Präzipitat passend sein würde (S. 710.), die Salbenform aber
*) Das Ganze ist für 300 Scliafe berechnet, so dass also auf das Stück 8 Gran, und auf das Quart Klüssigkeil nur i Gran von dum hin­zugesetzten Sublimat kommen; derselbe bestellt jedoch nicht mehr als solcher, sondern er ist, wie der Salmiak etc., zersetzt, und die Flüssig­keit enthüll: gelbes Quecksilberoxydhydrat, basisches kohlensaures Ani-moni.ik, salzsauros Kali und kohlensaures Kali (letzteres 9 Pfund und über 9 Unzen). Ihre Wirkungen sind datier scllr mild und ganz ohne Gefahr, sowohl für die Thiere selbst, wie auch für die Menschen, die das Waschen ausführen; denn nach v. Wedekind's Erfahrung können Menschen ganze Bader von föö bis tSO Maass Wasser und 2 Drachmen bis \ Unze Sublimat ohne Nachtheil gebraueben.
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uioht zweckmiissig ist, ein vorzügliches Zertheilungsinittd. Man nimmt | bis 1 Gran Sublimat auf 1 Unze Flieder- oder Kamillen-Infusum, setzt, wenn es nöthig ist, noch 10 bis 15 Tropfen Opium-tinktnr hinzu, und lässt das Augemvasser täglich 4 bis 6 mal lau­warm anwenden.
6) Gegen Läuse, Holzbücke und dergi. Ungeziefer ist der Su blimat, als Waschmittel (wie sub 'S) angewendet, von ausgezeich­neter Wirksamkeit.')
Anmerkung. Ausscr den genannten Quecksilbermitteln ver­dienen noch folgende, wenig gebräuchliche Präparate einer kurzen Erwähnung:
a)nbsp; nbsp; Schwarzes Scbwefelquecksilber, mineralischer Mohr (Hydrargyrum sulphuralum nigrum, Aelhiops miueralis); ein blosses Gemenge von gleichen Theilen Quecksilber und Schwefel, durch sehr vollständiges Zusamraenrciben beider mit etwas Wasser bereitet, ist von sehr milder Wirksamkeit, die vorzüglich auf Erre­gung des Lymphgefässystems und der Hautausdünstung gerichtet, bei lange fortgesetzter Anwendung aber sehr schwächend ist; es wird bei veralteter Druse, Räude und dergl. Krankheiten den Pfer­den und Rindern zu 2 bis 4 Drachmen, Schweinen zu 1 Skrupel bis 1 Drachme, Hunden •£ Skrupel bis ^ Drachme täglich 2 mal in Pillen und Latwergen gegeben. — Mit ü bis 8 Theilen Fett oder grüner Seife zur Salbe gemacht ist es gegen Räude und Flechten sehr wirksam.
b)nbsp; Rothes Schwefelquecksilber, Zinnober (Bitulpkure-
tum IlyJrargyrl, Hydrargyrum sulphuralum rulirum, Cinnaamp;aris), ent­hält mehr Schwefel als das vorige Mittel, wirkt stärker erregend und bei weitem nicht so schwächend wie dieses; nach Walditi­ger's Ansicht (Abhandl. über den Schwefel und seine Verbindun­gen u. s. w. S. 97.), soll die Wirkung der des rohen Spiessglan-zes ähnlich sein. Er wird innerlich wie das vorige Mittel ange­wendet, ist aber durch den viel wohlfeileren Spiessglanz zu ersetzen. Tausch empfahl, dass man ihn bei der Lungenwürmerseuche der Lämmer auf einem erhilzten Eisenblech verdampfen und die Thierc diese Dämpfe einathmen lassen soll; Lowak sähe hiervon keinen
*) Bei der Anwendung des Sublimats im eonzenlriilen Zustande ist immer dieselbe Vorsicht niilliig, welche bei scharfen und jilzenden Sub­stanzen überhaupt boobachlet weiden mnss (z. B. bei Kanlhariden S. 389, Arsenik S. 6U4 u. ferner), — In medizinal-polizeilicher Hinsicht mnss der Sublimat nächst dem Arsenik für das slärksle tinier den scharfen mineralischen Uiflen betrachlet werden, und es gelten daher bei seiner Aufbewahrung u. s. w. alle Vorsicblsmaassregehi, welche bei dem Arse­nik S. 069. in der Anmerkung angedeutet sind.
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Nutzen. Derselbe bemerkt auch ganz richtig, dass man diese Dämpfe viel wohlfeiler aus einem blossen Gemenge von Schwefel und ro­hem Quecksilber bereiten könne (Magaz. für Thierheilk. v. Gurlt und Hertwig. Bd. 3. S. 373. Bd. 4. S. 473.). Aeusserlich dient er nur als ein Bestandtheil des Cosmeschen Pulvers (S 6G3.).
c)nbsp; nbsp;Schwefelspiessglanz - Quecksilber , Spiessglanz-mohr (Hydrargyrum et Stibium su/phurata, Hydrargyrum slibialo-sulpliuraium, Aethiops antimonlalis). Dieses Präparat wird nach ver­schiedeneu Phannakopüen bald durch Zusammenreiben voi; Schwe­felspiessglanz mit metallischem Quecksilber (PLarmac. Bavtr. Ros-sica, universal, etc.), bald noch mit Zusatz von Schwefel zu diesen beiden Substanzen (Pharmac. Borussica, Hannov. Saxonica) berei­tet. Im erstem Falle ist es blos ein Gemenge von Schwefelantimon und getödtetem metallischem Quecksilber, — im andern aber ein Gemenge von Schwefelanfimon, Schwefelquecksilber und überflüssi­gem Schwefel. Beide Präparate müssen etwas verschieden von ein­ander wirken, was noch nicht genügend untersucht ist. Im Allge­meinen ist aber die Wirkung sehr ähnlich der des vorigen Präpa­rats, was eben so von der Gabe und dem Gebrauch gilt.
d)nbsp; Schwarzes Quecksilberoxydul, Hahnemann's auf­lösliches Quecksilber (Hydrargyrum oxydulatum nigrum, Mer-curius solabilis llahnemanni, Kitras ammonicus cum O-rydo hydrar-gyroso), aus Quccksilberoxydul und salpetersaurem Ammoniak be­stehend. Nach Waldinger (über Nahrungs- und Heilmittel der Pferde, S. 301.) soll es sehr auf den Darmkanal wirken und bei Pferden schon zu 5 bis 10 Gran weicheres Misten erregen, sehr schwächen und bei fortgesetzter Anwendung den fauligen Zustand herbeiführen; ich sähe diese Wirkung nur nach Gaben von 2 Drach­men bis sect; Unze erfolgen, und Rysz bemerkte entgegengesetzt nach der Anwendung des Mittels zu 10 Gran bis 2 Drachmen durch 8 bis 14 Tage guten Appetit, Abgang von trockenem, gut verdautem Koth und zuweilen Speichelüuss. Der Gebrauch soll überall nütz­lich sein, wo das versüsstc Quecksilber angezeigt ist. Man giebt das Mittel Pferden und Rindern von 5 —2 Drachmen, Schweinen von 6 bis 15 Gran, Hunden von 4 bis 10 Gran — täglich 2 mal in Pillen, Latwergen, oder in schleimigen Flüssigkeiten.
e)nbsp; Salzsaures Ammoniakquecksilber, weisser Präzi-pitat (Hydrargyrum amidato-biclilorafum, Hydrargyrum ammoniulu-muriatirum, Hydrorhloras ammoniacus cum Oxyde hydrargyrico, Mer-curius praeeipitalus albus), aus Quecksilberoxyd und Salmiak beste­hend, milder als Sublimat und rother Präzipitat, aber stärker rei­zend als das Kalomel, wird nur äusserlich bei chronischem Augen • liderschleimfluss, bei Flecken und Verdunkelungen der Hornhaut
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(1 bis 10 Grau zu 1 Drachme Fett), bei Flechten und veralteter Mauke als Salbe (1 Theil mit S TLeilen Fett) täglich 1 bis 2 mal angewendet. Gegen die sogen. Fetträude der Hunde ist er ein wahres Spezifikum; ich lasse hier von ihm 1 Theil mit 6 bis 8 Theilen grauer Salbe gemengt, jeden 3teu Tag einmal einreiben. Sehr oft heilt das Uebel nach 2maligcr Anwendung des Mittels.
f)nbsp; nbsp;Einfach Jodquecksilber, gelbes Jodquecksilber, Protiodiir des Quecksilbers (llytlrargyrum iodalum Jlmmm, Hydrarg. suiiodafum, Mercurius iodiilas Jlavus, Jodelum hydrargyro-sum) — durch Zusammenreiben von reinem Quecksilber (^ Unze) mit Jod (2 Drachmen) bereitet; — und:
g)nbsp; Doppelt Jodquecksilber, rothes Jodquecksilber, Deutoiodür des Quecksilbers, Quecksilberiodid, (Hydrar-pyrum liiodulum nilirum, Mercurius iodatus ruber, Biiodetum lly-drargyri, Hydrargyrum pertodalum. Jodelum hydrarpyricum) — be­reitet durch Fällen einer Sublimatlosung (i Unze Sublimat in 8 Unzen Wasser) durch Jodkali (10 Drachmen) und 4 Unzen Was­ser n. s. w.
Beide Präparate gehören zu den kräftigsten auflösenden, re-sorbirenden und zertheilenden Mitteln. Das erstere wirkt jedoch bedeutend milder als das letztere. Sie sind erst in der neuesten Zeit in Aufnahme gekommen, innerlich noch fast gar nicht ge­prüft, äusserlich aber von den englischen Thierärzten (namentlich zuerst von Hugh Ferguson, Wills und Lord, s. Veterinarian, XII. p. £02., XV. p. 137., und Abstract of the Proceding etc. 1840. p. 217.) gegen Gallen, Piephacken, Sebnenverhärtnngeu, chronische Drüsengeschwülste, Aderfistelu, Knochenauftreibungen, Ueberbeine, Schale, Späth, Hasenbackeu und dergl. Uebel, hei denen die Erre­gung oder Beförderung der Resorption nothig ist, angewendet. Ich kann den grossen Nutzen dieser Mittel hierbei aus eigener Erfah­rung bestätigen, und muss nur bedauern, dass der hohe Preis der­selben sehr oft ihre fortgesetzte Anwendung hindert. Letztere ge­schieht von beiden Mitteln in Salben, die man, je nach dem Grade der Empfindlichkeit, der Härte und der Hartnäckigkeit des krank­haften Zustandes in verschiedener Stärke von 20 Gran bis 2 Drach­men auf 1 Unze Fett (oder grüne Seife oder Merkurialsalbe) be­reitet und täglich 1 oder 2 mal massig einreibt. Die Salbe von dem einfachen Jodquecksilber macht nur eine geringe Irritation der Haut, und kann deshalb immer mehrere Tage fortgesetzt werden; dagegen die von dem Doppel-Jodquecksilber, namentlich in der starkem Zusammensetzung, sehr starke Reizung, Entzündung, Aus-schwilziing, selbst Bläschen, Schorfbildung, selbst Ausfallen der Haare erzeugt, und deshalb gewöhnlich nur 1 bis 2 mal hinter
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einander und dann erst wieder nach dem Aufhören dieser Wir­kungen angewendet werden kann. Die Haare wachsen immer schnell wieder.
G. Silber, Argentum.
13. Geschmolzenes salpetersaurcs Silberoxyd, Höllen­stein, Argenlum nilrirum fusum, Nitras urgenlicus fusus, Lapis infernalis.
sect;. 632. Dieses, aus GS pr. C. Silberoxyd und 32 pr. C. Salpetersäure bestehende Silbersalz löst sich leicht in gleichen Theilen kalten Was­sers und in der 4 fachen Menge kochenden Alkohols auf. Das Mit­tel ist sehr leicht zersetzbar, selbst schon durch das Sonnenlicht, und eben so durch fast alle organische Substanzen, indem die in ihnen befindlichen Chlorverbindungen schnell mit dem Silber unlös­liches Chlorsilber (Hornsilber) bilden. Ausserdem geht das Salpe­tersäure Silber mit den proteinhaltigen Flüssigkeiten Verbindungen ein, gelangt so in das Blut und bewirkt dadurch in diesem eine geringere Aflinität für den Sauerstoff, — wie dies die lange Dauer der dunklen Farbe des mit dem Mittel gemengten Blutes an der freien Luft beweiset. — Für sich allein oder in conzentrirter Auf­lösung (1 Theil auf 12 bis 20 Theile destilliden Wassers) auf den Thierkörpcr gebracht, wirkt es als ein starkes Aetzmittel, und zwar ganz eigenthümlich so, dass es die Organisation sehr schnell zer­stört und dabei heftigen Schmerz, jedoch nur für kurze Zeit, er­regt, dass es seine, Aetzkraft immer nur oberflächlich und genau auf die Stelle der Anwendung beschränkt, daher auch nur dünne und begränzte Schorfe bildet, und dass es eben so nur eine ober­flächliche und in der Umgebung der geätzten Stelle beschränkte Entzündung verursacht. Diese Entzündung hat stets einen arte­riellen (asthenischen) Charakter, und führt einen gutartigen Eite-rungs- und Granulationsprozess herbei. Die ätzende Wirkung er­folgt auf trockenen Flächen von dem reinen Höllenstein nur sehr schwach, und derselbe muss daher vor der Anwendung etwas be­feuchtet werden; an reichlich sezernirenden Stellen ist sie ebenfalls nur schwach, weil das Mittel durch die zu grosse Menge der ab­gesonderten Flüssigkeit zu sehr verdünnt wird. Eine Eigenthüm-lichkeit ist es, dass die mit Höllenstein geäfzten Theile an der Ober­fläche zuerst weiss, dann rothgrau oder rothbraun und zuletzt schwarz werden. Sowohl diese weisse Farbe wie auch die auf die Oberfläche beschränkte Aefzimg entstehen durch die Verbindung des Silbers
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mit dem in der thierischen Materie befindlichen Chlor zu sogenann­tem Hornsilber, die dunkele Färbung dagegen durch die alimähiige Zersetzung des letztern vermöge des Sonnenlichts. — In verdünn­ten Auflösungen angewendet bewirkt der Höllenstein, nach dem Grade der stärkern oder schwachem Verdünnung, bald blosse Rei­zung in verschiedenen Graden, bald die vorhin bezeichnete Entzün­dung, jedoch ohne Aetzung. Auf der Haut (und eben so an den Haaren) entsteht durch solche Auflösungen je nach dem Grade der Conzentration auch verhältuissmässig eine rothe oder schwarze Fär­bung. Geschieht die Anwendung auf Wunden oder Geschwüre, so nimmt die Oberfläche eine dunkelrothe Farbe an, die Granula­tion wird fester, und, wenn sie träge war, auch lebhafter; der Eiter wird consistent, die Empfindlichkeit vermehrt. Vielleicht durch die Einwirkung der frei gewordenen Salpetersäure? — Ein Ueber-gang des Höllensteins in die Säfte scheint bei der örtlichen Anwen­dung desselben niemals zu erfolgen.
Innerlich in kleinen Gaben und gehörig verdünnt eingegeben wirkt der Höllenstein eigenthümlich tonisirend und gelind reizend auf die Schleimhaut des Magens und des Darmkanals, vermehrt die kreisförmige Zusammenziehung desselben und vermindert die Sekretionen. Im conzenfrirten Zustande und in starken Gaben ein­gegeben verursacht dies Mittel Anätzung, Entzündung und Auf­lockerung der Schleimhaut des Magens, dabei heftige Schmerzen, Erbrechen, grosse Schwäche, beschwerliches Athmen und den Tod. Letzterer trat bei einzelnen kleinen Hunden schon nach einer Gabe von 12 bis 20 Gran ein, andere aber ertrugen 4 Tage nach einan­der täglich 1 Drachme, ohne dass tödtliche Zufälle oder Magen­entzündung entstanden. Schafe ertrugen 1 Drachme, und Kanin­chen 10 Gran ohne irgend dauernden Nachfheil. (S. Dr. Kr ah­mer: das Silber als Arzneimittel betrachtet. Halle 1845.)
Einspritzungen in die Halsveue, bei Hunden von #9632;£ bis | Gran des Mittels und 2 Drachmen Wassers gemacht führten schnell Er­stickungszufälle, Convulsionen, und nach 6 Stunden den Tod her­bei. Von 2 Gran starben die Thiere unter denselben Zufällen schon nach G Minuten (Orfila).
sect;. 633.
Das salpetersaure Silberoxyd hat erst in neuer Zeit eine An­wendung als innerliches Arzneimittel gefunden, und zwar gegen solche Diarrhöen, welche mit Erschlaffung, Schwäche, typhöser Ent­zündung der Magen- und Darmschleimhaut verbunden sind, wie auch gegen Kolik, welche auf dem letztern Zustande beruhet (Ger­lach, im Mag. für Thierheilk. XII. S. 418.). Das Mittel wirkt hierbei ausgezeichnet schnell und sicher, und ist gewöhnlich in 2
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bis 3 Gaben tiiglicb, nach Zwischenzeiten von 3—6 Stunden an­gewendet, genügend. Man giebt es den Pferden und Rindern zu 8—15 Gran in 4 Unzen destiliirteu Wassers gelöst, — Schafen, Ziegen und Schweinen zu 2-4 Gran, in 2 Unzen Wasser, — Hun­den ^—1 Gran in ^—2 Drachmen Wasser, ohne Zusätze vcn an­deren Mitteln. Dagegen benutzt man es äusserlich ziemlich häufig, und zwar: 1) um oberflächliche Afterproiluktionen und schlatTe, üp­pige Granulation in einem genau begränzten Umfange z'i zerstö­ren; 2) um an schlecht eiternden Flächen, an Wund- und Geschwürs-rändern einen normalen Bildungsprozess zu erregen; und 3) um in getrennten Weichgehilden schnell eine adhäsive Entzündung und Verwachsung, oder wenigstens die Verschlicssung offener Stellen durch einen schnell gebildeten Schorf zu bewirken, z. B. bei Wun­den der Eapselbändcr und der Sehnenscheiden, bei Speichelflsteln und bei Harnröhrenfisteln. — Die erstereu beiden Indikationen fin­den sich vorzüglich bei Geschwüren, und der Höllenstein ist daher bei ihnen ein fast allgemein passendes und ganz vortreflliches Heil­mittel, besonders aber, wenn sie mit kallösen Rändern, mit schwam­miger Granulation und mit übermässiger Jaucheabsonderung ver­sehen sind, — oder wenn die Granulation sehr langsam wächst, die Geschwürfläche glatt, hart und wenig empfindlich ist, — oder wo zwar die Granulation bis zur Höhe der Geschwürsränder her­vorgewachsen ist, die Vernarbung aber nicht erfolgen will. Bei unreinen Geschwüren der Hornhaut, bei Augenfellen, bei dicken, dunklen Narben und bei eben solchen Flecken der Hornhaut ist der Höllenstein das fast allein brauchbare Aetzmittel, weil er sich leicht und mit Genauigkeit auf einen kleinen Punkt appliziren lässt, und weil seine Wirkung sich nur auf diesen Punkt beschränkt. — Bei Knorpclfisteln sähe ich von seiner Anwendung, wenn die äussern Theile des Hufes durch das Messer entfernt waren, öfter und schnel­ler die Heilung erfolgen als nach der des Sublimats.
Zum Zerstören grosser Aftergebilde oder dicker Kallositäten, und eben so zum Aetzen der Wunden, die durch den Biss von tollen Hunden entstanden sind, ist aber der Höllenstein wegen sei­ner oberflächlichen Wirkung nicht zweckmässig.
Man wendet ihn, den verschiedenen Zwecken entsprechend, so wohl im conzentrirten wie auch im verdünnten Zustande an. Er-steres geschieht entweder a) in fester Form, indem mau mit einem Stückchen Höllenstein den zu ätzenden Theil betupft, und zwar leise und schnell, wenn nur eine oberflächliche, — aber anhaltender und stärker, wenn eine tiefer eindringende Aetzuug entstehen soll; oder b) in conzentrirten Auflösungen (1 Theil mit 12 bis 20 Thei-leu Wassers), die man mit einem Pinsel oder mit einer Feder aufnbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;J
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(He kranken Theile mehrmals nach einander dünn aufstreicht oder in die Fistelgäuge einspritzt, his die beahsichtigte Wirkung ent­standen ist. — Zu den verdünnten Auflösungen nimmt man, nach dem starkem oder geringern Grade der Unthätigkeit u. s. w., 1 Theil Höllenstein auf 40 bis 100 Theile destillirten Wassers, und befeuchtet oder verbindet damit die Geschwüre täglich 1 bis 2 mal. Zusätze von andern Mitteln sind bei dem Höllenstein kaum nöthig und auch wenig zweckmässig, da derselbe sehr leicht, namentlich durch Stoffe, in denen Salzsäure enthalten ist, zersetzt und unwirk­sam gemacht wird.
Stark jauchende Flächen muss man vor der Anwendung dieses Mittels reinigen und trocknen, so wie entgegengesetzt die zu trok-kenen Stellen, und eben so der auf sie in Substanz applizirte Höl­lenstein vorher etwas befeuchtet werden müssen. — Zur Anwen­dung auf sehr begränzte -Punkte an den Augen benutzt man am besten ein Stückchen Hüllenstein, welches durch Beschaben wie eine Blcifeder zugespitzt ist, und nach geschehener Aetzung streicht man einige Tropfen Milch, Schleim oder Oel zwischen die Augenlider.
II. Spiessglanz, Anlimonium s. Stibium.
sect;. tm.
Das Spicssglanzmetall entwickelt seine Wirkungen im Thier-körper, wenn es mit Sauerstoff, mit Säuren oder mit Schwefel ver­bunden ist, daher auch, wenn es mit den sauren Säften des Ver-dauuugskanals in Berührung kommt, ziemlich schnell, aber bei den verschiedenen Thiergattungen zum Theil in verschiedener Form. — Es macht mit dem Sauerstoff drei (nach Berzelius vier) Oxyda­tionsstufen: ein Antimonoxyd, eine antimonige Säure und eine An­timonsäure, welche sämmtlich mit andern Säuren und mit Alkalien verschiedene einfache und Doppelsalze bilden helfen. Mit andern Metallen und mit dem Schwefel verbindet es sich in verschiedenen Verhältnissen.
Die Wirksamkeit der ans den verschiedenen Verbindungen ent­stehenden Spiessglanzpräparate erscheint, bei innerlicher Anwendung entsprechender Gaben, in der Art eigeuthümlich: 1) dass durch sie eine vermehrte Absonderung seröser Flüssigkeiten überall, nainent-ilch aber in der Schleimhaut des Verdauungskauals, in den Respi­rationsorgauen, in den Nieren und in der Haut erregt wird; 2) dass eben su auch die Resorption überall vermehrt und somit der Stoffwechsel im Körper beschleunigt wird; 3) dass diese Erregung nicht wie bei den ätherisch-öligen Mitteln mit einer Vermehrung der Energie, sondern mit einer Schwächung derselben verbunden
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ist; 4) dass bei der durch eine längere Zeit fortgesetzten Anwen­dung dieser Mittel eine Veräuderuug der Plastizität des Blutes, Stö­rung des ganzen Vegetationsprozesses, und zuletzt ein kachektischer Zustand entsteht; und 5) dass hei Thieren die sich erbrechen kön­nen von massigen Gaben dieser Mittel fast immer Erbrechen entsteht.
Sowohl in diesen allgemeinen wie auch in den örtlichen Wir­kungen zeigen die verschiedenen Spiessglanzpriiparate unter einan­der eine grosse Verschiedenheit. Am mildesten wirken die einfa­chen Verbindungen mit Schwefel, stärker ah; diese sind die mit vegetabilischen Säuren gebildeten Salze (BrechWeinstein), und am stärksten örtlich eingreifend die mit Mineralsäuren gebildettn Salze (Spiessglanzbutter). Die letztern bewirken überall eine tief eindrin­gende chemische Zerstörung, während die erstem Salze nur bei sehr conzentrirter und durch längere Zeit andauernder Einwirkung örtlich eine heftige Reizung, Entzündung, Bläschen und zuletzt auch brandige Zerstörung erzeugen. Die Schwefelverbindungen des Spiessglanzes bleiben dagegen auf der Haut, im Zellgewebe und auf frischen Wundflächeu selbst nach mehrtägiger Einwirkung ohne Spuren einer örtlichen oder allgemeinen Wirkung; die letztere wird bei ihnen nur von der Schleimhaut des Verdauungskanals vermit­telt, während die örtliche auch hier, und selbst von grossen Gaben nur sehr gering ist. — Welche Verbindungen die Spiessglanzprä-parate mit den organischen Substanzen eingehen, wie sie hierbei verändert, wo und wie sie aus dem Körper wieder ausgeschieden werden? — ist fast ganz unbekannt. Die Beobachtung hierüber lehrt nur so viel, dass die Schwefelspiessglanzmittel im Thierkörper stets Hydrothionsäure entwickeln, welche zum Theil durch Rülpsen und Blähungen, zum Theil auch durch das Athmen wieder ent­fernt wird.
Den oben angedeuteten Wirkungen und der Erfahrung zufolge sind die Spiessglanzmittel im Allgemeinen da indizirt: wo der Ve-getationsprozess wegen Mangel oder wegen Unterdrückung der se­rösen Ab- und Aussonderungen gestört, ist, — wo bei bestehender entzündlicher Reizbarkeit seröse Flüssigkeiten im Zellgewebe oder in Höhlen angehäuft sind, — wo hei demselben Charakter Krämpfe, Rheumatismen, Stockungen in Drüsen u. s. w. bestehen, oder wo der Schleim in zu zäher Beschaffenheit abgesondert und hierdurch seine Ausleerung gehindert oder erschwert ist. — Man benutzt hiernach diese Mittel gegen viele und verschiedenartige Krankhei­ten, bald als Laxantia, Emetica, Diuretica, Diaphoretica und als Expectorantia, bald als umstimmende und entzündungswidrige Mit­tel, äusserlich als ableitende und als Aetzmittel,
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14. Schwefelspiessglanz, rohes Spiessglanz —Grauspiess-glanzerz — {Stibium su/phuralum uigrum, Slibiam sulphuralum crndum, Anlimonium crudam, Sulphuretum Stihii nativum s. venule s. nigrum).
sect;. (535.
Das reine Schwefelspiessglanz besteht in 100 Theilen aus 74 Theilen Spiessglanzniefall und 2G Theilen Schwefel; das im Han­del vorkommende ist aber selten rein, sondern enthält noch andere metallische Stoffe, und am gewöhnlichsten etwas Arsenik (bis zu iv'fl), wodurch die Wirksamkeit des Mittels etwas modifizirt wird.*) Dieselbe ist (einigermaassen ähnlich wie bei den Quecksilberpräpa­raten) hauptsächlich auf den Vegetationsprozess gerichtet und äus-sert sich bei Pferden durch Erregung des Appetits, durch Besse­rung der Verdauung und Assimilation, durch Rcgulirung des zu zähen Schleims, durch lebhaftere Resorption (besonders von Flüs­sigkeiten im Darmkanal), durch gedeihliche Ernährung, Glattwer­den der Haare, und durch stärkere Haut- und Lungenausdünstung. Die Hautausdiinstung wird zwar durch das Mittel niemals bis zum Schweiss verstärkt, sie giebt sich aber vorzüglich bei Pferden durch vermehrte Ansammlung von Schmutz (Hautscblacke) in den Haa­ren deutlich zu erkennen. — Diese Wirkungen sind sehr mild, selbst von sehr grossen Gaben (z. B. bei Pferden von 12—24 Un­zen), und sie erfolgen mehrentheils nur bei anhaltendem Gebrauche des Mittels deutlich bemerkbar; das Blutgefässsystem wird dabei fast gar nicht aufgeregt, und vom Nervensystem scheinen nur die Gangliennerven und besonders der grosse sympathische und der Lungenmagennerv affizirt zu werden. Am meisten wird die Thä-tigkeit der Lymphgefässe und der Lymphdrüsen angeregt und ver­mehrt, wie man dies bei krankhaften Zuständen dieser Theile deut­lich bemerken kann.
Nach Viborg's lehrreichen Versuchen**) wirkt das Schwefel­spiessglanz bei den Wiederkäuern verhältnissmässig schwächer als
*) Die neue Preussische Pharmakopoe verordnet daher, um ein gleichförmiges und reines Präparat zu schalTen, dass das Schwefelspiess. glänz durch Zusammenschmelzen aus Spiessglanzmetall und Schwefel be­reitet werden soll. Zum thierarzneilicheu Gebraiiche ist jedoch, der Wohlfeilheit wegen, das natürliche Schwefelspiessglanz zu benutzen, um so mehr, da bei seiner Anwendung, selbst in sehr grossen Gaben, kein Nachtheil von jenen fremdartigen Beimischungen bemerkt worden ist.
**) L'eber die Wirkung der Spiessglanzmitlel bei den Hausthieron, in den Veter. Selskab. Skrift. Ir. Deel, — und deutsch in: Teuffel's Magaz. für Thierheilk. Bd. 1. S. 310.
L
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bei Pferden, Schweinen und Hunden. Bei den letzteren beiden ent­steht von grossen Gaben (von | Unze und darüber) zuweilen Er­brechen, sehr oft bleibt aber dasselbe aus. — Ueberbaupt zeigen sich die Wirkungen dieses Mittels sehr ungleich;—wahrscheinlich aus dem Grunde, weil das Spiessglanz, welches wie die übrigen Metalle nur in Verbindung mit Sauerstoff oder mit Säuren wirk­sam isr, durch die im Verdauungskanal vorhandenen Stoffe, unter Mitwirkung der Wärme bald mehr bald weniger vollständig oxy-dulirt wird, je nachdem die Umstände hierzu günstig sind. So viel ist wenigstens sicher, dass, wenn die Thiere viel trockenes Fut­ter und weniges Getränk geniessen, tue Wirkungen weit geringer sind als unter entgegengesetzten Umständen, und tiass sie am stärk­sten erfolgen, wenn die Thiere säuerliches Getränk erhalten oder an Säure in den Verdauungsemgeweiden leiden. — Der in dem Mittel enthaltene Schwefel wird auf dieselbe Weise im Verdauungs­kanal verändert und trägt nach seiner Art zur Wirkung bei (sect;. 470.). — Von dem Spiessglanzmetall wird jedoch, besonders wenn das Mittel in sehr grossen Gaben oder anhaltend angewendet wird, stets nur ein kleiner Theil auf die bezeichnete Weise verändert und in die Säfte des Körpers aufgenoiuinen; der grösste Theil geht mit dem Koth wieder ab, — erscheint dann aber mehr metallisch glän­zend, weniger abrussend und ärmer an Schwefel. — Zuweilen hat man auch einen grossen Theil des Mittels (bei Pferden einige Pfunde) auf diese Weise verändert im Blinddarm und Grimmdarm ange­sammelt gefunden.
sect;. G3Ü. Das Schwefelspiessglanz wird als Heilmittel nur innerlich und gegen solche Krankheiten angewendet, bei denen der Vegetatious-prozess überhaupt, besonders aber die regehnässige Thätigkeit und die normale Beschaffenheit der Lymphgefässe, der Lymphdrüsen und der Schleimhäute leidet. Am meisten benutzt man es daher bei Druse, Strengel, chronischem Katarrh, bei veralteten Schleim­flüssen aus den Respirationsorganen und aus den Geschlechtsthei-len, bei veralteten Hautkrankheiten, bei dergl. Mauke, beim unvoll­ständigen Abhaaren, bei zu geringem, wechselndem Appetit, bei Eingeweidewürmern, bei den Finnen der Schweine, beim Rotz und Wurm der Pferde und dergl. In neuerer Zeit ist es auch bei dem chronischen Rheumatismus und bei der sogenannten Lähme der Lämmer, angeblich mit gutem Erfolge, gebraucht worden.*)
) In manclien Gegqnden wird das Schwefelspiessglanz auch zur Be-fürderung der Mast bei Schweinen und Riadern, besonders bei den er-steren, angewendet.
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Die Gabe ist für Pferde |- 1sect; Unze, für Rinder 1—2 Unzen, für Schafe ^—1 Unze, für Schweine 2 Drachmen bis 1 Unze, für Hunde ^ Skrupel bis 2 Drachmen, täglich 2 bis 3 mal. Bei grü­nem Futter kann man kleinere Gaben reichen, als bei trockenem. Zur Anwendung muss das Spiessglanz möglichst fein pulverisirt sein. Man giebt es in Pillen und Latwergen, zuweilen auch in Pulverform, mit bittern und aromatischen Mitteln, mit Ofenruss, Terpentinöl, Kampher und dergl. Mitteln versetzt. — Säuren, saure Salze, säuerliches Futter und Getränk muss man, wie bei dem Ge­brauch aller Spiessglanzmittel, vermeiden, weil sonst bei Schweinen und Hunden leicht Erbrechen, bei Pferden aber zuweilen Kolik entsteht.
15.nbsp; Rother Spiessglanzschwefel, Mineralkermes (Siibiam su/pliuralum rubeum, Sulphur stibialum rubrum, Kermes mineraky
Sulphurelum Slibii rubrum) — und
16.nbsp; nbsp; Poraeranzenfarbener Spiessglanzschwefel, Gold­schwefel {Stibium sulptiuralum auranliaeum, Sulphur stibialum au-
runliacum, Sulphur Antimoiiii aurulum, Subbisiilphurefum Stibii).
sect;. 637.
Diese beiden Spiessglanzpräparate sind in der Art ihrer Be-standtheile sowohl einander selbst, wie auch dem rohen Schwefel-spiessglanze sehr ähnlich; denn nach den Untersuchungen der be­sten Chemiker besteht der Mineralkermes aus 67 pr. C. Spiess­glanz und 33 pr. C. Schwefel, der Goldschwefel aber aus 62 pr. C. Spiessglanz und 3Spr. C. Schwefel, — so dass nur ein Unterschied in der Quantität des Schwefels und Spiessglanzes stattfindet, und das rohe Schwefelspiessglanz am meisten, der Goldschwefel aber am wenigsten Spiessglanzmetall, der letztere dagegen am meisten Schwefel enthält. — Beide Präparate sind in Wasser unlöslich, sie zersetzen sich aber durch dasselbe bei Einwirkung der Luft und Wärme, noch mehr bei Einwirkung der Säure, und sie entwickeln dabei Schwefelwasserstoffgas. Das letztere ist (siehe die Anmer­kimg bei Schwefelkali S. 595.), so wie auch der Umstand, dass beide Präparate als ein sehr feines Pulver bestehen, für ihre Wirk­samkeit gewiss von Bedeutung.
Wie in der Zusammensetzung, so sind auch diese Mittel in ihren Wirkungen auf den Organismus einander ähnlich. In mas­sigen Gaben verursacht weder der Goldschwefel noch der Kermes bei einem Thiere bemerkbare Veränderungen. Von dem Kermes sähe Viborg (a. a. 0.) bei Pferden selbst nach 1—2 Unzen, in
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einer Mehlpille gegeben, nur vermehrten Appetit und härteres Mi­sten , *) — bei einer Kuh nach dem Eingeben vcn 1 Unze mit Wasser, blos etwas vermehrten Abgang von Koth und Urin, — bei einem 2-^jährigen Widder, 16 — 18 Stunden nach dem Einge­ben von ^ — 1 Unze des Kermes, Abgang eines breiartigen, hell­gelben Mistes und eines helleren, reichlichen Urins. Bei einer klei­nen Ziege trat ganz dieselbe Wirkung nach 2 Drachmen Kermes, mit Wasser gegeben, ein; aber bei einem einjährigen Eber erregte diese Gabe gar keine Zufälle; eben so waren 2—8 Gr. bei jungen Hunden ohne Wirkung, und erst 20 Gr. verursachten nach 13; Stun­den Erbrechen und Verminderung des Appetits. — Der Gold­schwefel verhält sich bei gesunden Thieren in seiner Wirkung ganz auf dieselbe Weise, und ich sähe selbst nach der ungemein grossen Gabe von 3 Unzen, bei Pferden und Kühen nur den Koth heller gefärbt und lockerer, den Urin aber mehr gelblich gefärbt und reichlicher abgehen.
Nach mehrmals wiederholter Anwendung erzeugen aber beide Mittel, besonders bei kranken Thieren, dieselben Wirkungen, welche von dem schwarzen Schwefelspiessglanz bei dessen anhaltendem Gebrauche zu entstehen pflegen (sect;. G35.), — jedoch mit dem Un­terschiede, dass sie von dem Guidschwefel und Kermes schneller eintreten, weit mehr auf Beförderung aller Absonderungen gerich­tet, aber bei lange fortgesetzter Anwendung auch die Energie der Verdauungseingeweide mehr schwächend sind, als die Wirkungen des schwarzen Spiessglanzcs.
Kermes und Goldschwefel wurden ehemals in der Thierarznei-kunde (besonders in der Rossarzneikunde) sehr viel benutzt, und zwar gegen Krankheiten, die durch Unterdrückung der Haut- und Lungenausdünstung entstanden und die in einer katarrhalischen oder rheumatischen Affektion der häutigen Gebilde, besonders aber der Schleimhaut der Respirationsorgane, der sehnigen Häute, oder in einem Leiden der Lymphgefilsse begründet sind; — daher fast allgemein gegen Druse, Bräune, Lungenentzündungen, die ver­schiedenen Arten des Hustens, Rheumatismen, Schieimflüsse, Räude, Flechten, Rotz, Wurm u. dergl. Jetzt werden aber beide Mittel im
*) Ein anderes Pferd, dem VihorK I Unze Kermes mit Wasser eingegeben, bekam Lungenenlziindiing und starb am 4 3 ten Tage. — Viborg scliliesst daraus: dass das Millel in flüssiger Form sehr hef­tig wirke; allein ans dor liesrhrcilmng des Versnrlis ergicbl sich als wabrscheinlicb, dass bei dem Eingobcn ein Tlieil der Plüssigkeit in die Luflrühre gelangt ist und hierdurch jene Wirkung auf die Lunge her­vorgebracht hat.
Ilcrtn*!^ Arzneiiuitlelli-hre,nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 47
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Ganzen nur selten angewendet, theils weil sie sehr theuer sind, theils auch weil sie keine so ausgezeichnete Wirksamkeit besitzen, wie man ehemals ihnen zuschrieb, und weil mau sie sehr oft durch wohlfeilere und eben so wirksame Mittel ersetzen kann. Am mei­sten nützlich sind sie noch, der Erfahrung zufolge, bei Lungen­entzündungen im Stadium der Abnahme, wenn der Husten be­ginnt locker zu werden, aber der Auswurf nicht in hinreichender Menge, nicht leicht und frei stattfindet; — unter denselben Um­ständen auch bei katarrhalischer Bräune und bei katarrhalischem Husten. Den Goldschwcfcl (jedoch in Verbindung mit Fenchel-und Dillsamen) hat Walch in neuerer Zeit als sehr wirksam ge­gen das Nachlassen der Milch cinpfohleu, wenn dasselbe bei ge­sunden Kühen und bei hinreichendem und gutem Futter entsteht, und somit nur in einem Missvcrhiiltnisse der Sekretion begrün­det ist.
Die Gabe ist von beiden Substanzen gleichmässig für Pferde und Rinder 1 — 3 Drachmen, für Schafe und Schweine 1 Skrupel bis 1 Drachme, für Hunde 2—12 Gran, täglich 3 — 4mal; und die Anwendung geschieht in Pillen und Latwergen, mit Süssholzwur-zel, Fenchel, Dill, Bilsenkraut, Digitalis, Opium, Salmiak, Kam­pher u. dgl. dem jedesmaligen Krankheitszustande entsprechenden Mitteln versetzt. Saure Salze, Alkalien und Säuren passen aber hierzu nicht, weil sie sich mit dem Kermes wie mit dem Gold­schwefel gegenseitig zersetzen.
17. Spiessglanzweinstein, Brechweinstein, weinstein­saures Kali-Spiessglanzoxyd, Stiblo-Kuti tarlaricum, Tav lurus slibialus s. antimonialis, Tartarus emelicus, Tart. kulico'stibicus, Kali slibioso - tarlaricum.
sect;. 639. Der Brechweinstein ist ein, aus basisch weinsteinsaurem Spiess • glanzoxyd, neutralem weinsteinsaurem Kali und Wasser bestehen­des Doppelsalz, welches in 15 Theilen kalten und 2 Theilen ko­chenden destillirten Wassers sich vollkommen auflöst, und durch Alkalien, kohlensauren Kalk, Miueralsäuren, Hydrothionsäure und adstriugirende Pflanzenstoffe zersetzt wird. In seinen allgemeinen Wirkungen übertrifft dieses Salz alle übrigen Spiessglanzpräparate an Schnelligkeit, Stärke *) und Ausbreitung. — Bei gesunden Pfer-
*) Mit Ausnahme der Aelzkrafi, welche in Oer Spiessglanzbutter am stärksten ist.
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den sieht man nach einer einzelnen Gabe von 1—2 Drachmen, sie mag in flüssiger oder in anderer Form innerlich beigebracht sein, gewöhnlich nur etwas vermehrtes Uriniren in den nächsten 12—20 Stunden erfolgen. — Werden aber solche Graben von 1—2 Drachmen in Zwischenzeiten von 3 — 4 Stunden und durch einen ganzen Tag oder länger wiederholt, so entsteht Verminde­rung in der Energie und Zahl der Pulse, stärker pochender Herz­schlag, Verminderung der Zahl der Athemziige, vermehrte Abson­derung an den Schleimhäuten, Mattigkeit; die Plastizität des Blutes mindert sich, der Roth geht weicher (zuweilen ganz dünn) und häufiger, der Urin ebenfalls reichlicher ab, — und bei zu Jange fortgesetzter Anwendung tritt ein typhöser, mit sehr grosser Schwäche verbundener Zustand ein, an dem die Thiere zu Grunde gehen können. — Von | Unze, in einer Pille mit Mehl oder Al-theewurzelpulver auf Einmal gegeben, entstellt massig vermehrte Absonderung an den Schleimhäuten, für kurze Zeit auch etwas schnellerer Puls, vermehrter Durst, Poltern im Leibe, oft wieder­holtes krampfhaftes Aufheben und Strecken der Hinterbeine; der Appetit ist mehrentheils gemindert, zuweilen aber auch ungestört; nach IG — 24 Stunden endet die Wirkung mit etwas reichlicher Ausleerung von mehr lockerem Roth und hellerem Urin. — Die­selbe Quantität Brechweinstein mit !)3 Loth Wasser einem Pferde eingegeben, verursachle in der ersten Stunde sehr schnellen Puls, erhöhete Temperatur des Körpers, Kolikschmerzen, krampfhaftes Aufheben der Hinterbeine, zuweilen Zittern, Verminderung des Appetits. Gewöhnlich tritt nach einigen Stunden eine Verminde­rung im Grade dieser Zufälle ein, aber an den folgenden Tagen sind sie wieder verstärkt, und mehrentheils enden sie mit dem Tode, der nach 6—S Tagen durch typhöse Lungenentzündung und durch Darmentzündung zu erfolgen pflegt. — Eine ganze Unze des Mittels in einer Pille oder in Latwergenform gegeben, wirkte zwar etwas heftiger und anhaltender, als eine halbe Unze, doch aber nicht tödtlich; dagegen von einer solchen Gabe in flüssiger Form der Tod unter den beschriebenen Zufällen und unter hefti­gen Krämpfen, und kaltem Schweisse schon nach etwa 8 Stun­den, — von 2 Unzen in flüssiger Form gegeben aber selbst nach 2| Stunden erfolgte. (Viborg, a. a. 0. S. 346 u. f.) — 3 Un­zen, die ich einem kräftigen, aber unheilbar dämpfigen Pferde in Latwergenform gab, verursachten aulaquo;ser jenen Zufällen auch eine Verminderung der Athemziige von 40 auf* 17 pr. Min., Entzün­dung der Maulschleimhaut, gelbe Blasen und später offene, ange­ätzte Stellen an derselben, zuletzt völlige Lähmung des Hintertheils, und am 4ten Tage den Tod. — In der Thierarzneischule zu Alfort
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gab man 2 Pferden, deren Respirationsorgane vorher als ganz ge­sund ermittelt waren, bei leerem Magen auf einmal 120 Grammen (gegen 3 Unzen und 6 Drachmen) Brechweinstein, und so auch am folgenden Tage. Sie starben am 3ten Tage, und zeigten bei der Sektion eine heftige Entzündung der Lungen und in der ganzen Schleimhaut des Dickdarms blatterähnliehe Erhöhungen. Bei an­deren Pferden gab man während S Tagen in immer steigender Gabe die enorme Quantität von 1500 Grammen (fast 47 Unzen), worauf der Tod erfolgte. Im Darmkanal fand man dieselbe Ver­änderung, und die Lungen mit schwarzem Blut infiltrirt, ähnlich wie bei dem Milzbrande. Bei mehreren Versuchen ergab sich: dass junde Pferde, die nur mit mehlhaltigem Futter genährt wur­den, schon von 00 Grammen in eine todtliche Darmentzündung verfielen, während sie, wenn sie mit Hafer und Heu gefüttert wur­den, das Doppelte ertrugen. Die in den letzteren Nahrungsmitteln enthaltene Gallussäure, welche den Brechweinstein zersetzt, bedingt diesen Unterschied {Reeueil de med. vele'r. 18-10, p, 544).
Auf die Wiederkäuer wirkt der Brechweinstein verhältniss-mässig weit schwächer, als auf Perde. Gesunde Kühe zeigten bei meinen, wie bei Viborg's Versuchen, nach dem Eingeben von 2 Drachmen bis 1 Unze dieses Mittels gewöhnlich keine auffallende Veränderung in irgend einer Verrichtung des Körpers; in einzel­nen Fällen sähe ich nur nach ^—1 Uuze stärkere Schleimsekretion und vermehrtes Uriniren erfolgen; und bei einer Kuh blieben selbst 4 Unzen und 2 Drachmen, welche innerhalb 4 Tagen in getheil-ten Gaben gereicht wurden, ohne deutliche Wirkung. Gilbert (Annal. de Pagrieult. ßong. T. 3. p. 343) sähe bei einer Kuh nach 10 Drachmen, in Auflösung gegeben, keine Wirkung. Die Form, in welcher das Mittel angewendet wird, macht hier keinen so gros-sen Unrerschied im Grade der Wirkung, wie bei den Pferden. — Bei Schafen scheint dies jedoch der Fall zu sein; denn bei Dau-benton's Versuchen an diesen Thieren {Mem. de la Soc. royal, de Medec. im. 1780 und 81. p. 25G, — deutsch in: Auserles. Beitr. z. Thierarzn. Bd. 1. S. 193) blieben 4 — 36 Gr., in einem Bissen gegeben, ohne Wirkung, — während bei einem andern Schafe schon von 32 Gr., in Auflösung angewendet, Auftreibung des Leibes, Zähneknirschen und ein, durch 2 Tage dauernder, Durch­fall entstand. Viborg (a. a. O.) gab einem jährigen Schafe 1 Drachme, — Gilbert selbst 3 Drachmen in flüssiger Form, und 4 Drachmen in einer Mehlpille, ohne dass eine wahrnehmbare Wirkung erfolgte; aber ü Drachmen in letzterer Form gegeben, tödteten ein Schaf; 20 Gr. wurden dagegen in fester und in flüs-
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siger Form von mehreren Schafen ertragen, ohne dass gefährliche Zufälle eintraten.')
Auch bei Schweinen wirkt der Brechweiusteiu nicht so stark, wie man gewöhnlich glaubt. Zuweilen sähe ich bei ihnen von 10 bis 20 Gr., in Auflösung gegeben, Ekel, Geifern aus dem Maule, Mattigkeit und Erbrechen entstehen; niemals trat letzteres von we­niger als 1Ü Gr. ein, und oft blieb es selbst nach 20 Gr. aus. Viborg sähe ebenfalls von 20 Gr. bei einem jährigen Schweine blos den Puls etwas geschwinder werden, übrigens aber die Mun­terkeit und die gewöhnliche Fresslust fortbestehen. Als dasselbe hierauf 1 Drachme bekam, zeigte es die nämlichen Zufälle, und zugleich heftigeres Flankenschlagen, doch ohne weitere Folgen. — Bei einem 9 Monat alten Ferkel war £ Drachme in Auflösung ge­geben, ganz ohne Erfolg; aber 1 Drachme in 24 Unzen quot;Wassers gelöst, verursachte bei einem 9monatlichen Eber Erbrechen, wel­ches 15 Minuten nach dem Eingeben entstand und durch Ij Stun­den fortdauerte, worauf scheinbare Munterkeit, dann aber wieder Stöhnen, Appetitlosigkeit und Mattigkeit folgten. Am dritten Tage zeigte sich jedoch das Thier wieder völlig gesund. — Von 2 Drach­men Brechweinstein, die in 16 Unzen Wassers gelöst einem 9 Mo­nat alten Eber gegeben wurden, entstanden nach 1| Stunden fünfmaliges Erbrechen, Appetitlosigkeit, Betäubung, dann nach mehreren Stunden Durst, nach geschehenem Saufen emeuetes Er­brechen, am folgenden Tage nach anscheinender Besserung Krämpfe und bald darauf der Tod.
Bei Hunden und Katzen entsteht nach Verhältniss ihrer Grosse,
VOn 2__8 Gr. Brechweinstein, Ekel und ziemlich leicht und sicher
auch Erbrechen, ohne dass andere Zufälle, als die mit dem Er­brechen gewohnlich verbunden sind, erfolgen. Selbst Gaben von l Drachme und darüber, sind von Hunden gut ertragen worden, wenn das Erbrechen bald und ungehindert stattfand; denn durch dasselbe wurde das Uebermaass des Mittels wieder aus dem Ma­gen entfernt, ehe es seine vollständige Wirkung entwickeln konnte. War aber das Erbrechen durch Unterbindung des Schlundes oder durch ähnliche Ursachen gebindert, so starben die Thiere schon nach 4—8 Gran innerball) 2 — 3 Stunden (Orfila, Toxikologie, Bd. I. S. 336).
Hühner und andere Vögel erbrechen sich nach 1 — 3 Gran des Mittels recht leicht.
*) Siehe auch Versuche über die Wirkung des Rrechweinsleins hei Schafvieh; von Dr. Spinola, in Nebel u. Vix Zeilschrifl f. d. gesammle Thieiheilk. Bd. 3. S. 4).
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In die Blutadern gespritzt, verursacht der Hrechweinsteiu bei Pferden in der Gabe von 10 Gr. bis 1 Drachme, und in der 15— #9632;^0 fachen Menge warmen Wassers gelöst, sogleich schnellere, kurze Respiration, harten, sehr kleineu und vermehrten Puls, erhöhetlaquo; Temperatur, Gähnen, Kollern im Leibe, Kothentleerung, die sieh gewöhnlich in einigen Minuten mehrmals \Ciederholt, und zuweilen auch Abgang von hellem Urin. Der Appetit wird wenig oder gar nicht gestört. Im höhern Grade der Wirkung wird der Puls fast unfühlbar und über 120 Schläge in der Minute vermehrt, das Ath-men röchelnd, krampfhaft, der Koth dünnflüssig; es entsteht Schweiss, Thränenfluss, Speicheln, beständiges Lecken mit der Zunge an den Lippen, Kauen, Recken, Unruhe, Kratzen mit den Fiissen, Umsehen nach dein Leibe, Zittern, krampfhaftes Zucken in den Muskeln der Schulter, des Halses und der Schenkel. Die letztem Zufälle sind mehrentheils die Folge grosser Gaben, entste­hen aber nicht immer gleichmässig und vollständig nach densel­ben. Ueberhaupt ist die Wirkung im Grade und in der Dauer sehr ungleich; die letztere erstreckt sich von 15 Min. bis auf einige Stunden. Von weniger als 10 Gr. sähe ich nur äusserst. selten eine erkennbare Wirkung erfolgen; aber die Injektion von 2 Drach­men Brechweinstein, in 4 Unzen Wassers gelöst, führte stets sehr heftige Zufälle, Krämpfe, Schwindel, Lähmung, und den Tod nach U- —3 Stunden herbei. Die nach massigen Gaben fast nie aus­bleibende Wirkung auf den Darmkanal bemerkte ich nach so gros-seu, tödtlichen Gaben nicht. — Bei Kühen sind Injektionen von denselben Gaben, wie bei Pferden, auch mit denselben Wirkungen begleitet; zuweilen entsteht aber auch sehr starkes, dem Erbrechen ähnliches Rülpsen, mit Auswurf von Schleim und etwas Futter­stoffen. — Ein junger Ziegenbock erschien einige Minuten nach tier Injektion von 4 Gr., in 5 Drachmen Wasser aufgelösten Brech­weinsteins ganz matt, der muntere Blick verschwand, der Puls wurde klein und geschwind, das Athmen angestrengt, der Bauch gespannt und innerhalb der ersten Stunde wurde 5 mal Mist ent­leert, welcher zuletzt weich und zusammenhängend abging. Nach 4 Stunden waren alle Zufälle vorüber (Viborg). — Bei Schafen entstand nach dem Einspritzen von 6—8 Gr. dieselbe Wirkung, aber im heftigem Grade und bis zum folgenden Tage dauernd. — Bei Hunden trat von 1 — 2 Gran erst nach | Stunde Ekel und leichtes Erbrechen, ohne weitere Folgen, ein; 4 Gran bewirkten Mattigkeit, mehrmals wiederholtes Erbrechen, beschwerliches Ath­men, unregelmässigen, aussetzenden, schnellen Puls, Zittern, Con-vulsionen und zuweilen nach l(i—24 Stunden den Tod. Letzterer trat nach dem Einspritzen von 6 — S Gran schon binnen 1 Stunde,
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und von 12—18 Gran schon nach -| Stunde ein. Hatte man aber nach Magendi's Vorgänge beide Nerven des Sten Paares durch­schnitten, um die spezif. Wirkung des Brechweinsteins auf diese Nerven zu untersuchen, so starben die Thiere nach der Injektion von 12 —18 Gr. erst in 4 Stunden.
In. #9632;Wunden gebracht wirkt der Brechweinstein bei kleinen Thieren ebenfalls sehr heftig. Von 5 Gran auf diese Weise appli-zlrt, starb eine Katze in 3 Stunden.
Auf die äussere Haut in sehr conzentrirter Auflösung oder als Salbe angewendet, bewirkt das Mittel bei allen Thieren, am stärksten aber bei Pferden, heftige Reizung, tief eindringende Ent­zündung, Geschwulst, Ausschwitzung äusserlich an der Haut und im Zellgewebe unter derselben; zuweilen, besonders bei wiederhol­ter Einreibung der Salbe, entstehen auch Bläschen, Geschwüre, und selbst brandige Zerstörungen der Haut und des Zellgewebes unter ihr, ohne dass hierbei eine Aufregung der Blutgefässe bemerk­bar wird.
sect;. G40.
Bei kranken Thieren zeigt sich, selbst nach kleinen Gaben, die Wirksamkeit des Brechweinsteins deutlicher und vielseitiger, als bei gesunden, und sie äussert sich in den einzelnen Fällen theils durch vermehrte Hautausdünstung (bei Pferden und Rindern oft durch Schweiss), durch stärkere Lungenausdünstung, vermehrte Absonderung des Schleims, daher durch leichteren Auswurf und lockeren Husten, durch verstärkte Ab- und Aussonderung der Galle, reichliche Urinsekretion und lebhafte Resorption ergossener wässeriger Flüssigkeiten; — theils durch Minderung der übermäs-sigen Coutraktilität und der krankhaft aufgeregten Irritabilität, durch Aufregung und Umstimmung der Nerventhätigkeit, beson­ders in den Organen der Brust- und Bauchhöhle, daher durch Be­seitigung krampfhafter Zustände, durch bessere Verdauung und erneuetes, lebhafteres Wiederkäuen; — theils auch bei Schwei­nen, Hunden, Katzen und Vögeln, durch Erbrechen und Aus­leerung unverdaulicher und anderer schädlicher Stoffe aus dem Magen u. s. w.
Dieser Heilwirkungen wegen ist
A. die innerliche Anwendung des Brechweinsteins angezeigt:
1) gegen akute rheumatische und katarrhalische Krankheiten überhaupt, vorzüglich aber, wenn dieselben erst frisch entstanden und mit einem Entzünduugscharakter versahen sind; daher gegen katarrhalische und rheumatische Fieber bei allen Thieren, gegen entzündliche Druse der Pferde, gegen katarrhalische Bräune, gegen katarrhalische und rheumatische Augenentzündung, gegen die
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Staupe der Hunde, im ersten Stadium, gegen entzündlichen Lun-geukatarrb, katarrhalische und rheumatische Lungen- und Brust­fellentzündungen, gegen dergl. Entzündungen des Bauchfells, der Leber, der Harnblase, gegen rheumatische Kolik und dergl. Harn­verhaltung, gegen Rheumatismus der Gliedinaassen (Rehe), gegen rheumatische Eutcrentzündung (wie sie besonders bei Kühen oft als sog. Einschuss vorkommt), gegen die rheumat. akute und sehr schmerzhafte Geschwulst der innern Flüche der Hinterschenkel bei Pferden, selbst gegen rheumatische Lähmungen, z. B. gegen die sog. Lähme der Füllen und besonders der Lämmer u. dergl. — Bei diesen Krankheiten, die sämmtlicb durch Störung der Ab- und Aussonderungen, hauptsächlich durch Unterdrückung der Haut-und Lungenausdünstung entstehen, und die in den Schleimhäutei), in den fibrösen und serösen Häuten ihren vorherrschenden Sitz haben, — ist der Brechweinstein unter den vorhin bemerkten Um­ständen ein fast allgemein passendes, und mehrcntheils sogar das vorzüglichste Heilmittel, durch welches eine gute Krisis und bin­nen kurzer Zeit die Heilung herbeigeführt wird. Bei den genann­ten Entzüiulungen, selbst wenn sie einen hohen Grad erreicht ha­ben , kann die etwas reichliche Anwendung dieses Mittels sehr häufig den Aderlass und die äusserlich ableitenden Reizmittel ent­behrlich machen. Dies ist jedoch nicht der Fall bei solchen Ent­zündungen, deren Charakter rein sthenisch (synochös) und deren Sitz tief im Parencbym der Organe ist; denn hier zeigt sich in der Regel die Anwendung des Salpeters weit zweckmässiger, als die des Brechweinsteins, und bei einem hohen Grade dieser Entzün­dungen ist der Aderlass weder durch das eine, noch durch das andere Mittel vollkommen zu ersetzen. Eben so steht der Brech­weinstein dem Kalomel bei solchen Entzündungen sehr nach, bei denen der Ucbergaug in plastische Ausschwitzungen oder Verhär­tungen stattfindet. — Gegen die Bräune der Schweine wird der Brechweinstein nicht nur als Heilmittel, sondern auch als prophy­laktisches Mittel in grosseu Gaben benutzt.
2)nbsp; nbsp;Gegen den Anthrax bei dem Rindvieh ist er in dem hin und wieder berühmt gewordenen Mühlenhof'sehen Mittel ge­braucht. Dasselbe besteht aus Toraquo;/, stibial. i — \\ Drachmen, Ol. terebinth. 2 Skrupel bis 1 Drachme, Dccocl Semin. Uni 36 Un­zen pro Dosi. Man giebt am ersten Tage 0—8 solcher Gaben, bis die Krankheitszeichen verschwunden sind, dann am folgenden Tage nur noch 3 — 4 Gaben. Bei sehr heftigem Auftreten der Krankheit ist dabei ein Aderlass, Einreiben der Brechweinsteinsalbe und die Applikation kalter Klystire nöthig.
3)nbsp; Gegen verschiedene gastrische Krankheiten, besonders aber,
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wenn dieselben durch Stoning der Absonderungen entstanden sind, und wenn sie durch Appetitlosigkeit, gelblich-schmutzige Farbe und Trockenheit der Maulschleiinhaut, oder Ausammlung von zä-herti Schleim im Maule, widrigen Geruch aus demselben, Neigung zum Erbrechen (bei Thieren, die sich erbrechen können), Unthä-tigkeii; der Verdauungseingeweide (bei Wiederkäuern träges oder gänzlich unterdrücktes Wiederkäuen), seltene Darmentleerung und Abgang von zu trockenem, schlecht verdautem Koth sich äussern. Ob solche Krankheiten mit oder ohne Fieber bestehen, ist nicht wesentlich. Man giebt daher den Brechweinstein bei gastrischem Fieber, bei Ueberfüllung des Magens, bei Verschleimung desselben bei chronischer UnVerdaulichkeit, bei Verstopfung, und Vertrock-nung des Futters im Löser, bei Würmern im Darrakanale, bei der sog. blauen Milch, hei der Lecksucht und dergl.
4)nbsp; nbsp;Gegen Nervenkrankheiten, — vorzüglich gegen solche, die nicht rein nervös, sondern mit gastrischen oder mit rheumatischsn Zufällen complizirt sind; daher z.B. gegen den Dummkoller, wenn er als sog. Mageukoller bei Pferden entsteht, die zu reichlich nahr­haftes Futter und nur geringe Bewegung erhalten, die einen dicken Leib, gelblich gefärbte Schleimhaut des Mauls u. s. w. (wie vorher sub 3) zeigen; eben so gegen rasenden Kuller, wenn derselbe nach Geburten und nach plötzlichem Aufhören des Säugens entstanden ist. Das Mittel wirkt hierbei sowohl durch Umstimmung der Em • pfmdlichkeit, wie auch durch Beseitigung des gastrischen, galligen Zustandes, und durch die stärkere Resorption des Wassers ira Ge­hirn sehr heilsam, darf aber bei grosser Schwäche mir sehr vor­sichtig und mit Unterbrechung gegeben werden. Eben so ist der Brechweinslcin gegen den rheumatischen Starrkrampf, gegen ner­vöse Dämpfigkeit und (wie bereits sub 1 bemerkt) gegen die Lähme der Füllen und Lämmer, wie auch gegen krampfhafte Harnverhal­tungen, und bei Hunden und Schweinen gegen Convulsionen, die durch Ueberfüllung des Magens entstanden sind, häufig mit Nutzen angewendet worden. — Das Mittel ist auch sehr hülfreich bei schweren Geburten, wenn dieselben entweder a) durch zu grosse Contraktilität und eben solche Irritabilität des Muttermundes und der Vagina verzögert sind, oder b) wenn zu heftige, zu anhal­tende, krampfhafte Wehen gleichsam übereilt stattfinden, ehe der Muttermund sich hinreichend erweitern konnte.
5)nbsp; Gegen Wassersuchten und wässerige Ansammlungen. Der Brechweinstein ist hier ein sehr kräftiges quot;Heilmittel, indem er die Resorption und die Ausleerung der ergossenen Flüssigkeiten sehr befördert. In mehreren Fällen sähe ich diese Wirkung ausseror-denllich schnell und in einem überraschenden Grade erfolgen;
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allein sie war fast niemals dauernd, wenn sie nicht durch andere Mittel unterstützt wurde.
6) Gegen Vergiftungen durch narkotische Pflanzen, und gegen andere verschluckte, unverdauliche Substanzen, bei Verschleimung und dergl. als ein wirksames Ausleerungsmittel, — jedoch nur bei Thieren, die sich erbrechen können.
Bei Magen- und Darmentzündungen ist die innerliche An­wendung dieses Mittels überall schädlich.
B.nbsp; nbsp;Die Injektion des Brechweinsteins ist gegen akuten und chronischen Rheumatismus, gegen UnVerdaulichkeit bei Pferden und Rindern, besonders bei letztern nach dem Genuss von zu reichlichem Köruerfutter, und gegen den Dummkoller der Pferde, wenn Störungen in der Pfortader damit verbunden waren, oft sehr nützlich gewesen; bei dem Starrkrampf hat sie dagegen fast nie­mals die Heilung befördert, oft aber geschadet. — Bei Entzündung der Eingeweide und bei Blutandrang zum Kopfe darf sie nicht angewendet werden.
C.nbsp; nbsp;Aeusserlicb wird der Brechweinstein 1) zuweilen in schwa­cher Auflösung zur Beförderung der Resorption bei Verdunkelung und Flecken der Hornhaut, — oder 2) in Salbenform als ableiten­des Reizmittel, bei sthenischcn Entzündungen des Gehirns, des Brustfells, der Lunge und der Nieren benutzt, wenn man die Can-thariden und andere, die Irritabilität aufregende Reizmittel vermei­den will. — In allen übrigen Fällen ist er für diesen Gebrauch zu theuer; wie denn überhaupt seine Anwendung bei den grossen Thieren, und wenn er aus den Apotheken verordnet wird, sehr kostspielig ist.
sect;• 641. Die Gabe vom Brechweinstein ist bei den verschiedenen Krank-heitszuständen etwas verschieden. Bei catarrhal. und rheumat. Leiden, bei gastrischen Zuständen, bei Nervenkrankheiten und Wassersuchten, und überall, wo man blos gelind die Ab- und Aussonderungen befördern oder die Resorption bethätigen will, giebt man ihn den Pferden zu 1 Skrupel bis 1 Drachme, Rinderh zu 1—2 Drachmen, Schafen 2 — 6 Gr., Schweinen 2—4 Gr., Hun­den ^ —2 Gr., täglich 2—3 mal. — Bei Entzündungen müssen diese Gaben fur Pferde, Rinder und Hunde verdoppelt, für Schafe und Schweine aber verdreifacht, und täglich 3—4mal gereicht werden. Tritt dünnes Misten ein, so ist es jederzeit nöthig, das Mittel aus­zusetzen. — Als Brechmittel giebt man für Schweine 6 — 20 Gr., für Hunde 2—6 Gr., für Katzen und Geflügel 1—3 Gr. — Zu In­jektionen in die Venen nimmt man für Pferde und Rinder 10 Gr.
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bis 1 Drachme, für Schafe und .Schweine 2 — 4 Gr., für Hunde 1 — 3 Gran. —
Die innerliche Anwendung geschieht bei Pferden am besten in Pillen und Latwergen, bei den Wiederkäuern eben so, wenn man hauptsächlich auf den Vormagen, in flüssiger Form aber, wenn man auf den Laabmagen und Darmkanal, oder auf den ganzen Körper schnell wirken will. Bei Schweinen und Hunden kann man das Mittel, wo es zur Beförderung der Resorption u. s. w. in kleinen Gaben angewendet wird, in jeder Form geben; — als Brechmittel wirkt es aber in flüssiger Forn; am schnellsten und stärksten. Alle Auflösungen werden mit wenigstens der 15 fachen Menge Wassers gemacht. Zum Brechmittel darf man jedoch von lelzterem nicht viel mehr nehmen, weil sonst Laxiren erfolgt. — Mau verbindet das Mittel bei Entzündungen mit etwas Althee oder Süssholz, und wo die Krankheit mehr einen sthenischen Charakter besitzt oder wo Harfleibigkeit besteht, mit Glaubersalz, bei plasti­schen .Entzündungen auch mit Kalomel; — bei gastrischen, ca-tarrhalischeu und nervösen Zuständen mit bittern und aromatischen Mitteln, mit Kampher, Terpentinöl, stinkendem Thieröl u. dergl., — bei Wassersüchten, nach Verhältniss des Charakters, mit Digi­talis, Tabak, Wachholderbeereu u. s. w.; doch niemals mit adstrin-girenden Mitteln, und besonders nicht mit China, weil diese Mittel ihn chemisch zersetzen und unwirksam machen. *) — Als Brech­mittel kann der Brecbweinstein für sich allein gegeben werden; zweckmässiger ist es jedoch in den meisten Fällen, ihn mit einer vollen Gabe der Ipekakuanha zu verbinden.
Zur Injektion in die Venen nimmt man für Pferde und Rin­der 5—20 Gr., für Schafe und Schweine 3—5 Gr. und für Hunde ^—2 Gr. in einer einfachen Auflösung von 1 Tb. Brechweinstein in 15 bis 21 Th. destill. Wassers, — und bei den genannten Au genkrankheiten eine Auflösung von 40 bis 50 Th. destill. Wassers oder eines aromatischen Aufgusses.
Die Brechweinsteinsalbe, Autenrieth'sche Salbe (Ung. Tarl. sflbiali s. Ung. Slibio'Kali tartartei) wird gewöhnlich (und eben so nach der Preussischen Pharmakopöe) aus 1 Th. Brech­weinstein und 4 Th. Schweineschmalz bereitet, kann aber zum thierärztlichen Gehrauche etwas stärker sein. — Walch empfiehlt gegen die Lungonseuehe dos Rindviehes als besonders wirksam
*) Man liut deshalb die China als das bcsle Gegengift bei hcfiigen ZnCallun nacb zu grossen Gaben des Brecbweinsleins empfolilen; auf 2 Gr. des lelzleni soll man \ Drachme China in Dckokl oder in Pulver geben. Chinin leistet hiergegen nichts.
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748^nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;
folgende zusammengesetzte Brechweinsteinsalbe: Man nimmt Brech-weiiistein 3 Th., frisch gcpulv. Canthariden und Euphorbium, von jedem 1 Th., Basilikumsalbe 8 Th. und so viel Terpentinöl, als zur Bereitung einer dickflüssigen Salbe nöthig ist. Sie wird an jeder Seite der Brust auf einer ungefähr 4 Quadratzoil grossen Stelle, von welcher vorher die Haare abgeschoren sind, eingerieben.
Anmerkung. Die salzsaure Spiessglanzauflösung, Spiessglanzbutter, oder das Chlorspiessglanz {Liquor Sli-bii chlprati s. muriatici, Liq. Chloreti slibici, Murias Slibii oxyduti, Chlorurelum Slibii, Bulyram Antimonii) ist eine Verbindung von Spiessglanz und Salzsäure, gewöhnlich von etwas dickflüssiger Cousistenz. Sie ist eins der stärksten Aetzmittel, indem sie die organischen Gebilde durch chemische Zersetzung sehr schnell und ohne grossen Schmerz zerstört, dringt sie tiefer ein als der Höllen­stein, macht weisse, festere Schorfe als dieser, hinterlässt aber nach dem Abgehen des Schorfes keine so gute Eiterfliiche wie der letz­tere. Mau benutzt sie zur Zerstörung von AnsteckungsstofFeu und Giften in Wunden und Geschwüren, z. B. des Wuth-Confagiums, des Schlangengiftes, — eben so zur Zerstörung von Polypen, von Warzen, von Callositäten (besonders in Fisteln), von sehr üppiger Granulation, z. B. bei dem Strahlkrebs, und dergl. Auch gegen das bösartige Klauenweh ist sie von Rysz und A. empfohlen, darf aber nur bei äusserster Hartnäckigkeit des Uebels, und nur sehr vorsichtig angewendet werden, wenn man damit nicht mehr schaden als nutzen will. Die Applikation geschieht überall am be­sten mit einem kleinen Pinsel von Werg, und immer recht sparsam auf Einmal; die Auwendungsstelle muss vorher ganz rein und trocken gemacht sein, und die zunächst liegenden Theile müssen nöthigenfalls durch Bestreichen mit Fett oder Oel geschützt wer­den. Ueberhaupt gilt die Vorsicht, wie bei Anwendung der con-zentrirten Säuren (g. 504).
Die übrigen Spiessglanzpräparate sind sammtlich zu entbehren und auch fast nirgends gebräuchlich.
J. Zink, Zincum.
18. Schwefelsaures Zinkoxyd, Zink vitriol, weisser Vi­triol, weisser Kupferrauch, weisser Gallitzenstein, Zin­cum [o.ri/daUim) su/phiiririim, filriolum Xinci s. album, Sulphas zincicus cum aqua.
sect;. 642. Dieses Zinksalz besteht im krystallinischen Zustande aus circa 32 pr. C. Zinkoxyd, eben so viel Schwefels'iure und 36 pr. C.
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Wasser, und lost sich in 2| Th. kalten und in weniger als glei­chen Th. kochenden Wassers auf. — Innerlich angewendet, verur­sacht es bei Thieren, die sich erbrechen können, schon in kleinen Gaben schnell und kräftig Erbrechen, — in grossea Gaben aber ebenfalls Erbrechen und bei allen Thieren Kolik, Laxiren, Athem-bescbwerden, grosse Schwäche, Kälte der Ohren, der Füsse etc., Betäubung und Lähmung, zuweilen auch Zufälle von Entzündung des Magens und der Därme. — Durch seine Injektion i.'i die Blut­adern entsteht bei Hunden von 3—6 Gr. Erbrechen, Betäubung, Lähmung, und nach grossen Gaben auch der Tod, bald plötzlich, bald mehr langsam. — In schwachen Auflösungen auf Wunden, Geschwüre und auf die Haut angewendet, wirkt das Mittel sehr zusammenziehend (etwas weniger als das essigsaure Blei), gelind erregend, die Resorption befördernd, und an absondernden Flächen sehr stark austrocknend. Eben so, aber verhältnissmässig noch stärker, ist auch die örtliche Wirkung des pulv. Zinkvitriols in Wunden und Geschwüren. — Die reichliche Applikation des pulv. Zinkvitriols (1—2 Drachmen auf Einmal) auf Wunden im Zelt­gewebe, war bei Hunden mit Uuempfindlichkeit, mit Lähmung der Gliedmaassen und nach 5 bis 6 Tagen mit dem Tode begleitet. Das Mittel wird bei dieser Anwendung resorbirt und veranlasst hierdurch fast immer zugleich Entzündung und sogar Anätzung des Magens.
Innerlich wird der Zinkvitriol nur zuweilen als ein sehr siche­res und kräftiges Brechmittel benutzt, besonders bei Vergiftungen durch narkotische Stoffe. Die Gabe ist für Schweine 10—15 Gr., für Hunde 2 —5 Gr., und die Anwendung geschieht in Auflösung mit etwa 100 Theilen lauwarmen Wassers. Chiovitta will auch bei Pferden gegen die üblen Zufälle von zu grossen Gaben der Belladonna den Zinkvitriol in Gaben von 1 Skrupel bis 1 Drachme, mit Kleie und Wasser gemengt., mit sehr gutem Erfolge angewen­det haben (Froriep's Notiz. 1836. Nr. 1022).
Aeusserlich dient das Mittel bei astben. Angenentzündungen, die mit Schlaffheit und Auflockerung der Conjunktiva und mit reichlichem Scbleimfluss verbunden sind, bei dergleichen Flecken und Narben auf der durchsichtigen Hornhaut; bei Erschlaffung der Schleimhaut in der Nase, oder an den Genitalien; bei grossen, aber noch weichen, oder bei frisch ausgetretenen Gallen; bei schlaffer, üppiger Granulation in Geschwüren und Wunden, besonders am Hufe, z. B. bei eiternden Steingallen und-bei Strahlkrehs; bei gut­artiger Mauke; bei dem gutartigen und bösartigen Klauenweh; bei alter, sehr nässender Räude u. dergl.
Man benutzt es bei den bezeichneten Augenkrankheiten so-
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wohl in Auflösungen (1 Th. auf 100—150 Th. Wassers oder aromat. Flüssigkeit), wie auch in Salheu (mit 10—20Th. Fett oder Honig) — und zuweilen auch in Pulverform, mit Zucker u. dgl. (sect;. 177). — Fiir die (ihrigen Kraukheitszustände sind mehr conzeutrirte Auf-lösiingen von 1 Th. Zinkvitriol in 8 — 16 Th. Flüssigkeit, — oder für eiternde Flachen mit sehr schlaffer Granulation, auch eine Men-gung mit Bleiwasser oder seihst der Zinkvitriol in Pulverform am zweckmiissigsten zu benutzen.
Anmerkung 1. Der saizsaure Zink, die Zinkhutter ('/.im:, tnurialicum, Murias liucicus, liulyrum Ziaci), aus Zillkoxyd und Salzsäure bestehend, ist das stärkste mid eingreifendste Aetz-mittel, welches sehr tiefgehende und scharfhegränzte Schorfe bildet und hei üppiger Granulation, Markschwamm etc. gute Dienste ge­leistet hat.
Anmerkung 2. Der essigsaure Zink {Zinc, aeeficum), bisher in der Thierarzneikunst sehr wenig angewendet, wirkt in massiger Gabe zusammenschruiupfeud, tonisch, die Absonderungen vermindernd, — in grossen Gaben Erbrechen erregend und laxi-rend. Marcus und Steinhoff hallen es mit sehr gutem Erfolge gegen chronische, mit Erschlaffung des Dannkanals verbundene Diarrhöe bei Pferden und Rindvieh, und eben so gegen die Ruhr der Schafe angewendet. Gabe: für Erstere ^Drachme, fiir Letztere 1 Skrupel, täglich 4 mal, in schleimiger Flüssigkeit. (Bericht über d. 2te Versamml. d. Vereins Mecklenb. Thierärzte. Schwerin, 1847.)
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Register.
Aalruppenfett. 179. Absorprion d. Arzneimittel. 19. Abfiihrendo Wirkung. 4'i. Acetas phirabi. GTO.
; plumbi acidnlus siccus. 671.
s plumbi liquidus. (!70.
s plumbicns crystallisaf us. 671. Acetis plumbi liquida. 670. Acetum. 564.
#9632;nbsp; nbsp; camphoratum. 311. = cerevisiae. Ö64.
-nbsp; nbsp; commune s. crudum. 564. ; conceutratissimum. 564.
= contentratum. 564.
= destillatum. 564.
s plumbi s. sahmiiuum. 670.
laquo; pyro-lignosum. 56S.
= vini. 564. Acida animalia. 543.
s miueralia. 543.
= vegetabilia. 543. Acidura aceticum. 564.
= aceticum concentratuin. 564.
= aceticum dilutum. 564.
= aceticum purum. 564.
-- arsenicosum. 655.
= bonissicum. 498.
= carbonicum. 573.
= hydrochloricum. 558.
= hydrocyauicum. 498.
#9632;nbsp; nbsp; hydrocyanatum. 498. = muriaticnm. 558.
-nbsp; nbsp; muriaticum oxygenat. 526. j nitricum. 555.
; oxymuriaticum. 520. s phosphoricum. 572. ; pyro-lignosum. 568.
-nbsp; nbsp; sulphuricum. 551.
; sulphuricum crudum. 552.
#9632;nbsp; nbsp; sulpburicum destillatum s. rectificatum. 552.
-nbsp; nbsp; sulphuricum dilutum. 554. ; tanuinum. 198.
-#9632; tartaricum. 573. Ackerminze. 251.
Ilertiv ig ArznciiiiiUlaquo; lirbi lt;-.
Aconitum. 507.
#9632;#9632; napellus. 507. Acria. 374. Adeps. 170.
.- piscarius. 176.
= suilla. 175. Adler-Saumfarrn. 225. Adstringirendo Mittel. 197.
-- Wirkung. 49. Aegyptische Salbe. 700. Aerugo. 698. Acs viride. 698. Aether aceticus. 374.
#9632;nbsp; nbsp; muriaticus. 374. s nitricus. 374.
= phosphoratus. 374. , s sulphuricus. 373. Aetherisches Pflanzenniil 230. Aetherisch-olige Mittel. 229. Aethiops martialis. 684.
s mineralis. Aethusa cynapium. 509. Aetz-Ammoniakfliissigkcit. 583. Aetz-Ammonium. 583. Aetzkali. 580. Aetz-Kalk. 588. Aetzmittcl. 57. Aetz-Natrum. 583. Aetzstein. 580. Aetzsublimat. 718. Alantwurzel. 276. Alaun. 624.
-. gebrannter. 624. Alauuerde. 594. Albumen. 126.
-- ovi. 126. Alcalali miuerale. 610.
i vegetabile aeratuni. 605.
.- vegetabile causticum. 580.
= volatile siccum. 611. Alcohol dilutum. 367.
#9632;nbsp; nbsp; martis. 682.
= vini absolutum. 366. Alkali, flüchtiges. 583. s frocknes flüchtiges. 611. 48
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Alkali vegeiabile caush'cum.
Alkalien. 574.
Alkohol. 366.
Allgemeine Wirkung. 29.
Aloe. 429.
Aloe-Extrakf, wässeriges. 4
-nbsp; nbsp; Tinktur. 437. Alpenbaldrian. 282. Alpranken. 5Ü7. Alter der Thiere. 7ö. Althaein 144. Altheesalbe. 145. Altheewurzel und Kraut. 1 Alumen. 624.
-nbsp; nbsp; nstum. 624. Alumina. 594. Alumium-Oxyd. 594.
= o.xydatum. 594. Amberkraut. 256. Ameisen. 393.
-. Saft, 394.
-. Spiritus. 394. Ammoniak. 611.
s breuzlich-Oliges kohlcns
s essigsaures. 644.
-- kohlensaures. 611.
s salzsaures. 633. Ammoiiiakgummi. 341.
s kupfer, schwefelsaures.
-. quecksilber, salzsaures. Ammonium. 5L-3.
-nbsp; nbsp; aceticum. 644.
-nbsp; nbsp; brenzlicheskohlensäuerl
-nbsp; nbsp; carbonic, s. subcarbonic ; carbonic, pyro-oleosum. s causticum. 583.
= essigsaures. 644.
-nbsp; nbsp; flüssiges. 583.
'- kohlensaures. 611.
s Liniment. 587.
s liquidum. 583.
s muriaticum. 633.
j muriaticum ferratum s. tiatum. 690.
= salzsaures. 633.
; sulphur.-hydrotbiouic. Ampfer. 214.
; stumpf1)l.:itteriger. 214 Amygdalae amarae. 505. Amyium. 149. Andorn, weisser. 191. Angelica silvestris. 279. Angelikawurzel. 278. Anisöl. 258.
580.
Anissameu. 257. Antimonium. 732.
-nbsp; nbsp; cruduni. 734. Antiphlogistische Wirkung. 53. Antiseptische Wirkung. 54. Antispastischo Wirkung. 35. Anweudungsart., verschiedene. 82. Aqua amygdalarum amar. 506.
; calcis. 588.
#9632;nbsp; nbsp; coerulea. 698.
-nbsp; nbsp; destil.Menthaepiperitae. 251. -. fortis. 555.
-nbsp; nbsp; Goulardi. 677.
-nbsp; nbsp; Lauro-cerasi destillata. 507.
-nbsp; nbsp; Opii. 450.
: oxymuriatica. 526,
-nbsp; nbsp; phagedaenica lutea. 724.
; phagedaenica nigra s. rai tis. 71-8. s picea. 357.
#9632;nbsp; nbsp; plumbica s. saturnina. 677. ; Etabelii, 554.
= vegeto-mineralls. 677.
-nbsp; nbsp; viridis. 701.
,- vulneraria Thedenii. 555. Arcaeusbalsam. 335. Arcanum duplicatum 616. Argentum. 729.
-nbsp; nbsp; nitricum fusum. 729. Argilla rubra. sulpburica. 624.
#9632;nbsp; nbsp; pura. 595. #9632;. Kali 594.
Aromatische Mittel. 230.
s Spezies. 239. Arquebusadc. 555. Arrak. 369. Arscnicum. 655.
-- (oxydatumi album. 655.
s citriuumnativumfossile. 66sect;.
; sulphuratum. 668 Arsenik oder Arsen. 655.
#9632;nbsp; nbsp; weisser. (155. Arsenikessig. 665. Arsenikoxyd, weisses. (155. Arzneikrlifte. J0. Arzneimittel. 6. Arzneimittellehre. 7. Arziiciwirkungen. 7. 10. 26. Asa dulcis. 335.
= foetida. 33(1. Asant, stinkender. 336.
#9632;#9632; wohlriechender. 335.
s tinktur. 339. Asparagiu. 144.
ii.
. 612.
697. 727.
612.
611. 612.
mar-
60J.
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753
Aspidium ftlix foemina. 'I'irt. Asseln. 442. Atropin. 465. Attichkraut. 412. Augenstein. 701. Augentrost. 211. Aurin, wilder. 395. Auripigmcnt. GGS. Austerscbalen, präparirte. G1Ö. Auswurfbefbrdemde Wirkung. 38. Autenrielhs Salljp. 747. Avena. 157.
s decorticata. 157.
s tosta. 157. Axungia anserina. 179.
s canis. 179. .
; equorum. 179.
.- pedum tauri. 179.
s porcina. 175. Baccae et folia Land. 263,
; Juniperi. 272.
- Myrtilli. 226.
s Oxycoccos. 22G.
s Rhamni cathartic!. 442.
s Sambuci. 243.
s Sorbi ancpariae. 22(1.
= Spinae cervinae. 442.
s Vitis idaeae. 22G. Bärentraube. 148. 222. Bärwurzel. 290. Baldrianwurzel. 280. Balsam, canadischer. 325.
s carpathiscber. 325. Balsamus Arcaei. 335.
s canadensis. 325.
s carpatbiens. 325.
s copaivae. 335.
,- de Mekka. 335.
s de tolu. 335.
s pernvianns. 335.
s snlpbnris simplex. 516.
s snlpbnris terebinthinat. 333.
s vitae externns. 333.
2 vnlnerarins. 333. Basilienkraut. 25G. Baumöl. 177. Baumwachs. 317. Benzoe. 335.
Benzoehaltige Opiumfinktnr. 4.rgt;(raquo;. BergSl. 360. lierlinerblan. 685. Bernstein. 335. Bertramwurzel, 282. Bernfskraut. 211.
Beruhigende.besänft, Wirkung. 36. Beta. 169,
s altissima. 169.
.- vulgaris. 1G9. Betäubende Mittel 1 l.i. Betäubende Wirkung. 34. Betonienkraut. 256. Biberuellwurzel. 289. Bicarbonas Potassae. ii05. Bichloretum Hydrargyri. 71,8. Bier. 155. Bieressig, üfii. Bierhefen. 155. Bilsenkraut, schwarzes. 45!).
; Extrakt. 460.
-- Oel. 4G0. 464.
s Tinktur. 460. Birkenblätter. 225.
s öl. 360.
s rinde 225.
.- theer. 3G0. Bifartras kalicus cum aqua. 645. Bittere Arzneimittel. 181. Bitterer Extraktivstoff; 181. Bittererde, kohlensaure. 616.
ä reine. 594.
5 schwefelsaure. G23. Bitterklee. 189.
Bittermandelöl, ätherisches. 506. Bittermandelwasser. 506. Bittersalz. G23. Bitterstoff. 181. Bittersüss 507. Bitumina. 341,
Blähungtreibeade Wirkung. 45. Blausäure. 498. Blauwasser. G98. Blei. GG9.
s basisches essigsaures. ti70.
s essigsaures. 670.
s kohlensaures. 679.
s cerat. 67S.
s ess ig. 670.
#9632; extrakt. 678.
-- glätte. 670. 678.
s Oxyd, essigsaures. 671.
s ; kohlensaures. 679.
s oxydul saures essigsaures. 671. '
- salbe. ()7!gt;.
5 wasser. G7T. Bleiweiss. 679.
-- salbe, einfache. G78.
: - kampherhallige. 079. 48*
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754
Bleizucker. 671. Blutwurzel. 201). ßockshornsamen. I Yl. ßockstalg. 171. Bohnen. 160. Bohnenkraut. '256. Bolus alba. 595.
s anncnia. 595.
-. rother od. armenischer. 595.
= rubra. 595.
= weisser. 595. Branntwein. 367. Branntweinschlämpe. MV,. Branntweinspülicht. 370. Brassica fennentata. 573.
; napobrassica 109.
s rapa. 169. Braunharz. 214. Braunkohlenöl. 360. Braunstein. 679. Braunsteinoxydl., salzsaur.,sch\vc-
telsaurcs. 681. Brannsteinüberoxyd. 674. Brechnuss. 474. Brechnussextrakt, wässeriges. 479.
j weingeistiges. 479. Brechweinstein. 73S. Brechweinsteinsalbe. 747. Brechwnrzel. 405. Brenzlich-öüge iMittel. 341. ßrenzliches Oel, thierisches. 315. Brombeerhlätter. 211. Brucin. 474.
Brust- oder Luftwurzel. 278. Bryonin. 421. Bucheckernöl. 179. Buchsbaum. 222. Buchwaizen. 160. Buchwaizengriltze. 160. Burgunder-Röbe. 169. Butter. 175. Buttermilch. 133. Butyrum 175.
-' Äntimouii. 74gt;.
; insulsuni recens. 175.
s laurinum. 263.
; Majoranae. 250.
= Zinci. 750. Bnxus sempervirens. 222. Calcaria chlorosa, s. chlorata. s. oxymuriatica. 527.
: chlorinica. 527.
s sulphurata. 600. Calcinmoxvd. 588.
Calomelas. 711. Calx carbouica. 615.
= caustica s. usta s. viva. 58S. Camphora. 291. Cantnarides. 360. Cantharidin. 380. Capita papaveris. 459. Capsicum anmiuin. 267. Garbo. 538.
= animalis. 538.
5 mineralis. 542.
s purus s. praeparatus. 538.
5 Spongiae. 541.
s vegetabilis s. ligni. 538. Carbonas ammonitus. .611.
= kalicns. 605.
-nbsp; nbsp; ecineribus clavellatis. 605. s Potassae. 605.
Caryophylli aromatici. 291. Caseum. 132. Cassia cinnamomea. 290. Catechu, Catechusaft. 210. Cathartin. 398. Canterium potentiale. 5N). Cedria. 354. Cera. ISO.
-- arborea. 317. Ceratum citrinum. 317.
s Saturni. 678.
laquo; simplex. 181. Cerevisia. 155. Cerussa. 679. Cetraria islandica. 158. Chabert'sches Oel. 352. Chaerophyllum silvestre. 509. Chemie. 103.
Chemische Einwirkung. 12. Chemisch-einfache Arzneimit. 510. Chinarinde. 227. Chinin. 227. Cbinoidin. 227. Chlor. 520.
s flüssiges. 526. Cbloretum Ammouii; 633.
s Calcariae. 527.
-nbsp; nbsp; Ferri. 690.
s Hydrargyri. 711.
-. Katrii. 628. Chlorgas. 522. Chlorigsaurer Kalk. 527. Chlorin, Chlorinjas. 520. Chloris calcicus. 521. 527. Chlorkalk. 527. Chlorkali. 534.
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755
Chloruatrium. f)28. Chlomatrou. 521. 533. Chlornatnun. 533. Chlorquecksilber, doppeltes. 718.
s einfaches. 711. Chlorsoda. 533. Chlorspiessglanz. 748. Chlorum calcareum. 527.
= Kali. 534.
- Natri. 533. Chloruretum Stibii. 748.
-. de protoxydo Sodii. 533.
.- Sodii. 533. Chlorwasser. 526. Chlorwasserstoff'säure. 52(1. 558. Chondrin. 134. Christwurz. 410. Chrysophansäure. 214. Cichorieu würze!. 192. Cicuta terrestris. 498.
-. virosa. 497. Cideressig. 564. Cinchouin. 228. Cineres davellati. 605. Cinnabaris. 726. Citronenmelisse. 252. Citronenschaleii. 291. Classifikatiun d. Arzueimittel. 95. Cobaltum. 668. Coccnli indici. 509. Cochlearia oflicinalis 289. Codiin. 449.
Colchicum autumnale, 443. Colla animalis. 134. Colocyuthides. 422. Colocyuthiu. 423. Colophonium. 318. Coloquinten. 422. Conchae praeparatae. 615. Coni Lupuli. 195. Coniin. 493.
Constitution der Thiere. 79. Couzeutration der Mittel. 67. Copaivbalsam. 335. Coriander. 291. Cortex Betulae. 225.
-. Chinae. 227.
-. Cinnamomi. 290.
#9632;. Fraxini. 222
#9632; Granatorum. 211.
= Hippocastaui. 219.
-. Populi. 213.
-. et folia Quercus. 205.
; radicis Punicae granati. 211.
Cortex Salicis. 216.
s Ulmi interior. 212.
= Winteramis. 290. Cortices Aiirantionim. 291.
,- Citri. 291. Corticin. 218. Cosme'sches Mittel. 663. Cremor lactis. 132.
= tartari. 645. Creosotum. 357. Creta alba. 615. Crocus. 510.
; martis aperitivus. Sbi. Crotonsamen. 424. Crotonsäure. 424. Cubeben. 291. Cubebenpfeffer. 291. Cuprum. 691.
= alurninatum. 701.
= ammouiacale. 697.
s oxydatum acetatuni. 698.
- oxydatum sulphuricmn. 691.
#9632; sulphur.-ammoniatum. 697. Cypressen-Wolfsmilch. 439. Daturin. 472. Degen, schwarzer. 360. Deutoxydum plumbi. 678. Dextrin. 136. 150. Diätetisches Verhalten. 93. Digitalin. 479. Digitalis. 479. Dillkraut. 259. Dillsamen, 259. Dippelscbes Oel. 351. Diptamwurzel, weisse. 290. Direkte Wirkung. 30. Doppelsalz. 616. Doppelsalze. 602. Dosis. 69. 75. 78. Dostenkraut. 250. Dostenöl. 250. Doversches Pulver. 450. Drachenblut. 211. Dynamische Einwirkung. 11. Ebereschbecren. 226. Eberwurzel. 283. Ehrenpreis. 192. Eibenbaura. 508. Eibischwurzel und Kraut. 144. Eicheln. 208. Eichengerbesäure. 205. Eichenmistel. 216. Eichenrinde u. Eichenblätter. 205. Eier. 126,
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756
Eieröl. 128.
Eierschaleu. 61.5.
Eigelb. 127.
Einbeere. 507.
Eiutheiluug d. Arzneimittel. 95.
Einwirkung, verschied. 11. 12.
Eisen. 681.
-nbsp; nbsp; blausaures. 685. .- Chlorür. 690.
-. Cyanürcyauid. 6^5.
= Extrakt, iipfelsaures. 665.
= feile. 682.
-nbsp; nbsp; hut. 507.
#9632;- jodür. 685. #9632;- 'kraut. 211. -- mohr. 684.
-nbsp; nbsp; Safran. 684. Eisenoxyd-Ammoniak, sal/.s. 6'JO. Eisenoxyd, braunes. 6h4.
= essigsaures. 685. ; haltiges weinsteinsaures Kali. 690.
; Hydrat. 684. .- kohlensaures. 684. -- phosphorsaures. 685. s rothes. 685. = schwarzes. 684. Eisenoxydul. 684.
#9632;nbsp; nbsp; hydriodsaures. 6ö5.
s phosphorsaures. 685.
#9632;- salzsaures. 690.
#9632;#9632; schwefelsaures. 6gt;7. Eisensahniäk. 690. Eisensafran, eröffnender. 684. Eisenvitriol. 687. Eisenweinstein. 690.
-- Kugeln. 690. EiterungbeförderndeWirkung. 53. Eiweis.' 126. Eiweis- u. gallerthaltige Mittel.
126. Eiweisstoff. 126. Electuarium theriacä. 450. Elemiharz. 334. Elixir acidum. 554.
-nbsp; nbsp; saures. 554. Emetine. 405. Emplastrum acre. 390.
#9632;nbsp; nbsp; cantharidum. 390. = citrinum. 317.
Empyrcumatisch-ölige Mittel. 341. Emulsio papaveris. 143. Enderraatische Methode. 88. Engelwurzel. 278.
Englisches Salz. C23. Enzianbitter. 167. Enziauwurzel. 187. Epheuharz. 341.
Erbrechenerregende Wirkung. 39. Erbsen. 160. Erden. 574. Erdepheu. 197. Erdgulle. 395. Erdharze, tlüchtige. 341. Erdraucbkraut. 191. Erdschierling. 493.
= Extrakt. 495. Erfahrung. 102. Erhitzende Wirkung. 32. Erlenblätter. 225. Erregende Wirkung. 31, Erschlaffende Wirkung. 52. Erythroretin. 214. Eschenrinde. 222. Eselsgurke, Eselskiirbis. 442. Essentia myrrhae. 340. Essig. 564.
.- quot;iither. 374.
: buchst conzcntrirter. 564.
= destillirter. 564.
: gewöhnlicher roher. 564.
t Salmiak. 644.
s verstärkter oder conzentrir-ter 564. Essigsäure. 564.
c conzentrirte. 564,
#9632;nbsp; nbsp; reine. 564.
-nbsp; nbsp; verdünnte. 564. Essigsaures Natrum. 645. Euphorbia dulcis, Cyparisslas,
Lathyris. 4;;!9. Euphorbienharz. 438. Euphorbium-Tinktur. 439. Extractum aloes aquosum. 437. .- baccar. Ebuli. 442.
#9632;nbsp; nbsp; Conii niacu.'ati. 497. #9632;. Ferri pomatum. 685.
-nbsp; nbsp; Filicis marisaethereum. 224. = Hyoscyami. 460.
t Myrrhae aquosum. 341. .- nucisvomicaeaquosum. 479.
#9632;nbsp; nbsp; nucis vomicae spirituosum. 479.
-• Opii. 450. = Rhei simplex. 216. #9632;- '. compositum. 216. #9632;#9632; Saturni. 6T8. Faba St. Ignatii. 509.
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757
Faeces viui. 372. Farbeginster. l'Ji. Färberröthe. 221. Fäulüisswidrige Wirkung, öl. Farina seminnm lini. 14(1.
gt;nbsp; nbsp; tritici. 149. Farrnkrant-Exfrakt. 224.
gt;nbsp; nbsp; öl. 224.
; wurzel. 223. -Fei tauri. 190. Feldthymian. 252. Fenchelkraut und Feuchelwurzei.
258. Fenchelsameu. 258. Fermentum. 150. Ferrum. G81.
s aceticum oxydatuin. 685.
= borussicum. 6^5.
; carbonicum. f)S4.
-- hydricum. 684.
;nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;;nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;in Atiua. 684.
t hydrocyanicnm. 685.
- hydroiodieum. s. iodatum. oxydulat. 685.
s muriaticutn oxydulat. 690.
s oxydatum fuscum. 684.
; oxydatum rubrum. 685.
= oxydatum phosphoric. 685.
s oxydulatum nigrum. 684.
; oxydulatum phosphor. 685.
raquo; pulvcratum. 682,
s piiium limatum. 682.
s sulphuratum. 666.
,- sulpburicum oxydulat. 687. Fichtenharz. 813. Fichtensprossen. 334. Fieberklee. 139. Filzkraut. 216. Fingerhutkraut, rotbes. 479.
s Tinktur, ätherische. 485.
.• Tinktur, einfache. 482. 4^5. Fischthran. 176. Fleischbrühe. 134. Fliederbeeren 243.
s bluraen. 242.
= raus. 244. Fliegenstein. 668. Flohsamen. 148. Flures Arnicae. 399.
= Balaustiorum. 211.
s Chamomillae romanae. 246.
; Chamomillae vulgaris. 2i4.
; et semina foeni. 256.
; et herba Gnaphalii. 211.
Flores Humuli. 195.
,- Lavendulae. 246.
,- Rosarum. 225.
,- Sambuci. 242.
s Sulphuris. 516. Folia Alni. 225.
s Aurantiorum. 291.
= Betulae. 225.
; Buxi serapervirentis. 222.
.- Lauro-cerasi. 505.
.- Rubi villosi. 211.
; Sennae. 397.
,- Tabaci. 486.
s Uvae ursi. 222.
; Pyrolae umbellatae. 222.
,- Vitis viniferae. 226. Form, verschiedene, der Arznei­mittel. 60. Formicae. 393. Fowler'sche Solution. 663. Franzbranntwein. 369. Franzosenholzül. 360. Fruchtessig. 564. Früchte, säuerliche. 573. Fructus Acaciae germanicae. 226.
.- Aurantioruraimmaturi. 291.
s Cynosbati. 226. Fünffingerkraut. 211. Fuligo ligni s. splendens. 352. Fumigationes Guytoii-Morvcauia-nae. 524.
,- nitricae. 557.
s oxymuriaticae. 524.
i Smithianae. 557. Furfur Tritici. 153. Gabe d. Arzneimittel. 69. 75. 78. Gänsefett. 179. Galbanum. 341. Galgautwurzel. 210. Gallae. 207. Galläpfel. 207. Gallerte. 133. Oallitzenstein, blauer. 691.
; weisser. 748. Gallussäure. 205. Gartenbaldrian. 282. Oartengleisse. 509. (Jas acidi muriatici oxygenati. 520.
s chloreum s. Chlori. 520.
- oxydirt salzsaures. 520.
-- oxymuriaticum. 52(). Gauchheilkraut. 394. Geigenharz. 318. Gclatina. 133.
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758
Gelbwurz. 290.
Gemüseampfer. 214.
Genever. 369.
Geuisfa tinctoria. 191.
Gentiauiii. 1S7.
Gerberlohe. 207.
Gerbesäure und Gerbestoff'. 19b.
Germer, weisser. 414.
Gerste. 153.
Gerstenmalz. 155.
- mehl. 155. Geschichte der Arzneimittellehre.
101. Geschlecht der Thiere. 79. Geschwulststein. 697. Gewürzhafte Mittel. 229.
= Spezies. 239. Gewürznelken. 291. Gichtrübe. 421. Gift. 6.
Giftlattich. 509. Giftmehl. 655. Giandes Quercus. 20S.
s tostae. 208. Glanzruss. 352. Glaubersalz. 621. Globnli martiales s. martiati. 690.
-, Tartari ferrati. 690. Gluten animale. 130.
* vegetabiie. 150. Glycyrrhizin. 166. Gnadenkraut. 395. Gnaphalium germanicuin. 216. Goldglätte. 678. Goldschwefel. 736. Gottes-Gnadenkrant. 395. Gonlard'sches Bleiwasser. 677. Grana Molucca. 424.
-. Paradisi. 291.
= Tiglii. 424. Granatapfelbaumwurzelrinde. 211. Granatäpfelblüthen. 211.
; schalen. 211. Graphit. 543. Graubraunsteinerz. 679. Grauspiessglanzerz. 734. Grindwurzrl. 212. Grünspan. 698. Grünspan-Sauerhonig. 700. Gummi 136.
Gummi Gutti. 439.
#9632;. Kino. 211.
= Myrrhae. 339.
; Prunorum. 138.
j Tragacanthae. 139. Gummi-resina Aloes. 429.
-nbsp; nbsp; Ammoniaci. 341.
-nbsp; nbsp; Asae foetidae. 336. -. Galbani. 341.
#9632;nbsp; nbsp; Hederae. 341.
-nbsp; nbsp; Opopanax. 341. = Sagapeni. 341.
Gundermann. 197. ITaarstrang, gemeiner. 197. Hafer. 157.
-- gerösteter. 157. Hafergrütze. 157. Hagebutten. 226. Hahnemanns auflösliches Queck­silber. 727. Haller'sche saure Mixtur. 554. Halogen. 520. Hammeltalg. 176. Hammerschlaff. 684. Hanföl. 180.quot; Hanfsamen. 143. Harz. 311.
s weisses. 318. Harzsalbe, gemeine. 317. Haselwurzel. 442. Hauhechel. 211.
Hauslaub od. Hauswurzkraul. 226. Hausseife. 647. Hauswurz, kleine. 442. Hautreizeude Wirkung. 56. Heidekraut. 211. Heidelbeeren. 226. Heilkraft der Natur. 4. Heilkräfte, absolute der Mittel. 17. Heilmittel. 5. Heilprozess, Heilung. 4. Heilsteiu. 697. Heilungweise, allöopathiscbe. 17.
#9632;- homöopathische. 18. Helleborin. 410. Helleborus foetidus. 414.
#9632;nbsp; nbsp; viridis. 414.
Hepar sulphuris calcareum. 600 s sulphuris volatile. 601.
#9632;nbsp; nbsp; sulphuris vulgäre s. salimun s. alcalinum. 595.
Herba Absinthii. 192. = Agrimoniae. 211. = Althaeae. 144.
arabisches, arabicum. cerasorum. Enphorbn.
137. 137. 138.
43S.
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759
Herba Anagallidis. 394.
jnbsp; nbsp; Auethi. 259
snbsp; nbsp; Augelicae. 280.
;nbsp; nbsp;Basilici. 256.
=nbsp; nbsp;Belladonnaraquo;. 465.
inbsp; nbsp;Betonicae. 256.
;nbsp; nbsp;Cardui benedicti. 191.
.-nbsp; nbsp; Catariae. 256.
;nbsp; nbsp;Ceutaurii minoris. 1S9.
.-nbsp; nbsp;Chelidonii majoris. 396.
snbsp; nbsp; Cicutae terrestris. 493.
,-nbsp; nbsp;Conii maculati. 493.
;nbsp; nbsp;Digitalis purpureae. 479.
;nbsp; nbsp;Ericae vulg. 211.
tnbsp; nbsp;Enphrasiae offlcin. et mbrae. 211.
--nbsp; nbsp;Fumariae. 191.
•#9632;nbsp; nbsp; Genistae tinctoriae. 192.
--nbsp; nbsp; Geranii maculati. 212.
=nbsp; nbsp; Gratiolae. 395.
;nbsp; nbsp;Hederae terrestris. 197.
#9632;-nbsp; nbsp;Hyoscyami nigri. 459.
=nbsp; nbsp;Hyssopi. 249.
-nbsp; nbsp; Levistici. 287.
=nbsp; nbsp;Majoranae. 249.
-nbsp; nbsp; Maivae. 147.
=nbsp; nbsp;Mari veri. 256.
#9632;#9632;nbsp; nbsp;Marrubii albi. 191.
--nbsp; nbsp;Meliloti. 256.
--nbsp; nbsp;Melissae. 252.
=nbsp; nbsp;Menthae crispae. 251.
.-nbsp; nbsp;Menthae piperitae. 250.
--nbsp; nbsp;Millefulli. 195.
#9632;nbsp; nbsp; Nicotianae. 486.
'.nbsp; nbsp;Ononis spinosae. 211.
#9632;-nbsp; nbsp;Origaui vulgaris. 250.
3nbsp; nbsp;Peulapbylli. 211.
--nbsp; nbsp;Plantaginis majoris. 212.
-nbsp; nbsp; Potentillae argentae. 211. #9632;-nbsp; nbsp; Pulmonariae. 148.
#9632;#9632;nbsp; nbsp; Pulsatillae nigricantis. 442.
=nbsp; nbsp;Rutae. 196.
;nbsp; nbsp;Sabinae. 253.
-nbsp; nbsp; Salicariae. 216. .-nbsp; nbsp; Salviae. 248.
#9632;#9632;nbsp; nbsp; Sancuisorbaeofflciualis. 216.
-nbsp; nbsp; Sauiculae. 211.
=nbsp; nbsp; Saponariae. 443.
#9632;-nbsp; nbsp; Saturejae. 256.
--nbsp; nbsp;Scordii. 249. 256.
#9632;#9632;nbsp; nbsp;Sedi majoris.. 226.
#9632;nbsp; nbsp; Sedi minoris. 442. -.nbsp; nbsp; Serpylli. 252.
.-nbsp; nbsp; Sideritid. 211.
Herba Tanaceti. 194.
j Thymi vulgaris. 252.
-. Trifolii fibrini. 189.
-. Tussilaginis. 148. 192.
s Verbenae. 211.
; Veronicae. 192.
,- et llores Hyperici. 442.
-, ct llores Rosmariui. 247.
-. et Dores Verbasci. 148.
,- et radix Belladonnae. 465.
- et radixChelidouii major. 369.
,- radix et baccae Ebuli. 442.
s et radix Foeniculi. 258.
; et radix Petroselini. 261.
s et radix Statices armeriae. 211.
s et radix Taraxaci. 191.
; et semen Stramonii. 472. Herbstzeitlose. 443. Heublumen od. Heusamen. 240.
256. Hircine. 171. Hirscbbornöl. 345.
; rektiflzirtes. 351. Hirschbornsalz, flüchtiges. 612. Hirschhornspiritus. 614. Hirschtalg. 179. Höllenstein. 729. Hoffmann'scbe schmerzstillende
Tropfen. 373. Hohlwurzel, runde. 290. HolunderblUtheu. 242. Holimdermus. 244. Holzasche. 609. Holzessig. 568.
-. brcnzlicher. 568. Holzgeist -568. Holzkohle. 538. Holzsäure. 568. Honig. 165. Hopfen. 195.
s spanischer. 250. Horde'i'n. 153. Hordeum. 153. Hübuerdarm. 394. Hüttenrauch. 655. Huflattich. 148. 192. Hundefett. 179. Hundspetersilie. 509. Hydrargyrum. 702.
s aminoniato-muriaticum. 727. ; cbloratum mite. 711. ; muriaticum corrosivum. 718. ; muriaticum mite. 711.
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760
Hydrargyrum oxydnl.nigriim. 727.
#9632;- oxydatum rlibrum. 709.
- perchloratnm. 7JÖ.
#9632;#9632; praccipitatum rubrum. 70!).
-- sulpburatum iiigrum. 7'2G.
-- sulphiirafum ruBrum. 720. Hydras calcicus. 588. Hydrochloras amoioiiiacus. G33. Hydrothion-Schweffl-Kali. 51)5. Hyoscyamin. 459. Hyperoxyd. 652. Hyperoxydnl. 652. Jalappeuharz. 408. Jalappenseife. 408. Jalappen-Tiiiktur. 408. Jalappenwurzel. 406. Jalappin. 406. Japanische Erde. 210. Igasnrsäure. 474. [gnatiusbohne. 50!). Ilex Aquifoliniu. 228. Indifferente Mittel. 121. Indirekte Wirkung. 30. Ingwer. 2S0.
Jod, Jodina, Jodum, 534. Jod-Eisen. 685.
-- Kalium. 537.
= Quecksilber. 728.
= Tinktur. 537.
= wasserstoffsanrcs Kali. 537. Jodetura Kali. 537. Johanneskraut. 442. Jobauuesöl, gekochtes. 442. Isopkraut. 249, Judenpeehöl. 360. Juglassäure. 220. Kälberkropf. 509. Käse. 132. Kali aceticum. 644.
; basisches, kohlensaures. 605.
-nbsp; nbsp; bisulphuricum. 621. ,- carhonicum. 605.
-- carbonicum acidulnm. 605. #9632;#9632; carbonicum ueutrum. 605. #9632;- carbonicum perfecte satura
turn s. aeratum. 605. = causticum siccum. 580. s essigsaures. 644. s vollkommen gesättigtes oder
crystallisirt. kohlens. 605. -- geschwefeltes. 595. = hydroiodicura. 537.
-nbsp; nbsp;jodwasserstoffsaures. 537. ; kohlensaures. 605.
Kali, kohlensaures, crystallisirtes od. vollkomm, gesättigt. 605.
#9632;- kohiensäuerliches. 605.
-nbsp; nbsp; mildes. 605. = mite. 605.
-- neutrales, kohlensaures. 605.
-nbsp; nbsp; neutrales,weinsteinsaur. 646. •#9632; nitricum. 638.
.- salpetersaures. 638. #9632;- saures, schwefelsaures. 621. -- saures, weinsteinsaures. 645. = schwefelsaures. 616. Kali -Spiessglanzoxyd, weinstein­saures. 738.
-nbsp; nbsp; stibioso-tartancuni. 733. .- subcarbonicum. 605.
-nbsp; nbsp; sulpburatum. 595.
#9632;nbsp; nbsp; sulphur.hydrogenatuni. 595. ; sulphuricum. 616.
; tartaricum acidulum. 645. -- tartaricum ferratum. 690.
-nbsp; nbsp; tartaricum natronatum. 616. s unterkoblensaures. 605.
Kali-Sclnvefelleber, gemeine. 595. Kaliseife. 647. Kalk, kohlensaurer. 615. ,- reiner, gebrannter oder le­bendiger. 588.
#9632;nbsp; nbsp; gelöschter. 588. Kalk-Hydrat. 588. Kalkmilch. 588. Kalk-Schwefelleber. 600. Kalkwasser. 590. Kalmuswurzel. 283. Kalomel. 711.
Kamillen, edle, römische. 216. Kamillenhlumen. 244. Kamillenextrakt. 246. Kamillenöl, ätherisches. 245. _ = gekochtes. 245. Kamillen was ser. 246. Kammfett. 179. Kampher. 291. Kampheressig. 311. Eampherliniment. 310. 3ö7.
s flüchtiges. 587. Kampheröl. 310. Kamphersalbe. 310. 387. Kampherspiritus. 310. Kanthariden. 3-S0. Kantharidenpüaster. 390. Kanthariden-Tinktur. 385. 391. Karbe. 259. Kardobenedikfonkraut. 191.
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761
Kartoffeln. 159. Kartoffelkraut. 15',). Katzenkraut. 25ti. Katzenminze. 256. Katzenpfötchen. 211. Kelleresel. 442. Kermes minerale. 73(1. Kienholz. 334. Kino. 211. Kirschgummi. 138. Kirschloorbeerbliitter. 505.
,- öl, ätherisches. 507.
#9632;- wasser, clestillirtcs. 5117. Kirschwasser. 369. Klatschrose. 459. Kleber. 150. Kleie. 153. Klettenwurzel. 147. Knoblauch. 2S5. Kuorpdstoff, 134. Koch- oder KQcbeusalz. 628. Kockelskörner. 509. Eönigssalbe. 317. Kohle. 53S.
-. mineralische. 542.
; reine. 538.
: fhierische. 538. Kohlensäure. 573. Kohlensaure Salze. 605. Kohlrüben. 169. Krähenaugen. 474. Kraftmehl J49. Krampfstillende Mittel. 35; Krappwurzel. 221. Krauseminzkraut. 251, Kreen. 267. Kreide, weisse. 615. Kreosot. 357.
Kreuzblättrige Wolfsmilch. 439. Kreuzdornbeeren. 442. Krotonkürner, Krotonsamen. 42i Krotonol. 424. Krotonölkucben. 429. Küchenschelle. 442. Kühlende Wirkung. 33. Kümmel, römischer, 291. Kümmelsamen. 259. Kupfer. 691. Kupferoxyd, essigsaures. 698.
-. schwefelsaures. 691. Kupfer-Salmiak. 697. Kupfervitriol. 691. Kupferwasser. 687. Kurkuma. 290.
Lac. 129.
; ebiityratum. 133.
-. sulphuris. 516. Lachenknoblauchkraut. 256. Lactuca virosa. 509. Läusesamen. 443. Lakritzensaft 167. Lamium album. 212. Lapatbia. 212. Lapis causticus chirurgorum. 580.
; divinus. 701.
; infernalis. 729.
= medicamentosus. 697.
s ophthalmicus. 701. Laudanum liquidum Sydeuhaml.
450. Laugensalz. 574.
* ätzendes mineralisches. 583.
laquo; flüchtiges. 583.
5 vegetabilisches. 580. Lavendelblumen. 246. Lavendelgeist. 247. Lavendelöl, destillirtes. 246. Lebensbalsam. 333, Lebensbaum. 256. Leberthrau. 176. Ledum palustre. 510. Leim. 134. Leinkuchen. 141. Leinöl. 178.
,- geschwefeltes. 516.
.- terpentinölhalfiges, geschwe­feltes. 333. Leinsamen. 139. Leinsamenmehl. 140. Lercheuterpentiu. 325. Liehen islandicus. Lü-N Lichenin. 158. Liebstöckelkrant. 287. Liebstöckelsame. 287. Liebstöckelwurzel. 286. Lignum Qu.assiae. 188.
j et radix Juniperi. 27(i.
-. resinosum pini. 334. Limatura martis praeparata. 682. Liniment, flüchtiges. 587. Linimentum ammoniato campho-ratum. 587.
-nbsp; nbsp; ammoniatum 567.
-nbsp; nbsp; camphorae. 310.
s Cantbarldum. 387. = phosphoratum. 519. -- volatile. 567. Linsen. 160.
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r62
Liquor acetatis plumbibasici. Ü70.
-nbsp; nbsp; acidus Halleri. 554.
= AiDinonii acetici. G-14.
= Ammouii carbonic, pyroo-leosi. G14.
5 Ammouii caustici. 5S3.
= auodymis miueralis HoflP-manui. 374
= Cblori 526.
#9632;- Ferri oxydat. Iivdrat. G85.
= Myrrhae. 341.
s Plumbi subacetati. G70.
= Stibii muriatici. 748. Lithargyrura. G78. Löffelkraut. 289. Löffelkrautspiritus. 2S!). Loscliwasser. 685. Lowenzabnwurzel. 191. Lorbeerbutter. 2G3. Lorbeeren u. Lorbeerblätter. 263. Lorbeeröl. 263. Loröl. 263. fjungenkraut. 148. Lupuliu. 195. Lytta vesicatoria. 380. Magistrcnzwurzel. 289. Magnesia. 594.
; ätzende. 594.
-- alba. 61G.
-. carbonica. 616.
* kohlensaure. 616.
#9632;- pura. 594.
s schwefelsaure. G23.
'- subcarbonica. 61G.
-- sulphurata. 601,
-nbsp; nbsp; sulphurica. 623.
= usta s. calcinata. 594. Maguium-Oxyd. 594. Magnium oxydatum. 594. Majoranbutter. 25(1. Majorankraut. 249. Majoranöl, destillirtes. 25ü. Maiwurm, kupferrother. 391.
-nbsp; nbsp; schwarzblauer. 391. Maiwurmkäfer. 391. Maiwiirmer. 391. Maltum hordei. 155. Malvenblumen. 148. Malveukraut. 147. Mandeln, bittere. 505. Mandelöl, ätherisches. 50G.
-- süsses, fettes. 179. Maugan. 679. Manganesium. G79.
Manganum hyperoxydahim. 679.
= oxydatum nativum. G79. Mangold. 169. Manna. 169. Manuit. 169. Maunstreuwurzel. 290. Mars. G81. Marum verum. 256. Mastix. 335. Mater vini 372. Materielle Beschaffenheit d. Arz­neimittel. 58. Maturantia. 54. Mauerpfefferkraut. 442. Meconin. 449. Meconium. 449. Medicaments aeida. 542.
; acria. 374.
•#9632; adstringentia. 49. 197.
#9632; aethereo-oleosa. 229.
s albuminosa. 126.
-- alcalica et terrca. 57 L
-- amara. 181.
-nbsp; nbsp; amylacea. 149.
= aromatica. 229.
-nbsp; nbsp; camphoracea. 291.
-- empyreumatica. 341.
-nbsp; nbsp; indifferentia. 121.
-nbsp; nbsp; metallica. G51.
#9632;#9632; mucilaginosa. 136.
-- narcotica. 443.
#9632;#9632; pinguia et oleosa. 170.
#9632;- resinosa et balsamica. 311.
-. saccharinaetmeilaginea, 161.
-nbsp; nbsp; spirituosa et aetherea. 361. ; volatilia. 216.
Mecrnelke. 211. Meerrettigwurzel. 287. Meersalz.quot; 628. Meerzwiebel. 4Ü9. Mehl. 149. Mehlkalk. 590. Meisterwurzel. 289. Mekkabalsam. 335. Mel. 165.
Melilotenkraut. 25G. Melissenkraut. 252. Meloe majalis. 391.
= proscarabaeus. 391. Mentha aquatica. 251.
gt; arvensis. 251.
-- crispa. 251.
#9632;- piperita. 250.
-. Pulegium. 252.
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7C3
Mentha silvestris. 252.
i viridis. 251. Mercurius. 702.
s dulcis. 711.
; praecipilatus albus. 727.
= praecipitatus ruber. 7(ii).
^ solubiiis Hahnemanni. 727.
; sublimatus uorrosivus. 718, Merkurialsalhe, graue. 703. Metalle. 651. Metallmn oxydaium. fi.:)2.
; oxydnlatnrn. 651, Metallsalze. 652. Miere, rotlic. 394. Milch. 129. Milchzucker. 13:lt;. Millepedes. 442. Mindereis Geist. 644. Minenlkermes. 730. Mineralmohr. 720. Miaeralsiuiren. 543. Mistel. 216. Mittel, adstringirende. 197.
; ätherisch-ülige. '229.
; alkalische u. erdige. 574.
; aromafische. quot;229.
-. betäubende. 443.
#9632; bittere. 181.
; campherhaltige. 291.
; chemisch-einfache. 510.
-- eiweishalfige. 126.
-- empyrenmatische. 341.
s fettequot;mul fettig-ülige, 170.
s fliiebtige. 361.
j gewürzhafte. 229.
#9632;- gnmmi- u. schleimharzige. 335.
2 harzige u. balsamische. 311,
= indifferente. 121.
-nbsp; nbsp; mehl- n. stärkemelilhaliige. 149.
= metallische. 651,
-nbsp; nbsp; narkotische. 443. ; saure. 542.
-nbsp; nbsp; scharfe, 374.
#9632;. schleimige u. eiimmihaltige.
136. ; siis.se, zuckerhaltige. 161.
-nbsp; nbsp; Weingeist- und ätherhaltige, 361.
Mittelsalze. G01.
Mixtura sulphurico-acida. 554.
s vnlneraria aeida. 555. Mohr, wilder, 459.
Mohnköpfe. 459.
Mübiiül. 180. Mohnsaft. 449. Mohnsamen. 143. Mohusameumilch. 113. Mohr, mineralischer. 7'2(j. Mohrrüben. 168. Mohrrübensaft. 168. Molken. 130.
Momordica Elaterium. 442. Moos, isländisches. 158, Moosbeereu. 220. Morphium. 449.
-nbsp; nbsp; aceticum, 450.
.- essigsaures. 450, Murias Ferri cum Aqua, 090,
.- Stihii oxydati, 74S,
: zincicus. 750, Morveau'sche Räucheningeu, 524, Mucus. 130.
Münze, laquo;riiiie etc. 251, 252. Mutterkorn. 509. Mutterbarz 341. Myrrhe, Myrrhengurami. 339. Mynhenbalsam. 341. Myrrhenextrakt, wässeriges. 341. Myrrbenfliissigkeit. 341. Myrrhenöl. 341.
s destillirtes. 341. Mynheiitinktur. 340. Nachtschatten, schwarzer. 507. Naphtha vitrioli. 373. Narcein. 449. Narcotine. 449. Narkotische Mittel. 443. Natrium chloratnm. 62S. Natronhydrat. 553. Natronseife. 047. Natrutu aceticum: 045.
#9632;nbsp; nbsp; basisch kohlensaures. OKI. ,- bicarbonicum. 610.
-- carbonicum. 610.
-. carbonicum neutrum, s. per-
feete saturatnm s. acidulum.
610.
#9632;nbsp; nbsp; causticum s. purum, 583, -- essigsaures. 045,
-- kohlensaures, 610,
-nbsp; nbsp; imiriaticum, 028.
: neutrales kohlensaures. RIO.
#9632;nbsp; nbsp; .salzsaures, 028.
.- schwefelsaures. 621. -. subcarbonicum. 610. : sulphurlcimi, 021.
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764
Natterwurzel. 209. Neapelsalbe. 703. Nelkenpfeffer. 267. Nelkenwurzel. 223. Nervensalbe. 24S. Nessel, taube. 212. Neutralsalze. 60J. Nicotianin. 4S6. Nicotiu. 4SG.
Niesenerregeude Wirkimg. 36. Nieswurü, grüno. 4:11.
; schwarze. 410.
s stinkende, 417.
quot; weisse. 414. Nitras kalicus. G.its.
t potassae. 036. Nitrum. 63^. Nux vomica. 474 Obstessig. 5(14. Ochsenklaueufett. 179. Odermennige. 211. Oel, ätherisches. 230.
s brcuzllches oder empyreu-matisebes. 341. Oelstuff. 170. Oertliche Wirkung. 29. Ofenruss, glänzender. 352. Oleine. 170. Oleum aethereum Anisi. 258.
s aethereutn vegetabile. 230.
s ammoniatum. 587.
j Amygdalarum amararum ae­thereutn. 50G.
s Amygdalarum dulcium. 179.
; animale aethereum. 351.
s animale Dippelii. 351,
; animale foetidum. 345.
i anthelmintbicum 352.
.- Asphalti. 360.
s baccarum juniperi, 275.
'- betulinum. 360.
s camphoratum. 310.
: Cannabis. ISO.
= Cerae. 360.
t Chamomillae aethereum. 245.
#9632; Chamomillae infusutn. 245.
- contrataeniamChaberti. 352.
e Cornu cervi foetidum. 345.
j Cornu cervi rectificatum. 351.
; Grotouis. 424.
; destiliatum Sahinae. 256.
s empyreumaticum animale,
345.
s Filicis man's. 225.
Oleum Fuligiuis. 360. -. Hyoscyami infusnm. 460.461. -. Hyperici coctum 442. #9632;#9632; Lauri. 263.
= Laurp-cerasi aethereum. 507. raquo; Lavendnlae destiliatum. 247. -. ligni ßuajaci. 360. = ligni juniperi, 276. = Lini. 17!s.
= Lini snlphuratuni. 516. 5 Lithrancis. 360, laquo; Majoranae destiliatum. 250. -. Meuthae piperitae. 251. #9632;#9632; Myrrhae aethereum, 341. #9632;#9632; Myrrhae per deliquium. 341. = Napi. 179. raquo; nucleorum Fagi. 179.
-nbsp; nbsp; nueum Juglandium. ISO. ; Olivarum. 177.
= Origai'i cretici. 250.
#9632;#9632; Ovorum. 128.
= Pahnae. ISO.
#9632;#9632; Palmae Christi. 180.
raquo; Pajjaveris. 180.
-nbsp; nbsp; Petrae. 360.
#9632; Philosophorum. 360.
-- pyro-animale. 345.
= pvro carbouicum. 360,
-. Ricini, ISO.
#9632;#9632; Roris mariui. 247.
-. Rusci. 360.
= Spicae. 247.
= Terebinthinae. 325.
#9632;#9632; Terebinthinae sulphurattim. 333.
-. vitrioli, 551. Operment. 668. Opian. 449. Opium. 449. Opiumextrakt. 450, Opiumtinktur, einfache, benzoe-
und safranhaltige. 450, Opiumwasser. 450, Origanum creticum. 250. Osmazom. 133. Osterluzeiwurzel, gemeine, 290.
#9632;#9632; runde. 290. Ova. 126. Oxycrat, einfaches. 507.
= zusammengesetztes. 567. Oxycratum compositum. 567.
ä simplex. 567. Oxyd. 652. Oxydul, 651,
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765
Oxydulum. 651. Oxydum. G51.
s calcicutu. 588.
; ferricuin. GSö.
ferricuru cum Aqua. (i^!.
s lenose ferricura. 684.
j Hydrargyri praeparatum.709.
s Maguesialaquo; uigrum uativiim. ()7lJ.
-. Mangani uigrum, 579.
-. Natri hydratum. 583.
-nbsp; nbsp; Flumbi album. (iTl).
s plutnbicum semifusnm. 678. Oxymol aerugiuis. 700. Palmöl 180. Panax-Guuinii. 341. Papavcr rhoeas. 459. Pappelrinde. 218. Pappelsalbe. 218. Paradieskürner. 291. Paris quadrifolia. 5(17. Pastiuaca sativa. Ki'J. Pastiuakwurzel. 109. Pecb, sebwarzes. 319.
s weisses oderBurguridisches. 318. Penetration. 25. Perubalsam. 335. Petersilieu-Eraut u. Wurzel. 261. Petersilieusamen. 259. Petroleum. 3G0. Peucedauum offieiiiale. 197. Pfeffer, schwarzer. 264.
-nbsp; nbsp; spanischer. 266.
-nbsp; nbsp; weisser. 266. Pfefferkraut. 256. Pfeffermiuzkraut. 250. Pfeffermiuzölj desfillirtes. 251. Pfefferrainzwasser. 251. Pfeffer-Tinktur. 267. Pferdefett. 17i).
Pferdesat. 261. Pflauzenkoble. 538. Pflanzeulaugensalze^uftsaure^OS. Pflauzensiluren. 54(). Pflaster, englisches schwarzes. 390.
-nbsp; nbsp; scharfes. 390.
; schwarzes. 390. Pflauinenbranntwein. 3()i). Pflaumeugnmmi. 138. Pflaumenmus. 170, Phaeoretiu. 214 Phagedäuiscfaes Wasser, gelb. 724.
,- miliics oder schwarzes. 718.
Phosphor. 517. Pbosphoräther. 374. Phosphor-Liniment. 519. Pbosphorsäure. 572. Pimpernelle, ro'he 216. Pimpiuella nigra. 290. Pimpiuellwiirzel, schwarze. 290.
t weisse. 289. Piper album. 266.
.- caudatum. 291.
= bispanicum. 267
-- jamaicense. 2()7.
s nigrum. 264. Fix alba. 318. ,- liquida. 354, .- nigra liquida Fagi. 354. s nigra solida. 319. Placenta granorum crotonis. 429.
#9632;- seminum lini. 141. Plumbum, (ilii).
= aecticum. 670.
raquo; carbonicum. ()7(,).
t oxydatum subfuscum. 678, Poleiminze. 252. Poina colocyntbidum. 422. Pomeranzen, unreife. 291. Pomeranzenblattcr. 291. Pomeranzenscbalen. 291. Populin. 218. Populus tremula. 218. Forsch, Forst. 510. Potasche. 605. Potassa. 605. Fraecipitatus ruher. 709. Praccipitat, roflier. 709.
; weisser. 727. Preisselbeereu. 220. Primäre Wirkung. 27. Principium adstringeus. 198.
= amarum. 181. Primus domestica. 505.
#9632;#9632; Cenasus. 505.
ä spinosa. 505, Primus Lauro-Cerasus. 505,
.- Padus. 5115. Pteris aquilina. 225. Pulpa Frunorum. 17l(. Pulvis Doveri. -550.
= Ipecacuanbaecompositiis.450.
gt; pyrius. 643.
= sclopetarius. G43. Purgirköruer, kleine. 424. 439. Furgirkraut 395. Purgirwurzel, 40sect;.
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766
Putamen nucumjuglandium. 220. Quappenfett. 171). Quassiaholz. 1S8. Quassin. 188. Queckenextrat. J 69. Queckensaf't. I fi'J. Queckemvurzel. 169. Quecksilber. 766.
laquo; ätzendes salzsaures. 718.
-#9632; niiMes salzsaures. 711.
s versüsstcs. 711. Quecksilberchlorid. 718. Quecksilbcrobloriir. 711. Quecksilberoxyd, rotbes. TOS). Quecksilberoxydul, schwarzes. 727. Quecksilber - Präcipitai rother.
709. Quecksilbersalbe, graue. 703. Quecksilbersublimat,ätzeudcr.718. Quellsalz;. 628. Quendelkraut. 252. Quittenkerne. 139. Quitteusamen. J 39. Rabeis Wasser. 554 Radices Dauci. 16f\ Radix Allii. 285.
; Althaeae. 144.
-, Angelicae. 278.
s Aristolochiae fabaceae. 290.
; Aristolochiae rotiuidae. 200.
s Aristolochiae vulgaris. 290.
: Armoraciae. 287.
; Arnicae. 39,).
* Asari. 442.
-. Bardauae. 147.
#9632;- Belladonuae. 46.:).
,- Bistortae. 209.
t Bryoniae albae. 421.
; Calami aromatic!. 283.
; Carlinae. 283.
; Caryophyllatae. 223.
; Cepae. 286.
s Cichorii.' 192.
s Consolidae ma,joris. 146.
. Curcuraae. 290.
p Dauci. 168.
s Dictamni albi. 290.
raquo; Enulae. 276.
-. Eryngii. 290.
-. Filicis. 223.
5 Galangae. 290.
; Geutlanae. 187.
? Gialapae. 406.
-. Graminis. 169,
Radix Hellebori albi. 414. t Hellebori nigri. 410. 5 Jalappae. 406. ; Imperatoriae. 289. .• Fpecacuauhae. 405. -. Lapathi. 212. = Levistici. 286. laquo; Liquiritae. 166. ; Melampodii. 410. raquo; Meu. 290. raquo; Pimpinellae albae. 289. = Pyrethri. 282 j Ratanhiae. 211. -. Rhei. 214. ; Rubiae tinctoruin. 221. laquo; Sapouariae. 443. . Scillae 409.
s Serpeutariae virgiuian. 290. = Spicae celticae. 282. -. Symphvti. 146. .- Tormentillae. 209. = Valerianae majoris. 282. -- Valerianae miuores. 280. ; Veratri albi. 414. s Zedoariae. 290. -. Ziugiberis. 290. Rahm. 132. Rainfarrnkraut. 194. Ratanbiawurzel. 211. Ratten- oder Mäusegift. 655. Rauschgelb. 668. Raute. 196. Reissblei. 543. Resorption. 19.
Residuuni post destillationein Spi­ritus frumeuti. 370. Resiua. 311. -. alba. 318. -- beuzoes. 335. = elemi. 334. -. jalappae. 408. = liquida empyreumatica. 354. j mastiches. 335. ; olibani. 335. ; pini. 313. ; storax. 335. Rhabarbarin. 2)4. Rhabarberextrakt, einfaches. 216.
; zusammengesetztes. 216. Rhabarberharz. 214. Rhabarbersyrup. 216. Rhabarbertinktur, wässerige. 216.
c we'.ngeistige. 216. Rhabarberwnrzei. 214.
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767
Rhein, Rheumin. 214. Rhodeoretin. 40G. Rieinusöl. ISO. Riudermist. 149. Rindertalg. 176. Rii.dsgalle. 190. Roggen. 155. Roggenbrot. 150. Roggenkleie. 15G. Rogenmehl. 156. Rohrzucker. 163. Roob juniperi. 275. Rosenblätter. 225. Rosmarin, wilder. 510. Rosmarinkraut. 247. Rosmarinöl. 247. Rosmariusalbe. 24S. Rosmarinspiritus. 248. Rossfenchel. 261. Rosskastanienblätter. 219. Rosskastauienriude. 219. Rosskastaniensamen. 219. Rossminze. 251. Rossschwefel. 511-. Rübe, rothe. 169. Rübol. 179. Ruhrwnrzel. 209. 405. Rum. 369. Rumex acutus. 214.
= aquaticus. 214.
; obtnsifolius. 214.
; patientia. 214. Rumicin. 212. Runkelrübe. 169. Russ. 352. Russül. 360. Russtinktur. 354. Sabadillsame. 442. Saccharum album. 163.
; lactis. 133.
s saturni. 671. Sadebaum. 253. Sadebaumöl. 256. Säuren. 542. Sauerkraut. 573. Säurewidrige Wirkung. 55. Safran. 510.
Safranhaltige Opiumtinktur. 450. Saftgrün. 442. Sagapenum. 341. Sahne. 130. Saidschützer-Salz. 623. Sal alcali mineralecausticum. ÖS3, = alcali volatile. 583.
Hfl ( wiic Arzneimittellehre.
Sa! aiuarmn. 623. ; ammoniacum. 633. #9632;. ammoniacum acetattun. 644. ; auglicum. 623. : culinare s. commune. 628. 5 de dnobus. GIB. -. fontanum. 628. s gemmae. 628. ; marinum. 628. -. mirabile Glauben'. 621. ,- petrae. 638. ; Saidschuetzense. 623. ; Sodae. 610. ; de Seignette. 646. #9632;. tartari. 605. s tartari crystallisatum. 605. #9632;. volatile amraoniatum. 563. s volatile cornu cervi. 6a2. Salbe, ägyptische, 700. ; flüchtige. o87. ; gelbe. 317. s grüne. 190. = oxygenirte. 558. -. zertheilende. 190. Salbeikraut. 248. Salia alcalina et terrea. 601. ; media. 601. ; neutra. 601. Saliciu. 217. Salivantia. 37. Salmiak. 633. Salmiakseist. 583. Salpeterr 638. Salpeteräther. 374. Salpeteräther-Weingeist. 374. Salpetergeist, saurer. 555. Salpetersäure. 555. Salz, gemeines. 628. Salzäther. 374. Salzäther-Weingeist. 374. Salze, basische. 601. s einfache. 602. = essigsaure. 644. ; kohlensaure. 605. ; iil- und talgsaure. 647. ; Salpetersäure. 638. ; salzsaure. 628. -. saure. 601. = schwefelsaure. 616. - weinsteinsaure. 645. -- der Alkalien u, Erden. 601. Salzgeist. 558.
t versüsster. 374. Salzsäure. 520. 558. 49
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768
Salzsäure, eisenhaltige. 559.
s oxydirte. 52G. Salzsaure Dämpfe. 5G.3.
5 Räucherungeii. 524. Sauguis draconis. 211. Sanikelkraut. 211. Santonin. 195. Sapo domesticus s. albus. G4T.
s jalappinus. 408.
; 'kalimis. 647.
= inedicatiis. G50.
= natronatus. G47.
; nostras 647.
j sebaceus. 647.
#9632;. terebinthinatus. 333.
; venetus, bispauicus. 650.
-. viridis s. niger. 647. Saturnns. 669. Säure, arsenige. 655.
s preussisuhc. 498. Säuren. 543.
-. mineralische. 543.
-. thieriscbe. 543.
#9632; vegetabilische. 543. Sauerkohl oder Sauerkraut. 573. Sauerteig. 156. Scamtnonium. 443. Schafgarbenkraut. 195. Scharfe Mittel. 56. 374. Scheidewasser. 555. Scherbenkobalt. 668. Schierlingskraut. 493. Schiesspulver. 643. Schiffspech. 319, Schlampe. 475. Schlangenwurzd. 209.
s virginische. 291. Schlehen. 226. Schleim. 136. Schleimharze. 335. Schmucker'sche kalte Umschläge.
567. Schmierseife. 647, Schöllkraut-Blättern. Wurzel. 396. Schwächende Wirkung. 51'. Schwamm, gebrannter. 541. Schwammkohle. 541. Schwarzwurzel. 146. Schwefel. 511. Schwefeläther. 373. Schwefelätherweingeist. 373. Schwefel-Ammonium. 601. Schwefelarsenik, gelber. 668. Schwefelbalsam, einfacher. 516.
Schwefelbalsam, terpentinhaltiger. 332.
-. terpentinülhaltiger. 332. Schwefelblumen. 516. Schwefeleisen. 686. Schwefel-Kali. 595. Schwefelkalk. 000. Schwefelleber, flüchtige. 601. Schwefel-Magnesia. 601. Schwefelmilch. 516. Schwefel-Niederschlag. 516. Schwefelquecksilber, rothes. 726.
; schwarzes. 726. Schwefelsäure. 551.
-. gereinigte od. destillirte. 552.
; rohe. 552.
; verdünnte. 554.
s versüsste. 373. Schwefelsalbe, einfache. 516.
j zusammengesetzte. 516. Schwefelspiessglanz. 734. Schweinefett. 175. Schweisstreibende Wirkung. 47. Scillitin. 409. Seeale. 155.
; cornntum. 509. Sekundäre Wirkung. 28. Seife, grüne oder schwarze. 647.
-- medizinische. 650.
s venetianische u. span. 650.
; weisse. 647. Seifen. 647.
Seifengeist od. Seifenspiritus. 650. Seifenkraut. 443. Seignette-Salz 646. Seihe. 155. Semen Anethi 259.
-. Anisi. 257.
laquo; Anisi stellati. 258.
= Cannabis. 143.
- Carvi. 259.
-. Cocculi. 609.
s Coriandri. 291.
s Crotouis. 424.
; Cumini 291.
* Ervi. 160.
-. Fabae. 160.
; Foeni graeci. 142.
= Foeniculi. 258.
s Foeniculi aquatica. 261.
s Hyoscyami nigri. 459.
#9632; Levistici. 287.
-. Lini. 139.
: Papaveris albi et nigri. 143.
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769
Semen Petrosclini, 259.
.- Phaseoli. 160.
= Phellandrii aquatici. 261.
= Pisi. 160.
= Psyllii. 148.
; Sababillae. 4-12.
; Santonici. 194.
s Siaapeos. 265.
5 Sinapeos albi. 272.
; Siaphisagriae. 443.
; Viciae 160. Semina Cydoniorum. 139. Senf. 268.
s weisser. 272. Senfpflaster. 271. Seuuastoff 397. Sennesblätter. 397. Serum lactis. 130. Sevuin cervi. 179.
; ovil'um. 176.
; tanrimun. 176. Silber. 729. Silberglätte. 678. Silbcrf,'l;itteessig. 670. Silberkraut. 211. Silberoxyd, gcscbmoliceiies salpe­tersaures. 729. Sinapismus. 271 Skammoniiim. 443. Slivovitza. 369.
Smithschc Räucheruugen. 557. Soda, reine. 583.
; schwefelsaure. 621.
s weiusteiusaure. 646. Sodaseife. 647. Solauin. ?60. Solanum dulcamara. 507.
-. nigrum. 507. Soolsalz. 628. Spanische Fliegen 330. Spanischfliogen-Liuiinent. 3amp;9.
i Pflaster. 390.
-, Salbe. 387.
-- Tinktur. 391. Species aroinaticae. 239. Speichelerregende Wirkung. 37. Spiessglanz 732.
- rohes. 734. Spiessglanzauflosung, salzsaure.
748. Spiessglanzbutter. 74S. Spiessglanzoxyd.weinsteinsaures. 738.
Spiessglanzschweleljpomerauzen-farbouer. 736.
; rother. 736. Spiessgtauzweinsteiu. 738. Spiköl. 247. Spiritus camphoratus. 310.
s Cerasornm. 369.
; cornu cervi. 614.
; Formicarum. 394.
#9632;- frumenti. 367.
-nbsp; nbsp; Juniperi. 275.
-nbsp; nbsp; Lavendulae. 247.
raquo; s. liquor Minderen. 014.
; muriatico-aethereus. 374.
; Kitri aeidus. 553,
-. Nitri dulcis. 374.
; nitrico-aetliereus. 374.
s Oryzao. 369.
s Rosraariui. 248.
-, Sacchari. 369.
; salis aeidus. 558.
s salis aminoniaci caustlcus.
583. ; salis dulcis. 374.
-nbsp; nbsp; saponis s. saponatus. 650. s succi sacchari. 369.
= sulphurico-aethereus. 374. #9632;- terebinthiuae. 325.
-nbsp; nbsp; vini. 366.
; viui gallicus. 369.
s vini rectificatus et rectifica-tissimus. 366.
,- vitrioli dulcis. 374. Spongia usla. 684. Springkörner. 439. Starkemehl. 149. Stärkende Wirkung. 50. Stahlkugeln. 690. Stahlschwefd. 686. Stangenschwefel. 511. Stearine. 171.
Stechapfel-Blätter u. Samen. 472. Stechpalme. 228. Stein, göttlicher. 701, Steinklee. 256. Steinkohlenöl. 360. Steinöl. 360. Steinsalz. 628. Stepbauskörner. 443. Stercus boum aut vaccarum. 149. Sternanis. 258. Stibium. 910.
s sulphuratum crudum. 734.
; sulphuratum nigrum. 734.
49*
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770
4b
Stinkasaiit. 336.
Stipites Dulcamarae. 507.
Storax. 335.
Storchschnabel, gefleckter. 212.
Stramoiiiu. 472.
Strychnin. 474.
= salpetersaures. 479. Strychniiuim nitiicum. 479. Sturmhiit. 507. Subbisnlphurehim Stibii. 730. Subcarljonas Plumbi. ()79. Suboxyd. 652. Succinnm 335. Succus Dauci. 168.
i Juuiperi. 275.
: Liquiritiae. 167.
; Sambnci. 244. Siisshulzsaft. 167. Siissholzwurzel, 166. Sulphas aluininico-kalicus cum aqua. 624.
= ferrosus cum aqua. 687.
-- Magnesiae. 623. , : oxyduli Ferri. 687. 1 5 Södae. 621. r^s nincicus cum aqua 7)lt;\ Sulphur. 511.
s Antiimmii auratum. 736.
s caballiiuini. 511.
= cbalybeatum. 686.
s crudum. 511.
= depuratum. 516.
gt; piaecipitatum. 516.
raquo; stibialum aurantiaciim. 736.
raquo; stibiatum rubnmi. 736.
#9632; vulgäre. 511. Sulplurretnm Stibii ualivum s. venale. 734.
- slibii rubrum. 736. Sun)pfporsch. 510, Superoxydum mangauicuin. 679. Sydciihams Opiuintinklur. 450. Svrupus communis. 164.
quot;-- Rhei. 216.
'. sacchari 164.
Tartarus antimonialis. 738.
: boraxatus. 646.
= crudus. 645.
; depuratus. 645.
; emeticus. 738.
* kalico-stibicus. 738.
.- natronatus. 646.
j Potassae et Sodae. 646.
j solubilis. 646.
= stibiatus. 738.
= tartarisatus. 646.
j vitriolatus. 616. Tartras kalicns. 646.
= Potassae s. lixiviae. 446. Tausendgüldenkraut. 189, Taxus baccata. 508. Temperament der Thiere. 81. Terebinthina. 320.
raquo; argentoratensis. 325.
i canadcnsis. 325.
= carpathica. 325.
-nbsp; nbsp; cocta. 325.
= cyprica. 325. ; gallica. 325. -- Inmgarica. 325. ; veueta. 325. Terpentin. 320.
: Canadischer. 325. s Carpathischer. 325. = Cyprischer. 325. s Französischer. 325.
-nbsp; nbsp; gekochter. 325.
-nbsp; nbsp; Strassburger. 325. t Ungarischer. 325.
s Venetianisoher. 325. Terpentingeist. 325. Terpentinöl. 325. Terpeutinselfe. 333. Terra catechu. 210.
= foliata tarlari. 644. Testae ovoruin. 615, Teufelsdreck, 336. Thea viridis. 225. Thcdcns Sobusswasser, 555. Thee, grüner. 225. Theer. 354. Tbeenvasser. 357. Theriak. 450.
Thiere, Verschiedenheit hinsicht­lich der Arzaeiwirkung. 73, Thierol, ätherisches. 351.
= stinkendes, 345. Thonerde, reine. 594. Thon-Kali, schwefelsaures. 624.
Tabak, Blatter und Kraut.
486.
Tabakssaft. 493. Taffla 369. Talgseife. 647. TalgstofF. 170. Talkenle, reine, gebrannte. Talk-Schwefellebcr. 601. Tannin. 19S. Tanningensäurc. 210,
594.
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771
Thuja occidentalis. 256. Thus. 335.
Thymian, gemeiner, 'ib'l. Tinctura Aloes. 437.
i Asae foetidae. 339.
: Cauthariduiu. 391.
gt; Capsici aimui. 267.
raquo; Digitalis aetherea. 485.
; Digitalis symplex. 482, 485.
; Euphorbii. 439.
; Fuliginis. 354.
s Hyoscyami. 460.
j Jalappae. 408.
,- Jodi. 537.
,- Myrrhae. 340.
= opii benzoica. 450.
,- Opii crocata. 450.
s Opii simplex. 450.
; Rhei aquosa. 216.
-, Rhei vinosa. 216.
-. Veratri albi. 420. Tollkirsche. 465. Tüllkraut. 465. Tolubalsain. 335. Tormentillroth. 209. Torracntillwurzel. 209. Tragauthgummi. 139. Traubenkirschbanm. 5(15. Trebern. 155. Triticum. 152. Tubera Sulaui. 159. Turiones jtmiperi. 276.
-nbsp; nbsp; pini. 334. Ueberoxyd. 652. üeberoxydul. 652. Uebersalze. 601. Üimenriude. 212. Ungnentum aegyptiacum. 700.
i Aeruginis. 700.
s album tamphoratum. 679,
.- Althaeae. 145.
.- basilicum. 317.
-- betulinum. 225.
= Campborae. 310.
-nbsp; nbsp; Oauthariilum. 387. = cereum 181.
s Cerussae s, Uugueutum al­bum simplex. 679. ; Cerussae camphuratum. 679. = Elemi. 335, .- flavum. 145. 317. * Hydrargyri ciiiereuni. 703. ; Kali hydroiodici. 537. ; inercuriale, 703,
Ungnentum ueapolifanum. 703. : nerviuum. 248.
-nbsp; nbsp; oxygenatum. 558. .- populeum. 218.
, Plumbi. 678.
raquo; resinae Pini. 317.
s resinae Pini burgundicae. 146. 317. 318.
; saturninum. 678.
.- sulphnratum compositum. 516.
! sulphnratum simplex. 516.
: tart, slibiati. 747. Unteroxyd. 652. Venus. 691. Veratrin. 414.
Verbindungen d. Arzneimittel. 68. Vermes majales. 391. Versuche. 106. Vesicatorium. 390, Viuacea. 372. Vinum. 371. Viride aeris. 698. Viscum album s. quernum. 216. Vitellum ovi. 127. Vitriol, blauer. 691.
-nbsp; nbsp; cyprischer, 691. j grüner. 687.
5 weisser. 748. Vitriolnaphta. 373. Vitriolöl. 551, Vitriolum album. 748.
j coeruleum, Vitr, cyprium, Vitr. de Cypro, Vitr. Ve-neris, 691.
; Matris s. Vitriolum viride. 687.
; Zinci s. album. 748. Wacbholderbeereu. 272. Wachholderbeeröl. 275. Wachholderbranntwein. 369. Wachholderholz und die Wur­zeln. 276. Wachholderholzül. 276. WacliboUlersat't, 275. Wachholderspiritus. 275, Wachholdei sprossen 276. Wachs. 180. Wacbsgl. 360. Wachsptlaster, gelbes. 317. Wachssalbc. 181. Wadecke. 130. Walzen. 152. Waizenbrot. 153.
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Waizenkleie. 153. Waizonmalz. 152. Waizenmehl. 152: Waizen-Stärkeinelil. 152. Wald-Angelika. 280. Waldiniiize. 252. Waldnachfschatten. 465. Wallmissöl. 180. Wallnussschalcn, grüne. 220. Wasser, grünes. 701.
= oxydirt salzsaures. 52G.
= phagedänisches, gelbes. 724.
-- mildes oder schwarzes. 718. Wasserampfer. 214. Wasserfenchelsamen. 261. . Wassermiuze. 251. Wasserschierling. 497. Wasserstoffblausäure. 4Ü8. Wegebreit. 212. Weidenbittcr. 217. Weidenrinde. 216. Weidrieb. 216. Weihranch. 335. Wein. 371. Weinbliitter. 226. Weinessig. 564. Weingeist. 366. Weinheren. 372. Weinlager. 372. Weinstein. 645.
-. boraxsaurer. 616.
-- gereinigter. 615.
-- natronhaltiger. 646.
#9632;- roher. 645.
j (artarisirter oder auf löslicher. 646.
-., vitriolisirter. 616. Weinstcinerde, gebliitterte. 644. Weinsteinrahm. 645. Weinsteinsanres Kali, eiseuoxyd-
haltiges. 690. Weinsteinsäure 573. Weinsteinsalz. 605. Weintresteru. 372. Werinüth. 192. Wicken. 160. Wiederholung d. Arzneigaben. 72.
Wieuer-Aetzpnlver. 582. Wintergrün, doldenblüthiges. 222, Winter's-Rinde. 290. Wirkung, säurewidrige. 55,
= steintreibende. 55.
i urintreibende. 45.
; wurmtreibende. 44. Wohlgemuth. 250. Wohlverleih-Blumen, Wurzel und
Blätter. 399. Wolfskirsche. 465. Wolfsmilch, süsse. 439.
laquo; krenzblättrige u. a. 439. Wolfsmilchharz. 43S. Wollkraut. 148. Wundbalsam. 333. Wuudersalz, Glaubers, 621, Wundinischung, saure, 555. Wunnsameii. 194. Zaunrübe. 421. Zeitlose 443. Zertheilende Wirkung. 52. Ziegelsteiuöl, 360. Zimint. 290. Ziinmtcassia. 290. Zincum. 748,
s aceticum. 750.
; muriaticum. 750.
j (oxydatum) sulphuricum, 748. Zink. 748,
t essigsaurer. 750.
= salzsaurcr. 750. Zinkbutter. 750. Zinkoxyd, schwefelsaures. 748. Zinkvitriol. 748. Zinnober. 726. Zitterpappel. £18. Zittwersamen. 194. Zittwerwurzel. 2lJ0. Zomidin. 133, Zuckersyrup. 164. Zucker, weisser. 161. Zug, gelber. 317. Zwergholunder. 442. Zwiebel, gemeine. 286. Zwillingssalze. 602.
Gedruckt bei Julius Sillenfeld.
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