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RIJKSUNIVERS1TE1TTE UTRECHT
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HANDBUCH
PRAKTISCHEN
ARZNEIMITTELLEHRE
FÜE
THIERÄRZTE.
D14 CARL HEINRICH HERTW1G,
PROFBSSOU AN UKW KÖNICL. Till ICUA i:ZN ICiSCIl ITLK IN BBRCilK,
VIEKTE, vkumkiikti-; usd vki'.iiessektk auflauk.
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V.ÜEi^-ZI.G VERLAG VON VEIT amp; COMP. 1863.
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Vorwort zur vierten Auflage.
Nachdem mein Handbuch der thierärztücheo Arzneimittellehre seit einigen Jahren im Buchhandel vergriffen war, übergebe ieb nun dem betreffenden Publikum hiermit die vierte Auflage desselben, die ich durch Aufnahme der in der neueren Zeit bekannt gewordenen Fort­schritte in diesem Tlieilo der Thierarzneikunde zu vervollständigen und auch in anderer Hinsicht zu verbessern, bemüht gewesen bin. Insbesondere ist der pharmakodynaraisclie Tlieil in der Abhandlung der einzelnen Mittel, bei einer grossen Anzahl derselben durch Hinzu­fügung der Resultate von neuereu Versuchen und klinischen Beobach­tungen, bedeutend vermehrt oder hin und wieder auch berichtiget wur­den; und ebenso ist dies bei einigen Mitteln auch mit den Arzneigaben geschehen. Die neueren Präparate, wie z. B. das ozonocirte Terpen-thiuöl, das Chantharidenöl, Chanthariden-Collodium, arsenigsaures Strychnin u. dgl. sind an den betreffenden Stellen bemerkt; und ganz neu aufgenommen sind: Kousso, Benzin, Kamdia, Chloroform, Collodium, (i'y;j,s-, Borax und Kali chromicum.
Den Namen der Mittel habe ich die in der so eben vollendeten neuesten (7.) Ausgabe der Preussischen Landes-Pharmakopöe abge­änderten oder neuen Namen hinzugefügt, dies jedoch bei den Wurzeln mit der botanischen Benennung „Rhizomaquot; statt Radix, bei R. Calami, R. Filicis, R. Qalangae, R. Graminis, R. Veratri albi, R. Zedoariae und R. Zingiberis, — so auch mit der neuen botanischen Bezeichnung „Fructusquot; statt Semen, bei S. Anisi (vulgaris und stellati), S. Canna-bis, S. Cardamomi minoris, 'S. Carvi, S. Colocyntkidis, S. Coriandri, S. Cubcbae, S. Foeniculi, S. Pkellandrii, desgleichen bei Baccae Juniperi (jetzt Fructus Juniperi) und bei der Bezeichnung Seinen Amyddli statt
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dor bisherigen „Amygdalaequot; nicht than können, weil mir diese Verän­derungen erst bekannt geworden sind, als der Druck des Buchs bereits über die genannten Artikel hinaus vorgeschritten war.
Um die in den Preassischen Apotheken offiziellen Arzneimittel von den nicht offiziellen zu unterscheiden, sind die Letzteren (mit Aus­nahme der Mittel der ersten Classe, die fast sämmtlich Hausmittel sind, i hinter ihrem Namen in der Ueberschrift mit dem Zeichen (o) versehen; und um die Thierärzte mit den Kosten der aus den Apotheken verord­neten Arzneimittel bekannt zu machen, habe ich am Schlüsse der ein­zelnen Mittel den Preis derselben nach der jetzt gesetzlich geltenden Prenssischeu Arzneitaxe, oder bei den nicht offiziellen Mitteln den I h'ogueriepreis, notirt.
Im Uebrigen ist die innere Einrichtung des Buchs wie in den früheren Ausgaben geblieben, weil sie sich als brauchbar bewährt hat. Durch Weglassung einiger unwesentlichen Sätze in der allgemeinen Arzneimittellehre, durch etwas kleineren Satz des Textes und noch mehr in den Anmerkungen, ist das Buch trotz seines vermehrten. In­haltes, um 11 Bogen verringert und hierdurch sein Preis gegen früher erheblich vermindert worden.
Die hin und wieder eingeschlichenen Druckfehler, wie z. B. S. 45 der Name Tamburin statt ,, Tab our inquot; u. a. bitte ich mit der Ent­fernung meines Wohnortes vom Druckorte zu entschuldigen.
Beulix, den 20. November 1862.
Dr. Hertwig.
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EINLEITUNG.
sect;• i.
Der thierische Organismus ist ein selbsttliätiger Körper, der das Vermögen besitzt, durch eigene Kräfte und Organe sich gegen die Einwirkungen der ihn umgebenden äussern Einflüsse nicht nur bis zu einem gewissen Grade zu erhalten, sondern auch dieselben zu seiner Er­haltung sich anzueignen.
sect;#9632; 2.
Als äussere Einflüsse ist Alles zu betrachten, was ausseihalb des Thierkörpers besteht, und mit demselben auf irgend eine Weise in Berührung kommt, wie z. B. Nahrungsmittel, Getränk, Licht, Luft, Wärme, Electricität, Arzneimittel etc.
sect;.3.
Die äussern Einflüsse können den Thier-Organismus auf dreifache Weise berühren und auf ihn einwirken: a) mechanisch, durch ihre äussere Form, .Schwere, Bewegung u. s. w., b) chemisch, durch ihre Bestandtheile und deren Beziehungen und Wechselwirkungen auf die Bestandtheile des Körpers, und c) dynamisch, durch noch unbekannte Kräfte, wenigstens auf bis jetzt noch anbekannte Weise.
sect;#9632; 4. In Folge dieser Einwirkungen (Actionen) entstehen Gegen­wirkungen (Keactioneu), welche sich in veränderten Thätigkeiten der betroffenen Theile und der mit denselben auf irgend eine Weise in
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Verbindung stehenden Orgaue zeigen; diese Wirkungen sind mithin nicht blos örtliche Erscheinungen , und hängen nicht allein von den Eigenschaften der äussern Einflüsse ab, sondern werden zum andern Theil von der organischen Thätigkeit des Thierkörpers erzeugt, und erscheinen somit als das gemeinschaftliche Product einer innern und einer äussern Kraft.
sect;•5. Nach Verschiedenheit dieser beiden Factoren werden auch die Wirkungen verschieden sein, und zwar a) besteht unter gewissen Ein­flüssen der Lebensprocess in einem der Erhaltimg des Organismus entsprechenden Grade und in entsprechender Art gleichmässig fort;
IIertwio, Arzueiimtlellehre.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;.
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b) wird bei abgeänderten Eiufltisseu die Lebeustbätigkeit entweder zu sebr erböbt oder zu sebr veriaindert; c) nimmt sie in einzelnen Organen oder Systemen eine veränderte qualitative ßicbtung an.
Diese Verscbiedenbeiten des Lebensprocesses werden im Allge­meinen unter zwei verseliiedenen Zuständen betrachtet, die man ids Gesundheit und Krankheit bezeichnet.
sect;. 6. Gesundheit ist derjenige Zustand eines lebenden Thieres, wo alle Verrichtungen des Organismus mit einander übereinstimmend der Periode und dem Zwecke des Lebens entsprechen und mit Wohlbefinden leicht und kräftig von Statten gehen. Krankheit ist jede Abweichung von diesem Zustande, die sich durch Störung- der naturgemässen Ver­richtungen und des Wohlbefindens zu erkennen giebt.
sect;• 7.
Die Rückkehr zum normalen Zustand ist die Heilung. Dieselbe wird in 1) unzählbaren Fällen durch die eigenen Kräfte, des Organismus, durch das in ihm liegende und vom Leben selbst ausgehende Bestreben desselben, sich zu erhalten und die durch äussere Einflüsse entstandenen Störungen des Lebensprocesses wieder aufzuheben, durch die Natur-beilkraft, herbeigeführt, — 2) sehr oft aber auch durch die zweck-mässige Einwirkung und Leitung äusserer Einflüsse, d. i. durch Heil­mittel.
sect;.8.
Heilmittel kann also Alles werden, was durch seine Einwirkung auf den krankhaften Thierkörper im Stande ist, den üebergang von Krankheit in Gesundheit zu vermitteln. Dies geschieht jedoch bei allen Dingen nur dann, wenn ihre Einwirkung unter Verhältnissen und Bedingungen Statt findet, welche dem kranken Zu standedes Organismus genau entsprechen; denn unter anderen Verhältnissen können dieselben Einflüsse bald als Nahrungsmittel, bald als krankmachende Schädlichkeiten und auch als tödtencle Gifte auf den Organismus wirken. Absolute Heilmittel, d. h. für sich allein und unter allen Umständen heilend wirkende Mittel giebt es daher nicht.
sect;. 9.
Der Inbegriff alles Wissenswürdigen über die sämvntlichen Heil­mittel bildet die gesamrate Hei Imittellebre, lumatoloifia. Da aber dieselbe in ihrem Umfange ebenso unennesslich sein würde, wie die Menge der Heilmittel unendlich gross ist (sect;. 8.), so ist ihre ganz voll­ständige Darstellung als eine begrenzte Doctrin nicht möglich; und man hat daher die sänmitlichen Heilmittel nach ihren vorherrschenden Kräften und nach der Art ihrer Einwirkung auf den Organismus unter mehrere Hauptabtheilungen gebracht, und betrachtet jede derselben als eine besondere Doctrin. — Nach den hier angedeuteten Verschiedenheiten unterscheidet man nämlich mechanische, physikalische und diätetische Heilmittel und sogenannte Arzneimittel.
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A. Mechanische Heilmittel sind diejenigen, die durch Druck Stoss, Reibung etc. auf den Körper wirken und Seilung durch Trennung, Vereinigung und Verdichtung der organischen Substanzen vermitteln. Hierher gehört der gesammte chirurgische Apparat von Instrumenten, Bandagen u. s. w., deren Kenntniss in der Acologie und der chirurgischen Maschinen- und Bandagenlehre abgehandelt wird.
li. Physikalische oder physische Heilmittel sind solche, die aus der beständigen Wechselwirkung der meisten Substanzen auf einander als besondere Naturkräfte hervorgehen und grösstentheils als so­genannte unwägbare Stoffe, Imponderabilia, bestehen, wie z. 13. Licht, Wärme, Electricität, Magnetismus u. s. w.
C.nbsp; Diätetische Heilmittel sind diejenigen, die durch ihre Mischung in einer solchen Beziehung zum gesunden Körper stehen, dass sie, im passenden Verbältniss angewandt, dessen Thätigkeiten gelind erregen, selbst aber durch den Verdauungsprocess der organischen Mischung des Körpers einverleibt werden, und so nicht nur die durch den Lebens-process verbrauchten und ausgescliiedenenBestaudtheile ersetzen, sondern auch zur Erzeugung und Ausbildung neuer Tbeile den Stoff geben. Sie sind zum Fortbestände des Körpers im gesunden und kranken Zustande noting und werden deshalb gewöhnlich Nahrungsmittel oder Lebensmittel genannt. Die Lehre ihrer Wirkung gehört in die. Zoodiätetik.
D.nbsp; nbsp;Die Arzneimittel (Phcmiiaca, Mcdicmnenta) wirken zwar auch zunächst durch ihre eigenthümliclien Stoffe und Mischung auf den Organismus ein, jedoch so, dass sie die Thätigkeit auf eine ungewöhn­liche Weise umstimmen und dabei dem Körper keinen oder nur ganz nnverhältnissmässig geringen Krsatz für seinen Stoffverbrauch abgeben, da ihre Bestandtheile nicht assimilirt werden. Die Arzneimittel wirken daher im gesunden Körper störend auf das normale Verbältniss der organischen Verrichtungen, und bringen somit den Lebensprocess selbst aus dem Gleichgewicht.1 Alles Wissenswürdige, von ihnen znsammen-gefasst, bildet die Arzneimittellehre (Pharmacologia, Materia medico).
sect;. 10. Die thieräiztlicbe Arzneimittellehre frharmacoloyia veterinarian Zoopharmacologia) beschäftigt sich mit der Erkennung, Zubereitung,
1 Anmerkuiig. Mit dieser Erklärung iilier das Verlialtniss der Arzneimittel zum Organismus ist die Erklärung von den Giften sehr verwandt. Beide wirken vor­züglich durch das Verbältniss ihrer ehemischen Bestandtheile und der hierdurch bedingten dynamischen Kräfte, beide können unter entsprechenden Uniständen heilsam oder auch schädlich und tödtlich sein. Als Arzneimittel existiren diese Substanzen alier nur in liezug auf den kranken Organismus und in der Idee, denselben zur fte-nesung umzustimmen; sie entsprechen dieser idee aber nur in gewissem Grade und in einer gewissen Gabe und Art der Anwendung. Gifte beziehen sich auf den gesunden und kranken Organismus, und es können dies dieselben Substanzen sein, die auch als Arzneimittel dienen, wenn sie iu zu grossen Gaben und ungeschickt angewendet werden. Eine strenge Grenzlinie zwischen beiden ist daher nicht möglich festzu­setzen, so wie es auch sehr schwer ist, eine genügende Definition von dem, was Gift ist, zu geben. igt;ie beste scheint noch folgende zu sein: „Gift ist,jede, dem thierisehen Organismus fremde Substanz, welche in grösserer oder geringerer Gabe demselben beigebracht, schnell oder langsam auf
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Wirkung und Benutzung der zur Heilung krankerHaustliiere gebräuch­lichen Arzneimittel, und sie umfasst demnach:
a)nbsp; nbsp;die naturhistorische Beschreibung der Arzneimittel hinsichtlich ihres Ursprungs, ihrer Kennzeichen und physischen Eigenschaften, oder die nie dieiui sehe Waarenkunde, oder Droguenleh re (Phar-maco/otjüi, PharmacograpMa, Pharmacognosis);
b)nbsp; die Vorschriften zur swecknaHssigen Gewinnung, Zubereitung und Aufbewahrung der Arzneimittel, oder die Apothekerkunst (Pharmacia); — und
c)nbsp; die Darstellung der Krftfte und Wirkungen, welche die Arznei­mittel bei ihrer Anwendung auf den Thierkörper unter verschiedenen Verhältuissen entwickeln, — die Arzneiwirkungslehre (Phar-macodynamica).
Die Letztere ist hier unsere eigentliche Aufgabe. Dieselbe enthält zwei Theile, nämlich die allgemeine und die specielle Arznei-wirkungsichre. Jene beschäftigt sich mit den Kräften und Wirkungen der Arzneimittel im Allgemeinen und mit der Eiutheilung oder Classi­fication derselben; wogegen in der speciellen Arzneiwirkungslehre die Eigenschaften, die Wirkungen, die Anwendung bei bestimmten Krank­heiten , die Form und Dosis der einzelnen Mittel betrachtet werden.
eine chemisch-dynamische Weise die Gesundheit stört oder das Leben gänzlich vernichtet, — und sich in demselben nicht wieder erzeugt. (Der letztere Punkt dient zur Unterscheidung des Giftes von dem Con-tagimn.) —
In tbierfirztlicher Hinsicht ist es noch viel schwieriger zu bestimmen, was Alles zu den Giften gerechnet werden soll, als in menschenärztlicher: weil mancher Stoff bei den Tliieren einer Gattung als heftiges Gift wirkt, bei Thieren anderer Gattungen aber entweder nur eine geringe Schädlichkeit zeigt, oder sogar un­schädlich und nicht giliig ist. —
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ALLGEMEINE AEZNEIWIEiLlsGSLEHEE.
BESTES CAPITEL.
Kräfte der Arzneimittel und Entsteluing der Arzneiwirkungeu.
sect;•11.
Die .Arzneiwirkung'en geben sich am lebenden Tliieikörper dnich Erscheinungen zu erkennen, welche an demselben nach der Anwendung der Mittel in einer gewissen Zeit eintreten und durch keine anderen Einflüsse, sondern nur durch die Kräfte der Arzneimittel hervorgerufen worden sind.
Die Kräfte eines Arzneimittels können für sich allein nicht ge­dacht, werden, sondern sind an die Bestundtheile und deren Eigen­schaften gebunden; so wirken sie denn auch auf den Körper mechanisch, chemisch, oder, sagen wir so, dynamisch, ein und rufen physicalische, chemische oder dynamische Wirkungen hervor.
sect;.12. Die inechantschen Einwirkungen.
Auf mechanische Weise wird der Körper bei der Anwendung eines jeden Arzneimittels nothwendig berührt, doch kann durch diese Art von Einwirkung gewiss am allerwenigsten eine eigenthümliche AVir-kung eines Arzneimittels bestimmt werden, da 1) die allermeisten Arznei­mittel nicht in so grossen Gaben gegeben werden , dass sie durch ihre Masse, Schwere, Form u, s, w. bedeutende mechanische Kräfte aussein können; 2) da die verschiedenen Mittel, wenn sie auch in derselben Form und Masse gegeben werden, doch nach ihren inneren Bestand-theilen veischiedenartig wirken; — hauptsächlich aber 3) weil der Orga­nismus nicht nach den Gesetzen der Mechanik, sondern nach denen seiner eigenen Lebenskraft auf die äusseren Einflüsse reagirt, wenn auch die letzteren durch mechanische Kräfte erzeugt sein sollten. — Mechanische Ein- oder Mitwirkungen kommen daher bei den Arzneiwirkungeu nur insofern in Betracht, als sie örtliche Erscheinungen veranlassen und dadurch die Erscaeinungen der eigentlichen Wirkung etwas moditiciren können, wie z, B. bei ausserordentlich grossen oder zu schnell wieder­holten Gaben, welche den Magen anfüllen, oder bei sehr schweren, harten und unauflöslichen Substanzen, welche auf die betroffenen Stellen
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drücken, z. 1!. metallisches Quecksilber, gefeiltes Eisen u. dgl., — oder auch bei einzelnen Formen der Mittel und der Art ihrer Anwendung, z. B. grobe Pulver, feste Bissen und Pillen, recht heftig gemachte Ein­spritzungen etc.
sect;.13. Cheiulsche Eluwlrkuugen.
Eine chemische Einwirkung findet bei der Anwendung eines jeden Arzneimittels .Statt, da seine Hestandtheile nach den Gesetzen der che­mischen Verwandtschaft mit den Stoffen der verschiedenen Hestand­theile des Thierkörpers in Wechselwirkung' treten, so dass gegenseitig Zersetzungen und Verbindungen entstehen. Dies wird dadurch näher erwiesen, dass im lebenden Thierkörper, — wenn dieser nicht seihst krankhafte Verschiedenheiten darbietet, — Mittel von gleichen Ho-standtheilen und Mischungsverhältnissen stets dieselben Wirkungen, - Mittel von ähnlichen chemischen Bestandthcilcn und Mischungsver­hältnissen ähnliche, — und Mittel von verschiedenartigen chemischen Zusammensetzungen und Mischungsverhältnissen immer verschieden­artige Wirkungen erzeugen. — Ferner, es ist bewiesen, dass Säuren im Körper durch Alkalien gesättigt, fiase in den Baucheingeweiden durch Anwendung solcher Mittel, die sie chemisch binden, beseitigt, Aetz-mittel und mehrere mineralische Gifte, so lange sie sieh im Magen o^er Darmkana.i befinden, durch Mittel, die ihre chemische Verbindung- und Beschaffenheit ändern, unschädlich gemacht, Metalle oxydirt, Oxyde in regulinisches Metall umgewandelt werden können etc.
Für viele Heilzwecke werden diese chemischen Einwirkungen voll­ständig genügen, •/.. B. bei dem Gebranch mancher Mittel zum Zerstören krankhafter Gebilde, oder gegen Säuren, Gase und Gifte im Darmkanal, doch sind auch hier nicht die Erscheinungen der Einwirkung- mit denen der vollständigen Wirkung zu verwechseln, denn sie stehen, so weit sie von der chemischen Verwandtschaft abhängen, nicht unter dem Einfluss der organischen Thätigkeit, und die letztere wird sogar ver­nichtet,.wenn die chemische Action über Stoffe im Körper zu sehr vor­waltet, wie z. B. bei Aetzmitteln und chemischen Giften. Wenn daher die Wirkung vollständig erfolgen soll, so muss nach der chemischen Einwirkung die organische Gegenwirkung eintreten, — wie sich dieselbe z. B. in der Reizung, Entzündung und Granulationsbildung nach ge­schehener Einwirkung eines Aetzmittels zeigt.
sect;#9632; 14 hjnaiiiisolie Wirkiiiiftt'ii. Sehr viele Arzneimittel bringen bei ihrer Anwendung auf den lebenden Körper keine deutlich hervortretende örtliche mechanische oder chemische Einwirkung hervor, erzeugen aber doch eine kräftige Reaction in ihm. Da nun bei diesen Mitteln die Wirkung auf mecha­nische Weise gar nicht, und bis jetzt auf chemische Weise auch nicht genügend erklärt werden kann, so nimmt man noch anbekannte Kräfte der Arzneimittel an, die man als dynamische bezeichnet, mit wel­chem Namen man auch ihre Wirkungen im Organismus belegt.
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sect;. 15.
Die Wirkungen eines Arzneimittels sprechen .sicli nicht stets an dem Orte der Anwendung', auch nieht immer gleichmässig im ganzen Organismus aus, sondern dasselbe wirkt vorherrschend immer auf ein bestimmtes System, laquo;der auf ein besonderes Organ, für das c.s sieh wie ein speeifisches Reizmittel verhalt und es in seinem materiellen Zustande afficirt und seine Function modificirt.
So wirken z. B. Opium auf das grosse Gehirn vorherrschend, der Kampher auf das kleine Gehirn und das verlängerte .Mark, desgleichen auf die Nieren, die Brechnuss auf das Rückenmark etc.
sect;• 16.
Der (Jang der allgemeinen Wirkung ist folgenden
Naeh der Aufnahme des Mittels in den Magen findet nämlich eine Lösung oder eine andere chemische Veränderung desselben Statt, wo­durch es zur Resorption tauglieh oder au.ch untauglich gemacht wird, im letzteren Falle können die Mittel nur mechanisch wirken. — Dia Resorption findet durch die, feinsten Enden der Lymphgefässe und Venen Statt und sie ist daher immer um so stärker, je reicher ein Theil an feinen Blut- und Saugadern ist, je mehr oljerfläcdilich dieselben liegen, und je grosser die Berührungsfläche für die angewendeten Arzneimittel ist. Sie findet überall im Körper Statt, wo Venen und Lymphgefässe be­stehen, scheint aber am lebhaftesten an den häutigen Flächen, und zwar vorzüglich an den serösen Häuten, etwas schwächer an den Schleimhäuten, und noch etwas schwächer an der äussern Haut zu er­folgen. Ausserdem tragen auch die leichtere oder schwerere Anllöslich-keit der Arzneimittel, wie die grössere oder geringere Anwesenheit von Säften, von Nahrungsmitteln und von anderen Substanzen (z. B. Schinutz auf der Haut), an der Applicationsstelle zur Beförderung oder Hinderung der Resorption bei, — wodurch sich die Verschieden­heit der Wirksamkeit vieler Arzneimittel nebenbei mit erklärt; denn mit der Schnelligkeit oder der Stärke der Absorption steht auch mehren-theils der Grad der Arzneiwirkung in einem entsprechenden Verhältniss.
sect;. 17.
Durch die, materielle Aufnahme der Arzneistoffe in die Gefässe muss zwar immer zuerst eine Veränderung in tier Mischung und Be­schaffenheit der Lymphe und des Blutes und ebenso eine veränderte Reaction der betreffenden Gefässe bewirkt werden; allein diese ersten Wirkungen sind bei sehr vielen Arzneimitteln, und selbst bei solchen, die scharfe Stoffe enthalten, nur ganz unbedeutend und wenig bemerk­bar. Da aber auf diese Umänderung der Gefässthätigkeit und der tbie-riseben Säfte die Arzneiwirkung niemals beschränkt bleibt, sondern sich hauptsächlich durch Veränderung der Lebensthätigkeit bald im ganzen Körper, bald in einzelnen Organen und sehr verschiedenartig äussert, so kann man wohl nicht annehmen, dass die durch die Aufsaug­ung in den Körper gelangten Arzneistoffe ihre eigentlichen Wirkungen nui- durch die mehr oder weniger heterogene Beschaffenheit ihrer Stoffe im Verhältniss zur Blutmasse und zur organischen Materie überhaupt.
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hervorbringen, sondern es ist vielmehr wahrscheinlich: dass sie mit den
Säften in das Innere der Gebilde gelangen, hier mit den Ausbreitungen der Nerven überall in innige Berührung treten und nun im Verhältniss der ßtärke und Richtung ihrer Kräfte zum Nervensystem ihre speci-tiseben Wirkungen entwickeln, hierauf aber mehrentheils durch das eine oder andere Kxcretionsorgan wieder aus dem Körper entfernt weiden. —Halten aber die absorbirten Stoffe keine heterogenen Eigen­schaften, besonders in Beziehung zum Nervensystem, so werden sie häutig als Mittel für die Bildungsthätigkeit an einzelne Organe ab­gesetzt, wie dies z. R. bei den mehligen, schleimigen, fetten, eiweiss-haltigeu u. s. w. Mitteln der Fall ist, die als Nahrungsmittel dienen.
sect;#9632; 18.
Dieser ganze Process der Arzneiwirkung geht bei manchen Mitteln äusserst schnell, bei manchen sehr langsam und auf die Weise von Statten, dass sie erst den ganzen Kreislauf ein- und mehrmal durch­machen müssen, ehe sie auf ein Organ ihre volle Wirkung ausüben und. ehe sie entleert werden; so ist Terpeuthiuöl, innerlich angewendet oder äusserlich in die Haut eingerieben, schon nach einer halben Stunde wieder mit der ausgeathmeten Luft ausgeschieden, während die Aloe erst uach 20—24 Stunden purgirende Wirkungen zeigt. — Bei vielen aufgesogeneu Stoffen wird höchst wahrscheinlich die schnelle Wirkung durch unmittelbaren Eindruck auf die Nerven gleichzeitig vermittelt und dadurch sehr befördert.
Manche Mittel, wie z. I?. die Blausäure, der Aether, das Chloro­form, wirken so schnell, dass mau aussei- der Resorption auch eine directe Wirkung auf das Nervensystem annehmen muss.
sect;. 19.
Aussei- diesen beiden Arten, wie die Arzneimittel im Thierkörper zur Wirkung gelangen, giebt es noch eine dritte, die der Diffusion, der Endosmosis oder Penetration, des Eindringens der Arzneimittel durch die Poren der organischen Gebilde, wie sie bei feiten und ätheri­schen Gelen, Wasser, Weingeist, den meisten Gasen etc. nachgewiesen ist. Dieser Process ist ein rein physicalischer, wie er auch im todten Thierkörper erfolgt (Durchschwitzen der Galle, Todtenflecke), und müssen die durchgedrungenen Stoffe erst wieder mit den Enden der Nerven in Berührung gelangen oder resorbirt werden, um zur vollen Wirkung zu gelangen. —
sect;.20.
Da also die Arzneimittel in der Lebensthäligkeit und in dem mate­riellen Zustande des Thierkörpers Veränderungen hervorbringen, die Krankheiten aber wesentlich auch in solchen Veränderungen bestehen, so ergiebt sich: dass jede Arzneiwirkung eine Störung der Verhältnisse, eine Art künstlich erzeugter Krankheit ist, die sich nach der Verschie­denheit der bei der Wirkung afficirten Organe u. s. w., äusserlich durch entsprechende Symptome, welche die Erscheinungen der Arzneiwirkuug sind, zu erkennen giebt. Es kommt daher darauf an,- aus den Krank­heitssymptomen das ursprünglich oder vorherrschend leidende Oigan zu
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bestimmen, und hiernach, — abgesehen von therapeutischen Indieatio-nen, — dasjenige Mittel in passender Form, Gabe etc. anzuwenden, wel­ches nach seinen, aus der Erfahrung bekannten Wirkungen am meisten geeignet ist, gerade diese abnorme Lebensthiitigkeit und diesen abnor­men Zustand der kranken Organe gründlich, schnell und leicht um­zuändern.
sect;• 21. Diese Umänderung kann aber durch die Wirkung der Arznei auf zweierlei, fast entgegengesetzte Art erreicht werden; nämlich entweder a) indem die angewendeten Mittel eine der krankhaften Thätig-keit entgegengesetzte Thätigkeit erregen, (z. ß. adstringirend wirken bei zu grosser Erschlaffung der Gebilde, — betäubend bei zu sehr aufgeregter Sensibilität n. dgl.) — bis der normale Zustand odtr die möglichste Annäherung hierzu erreicht ist (auf allöopatbische und antipathische Qeilungsweise); — oder indem b) die Heilmittel eine solche Thätigkeit hervorrufen, welche dem vorhandenen Krank­heitszustande, und somit auch den Krankheitssymptomen ähn­lich ist (auf homöopathische Heilungsweise), und durch welche daher die Symptome bis zu einem gewissen Grade gesteigert werden können. Wie die Heilung auf die erstere Art vermittelt wird, leuchtet von selbst ein, die andere Art der Heilwirkung lässt sich nur dadurch erklären, class es
1)nbsp; nbsp;viele Krankheiten mit einem bestimmten Verlauf giebt, deren Heilung auch nur bei diesem vollen Verlaufe zu Stande kommt. Treten nun Abweichungen von diesem Typus ein, so kann eine künstliche Beförderung desselben, namentlich bei zu geringer Thätigkeit des Orga­nismus, durch entsprechende Arzneimittel erfolgen und nützlich sein;
2)nbsp; dass viele Krankheiten, deren günstige Entscheidung auch nicht eben von einem solchen günstigen Verlaufe abhängig ist, durch die Krankheitssymptome doch häutig eine Tendenz zu gewissen anderen krankhaften Thätigkeiten zeigen, weiche, der Erfahrung zufolge, die Heilung herbeiführen, aber für sich allein nicht vollständig genug ent­wickelt werden können und daher durch ähnlich wirkende Mittel beför­dert werden müssen. Und
3)nbsp; dass nach einem allgemein bestätigt gefundenen Verhalten „eine schwächere dynamische Affection im lebenden Organismus von einer stärkeren dauernd aufgehoben wird, wenn diese (der Art nach von ihr abweichend) jener sehr ähnlich in ihrer Aeusserung istquot;.
ZWEITES CAP1TEL. Von den verschiedenen Wirkungen der Arzneimittel.
sect;#9632; 22. Die Wirkung einer Arznei beginnt mit dem Moment, wo sie mit dem Organismus in Berührung und mit seinen Kräften in Wechsel­wirkung tritt, verbreitet sich dann aber auf andere Orgaue, so dass zuletzt
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der ganze Körper an diesen Wirkungen Tlieil nimmt. Die Totalwirktmg bestellt daher aus einer bald grosseren, bald kleineren Reihe von Ver­änderungen in der Bescliaffcnheit und Jiisclmng der Materie und in der Lebensthätigkeit, welche man tlieils nach dem Ort und dem Ver-luiltuiss der Reihenfolge, wie sie hervortreten als primäre und seeundäre, örtliche und allgemeine, consensuelle und antagonistische, directe und indirecte Wirkungen, theils nach den äussern Erscheinungen als beson­dere, also abfuhrende, urintreibende, schweisserregende etc. Wirkungen unterscheidet.
sect;. 23.
A. Unter primärer Wirkung versteht man die durch die Einwirkung des Mittels selbst hervorgerufene Veränderung im Organismus, unter
seeundärer die Folgezustände jener Veränderungen und Dmstimmungen ohne jede Nachwirkung des Mittels selbst. Diese seeundären Wir-knngen treten stets erst nach den primären Wirkungen auf und sind durch diese bedingt, stehen aber weder in der Art noch in der Stärke und Ausbreitung in einem gleichen Verhältniss; nur bei den auf das Nervensystem wirkenden Mitteln darf man behaupten, dass je grosser die primäre, desto stärker auch die seeundäre Wirkung sei; beide sind . aber hier gerade ihrem Character nach sehr verschieden ; bei der pri­mären Wirkung ist die Lebensthätigkeit in allen Organen erhöht, bei der seeundären herabgestimmt.
Hei Mitteln, die resorbirt werden, kann man eigentlich gar nicht von örtlicher oder allgemeiner Wirkung sprechen; die ersteren können nur als ein Theil der Gesammtwirkung betrachtet werden. Eine örtliche, Wirkung findet nur bei solchen Mitteln Statt, die nicht resorbirt wer­den können.
sect;. 24. Bei der Ausbreitung der Arzneiwirkung im Organismus wird die Function mancher Organe auch auf consensuelle und antagonistische Weise ergriffen, und es entstehen hierdurch die consensuellen und anta­gonistischen Wirkungen. Die ersteren stimmen in der Art der Er­scheinungen stets mit den primären Wirkungen überein und werden deshalb auch oft 'Mi diesen gerechnet; die letzteren sind aber immer von entgegengesetzter Art. Beide setzen eine veränderte Thätigkeit in anderen Organen voraus, beide können in jedem Organ, doch nicht gleichzeitig, vorkommen, denn ihr Entstehen ist nur von der .Stimmung und von dem Verhältniss des ()rgaus der Aufnahme zu den übrigen Organen und von der Art der örtlichen Erzeugung durch die Kraft der Arznei abhängig.
sect;. 25.
Mit den bisher erläuterten verschiedenen Wirkungen, namentlich mit den primären und seeundären, ist der Begriff von director (un­mittelbarer) und indirecter (mittelbarer) Wirkung verwandt. Bei der directen Einwirkung wird die Function und der Zustand eines Organs durch das angewandte Arzneimittel geradezu verändert; bei der indi-recten Wirkung aber wird immer zuerst eine andere Art von Thätig-
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kcit hervorgerufen odor es wird die Verrichtatig anderer Organe um-geändert, ehe, die beabäichtigte Heilung auf dä,s kranke Organ örfolgt. (So kann z.B. zu starke Absonderung im Darmkänal ans Sclnväohe der absondernden Gefässc und der Sclileimliaut iilierhaupt direct clnrcli bittere und üusaimncnzioliende Mittel, — indirect dureli innere und äussere Anwendung der urintreibenden Mittel geheilt werden, und zwar, indem die ersteren auf die erschlaffte Scldeiinhaut selbst einwirken und ihr mehr Tonus geben, ihre Gefässe verengern, und hierdurch die Abson­derung vermindern; die letzteren aber, indem sie in das Blut übergehen, in den Nieren eine vermehrte Absonderung, und hierdurch antagonistiscb undseeundär eine verminderte Absonderung im Dannkanal verursachen.)
sect;• 26.
B. Die grösste Verschiedenheit zwischen den Wirkungen wird dureli die äussem Erscheinungen derselben und durch ihre nächsten Bezie­hungen zum kranken Organismus bedingt, und man hat hiernach vor­züglich erregende, erhitzende, kühlende, betäubende, krampfstillende, beruhigende und schmerzstillende, niesenerregende, Speichelfluss er­regende, Auswurf lief ordernde, abführende, Erbrechen erregende, wurm-, blähung-, urin-, schweisstreibende, zusammenziehende, stärkende, schwächende, erschlaffende, zertheiiende, eutziindnngswidrige, t'äulniss-widrige, sänrewidrige, steintreibende, scharfe und blasenziehende, ätzende Wirkungen unterschieden, Unterscheidungen, die zum Theil sehr vage sind.
Die hauptsächlichsten Wirkungen, die eine Erklärung erfordern, wollen wir hier besprechen.
sect;#9632; 27.
Eine erregende, reizende und erhitzende Wirkung besteht darin, dass die Lebensthätigkeit sehr schnell im ganzen Körper zu einem höhern Grade aufgeregt, und die Verrichtungen aller Organe, namentlich des Gehirns, Nervensystems und des Heizens, für längere oder kürzere Zeit, lebhafter gemacht, selbst zu heftigen Aeusserungen veranlasst werden: zugleich wird die Körperwärme vermehrt. Zu den flüchtigeren Reizmitteln gehören die verschiedenen Aetherarteu, der Weingeist, Kampher, Salmiak, viele freie ätherische Oele und Pflanzen, in denen ein kampherartiges ätherisches lt; gt;el als llaiiptbestandtheil ent­halten ist, zu den fixen, eine anhaltendere Wirkung- verursachenden dagegen alle Mittel aus dem Pflanzenreiche, welche ätherisches Gel oder einen andern flüchtigen Stoff, in Verbindung mit Bitterstoff, mit ad-stringirendem Princip u. dgl. enthalten, wie z. B. Angelika-, Baldrian-und Kalmuswurzel, Kamillenblumen etc.
sect;• 28.
Unter kühlender Wirkung versteht man eine solche, die eine Temperaturverminderung hervorbringt. Ist die erhöhte Temperatur Eolge von erhöhter organischer Thätigkeit, namentlich im Blutgefäss-system, so muss diese, (z. B. bei Congestionen, bei Entzündungen) herabgestimmt werden, oder ist sie Eolge einer beginnenden Zersetzung der organischen Materie, besonders der Säfte (wie z. B. bei Faul- und
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Nervenfiebern), so muss die kühlende Wirkung durch qualitative Um-stimmung' des Lebensprocesses, besonders durch Beseitigung- des Missverhältuisses zwischen Nerven- und G-efässtbätigkeit, durch Ver­besserung- der Mischung des Blutes u. s. w. erreicht werden, im ersteren Falle also durch die meisten Neutral- und Mittelsalze, durch die Pflanzen­säuren , ferner durch Bluteutziehuugen, Ruhe, magere Diät, durch An­wendung der äussern Kälte etc.; dagegen sind bei Faulfiebern und Nervenfiebern sehr häufig nur die flüchtigen und fixen Keizmittel, die Mineralsäuren und adstringirenden Mittel im Stande, die brennende Hitze zu mildern. Pie Mittel der letztern Art wirken zuerst immer er­regend und zusammenziehend, und die übermässige Wärmeentwickelung wird erst dadurch beschränkt, dass die in einzelnen Organen gesunkene und unregehnässige Lebensthätigkeit im Körper auf einen gleichmässigen Grad erhöht und dadurch die weitere Zersetzung der Säfte gehindert wird.
Die kühlende Wirkung ist also durchaus nicht immer eine gleich­artige, und könnte theilweis auch als eine schwächende und eine anti-phlogistische betrachtet werden.
sect;.29.
Die betäubende (narkotische) Wirkung (Narcosis) besteht in einer Herabsthnmung der Nervenkraft, besonders der Sensibilität, und äussert sich nach dem Grade, nach der Ausbreitung und nach der Art oder dem Character sehr verschieden. Hinsichtlich des Grades bemerkt mau sie von der leichtesten Verminderung des Gefühls bis zur gänz­lichen Betäubung der Empfindlichkeit und des ßückwirkungsvermögens (Lähmung), und ebenso des thierischen Bewusstseins (Stupor und narkotischer Schlaf). Die geringeren Grade dieser Wirkung sind an gesunden Thiereu oft kaum wahrnehmbar, an kranken aber doch mehren-theils sehr deutlich zu bemerken und oft heilsam, indem sie die krank­haft aufgeregte Empfindlichkeit mindern, Krämpfe und Schmerzen stillen u. s. w. Die höhern und höchsten Grade sind dagegen immer sehr auffallend, werden aber nur selten zu Heilzwecken benutzt, weil sie in einer wirklichen Vergiftung bestehen und sehr gefährlich sind. — Hin­sichtlich der Ausbreitung zeigt sich die betäubende Wirkung bei manchen narkotischen Mitteln ziemlich gleichmässig fiber das ganze Nervensystem ausgebreitet, bei andern aber vorherrschend auf das Gehirn, auf einzelne Theile desselben, auf einzelne Sinnesnerven, das Rückenmark, auf die Gangliennerven u. s. w. beschränkt; und hinsichtlich der Art erscheint sie fast bei jedem narkotischen Mittel eigcnthflmlich, namentlich bei einigen Mitteln mit gleichzeitiger Aufregung, bei manchen mit Herab­stimmung der Oofässthätigkeit, bei einigen die Se- und Excretion be-thätigend, bei andern sie hemmend, etc. — (Siehe Weiteres die specielle Arzneiwirkungslehre, die VH. Klasse.)
sect;• 30. Eine krampfstillende (antispasmodisebe oder antispastische) Wirkung zeigen die Arzneimittel, welche die unwillkührliche end ge­wöhnlich auch zu starke und schmerzhafte Zusammenziehung (Krampf)
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in den Weichgobildon aufhoben. Die Ursachen dieser krankhaften Aeussening des Ziisammenziehungsvermögens der Gebilde .sind sehr verschieden, und die krampfstillende Wirkung der Heilmittel kann daher entweder in der blossen Ausleerung scharfer, reizender Stoffe, (z. B. der Eingeweidewürmer, dos unverdaulichen, gährenden Futters) durch Brecb- und Abführmittel, — oder in der Einhüllung solcher Stoffe durch Schleim, fettes Oel u. dgl., — oder in Verminderung der zu starken, entzündlichen Reizbarkeit und Congestionen durch Aderlassen, kühlende Salze, strenge Diät, —#9632; oder in Herabstimmung der zu grossen Empfindlichkeit durch betäubende, schleimige, fette Mittel, — oder in Aufregung der Nervenkraft durch reizende und erhitzende Mittel be­stehen.
Der Begriff der krampfstillenden Mittel ist mithin ein sehr weiter und vieldeutiger, obgleich man im engern Sinne gewöhnlich nur die flüchtig erregenden und betäubenden Mittel als krampfstillend be­trachtet.
sect;• 31-
Eine schmerzstillende, beruhigende Wirkung wird durch Anwendung von Mitteln erzeugt, die eiue örtliche Verminderung der Sen­sibilität, oder eine allgemeine Betäubung, oder Heilung eines Krampfes, einer Entzündung, oder Beseitigung mechanischer Störungeu (Knochen­splitter etc.) hervorbringen, also betäubende und schleimige Pflanzen­stoffe als Breiumschläge und Bähungen angewandt, Narcotica, die unter der vorigen Eubrik besprochenen Mittel, oder die chirurgische Hilfs­leistung.
sect;. 32.
Die Speichel erregende Wirkung entsteht durch Reizung der Speicheldrüsen, entweder speeifisch durch das Quecksilber, oder blos consensuell durch Reizung der Schleimhaut des Magens und Darmkanals. Im letzteren Falle können alle reizenden und scharfen Stoffe, welche die Schleimhaut des Mauls nur etwas anhaltend berühren, die Absonderung des Speichels vermehren, wie namentlich die meisten Salze, die äthe­rischen Oele, Pfeffer, Ingwer, Zimmt, Taback u. dgl.
sect;• 33.
Die Auswurf befördernde Wirkung bezieht sich auf die durch Medicamente veranlasste, erleichterte und verstärkte Entleerung von Schleim, Eiter und ausgeschwitztem Easerstofl' (zuweilen auch von Würmern) aus den Respirationsorganen; die zu beseitigenden Hinder­nisse der Auswerfung können 1) ein zu hoher Grad von entzündlicher Reizbarkeit, 2) zu grosse Empfindlichkeit und krampfhafte Zusammen-ziehung, 3) zu geringe Empfindlichkeit und Reizbarkeit, zu grosse Schwäche in der Schleimhaut (einzelner oder aller Theile) der Re­spirationsorgane, 4) zu dicke Consistenz und zu grosse Zähigkeit der Auswurfsmaterie sein. Bei dem erstem Zustande wird der Auswurf durch Salze, namentlich durch Salpeter, Weinstein, Calomel, Brechwein­stein, Salmiak, durch schleimige Getränke, durch Dünste von lau-
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warmem Wasser, im hohen Grad des üebels selbst durch einen Aderlass befördert. — Für den zweiten Zustand passen ebenfalls schleimige Ge­tränke und Emathmungen von lauwarmen Dämpfen, äusserlich ange­wendete Reizmittel, vorzüglich aber narkotische Mittel (Bilsenkraut, Opium) und ebenso die süssen Stoft'e (Zucker, Honig-, Siissholzwurzel, Mohrrüben). — Dem dritten Zustand entsprechen Reizmittel, besonders solche, welche ätht risches Uel, mit Schleim und süssem Stoff verbunden, enthalten, (z. 13. Fenchel- und Anissamen, Wachholderbeeren etc.) des­gleichen die Schleimharze, die Harze, Balsame und der Theer (nament­lich in wannen Wasserdämpfen eingeathmet), einige scharfe und narko­tische Stoffe (Meerzwiebelwurzel, Fiugerhutkraut), der Schwefel, Salmiak, der Sjiiessglanz und seine Präparate, Brechmittel, Dämpfe etc. — Die zu zähe Consistenz der Auswurfsmaterie ist von einem krankhaften Zu­stande der Respirationsorgaue, besonders von exsudativer Entzündung ihrer Schleimhaut oder auch von Erschlaffung und Auflockerung der­selben abhängig, und die Materie ist deshalb durch die genannten Mittel theils zu verändern, theils zu entleeren.
Die Wirkung dieser Arzneien ist entweder durch eine directe Be­rührung- mit der Respiratiousschleimhaut hervorgerufen, oder sie ist eine indirecte, indem die Mittel, in die Blutmasse aufgenommen, nach ihren speeifischen Kräften erst die Thätigkeit anderer Organe um­stimmen, und dann conseusucll und antagonistisch ihre Wirkung auf die Respirationsorgane äussern. Da jedoch manche flüchtige Stoffe durch die Lungenausdünstung- wieder aus dem Körper ausgeschieden werden, so scheint es, dass durch solche Arzneien eine materielle Be­rührung und Reizung der Respirationsorgaue erfolgt, auch wenn sie zuerst in den Magen gebracht worden sind.
sect;. U.
Die Erbrechen erregende Wirkung- äussert sich in einer stoss-weise erfolgenden Ausleerung (Erbrechen) von genossenen Nahrungs­mitteln, von Schleim, Magensaft, Galle und anderen Stoffen, durch den Schlund und das Maul. Diese Ausleerung- entsteht durch eine eigen-thümliche Reizung, welche irgend einen Punkt des Speisekanais, vor­züglich am vordem Ende desselben, betroffen hat, und worauf eine Erschlaffung und Oeffnung der Cardia, die im gewöhnlichen Zustande wie andere Öphincteren geschlossen ist, eine Schliessung- der Stimmritze, krampfhafte Zusammenziehung- der Bauchmuskeln, des Zwerchfells und des Magens, zugleich mit einer rückgängigen (antiperistaltischen) Be­wegung des vordem Endes des Dünndarms erzeugt wird. Dem Erbrechen geht gewöhnlich eine besondere Verstimmung- des Gcmeingefühls voraus, welche man Ekel nennt, und sich durch Widerwillen gegen Futter und Getränk, stärkere Absonderung- des Speichels, durch Schaudern der Haut und durch Mattigkeit zu erkennen giebt. — Als seeundäre Wirkungen erfolgen mehrentheils noch folgende Veränderungen: 1) wird die Absonderung des Magensaftes, des Darmsaftes, der Galle und des Saftes der Bauchspeicheldrüse dadurch vermehrt, dass auch die dem gereizten Theile des Verdauungskanales entsprechenden Hilfsorgane
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cousensuell gereizt und in erhöhte ThÄtigkeit gesetzt werden, 2) wird die Absonderung- und der Auswurf des Schleims ans den Kespirations-org'anen befördert, :i) wird durcli Andrang' des Blutes zur Haut die Ausdünstung- zuweilen bis zum Hcbweiss vermehrt, 4) tritt durch erhöhte Thätigkeit der Lymphgef'ässe stärkere Resorption, Zertbeihmg-von Exsudaten und Intiltrationen ein, und 5) wird theils durch die Um-stinimung- des N. Ar. vagus und 6-yinpat/ücus, theils durch die Erschüt­terung beim Brechacte eine Autregung und Umstimnnmg des ganzen Nervensystems hervorgebracht. — Das Erbrechen ist also eine sehr zusammengesetzte und in ihren Folgen tief eingreifende Wirkung.
Nicht nur primär durch Reizung des Lungen-, Magen- und des grossen herumschweifenden Nerven, im Schlundkopf und dem übrigen Yerdauungstractus, wird Erbrechen erregt, die Reizung kann auch von andern Organen, z. B. der Luftröhre ausgehen, und wird dann cousen­suell oder antagonistisch auf den Magen, das Zwerchfell und die Bauch­muskeln fortgepflanzt, worauf dann die Erscheinungen des Erbrechens hervortreten.
Das Erbrechen ist nicht bei allen Thieren gleichmässig leicht zu erzeugen; bei Hunden, Schweinen, Hühnern, Tauben und Papageien erfolgt es sehr leicht; bei Katzen, Enten, Gänsen, Affen etwas schwerer, bei dem Rindvieh ist es zwar nicht unmöglich, doch aber schwer und nur unter günstigen Bedingungen (z. B. durch Einspritzen grosser Gaben Brechweinstein in die Blutadern und bei bestehender Grünfüttcrung) hervorzurufen; bei Schafen und .Ziegen ist die, Schwierigkeit noch grosser; und bei Pferden, Eseln und deren Bastarden tritt es in der Regel gar nicht, so lange Magen, Darmkanal, Schlund und Zwerchfell unver­letztsind, oder nur als gefahrdrohende Erscheinung bei Krankheiten ein. Die Spiralklappe an der (Jardia und die Lage eines Theils des Grimm-darms und Blinddarms zwischen Bauchmuskeln und Magen, die den Druck auf den letzteren schwächen, ist wahrscheinlich bei den letzt­genannten Thieren das Hindemiss.
Die Wirkung des Erbrechens kann durch alle scharfen, wie ent­gegengesetzt durch .alle milden und faden Mittel erregt werden, durch welche der vordere Theil des Verdauungskanals heftig gereizt oder auch nur bis zu einem gewissen Grade angefüllt wird. Zu Heilzwecken be­nutzt man fast nur den Brechweinstein, das Zinkvitriol, die Brech­wurzel, die weisse Niesswurzel und das Gottesguadenkraut, da dieselben die wenigst schädlichen Einwirkungen auf Magen und Darmkanal ver­anlassen.
sect;. 35.
Bei der abführenden Wirkung erfolgen, den änssern Erschei­nungen nach, Entleerung von Dannkoth und andern Stoffen durch den Mastdarm in kurzem als den gewöhnlichen Zwischenzeiten, in grösserer Menge und von lockerer, weicherer und selbst flüssiger Consistenz.
Diese Wirkungen sind, hinsichtlich der Art und dem Grade nach, sehr verschieden. Darnach scheidet man auch seit den ältesten Zeiten die abführenden Mittel in 2 Abtheilungen. 1) Die Mittel der ersten Ab-
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tlieilung wirken sehr gelind, kiihleud und erschlaffend, und werden daher auch kühlende oder erschlaffende Ahfiihrmittel, Laxirmittel (Laxantia) genannt. Hierzu gehören die kühlenden Salze;, ehiigermassen auch der Calomel, die Tamarinden, Manna, fette Oele, Honig etc., wenn sie in grossen Gaben gegeben werden. — 2) Die abführenden Mittel der zweiten Abtheilung bewirken eine starke und erhitzende Reizung in den Gedärmen, Unruhe, Kolik, schnellen, fieberhaften Pols, Hitze und Trockenheit im Maul, und man nennt sie daher auch erhitzende Ab­führmittel (Purgaiitia). Hierzu gehören die Crotonkörner, Scammonium-harz, die schwarze Nlesswurz, Aloe, die Coloquinten, das Gummigntt, der Lerchenschwamm, Jalappe, Rhabarber, Sennesblätter, Zaunrübe etc. Einige von diesen Mitteln, so die Crotonkörner, das Scammonium, Eu-phorbium, die schwarze Niesswurz, das Gummigntt, der Lerchen­schwamm, und zum Tlicil*iuch die Aloe, wirken heftiger als die übrigen, verursachen besonders sehr leicht reissende Schmerzen, heftiges Drängen, Abgang von Blut, Darmentzündung, grosse Erschöpfung.
Die abführende Wirkung dieser Mittel ist nicht bei allen Thieren gleich; sie tritt am leichtesten beim Hunde und dem Schweine, schwerer bei den Wiederkäuern, am schwersten bei dem Pferde ein, und muss bei den grossen Thieren durch unverhältnissmässig grosse Gaben bewirkt werden.
Die Wirkung wird zuerst wohl durch einen unmittelbaren Eindruck der Mittel auf die Schleimhaut des Darmes, bei Salzen auch durch Ent­ziehung von Säften aus dem Körper (Diffusion) bewirkt; ferner gehen die Mittel in das Blut über, und wirken dann nach ihren speeifischeu Eigenschaften auf den Darmkanal und auf andere, mit diesem in Verbin­dung stellende Organe zurück, so dass einige die Absonderung wässriger Flüssigkeiten aus den serösen Gefässen, andere die Absonderung von Schleim und noch andere wieder die Absonderung und Entleerung der Galle und des Bauchspeichels vermehren.,— Aus diesem Gange der Wirkung ist es zu erklären: 1) warum dieselbe bei den meisten Ab­führmitteln viel später als andere Arzneiwirkungen eintritt, 2) warum die Farbe, der Geruch und die übrige Beschaffenheit der Excremeute bei jedem Mittel verschieden ist, und 3) wie durch die vom Nervensystem ausgebende Rückwirkung auf den Darmkanal zuweilen ein sehr er­schöpfendes Purgiren, selbst der Tod erfolgen kann, ohne dass eine Darmentzündung entstanden ist.
Die abführende Wirkung ist tief eingreifend: 1) durch die Kei-zung des Darmes bewirkt sie dorthin Blutandrang' und entzieht so andern Organen theils überflüssige, theils auch die zur Ernährung nöthigen Säfte; 2) einige Arzneimittel, z.B. Calomel verändern das Blut, so dass es weniger zur Bildung geeignet wird; 8) durch den Verlust der ausgeleerten Säfte werden dem ganzen Körper Bildungsstoffe entzogen, und so eine Schwächung herbeig-eführt, andererseits dadurch aber auch wieder 4) eine vermehrte Thätigkeit der aufsaugenden Gefässe ver­ursacht. — Hierdurch entstehen seeundäre Wirkungen auf das Gehirn, das Auge, die Nieren, die Haut etc., die aber alle den schwächenden Character zeigen.
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36.
Bei der urintreibenden Wirkxmg fDiuresisJ erscheint die Abson­derung- und Ausleerung des Urins verändert und hauptsächlich so vermehrt, dass die Menge des Urins die des genossenen Getränkes über­trifft. Diese Wirkung kann nur dadurch hervorgebracht werden, dass eine massige Reizung der Nieren und ein stärkerer Zufluss des Blutes zu denselben Statt findet. Die die Üiurese vermehrenden Mittel wer­den auch in kühlende und erhitzende eingetheilt; die erhitzenden versetzen die Blutgefässe und die Nieren vermittelst stark reizender, scharfer Stoffe in einen solchen Grad von Thätigkeit, dass die Erschei­nungen der erhitzenden Wirkung und oft auch örtliche Zut'äüe der Reizung in den Nieren und in der Blase, und consensuell auch in den Geschlochtstheilen wahrzunehmen sind. Solche Mittel sind namentlich: die spanischen Fliegen, Maiwürmer, Maikäfer, Terpenthin und alle andere Harze, viele ätherische Oele, das Kraut des rothen Fingerhut, die Petersilie etc. — Zu den kühlenden Diureticis gehören die, welche neben der speeifischen Wirkung auf die Nieren, die Irritabilität, be­sonders in den Gefässen des Hinterleibes vermindern und das Blut durch Verminder-ing des Faserstoffes dünnflüssiger machen, wie dies die kühlenden Mittelsalze, die verdünnten Pflanzensäuren, die Kohlensäure und die kohlensauren Alkalien und Erden thun.
Die wirksamen Bestandtheile gehen in das Blut und wirken gröss-tentheils durch directe Berührung mit den Nieren; die Wirkung tritt aber sehr unsicher ein, 1 j da die Hinleitung der wirksamen Arzneistoffe zu den Nieren sehr oft von Krankheitszuständen, von den hierbei bestehenden consensuellen oder antagonistischen Beziehungen zwischen den Nieren und andern Organen und von andern Einflüssen abhängig ist, so dass sie unter andern Umständen, z. B. (bei veränderter Witterung) schweisstrei-bend oder den Auswurf befördernd wirken, 2) weil die Urinabsonde­rung von einem gewissen Grade der Reizung abhängig zu sein scheint, den wir bei einzelnen Krankheiten und in der Stärke, der Arzneiwirkung schwer abmessen können. Der Beweis dafür findet sich darin, dass bei Entzündungskrankheiten die erhitzenden harntreibenden Mittel die Urinabsonderung nicht vermehren, die kühlenden aber ihre Wirkung thun.
sect;. 37.
Eine schweisstreibende (diaphoretische) Wirkung zeigen die Mittel, welche die Ausdünstung durch die unverletzte Haut so vermehren, dass die ausgedünstete Materie in Tropfen auf der Haut steht, während die gewöhnliche Absonderung durch die Haut im gesunden Zustand und bei ruhig stehenden Thieren nur in Dunstform erfolgt. Die Stoffe dieser Ausscheidung sind namentlich: Wasserdünste, Ammonium, Wasserstoff', Stickstoff, Kohlensäure etc., und Bestandtheile von Nahrungs- und Arzneimitteln; sie sind bei verschiedenen Thicrgattungen und verschie­denen Körperzuständen in Beschaffenheit und Menge verschieden. Nicht bei allen Thieren kann die Ausdünstung bis zum fliessenden Schweiss verstärkt werden; Pferde, Schafe und Schweine schwitzen leichter, Rin-Hbrtwig, Arzneimittellehre.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 2
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der und Ziegen y'wl sctwerer, und bei Hunden und Elatzen ist flüssiger Schweiss fast niemals zu sehen. —
JJie Sctweissabsonderung gescbielit aus den ScliTveissdrüsen der Haut und wird zunächst durch eine Aufregung der aushauchenden Gefässe derselben und durch vermehrten Blutzudrang herbeigeführtj sie wird dalier vermehrt 1) durch einige Arzneimitte] auf specifische Weise, •/.. B. durch Einspritzung derTinctur oder deslnfusums der weissenNiess-wurz in die Blutadern, durch innerliche Anwendung des Schwefels, des Spiessglanzes und seiner Präparate, der Fliederblumen u. dgL, 2) durch die meisten flüchtigen und erhitzenden Reizmittel, 3) durch narko­tische Mittel (Opium), 4) durch äusserliche Mittheilung von Wärme, 5) durch schnelle und anstrengende Muskelbewegung der Thiere, star­kes Reiben der Haut, durch Bedecken derselben, und (quot;gt;) bei Ent-zttnduugskraukheiten durch Aufhebung der entzündlichen Reizung.
Als Folgen der schweisstreibenden Wirkung entstehen: 1) Vermin­derung des Blutes und Veränderung seiner Beschaffenheit, besonders durch die stärkere Ausscheidung- seiner wässerigen Bestandtheile, 2) stärkere Anregung des Durstes, 3) antagonistische Verminderung anderer Absonderungen, 4) vermehrte Thätig-keit der einsaugenden Gefässe, und 5) bei starken, wiederholten oder anhaltenden Schweissen auch Verzehrung- der Kräfte.
sect;#9632; '#9632;•$#9632;
Die fäulnisswidrige (antiseptische) Wirkung ist auf die Ver­hütung und Beschränkung der Selbstzersetzung- (Fäulniss) der thierischen Materie, namentlich der Säfte, gerichtet. —#9632; Man hat zwar eine solche Zersetzung im lebenden Organismus geläugnet, und dies, in Beziehung auf die wirkliche Fäulniss, die nur bei abgestorbenen Theilen Statt finden kann, mit Recht, doch findet sich im Blut und anderen Säften nicht ganz selten eine Neigung- zur Zersetzung-, z. B. bei asthenischen Fiebern, bei Faul- und Nervenfiebem (Typhus), beim Milzbrande etc., wie auch örtlich eine wirkliche Absterbung und Fäulniss eintritt. — Diese Zersetzung- entsteht mehrentheils aus zu tiefem Sinken der Irri­tabilität, zum Theil aber auch ursprünglich aus fehlerhafter Mischung der Säfte, verursacht durch zu grosse Entziehung oder zu starke Ver­dünnung derselben, oder durch aufgedrungene fremdartige Stoffe, be­sonders durch Contagien, Miasmen, und gehinderte Circulation. Diese Störungen zu beseitigen und die weitere Entmischung zu hindern ist die Hauptsache der fäulnisswidrigen Behandlung; deren Mittel sind dem­nach flüchtige und tixe Reizmittel, g-ute Nahrung, reine Luft, die ad-striug-h-endenMittel, namentlich dieMincralsäuren, Gitronen- und andere Pflanzensänren, China-, Eichen- und Weidenrinde, Kochsalz etc.
sect;• 39. Die ätzende (kaustische) Wirkung besteht darin, dass durch die chemischen Kräfte gewisser Substanzen organische Gewebe, die mit ihnen in Berührung kommen, zerstört werden, indem sie sich mit ihnen nach den Gesetzen der .Wahlverwandtschaft verbinden. Ge­wöhnlich wird hierbei das organische Gewebe zuerst erweicht, selbst
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b;ild mehr, Imkl weniger ilüssijr, dann aber in einen trockenen, harten Schorf verwandelt. — Jl )iese Whkungen entstehen als chemische bei todten und lebenden Körpern, bei letzteren wird aber in; Beginne der Wirkung und ehe die Zerstörung- völlig geschieht, die Lebensthätigkeit zu Reactionen angeregt, Schmerz, stärkerer Zuflussfder Säfte, Entzün­dung, und zuletzt Eiterung in der Umgebung der geätzten Stelle hervor­gerufen; •— auch -werden von den meisten Aetzmitteln die wirksamen Bestandtheile durch Absorption aufgenommen und weiter geführt, und hierdurch an entfernteren Orten specifische Wirkungen erzeugt. (S. sne-cielle Arznöimittellehre: Arsenik.) Die ätzende Wirkung- ist daher nicht rein örtlich, auch nicht rein chemisch^ ihr Heilzweck ist Zer­störung- und Entfernung krankhafter, besonders wuchernder Gebilde. Zerstörung- ansteckender Stoffe in Wunden und Geschwüren, — Er­regung- eines lebhaften Heiltriebes und antagonistische llerabstinnnung-in der Thätigkeit anderer Organe. — Zu den Aetzmitteln gehören: die reinen Alkalien, die reine Kalkerde, die concentrirten Mmeralsäuren, salpetersaures Silber- und Qnecksilberoxyd, Chlorzink, ätzendes Ohlor-quecksilber, Ghlorspiessglanz, rothes Quecksilberoxyd, gebrannter Alaun, schwefelsaures Kuijferoxyd, Arsenik. — Ihnen ähnlich wirkt glühendes Eisen.
DRITTES CAPITEL.
Von den Bedingungen, durch welche die Wirkungen der Arznei­mittel verändert werden können.
sect;. 40. Die Wirkungen eines Arzneimittels im kranken Thierkörper sind nicht in jedem Falle und unter allen Umständen dieselben, sondern weichen häufig sowohl im Grade, wie auch in der Art ihrer Erschei­nungen von den gewöhnlichen Wirkungen ab, bleiben oft auch ganz aus. Diese Modiiicationen haben ihren Grund theils A) in den Arznei­mitteln, theils B) im thierischen Organismus, und theils C) in der gleichzeitigen Einwirkung- anderer Einflüsse, als: in dem diätetischen Verhalten der Thiere, besonders dem Futter und Getränk, dem Klima, der Jahreszeit und der Witterung.
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A. IHodificatlonen, ilii- üiitii (ii-iiikI in tli-n Arzneimitteln selbst haben.
a. bedingt, durch die Beschaffenheit und Güte der Mittel. — Die Kräfte eines Arzneimittels sind von seinen Bestandtheileu abhängig-: diese sind jedoch dem grössten Wechsel unterworfen. So sind die dein Thierreiehe entnommenen Mittel je nach dem Alter, der Art der Er­nährung-, dem Gesundheitszustand der Thiere, von denen sie geuorhmen sind, verschieden, z. B. das Fleisch: bei den vegetabilischen Arznei­mitteln sind Veränderungen der Bestandtheile, abgesehen von absicht­licher, betrüglicher Mischung-, bedingt durch den Standort der Arznei­pflanze und das Klima desselben, durch die Zeit und Art der
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Emsammkmg tier Pflanzen, durch die Gewinnung und Bereitung- ihrer Präparate und durch ihre Aufbewahrung,
So sind wildwachsende und in Gärten gezogene, auf trocknen, sonnigen oder auf feuchten, schattigen Orten gewachsene Pflanzen, junge und alte Pflaflzen, vor und nach derBlüthe bedeutend verschieden in ihren Bestandtheilen, mithin auch in ihrer Wirksamkeit; dasselbe gilt von den auf verschiedene Art bereiteten Kxtracten derselben Pflanze, die in ihren Bestandtheilen wenigstens quantitativ verschieden sind; zu­letzt ändern noch Luft, Licht, Feuchtigkeit und Wärme durch Entziehung oder Zersetzung von Bestandtheilen des aufbewahrten #9632;Mittels die Wirk­samkeit desselben, so dass die Wirkung eines frisch eingesammelten oder frisch bereiteten fast immer viel kräftiger ist, als die eines älteren.
sect;• 42.
b. Modificationen, bedingt durch die Form und den Aggregatzustand des Mittels. — Die Arzneimittel werden in trockner oder fester, in weicher oder breiartiger, in tropfbar-flüssiger und in elastisch-flüssiger oder Dampfform angewendet. I He erstere, Con-sistenz besitzen die Pulver, die zweite die Pillen, Latwergen, Bissen, Salben, Pflaster, die dritte Form dieSolutionen undMixturen, Infuse etc., die vierte die Dämpfe und Gasarten. Die meisten Arzneimittel sind in verschiedenen Formen gebbar, aber nicht mit der gleichen Wirksamkeit; in manchen Formen bleiben die wirksamen Bestandtheile unverändert, in manchen wird ihre Wirksamkeit durch Einhüllung gebunden, in andern Formen dagegen freier entwickelt. Da feste Körper erst gelöst werden müssen, ehe sie aufgenommen werden können, geht ihre Kesorp-tiou langsam von Statten, ebenso auch ihre allgemeine Wirkung; dies gilt namentlich von Pulvern und Pillen; Arzneimittel in flüssiger Form werden leicht aufgenommen und wirken daher schnell und kräftiger als dieselben Mittel in fester Form; für Abkochungen ist dabei aber zu merken, dass beimanchen Kräutern die wirksamen flüchtigen (ätherischen) Stoße gerade durch Kochen verloren gehen. — DiePesorption elastisch­flüssiger Stoffe geht schnell und leicht vor sich, und tritt daher die Wirkung bald ein. Die Dampf- und Gasform ist bei manchen Mitteln im gewöhnlichen Zustande derselben schon vorhanden, z. B. bei Sauer­stoff, Chlor; — manche Heilmittel nehmen diese Form schon bei der gewöhnlichen Temperatur an, z. B. Chloroform, Aether, Alkohol, Blau­säure) ; — bei andern ist sie vollständig- nur durch Einwirkung eines höheren Wärmegrades, bald mit, bald ohne Mitwirkung- von Flüssig­keiten zu erhalten, (z. B. bei Fssig, Terpenthinöl, Theer, aromatischen Pflanzen); — und bei mehreren Mitteln erzeugt man sie durch wirk­liches Verbrennen, (z. B. bei Wachholderbeeren, Wachholderholz, Bern­stein, Zucker, Schwefel). Bei den Mitteln der ersten und zweiten Art erfolgt die Wirkung durch ihre eigeuthümlichen Bestandtheile allein und deshalb ohne bemerkbare Veränderung. Bei denen der dritten Art sind die zur Dampferzeugung- benutzte Wärme und Feuchtigkeit mitwirkende Finflüsse, indem sie z. B. die Absonderungen, die lie-sorpüon und den ganzen Stoffwechsel befördern, bei zu hoher Temperatur
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aber auch die Hautdecke verbrühen oder zerstören. — Boi Dampf-(eigentlich Rauch-) Erzeugung durch Verbrennung der Arzneimittel werden nicht blos die flüchtigen StoflPe verdunstet, sondern die Mittel grösstentheils zerstört, und die verdunstenden Stoffe chemisch verändert, namentlich empyreumatisch, weshalb sie mehr reizend wirken; so ent­hält der Dampf von verbranntem Schwefel nicht mehr letzteren, sondern schwefelige Säure, — der Rauch von verbrannten Wachholderbeeren nicht blos ätherisches, sondern auch brenzliches Oel.
c.nbsp; nbsp;Modificationen, bedingt durch die Concentration, die Gabe des Mittels und die Verbindung mit anderen. — Unter Concentration vorsteht man das Verhältinss der wirksamen Bestand-theilc zu dem Volumen des ganzen Mittels. Je concentrirter ein Mittel ist, desto heftiger und gleichmässiger werden seine Wirkungen, dage­gen weichen die Erscheinungen der Wirkung um so mehr ab, jemehr vertheilt und verdünnt das Mittel durch andere Substanzen ist. — So z. B. verursacht Brechweinstein in Substanz oder in recht concentrirter Verbindung mit Wasser oder mit Fett in der Haut oder Schleimhaut Entzündung oder Anätzung, — in einer massigen Menge Wassers ge­löst, erregt er bei Hunden, Schweinen u. s. w. Erbrechen , — mit. viel Wasser bewirkt er das Letztere sehr selten, dagegen gewöhnlich Laxi­ren oder reichliches Uriniren.
sect;• -14.
d.nbsp; Die Verbindung oder Zusammensetzuni;- mehrerer Arzneimittel miteinander ist eine der wichtigsten und gewöhnlichsten Ursachen der Veränderungen ihrer Wirkungen, denn es kann 1) hierdurch eine chemische Veränderung der ganzen Arznei oder des Hauptmittels ent­stehen, so dass ein neuer wirksamer Körper entstellt, oder '2) die ver­bundenen Mittel sind in ihrer Wirkung gleichartig und sind so durch Concentration der beabsichtigten Wirkung förderlicher, oder sie sind entgegengesetzt, und dadurch der Wirkung hinderlich, oder 3) vermin­dern die zugesetzten Mittel die Concentration.
Manche Stoffe werden durch materielle Veränderungen erst recht wirksam, z. B. das robe Spiessglauz in Verbindung mit Säuren, der weisse Arsenik durch Verbindung mit Kali; — in anderen Fällen wird die bekannte Wirkung eines Arzneistoffes sehr geschwächt quot;der ver­ändert oder ganz aufgehoben, (z. B. bei Blausäure durch Verbindung mit Eisenpräparaten, Eisenvitriol mit kohlensaurer Magnesia, ätzendem Sublimat mit Spiessglanzleber, oder mit Seifen u. dgl.).
Es ist daher unumgänglich nothwendig, die Wirkungen der ein­zelnen Mittel sowohl, wie ihrer Verbindungen mit andern Stoffen genau zu kennen; wo die Erfahrung über die Wirkung der zusammen­gesetzten Arznei mangelt, oder wo nicht bestimmte Zwecke (z. B. noth-wendige Erfüllung mehrerer Heiliudicationen bei complicirten Krank­heitsfällen) eine Zusammensetzung fordern, gebietet es stets die Pflicht, nur einfache Arzneimittel anzuwenden.
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sect;• 45.
e. L)ie Gabe (Dosis) eines Arzneimittels ist die bestimmte Quantität desselben, welche auf einmal und in bestimmten Zeiträumen dem kranken Körper einverleibt wird. Nach der Cttüssc der CTabe werden in dem­selben thieriselien Körper die Wirkungen quantitativ und scheinbar auch qualitativ verändert, so dass die bei kleinen Graben erfolgenden Erscheinungen von den nach mittleren und grossen Gaben beobachteten oft so verschieden sind, dass kaum noch eine Aehnlichkoit zwischen ihnen zu bestehen scheint. Jeder einzelne Gran hat aber dieselben qualitativen Eigenschaften, muss also auch dieselben dynamischen Kräfte äussern, wie die 100 übrigen Graue, von denen der eine ge­nommen ist; die Wirkung ist daher auch nur quantitativ verschieden. Wenn z. 13. ein Gran Breclnveinsteins einem Hunde nur Ekel, drei Grane dieses Mittels aber nur wirkliches Erbrechen machen, — oder wenn ein Quentchen Aloe bei einem Pferde den Durchfall heilt, eine Unze aber einen Durchfall künstlich erzeugt, so werden doch diese Wirkungen bei dem ersten Mittel auf dieselbe Weise durch die ver­änderte Stimmung des iV. N. vagus und sympathicus, bei dem zweiten nur durch die speeifische Iveizung und dadurch veränderte Absonderung der Leber und Darmschleimhaut vermittelt. Diese, durch die verschie­dene Quantität des Arzneistoffes bedingten Modificationen der Wirkung beruhen zumeist darauf, dass die Wirkung (besonders die chemische) überhaupt au eine gewisse Menge der Materie gebunden ist und daher nur mit einer bestimmten Gabe erfolgen kann, denn in zu geringer Menge angewandt, erhält ein Mittel nur eine zu kleine Berührungsfläche, so dass die Einwirkung und die darauf folgende lleaction nur örtlich bleibt; oder gelangt das Mittel zur Resorption, so geht es in der Säfte­masse unter, ohne eine sichtbare Aeuderung in der Thätigkeit irgend eines Organs hervorgerufen zu haben: bei zu grossen Gaben wird da­gegen die organische Thätigkeit gleichsam überwältigt, es erfolgt entweder dynamisch eine Ueberreizung der Kräfte in den betreffenden Organen, so dass sie sich zuerst heftig, dann aber abgestumpft und träge äussern, oder es werden die chemischen Eigenschaften der Mittel vorwaltend, und bringen örtlich zu heftige Einwirkung, selbst Zer­störung hervor, und veranlassen dadurch auch consensuell ganz unge­wöhnliche Erscheinungen. So verursachen arsenige Säure \md Kupfer­vitriol in grossen Gaben heftige örtliche Eingriffe, während bei kleinen Gaben dies nicht geschieht. Kleine Dosen werden nämlich von dem Secret der Sehleimhaut gesättigt, bei grossen jedoch inuss die Schleim­haut selbst zu den neuen Verbindungen mit der Schleimhaut beitragen, da das Secret nicht ausreicht.
sect;• -iG.
f. Die Dauer der Anwendung-, der Berührung und Einwirkung einer Arznei muss sich vorzüglich nach den Eigenschaften des Mittels, der Empfindlichkeit und Beschaffenheit der Applicationsstelle, nach den Heilzwecken und den schon eingetretenen Wirkungen richten, denn sie kann viel zur Verschiedenheit des Grades der Wirkung- beitragen.
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2o
.Sttiffr, die cinoii scharfen, giftigen .Stoff enthalten, verursachen bei kurzer Zeit der Berührung nur Reizung, bei längerer ^Entzündung, Anätzung und Zerstörung. — Wenn schwerltSsliche Stoffe schnell, wie z. B. bei Durchfall, durch den Nahrungskaual gehen, oder wie l)ei Er­brechen, schnell wieder entleert werden, so können sie ilire Wirkung nur unvollständig oder gar nicht entwickeln.
sect;#9632; 47.
r/. Die öftere oder seltnere Wiederholung von Arzneigaben wird gewöhnlich nach der bekannten Dauer und Stärke ihrer Wirkungen, den Heilzwecken gemäss, bestimmt. Je flüchtiger, rascher vorüber­gehend eine Arznei wirkt, in desto kürzeren Zeiträumen müssen die Gaben wiederholt werden, je langsamer aber und je andauernder die Wirkungen sich entwickeln, desto weiter aus einander entfernt können die Gaben gereicht werden. Bei nicht gehöriger Beachtung dieser Um­stände kann es geschehen, dass die zweite Gabe einer Arznei ange­wendet wird, #9632;während die Wirkung der ersten noch nicht ganz vorüber ist; die gemeinschaftliche Wirkung wird nun zu heftig, oder die Wir­kung der einen Gabe modificirt die der andern bedeutend. Bei öfterer Anwendung derselben Arznei wird die Empfänglichkeit des Organis­mus und somit die Wirkung geschwächt und man muss deshalb allmälig die Gabe verstärken, um fortgesetzt stets eine gleiche Wirkung des Jlittols zu erzielen.
sect;. 48. lt. Modiflcationen durch Drsacheu, die im Organismus selbst liegend
a. Modiflcationen, bedingt durch die Verschiedenheit der Organisation, des L ebensproecsses und der Grosse der Thiere von verschiedener Gattung. — Ebenso abweichend, wie das Pferd, die Wiederkäuer, das Schwein, der Hund, die Katze und das Federvieh in ihrem äussern Habitus, im Baue nnd der Beschaffen­heit ihrer wichtigsten Organe und in ihrer Lebensweise sind, ebenso verschieden zeigen sich auch die Lebensprocesse, und daher ebenso ver­schieden die Empfänglichkeit für gewisse äussere Einflüsse und das Bückwirkungsvermögen auf deren Einwirkungen.
Die hierdurch bewirkten Abweichungen in der Wirkung der Arz­neimittel bei den verschiedenen Hausthieren treten sowohl in der Qua­lität der Wirkungserscheinungen, wie auch in dem Stärkegrade hervor. Hinsichtlich der erstem ist schon augegeben, wie die brechen-, schweiss-etc. erregende Wirkung bei manchen Thieren sehr leicht und stark, bei manchen gar nicht erfolgt, und es ist in Bezug auf die Stärke der W ir-kung zu bemerken, dass die pflanzenfressenden Thiere im Allgemeinen eine geringere Empfindlichkeit für die einzelnen Arzneimittel haben, wie die fleischfressenden, und dass namentlich auf die Letzteren viele Mittel aus dem Pflanzenreich sehr heftig, selbst tödtlich einwirken, welche bei den Pflanzenfressern selbst in verhöltnissmässig grossen Dosen eine kaum bemerkbare ähnliche Wirkung hervorbringen.
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So z. B. macht das Opium bei Pferden in der Gabe von einer Unze eine ganz geringe Betäabang, während sieh die letztere, falls das Mittel nicht weggebrochen wird, bei Munden nach l/2 — 1 Drachme im höchsten G-rade zeigt. Krähenaugeu ertrug ein Huhn in zwanzig Tagen etwa lll-i Grau, d. i. so viel als nöthig wäre, um 02 Hunde zu tödten etc.
Es ist daher wohl anzunehmen, dass zum Theil die Art und Be-schaftenheit der Nahrungsmittel und die daher zum Theil andere Be-schaftenheit der Säfte im ilagen die Arzneistoffe chemisch modiiicire, die Wirkung der Arzneimittel hauptsächlich aber von dem Grade der Ausbildung der wichtigeren Organe und Systeme, und von dem Vor­herrschen ihrer Thätigkeit bei den einzelnen Tliieren abhängig ist; es zeigt sieh nämlich fast überall, an kranken wie an gesunden Thieren, dass Mittel, welche die vorherrschende Richtung (Tendenz) der orga­nischen Thätigkeit begünstigen, in gewissen Gaben stets heftiger wir­ken als andere, welche eine jeuer Richtung entgegengesetzte Thätig­keit hervorrufen.
Die Thiergattung bedingt daher bei der Auswahl die Art wie die Gabe des Mittels. Hinsichtlich der letzteren hat man sich bemühet, ein allgemeines Verhältuiss zwischen den Gaben für Thiere der ein­zelnen Gattungen zu bestimmen, indem man annahm, dass, wenn bei gleichen Umständen die Gabe für ein ausgewachsenes Pferd gleich 1 ist, sie für Schafe, Ziegen und Schweine nur 1/4, für Hunde, Katzen und Affen nur 1li2, und für das gewöhnliche Hausgeflügel 1/27 betragen soll. Dies Verhältniss ist zwar bei vielen Arzneistoffen als ziemlich richtig zu betrachten, bei andern aber nicht, wie dies ja zum Theil die schon oben angeführten Beispiele (Opium, Krähenaugen) bestätigen. Die Wirkung eines jeden einzelnen Arzneistoffes in verschiedenen Ga­ben bei den sämmtlichen Hausthiercn kann nur durch die Erfahrung bestimmt werden.
sect;• 49.
b. Modificatiouen, bedingt durch das Alter. — Das verschie­dene Alter der Thiere verursacht ebenfalls qualitative und quantitative Abweichungen in der Wirkung der Arzneimittel dadurch, dass der Or­ganismus in jeder besondern Lebensperiede sich verändert, und in der Beschaffenheit und Eutwickelung der Orgaue wie in der Beschaffen­heit und Menge der Säfte und in der Stärke und Richtung der Lebens-thätigkeit verschieden ist in Vergleich zu andern Perioden. Während in der Periode der vollkommenen Ausbildung der Lebensprocess am gleichmässigsten von Statten geht, die Arzneiwirkungen auch am gleich-massigsten vor sich gehen, ist in der frühen Jugend die Bildungsthätig-keit vorwiegend, die Empfänglichkeit für äussere Eindrücke grosser, das Rückwirkungsvermögen schwächer, es tritt daher leicht Ueborrei-zung ein; in vorschreitender Eutwickelung überwiegt die Thätigkeit des Hlutgefäss- und Nervensystems; was auf diese erregend einwirkt, kann selbst in kleineu Gaben, z. B. Opium, heftige Zufalle hervor­rufen, während Mittel, die beschränkend auf die Bildungsthätigkeit wirken, leicht ertragen werden. Im Stadium der Abnahme wird die
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ßeizempfänglichkeit und das Reactionsvermögen immer geringer, die ItoizmitU'l werden daher in starkem Dosen vertragen, während alle schwächenden und den Lebeusprocess beschränkenden Mittel leielit nachtheilig wirken können, also nur in kleinem Gaben als in der Pe­riode vollkommener Entwickelung gegeben werden dürfen.
L)a nun die Periode der vollkommenen Ausbildung bei den Pferden in dem sechsten Jahre, beim Bind und Schaf im vierten, beim Schwein im dritten, beim Hunde und der Katze gegen Ende des ersten Jahres fällt, so nimmt man die dieser Periode entsprechende mittlere Grabe als Maassstab an, und beachtet, dass die Gabe um so kleiner sein muss, je jünger ein Thier ist, so lässt sich dieselbe für jüng-ere Thiere in folgen­den Verhältnissen andeuten.
Man riebt z. 13. von einem Arzneimittel
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Dieses Verhältniss ist natürlich nicht für alle Mittel und alle Fälle
als feste Ec.uC'1 zu betrachten, sondern stets, worauf wir ja eben hin­weisen, Alter, Ra^e, Klima etc. etc. in jedem speciellen Fall zu borück-sichtigen. Das vorstehende Schema kann mir als Anhaltepunkt und zvir Verhütung von groben Fehlern dienen.
sect;. 50. n. Das Geschlecht bedingt ebenfalls Modificationen; bei dem Männlichen ist die Widerstandsfähigkeit gegen äussere Einflüsse eine grosse und gleichmässige, es treten daher die vollen, kräftigen Wir­kungen erst bei voller Gabe ein: bei dem Weiblichen ist der Bildungs-process früher beendet und die Reizbarkeit grosser; die den Bildungs-process herabsetzenden Mittel werden daher oft besser als von den Männchen ertragen, während die Reizmittel heftiger, aber auch Hiieh-tiger wirken. Ausserdem werden bei den weiblichen Thieren die Arzneiwirkungen durch die Brunst und Trächtigkeit bedeutend modi-ticirt, namentlich dem Grade nach verstärkt: die auf das Geschlechts­leben sich beziehenden, die Bildungsthätigkeit herabsetzenden, die Absonderungen stark vermehrenden Mittel (z. B. die drastischen l'nrgir-mittel, die scharfen Oropoetica, dürfen daher nur vorsichtig in diesen Perioden gereicht werden. Auch die Zeit des Gebarens und Säugens kann Modificationen in der Arzneiwirkung hervorrufen.
sect;• 51.
d. Modificationen, bedingt durch die Constitution oder Leibesbeschaf'fenheit und durch das Temperament. — Selten sind in einem Thiere die sänimtlichen Organe und Functionen ganz gleichmässig entwickelt, sondern es sind einzelne Organe, selbst einzelne Systeme bald mehr ausgebildet und in ihrer Thätigkeit vorwaltend, bald wieder ungleich zurückgeblieben: dies hat die natürliche Folge. dass bei verschiedenen Individuen der Organismus bald an der einen, bald an der andern Stelle den Einwirkungen mehr zugänglich ist, und in den Reactionen auch dieselben Verschiedenheiten zeigt. So z. ]!. kann der Brechweinstein bei einem Pferde mit sehr reizbaren Nieren nrintreibend, bei einem andern mit schlaffer Haut schweisstreibend wirken.
Im Allgemeinen mag man die Abweichungen in der Leibesbe­schaffenheit darnach berücksichtigen, 1) ob die Thätigkeit des arteriellen Systems, des-llerzens und der Lunge, vorherrschend, dabei die Faser straff' und die Irritation vorwaltend ist, bei welcher Beschaffenheit rei­zende und erhitzende Mittel leicht zu heftig wirken, während die Lebcnsthätigkcit herabstimmende selbst in grossen Gaben gut ertragen werden, oder 2) ob die Fntwickelung der Venen vorherrschend ist, die Verrichtungen langsam von Statten gehen, die Einflüsse schwach empfunden werden und nur schwache, aber andauernde Reactionen hervorrufen, bei welcher Constitution narkotische, überhaupt herab­stimmende Mittel schlecht, dagegen flüchtig erregende meist gut ver­tragen werden. 3) Wenn der Körper schlaff und schwammig, das Blut wässrig, arm an Cruor ist, die Empfindlichkeit und das Reactionsver-
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mögen gering sind, so Tverden Reizmittel gnt ertragen, schwächende und kühlende Mittel dagegen sind in grossen Gaben und hei fortgesetz­ter Anwendung- leiclit von üblen Folgen. Ist nur 4) das Nervensystem überwiegend in Thätigkeit, die Empfindlichkeit gross, mit schneller, aber nur kurze Zeit andauernder, oft unrcgelniässiger Reaction, ent­stehen dabei sehr leielit cousensuelle und antagonistische Erscheinungen, so müssen die Arzneien, namentlich die reizenden, nur in kleinen, oft wiederholten Gaben gereicht werden, da sie leicht ziemlich heftige und oft ungewöhnliche Wirkungen hervorrufen; sie erfordern überhaupt eine genaue Auswahl nach ihren specifischen Beziehungen zum Gehirn, Rückenmark u. s. w. Diese 4 Arten der Leibesbeschaffenheit bezeichnet man auch mit dem Namen der arteriellen, der venösen, der lympha­tischen und der nervösen Constitution.
Die Temperamente zeigen sich besonders durch die Aeusserungeu der Gehirnf'unctionen, namentlich durch den Willen, durch Empfindung und Bewegung. Ihr Einfluss auf die Arzneiwirkung ist nicht genügend bekannt, scheint jedoch dem der verschiedenen Constitutionen ähnlich zu sein.
sect;. 52.
e. Modificationen, bedingt durch Krankheit. — Der Krankheitszustand ist eine höchst wichtige Ursache zu Abweichungen in den Arzneiwirkungen von dem allgemeinen Typus, denn, da bei Krankheiten, je nach dem Character, der Art und dem Sitz derselben, die Lebensthätigkeit theils im Allgemeinen, theils in besondern Organen oder Systemen angegriffen ist, die materielle Beschaffenheit der Ab­sonderung, die ja zunächst auf die Umänderung der Medicamente von Einfluss ist, hiernach verändert, ferner auch das Reactionsvermögen ein anderes ist, so muss zuletzt die Arzneiwirkting jedenfalls auch modi-ticirt werden. So erzeugen z. B. bei Ansammlungen von Wasser in den Hirnhöhlen die abführenden Mittel oft in doppelten Gaben keine oder nur schwache Wirkungen. Es lässt sich also von keinem gegen eine Krankheit empfohleneu Mittel eine für alle Fälle ganz entsprechende Gabe im Allgemeinen bestimmen.
sect;. 53.
f. Modificationen, bewirkt durch den Ort der Appli­cation von Arznei st offen. — Die Heilmittel können mit dem Organismus an seiner ganzen iunern und äussern Oberfläche in Be­rührung gebracht werden; vorzüglich benutzt mau 1) den Magen und Darmkanal, 2) den Mastdarm, :!) die Luftröhre und Lungen, 4) die äussere unverletzte Haut, 5) Wunden und Geschwüre, selten 6) die ge­öffnete Blutader.
Der Ort der Anwendung der Arzneimittel bedingt jedoch nach der verschiedenen Beschaffenheit der betreffenden Einverleibungsorgane mancherlei Abweichungen von den gewöhnlichen Arzneiwirkungen, die zwar nicht in den wesentlichen Veränderungen der Wirkung- selbst, sondern hauptsächlich nur in dem Grade derselben, wie im Grade und der Art der örtlichen Reaction begründet sind. Von grosser Wichtig--
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kuit ist dabei nn den von der Arznei uumittelbax berührten Gebilden, aussei- dem besoiidern Lebeiiszustande (Gesundheit oder Krankheit der­selben) noch laquo;. ihre physiologische Function, b. ihr Reichthum an Nervenausbreitungen und an absorbirenden Get'ässen, e. die Beschaffen­heit und Menge der vorhandenen .Säfte und anderer Substanzen, (/. ihr Verhältniss zu dem übrigen Körper, vorzüglich zu den kranken Organen.
sect;#9632; 54
1)nbsp; nbsp;Der Magen und vordere Tbeil des Darmkanals, obgleich in Structur, Form und Ausdehnung bei den Thieren verschiedener Gattung verschieden, besitzt doch bei allen dieselbe vielseitige Nervenverbindung des N.N. vagus, sympathicus und des Sonnengeflecbtes mit den Xeiven-eentren, den Sinnesorganen, den Hautdecken, den Brust- und vorzüglich den Bancheingeweiden. Hierin ist der grosse Consensus und Antago­nismus zwischen dem Verdauungskanal und allen andern Organen be­gründet. Ausserdem aber besitzen der Magen und Dannkanal auch in ihrer Schleimhaut eine ausserordentliche Menge von absorbirenden Gefässen und hierdurch eine sehr lebhafte Aufsaugung. Der Magen (bei den Wiederkäuern besonders der vierte; und der Darmkanal sind daher zur Erzeugung sehr schneller, kräftiger und ausgebreiteter Arznei­wirkungen ganz vorzüglich geeignet. Deshalb wird dieser Weg der Application, um allgemeine Wirkungen hervorzubringen, auch am häutigsten besebritten; nur wo es sich von selbst verbietet (bei Krank­heiten der Schlingwerkzeuge, bei mechanischen Hindernissen im Oeso­phagus, bei manchen Krankheiten des Magens und Darmkanals, wo eine Berührung der i\littel mit den kranken Organen nur schädlich wirken oder sofort ein Erbrechen der Medicin erfolgen würde), wählt man andere Applicationsstellen.
sect;. 55.
2)nbsp; nbsp;Im Mastdarm ist die Schleimhaut viel weniger reich an Nerven und absorbirenden Gefässen, als im übrigen Dannkanal. die Eortleitung des Blutes geschieht in den scblaft'en Gefässen bedeutend langsamer, der Consensus und Antagonismus zwischen dem Mastdarm und den übrigen Organen ist gering, nur mit den naheliegenden Danntheilen. den Nieren, der Harnblase und den Geschlechtstheilen ist er etwas lebhaft, — die allgemeine Wirkung der meisten Arzneien erfolgt daher viel schwerer und langsamer, so dass man z. B. von ernährenden, flüchtip- oder au-haltend reizenden und andern Stoffen durch eine 3—8 fache stärkere Gabe kaum soviel erreicht, wie im Magen durch eine einfache Gabe. Nur die meisten Narcotica seheinen zwar langsamer, aber nicht weniger intensiv zu wirken. — Mit der örtlichen Wirkung verhält es sich aber anders, da der Mastdarm nicht an Berührung, aussei- mit den Excre-menten, gewöhnt ist; starke reizende Substanzen müssen, wenn man nicht Entleerung, sondern eine längere Einwirkung bezweckt, einge­hüllt und in kleinen Gaben eingeflösst werden, da sie sonst sofort durch heftige Contraction ausgeschieden werden. Da die im Mastdarm vor­handenen Stoffe nicht sauer, sondern alkalisch reagiren, se werden Mittel, die Säuren zur Lösung verlangen, nur schwer und in geringem
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Maasse aufgenommen. — Die hier gebräucUichsteu und zweckmässig-sten Formen der Medicamente sind die füissige und dtmstartige, als gewöhnliche Clystire und als Rauchclystire; Salben und sogenannte Afterzapfen sind, auch wegen ihrer unvollstiuuiigen und zu langsamen Eutwickelung der Wirkungen bei Thieren wenig gebräuchlieb.
sect;• 50.
3)nbsp; nbsp;Die innere Fläche der Respirationsorgane ist ihrer physiologi­schen Beziehung nach in beständiger Berührung mit der Luft, und nur zur Aufnahme und Abgabe luftartiger Stoffe und Dünste geeignet. Die unmittelbare Einwirkung fremder Substanzen von anderer Consistenz, so wie reizender (iasarteu, wird der grossen Empfmdlichkeit der Sei.leim­häute wegen, nicht ertragen, sie ruft heftige llustenaufälle, durch Ver-schliessung der Stimmritze plötzliche FrstickungszufäUe, oder auch lebensgefährliche Entzündungen hervor. Durch diese Xebenzufälle können die Wirkungen der bei der Anwendung in Dunst- oder Gas­form umgewandelten und so schon chemisch veränderten Medicamente sehr moditicirt werden. Dieser Applicationsmodus ist daher wenig gebräuchlich: er gewährt jedoch bei örtlichen Krankheitszuständen der Respirationsorgane, und wenn man die Mischung des Blutes schnell umändern will, grosse Vortheile. die durch andere Einverleibunarsweee nicht erreicht werden können.
sect;• 57.
4)nbsp; Die äussere Haut gestattet für die Anwendung der Arzneimittel eine sehr ausgedehnte lieriilirnngstläehe. Reich an Nerven ist sie das allgemeine Organ des Gefühls. Reicher noch ist sie an feinen Blut- und Lymphgefässen, durch deren beiderseitige Tbätigkeit ein beständiger lebhafter Stoffwechsel, theils durch Aufsaugung fremder Stoffe von aussen her, vorzüglich aber durch eine sehr starke Absonderung dunst­artiger und seröser Feuchtigkeiten aus ihr bewirkt wird. So steht die Haut fast mit allen innern Orffanen, vorzüirlieb mit Magen und Darm-
onbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; cnbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; O
kanal, den Nieren und Lungen in inniger Beziehung, die sieh, nach Verliältniss der Umstände, oft als Consensus, am häufigsten und stärk­sten als Antagonismus ausspricht.
Trotzdem zeigen die meisten Mittel bei ihrer Anwendung' auf die­ses Organ eine nur langsamere, weit weniger ausgebreitete, überhaupt eine weniger regelmässige allgemeine Wirkung als bei der Anwen­dung auf den Magen, da die Haut mehr Secretionsorgan ist, als es zur Aufnalmie dient: ihre Gefässe und Nerven sind nur fein, die durch Mangel an thierisehen Säften und vorzüglich an Säuren unvollkommen oder gar nicht erfolgte, zur Resorption meist nothwendige chemische Veränderung der Stoffe, die Epidermis und die Haare hindern die Aufnahme.
Deshalb wird die Haut zur Erreichung- allgemeiner Wirkungen nur selten bei inneren Krankheiten, wie z. B. da, wo der Zugang durch das Maul zum Magen, z. B. bei Trismus, verschlossen ist, für sich allein als Applicatiousstelle benutzt: dagegen gewährt die Anwendung der Heilmittel auf sie sehr oft eine ganz vortreffliche Unterstützung und
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Verstärkung der innerlich angewendeten Arzneien, und bei dem innigen Wecliselverhältnisse der Haut mit andern edlen Organen leisten beson­ders solche üittel viel, die den Lebensprocess der Haut selbst auf eine kräftige Weise angreifen, oder selbst neue, künstlich erzeugte Abson­derungen in ihr erregen (wie z.B. die scharfen, blasenziehenden und atzenden Mittel), um antagonistisch die krankhaft aufgeregte Thiltig-keit der inuern Organe zu mindern.
Zur Einverleibung der Arzneien in die Kaut eignen sich die ftiissi-gen, dunstartigen und halbflüssigen Formoii derselben (als Waschungen, Bähungen, Dunst- undWasserbäder, Linimente, Salben, Breiumschläge) am besten.
sect;• 58.
5) Die allgemeine Wirkung auf Wunden oder Geschwüre appli-cirter Arzneistoffe ist, da die Mittel mit den biosgelegten Gefässcn in dirccte Berührung treten oder theilweise in die geöffneten Gefasse un­mittelbar eindringen, ihr Uebergang in die Säfte also schnell Statt findet, eine sehr schnelle, namentlich bei frischen Wunden, und z. B. bei Arse­nik bei Pferden, Gauchheil bei Hunden. Da aber Wunden und Ge­schwüre zum Behufe der Application von Arzneistoffen zu machen nicht immer zulässig ist, ferner Eiter oder Jauche auf Geschwüren die Resorption der Mittel hindert, oder durch chemische Verbindung mit ihnen ihre Wirksamkeit modificirt oder gar aufhebt, forner grössere Beize in Wunden und Geschwüren, heftige örtliche Wirkungen (Schmerz, Entzündung, selbst Brand) hervorruft, so ist diese Methode der Anwen­dung von Arzneistoffen, um allgemeine Wirkungen zu erzielen, für Thiere wenig gebräuchlich; bei örtlichen Krankheiten ist sie natürlich unentbehrlich.
sect;• 59.
(ij Die Methode, Arzneistoffe in die geöffnete Blutader zu bringen, bat bei einigen besonderu Vortheilen auch wesentliche Nachtheile. In letzterer Hinsicht ist zu bemerken, dass wir zu wenig das Verbältuiss kennen, in welchem die Wirkung zu der Menge der applicirten Stoffe steht, ferner bringt die directe Wirkung' vieler Arzneimittel auf das Blut plötzliche chemische Veränderungen hervor, die die nachtheiligsten Nebenwirkungen hervorrufen, drittens ist bei der mitunter schwierigen Ausführung der Operation das so gefährliche Eindringen von Luft in die Venen kaum zu vermeiden, oder es entstehen durch nachfolgende Ent­zündung und Eiterung der Venen (Aderfisteln) üble Zufalle. Hierdurch wird selbstverständlich diese Art und Weise, dem Körper Arzneimittel beizubringen, auf wenige Fälle beschränkt; dieser Einverleibungsweg ist höchstens da zu benutzen, wo 1) der Zugang durch das Maul und den .Schlund verschlossen ist, aber doch schnelle und allgemeine Wir­kungen nöthig sind, wie z. B. beim Trismus, 2) wo bei einem hohen Grade von Abstumpfung eine eingreifende Umstimmung und Erschütterung bezweckt wird, wie z. B. beim Dummkoller der Pferde, 3) wenn bei Thieren, die sich erbrechen können, fremde Körper im .Schlünde stecken und durch künstlich erregtes Erbrechen entfernt werden sollen, das Brechmittel aber auf gewöhnlichem Wege nicht beizubringen ist.
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60.
(. Modificalt;ioiien, beding) durch das diätetische Terhallen, die aluiosphärische Luttj kliiiiu de.
So wie das diätetische Verhalten der Thiere die Eutwickelung und Erhaltung dos Körpers oder das Entstehen von Krankheiten ganz un­verkennbar begüiistigt, ebenso verhält sich auch der Einflnss des­selben auf die Wirkung der Arzneimittel, sie bald begünstigend, bald beschränkend, bald qualitativ ändernd. So z. B. erfolgen die Wirkungen bei innerlich angewandten Arzneien im Allgemeinen schwächer, je mehr Magen und Dannkanal mit Futterst often ange­füllt sind; bei den Brechmitteln erfolgt das Erbrechen aber leichter, #9632;wenn etwas Nahrungsmittel im Magen sind, als wenn der Magen leer ist. Wenn Kühe grünes Futter erhalten, bewirkt die unter die Haut gebrachte weisse Niesswurz oder die in die Adern gespritzte Niess-wurztinetur Erbrechen, was aber sehr selten bei trockenem Futter tier Fall ist.
Die atmosphärische Luft übt einen mächtigen Einfluss auf die Stimmung der Lebensthätigkeit im Organismus, und somit auch auf die Wirkungen der Arzneimittel aus. Besonders wichtig scheint ihre Reinheit und Trockenheit, ihre Temperatur, Electricität und die nor­male Mischung ihrer Bestandtheile zu sein, denn diese Umstände be­dingen es, je nach ihrer Art, dass die Haut- und Lungenausdünstung, die Gallenabsonderuug und antagonistisch auch die Urinabsonderung u. s. w. bald mehr leicht und vollständig, oder entgegengesetzt unvoll­ständig von Statten gehen, dass also der Andrang des Blutes zu den betreffenden Organen in verschiedener Stärke Statt findet, und dass hierdurch die Wirkung mancher Arzneimittel gleichsam vorbereitet, be­günstigt und verstärkt, oder entgegengesetzt vermindert oder gehemmt wird. So z. B. zeigen die sehweisstreibenden 3Iittel bei feuchtwarmer Luft einen sehr starken, die urintreibenden aber einen sehr geringen Wirkungsgrad. Ein eigenthümlicher, bis jetzt nicht erforschter Zu­stand ist häutig die sogenannte epizootische Kra nkheitscon st i-tution, • durch welche ebenfalls die quot;Wirksamkeit mancher Arznei­mittel moditicirt wird, z. B. zur Zeit, wo typhöse Fieber herrschen, bringt die Anwendung der rein antiphlogistischen Mittel in den sonst gebräuchlichen Gaben leicht zu reichliche Ausleerung der Säfte oder zu grosso Schwächung hervor.
Wie gross der Einfluss des Klima, der Jahreszeiten und der damit verbundenen Witterungsverbältnissc auf den thielischen Organismus ist, das zeigt die oft ganz verschiedene Eutwickelung der Thiere einer Gattung in verschiedenen Klimaton, das regehnässige Wechseln der Haare und Federn, ebenso das regehnässige Erwachen des Geschlechts­triebes in gewissen Jahreszeiten etc. Es werden also durch den Einfluss dieser Aussenverhaltnisse Veränderungen in der thierischen Lebensthä­tigkeit hervorgerufen, die wiederum die lieactionen des Organismus ge­gen die Arzneimittel verändern werden. Doch fehlt es hierüber noch sehr an solchen Beobachtungen, au welchen man den besonderen Au-
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tlieil der äasseren Einflüsse, des kranken Thierkörpers und der ange­wandten Arzneiniittel an den Abweichungen der Arzneiwirkungen mit Sicherheit nachweisen könnte.
VIERTES OAPIXEL.
Eintheilung (Classification) der Arzneimittel.
sect;. 61.
Die grosse Anzahl und die ebenso grosse Verschiedenheit der ein­zelnen Arzneimittel macht es nothwendig-, dass dieselben in der Arz­neimittellehre in eine gewisse Ordnung gebracht werden, in welcher das Aehnliche mit dem Aehnlichen zusammengestellt und das Ganze in einen wissenschaftlichen oder praktischen Zusammenhang gebracht ist, um hierdurch eine richtige Lebersicht zu gewinnen, das Studium zu erleichtern und Weitschweifigkeiten und Wiederholungen zu ver­meiden.
Eine solche geordnete Zusammenstellung ist die Eintheilung oder Classification der Arzneimittel.
sect;. 62. Den Werth einer guten Eintheilung der Arzneimittel hat man stets anerkannt und auf vielfache Weise aufzustellen versucht. Alle diese Versuche sind jedoch bisher in einzelnen Punkten unvollständig und mangelhaft geblieben, weil es an einem wesentlichen Eintheilungsprin-cip fehlt. Denn dieses Princip könnte nur allein aus der wirklichen Kenntniss der inneren Gründe hervorgehen, aufweichen die, bei den Arznei Wirkungen entstehenden Erscheinungen beruhen und welche sieh theils auf den Arzneistoff, theils auf den lebendigen Organismus be­ziehen. Da jedoch unsere Kenntniss von dem inneren Grunde der Lehenserscheinungen sehr mangelhaft, und ebenso von dein Wesen der speeifischeu Kräfte der Arzneimittel fast nur allein auf die sinnlich wahrnehmbaren Eigenschaften der letztem und auf die, durch sie er­zeugten sichtbaren Veränderungen des Organismus beschränkt ist, so kann auch jede Eintheilung der Arzneimittel nur auf blosse Sinnes-wahrnebmungen über ihre Eigenschaften und Wirkungen gegründet und daher in vieler Hinsicht nur mangelhaft sein.
sect;. 63. Bei den verschiedenen Eintheilungen der Arzneimittel in bestimmte Abtheilungen, oder Klassen und Ordnungen, hat mau diese Mittel 1) bald für sich allein, d. h. ohne Beziehung auf den thierischen Organismus, als blosse materielle Stoffe, nach ihren naturhistorischen Verhältnissen, oder nach ihren chemischen und andern Eigenschaften, 2) bald wieder nur ihre Anwendung auf den kranken Thierkörper, und ihre Wir­kungen in demselben, und 3) zuweilen ailch ein zusammengesetztes System als Eintheilungsgrund benutzt.
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sect;- 64. Die Eintheilung der Arzneimittel nach ihren Bei-iehungen zum kranken Thierkörper scheint den Zwecken der praktischen Thierheil-kunst am meisten zn entsprechen, und ist deshalb in früheren Zeiten fast ganz allein benutzt, aber mit grossen Verschiedenheiten ausgeführt worden. Schon das letztere beweist hinreichend, dass diese Einthei­lung ihren Zwecken nicht genügt; noch mehr aber ergiebt sich dies, wenn man folgende als die vorzüglichsten hierher gehörenden Einthei-lungsarteu näher betrachtet.
1)nbsp; In der frühsten Zeit unterschied und bezeichnete man die Arz­neimittel empirisch blos nach den einzelnen Krankheiten, gegen welche sie besonders heilsam sein sollten, z. B. Mittel gegen Fieber, gegen Entzündung, gegen Krämpfe, gegen Würmer und dergl., und man hatte daher ebenso viele Klassen von Mitteln wie von Krankheiten. Die sämmtlichen Arzneimittel waren gleichsam speeifische Mittel. Da aber im Verlaufe der Zeit und bei vorurtheilsfreien Beobachtungen, nur bei wenigen Krankheiten sich die Sicherheit solcher speeifischen Heilmittel bewährt hat; da ferner die iillermcisten Krankheiten mehr nach dea Symptomen als nach ihrem wesentlichen Zustande bekannt sind, und da auch fast jedes Mittel nach Art und Zeit der Anwendung, nach der Grosse der C4abe u. s. w. gegen mehrere, zum Theil gan* verschiedene Krank­heiten mit dem grössten Nutzen angewendet wird, so ist diese Einthei-lungsart verwerflich, und zwar um so mehr, weil sie zugleich keine gute Uebersicht gewährt und gar kernen wissenschaftlichen Grund hat.
2)nbsp; Eine zweite Eintheilungsweise der Arzneien ist auf die nach ihrer Anwendung erfolgenden Wirkungserscheinungcn gegründet, und man theilt die Mittel hiernach z. B. in Brechmittel, Purgirmittel, flüchtige und anhaltende Errcgungsmittel, Aetzmittel u. s. w. Obgleich man hierbei keine strenge Rücksicht auf die vorhandenen Krankheiten nimmt, so ist doch das Entstehen mancher Wirkungen und ihrer Er­scheinungen nur von dem Dasein eines gewissen Krankheitszustandes allein abhängig, (z. B. die krampfstillende Wirkung nur bei Krämpfen, die wurmtreibende nur bei Würmern) und derselbe wird daher zur Ein­theilung mit benutzt. Der Grund zu dieser Eintheilung ist also theil-weis mit dem der vorigen übereinstimmend, und sie hat daher auch zum Theil dieselben Mängel wie diese; ihr grösster Fehler liegt aber darin, dass Wiederholungen unvermeidlich sind, weil ein und dasselbe Mittel, unter verschiedenen Umständen, namentlich in verschiedener Gabe, Concentration, Form, bei verschiedenen Krankheiten u. s. w. eine verschiedenartige Wirkung leisten kann (wie z. B. der Weinstein eine auflösende, laxirende, urintreibende, kühlende, entzündungswidrige, schwächende Wirkung besitzt und daher auch in verschiedenen Klas­sen stehen muss).
3)nbsp; nbsp;Als den Grund zu einer dritten Eintheilungsweise betrachtet man die Innern Veränderungen, welche in den Kräften, in der Thätig-keit und Beschaffenheit bald des ganzen Körpers, bald der einzelnen Systeme und Organe, durch die Medicamente erzeugt werden können. Diese Eintheilung ist aus dem Bestreben nach einer Grundansicht des
Hertwig, Arzneimittellehre.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 3
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Lebens entstanden; da aber, trotz dieser Bestrebungen, unsere Kennt-uiss über den innern Grund des gesunden und krankhaften Lebenspro-eesses nur sehr besebränkt sind, und in vieler Hinsieht nur auf Theorien und Hypothesen beruhet, so hat sieh auch eine gründliche Einsicht in den Process der Arzneiwirkung nicht überall erlangen lassen. Daher ist auch die Eintheilungsweise selbst nach den sogenannten medicini-seben Systemen sehr verschieden gemacht worden, z. B. in stärkende und schwächende Mittel — in expandirende und contrahirende: — in positive und negative — in Mittel, welche auf die Empfindlichkeit, und in solche, welche auf die Bewegung wirken; — und in Mittel, welche in ihren Wirkungen auf die Sensibilität, Irritabilität und Reproduction gerichtet sind, und diese Functionen erhöhen oder vermindern. — Die Eintbeilung auf die letztere Weise scheint vor den übrigen noch den meisten Werth zu haben, weil allerdings sehr viele Mittel zu einer der drei Grundthätigkeiteu und zu den organischen Systemen, in welchen dieselbe vorwaltend ist, eine speeihsche Beziehung äussern. Allein auch sie ist einseitig und mangelhaft; denn diese Beziehung hängt nicht immer von den Mitteln allein, sondern oft auch von dem Krankheitszustande ab; die meisten Mittel wirken nicht blos auf ein System oder Organ, sondern sie ergreifen auch, und zwar zuweilen schon in der primären, ganz sicher aber in dter seeundäreu Wirkung die übrigen Systeme und Organe und verbreiten sich zuletzt über den ganzen Körper; auch be­steht die Wirkung nicht blos in der Vermehrung oder Verminderung einer Grundthätigkeit, sondern ebenso viel in der qualitativen Verän­derung derselben.
4) Den Grund zu einer vierten Eintheilungsweise nahm man von der innerlichen und äusserlichen Anwendung der Arzneimittel, und unterschied die letzteren in innerliche oder therapeutische, und in äus-sere oder chirurgische Mittel. Diese Eintbeilung kann jedoch weder den wissenschaftlichen noch praktischen Zwecken der Thierheilkunde entsprechen, da der Eintheilungsgruud ein sehr unwesentlicher ist, sehr viele Mittel innerlich und äusserlich angewendet werden, und ausser-dom auch die Thierarzneikunde in der Praxis nicht in Medicin und Chirurgie geschieden werden kann.
sect;• 65.
Auf die naturhistorischen und materiellen Eigenschaften der Arz­neimittel sind folgende verschiedene Eintheilungsweisen gegründet worden.
1) Nach den drei bekannten Naturreichen hat man die Arznei­mittel in drei Ilauptklassen gebracht und sie nach ihren äussern Aehn-lichkeiten geordnet, z. B. die Mittel aus dem Pflanzenreich bald nach dem Linneschen, bald nach dem sogenannten natürlichen System. Wenn nun hierbei auch einzelne Mittel von gleichen oder ähnlichen Kräften neben einander zu stehen kommen, so findet doch oft auch das Entgegengesetzte Statt. Daher geht bei dieser Eintbeilung die prak­tische üebersicht ganz verloren; ausserdem leidet sie aber noch au Unsicherheit, indem manche Mittel sogar in verschiedene Naturreiche versetzt werden können, wie z. B. der kohlensaure Kalk und die Blau-
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säure, von denen der Erstere im Thierreich und im Mineralreicli, die Letztere im Tliier- und Pflanzenreich stehen kann.
2) Nach ihren materiellen Bestandtheilen hat man die Arznei­mittel auf zweierlei Weise eingetheilt, indem mau a) die einfachen Elementarstoffe, namentlich die gasartigen Grundstoffe (Sauer­stoff, Stickstoff, Kohlenstoff und Wasserstoff) als die nächste Ursache der spedfischen Kräfte der Arzneimittel betrachtete, und nach der Quantität und der gegenseitigen Verbindung dieser Stoffe in den ein­zelnen Mitteln, die Klassen und Ordnungen derselben bildete; — oder indem man b) nur die nähern Bestaudtheile beachtete und nach dem Vorwalten derselben, die gleichartigen Mittel in Klassen zusam­menstellte. Die erstere Eintheilungsweise ist als hypothetisch und un­sicher erkannt worden, theils weil sich aus der Kenntniss der Elemen­tarstoffe vieler Arzneimittel nichts Sicheres über die Wirkung derselben in Krankheiten ergiebt, theils weil mit der Vervollkommnung der Che­mie sich die Kenntnisse über diese Elemente beständig ändern. — Lgt;a-gegen erscheint die zweite Eintheilungsweise fester begründet und sehr brauchbar; denn jedes Arzneimittel hat, wenn es gleich gemeiniglicii aus mehreren verschiedenartigen Stoffen zusammengesetzt ist, doch einen vorwaltenden Bestandtheil, von dem vorzugsweise seine Heil­kraft abhängt, und den man daher als Heilstoff bezeichnen könnte, z. B. Bitterstoff, ätherisches Oel, Kampher und dergl. Diese Stoffe wer­den wohl immer als dieselben betrachtet werden, wenn auch die che­mische Analysis noch so verschiedene Elemente und subtile Unter­schiede in ihnen entdecken sollte. Dabei zeigen die Mittel von glei­chen oder sehr ähnlichen nähern Bestandtheilen auch eine grosse Uebereiustimmung in ihren Wirkungen, und die hierauf gegründete Eintheilnng hat daher nicht blos einen pharmakologischeu, sondern auch einen therapeutischen Werth. Diese Eintheilnng soll daher auch hier für die speciellc Arzneimittellehre benutzt werden, und zwar um so mehr, da ihre Klassen sehr einfach und natürlich sind, eine leichte Uebersicht gewähren, und Wiederholungen nnnöthig machen.
Sie umfasst folgende zwölf Klassen:
I.nbsp; Klasse: enthält Mittel, deren Bestaudtheile sich zu denen des Thierkörpers am wenigsten materiell verschieden (different) verhalten, und die man daher (wenngleich nicht durchaus richtig) als indiffe­rente Mittel bezeichnet.
II.nbsp; Klasse: Mittel mit vorwaltendem Bitterstoff; bittere Mittel.
III.nbsp; Klasse: Mittel mit vorwaltenden adstringirenden Pflanzen­stoffen; — adstringirende Mittel.
IV.nbsp; Klasse: Mittel mit vorherrschendem Gehalt an ätherischem Oel, Kampher und Harz; — ätherisch-ölige, gewürzhafte, kam-p her halt ige und harzige Mittel.
V.nbsp; Klasse: spirituöse, ätherartige, flüchtige Mittel.
VI.nbsp; Klasse: Mittel, die scharfe Stoffe enthalten; — scharf rei­zen de Mittel.
VII.nbsp; Klasse: Mittel, die betäubende Stoffe enthalten; — betäu­bende, narkotische Mittel.
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VIII.nbsp; Klasse: Mittel, die als chemisch einfache Stoffe be kannt sind.
IX.nbsp; Klasse: Saure Mittel, Säuren.
X.nbsp; nbsp;Klasse: Alkalien und Erden; — kaiische Mittel.
XI.nbsp; Klasse: Salze der Alkalien und Erden; — und
XII.nbsp; Klasse: Metallische Mittel, Metalle, deren Oxyde, Salze und drei. *
FÜNFTES CAPITEL. Quellen und Literatur der Arzneimittellehre.
sect;. 66.
Die Arzneimittellehre ist ihrem Ursprünge nach eine Erfah-rungsWissenschaft, indem sie in der Hauptsache aus den Erfah­rungen über die Wirkungen der Arzneimittel auf den Thierkörper, insbesondere über ihre nützlichen oder schädlichen Wirkungen gegen die Krankheiten desselben, entstanden ist. Sie bestellt demnach aus einer Sammlung von Kenntnissen, welche letztere aus einzelnen Be­obachtungen entstanden, durch Wiederholungen derselben bestätigt, berichtigt und zu einem gewissen Grade von empirischer Sicherheit ge­bracht werden können, aber erst durch absichtlich angestellte Versuche an gesunden und kranken Thieren, mit Berücksichtigung der dabei ob­waltenden physicalischen, chemischen, diätetischen, physiologischen und pathologischen Verhältnisse zu wirklichen Erfahrungen ausge­bildet werden. Letztere zeigen immer einen bestimmten Zusammen­hang zwischen Ursache und Wirkung und gewähren stets mehr Sicher­heit, als die blossen Beobachtungen.
sect;. 67.
Wer echte Erfahrungen über die Wirkungen der Arzneimittel und namentlich über die Heilwirkungen derselben in bestimmten Krank­heiten machen will, muss also die Mittel nach ihren naturhistorischen und chemischen Eigenschaften, den Thierkörper im gesunden und kran­ken Znstande, die Wirkungen der verschiedenen Nahrungsmittel, des Getränks, des Aufenthaltsortes und überhaupt des diätetischen Ver­haltens der Thiere, ferner, den Einfluss der Jahreszeit, der Witterung, der Temperatur, der Electricitätsverhältnisse, des Luftdrucks, selbst der Mondsphasen, — sowie die eben herrschenden Krankheiten und deren Character kennen und berücksichtigen.
Es gehört ferner dazu: eine von gesunden Sinnen unterstützte Beobachtungsgabe, eine von Vornrtheilen und von einseitigen Ansich­ten freie Auffassung der Erscheinungen und eine verständige Verglei-
1 Anmerkung. Manche Schriftsteller haben die systematische Eintheilung der Arzneimittel ganz aufgegeben und dieselben nur in alphabetischer Reihenfolge be­schrieben. Dies ist jedoch allenfalls nur in einem Wörterbuche passend.
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cluing derselben, sowohl unter einander, wie auch mit den Erschei­nungen und Wirkungen anderer ähnlicher Arzneimittel u. s. w.
Und die Versuche, welche man zur Erforschung der Arzneiwir­kungen an Thieren anstellt, müssen stets soviel wie möglich in grös-serem Umfange und oft wiederholt unternommen werden, denn einzelne Versuche gewähren kein sicheres Resultat, weil durch die speciello Empfindlichkeit u. s, w. der einzelneu Individuen und deren Organe, sowie durch zufällige andere Eintiiisse sehr leicht ungewöhniiche Wir­kungen, somit Tauschungen und Irrthümer entstehen können.
Ausserdem sind bei den Versuchen folgende Kegeln zu beachten: Man beginne mit ihnen bei den, auf niederu Stufen stehenden Thieren, und setze sie durch andere Klassen bis zu den Säugethieren, und speciell an den Ilausthieren fort; man berücksichtige bei den letz­tern das Alter, Gcsclilecht, Temperament, die Constitution und Grosse, und wähle zu den Versuchen solche, die sich einander möglichst ähn­lich sind; man beobachte und untersuche dieselben vor der Anwendung der Mittel genau, und beobachte die sämmtlichen Kussern Verhältnisse, denen die TMere vor, während und nach dem Versuch unterworfen sind; man bringe die Mittel auf den verschiedensten Wegen mit den; Körper in Berührung, und zwar zuerst möglichst einfach, später in den verschiedensten Formen, und selbst in bekannten oder als wirksam em­pfohlenen Zusammensetzungen; ebenso suche man stufenweise von klei­nen bis zu den stärksten Gaben die Wirksamkeit des Arzneistoffes, vom niedern bis zum höchsten Grade durchzuführen, und so die Modifica-tionen der Wirkung zu erforschen; dabei achte mau auf die sich zei­genden Veränderungen, und forsche besonders nach, aufweiche Organe und Systeme der angewandte Stoff eine besondere oder vorherrschende Richtung äussert; mau untersuche daher die Beschaffenheit des Herz­schlages, der Arterien, des Athemholcns, der Schleimhaut in der Xase, im Maul, der Bindehaut der Augen, der aussein Haut, die Wärme an verschiedenen Theilen des Körpers, die Grosse und Veränderlichkeit der Pupille bei verschiedenem Licht, die Stellung oder Lage, die Auf­merksamkeit und das Benehmen der Thiere u. s. w.; man untersuche die Menge und Beschaffenheit der Secretionen und Excretionen, und zwar sowohl sinnlich als chemisch; sterben Thiere, so stelle man am Cadaver zuerst Versuche mit dem Galvanismus an, dann genaue Sec-tionen und hierauf an den wichtigsten einzelnen Theilen auch che­mische Untersuchungen. Einzelne Thiere tödte man zur Zeit der grössten Wirkung, andere später, um durch die Section ihrer Cadaver Belehrungen zu gewinnen, und noch andere lasse man ungestört, um an ihnen die Nachwirkungen und Folgen zu beobachten. — Bei Ver­suchen an kranken Thieren muss man zuerst den vorhandenen Krank­heitszustand, besonders den Zusammenhang zwischen den Symptomen, die Form der Krankheit, ihre Innern Verhältnisse und den Gang ihrer Entwickelung erforschen, und dann auf die oben angegebene Weise verfahren. Auch hier ist es zweckmässig, bei vielfach vorkommenden, oder seuchenartig herrschenden Krankheiten einzelne kranke Thiere, die mit den therapeutisch behandelten unter gleichen Einflüssen leben.
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ganz ohne Medicamente zu lassen, um desto sicherer kennen zu lernen, welchen Einfluss die letztern auf den Gang und auf die Entscheidung der Krankheit ausüben'.
sect;• 68.
Die thieriirztliche Arzneimittellehre bedarf noch an recht vielen Stellen der wahren Erfahrungen. Da es jedoch dem einzelnen Thier-arzt nicht möglich ist, alle Arzneistoffe selbst zu prüfen, indem hierzu theils für ihre Anzahl ein Menschenalter zu kurz ist, thcils auch nicht Jeder die hierzu gehörige Zeit und Gelegenheit besitzt, andererseits aber die eigne Prüfung auch nicht allein ausreichend ist, um sichere Resultate zu geben, indem der einzelne Mensch sich nicht von allen Fehlern in der Beobachtung frei erhalten kann, und Jeder nur auf seine ihm eigenthümliche Weise sieht und beobachtet, so sollten alle Thier-ärzte ihre Beobachtungen als ein Gemeingut der Wissenschaft betrach­ten und deshalb sie öffentlich mittheilen. Dies muss jedoch mit Klar­heit und mit der grössten Wahrheitsliebe geschehen; denn falsche An­gaben schaden auf mehrfache Weise, und besonders hemmen sie für lange Zeit das Fortschreiten der Wissenschaft. Leider ist in der Thier-arzneikunde die Zahl der unvollständigen, oberflächlichen und unrich­tigen Beobachtungen sehr gross, daher ihre Literatur auch nur eine beschränkte und vorsichtige Benutzung für die Arzneimittellehre ge­stattet.
sect;• 69.
In den Schriften aus der Zeit vor der Errichtung der Thierarznei-schulen findet sich nur äusserst wenig Brauchbares. Aristoteles (384 bis 322 v. Chr.) giebt die ersten Notizen über einige Thierkrankheiteu, aber ohne Werth für die Arzneimittellehre; er nennt als Arzneimittel den Wein. — Cato (180 J. v. Chr.) theilt in seinem Werke über Land-wirthschaft einige Belehrungen über Thierheilkunde mit, welche nur von Unkenntniss und Aberglauben zeugen. Er Hess z. B. das Rind­vieh bei allen Krankheiten ohne Unterschied ein rohes Ei verschlucken, wobei der Knecht, der es dem Pferde eingab, nüchtern sein musste u. s. w.-. Besser sind die Mittheilungen, welche J. Moderatus Co­in m ell a (20 J. n. Chr.) in seinen Büchern über Landwirthschaft macht; er nennt schon mehrere wichtige Arzneimittel, namentlich den Salmiak, die Nieswurz u. a.; die meisten schienen jedoch Hausmittel gewesen zu sein; wie z. B. Weinhefen, Lorbeeren, Oel u. s. w.3. — Gargilius Martialis in seinem Bruchstück über Eindviehkrankheiten (230 J. n. Chr.) nennt dieselben Mittel4. — Aus dem ganzen vierten Jaiirhun-
1nbsp; liei allen diesen Versuchen achte man aber stets das Leben der Thiere und diese selbst als fremdes Eigenthum; man unternehme sie daher nur sehr vorsichtig, bei der Anwendung heftig wirkender Mittel aber nur mit Genehmigung des Thier-besitzers, und, wo sichere therapeutische Kegeln gegeben sind, weiche man von die­sen nicht ohne Noth ab.
2nbsp; Scriptores rei rusticae veteres latini. Curante Joh. Math. Gesner. 2 Vol •Ito Lipsiae 1735, 1774. Mannheim 1781. Vol. I. Cap. 71. p. 75.
3nbsp; Ebendaselbst. Columella, Libri XII.
4nbsp; Ebendaselbst. Vol. 11. p. 305.
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3!.gt;
dert findet sich bei don Kömem als der einzige Schriftsteller Pela-gonius1, der aber liinsielitlich der Arzneimittel und deren Composition viel Unsinn enthält. — Die Griechen hatten zwar mehrere berühmte Russärzte, von denen als Schriftsteller Eumeins von Theben (300 J. n. Chr.), Apsyrtu s (330 J. n. Chr.), Hippocrates (nicht der berühmte Menschenarzt), Hemerius, Theomnestus, Vindanius Anatolius, Hierocles (340—4U0 J. n. Chr.) und Andere (zusammen siebenzehn; und später von dem griechischen Kaiser Constantin Porphyrege-netus (im zehnten Jahrhundert) in einer Sammlung zusammengebracht worden sind-, in welcher sich nur von Apsyrtus einig-e richtige An­sichten finden. Gegen Ende des vierten Jahrhunderts schrieb Vege-tius Renatus ein Werk über Thierheilkunde3, welches zum T'ieil auf Apsyrtus und die übrigen früheren Schriftsteller, theils auf eigene Er­fahrungen gegründet ist; au Vollständigkeit übertrifft es alle frühern, besitzt aber dieselben Mängel wie diese, besonders in der unschick­lichen und zu grossen Zusammenmengimg der Arzneien. In dem nun eingetretenen finstern Mittelalter scheint auch die Thierarzneikuiule völlig gesunken zu sein; denn ausscr jener Sammlung des Kaisers Constantin findet sich durch fast volle 800 Jahre keine Spur ihres Fortbestehens. Nur aus der Mitte des dreizehnten Jahrhunders be­stehen die kleinen Werke von Jord. Rufus über Pferdearzneikunde1, und von Demetrius über die Krankheiten der Jagdfalken0, durch Einfachheit und ziemlich g'ute Auswahl der empfohlenen Arzneimittel ausgezeichnet. Jn den nächsten vier Jahrhunderten machte aber die Arzneimittellehre fast gar keine Fortschritte; denn auch in dem be­rühmtesten thierlirztlicheu Werke aus jener Zeit, dem von C. Ruini6, sind bei den beschriebenen Krankheiten nur eine Anzahl Mittel und Recepte angegeben, welche zum Thoil ganz unpassend sind, z. B. Ro­senöl, Rosenhonig u. drgl. Die Pferdearzneikunde war in den Händen der Stallmeister und Schmiede, und die Behandlung- der übrigen Thier-krankheiten blieb den Hirten und anderen Quacksalbern überlassen. Daher finden sich laquo;aus jener Zeit nur einige, mit den Vorurtbeilen der­selben ausgestattete Bruchstücke der Thierheilkunde fast allein in den Schriften über die Reitkunst von Beaugrand, Rouvray, Jour-dain, Bussiniere und v. Solleysel, welche aber sämmtlich, bis auf den Letzteren, keiner Erwähnung verdienen. Und auch von die­sem ist hinsichtlich der Arzneimittellehre nur zu bemerken, dass er aus eigner Erfahrung die Wirkung mehrerer Spiessglanzmittel (des Schwefelspiessglanzes, des Metallsafrans, des Goldschwefels, des Brech-
1nbsp; Pelugonii veterinaria. Florentiae 1826.
2nbsp; nbsp;Toti' iTTTTiaTnty.oH' j-hßki'a di'tit, Veterinariae medicinac Lihri duo; herausge­geben von Jos. Rnellius, Basil, 1538. Deutsch zu Nürnberg 1GC9.
3nbsp; Vegetii Renati artis veterinariae sive Mulomedichiae Libri quatuor. Basileae 1528. i. 1537. Mannheimii 1781. 8.
4nbsp; Jord. Ruffi, Calabriensis Hippiatria. Patavii 1818.
5nbsp; Script, rei accipitrarlae. Ed. Rigault. Lutet. 1612. 4. p. 1.
6nbsp; Dell' anatomia e dell' iniirmita de! cavallo, del signor Carlo Ruini. senator Uolognese. Bologne, 1698 (auch: Venice, 1G18).
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weins uud des ßulandischen Wassers) besser kannte, als alle Thier-ärzte vor ihm, und selbst besser, als viele nach ihm1, dass er dagegen aber auch sehr grosse Irrthümer verbreitete und namentlich in Be ziehung auf die Arzneimittel behauptete, dass die Anwendung der küh­lenden Mittel beim Pferde, selbst wenn es an Entzündungskrankheiteu leidet, unzweckmässig sei, dass aber die erhitzenden Mittel dem Tem­perament dieses Thieres verwandt und deshalb demselben vorzüglich heilsam sind. Er wendete daher auch fast nur Mittel der letztern Art an, und hat hierdurch und vermöge seines Ansehens, in welchem er durch lange Zeit stand, nicht nur unzähligen kranken Thieren, sondern auch dem Fortschreiten der Wissenschaft geschadet. Die spätem Schrift­steller über Reitkunst u. s. w. (z. B. de Saulnier, de la Gueriniere, de Garsault, Loehneisen u. A.) schöpfton fast nur aus ihm; doch ist zu bemerken, dass Griieriniere einfachere Mittel empfahl und Gar­sault der erste war, der eine pferdeärztliche Pharmacopöe entworfen hat. Im Wesentlichen blieb aber die Arzneimittellehre, wie die ganze Thierarzneikunde, noch durch ein volles Jahrhundert in ihrer vor­herigen grossen Unvollkommenheit. Bemorkenswerth für die erstere sind jedoch die, um die Mitte des siebenzehnten Jahrhunderts von dem berühmten Arzt Wepfer gemachten Versuche und gesammelten Beobachtungen über die Wirkungen des Wasserschierlings, des ge­fleckten Schierlings, des Eisenhutes, der Brechnuss, der weissen Nies­wurz und andrer heftig wirkender Substanzen, — obgleich diese Ver suche zum Theil sehr mangelhaft sind-; — und eben so verdienen die später von dem Arzte Sproegel an lebenden Thieren mit mehreren Giften gemachten Versuche erwähnt zu werden3.
sect;#9632; 70.
Ein besserer Zustand der Thierarzneikunde begann um die Mitte des vorigen Jahrhunderts, mit der Errichtung besonderer Thierarznei-schulen in Frankreich (1761). Bourgelat, der Gründer dieser Schu­len, gab bald darauf das erste, der thierärztlichen Arzneimittellehre allein gewidmete Werk4 heraus, welches er jedoch bei dem Mangel an eigner Erfahrung ganz nach den damals gebräuchlichen Arzneimittel­lehren der Menschenärzte (besonders nach Boerhave) bearbeitet hatte. Es ist daher „wenig classisch, enthält verjährte Theorien, viele Lücken,
1nbsp; Solleysel, 1c veritable parfait Marechal. Paris 1G64. 4to. 6. Aufl. mit deutscher Uebersetzung zu Genf, 1677. Fol. p. 558. u. f. (andere Aufl. 1093, 1705, 1712).
2nbsp; J. J. Wepfer, Cicutae aquatieae liistoria et noxae. Basil. 1679. 4. neue Aufl. Lugd. Batav. 1716. 1733.
3nbsp; J. A. T. Sproegel, Experimenta circa varia venena in vivis animalibus in-stituta. Goetting. 1753. 4.
4nbsp; Bourgelat. Elemens de l'art veterinaire. Matiere Medicale raisonnee, ou precis des Medicamens consideres dans leurs effets etc.; h l'usage des Eldves des Ecoles Veterinaires, avec les Formules medicinales et officinales des memes Ecoles. Lyon 1765. 8. 2. Aufl. 1771. 3. 1796 und 4. Aufl. 1805 — 8. — Deutsch: Bourge-lat's Lehrbegritfe der medicinischen Materie. Aus d. Franz. Leipzig 176C. 8.
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noch mehr Unbrauchbares, uud eine grosso Menge Irrthümerquot;'. Der geniale Bourgelat wusste wohl, was zur Begründung einer bessern Arzneimittellehre gehört-' und sah auch seine gemachten Felder ein. Um sie zu berichtigen, unternahm er zahlreiche Versuche, welche in der Thierarzneischide zu Alfort, späterhin durch Huzard (d. Vater) fortgesetzt und in der Thierarzneischule zu Lyon durch Flandrin, unter der Leitung Chaberts und nach der Anweisung Bourgelats zum grössten Tbeil wiederholt wurden3. Letzterer gelangte aber hier­durch nicht zu einer Verbesserung- seines Werks, und erst lange nach ihm gab Huzart die vierte Auflage desselben vermehrt und mit Anmer­kungen versehen, jedoch nicht mit Kritik verbessert, (Paris 1805—8. An. XIII.) heraus. — Zu gleicher Zeit mit der ersten Ausgabe von Bourgelats Mattere Medicale erschien von Bartlet in England eine Arzneimittellehre, unter dem Namen: „Pharmacopöe oder Apotheke eines Rossartzesquot;4. Die Schrift ist zu viel mit Pathologie und Therapie überladen, uud verbreitet sich selbst über einen Gegenstand, der nicht im entferntesten hierher gehört, nämlich: ertrunkene Personen wieder ins Leben zu bringen; sie enthält aber dennoch, für ihre Zeit betrach­tet, viele gute und besonders viele einfache Arzneiformeln, obgleich auch einige empfohlene Mittel zu theuer, oder ganz unbrauchhar sind, und bei vielen die richtige Gabe nicht angegeben ist. Sehr wichtig war dagegen das quot;Werk von Vitet5, welches im dritten Bande einen reich­haltigen Abschnitt für die Arzneimittellehre enthält. Vitet, Arzt zu Lyon, beschäftigte sich fast ausschliesslich mit der Thierarzneikunde, und verwendete auf Versuche über die Wirkung der Arzneimittel an Thieren neun Jahre Zeit und 20000 Francs6. Er verminderte die zu grosse Anzahl der Arzneimittel und empfahl dringend die Anwendung der einfachen Stoffe, um deren Wirkung erst kennen zu lernen. Doch ist er selbst von diesem Princip zuweilen abgewichen und hat dann unrichtige Schlüsse über die Wirkungen gemacht; so z. B. hat er statt des reinen Opiums die Tinctur desselben angewendet, die Jalape nicht für sich allein, sondern mit Milch und Salz, die Aloe mit dem Gelben vom Ei abgerieben und in reinem Wasser aufgelöst, gegeben.
1 Siehe Grognier, Notice historiquo er raiäonnee sur Bouvgelut. Lyon 1805. 8. p. 81 — 101.
- Siehe: das Vorwort (Discours preliminairo) zur 2. Auti. der Matü-re Mi'dü-ale.
3nbsp; nbsp;Siehe: Grognier a. a. O. p. 83.— Diese spätem Versuche finden sieh in den Annales d'Agrk-ultiire fran(,-aise (I. Serie vom J. VI der franz. Republik 1792— 93), bis 1817. 70 Bde.; II. Serie von 1818 — 28, 47 Bde,, und in den proces verbales der beiden franz. Thierarzneischulen; ausserdem in den seit 1824 bestehenden thier-iüv.tliehen Journalen.
4nbsp; Pharmacopoeia hippiatria, or the Gentleman Farriers Repository of elegant and improved Remedies for the Diseases of Horses. Lond. 17G5. 8. II. part. — Nach der 3. Aufl. (1773) deutsch herausgegeben von Buchholz, unter dem Titel: Bart lets Bharmacopoe oder Apotheke eines Rossarztes, welche auserlesene Mittel für die Krankheiten der Pferde enthalt u. s. w. Weimar 1778. 8. mit 2 Kupfern.
quot; Vitet, Medk'ine vetcrinaire. Tome III. Lyon 1771 (2 edit. 1783). Deutsch von Erxlcben lind Hennemann unter dem Titel: Vitet, Unterricht in der Vieh­arzneikunst in 5 Bdn.. Lemgo 1773 — 86.
c Siehe: Rozier, Observations sur la Physique etc. Vol. 3. 4. 5. 1771.
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Daher konnte er das letztere Mittel in so grossen Gaben, für Pferde und Kinder liis zu drei Unzen, reichen. — Nach ihm machte Lafosse (der Sohn) über die meisten in der Pferdcheilkunst brauchbaren Arz­neimittel gute, praktische Mittheilungen^ Auch verdienen die, zwar nicht sehr ausgedehnten, aber guten Versuche von L)'Au benton über die Purgiermittel bei den Schafen2, und später die Versuche von Vi-borg. Scheele und Flormann über viele Arzneimittel und Gifte3 vor allen andern Leistungen genannt zu werden, da sie sehr nützliche Beitrüge, für die Arzneimittellehre enthalten. — Gegen Ende des vori­gen Jahrhunderts schrieb Tennecker ein „Handbuch der Heil­mittellehre für Pferdeärzte u. s. w.quot;*, das manches Gute, aber auch viel Unrichtiges und zu wenig eigene Erfahrung enthält. Im An­fange des jetzigen Jahrhunderts folgten schnell hintereinander mehrere Schriften über die Arzneimittellehre. Fr. Pilger beschrieb ^Ver­suche, durch den Galvanismus die Wirkung verschiedener Gifte und Arzneimittel auf die erhöhete oder verminderte Reizbarkeit der Nerven zu prüfenquot;5, und gleich darauf in seinem : „Systematischen Handbuch der theoretischen un d prakti­schen Veterinärwissensohaftquot;6 eine Uebersicht der Arzneimittel­lehre, die jedoch zu kurz und unvollständig ist. — Zu gleicher Zeit er­schien das „Handbuch der Zoophannacologi e für Thierärzte von Chr. Katzeburgquot;7, welches zwar hinsichtlich der Menge der aufgezählten Arzneimittel an Vollständigkeit alle übrigen Schriften der Art übertrifft, und manches Gute, aber auch wesentliche Fehler be­sitzt; denn Katzeburg war Pharmaceut, nicht Thierarzt und hat daher viele unrichtige Angaben ohne praktische Kenntniss und Prüfung aus andern Schriften aufgenommen; die zusammengesetzten Arzneimittel stehen vor den einfachen, und die Eintheilung der speciellen Arznei­mittellehre ist nach dem Linne'schen System, weder praktisch noch übersichtlich gemacht. — Aus derselben Zeit verdient noch das clas-sische Werk von P. Scheel über „die Transfusion dos Blutes und Einspritzung der Arzneien in die Adernquot;8, genannt zu werden, da es aussei- der vollständigen Geschichte der Transfusion, fast alle vor ihm bekannt gewordenen und mehrere eigene Versuche über die Wirkung von sehr vielen, bei Thieren in die Adern gespritzten Arz­neimitteln beschreibt. — Bald darauf erschien die „Praktische Heil-
1nbsp; Im Bictiovmaire d'hippiatriqne. 4 Vol. Paris 1775.
2nbsp; Memoircs de la Societe Royale de Medicine. Annees 1780 u. 81. Paris 1785. 4. p. 256. — Deutsch in den: Auserlesenenliciträgen zur Thierarzneikunde. Leipzig 1786. 1. Stück S. 184.
3nbsp; E. Viborg, Sammlung von Abhandlungen für Thierärzte und Oekonomen. 5 Bde. 8. Copenhagen 1795 — 1807.
4nbsp; 2 Bde. Leipzig 1799 u. 1800. 2. vermehrte Aufl. 1824. •-gt; Giessen 1801.
6nbsp; 2. Bd. m. Kpfrn. Giessen 1802. 8.
7nbsp; 1. Theil, Berlin 1801 (2. Aufl. von E. L. Schubarth 1821). 2. Theil eben­daselbst 1803.
s Copenhagen 1802. 2 Thle. 8. — Dr. Dieffenbach hat das Werk mit einem dritten Theil (unter obigem Titel, Berlin 1828) bereichert.
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mittollelire zum Gebrauch für Thierärzte und Landwirtlie von Dr. J. A. Schlaberg, (damals Arzt in Ilildeslieim) Berlin 1805quot;, ein Buch, welches, trotz des Titels, ganz ohne praktischen Werth ist; es liegt ihm die preussische Landes-Pharmacopöe zum Grunde, ent­hält alle in derselben angegebene Arzneistoffe, ohne Unterschied des Preises, der Wirkung u. s. w., und ist in thierärztlicher Hinsicht höchst mangelhaft. — Zwei Jahre später theilte Gohier einige nicht anin­teressante Versuche über mehrere mineralische und vegetabilische Gifte mit \ denen aber etwas mehr Vollständigkeit zu wünschen ist. — Gleich darauf folgte H. Waldinger's Schrift „Ueber die Nahrungs- und Heilmittel der Pferdequot;-, welche in Kürze viele eigene Erfahrungen über die bei kranken Pferden am meisten gebräuchlichen Arzneimittel enthält. Sie ist ausserdem auch originell, da Waldinger (wie in seinen übrigen Schriften) unter den Thierärzten der erste ist, der einer chemi­schen Ansicht bei der Erklärung über die Wirkungen der Arzneistoffe huldiget. — Gleichzeitig gab auch Viborg den ersten Band von den Schriften der thierärztlicheu Gesellschaft zu Kopenhagen3 heraus, in welchem er recht gute und ausführliche Versuche über die Wirkung des Eisenvitriols, des Fichteuharzes, der Spiessglanzmittel u. a. bekannt machte4. Eine Lücke in pharmaceutischer Hinsicht wurde durch die Fharmacie veterinaire von Lebas ausgefüllt5. — Im Jahre 1812 er­schien von Dr. A. liysz ein „Handbuch der praktischen Arz­neimittellehre für Thierärztequot;6, in alphabetischer Ordnung gröss-tentheils nach Waldinger's Arzneimittellehre gut bearbeitet. — Ihm folgte ein Jahr sjiäter von Bouillon Lagrange ein „ Dispensa'n'e Pliarmacochimique h Vusage des Eleves des Ecoles veterinaires, Paris 1813quot;, welches jedoch nur in pharmacologischer Hinsicht zu beachten ist. — Dagegen haben die in den „Memoires et Observations veteri­nairesquot; von Gohier enthaltenen Bemerkungen über einzelne Arznei­mittel, und namentlich Versuche über die weisse Nieswurz, einen prak­tischen Werth. — Im folgenden Jahre erschien der zweite Theil des ;,Handbuchs der Pferdearzneikunde von James Whitequot;7, welcher im ersten Abschnitt die Arzneimittellehre, im zweiten aber pharmacentische Vorschriften enthält. In der erstem findet man zwar mehrere, auf Versuche und richtige Beobachtungen gegründete, gute
1 Observations et Experiences, faites ii l'Bcole Imperial Veterin. de Lyon fsur ie pain moisi, et snv quelques Poisons mineraux et vegetaux. Paris u. Lyon 1807.
8.nbsp; p. 33 —61.
- Wien 1808. 3. Aufl. 1810.
3nbsp; nbsp;Veterinair-Selskabets Skrifter. Kiöbenhavn 1808. (2. Theil 1813, 3. Theil 1818.)
4nbsp; nbsp;Sie sind von Viborg ins Deutsche übersetzt in dem „Magazin für theo­retische und praktische Thierh eilkunde von Dr. S. J. Teuffei (Karls­ruhe 1811—15) im 2. und 3. Heft enthalten.
5nbsp; nbsp;Pharmacie veterinaire, theorique et pratiqne. Paris 1809 (letzte Ausgabe von Lelong, 1846).
6nbsp; nbsp;Vierte Aufl. Würzburg 1825.
7nbsp; nbsp;Aus d. Engt (A Treatise on veterinary Medicine, in 2 Vol. London) nach der
9.nbsp; Aufl. iibers. durch Victor v. Müll er. Mit Kpfrn. Hannover 1813 a. 14.
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Angaben, sie ist aber viel zu sehr mit theuren, eutbehrliehen und ganz unbrauchbaren Mitteln überladen, grösstentheils sehr oberflächlich ge­arbeitet und ausserdem in alphabetischer Form dargestellt. — Später erhielt die Arzneimittellehre einen guten Beitrag von B. A. Greve in den „Wahrnehmungen am Rindvieh, um über dessen Befin­den urtheilen zu könnenquot; (1. Bdchen. Oldenburg 1819). In einem augehängten Verzeichniss der für das Bindvieh brauchbaren Heilmittel sind recht gute und auf Erfahrung beruhende Bemerkungen über die Anwendung und Wirkung derselben, aber auch Irrthümer, wie z. B. über die geringe Wirkung der Belladonna, enthalten. — Auch die im folgenden Jahre von Waldinger herausgegebene „Abhandlung über den Schwefel und seine Verbindungen mit Metallen, Kalien und Erden, wie sie am und im thierischen Körper wirken u. s. w.quot; (Wien und Triest 1820) ist ein schätzbarer Beitrag.— In demselben Jahre gab E. L. Scliubarth eine „Neue Pharmaco-pöe für Thierärztequot; heraus, welche aber, ihrem Zwecke gemäss, nur eine für die grösseru Hausthiere, besonders für das Pferd brauch­bare, Auswahl von einfachen, präparirten und zusammengesetzten Arz­neimitteln enthält. — Im Jahre 1823 erschien die zweite Auflage von Bracy Clark's „Pharmacopoeia Equina, or new Pharmacopoeia for Ilorsesquot; (London 4.), welche aber nur oberflächlich bearbeitet ist und in keiner Hinsicht einen besondern Werth hat. Dennoch ist sie später in das Französische übersetzt worden1. —#9632; Ein kurzes, aber in den Hauptsachen brauchbares Handbuch der Arzneimittellehre gab Die­terichs-, und vier Jahre später ebenso Buchmtiller8 heraus. Durch beide Schriften ist die Arzneimittellehre weder wissenschaftlich noch praktisch gefördert wurden, wie dies fast überall der Fall ist, wo ein wissenschaftlicher Gegenstand zugleich für gebildete Aerzte oder Thier­ärzte und für Laien vorgetragen wird. — Auch die kurze alphabe­tische Darstellung der gebräuchlichsetn Arzneimittel in den Elements de pathologie veterinaire von Vatel4, war nicht geeignet, die Arzneimit­tellehre zu fördern, wohl aber ist dies durch L. Moiroud, in dessen „Traite elementaire de mauere me'dicale, ou de Pharmacologie veteri­naire, sidvi (Tun Formidaire pharmaceutique raisonnc etc.quot; Paris, 1831 •'' geschehen. — Ein sehr fieissig gearbeitetes Werk ist die „Theore­tisch-praktische Darstellung der in der Thierheilkunde bewährten diätetischen, pharmaecutischen und chirurgi-
1 Pharmacopoe veterinaire. ou iiovolle phaimacie hippiatriqnc, contenant une classification des metlioamens, los moyens de le preparer etc. etc. par Bracy-Clark. 1 Vol. 12. avec planches. Paris 1835.
- J. F. C. Dieterieh's Handbuch der allgcm. und besonderen, sowohl theoret. als prakt. Arzneimittellehre für Thierärzte und Landwirthe. Oder: Allgemein ver­ständiger Unterricht u. s. w. Berlin 1825 (2. Aufl. 1830, 3. 1839).
8 A. Ij. Buchmüller, Systemat. Handb. d. Arzneimittellehre für Thierärzte und Oekonomen. Wien 1829.
4nbsp; Paris 1828, Tome II. 2ine partie. Deutsch: Handb. d. Thierarzneikunde von A. W. Pestel, Leipzig 1839, 3 Bde.
5nbsp; Ins Deutsche übersetzt von A. P. Wilhelmi, unter den Titel: Handb. d. Thierarzneimittellehre von Moiroud. Leipzig 1832 (in Brüssel nachgedruckt 183G).
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sehen Heilmittel nach ihrer Natur, ihren Wirkungen und ihrem Gebrauchequot;, von Anton Hayne, 2 Bde., 8. Wien, 1833. Dies Buch handelt nicht blos die eigentlichen Arzneimittel, sondern sämmtliche thierärztliche Heilmittel wissenschaftlich und nach den zum Theil eigenthümlichen Ansichten des Verfassers gründlich ab. — Das „Manual of Pharmacy for tlie Student of Veterinary-Medicine'1, von W. J. T. Morton, London 1837 (3. Aufi. 1855), enthält eine kurze, aber recht gute praktische Darstellung der vorzüglichsten, von den englischen Thierärzten angewendeten Arzneimittel. — Gleich hierauf folgte das „Handbuch der gesammten Arzneimittellehrequot; von Dr. G. C. Haubner, Anklam 1838 (als 3. Theil von dessen Hand­buch der populären Thierheilkunde für Landwirthe), in welchem das Wesentliche über die wichtigsten Arzneimittel kurz und fasslich mit-getheilt ist. — In dem „Grundriss der Veterinär-Pharmaco-logiequot; von einem Preuss. Kieis-Thierarzt, Weimar 1836 (2. Aafi. von Weiss, 18G1), sind 169 Mittel in Tabellen dargestellt. — In dem von Delafond und Laissaigne herausgegebenen „Traite de Vhistoire 7ia! ir: U.e des suhatances employes dans la medecine des anhnaux domes-tiques, suivi d\m traite elementaire de pharmacie veterinairequot;, Paris 1841 (2 edit. 1853) sir.d sämmtliche Arzneimittel sehr gut, doch besonders in chemischer Hinsicht beschrieben. — Ed. Im-Thurn gab 18-J7 eine „Besondere Arzneimittellehre für Thierärzte, naturhisto­risch bearbeitetquot;, Solothurn 1847, heraus, die in tbierärztlich-praktischer Hinsicht viel zu wünschen übrig lässt. — Gleichzeitig er­schien von E. Hering unter dem Titel: „Die thierärztlichen Arz­neimittel, ihre Abstammung, Kennzeichen der Aechtheit und Verfälschung, passende Verbindung und Anwendung, nebst einem Anhang über die Errichtung einer thierärzt­lichen Hausapothekequot;, Stuttgart 1847, ein kurzes, aber recht brauch­bares Werk, dessen Inhalt dem Titel entspricht1. — Bald nachher sprach Percival in einem Memoire über die Wirkungen der Medica­mente bei Pferden2. — Eine sehr vollständige Arzneimittellehre in pliarmaceutischer und therapeutischer Hinsicht gab Tamburin 1853 mit in den Text gedruckten Abbildungen der ofticinellen Pflanzen, so­wie mit einer Receptsammlung, mit Anleitung zur forensischem Ana­lyse und mit einem Verzeichniss der Arzneipreise3. — In demselben Jahre erschien auch ein „Lehrbuch der Arzneimittellehre für Thierärztequot;, von Dr. M. F. Roll, Wien 1853, in welchem nach einer kurzen allgemeinen Erklärung der Arzneiwirkungen und einer kurzen Eeceptirkunde die gebräuchlichsten Mittel übersichtlich, kurz und fasslich beschrieben sind. — Ganz ähnlich, aber mehr ausführ­lich ist das „Lehrbuch der Veterinär-Pharmacodynamikquot;, von Dr. J. E. L. Falke, Leipzig 1854.
1nbsp; Zweite Aufl. 1855.
2nbsp; Das Memoire :.st von Gourdon ins Französische übersetzt, aber mir nicht näher bekannt geworden.
3nbsp; Nouveau Traite de Matiere medicale de Therapeutique et de Pharmacie \eteri-naires etc. etc. par M. F. Tamburin. Paris 1853.
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Aus del'Homöopathie sind die „Homöopathische Arzneimit­tellehre für Thierärzte, liebst Anweisung zur Bereitung der homöopathischen Arzneienquot;, u. s. w. von J. C. L. v. Genzkc, Leipzig 1837, — ,,Uer homöopathische Thierarzt,quot; von Fr. A. Günther, Sondershausen 1848, — und die „Studien und Erfah­rungen im Bereich der Pferdekundequot; u. s. \v. von Tb. Träger, Sondershausen 1851, besonders zu nennen.
Keceptirkunden und Pharmacopöen sind aussei- den bereits ge­nannten noch vorhanden von Wilhelmi1, Schmidt-, Ltlpke8, Kreutzer*, Ekelquot;', Weissquot;, Bouchardat7, Gille8, Erdmann und Her twig9 und Geffken1quot;.
Inbsp; nbsp;Vollständiges Receptbucb für Thierärzte, Landwirtlie u. s. w. Leipzig 1S32. 2 Hände (ohne Wertli).
- Becepte für die Krankheiten der Haustbiere, sammt einer Dosenlehre. Leip­zig 1832.
3nbsp; Veterinär - lieoeptirkiuist etc. Aschersleben 1834 und Veterinär - Eeeept-Taschenbucb für Thierärzte und Oekonomen. Quedlinburg 1835.
4nbsp; Handbuch der allg. thierärztl, Arzuciverordnungslehre mit Inbegriff der Veterinär-pharmaceutischen Beceptirkunst. Augsburg 1838.
rgt; Veterinär-Heceptir* und Dispensirbuch. Wien, 1840.
ö Anleit. z. Verordnen der thierärztl. Arzneimittel. Bearbeitet und durch 232 Beispiele erläutert. Stuttgart 1847.
7 Forniulaire vcterinaire etc. Paris 1840.
s Falsifications des mcdicamens rpii doivent retrouver dans l'officine du Jledecin vctcrinairc Beige. Bruxelles 18Ö2.
IInbsp; Thierärztl. Receptlrkunde und Phannacopoe. Berlin 1850. 10 Versuch einer Pharmacopoea veterinaria gennanica. 1857.
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SPECIELLE AEZNEIWIEKUNGSLEHEE.
ERSTE KLASSE.
Indifferente Arzneimittel. [Medicamenta inditferentia.)
UcKiiir. Wirkung und Anwendung tliesfr Millel im AllgeineiiiNi,
sect;• 71.
Es giebt Arzneimittel, welche in ihren Bestandtlieilen und Eigen-scliafteu mit gewissen Bestandtheilen des Thierkörpers eine grosse Uebereinstimmung zoig-eu, zum Theil sogar Producte des Thierkör-pers selbst sind, und die bei innerlicher Anwendung- auch grossenthcils demselben wieder materiell augeeignet werden können. Diese Mittel verhalten sich also materiell und ebenso auch in ihren Wirkungen unter allen Arzneimitteln verhaltnissmassis' am wenigsten dift'erent zum Thierkörper und werden deshalb im Allgemeinen als indi ffe -rente Arzneimittel bezeichnet.
Zu diesen (mit Ausnahme des Wassers), dem Thier- und Pflanzen­reich entstammenden Mitteln gehören alle diejenigen, welche 1) Ei-weiss, Käsestoff, Gallerte, oder 2) Gummi und Schleim, oder 3) Kleber und Stärkemehl, oder 4) Zucker und zuckerartige Stoffe, oder 5) Fette und fette Oele, oder 6) Wachs als vorwal­tende und vorherrschend wirkende Stoffe enthalten.
Diese Substanzen sind nicht nur für die Thiere verschiedener Gat­tungen, sondern auch für den Körper desselben Thieres durch ihre allgemeine Wirkung von verschiedenem Werth. Nach ihrer chemischen Zusammensetzung' unterscheidet man sie in stickstoffhaltige und stickstofflose Mittel; die ersteren (Albumin, Casein, Fibrin, Legu-min, Kleber, Gallerte) dienen vorzugsweise zur Ernährung, zum Er­sätze von Substanzverlust der Muskeln und Nerven, und werden des­halb pl astische Steife, Dynamogene, auch wohl Proteinstoffe benannt; die stickstofflosen Mittel (Stärkemehl, Fett, Gummi) dagegen werden vorzüglich dazu verwendet, dem durch das Einathmen aufge­nommenen Sauerstoff die zur Bildung von Kohlensäure und Wasser uöthige Menge Kohlenstoff und Wasserstoff zu liefern; sie dienen also
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dazu, den Eespirationsprocess zu unterhalten und die dem Körper noth-wendige Wärme zu erzeugen, während sie jedoch bei nicht genügen­der Zufuhr stickstoffhaltiger Alimente auch zur Ernährung herange­zogen werden. Sie sind deshalb nach ihrer hauptsächlichen Verwen­dung im Körper, nach der zuerst von Liebig ausgesprochenen An­sicht: respiratorische Mittel, oder nach Bischof Thermogene, AVärmcerzcuger genannt worden.
sect;• 72.
Die Anwendung der indifferenten Mittel bezieht sicli nun 1) auf ihre Eigenschaft als Nahrungsmittel, namentlich bei Schwächezuständen, nach plötzlichen oder anhaltenden Substanzverlusten; 2) auf ihre ein­hüllenden, reizmildernden, beruhigenden Wirkungen auf das gesammte Xervenleben, auf die Circulation, bei zu grosser Reizbarkeit und ner­vöser Empfindlichkeit, und selbst bei daraus entstehenden krampfhaften Zusammenziehungen einzelner Körpertheile, insbesondere bei zu grosser Empfindlichkeit des Magens und hieraus entstehendem Erbrechen der Hunde, bei Krampfkolik, bei krampfhaften Harnverhaltungen u. s. w.; 3) auf die beruhigende Wirkung auf entfernte entzündete Schleim­häute; 4) auf ihre örtliche Wirkung und ihr chemisches Verhalten. Die örtliche Wirkung der indifferenten Mittel auf gesunde Hautdecken und Schleimhäute ist eine kaum bemerkbare; auf entzündete Häute be­steht dieselbe in Erschlaffung und Erweichung der thicrischeu Materie, in Verminderung der Spannung und Contractilität der Fasern, in Ver­minderung der .Reizbarkeit und Empfindlichkeit und in Vermehrung der Secretion an den von ihnen berührten Flächen. Ausserdem können sie noch für verletzte und ihrer Hautdecke beraubte Oberflächen eine schützende Decke bilden, und dadurch die Einwirkungen der äussern Einflüsse auf dieselben mindern oder abhalten; da sie einige chemische Stoffe zersetzen, können sie, auch deren Einwirkungen auf thierische Gebilde mindern oder aufheben.
Man wendet sie also bei Anätzungen-äusserer und innerer Organe, bei schmerzhaften Entzündungen und Verletzungen, bei Verbrennun­gen u. dgl., bei verschluckten, scharfen, ätzenden Giften und andern, chemisch oder mechanisch in die Organisation eingreifenden Substan­zen (z. B. bei scharfen Knochensplittern) an, um dieselben einzuhüllen, der innern Oberfläche einen deckenden Ueberzug zu geben und die schädliche Einwirkung zu mindern; daher oft auch präservativ bei der Anwendung scharfer, ätzender, stark reizender Substanzen, z. B. der Canthariden, des Sublimats etc., um das Weiterfliessen der Aetzmittel zu hindern.
Endlich finden noch mehrere dieser Mittel ihre Anwendung als Bindemittel für andere Arzneistoffe, um denselben eine schickliche Form zu geben, z. B. Schleim und Gummi zur Bindung von Kampher in wassrigen Flüssigkeiten, ebenso bei Bereitung der Pillen und Lat­wergen.
Die allgemeine Gegenanzeige gegen die Anwendung dieser Mittel ist Erschlaffung und Reizlosigkeit der thierischen Gebilde, und beson-
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dera innerlich grosse Schwäche mit .Reizlosigkeit und Unthiitigkeit des Verdauuugskanals, da diese Mittel bei lange fortgesetsstem Gebrauch an und für sich schon Verdauungsstörungen hervorrufen können.
Erste Abtheilung. Eiweisstoff-und gallertartige Mittel. {Medic, alhuminosa etgelatinosa.)
sect;• 73.
Der Eiweisstoff, Albumin, findet sich sowohl im Thier- als im Pflanzenreiche. Der thierische Eiweisstoff ist im Blutt, im Blutserum als Fibrin, im Chylus, in der Milch in geringer Modification als Ca­sein, in den Muskeln, Sehnen und Knorpeln, im Gehini und in den serösen Flüssigkeiten des Thierkörpers zum Thoil sehr reichlich ent­halten. Am einfachsten und reinsten kommt er in den Eiern der Vögel als Eiweis vor.
Das Pflanzcneiweis (in seinen Verschiedenheiten als Ptianzenca-sei'n, Legumin, namentlich in Hülsenfrüchten, und als Pflanzenieini, Kleber, erscheinend) ist dem thierischen Eiweis in seinem Verhalten analog.
1) Eier, Ova (am gewöhnlichsten Hühnereier, Ova gallinacea). sect;• 74. Die Eier enthalten in ihrer aus kohlensaurem Kalk u. dgl. be­stehenden Schale das Eiweis und das Eigelb.
a.nbsp; nbsp;Das Eiweis, Albumen ovi, enthält ca. 12 Theile reines Eiweis, ca. 85 Theile Wasser und etwas Salzbasen. Es gerinnt bei einer Wärme über 70deg; R., auch bei der Einwirkung starker mineralischer Säuren, der Gerbsäure, des Alkohols, Aethers, Terponthinöls, während Alkalien, Essigsäure und Salzsäure (z. B. im Magen) es auflösen, Essigsäure sogar sein Coaguliren verhütet. Es wird von einigen Salzen, z. B. Bleizucker, Bleiessig, Alaun, den Vitriolen , Höllenstein und Aetzsub-limat aus Flüssigkeiten gefallt, wobei jedoch die genannten Stoffe zum Theil selbst zersetzt werden. Mit Kalk verhärtet es zu einer festen Masse (Kitt).
b.nbsp; nbsp;Das Eigelb, Eidotter {Vitellum ovi) besteht aus 53,78 Proc. Wasser, 17,47 Eiweis, 2 Proc. Eieröl, löst sich leichter als Eiweis in Wasser auf, emulsirt Kampher, Harze, Schleimharze und ätherische Oelc sehr gut mit wässerigen Flüssigkeiten, Fetten u. dgl. — Es wirkt etwas nährender als das Eiweis, da dies leichter coagulirt, also schwerer verdaulich ist. Aeusserlich wirken beide reizmildernd, erschlaffend, so lange sie mit Feuchtigkeit verbunden sind. Beide Substanzen finden ihre therapeutische Anwendung bei Vergiftungen mit Säuren, mit den genannten Metalisalzen, mit ätzenden Alkalien und Erden, mit Can-thariden und andern scharfen Stoffen; vorzüglich ist dabei das Eiweis
Hartwig . Arzneimittellehre.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; -!
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in Gebrauch, bei Mctallsalzen aber nur mit Erfolg, wenn es kurz nach dem Verschlucken der Gifte gegeben wird. Man giebt es in den unten folgenden Dosen mit 10 Theilen Wasser etwa alle o—^ö Minuten so lange wiederholt, bis die heftigen Zufälle vorüber sind. — Ferner wer­den Eiweis und Eigelb hei grosser Erschöpfung der Kräfte, grossem .Säfteverlust, bei gehinderter Ernährung auf gewöhnlichem Wege, z. B. bei Starrkrampf und Kinnbackenzwang bei schwächlichen jungen Thie-ren, die zu früh ihre Mütter verloren, bei schmerzhafter Diarrhöe, bei Blutbarnen nach dem Genuss scharfer Pflanzen und bei dem Maulweh angewendet.
Man giebt ausgewachsenen Pferden und Rindern auf einmal ö—G Eier, in einem halben Quart Milch, Mehlsuppe oder Bier gut abge­rührt, :i—4 Mal des Tages; Schafen, Ziegen und Schweinen die Hälfte. Hunden und Katzen nach Verhältniss ihrer Grosse den vierten bis sechsten Theil davon auf einmal. Bei rein asthenischen Zuständen kann man gewürzhafte Mittel, z. B. Kalmus, Kümmel u. dgl. damit verbinden; man hüte sich aber vor Zusatz von Eiweis coagulirenden Substanzen. — Man nimmt auch Eier als reizmilderndcn Zusatz zu Clystiren.
Oertlich wird Eiweis als einhüllendes, deckendes, reizmilderndes Mittel benutzt, trocknet aber leicht zu einer Kruste zusammen; es ist daher allein bei noch bestehenden Entzündungen nicht zu empfehlen; bei Wunden und Geschwüren, die der Heilung nahe sind und nur einer schützenden Decke bedürfen, kann man diese Krustenbildung bezwecken, und bewirkt dieselbe am besten, indem man zu 1 Unze Eiweis 1 Drachme fein pulverisirten Alaun zusetzt. — Bei frischen, oberflächlichen Verbrennungen ist ein Liniment aus 1 Theil Eiweis und 2 Theilen Baumöl (oder Leinöl) oder ans gleichen Theilen Eiweis, Oel und Milchrahm, als kühlendes, erweichendes Mittel recht wirksam und als Hausmittel leicht anzuwenden.
Das Eigelb benutzt man äusserlich fast nur als Zusatz oder Ve­hikel zu Salben, die sich aber nicht lange halten. Bei Verwundungen und Entzündungen ist Eigelb und Baumöl zu gleichen Theilen zusam-mengerieben der beste Ersatz für Umschläge und Fomentationen, auch vorzüglich, um Brandschorfe bei Schusswunden zur Abstossung zu bringen.
Bei zu geringer Eiterung ist Eigelb mit Terpenthin oder mit Ter-penthinöl, im Verhältnis zu dem Grade der bestehenden Keizbarkeit ge­macht, die einfachste und beste Digestivsalbe. Das aus Eigelb ge­wonnene Eieröl ist zu entbehren.
2) Die Milch, Zae.
sect;• 75. c. Die Milch ist eine eigenthümliche, in den Eutern der weiblichen Thiere abgesonderte Flüssigkeit, welche hauptsächlich aus vielem Was­ser (Serum, Molken) Eiweis — oder Käsestoff, Milchzucker, Butter, etwas Milchsäure und verschiedenen Salzen besteht. — Ausserhalb des Thierkörpers zersetzt sie sich nach einiger Zeit durch die Einwirkung
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der Luft und Wärme von selbst (künstlich durch Zusatz von Weingeist, Säure, eines Stückchen Thiermagen, Schleim etc.) 1) in einen wäss-rigen Theil, die Molken, die aus Wasser und Milchzucker, etwas Ei-weis und Salzen bestehen, 2) in einen käsigen Theil, der fast nur aus Casein besteht, und 3) in einen fetten Theil, den Hahm oder die Sahne, welcher Fett und Eiweis enthält und woraus durch schnelles, oft wiederholtes üurcheinanderbewegen die Butter ausgeschieden wird.
Das Verhältniss dieser liestandtheile und somit die Beschaffenheit der Milch ist verschieden nach der Verschiedenheit der Thierffattunff, der Constitution, dem Gesundlieitszustande, dem Alter der Thiere, der Periode ihrer Absonderung, der Beschaffenheit der Nahrungsmittel etc. Namentlich in letzter Hinsicht ist zu bemerken, dass nach animalischer Kost die Milch mehr stickstoffhaltig ist, bei Pflanzennahrung eine mehr milde, vegetabilische Beschaffenheit hat; auch gehen häutig fremdartige Stoffe, z. B. ätherische Oele, scharfe, bittere, auch Farbestofle und selbst giftige Substanzen in sie über.
sect;#9632; '6.
Die Milch ist ein sehr leicht assimilirbares, mildes Nahrungsmittel. Sie ist die von der Natur für alle Säugethiere unmittelbar nach der Ge­burt bestimmte erste Nahrung, bis die entwickelten Kau- und Ver-dauungswerkzeuge im Stande sind, concentrirtere und mehr differente Nabrungsstoffe zu verarbeiten. Für fleischfressende Thiere und für Schweine bleibt sie auch für die ganze Lebensdauer ein, wenn auch allein nicht ausreichendes, doch sehr brauchbares Nahrungsmittel. -— Neben der ernährenden Wirkung besitzt die Milch in den ersten Tagen nach der Geburt vermöge ihrer Salze eine abführende; auch kann sie, wenn die Mutterthiere eine mit bittern, harzigen oder scharfen u. a. Stoffen versehene Nahrung geniessen, durch diese Stoffe bei ihrem Ge-nuss bald mehr, bald weniger bedeutende Nebenwirkungen erzeugen.
Oertlich wirkt die Milch auf die zunächst von ihr berührten Theile einhüllend, erschlaffend, und bei Entzündungen, Verbrennungen und Aetzungen sehr schmerzstillend (besser als Eiweis); auch zersetzt sie, #9632;wie dieses, mehrere Metallsalze, und wandelt Quecksilbersublimat in Calomel um. Bei Entzündungen des Dickdarms wendet man sie in Clystiren an; äusserlich in Umschlägen kalt oder lauwarm, allein oder mit Brotkrume, Hafergrütze, Leinsamen u. s. w. Innerlich giebt man die Milch bei asthenischen Krankheiten der Sehweine und Carnivoren als nährendes Mittel, vermeidet sie aber bei Durchfällen, da sie diese vermehren kann, und wendet sie als Heilmittel ohne unterschied bei allen Thiereu gegen Entzündung der Verdauungseingeweidc und der Harnwerkzeuge, bei dem entzündlichen und durch scharfe Stoffe ent­standenen Blutharnen etc. an. Man giebt sie lauwarm als Getränk oder Einguss bei Pferden und Kindern zu ' j—1 Quart (3 Pfd.) auf einmal, und nach Bedürfniss öfter wiederholt; bei Schafen und Ziegen '^ Quart, bei Hunden und Katzen 1/8lli Quart. Sie kann allein gegeben oder mit Mehl oder Eiern mehr nährend, mit Fetten mehr einhüllend ge­macht werden. Als Nahrungsmittel nimmt man sie für Säuglinge am besten von Thieren derselben Gattung.
#9632;Iraquo;
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sect;• 77.
Die Molken, Wadeke (Serum laclis) sind, je nach ihrer Ent­stehung, süsse oder saure. Erstere bleiben nach der Käsebereitung aus süsser Milch zurück, letztere werden bei dem Gerinnen der sauer gewordenen Milch oder durch Zusatz von Säuren zur Milch erhalten. Beide wirken weniger nährend, aber mehr kühlend als die Milch, die Eingeweide erscblafiend, die wässrigen Absonderungen in ihnen ver­mehrend; bei Schafen und Ziegen entsteht durch diese Wirkung von ihrem reichlichen Genuss nach 6—10 Stunden Laxiren-; bei Pferden und Kindern beobachtet man dies sehr selten. Schweine vertragen sie sehr gut und gedeihen sogar bei dem reichlichen Genuss. Die übrigen Tliiere, besonders Pferde, müssen sich aber erst nach und nach an den Genuss grösserer Quantitäten gewöhnen, da sonst zuweilen widrige Zufälle entstehen, vorzüglich, wenn die Molken sauer sind1.
Als Heilmittel kann man die Molken innerlich bei Entzündungs-krankeiten der Schweine, Katzen und Hunde, mit Wasser verdünnt, sehr zweckmässig geben, um so mehr, da sie auf dem Lande leicht zu haben sind und fast immer gern gesoffen werden. Man kann sie auch als Vehikel für andere Mittel, z. B. Niesswurz, Salpeter, Weinstein be­nutzen; Metallsalze jedoch eignen sich nicht für diese Verbindung, da sie zum Theil zersetzt werden. Bei Schafen und Ziegen kann man sie auch als wohlfeiles, mildes Laxirmittel geben.
Für Schweine rechnet man als Gabe je nach der Grosse 2—8 Quart täglich, Schafen und Ziegen giebt nicin auf einmal 1 bis l1/, Quart (36—54 Unzen).
sect;. 78.
Der Käse der Milch ist schwer verdaulich, und wird nur, wenn er alt und durch Zersetzung und Fäulniss scharf und ranzig geworden ist und nun reizend auf die Verdauungseingeweide und schwach abfüh­rend wirkt, bei Hunden, die ihn gern nehmen, gegen Verstopfung und Appetitlosigkeit gegeben, etwa 1—1'/j Loth, geschabt und mit etwas Oel geinengt.
Die Sahne, der Kahm, wirkt fast wie ein fettes Oel, sehr ein­hüllend, erscblafiend, reizmiklemd, und wird innerlich fast gar nicht, etwa nur bei Entzündungen, aneewendet. Aeusserlich dient sr bei
1 Jlan hat nach dem Eingeben grösserer Quantitäten (2 — 6 Quart) Molken bei Pferden nach 20 — 30 Minuten Traurigkeit, Zittern im ganzen Körper, Sträuben der Ilaare, Unruhe, Kolikanfälle, Krämpfe, sehr beschleunigtes Athmen, erst später auch schnellen, kleinen, harten Puls, zuweilen auch Aufblähung, öfteres Misten u. s.w. eintreten gesehen. Diese Erscheinungen dauern 2—C Stunden. und gehen dann nach ihrer Stärke ohne weitere Folgen vorüber oder in Lungenentzündung über, die, nach Viborg, nach 24 — 30 Stunden den Tod herbeiführt. Viborg (Sammlung Bd. 3. S. 223—230) schrieb diese Zufälle den Molken zu ; oft wiederholte Versuche haben aber dargethan, class mit Ausnahme des öftern Mistens und der Kolikzufälle diese sämmtlichen Erscheinungen nur dann eintreten, wenn beim Eingeben der Molken, Buttermilch und anderer Flüssigkeiten etwas davon in die Luftröhre und in die Lungen eingedrungen ist, also nicht die Buttermilch oder Molken, sondern die Methode der Anwendung schädlich ist. (J. II. Fr. Günther, über den Gebrauch der Tränke in der pferdeärztl. Praxis. Im Hannov. Magaz. 1829. No. 84. 8.'), 86.)
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Anätzungeu, Verbrenuungen, überhaupt bei empfindlichen Entzündun­gen, bei denen heftige Spannung, Excoriationen, Blasyn und Schorfe zugegen sind; ebenso bei dem Teigmal der Kälber, bei dem Maulweh, den Schafpocken etc. — Man kann ihn für sich allein, oder mit glei­chen Theilen eines milden Oels verbunden, oder auch in einem Ge­menge mit Eiweis und fein pulverisirtem Stärkemehl (von letzteren bei­den a 1 Theil auf 4 Theile .Rahm) anwenden '.
d.nbsp; Die Butter (siehe bei den Eetten).
sect;• 79.
e.nbsp; nbsp;Die Buttermilch [Lac ebutyratum) besteht im frischen Zu­stande aus Molken, in denen Käsestoff, Milchzucker und etwas Butter durch Salze gebunden enthalten sind. Sie wird leicht sauer und ent­hält dann Essigsäure. Sie ist gelind nährend und kühlend, mehr ein­hüllend als die Molken (vergl. die Anmrk. S. 52). Mau giebt die But­termilch bei Entziindungskrankheiten und besonders bei der Bräune der Schweine zum Getränk, und mengt ihr die etwa nöthigen Arznei­mittel, kühlende Salze, die Nieswurz u. s. w. bei. — Gegen das ent­zündliche Blutliarnen des Rindviehes hat sie sich, abwechselnd mit Pökelfleischbrtthe (oder Salpeteranflösung) alle Stunden ein Quart ein­gegeben, oft sehr nützlich gezeigt. Dabei muss aber sehr weniges und ganz gutes Grüafutter, Heu oder Kleie gegeben werden.
f. Milchzucker (siehe beim Zucker).
o) Gallerlf, Gelatina, C'olla. sect;• 80.
Die Gallerte kommt als wesentlicher Bildungstheil des Körpers in fast allen Theilen desselben und im ganzen Thierreich vor. Bei den höher organisirten Thieren findet man sie am reichlichsten in der Mus­kelsubstanz, in den Sehnen, Knorpeln und Knochen. Man gewinnt sie aus diesen Gebilden nur durch Kochen. Am reinsten erhält man sie aus den permanenten Knorpeln und der Hornhaut des Auges als Chon-drin, Knorpelieim, und aus Knochen, Faserknorpeln, Sehnen als _ Glutin., Knochenleim; aus Fleisch gewonnen als Gelatina tabulata enthält sie noch Extractivstofte (z. B. einen weingeistigen Osmazom, der aber noch zusammengesetzt ist (einen wässrigen Zomidin, dann Kreatin), Eiweis und Fette; mit vielem Wasser aus dem Fleische be­reitet bildet sie die Fleischbrühe. Mit diesen Extractivstoifen ist die Gelatina nährend, für sich allein aber zur Ernährung unzureichend.
Oertlich wirkt die Gallerte in Verbindung mit Wasser wie das Eiweis, und übt auch auf vorhandene Metallsalze, namentlich auf das Quecksilbersublimat, ähnliche zersetzende Wirkungen wie dieses. Der Leim, mit Wasser abgekocht, wirkt ausserdem noch stark klebend.
Die innerliche Anwendung der Gallerte in Form der Fleischbrühe als nährendes, oder die blosse Gallerte als einhüllendes Mittel ist ganz
1 So mit bestem Erfolge boi dem epizootischen Mauhveh zu der Zeit, wo sich das Epithelium der Manlscbleimhaat ablöste und das Maul wund und sehr schmer­zend geworden ist.
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bei denselben Krankheiten angezeigt, wo das Eiweis empfohlen ist; sie verdient aber bei Hunden und Katzen den Vorzug.
Dagegen darf die Fleischbrühe nicht angewendet werden bei Voll­blütigkeit, Entzündungstiebern, bei vorhandenen örtlichen, heftigen Entzündungen, bei Hautkrankheiten (Flechten und liäude), besonders wenn dieselben aus zu reichlicher thierischer Nahrung entstanden sind, wie dies bei Hunden sehr oft der Fall ist.
sect;#9632; 81.
Man wendet die Gallerte als 'Nahrungsmittel gewöhnlich in einer starken Fleischbrühe, — als einhüllendes Mittel aber in einer Auflösung des Leims an, und zwar als Eingiiss (wenn die Thiere sie nicht selbst saufen) oder auch als Clystir. Bei sehr grosser Schwäche, bei heftigem Durchfall u. s. w. bringt man sie zuweilen auf beiden Wegen in den Körper. — Wo bei der Schwäche des Körpers zugleich eine grosse Empfindlichkeit der Verdauungseingeweide vorhanden ist, und in Folge derselben Erbrechen u. s. w. eintritt, kann man der Fleischbrühe kleine Gaben von Opium zusetzen; — wo aber diese Empfindlichkeit nicht zu bemerken ist, verbindet man sie mit gewürzhaften Mitteln und mit Kochsalz, theils um der allgemeinen Schwäche entgegenzuwirken, vor­züglich aber um die Verdauungseingeweide zu grösserer Thätigkeit an­zuregen und die Verdauung zu befördern. — Adstringirende Mittel, starke Säuren und saure Salze soll man dagegen nicht mit der Gallerte verbinden. weil dieselbe unauflöslich niedergeschlagen und unverdau­lich gemacht wird, jene Mittel aber zum Theil zersetzt werden. — Bei Vergiftungen durch Sublimat soll Gallerte oder Leim, mit concentrirtem Seifenwasser abgerieben, theils den Sublimat zersetzen, theils seine Wir­kungen beschränken.
Die Gabe der Gallerte und der Fleischbrühe lässt sich nicht in jedem Falle ganz genau abmessen, besonders wenn man diese Mittel in flüssiger Form den Thieren zum freiwilligen Genuss überlässt. Es kommt aber auch auf etwas mehr oder weniger dabei nicht an. Die Art, Grosse und das Alter der Thiere, sowie die Art und der Grad der vorhandenen Krankheit müssen dabei leiten. Bei langwierigen Krank­heiten, bei sehr geschwächter Verdauung und bei grosser Neigung zum Erbrechen giebt man kleine Portionen, aber oft wiederholt; bei gutem Appetit, bei regelnlässiger Verdauung und bei grossem Säfteverlust kann man grössere Gaben auf einmal reichen.
Aeusserlich könnte man die Gallerte wie das Eiweis gebrauchen; sie vertrocknet aber wie dieses bald zu einer spröden Kruste und wird deshalb selten benutzt. Der Leim kann dagegen, wenn er mit wenig Wasser gekocht ist, als klebendes, festhaltendes Verbandmittel, z. B. bei Brüchen des Hornfortsatzes der Wiederkäuer, zur festen Verschlies-sung der Oeffnung in dem Horn und zur Befestigung des darüber ge­legten Verbandes dienen, indem man sowohl den glatt abgesägten Horn-stumpf wie auch die Leinewand, welche denselben bedecken soll, mit warmem Leim gut bestreicht, die letztere auflegt und fest bindet.
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Zweite Abtlieilung.
Schleim- und gummihaltige Mittel. {Medicamenta mucilaginosa et
yuiHinosa )
sect;. 82.
Schleim [Mucus, Mucilago), aus Kohlenstoff', quot;Wasstrstoff und Sauerstoff' bestehend, ist ein im Pflanzenreich allgemein verbreiteter Stoff, der aber in manchen Pflanzen (besonders aus der Familie der Malvaceen) und in einzelnen Theilen derselben, in den Samen, in den Blättern, Wurzeln u. s. w. sehr reichlich angehäuft ist. Er kann aus ihnen mehrentheils nur mit Wasser ausgezogen weiden, ist aber in demselben fast unauflöslich, und er erweicht daher nur in ihm und mengt sich mit ihm, je nach der Quantität, zu einer bald mehr bald weniger klebrigen Flüssigkeit oder zum Erei. — Ihm sehr ähnlich ist das Gummi (Gummi), welches auch aus Kohlenstoff', Wasserstoff und Sauerstoff' gebildet ist und im aufgelösten Zustande in den Zellen man­cher Pflanzen, oder in grosseu Gummigängen enthalten ist und durch Risse oder Einschnitte aus den Pflanzen schwitzt. Es ist oft mit Pflan­zenschleim, färbenden Stoffen u. dgl. gemengt. Von dem Pflanzen­schleim unterscheidet es sich hauptsächlich dadurch, dass es sich in kaltem und in kochendem Wasser gleichmässig leicht auflöst, während der Schleim in ersterem sich nur erweicht und aufblähet, in denlt; letz­tern aber nur unvollständig sich löst. — Mit dem Gummi völlig über­einstimmend ist das Dextrin, welches aus Stärke oder Pflanzenzell­stoff' durch Diastase oder durch verdünnte Schwefelsäure gebildet wer­den kann.
Das Gummi findet sich im Gummi arabicum ziemlich rein, der Pflanzenschleim kommt wenig rein, sondern in Verbindung mit andern Stoffen, mit Gummi, Eiweis u. s. w. vor. Hinsichtlich ihrer Wirkung auf den Thierkörper kommen beide im Wesentlichen mit einander überein. Die feinen Unterschiede, welche die Chemie zwischen dem aus verschiedenen Pflanzen gewonneneu Schleim und Gummi gefun­den, sind für die Therapie wenig bedeutend. Wichtiger ist es, dass der Schleim in manchen hierher gehörigen Mitteln allein vorhanden, in an­dern aber mit Fetten, Gel und andern Stoffen verbunden ist.
Die schleimigen Mittel wirken unter allen andern Mitteln dieser Klasse am wenigsten nährend, aber am meisten einhüllend, deckend, reizmildernd und erschlaffend. Sie sind daher überall bei übermässig erhöheter Lebensäusserung, bei Entziindungeu, krampfhaften Contrac-tionen der Fasern, bei zu grosser Empfindlichkeit, auch zum Ersatz des mangelnden Schleims an schleimabsondernden Flächen und zur Einhüllung fremder Körper und scharfer Stoffe angezeigt.
Auss^rdem benutzt man sie noch zum Bestreichen der Hände und Instrumente, wenn man dieselben in den After u. s. w. einführen will, und pharmaceutisch dienen die schleimigen Mittel als die geeignetsten Bindemittel bei der Bereitung der Pillen und Latwergen, vorzüglich
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aber der Emulsionen, zur Einhüllung scharter Stoft'e und um in Wasser unlösliche Stoft'e mit demselben zu verbinden.
Sie müssen dagegen vermieden werden, wo örtliche oder allge­meine Schwäche, Erschlaffung, lieizlosigkeit, wo üppige Granulation und zu reichliche Eiterbildung besteht. Auch dürfen sie innerlich immer nur durch kurze Zeit angewendet werden, weil sie bei fortge­setztem Gebrauch die Verdauungseingeweide zu sehr erschlaffen und schwächen.
1) Arabisches Giiinini, Cftimmi araiieum s. Mimosue.
sect;. m.
Das arabische Gummi, welches 97 Proc. Gummi (Arabin oder Akazin genannt) enthält, löst sich sehr leicht im Wasser auf und bildet mit demselben einen reinen, durchsichtigen, zähen Schleim, welcher bei 3—4 Theilen Wasser zu 1 Theil Gummi die Consistenz des Syrups besitzt (Mucilago Gi- Mimosae s. Gi. urab.).
Es nährt für sich allein gegeben fast gar nicht. Huude, welche Magen die blos mit arabischem Gummi fütterte, magerten schon in der zweiten Woche bedeutend ab, verfielen in Marasmus und starben nach dreissig Tagen.
Das Gummi kann in allen Fällen gebraucht werden, wo schleimige Mittel überhaupt passen; indessen benutzt man es doch vorzüglich nur für kleine Hausthiere, weil es für die grossen durch die nöthigen grossen Gaben zu theuer wird und durch inländische, wohlfeilere Mittel, z. B. Altheewurzel und Leinsamen recht gut zu ersetzen ist. — Bei Magen-und Darmentzündungen, bei Nierenentzündungen und bei Stranguric, sowie bei Lungenentzündungen und bei schmerzhaftem Husten, bei Durchfällen und Ruhr mit Reizung des Darmkanals gehört es mit zu den wirksamsten Heilmitteln. Auch zersetzt es den Sublimat und an­dere Quecksilbersalze und Eisensalze, und ist theils deshalb , thcils seiner einhüllenden und schützenden Wirkung wegen, bei Vergif­tungen durch solche Mineralpräparate mit Vortheil anzuwenden. Die ehemisch zersetzende Einwirkung auf die Metallsalze ist aber viel schwächer als von dem Eiweis und von dem Quittenschleim.
Man giebt es ausgewachsenen Pferden und Rindern zu 1—2 Un­zen, Kälbern, Füllen, Schafen, Ziegen und Schweinen zu '^ Unzen, Hunden zu 15 Gran bis 2 Drachmen, am zweckmässigsten in der flüs­sigen Form (1 Grau auf 1 — 2 Unzen Wasser), bald rein, bald nit an­dern passenden Mitteln in Emulsion, in Mixtur u. s. w. z. B. bei Lungen­entzündung und Husten mit Bilsenkrautinfusum oder -extract,'mit Blau­säure, bei Durchfall mit Opium, mit Rhabarber u. dgl.
Aeusserlich wird es fast gar nicht angewendet, doch ist es bei trocknen, schmerzhaften Augenentzündungen zu Augenwässem sehr gut zu benutzen (1 Theil auf 12 Theile Wasser colirt), ferner in con-centrirter Lösung bei Verbrennungen u. s. w. als Deckmittel. Mit gleichen Theilen Alaun und Eisenvitriol, oder als Gemenge von 1 Theil pul-verisirtem Gummi, 1 Theil Holzkohle und 2 Theilen Colofonium bildet es ein wirksames styptisches Pulver bei parenehymatösen Blutuagen.
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2) Pllauineii- und Kirschgnmiui, Gummi Frmwi-um. sect;. 84.
Beide inländisclie Gummiarten sind zwar nicht so rein wie das arabische, kommen ihm aber fast ganz gleich und können als wohlfeile Surrogate anstatt desselben und wie dieses benatzt werden. Ihre voll­ständige Auflösung geschieht jedoch nur mit heissem Wasser.
(Das Traganthgummi, G. Tragacanthae, enthält aussei- einem eigen-thümlichen Gummi noch Schleim und etwas Stärkemehl, — giebt zwar einen mehr consistenton Schleim als das arabische Gummi, ist aber ganz zu entbehren.)
3) ({uiUensameii, ((uiltenkerii*gt;, Semina Cydoniorum.
sect;. 85.
Sie enthalten in ihrer dünnen, äussern Haut sehr reichlich Schleim, der sich durch Einweichen der Samen in kaltem und warmem Wasser und durch starkes Schütteln mit demselben, leicht und so vollständig auflöst, dass er durch Papier filtiirt werden kann. 1 Theil Samen macht 40 Theile Wasser bei anhaltendem Schütteln ziemlich schleimig, und beim Kochen werden 48 Theile Wasser mit 1 Theil Samen ebenso schleimig, wie gleiche Theile Wasser und arabisches Gummi. Dieser Schleim hat einen geringen Antheil von Eiweis und adstringirendem Princip, und wirkt zersetzend auf die meisten Salze, besonders auf essigsaures Blei, Sublimat, Vitriole, und er selbst wird von diesen Mit­teln und von Säuren zum Gerinnen gebracht, und vom Weingeist in weissen Flocken niedergeschlagen.
Die Wirkungen des Quitteuschleims sind gleich denen der vorigen Mittel, Seine innerliche Anwendung ist in der Thierarzneikunde nicht gebräuchlich, und die äussere ist fast nur auf schmerzhafte katar­rhalische, rheumatische und andere Augenentzündungen beschränkt. Man wendet ihn hierbei gewöhnlich rein an, indem man 1 — 2 Quent­chen mit 1 Pfund kalten Flusswassers schütteln und durchseihen lässt, und mit der klaren Flüssigkeit die Augen alle Stunden befeuchtet; oft setzt man aber auch narkotische Mittel, Opium u. dgl., oder selbst Bloi-essig oder Bleizucker hinzu. Letzteres ist nach dein Vorstehenden wohl nicht chemisch richtig; manche Praktiker behaupten jedoch, dass die Erfahrung die gute Wirkung solcher Augenwässer häufig bestä­tiget habe. Es ist aber zweckmässiger, wenn man die Anwendung solcher Bleimittel oder der Vitriole neben dem schleimigen Mittel für durchaus noting hält, das arabische Gummi statt des Quittenschleiins zu benutzen, weil ersteres weniger und langsamer zersetzend wirkt.
4) Leinsamen, Semen Lini. sect;• 86. Die äussere Schale der Leinsamen enthält gegen '/e des ganzen Gewichts dieser Samen an Schleim (in Verbindung mit etwas Stärke­mehl, Wachs und andern Stoffen), so dass 1 Theil unzerstossener Samen 16 Theile daraufgegossenes kochendes Wasser in einen ziemlich dick­lichen, fadenziehenden Schleim verwandelt; der innere Kern enthält
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dagegen 1jb fettes Oel in Verbindung mit vielem Eiweis, mit Gummi, Kleber u. s. w. Zerstossene Samen bilden daher mit kochendem Was­ser eine wirkliche Emulsion, indem hier aussei- dem Schleim auch das Oel ausgezogen wird und im Wasser suspendirt bleibt. — Der Lein­samen kommt daher sowohl seiner schleimigen Theile, wie auch sei­nes Oels wegen in Betrachtung (letzteres in der 5. Abtheilung dieser Klasse).
l)ie Wirkungen des reinen Leinsamensehleims, wie man ihn ausjcler Schale der ganzen Samen erhält, sind so wie bei den voihergeuannten Mitteln, und ebenso sind die Anzeigen und Gegenanzeigen bei seinem Gebranch dieselben wie sie im Allgemeinen angegeben sind.
Man gebraucht ihn daher innerlich gegen Entzündung des Magens, des Dannkanals, der Nieren, der Blase, des Halses und der Lunge; gegen Vergiftungen mit scharfen, ätzenden Stoffen; gegen schmerz­hafte Krämpfe in den Baucheingeweiden ; bei Durchfall, — und äusser-lich bei schmerzhaften Entzündungen, Verbrennungen und Wunden, bei Anätzungen, bei heftiger Reizung durch ungeschickte oder nnzweek-mässige Anwendung scharfer Stoffe u. dgl. (sect;. 82).
Man bereitet diesen Schleim, indem man 1 Theil Leinsamen mit 16—20 Theilen kochenden Wassers übergiesst, oder mit ebenso viel Wasser kocht und dann die Flüssigkeit durchseihet. — Seine Anwen­dung geschieht nur in flüssiger Form, innerlich als Einguss, oder als Einspritzung in den Mastdarm, in die Scheide; u. s. w., äusserlich als Bähung und Waschung; bei grosser Wärme des leidenden Theils oder des ganzen Thieres wendet man den Schleim kalt, sonst aber gewöhn­lich lauwarm an. Pferde und Kinder erhalten davon 2 — ;3 Pfund, Schafe, Ziegen und Schweine 1— l1^ Pfund, Hunde ll[2 — 1 Pfund, und Katzen 1 — 2 Unzen auf einmal, nach Verhältniss der Zufälle jede halbe bis ganze Stunde wiederholt. Zum innerlichen Gebrauch ver­setzt man ihn bei Entzündung der Eingeweide und bei Verstopfung des Leibes mit Oel, oder auch mit abführenden und kühlenden Salzen; bei Schmerzen mit Opium, Bilsenkrautextract und dgl., sonst aber wendet man ihn am besten rein an.
sect;#9632; 87.
Der pulverisirte Leinsamen oder das Leinsamenmehl (Pul-vis oder Farina Seminum Lini) enthält die sämmtlichen Bestandtheile dieser Samen, und wirkt vermöge des fetten Oels noch mehr erschlaf­fend und erweichend als der blosse Schleim, erschlafft aber bei l'ortge-gesetzter Anwendung die Verdauungseingeweide oft zu sehr und er­zeugt Unverdaulichkeit. — Mit 20 bis 24 Theilen Wasser gelinde gekocht, giebt es eine schleimig-fettige Flüssigkeit von ziemlich dicker Consistenz, die innerlich und äusserlich ganz wie der reine Leinsam­schleim zu benutzen ist. Mit wenigerem Wasser oder auch mit Milch bereitet man durch blosses Uebergiessen und Zusammenrühren oder durch gelindes Kochen einen Brei, den man zu Umschlägen auf ent­zündete, schmerzhafte und verhärtete Theile lauwarm anwendet, um zu erweichen, Spannung und Schmerzen zu mildern, vorzüglich aber um die Eiterung zu befördern. Ein solcher Brei ist ziemlich derb, er-
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hält die Wärme und Feuchtigkeit laiige gebunden und wirkt zum Tluil eben dadurch recht wohlthätig; er wirkt aber auch zuweilen durch seine Consistenz und Schwere auf die schmerzhaften Theile drückend und belästigend. Um letzteres zu mindern, setzt man dem Leinsamcnnielil gleiche Theile Malvenkraut, oder Althcekraut, oder Kleie zu.
sect;• 88.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;_ •
Die Leinkuchen (Placenta Semimtm lAni) sind der, nach dein Auspressen des Oels aus dem Leinsamen verbleibende Rückstand. Sie enthalten also, nebst den trockenen Schalen dieser Samen, die schlei­migen und eiweisartigen Bestandtheile und. Je nachdem das Auspressen mehr oder weniger vollständig geschehen ist, auch noch etwas Oel. Mit der Zeit und bei dem Aufbewahren an feuchten Orten verändert sich ihre Beschaffenheit, und besonders werden sie leicht ranzig oder schimmlig. — Die Wirkung der guten Leinkuchen ist innerlich und äusserlich der des Leinsanienmelils sehr ähnlich; sie sind jedoch, inner­lich, angewendet, weniger erschlaffend, aber etwas leichter verdaulich und mehr nährend als das letztere. Hiermit ist aber nicht gesagt, dass sie leicht verdaulich und in dieser Hinsicht als Nahrungsmittel zu em­pfehlen sind, obgleich sie als solches von Landwirthen und andern Thierbesitzern für gesunde und kranke Thiere sehr häufig benutzt, und, theils grob zerstossen, und mit anderem Futter gemengt, theils im Walser aufgelöst, als Trank gegeben werden. Gesunde Thiere mit kräftigen Verdauungseingeweiden ertragen sie gut; aber von dem anhal­tenden Gebrauch erhalten Pferde ein schlaffes, aufgedunsenes Fleisch, bei Kühen soll die Milch einen öligen, widrigen Geschmack bekommen, bei Schweinen der Speck ölig und leicht ranzig, und bei Schafen das Fleisch von ähnlicher Beschaffenheit werden. -— Als diätetisches Heil­mittel sollten sie nur bei solchen Krankheitszuständen, die mit ver­mehrter Reizbarkeit verbunden sind, und wo schleimige Mittel über-haupt jjassen, wie z. B. bei Bräune, bei dem Maulweh, bei und nach Entzündungen innerer Organe angewendet werden. Bei schwacher, träger Verdauung, bei Versehleiimmg und Würmern ist die Fütterung der Leinkuchen stets nachtheilig, und ebenso können sie im verdor­benen Zustande selbst bei ganz gesunden Thieren schädliche Wirkun­gen veranlassen1.
Am zweckmässigsten werden die Leinkuchen äusserlich, pulveri-sirt und mit Wasser oder Milch gekocht, laquo;theils zu schleimigen Waschun­gen, theils zu Breiumschlägen, ganz sowie der Leinsamenschleim und wie das Leinsamenmehl, angewendet. Leinkuchenbrei wird jedoch bei dem nöthigen oftmaligen Erwärmen sehr bald sauer und stinkend, und muss deshalb bei fortgesetzter Anwendung alle vierundzwanzig Stun­den frisch bereitet werden.
1 Im verdorbenen, besonders im ranzigen Zustande, wirkt der Loinkuehen in­nerlich zuweilen sogar wie ein scharfes und reizendos Mittel. Ich kenne einen Fall, wo neun Kühe zugleich durch reichlichen Genuss soldier Leinkuchen Magen- und Darmentzündung bekamen und drei davon starben. — Aehnliche Nachtheile hat man in mehreren Fällen von dem Futtern der Riibsamen - Oelkuchen beobachtet.
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5) Burlishornsainen , Semen Foeni graeci. sect;. 89. Er besitzt fast eben so viel Schleim wie der Leinsamen und wird innerlich und äusserlich wie dieser benutzt, als rein schleimiges (1 Theil und 16 Thcile Wasser) Mittel, als passender Zusatz zu andern, mehr wirksamen Mitteln, zur Bildung von Latwergenmasse, hei schmerzhaf­ten Lungenentzündungen, schmerzhaftem, trockenem Husten, überhaupt so lange ein gereizter Zustand bei den katarrhalischen Leiden besteht.
6) .Mohiisainen, Semen JPapaveris alii ei nigri1.
sect;. 90.
Die schleimigen Theile sind hier mit fettem, sehr mildem Oel ver­bunden. Die erstem lassen sich nicht sowie bei den vorher bezeich­neten Mitteln, durch Uebergicssen oder Kochen, sondern nur durch Zerreiben der Samen mit Wasser ausziehen und bilden dann mit den öligen zugleich die Mohnsamenmilch (Emulsio Papaveris). — Diese Pflanzenmilch wirkt ausgezeichnet erschlaffend, reizmildernd und küh­lend, und ist daher innerlich bei allen Haustliieren gegen krampfhafte und entzündliche Krankheitszustände, namentlich gegen Koliken zu benutzen, um so mehr, da der Mohnsamen ebenso wie der Leinsamen, auf dem Lande häutig als Hausmittel zu haben ist. Man bereitet sie, indem man 1 Theil Mohnsamen mit 8 Theilen kalten Wassers in einem Mörser recht gut zerreibt, und dann die Flüssigkeit durch Leinwand seihet. — Bei heftiger Entzündung setzt man ihr Salze, besonders den Salpeter, auch Oel u. a. Mittel zu. Die Gabe ist für Pferde und Kinder 2—4 Pfund, für Schafe, Ziegen und Schweine 1 Pfund, Hunde und Katzen nach Verhältnlss der Grössc 1 Pfund bis herab auf 1jio Pfund.
Der blaue Mohnsamen ist gegen Diarrhöe der Kanarienvögel und anderer kleiner Vögel ein vortreffliches Mittel.
7) llinilVamiTi. Semen Caimabh.
sect;. 91.
Die Hanfsamen enthalten mehr Schleim als die Mohnsamen, aber ebenfalls mit fettem Oel und ausserdem noch mit einem schwer riechen­den, etwas betäubenden Stoff verbunden. Man benutzt sie am besten in einer Emulsion, die man durch Zerreiben der Samen mit kaltem Wasser (1 Theil zu 10—12 Theilen) bereitet, weniger zweckmässig in einer Abkochung mit 15 — 20 Theilen Wasser. — Die Wirkung ist ganz ähnlich der der Mohnsamenmilch, aber besonders wohlthätig auf die Harn- und Geschlechtsorgane, wenn dieselben sich in einem kiampf-haften, gereizten oder schmerzhaft entzündeten Zustande befinden: auch bei zu grosser Aufregung des Geschlechtstriebes und zur Verhütung derselben. Ich habe sie hier mit kühlenden Salzen, mit Oel oder auch mit Kampher verbunden, oft mit dem besten Erfolge angewendet, und besonders in Verbindung mit dem letztern bei schmerzhaften Keizungen der Nieren und der Blase durch Canthariden. — Die Gabe ist wie hei
1 Mohnköpfe, siehe bei Opium.
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der Mohnsamenniilch, — Aeusserlich kann man die Hanfsamen wie die Leinsamen benutzen.
8) Eibisch- oder Allheewurzel und Eibisch- laquo;der Allhcekraul, Radix ei Hcrba Althaeae.
sect;. .92.
a. Die Eibischwurzel enthält gegen 30 Proc. reinen, in kaltem Wasser ausziehbaren Schleim, eben so viel Stärkemehl, etwas Zucker und Gummi, und eine eigenthümliche, stickstoffhaltige Substanz (Aspa-ragin, Althaein), welche durch Alkalien in eine Säure (Asparagiii-Säure) umgewandelt werden kann. Wegen des Vorhandenseins des Stärke­mehls giebt die Wurzel beim Kochen mit Wasser eine viel consisten-tere, schleimige Flüssigkeit als bei der Behandlung mit kaltem Was­ser. — Die Wirkung der Eibischwurzel ist ganz übereinstimmend mit der Wirkung der schleimigen Mittel überhaupt. Sie nährt mehr als Gummi, steht aber in dieser Wirkung dem Leinsamen n ich; daher ist ihre Anwendung bei Entzüudungskrankheiten nicht nachtheilig, wie manche Thierärzte dies glauben. Man kann sie als einhüllendes, er­schlaffendes, reiz- und schmerzmilderndes Mittel überall benutzen, wo die schleimigen Mittel überhaupt angezeigt und nützlich sind. — Die Anwendung geschieht im Decoct, innerlich als Einguss oder Ein­spritzung und als Clystir, aussei lieh als Waschung, auch als Augen­wasser. Der Schleim wird bereitet, indem man 1 Theil von der pulveri-sirten oder klein zerschnittenen Wurzel mit 20—30 Theilen Wassers bis auf die Hälfte einkochen, — oder, bei grosser Eile, 1 Theil des Pulvers mit 12 — 20 Theilen Wassers nur durch einige Minuten tüch­tig schütteln lässt. Die Gabe des Decocts ist wie bei dem Leinsamen-schleim. Nach Erfordern der Umstände wird es mit andern Mitteln vorsetzt, und oft dient es nur zur Einhüllung derselben, z. B. des Ter-penthinöls, des stinkenden Thieröls, des Kamphers, der Säuren, der Metallsalze u. dgl. Von den letztern zersetzt der Altheeschleini meh­rere, jedoch in einem etwas geringeren Grade als Quittenschleim und arabisches Gummi, und er hat daher zuweilen vor diesen den Vorzug, wenn man Metallsalze mit schleimigen Mitteln verbunden, in Anwen­dung bringen will, wie z. B. den Bleizucker bei Augenentzündungen, bei schmerzhaften Gallen u. s. w. Mit den Gummiharzen verbindet sich der Altheeschleim durch Reiben recht gut, und kann daher bei der Bereitung der Emulsionen aus diesen Mitteln das arabische Gummi und das Eigelb ersetzen.
Ausserdem benutzt man die pulverisirte Altheewurzel als ein zweckmässiges Bindemittel für andere Arzneisubstanzen bei der Be­reitung der Latwergen und Pillen. Sie hat vor den sonst hierzu ge­bräuchlichen süssen Säften (dem Honig, Syrup u. a.) den Vorzug, dass sie wohlfeiler ist, besser bindet und dass die Latwergen nicht so leicht in Gährung und Verderbniss übergehen, als wenn sie mit diesen Mit­teln bereitet sind. Auch vor dem Mehl verdient sie in dieser Hinsicht fast allgemein (aber nicht zum Binden des Chlorkalkes in Latwergen und Pillen) den Vorzug, weil dasselbe immer schmierige Latwergen macht, die sich, nicht gut eingeben lassen, und die leicht in Gährung
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übergelien. Diigegen habe ich oft bemerkt, dass Pillen, welche mit vielem Altheewurzelpulver bereitet sind, sich im Magen sehr langsam und unvollständig auflösen. Man darf daher bei ihnen und bei Lat­wergen nur so viel von diesem Pulver nehmen, als eben zur Bindung niithig ist, nämlich nur etwa 1—J-'/a Unze zu 1 Pfund anderer Pul­ver, oder 2 — 3 Unzen, wenn Salze in ganzen Pfunden zu Latwergen oder Pillen genommen werden. (1 Unze 1 Sgr. 8 Pfg.)
b. Das Eibisch- oder Altheekraut enthält einen ähnlichen Schleim wie die Wurzel, jedoch nur die Hälfte der Menge, und ohne die andern Bestandtheile derselben. Man kann es wrie die letztere und wie alle schleimige Jlittel anwenden, benutzt es aber mehrentheils nur äusserlich, mit Wasser gekocht zu Breiumschlägen, oder das blosse Decoct zu Waschungen, zu Clystiren und andern Einspritzungen. Oft wird es mit Leinsamenmehl, mit Leinkuchen, oder auch mit Bilsenkraut U. s. w. angewendet. Diese Breiumschläge haben vor denen, die aus Lein­samen oder Leinkuchen allein bestehen, den Vorzug, dass sie bei glei­chem Umfange der Masse viel leichter sind und deshalb weniger belästi­gen. — Das Altheekraut ist durch das wohlfeilere Malvenkraut völlig zu ersetzen, und die Altheeblumen sind ganz entbehrlich. (1 Unze 8 Pfg.)
9) Schwarzwurzel) Sadix Consolidae mujorin n. Rad. Symphyü.
sect;#9632; 93.
Sie enthält noch mehr Sehleim als die Altbeewurzel (nämlich ^'j ihres Gewichts); derselbe ist aber mit etwas Stärkemehl (Eiweis?), Zucker und eisengrünendem Gerbestoff verbunden, und die Wurzel reihet sich deshalb auch in ihren Wirkungen den schleimig-adstrin-girenden Mitteln an. Sie ist namentlich einhüllend, reizmildernd, ge­lind nährend, zusammenziehend und stärkend. Durch die beiden letz­tem Eigenschaften unterscheidet sie sich von der Althcewurzel, dem Leinsamen und den meisten übrigen schleimigen Mitteln (mit Ausnahme einiger Malvenaiten). Ihre Anwendung ist bei denselben Krankheiten zu empfehlen, wo die schleimigen Mittel überhaupt gebraucht werden; doch passt sie nicht bei echten, sthenischen Entzündungen, und beson­ders nicht berEntzündungskoliken;— wenigstens verdienen hierbei die rein schleimigen Mittel den Vorzug. Dagegen ist sie bei asthenischen schmerzhaften Entzündungen, bei dgl. Blutharnen, besonders in den ersten Stadien und bei heftigem, ruhrartigem Durchfall ein vortreffliches Mittel, welches sich eben so sehr durch seine Wirksamkeit, wie durch seine Wohlfeilheit und dass es fast überall zu haben ist, zum thierärzt-lichen Gebrauch empfiehlt. (Ist nicht officinel.)
Die Gabe ist für Pferde und Kinder 1—2 Unzen, für Schafe, Ziegen und Schweine 1/2— 1 L'nze, für Katzen und Hunde '2—-Drachmen, alle Stunden, oder bei weniger dringenden Zufällen alle 2 — 3 Stunden wiederholt.
Man wendet sie in Abkochungen an, aus 1 Thcil Schwarzwurzel und 10—15 Theilen Wasser, bis zur Hälfte eingekocht, bereitet, und nach Erfordern der Umstände noch mit andern passenden Mitteln, z. B. bei Durchfällen und gleichzeitigen krampfhaften Schmerzen :.m Dann-
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kanal mit Kamillen, mit OpilUU u. dgl. versetzt. Schafe sollen das l)ecoct freiwillig' und gern sauten.
Aeusserlich wirkt die gepulverte Wurzel bei Blutungen aus klei­nen Gefässen blutstillend, theils indem es die Bildung einer Kruste be­fordert, thcils indem es in den Gefässen und Fasern die Zusammen-zieliung gelind vermehrt. — Das Decoct wirkt bei Quetschungen zer-tlicilend und schmerzstillend; es mindert in Wunden und Geschwüren die zu sehr erböhete Reizbarkeit und dadurch auch die Neigung zum Jucken; es bessert und vermindert die zu reichliche und zu dünne Eiterung:, verdichtet etwas die Granulation und befördert somit die Heilung. Die Wurzel wurde deshalb in frühem Zeiten als tins der wichtigsten Wundheilmittel betrachtet und sehr häufig gebraucht'.
Auch kann man tue Schwarzwurzel wie die Ältheewurzel als Bin­demittel bei der Bereitung der Latwergen und Pillen benutzen.
10) Kletlenniirzel, Radix Burdmiac.
sect;. 94.
ßeich an Sehleim, mit Stärkemehl und etwas bitterm Harze; wirkt auf die Verdauungseingeweide kaum bemerkbar, vermehrt aber in mil­der Weise die Diurese. — Aeusserlich benutzt man sie zum Waschen bei Flechten, bei juckender Haut und beim Ausgehen der Haare.
Die Gabe ist innerlich wie bei der Schwarzwurzel, am besten, wie auch äusserlich, als Abkochung, aus 1 Theil Wurzel und 12 Thcileu Wasser oder Bier, bis zur Hälfte eingekocht, bereitet.
Die frischen Klettenblätter und der aus ihnen und der Wurzel ge-presste Saft wirken ähnlich und werden hin und wieder von den Land­leuten bei Verbrennungnu, bei Verwundungen und Geschwüren mit gutem Erfolge benutzt. (1 Unze 1 Sgr. 2 Pfg.)
11) IHalvenkraiit, llcrha Malvue.
sect;. 95.
Die verschiedenen Malven (namentlich die nmdblätterigc, M. ro-tundifoUa, und die Wald- oder wilde Malve, ü/. silvestris) enthalten in der ganzen Pflanze, vorzüglich aber in den Blättern, eine ziemliche Menge Schleim, der aber in der rundblättrigen Malve mit etwas zu­sammenziehendem Stoff verbunden ist. — Die Wirkungen des Malven­krautes sind denen des Altheekrautes fast gleich, es ist daher auch in Gabe und Verbindung, ganz wie dieses anzuwenden, hat jedoch noch vor dem Altheekraut den Vorzug, dass es leichter zu haben und viel wohlfeiler ist, da es überall wild wächst. (Nicht officinel.)
Aeusserlich als Decoct ('/j — 1 Unze zu 8—12 Unzen Colatur) zu Waschungen, warmen Bähungen und Einspritzungen, als Brei zu Umschlägen.
1 Man schrieb ihr elicdcm fast wtmderbar heilende und vernarbende Kräfte zu, und erthoilte ihr davon auch im Lateinischen den Namen Consolida und im Deutschen den Namen Beinwell.
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Die Malveublumen enthalten ausser clem Schleim etwas farbigen Extractivstoff, wirken schwächer als das Kraut, und sind gänzlich zu entbehren.
12) Wollkraut (und Bluinrn), Herba et Flores Verbusci.
%. 96.
Die Blätter des Wollkrauts besitzen ziemlich reinen Schleim, die Blüthen etwas fettes Oel, Schleimzucker und einige andere Bestand-theile in geringer Menge. (Beide nicht ofticiuel.)
a.nbsp; nbsp;Die erstem können als ein sehr wohlfeiles Ersatzmittel für Leinsamen, Altheekraut u. s. w., besonders zum äusserliclien Gebrauch dienen, wo sie im Decoct oder als Breiumschlag angewendet werden. Die Gabe und Verbindung mit andern Mitteln ist wie bei dem Althee­kraut.
b.nbsp; nbsp;Die Wollkrautblumen wirken gelind erregend auf die Schleim­haut der Eespirationsorgane, und.befördern daselbst die Absonderungen. Sie sind gegen Katarrh und Husten, jedoch vorzüglich nur bei kleinen Hausthieren und nur als wohlfeiles Hausmittel in Anwendung zu brin­gen, übrigens aber zu entbehren. — Man giebt für Katzen und Hunde '/ä — 1 Drachme, mit 8 Theilen heissen Wassers infundirt und gut durchgeseihet, täglich vier bis sechsmal.
Anmerkung. Mehrere andere schleijnlialtige Mittel, wie #9632;/.. li. der Flöli-samen {Sem, Psylli), das Huflattigkrau t (Ilcrba Tussilagmis), das Bären­traubenkraut und die Wurzel {Ilcrba et Radix /Jrancae ursinuc), das Lungen-kraut (Herba I'iilinonariae) u. a. sind ganz entbehrlich. Dagegen kann man als wohlfeiles Hausmittel, besonders auf dem Lande, zuweilen den Rinderkoth, Rindermist (Stercus houm s. caccarum) benutzen. Derselbe onthiilt im frischen Znstande ausser andern Ueberresten des genossenen Futters auch eine Menge Pflan-zenschleim, und zugleich thierischen .Schleim aus dem Darmkanal. Er wirkt sehr erweichend und kann zum äusserliclien Gebrauch überall angewendet werden, wo Breiumschläge von schleimigen Mitteln ncithig sind. Doch wird er fast nur allein zu Umschlägen auf Hufe und Klauen, bei Quetschungen und Entzündungen, wie auch bei zu grosser Trockenheit und Sprödigkcit derselben, und bei zu geringem Wachsthuin des Horns angewendet. Er erweicht hier das Horn, mindert die Rei­zung und Entzündung und trägt auch zur Beförderung der Eiterung bei. — Man wendet ihn zuweilen mit dünnem Lehmbrei gemengt an. Er hat vor dem blossen Lehm den Vorzug, dass er länger feucht bleibt, mehr wirklieh erweicht, und sich nicht in so harte Hallen unter der Sohle zusammenballt, wie jener. Er mnss ge­wöhnlich durch längere Zeit fortgesetzt, aber täglich mit frischem gewechselt und oft mit kaltem Wasser begossen werden.
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Dritte Abthoiliing.
Mehl- und stärkemehlhaltige Mittel {Medic, farinosa et amylaced).
sect;• 97.
Das IMclil {Farina) findet sich als ein natürlicher Bestandtheil in den Samen der Gretreidearten, iu vielen Hülsenfrüchten und in man­chen Wurzeln und Knollen. Es hat als Haupthestandtheile das Stär­kemehl oder Kraftmehl und Kleber iu verschiedenem Verhältniss, und nebenbei Pfhmzeneiweis (Fibrin, Casein, Legicmin), Zucker, Dex­trin und Pflanzenschleim.
a. Das gemeine Stärkemehl {Amylum) findet sich in den Pflan-zenzellen in kleinen Körnchen, mit einer aus chemisch gleichartigen Schichten bestehenden Hülle und einem dickflüssigen Inhalt (aus quot;Wei­zen, Gerste, Kartoffeln u. s. w.). Durch Auskneten und Auswaschen gewonnen bildet es ein weisses Pulver, das in Alkohol und kaltem Wasser unlöslich ist, mit hcissem Wasser eine schleimige Flüssigkeit bildet, die beim Erkalten zu einem gallertartigen Kleister wird; durch verdünnte Schwefelsäure wird es in Dextrin (Stärkegummi), bei län­gerer Einwirkung der Säure in Stärkezucker verwandelt. Aetzkali-lauge wirkt auf Stärkemehl wie heisses Wasser; Kalk, Baryt, Bleioxyd geben mit ihm unlösliche Verbindungen. Auf die meisten Metallsalze verhält sich Stärkemehl indifferent. Durch Jod in grösserer Menge wird es schwarzblau, in geringerer Menge aber violet gefärbt, und GaUäpfeltinctur macht aus Stärkeabkochung einen blassgelben Nieder­schlag. Alkohol, Aether, ätherische und fette Oele haben keine Wir­kung auf das Stärkemehl.
Bei der Anwendung auf den Thierkörper wirkt das reine Stärke­mehl innerlich als ein mildes, leicht verdauliches Nahrungsmittel. Es wird hierbei durch den Verdauungsprocess höchst wahrscheinlich iu Gummi (Dextrin) und Zucker umgeändert1. Oertlich wirkt es, mit Wasser iu Verbindung, erschlaffend, reizmildernd, wie die schleimigen Mittel; als Pulver wirkt es gelind austrocknend ohne zu reizen. Man benutzt es als ernährendes Mittel bei schon etwas geschwächter Ver­dauungskraft, wo es nicht so bucht die Beschwerden wie das Mehl er­regt; namentlich giebt man es bei dem Starrkrampf, bei Lähmungen, bei erschöpfenden Durchfällen u. s. w., entweder mit 12-—16 Theilen Wasser abgerührt, oder mit 20-—25 Theilen desselben gekocht, als Einguss oder Clystir, oder auch in Latwergen und als Bissen. — Als Arzneimittel benutzt man es innerlich und äusserlich wegen seiner ein­hüllenden u. a. Wirkungen bei Entzündungen, Maulweh (sect;. 72. 88), Anätzungeu u. dgl. statt der schleimigen Mittel, denen es aber bei Ver­giftungen mit Metallsalzen nachsteht, weil es diese Salze nicht zersetzt
1 Tiedemann und Gmeliu, die Verdauung nach Versuchen. Heidelberg 1826. S. 180 u. f.
Ukrtwiu, ArznelmitteUehre.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;5
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oder unlöslich mactt. Dcnnocli ist es gegen Sublimatvergiftungen em-pfohlen. — Uie (Jabe ist für Pferde und Kinder 2- 4 Unzen, für Schafe, Ziegen und Schweine '/l'- - Unzen, für Hunde llil/g Unze täglich G — 8 Mal. Zu Clystiren ninunt man l'ür die grossen Thiere i/2—1 ganze Unze, für die kleinen Thiere '/o—2 Drachmen. Es wird auch als Bindemittel für andere Arzneistoffe bei der Bereitung der Pillen und Latwergen, und zum Ausfüllen der Kastrirkluppen, oder vielmehr zur Aufnahme des in die Pinne derselben gebrachten Aetz-mittels benutzt.
b. Der Kl eher, Getreide- oder Weizenstoff (ßfetoi vegetabile, C'ollu, Phytocolld), enthält aussei- Kohlen-, Wasser- und Sauerstoff auch .Stiek-stoff, wird durch Auswaschen des Hehls der Getreidearten u. s. w. als Rückstand gewonnen, ist eine zähe, stark klebende Hasse, löst sieh in kaltem Wasser sehr wenig- auf, fault leicht und verhält sieli dann dem faulen Käse älndieh; auf mehrere Metallsalze wirkt er zersetzend; mit Stärkemehl und Wasser gemengt bildet er bei mittlerer Temperatur der Luft Dextrin und Zucker. Er ist daher in dem gewöhnlichen Mehl ein sehr nährender Bestandtlieil, wird aber für sich allein nicht benutzt.
sect;. 'J8. Das Mehl wirkt seinen Bestandtheilen entsprechend. Es wird bei innerlicher Anwendung von allen Thieren verdauet und nährt reichlich und intensiv kräftig. Die mehligen j\Iittel geboren deshalb zu den wichtigsten Nahrungsmitteln, besonders für pflanzenfressende Thiere; aber auch die Fleischfresser können dabei gut bestehen, und zwar, wie es scheint, um so mehr, je reicher diese Mittel an Kleber sind, da dieser sieh in mehrfacher Hinsicht der thierisclien Gallerte ähn­lich zeigt. Doch verlangen die mehligen Mittel immer noch wenigstens einen massigen Grad von Verdauungskraft; denn wo diese zu sehr ge­sunken ist, gehen sie im Magen und Darmkanal leicht in saure Gäh-rung über, erzeugen Säure, Blähungen und Verschleimung, und ver­ursachen Krämpfe und Koliken. Diese uaebtheiligen Wirkungen ent­stehen besonders dann, wenn bei schwacher Verdauung- die mehligen Mittel zu reichlich und zu anhaltend, ohne gehörige Beimischung an­derer Nahrungsmittel gegeben werden. — Uertlicli zeigen sie die im Allgemeinen fsect;. 72) angegebene einhüllende, abspannende und reizmil-dernde Wirkung- der indifferenten Mittel, stehen aber darin den schlei­migen Mitteln nach.-raquo;— Auf mehrere Metallsalze, namentlich auf Queck­silber - Sublimat und Kupfersalze wirken diese Mittel zersetzend, und gehen mit ihnen schwer lösliche Verbindungen ein. Sie zeigen diese Wirkung- um so mehr, je reicher sie an Kleber sind.
sect;• 99-Die mehligen Mittel sind in Krankheiten, wo allgemeine Schwäche und Abmagerung besteht, und besonders, wenn diese Zustände durch vorausgegangenen Nahrungsmangel, durch übermässige Anstrengung-, durch Säfte Verlust, durch Eieber u. s. w. entstanden sind. Dagegen darf man sie nicht anwenden, wenn der Bildungsprocess stärker als im normalen Zustande hervortritt; daher nicht bei Entzündungen und bei
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Fiebern mit sthenischetn Character. — Wo Schwäche und Torpidität, oder entgegengesetzt, ein hoher Grad von Reizbarkeit im Magen und Dannkanal zugegen ist, dürfen sie nur vorsichtig angewendet werden.— Hirer örtlichen Wirkung wegen benutzt man diese Mitte] innerlich bei Vergiftungen durch scharte, besonders durch metallische hubstanzen, bei Durchfallen, bei der Harnruhr und bei dem asthenischen JJlutharnen; äusserUch bei Knt/ündungen und Excoriationen, um einzohüllen und zu erschlaffen, oder auch um die Eiterung zu befördern.
Auch dient das Mehl als Bindemittel und zur Einhüllung anderer Medicamente, ist jedoch nicht für alle Fälle passend; denn es macht inehrentheils die Latwergen etwas kleisterig, so class sie sich nicht so gut eingeben lassen, wie die mit Altheewurzelpulver bereiteten; es be­fördert die (Jährung und dadurch das Verderben der Arzneien, und macht viele Metallsalze zum Theil oder ganz unwirksam.
1) Weizen, Tritieum. sect;. 100.
Die Weizenkörner (Sem. Tritici) enthalten ein sehr feines, weisses Mehl, welches an Stärkemehl (50—75 Proc.) und an Kleber (11—:'S Proc.) reicher ist, als das aus allen übrigen Getreidealten und welches am meisten nährt, leicht zu verdauen ist, aber auch leicht säuert. Als Nahrungsmittel wird der Weizen nicht häutig benutzt, weil er im Allgemeinen zu theuer und ausserdem für Pferde etwas schwer ver­daulich ist. Beides gilt auch von dem Weizenmehle (Farina Tritici). Man giebt dasselbe kranken, sehr schwachen Thieren unter den im sect;. 118, 99 bezeichneten Umständen ('Pferden und Kindern gegen 1—3 Pfund, Schafen, Ziegen und Schweinen '/.,—l1 2 Pfund, Hunden nach ihrer Grosse 2—6 Unzen pro Tag), gewöhnlich mit Wasser zusammeu-gerührt als Mehltrank, welchen sie gern saufen, der aber in reinen Ge-fässen recht oft erneuert werden muss, weil er bald sauer und stinkend wird. Als Heilmittel wendet man dünnflüssige Mehltränke, .als soge­nanntes Maulwasser bei dem Maulweh an. und zwar bei heftigen Schmer­zen rein oder mit Milch oder Sahne gemengt, später, und bei üblem Geruch aus dem Maule, mit Zusatz von etwas Essig oder Salzsäure, Kochsalz oder Salmiak. — Als Bindemittel benutzt gilt das hierüber vom Mehl im Allgemeinen Angegebene (sect;. 99). — Das über dem Feuer braun geröstete Mehl enthält empyreumatiselie Bestandtheile und wirkt zugleich gelind reizend. Es ist bei Eingeweidewürmern empfohlen. — Das Weizenmehl wirkt fast ähnlich, ist aber durch seinen Gehalt an Zucker und Gummi noch mehr auflöslich und leicht verdaulich. Es kann bei grosser Schwäche, bei Cachexie, Diarrhöe und dergl. Zuständen nützlich sein. Gabe, wie vom Mehl.
Das Weizen-Stärkemehl verhält sieh wie das Stärkemehl über­haupt. — Das Weizenbrot ist mehr nährend und leichter verdaulich als das Weizenmehl, da dasselbe durch die Brotgährung und durch das Backen bedeutend umgewandelt ist; es wird aber, des Preises wegen, nur für kleine Hausthiere, denen man einen eingebildeten Werth bei­legt, als Nahrungsmittel benutzt. Aeusserlicb ist es, mit Wasser oder
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Milch zu einem Brei gekocht, als ein erweichender, schmerzstillender
Umschlag zu gebrauchen. — Die Weizeukleie (Furfur Trttici) ent­hält die bei dem Mahlen der Weizenkörner von dem Mehl getrennten Hülsen derselben, in Verbindung mit Kleber und mit noch einer ge-riuamp;ren Menge Mehl. Sie ist ziemlich leicht verdaulich, nährt aber für sich allein nur wenig, erschlafft die Verdauungseingeweide, verursacht bei Pferden, die an ihren Genuss nicht gewöhnt sind, in der ersten Zeit einen mehr weich und locker abgehenden Koth, zuweilen selbst Laxi­ren, und reichlich gefüttert veranlasst sie oft UnVerdaulichkeit und Kolik. Pferde und liinder werden zwar bei starker Kleefütterung und bei weniger Arbeit, gewöhnlich recht wohlbeleibt und ansehnlich; sie haben aber dabei schlaffe Fasern und sehr lockeres aufgedunsenes Zell­gewebe, und ermatten und schwitzen viel leichter als bei Körnerfutter. Die Wirkung- der Kleie als Nahrungsmittel ist daher der Wirkung der schleimigen Mittel sehr ähnlich. — Sie ist wegen ihres geringen Nah­rungsgehaltes bei Entzündungskrankheiten, und wenn das Kauen und Schlucken des Körneifutters und des Heues erschwert ist, wie z. B. bei Druse, bei Halsentzündung, bei schmerzhaftem Husten, bei Verwun­dungen im Maule, auch bei Hartleibigkeit und dgl. anzuwenden. — Mau giebt sie am besten rein, mit etwas Wasser angefeuchtet zum Put­ter; oder in Wasser eingerührt als Getränk (Kleitrank). — Beides muss, besonders im Sommer, oft erneuert werden, weil es leicht sauer wird. — Mit Wasser gekocht und durchgeseihet giebt die Kleie eine schleimige Flüssigkeit, die recht gut zu Clystiren zu benutzen ist, und mit warmem Wasser zum Brei gemacht, ist sie zu erweichenden Umschlägen, beson­ders am Hufe, sehr brauchbar, und ihrer Wohlfeilheit wegen dem Althee-kraut, Leinsamen u. s. w. vorzuziehen.
2) (icrste, Honhum.
%. ioi.
Die Körner der Gerste enthalten nach Einhof 07 Proc. Stärke­mehl und Kleber, nach Proust 87 Proc. Stärkemehl und Geistestoff {Hordein) in so inniger Verbi.uduug, dass diese Stoffe auf die gewöhn liehe Weise durch blosses Wasser nicht von einander zu Scheiden sind. Unter geeigneten Umständen wandelt sich ein grosser Theil dieser Stoffe in Dextrin und Zucker um; sie ist daher wohl stark nährend, aber schwer verdaulich, und da sie in Verbindung mit Feuchtigkeit leicht und schnell in saure Gährung übergeht, so erzeugt sie die bei den mehligen Mitteln im Allgemeinen und bei der Weizenkleie angegebeneu Verdauungsfehler sehr leicht. Sie passt daher als Nahrungsmittel nur für solche Pferde, die gesunde und kräftige Verdauuugsorgane be­sitzen. Dennoch wird sie als Pferdefutter in manchen Gegenden sehr häufig und im Orient fast allgemein benutzt, und auch in manchen Ge­stüten den edlen Hengsten, besonders während und nach der Beschäl­zeit gegeben. Man muss jedoch bei ihrem Gebrauch vorsichtig-, nach und nach bis zur vollen Ration steigen, und sie am besten im gequol­lenen Zustande (12 — 24 Stunden in Wasser geweicht) geben. Nach
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Waldinger's Angabe' benulasen sie die Pferdehändler, um ihre Pferde bald dickleibig zu machen; sie nehmen Grerstenschrot, bearbeiten das­selbe mit vielem Wasser, seihen dann nach einer halben Stunde das Flüssige ab und geben es als Trank, das übrige (höhere aber mit Häcksel gemengt zum Futter. Solche Pferde fallen dann beim Hafer­futter wieder ab, misten im Anfange weich schwitzen und ermatten sehr leicht. Dem Rindvieh, den Schafen und Schweinen gereicht da­gegen die Fütterung mit gequellter oder mit geschrotener Gerste, und der daraus bereitete Trank bei und nach astheuischen Krankheiten zu einem der besten Xahrungs- und Stärkungsmittel, welches auch zum-Mästen für sie mit Nutzen gebraucht wird. — Als Heilmittel wird die Gerste vom Volke gern zu Dampf- oder Dunstbädern bei katarrha­lischen Krankheiten (bei Druse, Strengel, Bräune und Lungenkatarrh) in der Periode der entzündlichen Reizung benutzt, um die Trocken­heit und Spannung der Schleimhaut zu mindern und die Absonderung des Schleims zu befördern. Man kocht sie für diesen Zweck mit Was­ser bis die Körner aufplatzen, lässt die Flüssigkeit etwas abkühlen und dann ihren massig warmen Dunst einathmen, indem man gleichzeitig den Kopf und Hals der Thiere von oben her mit einer Decke bedeckt. Die so bereiteten Dämpfe enthalten aber keinen aufgelösten Schleim, wie man sonst in-thümlich glaubte, sondern sie wirken allein durch Feuchtigkeit und Wärme. — Gerstenmehl besitzt die Eigenschaften der Gerste und ist wie das Weizenmehl zu benutzen. — Gersten­malz (Maltum Hbrdei) enthält viel, durch den Keimungsprocess ge­bildeten Zucker und Dextrin; es ist leicht verdaulieh, daher noch mehr nährend als die rohe Gerste, und im braunen Zustande ist es etwas mehr erregend als die letztere und als das Weizenmalz. Man giebt es als Nahrungsmittel schwachen Pferden und Rindern zu 1 Pfund, täg­lich .'5—1 Mal. Bei Durchfällen, die nicht mit verstärkter Reizbarkeit verbunden sind, mindert es die Entleerungen, besonders wenn es braun geröstet ist. So ist es auch bei der Fäule und bei den Lungenwürmern der Schafe, wenn das Uebel noch nicht zu weit gediehen ist, ganz vor­züglich wirksam ist. Für fünfzig Schafe lässt man ili Scheffel braun geröstetes Malz in 60 Quart. quot;Wasser bis zum Weichwerden kochen, setzt dann 2 Pfund Wachholderbeerenpulver und 2 Loth Eisenvitriol hinzu, und giebt das Ganze nach dem Erkalten zum Getränk. —- Das Bier (Cerevisiä), durch das Brauen aus dem Malze der verschiedenen Getreidearten, vorzüglich aber aus dem Gerstenmalz bereitet, enthält nährende Bestandtheile in Verbindung mit etwas Spiritus, und ge­wöhnlich auch mit zugesetzten bittern, aromatischen Stoffen. Es wirkt nährend und stärkend und kann entkräfteten Thieren, z. B. zur Zeit der Geburt, wenn die Wehen zu schwach sind, und in ähnlichen Fällen gegeben werden. Mau kocht es mit Brot und setzt nach Bedürfniss der Umstände aromatische Mittel, Branntwein oder Wein hinzu. — Bier­hefen, siehe Kohlensäure, IX. Klasse. — Die nach dem Brausen zurückbleibenden Trebern oder die Seihe geben für Kühe, Schweine,
1 Nahrangs- und Heilmittellebre S. 83.
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Schafe und Geflügel ein branchbares, der Kleie ähnliclies Futter, wel ches aber sehr leicht säuert.
3) Roggen, Sccalc. sect;• 102.
Der Koggen (das Korn) enthält, nach Einhof, an Stärkemehl 61, und an Klclier gegen 10 Proc; ausserdem eine Quantität Gummi in Verbindung mit dem Kleber, durch welches derselbe anflöslich in Was­ser wird. Der Roggen säuert unter allen Getreidearteu am schnellsten und ist für Pflanzenfresser verhältnissmässig auch am schwersten zu verdauen. — Er nährt sehr stark, ist aber als Xalirungsmittel wieder nur für solche gesunde Pferde, welche kräftig verdauen und die schwere Arbeit verrichten müssen, geeignet; dabei nuiss es aber vor dem Füt­tern wenigstens eine Stunde in reines Wasser eingeweicht, oder wenig­stens bei dem Füttern gut angefeuchtet werden; auch müssen die Thiere erst allmälig an seinen Genuss gewöhnt werden, und nach dem Ab­füttern die zur Verdauung nöthige Eobe erhalten. Am besten reicht man ihn mit anderm Futter, z. B. Hafer, Häcksel und dgl. gemengt. Ohne Beachtung dieser Vorsichtsmassregeln, oder zu reichlich ge­geben, verursacht er leichter als die übrigen Körnerarten Unverdau-lichkeit, heftige Koliken (bei dem .Rindvieh und den Schafen Auf­blähung), Anlage zum Koller, zur periodischen Augeneutzünduug und zum Erblinden. Bei Pferden, die an seinen Genuss nicht gewöhnt sind, bewirkt er oft heftigen acuten Rheumatismus und bösartige Hufent­zündung (das sogenannte Verfuttern oder Verschlagen). Alle diese üblen Folgen entstehen besonders leicht durch frischen (d. h. erst geernteten) Koggen, mit dem man kaum vorsichtig genug sein kann. — Der geschrotene Roggen und das Eoggenmehl sind als Nah­rungsmittel fast ganz dein Koggen gleich, aber etwas leichter verdau­lich, namentlich gekocht; leichter verdaulich und nahrhafter ist das Koggenbrot, bei kleinen Ilausthieren aber dem Weizenbrote nach­zusetzen. Schrot, Mehl, Brot und Kleie wendet man äusserlich zu Brei­umschlägen an, das Mehl auch zu sogenannten Maulwässem. —Der Sauerteig {Fermentum), d. h. der in saure Gährung übergegangene Teig, wirkt innerlich kühlend und erfrischend, äusserlich bei längerer Berührung der unbehaarten Haut aber gelind reizend. Man rührt ihn mit vielem Wasser ab und giebt ihn so als Getränk, bei entzündlichen Fiebern mit asthenischem Character, besonders im Sommer bei dem Milzbrande, bei der Lungenseuche u. dgl.; äusserlich benutzt man ihn zu reizenden Breiumschlägen, besonders als ein schickliches Vehikel für das Senfsatnenpulver bei der Bereitung des Senfteiges oder soge­nannten Senfpflasters. — Die Eoggenkleie wird für etwas nahrhafter gehalten als die Weizenkleie, hat aber übrigens dieselben Eigenschaften wie diese und ist auch wie sie zu benutzen. — (Branntweinschlempe siehe bei den Spirituosen Mitteln, V. Klasse, und das Mutterkorn bei den narkotischen Mitteln, VII. Klasse.)
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4gt; Hafer, Avena.
sect;• 103.
Dor Hafer- besitzt weniger Stärkemehl (in 100 Theilen Hafer­mehl nur 5lt Tlieile) als der Weizen und Roggen, und mchrentheils auch weniger als die Gerste; Kleber enthält er (nach Vogel's Unter­suchung) nur gegen 4 Proc; dabei auch etwas Schleimzucker, Ei weis und nach Waldinger einen gewürzhaften Stoff, der im Geruch der Vanille älmlich ist. Hieraus lässt sich schon entnehmen, dass er weniger stark nährt, als die übrigen Getreidearten; dafür ist er aber auch leich­ter verdaulich, säuert später und blähet weniger auf als die:-gt;e. Aus diesen Gründen und der Erfahrung zufolge, ist der Hafer für Pferde das geeignetste Körnerfutter, bei dein sie am besten gedeihen und am wenigsten den bei der Fütterung mit Weizen, Gerste und Koggen so leicht entstehenden Verdauungsbeschwerden u. s. w. ausgesetzt sind. Bei kranken Pferden, denen Körnerfutter zur Stärkung nützlich ist, verdient deshalb der Hafer den Vorzug vor allem andern, besonders wo Schwäche der Verdauungseingeweide besteht. Auch für die übrigen pflanzenfressenden Thiere ist er ein recht gesundes Nahrungsmittel. Docii kann er auch, wenn er zu reichlich oder unvorsichtig, besondere solchen Pferden gegeben wird, die an seinen Genuss nicht gewöhnt oder die zu sehr erhitzt sind, ähnliche Xachtheile erzeugen wie der Koggen. Wenn er dumpfig oder schimmelig ist, verursacht er bei Pfer­den leicht Blutverderbniss, infolge hiervon Husten und Kurzathmig-keit (Dämpfigkeit), sehr oft aber Harnruhr, zuweilen auch Kotz und Wurm. —Den braun gerösteten Hafer {Avena tosten giebt man mit Nutzen gegen den Durchfall der Pferde (besonders der Füllen). Schafe, Ziegen und Schweine, wenn derselbe in Schwäche und Keiz-losigkeit der Verdauungseingeweide begründet ist. Noch wirksamer ist hierbei dies Mittel, wenn man es mit braun gerösteten Linsen ('/g bis die Hälfte) gemengt giebt. —• Hafergrütze {Avena decorticata s. e.v-corticata) wird in Abkochungen mit Wasser (1 Unze Hafergrütze zu 4 Pfund) oder Milch oder Fleischbrühe als nährendes, leicht verdau­liches und sehr mildes Mittel, besonders für Hunde, bei grosser allge­meiner Schwäche, bei krankhafter Reizbarkeit des Verdauungskanals, bei Durchfall u. s. w. mit gutem Erfolge innerlich angewendet, oder als Vehikel für andere Arzneimittel benutzt. Die durchgeseihete Flüs­sigkeit von diesen Abkochungen wird zu nährenden, oderxzu reizmil­dernden, schleimigen Clystiren, zu Bähungen und dgl. wie die schlei­migen Mittel gebraucht. Doch ist der Hafergrützschleim keinesweges dem reinen Schleim von Althee, von Leinsamen u. s. w. gleich, sondern durch seinen weit grössern Nahrungsgehalt von diesem sehr verschie­den. Ausserdem kann die Hafergrütze, mit wenigem Wasser oder Milch zum Brei gekocht, als erweichender Umschlag ganz so wie der Lein­samen und Leinkuchen angewendet werden.
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5) Islälldlschos Moos, Lichen ishndicus a. Ceirnn'ii islnndici.
sect;• 104.
Das isländische Moos, oder vielmehr die isländische Flechte, ent­hält als vorwaltenden Bestandtheil 40-45 Proc. eines eigentluimlichen Stärkemehls (Lichenin), mit herbem Bitterstoff verbunden. — Dieses Flechtenstärkemehl kommt im Wesentlichen mit dem gemeinen Stärkemehl überein, unterscheidet sich aber von ihm dadurch, dass es in der concentrirton Abkochung der Flechte beim Erkalten eine Gallerte giebt, welche vom Jod braungrau gefärbt wird. Es löst sich in ver­dünnten Säuren auf (also auch im Älagensafte) und bildet bei längerer Einwirkung derselben Dextrin und Zucker. Der Bitterstoff der islän­dischen Flechte löst sich etwas in kaltem, mehr in heissem Wasser, in Weingeist und in wässerigen Solutionen von kohlensaurem Kali, und durch letztere ist er ganz zu entfernen, so dass das Stärkemehl allein in der Flechte übrig bleibt. — Diesen Bestandtheilcn gemäss kann das isländische Moos, je nachdem es von dem Bitterstoff befreiet, oder mit demselben angewendet wird, eben so gut als ein mildes, leicht verdau­liches und doch intensiv nährendes Mittel, oder als ein blos einhüllen­des, reizminderndes, und als ein gelind tonisches Heilmittel wirken. In letzterer Beziehung zeigt es eine vorherrschende Richtung auf die Schleimhaut der Respirationsorgane und des Verdauungskanals, und eben so auf eiternde Flächen; es vermehrt daselbst den Tonus ganz allmälig, vermindert und verbessert die Absonderungen, und beschränkt den Zersetzungsprocess.
Das Mittel dient blos zum innerlichen Gebrauch und ist angezeigt, wo Schwäche mit zu grosser Reizbarkeit, Abmagerung, zu reichliche Absonderung, und besonders zu starke Schleimsecretion zugegen ist. Man gebraucht es daher namentlich: gegen Vereiterung der Lunge, ge­gen schwindsüchtige Abmagerung bei gleichzeitiger chronischer Schleim­absonderung in der Luftlöhre und Lunge, daher auch bei chronischem Husten mit vielem Schleimauswurf, bei der Kurzathmigkeit, die oft unmittelbar nach Lungenentzündungen zurückbleibt und in blosser Schwäche und Reizbarkeit der Respiratiousorgane besteht, und bei chronischem Durchfall. Es muss immer durch einige Zeit fortgebraucht werden, ehe man bei den Krankheiten der Bespirationsorgane einen guten Erfolg sieht, und oft erleichtert es dieselben nur.
Die Gabe ist für Pferde und Rinder 1 — 3 Unzen, für Schafe, Ziegen und Schweiuo 1ji — 1 Unze, für Katzen und Hunde '/, — 2 Drachmen, täglich 3 — 4 Mal. Die Anwendung geschieht theils fein gepulvert in Latwergen und Pillen, theils zerschnitten in Decoct; doch ist es nicht gleichgültig, ob man das Mittel in der ersteren oder in dem letzteren giebt, und wie dieses bereitet ist. In der Latwerge ist es zwar nicht ganz so so mild und leicht verdaulich wie im Decoct, besitzt aber seine volle Bitterkeit und wirkt deshalb besonders stärkend; — im Decoct mindert sich die Bitterkeit in dem Verhältniss, je länger das Kochen dauert, und die Flüssigkeit wird zuletzt fast reiner Schleim. Man nimmt gewöhnlich 1 Unze zerschnittenes Moos auf 1—l1/. Pfund
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Wasser und kocht es bis zur Hälfte ein. Die Entfernung des Bitter-stoffes durch kohlensaures Kali ist zum Gebrauch für die Thiere nicht noting; denn will man blosses Stärkemehl geben, so ist das Amylum wohlfeiler und leichter anwendbar.
sect;. 105. Zu den mehl- und stärkehaltigen, aber als Heilmittel wenig be­nutzten Substanzen gehören noch:
a.nbsp; Die Kartoffeln (Tubera Solani tuberosi). Sie enthalten neben 66 Proc. Wasser gegen 25 — 30 Proc. trockene Substanzen, und unter denselben 10—ISTheilc selbst 24 Theile Amylum, welches im Herbst und Winter reichlicher vorhanden ist, als gleich nach der Ernte und spät im Frühjahre. Ausscrdem findet sich in ihnen etwas Eiweis, Fett, Gummi, Spargelstoff, Extractivstoff und Salze. — Sie sind leicht ver­daulich, sehr nahrhaft, aber durch ihre grosse Menge Feuchtigkeit etwas erschlaffend. Sie können daher, besonders im rohen Zustande, als diätetisches Heilmittel bei entzündlicher Beizung der Respirations­organe, der Augen, des Gehirns und der Nieren, bei Neigung zu Lei besverstopfung, bei Abmagerung und schlechtem Haar der Pferde nach vorangegangenen Entzündungskrankheiten, angewendet werden. Aeus-serlich dient der Brei von zerriebenen rohen Kartoffeln als ein kühlen­des Mittel bei Verbrennungen, derselbe muss jedoch immer nach fünf Minuten erneuert werden. — Das Kartoffelkraut [Herba Solan, tuber.) ist in seinen Wirkungen noch nicht gehörig geprüft; sehr wahr­scheinlich verhalten sich dieselben aber anders, als die des Grases, Klees und dgl. Bei Kühen sah man von dem reichlichen Genüsse des Krautes Vergiftungszufälle entstehen; dagegen heilte und verhütete Eaubner durch das Futtern dieses Krautes bei Schafen die soge­nannte Blutseuche. In wie weit das in dem Samen und in den Keimen der Kartoffeln enthaltene Solanin auch hier wirksam sein mag, ist noch nicht ermittelt. Das letztere hat bei kleineren Thieren (Kanin­chen und jungen Schweinen) Betäubung, Krämpfe und selbst den Tod, bei Hunden aber nur Erbrechen gemacht.
b.nbsp; Die Hülsenfrüchte, namentlich: Erbsen (Sem. Pist), Bohnen S. Phaseoli u. 8. Fabae), Linsen (S. Ervi) und Wicken {S. Viciae). Sie sind sämintlich sehr reich an Pflanzeneiweis und Kleber mit Stär­kemehl, daher nähren sie stark, aber erhitzen und blähen auch sehr. Als Heilmittel benutzt man blos die jrerösteten Linsen sresren solche Diarrhöe, die aus Erschlaffung und aus zu wässeriger Nahrung ent­standen ist (s. t;. 103).
c.nbsp; Die Buchweizensamen (*S7/;(. Polygon. Fagopyri) sind sehr reich an Mehl und an Pflanzeneiweis, welches erstere dem Gerstenmehl ähnlich und sehr nährend ist. Sie dienen in manchen Gegenden als Nahrung für Pferde, Rinder, Schafe, Ziegen und Schweine, und müssen mit derselben Vorsicht wie die Samen der Getreidearten gefüttert wer­den. Merkwürdig ist es, dass der Buchweizensamen (auch die Spreu davon und das Stroh) zuweilen auf weisse und weissfleckige Schweine
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nine andere Wirkung macht uls auf schwarze, und class er namentlich bei den ersteni Zufälle erregt, die denen von manchen narkotischen Mitteln .sehr ähnlich sind, wie z. B. Betäubung, Schwindel, Schwäche im Kreuz, Tobsucht, Anschwellung- des Kopfes und eine eigenthüm-liche Eutztlndung der Ohren. Eben so merkwürdig- ist es, dass diese Zufalle nur entstehen sollen, wenn die Schweine bei der Buchweizen-tutterung- dem Sonnenlicht ausgesetzt sind. Weissfleckige Kühe sollen hiervon an den weissen Stellen einen Aussehlag bekommen. Das grüne Buchweizenkraut erzeugt bei den letztern Thieren diese Wirkungen niclit, aber auf Schafe wirkt das frisch abgeblühte Kraut eben so nach­theilig1. Der Grenuss des sogenannten wilden oder tattrischen Buch­weizens, wenn derselbe schon Körner angesetzt hat, aber noch grün ist, erzeugt nach der Beobachtung v. Rehr's (Vet. Bei-. 1847, 2. Quart.) bei Schweinen einen mit heftigem Jucken verbundenen Hautausschlag, aber nie Cerebralstörungen. — Die Buchweizenkrützc kann ganz so wie die Hafergrütze zu erweichenden Breiumschlägen angewendet werden.
Vierte Abtheilung. Süsse, Zucker und Honig enthaltende Mittel.
sect;• 106.
Die snsseu Arzneimittel erhalten ihre Benennung nach dem süssen Geschmack, welchen sie im Munde erregen und der von dem in ihnen enthaltenen Zucker, Honig oder einem andern ähnlichen süssen Stoff' erzeugt wird.
Je nach der Eigenthtlmlichkeit dieser Stoffe und nach der Rein­heit derselben oder der Verbindung mit andern Substanzen, ist die Wirksamkeit der hierher gehörigen Mittel im Einzelnen ein wenig von einander abweichend; im Allgemeinen aber kommen sie darin mit ein­ander iiberein: dass sie örtlich, an den Berührungsstellen ganz gelind reizen, in Wunden und Geschwüren die Eiterung massig befördern, die Absonderung des Schleims in der Schleimhaut des Mauls, der Kachcn-höhle, der Respirationsorgane, des Magens und Darmkanals gelind ver­mehren. In den Verdauungsorganen werden die süssen Mittel durch die verschiedenen Verdauungssäfte theilweis zersetzt, in Milchsaure und del. Stoffe umgewandelt und sowohl in diesem umg-eänderten Zustande, wie auch zum Theil unverändert resorbirt. In wie weit die süssen Stoffe in reinem Zustande, wenn sie in g-rösserer Menge für sich allein den Thieren verabreicht werden, den Kriiährungsprocess unterhalten und
1 Siehe: Möglin'sche Amialen der T.Hiiclwirtliscliaft lid. 5. S. 278. — Bd. 6. S. 331. — Bd. 7. S. 264. — Bd. 8. S. 533. — Bd. 20. S. 366. — und Oekonom. Xeiiigkciton Jahrg. 1825. Xo. 33. S. 263. —-Dupuy, Journ. prat. de med. vetor. 1826. p. 551 ; und entgogenges. Bcob. im Archiv der tentschen Landw. von Pohl. t838. Sept. Auch in Vik Zcitschr.
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zur Bildung- neuer Korpersubstauz beitragen, ist noch nicht durchaus entschieden, obwohl es feststeht, d;iss sie die fleischfressenden Thierenbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;'
nur äusserst wenig nähren (siehe Zucker). In Verbindung mit andern Stuften, #9632;/.. B. mit Eiweis, Schleim, Kleber uud dgl. wie dieselben in den süssen Kühen vorkommen, befördern aber die süssen ^fittel die Ernährung, namentlich die Milch- und Pettbildung bei den Herbivoren und Schweinen sehr.
Dagegen gelten die süssen Stoffe im reinen Zustande, wegen ihrer sehr übereinstimmenden elementaren Zusammensetzung aus Kohlen­stoff, Wasserstoff und Sauerstoff (Cjä 11,„ —,0 Oj —12, also Kohle nstoff-Eydrate) zu Liebig's sogenannten Respirationsraitteln.
Die Anwendung der süssen Mittel in der thierärztlicheu Praxis ist nur beschränkt. Je nach ihrer Beschaffenheit dienen sie als gelind reizende, die Eiterung, die Resorption, die Schleimabsondprung beför­dernde Mittel, oder als fast indifferente Mittel zur Vermehrung der Arz-ueimasse bei kleinen Quantitäten anderer Mittel, besonders scharfer Substanzen, oder um den Geschmack anderer Mittel zu verbessern, und einzelne dienen auch als Bindemittel hei der Bereitung der Latwergen, Pillen und Bissen.
1) Zucker, Rohrzucker, vrelsser Zucker, Saccliarum album.
sect;. 107.
Zucker Hndet sieh als ein von der Natur erzeugter ', eigenlhüni-licher, süss schmeckender, krystallisirbarer Stoff im Safte vieler Pflan­zen-, namentlich im Zuckerrohr, iu den Zuckerrüben, in den Weintrau­ben, im Obst, im Manna u. s. av. und wird nach diesem verschiedenen Ursprünge als Rohrzucker oder gewöhnlicher Zucker, als Rü­benzucker, Traubenzucker, Obst- oder Fruchtzucker be­zeichnet.
Der Rohrzucker und der im Wesentlichen ihm gleiche Rüben­zucker bestehen im krystallisirten, reinen, weissen Zustande ans 42,4 2 Kohlenstoff', G,72 Wasserstoff und 50,86 Sauerstoff'. Beide sind als Arzneimittel fast allein gebräuchlich.
Der Zucker bringt auf der unverletzten Kaut keine bemerkbare Wirkung hervor, auf den Schleimhäuten, am Auge, auf Wunden und Geschwüren quot;wirkt er verhältnissmässig zu den übrigen süssen Mitteln am meisten gelind erregend, aufweiche, lockere Granulation austrock­nend, selbst ein wenig- ätzend. Er ist für sich allein sehr wenig- näh­rend; Magendie fütterte Hunde mit Zucker, täglich 6 — 8 Unzen, wonach in einer Woche bedeutende Abmagerung, nach zwei Wochen llornhautgeschwüre und nach vier Wochen der Tod unter den Erschei­nungen des Verhungerns erfolgte. Regenwürraer, Blutegel. Frösche
1 Zucker kann auch kfinstJich durch das Keimen der Gtetreidesamen und die liierliei erfolgende Umwandlung des Stärkemehls erzeugt werden.
'-' Auch in thierischen Säften, liesonders in dem Serum der Milch, in der Galle u. s. w. bertndet .sich regelrnüssig Zucker, und bei der sogenannten Ziickerliarnruhr erzeugt sieh Traul)en;;ueker in krankhafter Weise im Urin.
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und Eidechsen werden durch ihn getödtet, und Fische im zuckerhal­tigen Wasser betäubt. Tauben sollen vcm 5 Scrupeln Zucker sterben, nachdem Anschwellung des Kopfes und Zuckungen entstanden sind1; ich habe diesen Thieren sehr oft 5—-lOScrupel in Wasser aufgelöst, auch in Pillen gegeben, aber niemals irgend eine heftige Wirkung bemerkt. Hühner laxiren von 1—1'/., Unze, und bei Schafen wirken 6 Unzen in 1/2 Pfund Wasser aufgelöst als ein heftiges Laxinnittel; die Wirkung trat neun Stunden nach dein Eingeben ein und dauerte bis zum dritten Tage fort2. Dieselbe Gabe verursachte, nach Viborg, bei einem jungen Schweine, und eben so bei einem alten Pudel kein Abführen; ich habe 8— 10 Unzen bei jungen und alten Hunden gleichfalls ohne diese Wirkung gegeben, dagegen wurde die, Urinentleerung sehr ver­mehrt. Pferde und Rinder ertrugen 1 — 1 '/j Pfund Zucker in Auf­lösung- mit Wasser eingeschüttet, oder mit Kleie als Futter gegeben, ohne Laxiren oder eine andere sichtbare Wirkung zu zeigen: nur der Durst schien stärker erregt zu sein8.
sect;. 108.
Innerlich wird der Zucker hauptsächlich als einhüllendes, den Geschmack verbesserndes Mittel zuweilen angewendet, besonders für kleinere Hausthiere. Bei Schafen kann er, in Ermangelung anderer Salze, in den von Viborg gereichten Gaben, als Laxirmittel dienen. — Er gilt als chemisches Gegenmittel bei Vergiftungen mit Kupfer- und andern Metallsalzen, muss aber in grossen Gaben angewendet werden. Aeusserlich ist er zur Beförderung der Resorption bei Flecken und Ver­dunkelungen der Hornhaut allgemein gebräuchlich; man wendet ihn als feines Pulver, entweder für sich allein, oder in Verbindung mit dem zehnten bis zwölften Theil Zinkvitriol, oder besser, mit der Hälfte Calomel an, indem rnan das Pulver mittelst eines feuchten Pinsels täg­lich ein bis zweimal ins Auge streicht. Eben so wird er als austrock­nendes, gelind ätzendes und reinigendes Mittel in schlaffe, üppig granu-lirendc Wunden und Geschwüre gestreuet. Das von Manchen empfoh­lene Räuchern der an der Druse leidenden Pferde mir Zucker, der auf glühende Kohlen gestreuet ist, ist mehr schädlich als nützlich und daher ganz zu entbehren.
sect;. 109.
Der Zucke,r-Syrup (Syrupus Sacchari) ist im reinen Zustande eine eingedickte Auflösung des Zuckers im Wasser; in dem gemei­nen Syrup {S. communis) ist unreiner Zucker noch mit vielem Schleime und mit empyreuniatisclien Theilen verbunden. -— Kach den Erfah­raugen verschiedener Thierftrzte soll der letztere Syrup abführend wir­ken, besonders bei dem Rindvieh, wenn er in Verbindung mit Salz ge-
1nbsp; nbsp;C'arminati, Oimsc. thorapeut. vol 1; und Viborg, Samml. 4 Bd. S. 278.
2nbsp; nbsp;Viborg, a. a. O.
3nbsp; nbsp;Im Slallr des Königs von Hindustan sollen die Pferde mit Zucker und Butter gefüttert werden, und dabei jedes Pferd täglioli 3 Pfund Zucker erhalten. Viborg bat (a. a. Oj einen Versuch darüber gemacht, aus dem hervorgeht, dass die Pferde Ekel gegen dieses Futter zeigen, davon laxiren und sehr angegriffen werden.
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geben wird; Viborg1 sähe aber von 1 Pfund Syrup und ^ Pt'uud Kochsalz bei einein alten Stier, der trocknes Futter erbielt, diese Wir­kung nicht erfolgen, sondern Fieberanfälle, Durst und vermehrten Ab­gang von Urin entstehen. — Eei Husten, Bräune und andern Reizungen der Rtspirationsorgane ist Syrup, wie die siissen Mittel überhaupt, zu benutzen und als ziemlich wohlfeil vor den übrigen zu empfehlen. raquo;So auch als Bindemittel für Latwergen und Pillen.
Die Gabe ist bei diesen Krankheiten für Pferde und Binder 2- 4 Unzen, für Schafe, Ziegen und Schweine 1 — 2 Unzen, für Katzen und Hunde 2 - 4 Drachmen, täglich o — 4 Mal. (Apothekerpreis i Unze 1 Sgr. beim Kaufmann billig.)
2) Honig, Mel, (Gemeiner Honig, M. eommmie.)
sect;• no.
Diese von den Bienen aus den Nektarien der Blumen gesammelte und in ihrem Körper eigenthümlich umgearbeitete Flüssigkeit besteht aus Schleim- und Krümel- oder Honigzucker, aiis Sehleim, Wachs, einein gewürzhaften Stört' und einer freien Säure. Seine Wirkung ist gelind reizend, wie die des Zuckers, zugleich aber mehr einhüllend, erweichend und etwas mehr nährend. Innerlich in grossen Gaben an­gewendet befördert er, wie die süssen Mittel überhaupt, die, Abson­derungen , besonders in der Schleimhaut der Bespiratiönsorgane und des Verdauungskanals, und bringt dadurch ähnliche Heilwirkungen wie der Zucker hervor, Aeusserlich wirkt er erweichend, und zugleich durch seine reizenden Bestandtheile örtlich die Gefässthätigkeit ver­mehrend, daher die Eiterung in entzündeten Theilen, wie auch in Wun­den und Geschwüren befördernd,
sect;• Hl. Mau gebraucht den Honig innerlich in denselben Krankheitszu-ständen, wo der Zucker und Syrup angezeigt sind, wendet ihn aber seines Preises wegen nur wenig an. Wo er jedoch vielleicht als Haus­mittel wohlfeil zu haben ist, ist er wohl zu benutzen. Bei Brustkrank­heiten befördert er die Lösung und den Auswurf des Schleims besser und stärker als der Zucker, und verdient deshalb vor diesem mehren-theils den Vorzug, und eben so möchte er bei Vergiftungen durch Kupfer- und andere Metallsalze vorzüglicher sein, weil er zugleich ein­hüllend wirkt, — Als blosses Bindemittel für Pillen und Latwergen ist er, des Preises wegen, wenn ein süsser Saft dazu gebraucht werden soll, durch den wohlfeileren Syrup oder Mohrrübensaft zu ersetzen. Auch ist er mehr als die übrigen süssen Mittel zur saueren Gährung
1 Der Milchzucker, Saccharum lactls, ist aus dem tVisohen Kulnnolkou dureb Abdampfen und mehrmaliges Umkrystaliisiren gewonnen, eine weisse, glänzende, in Säulen mit vierflächiger Zuspitzung bestehende Substanz, in chemischer Zusani-mensetzung dem Rohrzucker gleich, aber nicht so süss wie dieser. Er kann wie der Rohrzucker benutzt werden, ist aber viel theurer (1 Unze 3 Sgr.) und wird des­halb selten angewendet, — am meisten noch zur Bereitung homöopathischer Pulver. Auflösungen und Streukügelchen,
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geneigt und daher im Staude, die Wirksamkeit einer Arznei zu ver­ändern.
Die Gabe ist wie beim Syrnp, und die Anwendung- geseliieht mit andern Mitteln verbunden in Latwergen und Pillen, oder mit Wasser oder ^lileli aufgelöst in flüssiger Form.
Aeusserlich wird er auf mehrfache Weise benutzt. Mit Mehl zu einem Teige gemacht, und diesen auf entzündete Theile gelegt, dient er zur Beförderung der Eiterung, besonders in entzündeten Drüsen und unter Umständen, wo man die glciclnnässig-c Anwendung warmer Brei­umschläge nicht haben kann. Seine Wirksamkeit ist hier, wenn die betreffenden Theile zu sehr torpide sind, oder wenn sie Neigung zum Verhärten zeigen, durch den Zusatz von mehr reizenden Mitteln, z. B. von zerquetschten halbgebratenen Zwiebeln, von grüner Seife, Lorbeeröl und dgl. zu verstärken. — Bei Wunden und Geschwüren, in denen die Thätigkeit nicht zu gering ist, wird er für sich allein als Eiterung be­förderndes und reinigendes Mittel zum Verbinden oder zum blossen Bestreichen der Flächen mit dem besten Erfolge angewendet, bei zu geringer Thätigkeit aber mit Terpenthin, Terpcnthiuöl, Theer und dgl. reizenden Mitteln zur stärkern Digestivsalbe gemacht. — Bei pustu-lösen Entzündungen im Maule (^dein Maulweh) und bei Verletzungen daselbst, wird in der ersten Zeit der Honig mit Wasser (1 Theil zu ü Theilen) und Essig (4—G Theile) verdünnt, und zuweilen noch mit Mehl oder Altheewurzelpulver, späterhin aber, bei schon eingetretener Eiterung, mit aromatischen Kräuterbrühen versetzt, als sogenanntes Maulwasser eingespritzt oder mit einem Pinselstock zum Auspinseln des Mauls angewendet, — Bei altern Wunden und bei unreinen Ge­schwüren sowohl im Maule wie an andern Theilen, kann man ihn auch mit harzigen Tincturen (Aloe- oder Myrrhentinctur) in verschiedenem Verhältniss zusammengemengt, benutzen. — Bei frisch entstandenen Flecken und Verdunkelungen der Hornhaut ist er, täglich zweimal mit einem Pinsel auf dieselbe gestrichen, schon für sich allein, noch mehr aber in Verbindung mit fein pulverisirtem kohlensaurem Kali, oder Calomel oder Zinkvitriol (20 — .'W Gran zu l/2 Unze Honig) ein ganz vortreffliches Mittel. (Der Sauerhonig aus den Apotheken ist ent­behrlich und zu theuer. —Grttnspan-Sauerhonig siehe bei Grün­span, in der XII. Klasse.)
Anmerkung 1. Die Manna [Manna), Der aus gemachten Einschnitten in verschiedene Arten der Esche ausgeschwitzte und eingedickte Saft, in welchem eine besondere Zuckerart (Mannet), Stärkezucker, Pflanzenschleim und dgl. enthalten sind. Igt;ie .Manna wurde ehedem als Laxinnittel gebraucht, verdient aber ans dem thierärztlichen Arzneivorrath ausgeschlossen zu werden, weil sie nur wenig wirk­sam, viel zu theuer und durch bessere Mittel zu ersetzen ist. Pferde vertragen 1 Pfd. ohne zu laxireu; bei Schafen bewirkten, nach Daubenton's Angabe1, 2 Unzen im Wasser aufgelöste Manna gar nichts. 3 oder 4 Unzen aber brachten nach 9 Stunden eine Abführung hervor, ohne dass die Thiere Schmerzen erlitten odor den Appetit verloren; 5 Unzen brachten dieselbe Wirkung hervor, schienen aber etwas Schmer­zen zu verursachen.
1 Auserlesene Beiträge z. Thierarzneik. 1. Stck. Leipzig !78ß. S. }y4.
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Anmerkung 2. Das Pflaumenmus, der durch Kochen eingedickte Saft der Piiaumcn, enthält Fruchtzucker mit Säuren, Schleim u. s. w., wirkt innerlich küh­lend^ reissmildernd, bei den kleinen Haustbieren geliud ahführend und kann die Manna, sowie auch raquo;lie ehemals gehräuchlichen Baumrinden als gelindes Loxir-mittel ersetzen, — wo es als Hausmittel zu haben ist. Es ist bei Entziindungskrank-lieiteu passend, l'ttr Hunde und Katzen in Gaben von 2 — 3 Drachmen, in 0 — 8 Tb. Wassers gelöst, mit Salpeter, oder Weinstein oder Glaubersalz versetzt. Auch kann es als Bindemittel zu Latwergen und Pillen verwendet werden, obgleich es dem Honig, Syrup und Mohrrübensaft nachsteht.
3) Süssholzwurzel, 7?laquo;rf;gt; Liguiritiae
sect;• U--
Sie cntliUlt sehr reichlicli oiue eig'eutliiiinliclie süsse, niclit krystal-lisirende Substanz {Glycyn-Irizhi), in Verbindung mit Schleim, mit etwas bitterer, kratzender Substanz und dgl. — line Wirkungen bestehen in sehr gelinder Erregung der Schleimhäute, besonders der der Respira-tionsorgane, wodurch vermehrte Absonderung-, mehr lockerer Husten und leichter Auswurf entsteht. Auch scheint sie, wie die übrigen Bussen Mittel, etwas einhüllend zu wirken und dadurch einen gereizten Zu­stand der liarnwerkzeuge zu mindern. Auf Metallsalze wirkt sie kaum bemerkbar ein.
sect;. 113.
Die Süssholzwurzel wird in der Thierarzneiknnde wenig ange­wendet. Vitet lobt eine Abkochung von ihr zum innerlichen und äus-serlichen Gebrauch bei Flechten, und behauptet, dass dadurch selbst in solchen Fällen Heilung bewirkt worden ist, wo früher alle Mittel nichts fruchteten1. Sie ist aber für diesen Gebrauch in Vergessenheit ge­kommen, und das vielleicht mit Recht, da wir kräftigere Mittel gegen Hautansschläge besitzen. Am häufigsten wird sie noch bei Krankheiten der Respirationsorgane, die mit vielem trocknen Husten verbunden sind, benutzt, wo sie am besten bei dem Uebergange des ersten Stadiums in das zweite, und bei gelindern Graden der Fntzündung, passend ist. Eben so benutzt man sie bei dem schmerzhaften Uriniren, besonders wenn blos eine zu scharfe und reizende Beschaffenheit des Urins die Ursache der Schmerzen ist. Doch gebraucht mau die Süssholzwurzel fast niemals als Hauptmittel, sondern mehrentheils nur als ein passendes Vehikel für andere wirksame Arzneien, welche in kleinen Gaben ange­wendet werden, z. B. Brechweinstein, Calomel, Schwefelleher und dgl. Ich benutze sie hierzu sehr gern, theils weil sie die Wirkung dieser Mittel unterstützt, tlieils auch weil sie den Pillen und Latwergen eine bessere Consistenz giebt, und dieselben besonders lockerer und leichter auflöslich macht, als wenn man, um die nöthige Masse zu gewinnen, blos Mehl oder Altheewurzelpulver in grosser Menge hinzusetzt.
Die Gabe ist für Pferde und Rinder 1—2 Unzen, für Schafe, Zie­gen und Schweine '/g — 1 Unze, für Katzen und Hunde 1 Scrupel bis 2 Drachmen. — Diese Gaben könnten zwar ohne Nachtheil der Thiere sehr verstärkt werden, sind aber für den Heilzweck ausreichend.
1 Vitet, Unterricht in der Vieliarzneikumle, S. l?d. S. 78.
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sect;• 114.
Der Süssholzsaft, Lakrizensaft (üiiccus Liquiritiae) besitzt dieselben Wirkungen wie die Süssliolzwurzel selbst, wird aber als Arz­neimittel für die Tliiere uocli weniger gebraucht als diese. Da er aber wolilfeil ist, könnte er gegen Husten und andere katarrhalische Zu­fälle bei den kleineu Hausthieren in Auflösungen (1 Drachme zu 2—'.'gt; Unzen Wasser), Pillen und Latwergen angewendet werden, liysz em­pfiehlt, den gepulverten Süssholzsaft als Bindemittel bei der Bereitung der Latwergen zu benutzen, besonders wenn mau die Medicamente über Land verschicken und in grössern Quantitäten für mehrere Tage zusammengesetzt geben muss; man soll 1—2 Esslbfi'el voll von ihm zu den übrigen Ingredienzien hinzuthun, und dann das Ganze mit dein uöthigen Wasser zur Latwerge machen. Auf diese Weise kann man die für jeden Tag- nöthige Portion der Medicin richtig abgetheilt in Papier geben, somit den Transport erleichtern und das Verderben der in grossen Massen zusammengesetzten Latwergen verhüten, was sonst bei der Verbindung mit süssen Stoft'en fast unvermeidlich ist.
4) 'lohn iilicn, Sadieet JJmici.
sect;• 115.
Die Mohrrüben, Möhren oder gelben Kilben enthalten eine be­deutende Menge Zucker, in Verbindung mit Stärkemehl und andern Stoffen. — Sie wirken ähnlich wie die übrigen süssen Mittel, alle Se-uiul Excretionen (bei melkenden und säugenden Thieren besonders die Milchabsonderung) befördernd, zugleich aber sehr nährend, und sie werden deshalb vorzüglich als Nahrungsmittel, besonders für pflanzen­fressende Thiere, und bei verschiedeneu Krankheiten auch als diäte­tisches Heilmittel benutzt. Namentlich leisten sie gute Dienste bei chronischem Husteu, bei veralteter Druse, bei Dampf, bei eiternden Lungenknoten, bei der Lungenseuche des Kindviehes, bei schlechter Fresslust, bei Schwäche der Verdauungseingeweido, bei Eingeweide­würmern, bei unvollständiger Ernährung, daher bei allgemeiner Ab­magerung und Schwäche, und in ähnlichen Eällen, — auch in der Re-convaleszenz nach allen diesen Krankheitszustäuden.
Man giebt sie mehrentheils roh, blos rein gewaschen und klein zerschnitten oder zerstampft, bald für sich allein, bald mit auderm kur­zen Futter, z. B. mit Kleie, mit Hafer und Häcksel gemengt, zuweilen aber auch, besonders für Schweine (und für Hunde immer) gekocht, in Mehlsuppen und dgl.
Im Anfange giebt man den Thieren nur kleine Quantitäten, z. B. Pferden und Kindern 6 — 8 Pfund, Schafen, Ziegen und Schweinen 2 — 3 Pfund, Hunden ^-L—1 Pfund, auf 3—4 Portionen vertheilt, und verstärkt dieselben in dem Verhältniss wie der Appetit und die Ver­dauung sich bessern, allmälig immer mehr bis zur doppelten Menge und darüber.
Die Mohrriibenfütterung muss immer durch längere Zeit fortge­setzt werden, wenn man einen sruten Erfolg davon sehen will
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81 sect;. no.
Der Mohrrübensaft (Sitccus Dauci insptssatus s. Roob Dauci) wirkt älinlicli dem Honig, wird aber für sieb als Arzneimittel nicht be­nutzt ; dagegen kann er als der wohlfeilste von den eingedickten Bussen Säften zur Bereitung von Pillen und Latwergen als Bindemittel in sol­chen Fällen verwendet werden, wo süsse Mittel überhaupt passend sind. Doch darf man dann nur kleine Quantitäten solcher Arzneien zube­reiten lassen, weil der Mohrrübensaft sehr leicht in saure Gährung übergeht (laquo;).
Anmerkung Den Mohrrüben ist die Fastinakwurzel (Pastinaca salinn, .sowie auch die Wurzel von den verschiedenen Arten und Abarten des Mangold (Beta), namentlich die rutlie Rühe {/gt;tta vulgans) und die Runkelrübe, Bur-guuderrübe (Seta altissima) ähnlich, sowohl in den Bestaudtheilen ^^#9632;ie in den Wirkungen, und mau benutzt sie daher als Nahrungs- und als diätetisches Jlittel für pflanzenamp;essende Thiere, besonders fiir Kühe, Schafe und Seliweine wie die erstem. — Fast eben so ist es mit den Wurzeln von den verschiedenen Arten der Kohlrüben (Brassica j-apa, I:. nagohvaamp;iica u. s.w.), welche jedoch viel weniger süssen Stoiiquot;, dafür aber etwas scharfe Bestandtheile enthalten.
5) Quecken- oder ftraswurzel, Sadix gramirm. sect;. 117.
Kohrzucker, Schleimzucker, Schleim, Eiweis, Kleber und Extrac-tivstoft' sind die Bestandtheile dieser Wurzel, vermöge welcher sie ähn­lich wie die Mohrrüben wirken kann. Man benutzt sie daher bei den­selben Krankheitszuständen, wo diese empfohlen sind, und giebt sie, so­wohl im frischen Zustande, wie auch getrocknet rein gewaschen und klein zerschnitten, den pflanzenfressenden Thieren mit Hafer und dgl. gemengt zum Futter, oder auch diesen und den übrigen Thieren im De­coct mit Wasser. — Die Gabe ist für Pferde und Kinder gegen 1 — .quot;i Pfund, für Schafe, Ziegen und Schweine gegen l/43/.j Pfund, für Hunde und Katzen * o — 1 Unze, täglich dreimal. Zu dem Decoct nimmt man 1 Unze auf 1 Pfund Wasser, und lässt dies zur Hälfte ein­kochen und dann durchseihen. Man setzt dasselbe den Thieren als Ge­tränk vor, und wenn sie es nicht freiwillig saufen, so giebt man es ihnen als Einguss. (i/2 Pfd. 3 Sgr. 9 Pfg.)
Dieses Mittel muss durch längere Zeit fortgebraucht werden, wenn man eine genügende Wirkung sehen will. Es ist seiner Wohlfeilheit wegen auf dem Lande sehr zu empfehlen; aber der ehedem gebräuch­liche Queckensaft nnd das üueckenextract sind entbehrlich.
Fünfte Abtheilung. Fett- und ölhaltige Mittel {Medicaminapinguia et oleosa).
sect;. 118.
Die Fette, Talge und fetten Oele linden sich als Bestandtheil in Thieren und Pflanzen und werden in thierische und vegetabilische Fette unterschieden; doch ist zwischen beiden kein wesentlicher Dnter-
IIbktw-ig. Ar/.neiniitteilebre.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; lt;J
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schied, weder in den fliumlbestaiultlieilen noch in ihrem Verhalten zum Thierkörper. Ihre Elementarbestondtheile sind: sclir viel Kohlenstoff (gegen 7() Proc), mit Wasserstoff (gegen ll'/a Proc.) und Sauerstort' (gegen 13 Proc.). Die meisten Fette im reinen Zustande verhalten sich neutral und man hält sie daher für Verbindungen von fetten Säuren mit noch nicht dargestellten Basen. Einer solchen organischen Basis, die in den meisten Fetten vorhanden zu sein scheint, schreibt man hypo­thetisch ein Badical zu, welches man als Lipyl bezeichnet, die Basis Lipyloxyd, und die Verbindung' mit Fettsäuren: Lijiyloxydsalze oder Neutralfette nennt. Die nähern Bestandtheile der meisten Fette, Talge und fetten Oele sind Oelstoff (OZeüne, Olin- und Oleinsäure) und Talgstoff (Stearine), zu denen in manchen Fällen noch eigene, einfache Fettarten (z. B. Bocktalgfett, Hircine, Margarinsäure und dgl.) gemischt sind. Der Oelstoff bildet den Hauptbestandtheil der, bei ge­wöhnlicher Temperatur flüssigen Oele und der weichen Fette, und findet sich in geringer Menge auch in der Butter und im Talge, wogegen der Talgstoff den Hauptbestandtheil der Talgarten ausmacht. — Aussei-diesen wesentlichen Bestandtheilen sind in den fetten Mitteln noch sehr oft fremde Stoße, namentlich Eiweis, Schleim, Gallerte, Farbstoffe, Harz, ätherisches Gel, Salze u. s. w. enthalten. Diese unreinen Fette und Oele verändern sich mehr als die reinen durch Einwirkung der Luft, indem sie Sauerstoff aufnehmen, hierdurch verschiedene Fett­säuren bilden, dabei Kohlensäure und Wasserstoft'gas ausscheiden, da­durch mehr oder wenig scharf und ranzig werden und auch eintrock­nen. Nach der letzteren Eigenschaft unterscheidet man die Oele im Allgemeinen als trocknende und als schmierige, nicht trock­nende Oele. Jene Veränderungen geschehen bei den schmierigen Fetten und fetten Oelen schneller und mehr, als bei den Talgarten; sie sind beachtenswerth, weil in den ranzigen Fetten auch die Wir­kungsart verändert, nicht mehr mild, sondern reizend ist, und weil die trocknenden Oele auf der Oberfläche des Thierkörpers lirnissartige, festsitzende Krusten bilden. Daher eignen sich diese Oele nicht zur Bereitung der Linimente. — Von den übrigen Eigenschaften der fetten Mittel sind in arzneilicher liinsicht folgende die wesentlichsten: Bei gewöhnlicher Temperatur der Atmosphäre sind diese' Mittel theils fest (Talgarten), theils schmierig, weich (Fett- und Butterarten), theils Hüssig (Oel, Thran); bei niedrigerer Temperatur erstarren auch die Feite und die Oele, bei höherer Temperatur wird auch Talg iiüssig-; im reinen Zustande, haben sie einen schleimig-süsslichen Geschmack, keinen her­vorstechenden Geruch; sie sind im Wasser gar nicht, in kaltem Alkohol wenig, in heissem mehr löslich;, aber in Aether und in ätherischen Oelen lösen sie sich auf und verbinden sich mit ihnen in allen Verhältnissen; mit Wasser können sie durch Schleim, Oummi, Eigelb und kohlensaures Kali oder kohlensaures Natron innig' gemengt werden und bilden so die Emulsionen; ölhaltige Samen, mit Wasser zerrieben, geben auch ohne Zusatz solcher Mittel Emulsionen; durch ätzende Alkalien, alkalische Erden und einige andere Metallbasen werden die Fette in Fettsäuren und in einen eigenthümliehen süssen Stoff, das Oelstiss, Scheelsche
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Suss, Glycerin1, zersetzt; und die Fettsäuren verbinden sicL mit den angewendeten H;iseu zu Seifen. Concentrirte Samen zerstören die Kette und Oele; diese Mittel nehmen Wachs, Harze, Pflanzensäuren, Metalloxyde in sich auf, den Schwefel und Pliosphor lösen sie mit Silfe der Wärme, den Kampher auch ohne diese auf.
sect;#9632; ll'-'-Die Hauptwirkung der fettigen Mittel ist eine örtliche und bestellt in der Einhüllung, Erweichung- und Erschlaffung- der von ihnen berühr­ten organischen Gebilde, und in Verminderung der Reizbarkeit und Kniptindlichkeit derselben. Als ITolgewirkungen zeigen sich dann ge­linde Vermehrung der Se- und Excretionen, Minderung- der zu grossen krank hatten Spannung, der Härte und Schmerzen u. s. w. Diese Wir­kungen erfolgen bei innerlicher und äusserlicher Anwendung fast ganz gleichartig, und in einem noch höhern Grade als bei den schleimigen Mitteln. Bei innerlicher Anwendung bringen sie zwar durch die Er­schlaffung u. s. w. auch consensuell in andern Organen, z. B. in der Luftröhre, in den Nieren und in der Blase, Minderung der Schmerzen und der krankhaften Spannung hervor; sie schwächen aber, in grossen Gaben oder öfter wiederholt angewendet, sehr bald die Verdauungs­eingeweide in hohem Grade, und erzeugen Appetitlosigkeit, Durchfall und Abmagerung; denn für sich allein gegeben sind sie schwer und langsam verdaulich, besonders für pflanzenfressende Thiere, und wenn sie auch verdauet werden, so können sie vermöge ihrer Grundmischung (wegen gänzlichen Mangels an Stickstoff) doch nicht zur Ernährung des Körpers dienen. Hunde, welche blos reines Olivenöl oder Butter zur Nahrung, und destillirtes Wasser zum Getränk erhielten, starben bei Magendie's Versuchen ziemlich gleichmässig um den sechsuud dreissigsten Tag, nachdem sie sehr schwach und mager geworden waren, und Geschwüre auf der Hornhaut der Augen bekommen hat­ten2. — Dennoch sind die fetten Substanzen in gewissen Verhältnissen zur Erhaltung des Körpers und seiner Euuctionen noting, und in kleinen Gaben und in Verbindung mit andern Substanzen können sie auch verdauet und assimilirt werden, im Chylus in das Blut gelangen und somit auch die Ernährung befördern. Bei ihrem längeren Gebrauch und wenn grössere Quantitäten gereicht werden, geht ein Theil der Fette unverändert in das Blut über und wird in den Lungen, in der Leber und den Nieren abgesetzt, so dass die Textur und die Function dieser Organe leidet3; auch wird das Blut hierbei mehr dunkel gefärbt und mehr reich an Kohlenstoff, welchen diese Mittel an das Blut ab­setzen, und mehr oder weniger umgebildet durch die Lungen, die Nieren und die Leber wieder ausscheiden. Sie geben besonders beim Athmeu den Stoff zur Bildung des kohlensauren Gases und sind somit die wichtigsten Respirationsmitte] Liebig's.
1 Das Glycerfn ist als declvondes, feuchthaltendes Mittel empfohlen, bis jetzt aber in der Tbierbeilkunst kaum versucht,
- a. a. ü. S. 383 u. 384.
3 Burggrave, Note sui- faction therapentique des builes grasses. — Ginge et Tliiernosse, Recherches expevimentalea relatives ä faction des huiles glasses
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sect;• 120.
Besitzt ein fettes Mittel andere als die angegebenen Wirkungen, so sind dieselben entweder durch fremdartige Statte, oder durch den ranzigen Znstand veranlasst. Im ranzigen Zustande wirken alle fettige Mittel scharf reizend auf die berührten Stelleu; im Darmkanal verstärken sie die Absonderung- seröser Flüssigkeiten und die wurm förmige Bewegung-, und können dadurch Laxiren erzeugen. Aeusser-lich verursachen sie an der Haut juckenden Schmer/ und bei langer Dauer der Einwirkung selbst Entzündung, Aussclnvitzuug, Zerstörung der Oberhaut und Ausfallen der Ilaare, -welche letztere jedoch sehr bald wieder nachwachsen.
sect;. L21.
Die Anwendung der fetten Mittel ist angezeigt: im Allgemeinen bei jeder örtlichen Reizung, sowohl innerlich als änssei-lich, daher bei Einwirkungen scharfer, reizender oder ätzender Stoffe (aber nicht hei Vergiftungen mit arseniger Säure oder mit Canthariden, denn beide Substanzen werden durch Fett noch wirksamer, wenn letzteres nicht in sehr grosser Menge gegeben wird); ferner, bei Entzündungen, bei krampfhaften Zusanimenschnürungen (besonders im Verdauungskanal, in den Harn- uiul Geschlechtsorganen), hei Ivramjifkolik, bei hart­näckiger Verstopfung und bei Verstopfungskolik, bei Koth- und Haar-b.-dien in den (Jedärmen, bei verschluckten fremden reizenden Kör­pern, z. B. Knochensplittern, Sand und dgi. — bei Verbrennungen, bei schmerzhaften trocknen Wunden, besonders Scbusswnnden, — bei Hautausschlägen, — bei aufgesprungenen Zitzen, — (ob auch bei Stei-iigkeit, zu starker Contraction und Verkürzung- der Muskeln, Sehnen und Gelenkbänder, bei Starrkrampf?), — zu erweichenden, schmerz­lindernden und ausleerenden Clystiren, — zur Erweichung- festsitzen­der trockner Schorfe oder Borken, als Vehikel für andere wirksame Arzneistoffe, und zum Bestreichen der Hände und Instrumente bei ver­schiedenen Operationen.
Dagegen darf man diese Mittel nicht anwenden, wo grosse Schlaff­heit und Reizlosigkeit, und in Folge dieses Zustaudes vermehrte Ab­sonderung besteht; auch bei Unverdaulichkeit sind sie im Allgemeinen nicht passend. —#9632; Auf entblösste Knochen und auf seröse Häute zeigen sie eine sehr nachtheilige Einwirkung-, und Katzen ertragen sie auch auf der äussern Haut nicht, wenn sie hier über den ganzen Körper ver­breitet angewendet werden. In mehreren Fällen der Art entstanden in kurzer Zeit Traurigkeit, Abmagerung, und in zehn Tagen der Tod.
sect;. 12:2.
Zum innerlichen Gebrauch giebt man die fetten Mittel entweder für sich allein, und zwar die Gele oft in ihrem natürlichen Zustande, die Talg­arten aber über gelindem Feuer geschmolzen, oder mit Schleim u. s. w. und Wasser zu Emulsionen gemacht. Nach Erfordern der Umstände setzt mau ihnen auch Salze und andere Mittel zu. Aeusserlich werden
sur feconomie juumalo. (Im Bulletin do facadämie ßoyale de inedec. de Uol^ Tom. III. Nu. 9.
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sie gleichfalls bald für sich allein, bald in Verbindung mit Metalloxydeu, mit ätherischem Oel, mit Kampher und dgl. in Form von Salben und Linimenten, oder mit Alkalien als Seifen angewendet.
Zur innerlichen wie zur äusserlichen Anwendung müssen die Fette frisch, d. h. nicht ranzig' sein, und auf der Haut dürfen sie nicht zu lange sitzen bleiben, weil sie durch die Körperwärme und durch die Hantausdünstung noch schneller als sonst durch die Luft allein ranzig werden und dann reizend und schädlich wirken (sect;. 120). Tin dies zu verhüten, wäscht man nach einigen Tagen das aufgestrichene Fett oder Oel mit warmem Seifenwasser oder mit einem schleimigen Decoct rein ah und ersetzt es durch frisches. Ranzige Fette sind nur zu Sal­ben und Linimenten, die erregend wirken sollen, zu benutzen.
sect;. 123.
Die Gabe zum innerlichen Gebrauch ist bei der geringen Verschie­denheit der einzelnen fetten Mittel, von allen ziemlich gleichmässig für Pferde und Jünder auf 4, (J—12 Unzen, für Schafe, Ziegen und Seh veine auf 2— 6 Unssen, und für Katzen und Hunde auf 1la- -2 Unzen zu be­stimmen. Die quot;Wiederholung dieser Gaben wird durch die Art, Heftig­keit und Dauer der Krankheitszufälle bestimmt. Bei fortdauernder Reizung, bei Entzündungen und Krämpfen giebt man die kleineren Gaben nach kurzen Zwischenzeiten (etwa alle halbe bis ganze Stun­den) oft wiederholt; dagegen bei vorhandenen fremden Körpern und bei scharfen Stoffen, die man einhüllen will, und bei Verstopfung des Leibes g-iebt man grosse Gaben nach langen Zwischenräumen (in 24 Stunden nur 2 — 3 Mal) und im Ganzen seltener, gewöhnlich bis Pol­tern im Leibe entstellt.
Bei dem äusserlichen Gebrauch richtet sich die Menge der nöthigen fetten Mittel nach der Grosse der zu bedeckenden Fläche. Zu einem Clystir nimmt man für die grossen Hausthiere 2—3 Unzen, für die kleinen aber '/^—1 Unze, als Zusatz zu schleimigen und andern Flüs­sigkeiten.
1) Schweinescliinaiz, Sehweinefett, Ackpa miUus s. Axmujia porema.
sect;• 124. Es ist weich, schmierig und im reinen Zustande sehr mild, wird aber schnell ranzig. Die Wirkung und Anwendung ist so wie im Allge­meinen angegeben (sect;. 119—123); doch wird es innerlich nur wenig, und fast nur gegen Verstopfungs-, Stein- und Sandkolik gebraucht, und am besten mit einem schleimigen 1 )ecoct eingegeben. Aeusserlich findet es seiner weichen Consistenz und seiner Wohlfeilheit wegen eine häufige Anwendung in den im Allgemeinen (sect;. 121) angedeuteten Fällen, und besonders wird es zum Schütze der Haut gegen die Einwirkung scharfer Jauche aus Wunden und Geschwüren, bei Haarseilen und Fontanellen, bei der Anwendung scharfer Salben und Einreibungen oder flüssiger Aetzmittel und dgl. angewendet. Es dient zur Grundlage der meisten zusammengesetzten Salben, steht aber bei Augensalben der frischen ungesalzenen Butter nach. (1 Unze 1 Sgr. 10 Pfg.)
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2) lliilliT. Hh/i/z-hhi.
sect;• 125. Die Butter ist zdemlich von der Consisteuz tics Schweineschuiabses
und im reinen und frischen Zustande d;is mildeste Fett, wird aber eben­falls leicht ranzig. Sie wirkt wie die Fette, überhaupt, und ist auch iranz wie diese, besonders wie Schweinefett zu benutzen. Ihre inner-liehe und änsserliche Anwendung' ist aber nicht sehr gebräuchlich, denn man benutzt sie fast nur allein bei schmerzhaften Entzünduugs-geschwülsten (nanientlich bei Euterentztiudnngen), die man bald zur Zertheilung oder zur Eiterung bringen will, und wo man sie entweder blos für sich allein aufstreicht oder mit schleimigen Mitteln zugleich in Breiumschlägen anbringt. Am meisten dient sie zur Bereitung von Augensalben. Diese Beschränkung des Gebrauchs der Butter ist aber unrecht, da mau sie fast überall als Hausmittel leichter, wohlfeiler und reiner haben kann, als die übrigen Fette, und da sie vermöge, ihrer (Juii-sistenz sich leicht anwenden lässt. Zu Augonsalben muss sie frisch, rein und ungesalzen (Jjuli/rnin recens, /gt;'. insulsum) sein. (1 Unze 3 Sgr.)
3) lliiiuiiu'l- oder Scböjisiftlgj Sevwti ovitlwn s.vervGetnum s. hireiftumj und 4) Rindertalg, Senon taurinum s. iovinum (quot;).
sect;. 126.
Sie besitzen beide eine viel festere Consistenz als die übrigen ge­bräuchlichen Fette. Innerlich werden sie noch seltener als das Schwei­neschmalz und die Butter, äusserlich aber fast nur als Zusatz zu Salben benutzt, um dieselben etwas mehr dickflüssig zu machen. Zum innern Gebrauch müssen beide vorher geschmolzen, und dann mit lauwarmen, schleimigen Flüssigkeiten oder mit Stärkemehl gut gemengt, angewendet werden.
5) Piscbthrail] Adeps piscarius s. Axunffia eetaria s. Oleum pisevum. (Beste Sorte: Leberthran, 01. Jecoris Äselli.)
sect;• 127.
Erbleibt bei gewöhnlicher Temperatur flüssig, ist nicht trocknend, aber meistens etwas scharf und daher in seiner Wirkung den ranzigen Fetten ähnlich. Der sogenannte Berger Leberthran enthält auch neben vielen andern Bestandtheilen etwas Jod, wodurch die Wirksam­keit dieses Mittels, im Vergleich zu den übrigen Fetten bedeutend ver­ändert wird. — Innerlich in etwas grossen Gaben (wie sie im Allge­meinen, sect;. 123, bezeichnet sind) angewendet, erregt er leichter als die übrigen Fette Laxiren, und er wird deshalb mit gutem Erfolge bei Ver­stopfung des Leibes, bei Verstopfungskolik u. s. w. bei allen Hausthieren benutzt; doch muss er mit einiger Vorsicht gebraucht werden, weil er leicht Unverdaulichkeit und andere gastrische Beschwerden erzengt. — Bei chronischem Rheumatismus, gegen welchen er bei Menschen mit, Nutzen angewendet worden ist, habe ich ihn bei Pferden, Rindern und Hunden in verschiedenen Gaben innerlich und zugleich äusserlich durch lange Zeit fortgebraucht, fast ganz ohne günstigen Erfolg versucht. —
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AeusserlicL Leistet er hei Verdunkelungen der Hornhaut, bei Stei£gkeit
der Sehnen, und bei Geschwülsten an denselben (bei Gallen und dem sogenannten veralteten Sehuenklapp) als erweichendes und gelind rei­zendes Mittel Uli gute Dienste, und eben so ist er bei lleehtartigen Haut­ausschlägen, welche dicke Borken oder Schorfe bilden, wie z.B. das sogenannte Teigmal bei Kälbern und Lämmern, ein recht wirksames Heilmittel. Man benutsst ihn hier für sieb allein oder mit Schiesspulver (1 Tlieil zu 2 Tlieilen wannen Thran) zur dünnen Salbe gemacht, welche mau auf die, vorher von den Schorfen befreiten Stellen aufstreicht und in Zwischenzeiten von 24 Stunden noch 1- 2 Mal wiederholt. Selten ist eine öftere Anwendung zur gänzlichen Heilung nöthig. — Zu Cly-stiren ist er für die meisten Fälle zu reizend und daher nur-bei chro­nischer Verstopfung anwendbar.
. Ausserdem wird der Thran noch häufig als ein beliebtes Haus­mittel von Nichtthierärzten innerlich bei der Staupe der Hunde, äusser-lich bei Entzündungsgesdrwülsten, bei Späth und anderen Gebrechen, jedoch oft zur Unzeit angewendet. (1 Unze 1 Sgr. 10 Pfg.)
t'i) Daumöl oder Olirenöl, O/cih/i Olivarum.
8- 128.
Seine Wirkungen im frischen und ranzigen Zustande stimmen mit den, im Allgemeinen bezeichneten Wirkungen der fetten Mittel tiberein, und es kann daher auch ganz nach den gegebenen allgemeinen Andeu­tungen benutzt werden. Schmiederer empfiehlt es, auf aebtundzwau-zigjährige Erfahrung gestützt, vorzüglich gegen Darmentzündung der Pferde, in Verbindung mit schleimigen Flüssigkeiten zu geben1, und Grreve hat es bei Wiederkäuern in Koliken, welche mit Verstopfung und mit gehindertem quot;Wiederkauen bestehen, und die von zu häufigem Genuss trockener Körnerfrüchte, von Mehl, Spreu und dgl. entstanden sind, mit gutem Erfolge in grossen Gaben angewendet2. Waldinger3 undRysz1, welche bei Pferden sehr gegen den Gebrauch des Baum­öls und der fetten Mittel überhaupt sind, weil dieselben (wie oben be­merkt) leicht gastrische Beschwerden erzeugen und auf der Haut ranzig werden, wollen es nur bei sogenannten Sandkoliken empfehlen, in allen übrigen Koliken soll es mehr schädlich als nützlich sein. Dies ist jedoch gegen andere Erfahrung. — Im krampfhaften trockeueulleizhusten u. s.w. leistet es, besonders bei Hunden gute Dienste, wenn man es lauwarm zu einem halben bis ganzen Esslöffel voll bei den Anfällen eiugiebt. Um es hierbei noch wirksamer zu machen, kann man es mit Opium­oder mit Bilsenkrautextract (1/2 Drachme auf 1 Unze Oel) verbinden.
Bei schmerzhaften Maidschwämmen der Kälber und Lämmer giebt man mit Nutzen täglich zweimal einen kleinen Esslöft'el voll Baumöl, sorgt aber dabei für Reinlichheit und für gesundes Futter. Bei Ent-
1nbsp; Teuffel's Magazin für Thierheilkimde. I. Brt. S. 49, 50.
2nbsp; Walinietiramigeii am Rindvieh. S. 104. 8 Nahrungs- und Heilmittellehre. S. 206. 1 Arzneimittellehre. S. 32.
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Zündungen des äussern Gcliöigang-es, welche mit heftigen Schmerzen und mit Ausäuss einer fressenden Jauche begleitet sind, bewirken einige Tropfen reines Baumöl schnelle Minderung der Zufalle, wenn auch nicht wirkliche Heilung. Eben so mindert es die Spannung und den Schmerz bei Stichwunden, wenn es auf die umliegenden Thcile gelind einge­rieben wird, und bei Stichen und Bissen von Insekten und Nattern ge­hört das Baumöl zu den vorzüglichsten Heilmitteln. — Bei fremden Körpern im Schlünde erleichtert es deren Fortschaff'ung. — Man glaubt auch, dass es den Haarwuchs befördere und wendet es zu diesem Zwecke auf kahle Hautstellen, nach Excoriationen, Verbrennungen, Verwun­dungen u. s. w. an; sein Nutzen hierbei ist jedoch noch sehr zweifel­haft. — Auf die Haare gestrichen hält es im Sommer die Fliegen ab. Zu Clystiren u. s. w. ist es, wie im Allgemeinen angedeutet, zu be­nutzen.
Mit Bleiessig, mit Kalkwasser (1 Theil zu 3 Theilen), mit Kam­pher, mit Salmiakgeist, mit Phosphor und mit Terpenthiuöl verbunden, giebt es verschiedene Linimente. Es eignet sich hierzu und überhaupt zum äussern Gebrauch nicht gut, weil es vertrocknet.
Auch muss das gute Baumöl zum thierärztlichen Gebrauch des Preises wegen mehrentheils dem Leinöl und andern inländischen Oelen nachstehen, besonders wenn es in grossen Quantitäten angewendet wer­den soll; auch sind die geringeren Sorten des Baumöls weit ranziger, schärfer und daher zum medicinischen Gebrauch schlechter als die in­ländischen Oele. (1 Unze 2 Sgr. 4 Pfg.)
7) leiin'il, Oletm Lini.
sect;. 129. , Es ist ein sehr trocknendes Gel und wird schnell ranzig. Wenn es frisch und ganz rein ist, besitzt es die Wirkungen wie die übrigen fetten Mittel, im ranzigen Zustande nähert es sich aber den Wirkungen des Eischthrans, und erregt, innerlich in grosser Gabe gereicht, wie dieser Laxiren. — Es ist ganz so wie dic^fetten Mittel überhaupt, aber beson­ders wie das Baumöl innerlich und äusserlich zu gebrauchen. Vor dem letztern hat es den Vorzug der Wohlfeilheit; es steht ihm aber bei äusser-licher Anwendung darin nach, dass es in kurzer Zeit zu einer firniss­artigen Kruste vertrocknet, die sich selbst mit Seifenwasser schwer aus den Haaren herausbringen lässt. Es ist deshalb bei seinem Gebrauch eine fleissige Peinigung der betreifenden Stellen unerlässlich. Bei dem Volke steht es in dem Ruf, die Haare schnell wachsend zu machen, leistet aber nicht mehr, als jedes andere fette Mittel. (^ Pfd. 6 Sgr.)
sect;. 130.
Slit den obigen fetten Mitteln im Wesentlichen übereinstimmend sind auch die folgenden:
1) Nicht trocknende Oele, Fette und Talgarten:
Pferdefett, sogenanntes Kammfett (Axungia equorum); ge­schmolzen ist es wie Schweinefett zu benutzen. — Gänsefett {Axung. anserina), sehr weich, bei mittler Temperatur der Luft halbflüsiig-, wird
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sehr langsam ranzig. Benutzung- wie Schweinefett; ausserdem bei frischen Hornhautttecken. — Hundefett (A. canin.), mehr talgartig; ist entbehrlich. — Ochsenklauenfett {A.pedum Tauri), ölartig, flüssig, wird nicht leicht ranzig, zur äusserlichen Anwendung, wie fette Mittel üherhaupt, sehr brauchbar. — Hirschtalg {ßevum serri) ist gleich dem Bindertalg. — Wallrath {Cetaceum) ebei; so und ent­behrlich. — Eicröl, siehe sect;. 74. — Fette von verschiedenen Fischen, z. B. Quappenfett, Aalruppenfett und dgl. werden leicht ranzig, stehen hin und wieder im Ruf als sehr wirksam gegen Verdunkelungen der Hornhaut, sind übrigens entbehrlich. — liüböl {01. Niapi, 01. Raparum), neben dem Leinöl das wohlfeilste inländische Oel, ist wie Baumöl zu benutzen. — Buchöl, Bucheckernöl (01. nuclcorwn Fagi), im frischen Zustande sehr mild: Benutzung wie das vorher­gehende1. — Mandelöl (0. Amygdalaruiii'), seh;- mild, wird spät ranzig-, ist zum Gebrauch bei grossen Tbieren und in grossen Gaben zu theuer. — Palmöl (0. Palmac), von butterartiger Consistenz, seit einiger Zeit von englischen Thicrärzten statt anderer Fette benutzt, ist entbehrlich.
2) Trocknende Oele:
II an f ö 1 (O. Cannabis), von mildem Geschmack, aber unangenehmem Geruch, trocknet zu einem zähen Firniss, ist wie Leinöl zu benutzen. — Mohnöl (0. Papaveris), im Geschmack und Ansehen gleicht es dem Baumöl, ist sehr mild, enthält nichts Narkotisches von dem Mohnsamen, wird wie Baumöl benutzt. — Wallnussöl (0. micum luglandium), hat einen augenehmen, milden Geschmack, keinen Geruch, wird leicht ranzig-, trocknet noch mehr als Leinöl, ist gegen Verdunkelung- der
Hornhaut gerühmt, sonst aber entbehrlich, scharfen Mitteln.
Iticinusöl, siehe bei den
Sechste Abthcilung.
Wachs, Claquo;nt (besonders gelbes Wachs, Cera flam).
sect;. 131.
' Das Wachs ist in seinen Eigenschaften und in seinen Wirkungen dem Talge ähnlich, hat aber vor diesem den Vorzug-, dass es nicht ran­zig wird. — Es deckt und hüllt ein, leistet daher bei ruhrartigen Durch­fällen, die mit einem gereizten Zustande des Darmkanals verbunden
1 Die Bucheckernölkucheo Mithalten ciiipn, im Wasser löslichen, aber niclit näher nachgewiesenen Stofl', der bei Pferden die heftigsten Krämpfe. Schmerzen im Leibe und selbst den Tod veranlasst. Pferde starben von ^jn — 1 Pfund. Esel von 4 — 6 Unzen dieser Oclkuclieii in Zeit von 10—16 Stunden. Die Section zeigte ent­zündliehe Reizung und Plutanhäufung in den ItaueheingeM'eiden. Bei andern Tbieren sind solche Wirkungen nicht beobachtet worden. Auch die Bucheckern selbst ver­ursachen. Jedoch erst in 3 — 4 Mal grösserer Gabe, bei Pferden und Eseln ähnliche Wirkungen. (Viborg, Samml. Bd. 6. S. 291 ; Archiv Schweiz. Thierärzte, Bd. 3. S. 87. Landw. Zeitung von Schnee. 1824. No. 43. S. 415. Rccueil de medec. veter. 1830. p. 149. Magaz. für Tluerheilk. 24. Jahrg. S. 42.)
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sind, oft recht heilsame Wirkungen; es wird aber nur .selten benutzt, weil seine zähe Consistenz die Anwendung erschwert. Man kann es zuweilen als wohlfeiles Hausmittel anwenden und den grossen Thieren zu I l'/a Unzen, den Schafen, Ziegen ami Schweinen zu '/., Unze, Katzen und Munden zu '/ä — 2 Drachmen auf einmal, und täglich 2—-3 Mal geben. Zur Anwendung wird es geschmolzen und mit war­mer Fleischbrühe, oder mit dgl. Mehlsuppe, oder mit einer Abkochung von Stärkemehl zusammengeschüttelt, oder mit Eigelb {'2 Theile), einem fetten lt; )el und warmem Wasser | ä 12—16 Theile) zusammeugerieben. — Am häufigsten dient das Wachs in Salben. Es macht dieselben cim-sistenter, so dass sie gut decken und nicht leicht zerfliessen. Die ein­fache Wachssalbe, aus gelbem Wachs 1 Th. und Schweinefett 4 Th. zusammengeschmolzen, isi die einfachste Salbe.
ZWEITE KLASSE.
Bittere Mittel. (Medicamenta amam.)
BegtilT, Wirkung uml Anwendung dieser Mittel im Allgemeinen.
sect;. 132.
Als bittere Arzneimittel betrachtet man alle diejenigen, deren Haupt-bestandtheil Bitterstoff oder bitterer Extractivstoff (Prindpium amarum) ist
Dieser Stoff kommt im Pflanzenreich (und zwar in allen Theilen sehr vieler Pflanzen), bei Thieren aber nur in der Galle vor, und giebt sich im Allgemeinen hauptsächlich durch einen bittein Geschmack zu erkennen. Er erscheint aber in der Natur nirgend für sich allein oder im reinen Zustande bestehend, sondern bald mit Schleim oder Gummi, bald mit Starkemehl, Eiweis, Pflanzensäuren, Kalien, Salzen, mit äthe­rischem Gel, Harz, adstringirendeu oder narkotischen Stoffen, mit Farb­stoff und dgl. verbunden. In neuerer Zeit hat mau ihn auf chemischem Wege aus mehreren Pflanzen rein dargestellt und nach den Pflanzen mit besonderen Namen belegt; in vielen andern ist aber seine Verbin­dung mit jenen Stoffen so innig, dass es bisher der Chemie noch nicht-gelungen ist, aus ihnen den Bitterstoff für sich allein darzustellen. Daher sind in manchen Mitteln seine materiellen Kennzeichen noch nicht be­kannt. Aber auch von den bekannten Arten des reinen Bitterstoffes ist das chemische Verhalten zn andern Stoffen, besonders zu denen des thie-rischen Organismus, nur wenig ermittelt.
sect;. 133.
Die einzelnen bittern Arzneimittel erhalten nach der Art und nach dem Verhältniss der übrigen Stoffe, welche mit dem Ritterstoff verbun­den sind, einen verschiedenen Character, und man unterscheidet sie. hiernach: a) in eigentlich bittere Mittel, in denen der Bitterstoff über­wiegend ist und die im lebenden Körper, der Erfahrung zufolge nur
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milde, diesem Stoffe aUein zukommende WirkiiDgen erzeugen; und h) in solcbe, wo andere Stoffe entweder materiell oder auch in den Wir­kungen über den Bitterstoff vorkerrsclien. — Von den letztem kann hier nicht die Rede sein, da sie, wie v.. B. die bittern narkotischen und die bittern purgirenden Mittel in andere Klassen gehören. — Aber auch die Arzneimittel mit vorwaltendem Bitterstoff erscheinen darin, dass sie entweder diesen Stoff ohne andere wirksamlaquo;; Bestandtheile enthal­ten, oder dass sie neben ilnn noch etwas Schleim Salze, adstringirende StotVe oder ätheriselies (gt;el besitzen, verschieden von einander, und sind hiernach bald rein bitter, bald schleimig bitter oder salzig bitter, bald adstringirend und aromatisch bitter.
sect;. m.
Die Wirkung der innerlich angewendeten bittern Mittel besteht wesentlich in einer Stärkung der sämmtlichen Verdanungs- und Assi­milationsorgane. Sie äussern dieselbe zuerst und vorzüglich auf den Magen und Darmkanal, weiterhin aber auch auf die Leber, auf die Bauchspeicheldritse, auf die GekrSsdrüsen, auf die Blutgefasse und auf die sämmtlichen Absonderungsorgane, — und zwar in der Art, dass sie den Appetit erregen, die Verdauung und die Ernährung befördern, und hierdurch die Straffheit und die Kraft dieser Theile, besonders die Kraft der Muskelfasern (die Irritabilität) erhöhen, jedoch ohne dass weder gleichzeitig eine unmittelbare Aufregung des Gefäss- und Ner­vensystems, noch eine vermehrte Zusammenziehung (Contractio) der Gewebe damit verbunden ist. Hierdurch unterscheidet sich die Wir­kung der bittern Mittel von der der erregenden und zusammenziehen­den Mittel. Wo aber ein Mittel neben dem Bitterstoff noch ätherisches Gel oder Gerbstoff enthält, da nähern sich auch seine Wirkungen den eigenthttmlichen Wirkungen dieser Stoffe, und zeigen neben der Stär­kung auch Reizung und vermehrte Contraction der betreffenden Theile.
sect;. 135.
Da die bittern Mittel im reinen Zustande; weder unmittelbar er­regend noch zusammenziehend wirken, so kann auch ihre Wirkung nur äusserst wenig durch blosse BerÜkrung vermittelt weiden, sondern die­selbe erfolgt hauptsächlich dadurch, dass die Mittel wirklich verdauet und assimilirt werden, ihr Bitterstoff mit dem Chylus in das Blut und in die übrigen Säfte gelangt und dann zum Theil an die Gebilde abge­setzt, zum Theil aber durch die Sc- und Excretionen wieder aus dem Körper entfernt wird. Dass dieses so ist, ergiebt sich daraus, dass 1) die bittern Mittel hei der Anwendung auf der Haut weder eine örtliche noch allgemeine irgend bemerkbare Wirkung äussern; 2) dass sie fast gar nicht wirken, wenn die Verdauung gänzlich darniederliegt und sie also nicht verdauet werden; quot;3) dass sie ihre vollständige Wirkung nur laugsam und ganz in dem Verhältniss entwickeln, wie die Verdauimg und Assimilation Stufe für Stufe vor sich geht; und 4) dass bei länge­rem Fortgebranch dieser Mittel sehr oft (aber nicht immer) das Fleisch, die Milch und die übrigen abgesonderten Säfte der Thiere einen bittern Geschmack annehmen.
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Bei gestmden Thieren kann man von den angedeuteten milden, fast nur allein auf die Reproduction gerichteten Wirkungen der bittern Mittel, selbst wenn mau diese in grossen Gaben anwendet (aussei- der bittern Beschaffenheit der abgesonderten Safte), sein- wenig wahrneh­men; aber an kranken Thieren, und namentlich bei fehlerhafter Ver­dauung und Ernährung zeigen sie ihre Wirkungen deutlich. Hier erregen und verstärken sie den Appetit, befördern die Verdauung, vermehren den Tonus und die Kraft der Muskelfasern im Magen und Darmkanal, verstärken massig die wurmförmige Bewegung, mindern die zu reichliche Absonderung der Verdauungssäfte gleichfalls in einem massigen Grade und verbessern deren Beschaffenheit; besonders wird der Darmschleim weniger zähe abgesondert, weniger Säure erzeugt, der Debergang der Futterstoffe in die saure Gährung verzögert oder ganz verhütet, die Entwickelung der Gasarten (Blähungen) und der Eingeweidewürmer beschränkt, und wo letztere schon vorhanden sind, werden sie nicht selten durch die stärkere Verdauung getödtet, so dass sie bald mehr, bald weniger verdauet abgeben; die Absorption im Ver­dauungskanal wird verstärkt, und daher Durchfall beseitiget. Bei dieser gesteigerten Thätigkeit der Verdauungsorgane wird aus den genossenen Nahrungsmitteln mehr Chymns erzeugt als vorher, die Assimilation wird ebenfalls gebessert, daher auch mehr und besser gemischtes Blut erzengt, hierdurch die Ernährung im Allgemeinen befördert, und somit zuletzt der ganze Körper gestärkt.
Man betrachtet daher die bittern Mittel speeiell als magenstär­kende, als wurm widrige u. s. w. und auch als stärkende oder tonische Mittel überhaupt.
sect;#9632; 137.
Die Anwendung der bittern Mittel findet grösstcntheils nur inner­lieh .Statt und ist im Allgemeinen angezeigt: bei allen Krankheiten, die in atonischer Schwäche, d. h. Erschlaffung und ünthä-tigkeit der Verdauungs- und Assimilatiousorgaue, oder in mangelhafter Ernährung und Blutbildung begründet, oder wo bei allgemeiner Schwäche doch jene Organe in starke Mitleidenschaft gezogen sind. Die Zahl der Krankheiten, wo dies der Fall ist und wo daher auch die bittern Mittel ihre Anwen­dung finden, ist sehr gross, und es gehören namentlich hierher:
a. Die unterdrückte Presslust (sogenannte reine Appetitlosigkeit), wie sie in einer gewissen Selbstständigkeit, ohne einen andern erkenn­baren Krankheitszustaud und ohne Fieber, nicht selten vorkommt.
/;. Schlechte Verdauung, wo bei gehörigem Kauen die Darmexcrc-mente noch erkennbares, unverdautes Futter enthalten, wo sie ihre ge­hörige Consistenz nicht haben, sondern zu locker und weich, mit zu vielem Schleim nnihiillt, bei Pferden zu gross geballt sind, sauer und widrig riechen.
c. Aufblähung (Trommelsucht) und quot;Windkolik (mit Ausnahme solcher Fälle, wo die Aufblähung Folge von Einklemmung, Ver-
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Wickelung, Entzündung oder Zerreissung eines Eingeweides ist); — wenngleich hierbei die bittern Mittel nicht immer die Hanptmittel sind.
d.nbsp; nbsp;Durchfall und Ruhr; sie sind dabei Überall, wo kein entztin-dungsartiger Zustand des Darmkauais besteht, von guter Wirkung und zuerst den mehr stopfenden, zusammenziehenden und erregenden Mit­teln vorzuziehen.
e.nbsp; nbsp;Eingeweidewürmer von allen Arten, wo diese Mittel nicht allein dadurch nützen, dass sie den vorhandenen Würmern im Verdauungs­kanal zuwider sind und deren Tod oder Abgang befördern, sondern vorzüglich dadurch, dass sie die fehlerhafte Schleimabsonderung bes­sern , die Verdauung mehr beloben und somit die für den Aufenthalt und die Entwickelung der Würmer günstigen Verhältnisse gründlich beseitigen. Bandwürmer und Oestruslarven werden Jedoch von den bittern Mitteln wenig oder gar nicht gestört.
f.nbsp; nbsp; Gastrische und andere astheuische Fieber (wie namentlich Schleimlieber, katarrhalische und rheumatisch-gastrische Fieber, mit astheuischem Character, Faulfieber, Typhus und dgl.), wo die bittern Mittel fast in jedem Stadium passend sind, jedoch mit andern, dem speciellen Znstande entsprechenden Mitteln, und namentlich in der ersten Zeit mit Salzen verbunden werden müssen.
g.nbsp; nbsp;Fehlerhafte Beschaffenheit der Milch bei Säuge- und Melk­vieh (z. B. blaue, rothe, fleckige und klümprige, zu leicht säuernde Milch u. s. w.), wo dem Uebel, wenn es nicht aus einer fehlerhaften Beschaffenheit der Nahrungsmittel oder aus Mangel an Reinlichkeit der Milchgefässe entstanden ist, fast immer ein gastrisches Leiden, und besonders Schwäche der Verdauungseingeweide zum Grunde liegt.
//. Die astheuische llarnruiir und das astheuische Blutharnen.
i. Zu reichliches Schwitzen, wenn dasselbe ohne hinreichende äussere Veranlassung erfolgt, — wie es oft bei und nach dem Haar­wechsel, nach überstandeneu Krankheiten u. s. w. der Fall ist.
k. Kachectische und dyskrasische Krankheiten, wie z. B. Gelb­sucht und veraltete Räude bei den verschiedenen Thieren, die Bleich­sucht, Fäule der Schafe, chronische Schleimtinsse, bösartige Druse bei den Pferden und dgl. Hier können die bittern Mittel durch Besserung der Reproduction sehr viel zur gründlichen Heilung beitragen und wenigstens stets die Wirkung der, bei diesen Krankheiten gebräuch-liclieu specitischen und äusserlichen Mittel sehr unterstützen.
sect;. 138.
Als Gegenanzeigo gegen die Anwendung der bittern Mittel ist im Allgemeinen Vollblütigkeit, jede heftige Reizung und jede synoeböse Entzündung, sowohl örtlich wie auch bei allgemeinen fieberhaften Krankheiten, zu betrachten. Auch müssen diese Mittel bei sehr verminderter Absonderung der Schleimhäute, bei der­jenigen Verstopfung des Leibes, die mit Trockenheit der Schleimhäute und zu starker Contraction der Gebilde begleitet ist, sehr vorsichtig und nur in Verbindung mit andern passenden Arzneimitteln, besonders mit Neutral- und Mittelsalzen gegeben werden. Astheuische und com-
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plicirte Entzündungen und eben solche Fieber, z. B. entzündlicli-ga-strische Fieber, schliessen dagegen die Anwendung der bittern Mittel neben alldem nicht aus.
sect;. 139. Die Gabe, in welcher diese Mittel angewendet werden, ist ziem­lich gleiclimässig von den einzelnen Mitteln, für Pferde und Kinder gegen '/;, — 2 Unzen, für .Schafe, Ziegen und Schweine 1 — 4 Drach­men, für Katzen und Hunde 10 Gran bis 1 Drachme. You den Mit­teln, die den Bitterstoff recht concentrirt und rein enthalten, wie z. 13. Enzian, Quassia und Bitterklee, giebt man gewöhnlich etwas kleinere Quantitäten als von den übrigen, schwächeren Mitteln. Grössere Gahen als die bezeichneten schaden zwar bei den Thieren nicht offenbar, sie bringen aber auch keinen Nutzen; in zu grosser Masse werden sie nicht verdauet, sie belästigen und stören die Verdauungsemgeweide, und zuweilen bringen sie Appetitlosigkeit, Leibschmerzen und Diar­rhöe hervor.
sect;• 140.
Die bittern Mittel können in jeder Form angewendet werden; in Pulverform streut man sie den Thieren auf das Futter, wo sie aber leicht Ekel gegen das letztere erregen, und dann nicht in der nöthigen .Menge, genossen werden. Es ist daher besser, sie in Pillen und Lat­wergen zu geben. Bei grosser Schwäche der Verdaunugseingeweide giebt man sie aber am besten in einer schwachen Abkochung, weil sie darin für die Verdauung mehr vorbereitet werden. Bei Wiederkäuern verdient die flüssige Form auch noch ans dem Grund den Vorzug, weil die flüssigen Mittel, namentlich in kleinen Gaben gereicht, leichter in den vierten Magen gelangen als die festen. Benutzt man zur Bereitung des Aufgusses oder der Abkochung die bittern Mittel gepulvert, so ist das Durchseihen der Flüssigkeit nicht nöthis*.
Man giebt sie zuweilen für sich allein, mehrentheils aber mit an­dern Mitteln, nach Bedürfniss der andern Umstände verbunden. Bei sehr grosser Schwäche und Reizlosigkeit setzt man ihnen die ätherisch­öligen und flüchtigen Keizmittel, z. B. Kalmus, Pfefferminze, Terpen-thinöl, Kampher und dgj. zu; bei Wurmleiden sind aromatische Mittel, Terpenthiuöl, stinkendes Thieröl, Eisen, — bei Aufblähung und Säure Schwefelleber, Kreide, Kalk, — bei vorwaltender Erschlaffung sind adstringiieude Mittel, bei Verstopfung des Leibes und bei Ansammlung von unverdauten Futterstoffen im Darmkanal sind abführende Salze, Aloe, — und bei kachectischen Krankheiten sind Aromatica, Terpen­thiuöl, Kochsalz, Eisen, Schwefel, Spiessglanz und dgl. mit ihnen zu verbinden. — Auch setzt man die bittern Mittel in kleinen Gaben den Neutral- und Mittelsalzen bei, um die laxirende Wirkung derselben zu verstärken. — Aeusserlich benutzt man mehrere bittere Mittel bei schlaffer Granulation in Wunden und Geschwüren, besonders aber, um Insekten von den Thieren abzuhalten.
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A. Rein bittere Mittel. 1) Euziamrurzel, Sadix Geniiame.
sect;• 141.
Die Enzianwurzel (der Enzian) enthält unter don inländischen bittern Mitteln den meisten Bitterstoff, den man in neuerer Zeit rein dargestellt und Enzianbitter {Qentiamn) genannt hat; derselbe ist mit etwas Schleim, zuckerartigem .Stoß', ätherischem Oel und Gerbstoff verbunden und tlieilt sieh dem Wasser, Wein und Weingeist leicht und vollständig mit. Die sämmtlichen zuletzt genannten Bestandtheile sind jedoch nur in so unbedeutender Menge vorhanden, dass sie nicht in He-traelit kommen, und dass dabei' die Enzianwurzel gewöhnheh zu den rein bittern Mitteln gerechnet wird.
Ehre Wirkungen stimmen der Art nach mit der überein, die den bittern Mitteln überhaupt eigen ist1, dem Grade nach aber übertrifft sie alle anderen. Deshalb und ihrer Wohlieilbeit wegen ist sie auch bei den Thierärzteu am meisten im Gebrauch.
Sie kann bei allen asthenischen Krankheiten, bei denen bittere Mittel empfohlen sind (sect;. 137), angewendet werden, eignet sieh abei besonders da zum Gebrauch, wo mit der Schwäche zugleicb Unthä-tigkeit, Erschlaffung und Ausdehnung besteht; daher namentlich bei Ueberfütterungskolik, besonders wenn dieselbe oft wiederkehrt und weniger in wirklichem Deberfüttern, als vielmehr in allmäliger An­sammlung der Futtermassen in den Gedärmen begründet, ist; eben so in den spätem htadien der Gelbsucht und Fäule der Schafe und des Rindviehes, bei ünverdaulichkeit, wenn der Koth gross geballt, in grosseu Klumpen und mit Schleim überzogen abgeht, bei Schleimfieber, bei Würmern und dgl.
Bei entzündlich gastrischen Zuständen haben zuweilen der Bitter­klee und die übrigen schwächeren Mittel den Vorzug vor dem Enzian.
Die Gabe und ihre Wiederholung ist wie bei den bittern Mitteln überhaupt.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Die Anwendung geschieht theils in Pulverform, beson-
ders bei Pferden und Schafen (in den sogenannten .Fresspulvern und Lecken), theils in Pillen und Latwergen; theils im Aufguss oder im Decoct, -— letzteres besonders beim Rindvieh. Im Pulver ist zwar die Wurzel sehr wirksam, die Thiere verderben sich aber dadurch inehren-theils sehr bald den Geschmack und dadurch auch den noch etwa vor­handenen Appetit.
Man verbindet die Enzianwurzel oft mit abführenden Salzen, und namentlich bei entzündlichen Krankheiten, bei Ueberfütterungskolik und bei solchen gastrischen Zuständen, welche mit Verstopfung des Leibes verbunden sind, oder wo der Koth dunkel firefarbt, klein und
1 Jlaueho wollen ihr auch narkotische Kräfte zuschreiben. Ich habe deshalb versuchsweise die'gepulverte Wurzel Pferden und Kindern zu 6—24 Unzen. Hunden zu 2 — 4 Unzen auf einmal, und dureli 3 Tage wiederholt gegeben, alter keine Spur einer narkotischen Wirkung sehen können.
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hart abgesetzt wird; in andern Füllen dagegen den Umständen eut-sprecheud mit andern Mitteln (sect;. 140).
Aeusserlich benutzt man das Enziauwurzelpulver zuweilen als ein gelind erregendes, toniselics und austrocknendes Mittel zum Kinstreuen bei iij^ig granulirenden, stark jauchenden Wunden und Geschwüren, besonders wenn dieselben zugleich durch Insektenmaden verunreinigt sind. Man versetzt es hierzu auch mit Kohlenpulver und Eichenrinden­pulver zu gleichen Theilen, oder auch mit der Hälfte Zinkvitriol oder Alaun, oder mit dem achten Theil Kampher oder rothen Präcipitat und dgl. — Eben so kann man bei Wunden und Geschwüren von jener Beschaffenheit auch ein Enziandecoct (1 Theil Wurzel zu 8—10 Theilen Wasser) benutzen. (1 Unze gr. pulv. 10 Pt'g., f. pulv. 1 Sgr. 4 P%.)
\'on dem Enzian giebt es mehrere of'ticiuelle Präparate (nament­lich ein recht wirksames Extract und eine Tinctur), welche jedoch in der Thierarzneikunde fast ganz zu entbehren sind.
2) itnasslaboli (BlUerholz), Lignmn Quaasiae. sect;. 142.
Unter allen Mitteln besitzt es den Bitterstoff (Quassin genannt, ein Alkaloid) am reinsten und in grösstor Menge', und es gelten des­halb von seiner Wirkung vorzüglich die, über die Wirkung' der rein bittern Mittel im Allgemeinen gemachten Angaben. Besondere Heil­kräfte gegen einzelne Krankheiten besitzt es, im Vergleich zu den übrigen bittern Mitteln, nicht, und es ist daher durch inländische Mittel der Art, namentlich durch Bitterklee oder Enzian zu ersetzen. Mit dem erstem hat die Quassia zwar grosse Aehnlichkeit, ist aber stärker, und von dem letztern unterscheidet sie sich dadurch, dass sie keine er­regende Nebenwirkung äussert.
Man wendet das Bitterholz nach den allgemeinen Kegeln an, und giebt es am besten in einem schwachen Decoct. (1 Unze 1 Sgr. 8 P%.)
Da es theurer ist als der Enzian, so wird es innerlich sehr wenig, und äusserlich gar nicht benutzt. Das Quassia-Extract ist sehr wirk­sam, aber zum thierärztlichen Gebrauch zu theuer.
3) Bitterklee (Fleberklee, Wasserklee) Berba s. Folia Trifulii fibrhii (s. Mmyanthü).
sect;#9632; 143. Die Stengel und Blätter dieser Pflanze enthalten, besonders wenn sie im Herbst gesammelt ist, den Bitterstoff {Menyanthin) in sein- grosser Menge und fast ganz ohne, wirksame Nebenbcstandtheile. Man rechnet die Pflanze daher mit Recht zu den kräftigsten rein bittern Mitteln, unter denen sie nur vom Enzian und von der Quassia übertreffen wird. Der Bitterklec ist der letztem in der Wirkung sehr ähnlich und für sie das beste Ersatzmittel. Er verdient, da er fast überall zu haben und
1 Dieser Bitterstoff wirkt auf Fliegen und andere Insekten betäubend, auf die Qausthiere aber nicht; eine Abkochung des Holzes ('/a Unze zu 3 Unzen Colatur), mit Zusatz von etwas Milch und Zucker, wird häutig' als das gefahrloseste Fliegen­gift henutzt.
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eben so wohlfeil als kräftig in seinen Wirkungen ist, eine häufigere Benutzung in der Thierarzneikunde als bisher.
Die Anwendung kann überall geschehen, wo die bittern Mittel überhaupt und der Enzian besonders empfohlen sind.
Die Gabe, Form und Verbindung ist bei dem getrockneten (pul-verisirten oder zerschnittenen) Kraut ebenfalls nach den allgemeinen Angaben einzurichten. Im Sommer kann man auch das frische Kraut benutzen und dasselbe entweder im Decoct, oder für grasfressende Thiere kleingeschnitten und mit anderem Futter gemengt geben. Auf letztere Weise reicht man täglich dreimal für Pferde und Binder jedes­mal 1 — 1 72 Pfund, oder 2—3 Hände voll, für Scluife, Ziegen und Schweine den dritten Theil. — Zu dem Decoct nimmt man auf die­selbe Menge eine achtfache Quantität Wassers, lässt dies auf die Hälfte einkochen und durchseihen, und dann auf ein- oder zweimal eingeben. — Das Extract wirkt wie das Mittel selbst, ist aber durch dieses zu er­setzen. (1 Unze 8 Pfg.)
4) Tausfiidgüidenkranl,//c/in *. Summitates Centaurii minoiis. sect;• 144. Diese Pflanze besitzt gleichfalls in den Stengeln und Blättern viel Bit­terstoff, der jedoch schwächer als bei der vorigen und zugleich etwas salzig und kratzend scharf ist. Ihre Wirkungen sind denen des Enzians ähnlich, aber milder als bei diesem Mittel. Anwendung, Gabe und Form sind wie bei den übrigen bittern Mitteln zu bestimmen. (1 Unze 1 Sgr. 8 Pfg.)
• B. Salzig und schleimig bittere Mittel.
5) Rllldsgalle, FH Tauri. %#9632; 145.
Die Tbiergalle und namentlich die Kindsgalle stimmt in ihren Wirkungen fast ganz mit dem überein, was von den bittern Mitteln im Allgemeinen angegeben worden ist; sie besitzt aber aussei- der stär­kenden Wirkung (welche schwächer als die der Enzianwurzel, des QuassiaholzßS und des Bitterkleekrautes ist), noch durch ihre alka­lischen und salzigen Bestaudtheile gelinde Nebenwirkungen.
Die innerliche Anwendung der Galle ist bei denselben Krank-heitszuständen angezeigt, wo die bittern Mittel überhaupt nützlich sind, und sie verdient bei grosser Schwäche und gleichzeitiger Reizbarkeit der Verdauungseingeweide vor den rein bittern Mitteln den Vorzug, weil sie sehr mild wirkt und als thierisches Product sehr leicht verdau­lich und assimilirbar ist; sie wird jedoch nur wenig, und fast nur bei den kleinen Hausthieren benutzt, weil sie nicht immer und in der nöthigen Menge frisch zu haben ist und bei der Aufbewahrung leicht fault und verdirbt. Um dies zu verhüten, wird sie über Feuer einge­dickt {Fei Tauri inspissatum); allein hierdurch verliert sie auch von ihrer Eigenthümlichkeit, so dass sie den bittern Extracten sehr ähn­lich wird, und besser durch diese zu ersetzen ist. — Die Gabe von der frischen Rindsgalle ist für Pferde 1/2—1 Unze, für die andern Haus-
Hektwio, Arzneimittellehre.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 7
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tliiore in entsprechendem Yerhältniss, und dio Anwendung geschieht theils in Auflösungen mit einem andern bittern, oder bitter-aroma­tischen Infnsum, oder in Pillen und Latwergen, bei denen die (ialle zum Theil auch als Bindemittel dienen kann.
Aeusserlich angewendet wirkt die Galle gelind erregend, zerthei-lend, und man benutzt sie daher als Einreibung zur Zertheilung schlaffer Geschwülste, welche Neigung zeigen, sich zu verharten, wie z. B. ver­altete Piphacken, Stollbeulen, Drüsenknoten und dgl. Man wendet sie theils für sich allein, mehrentheils aber mit andern ähnlich wirkenden Mitteln verbunden an, z. B. mit grüner Seife, mit Kochsalz, mit Kam­pher- oder Ammoniumliniment, mit grauer Quecksilbersalbe und dgl. In der Thiorarzneischule zu Berlin ist folgende, sehr wirksame Zu-sammensetzung unter dem Namen: grüne zertheilende Salbe ge-bränchlich:
Man nimmt: Altheesalbe (oder'Schweinefett) 4 Unzen, Ochsen-galle, geschabte weisso Seife, von jedem 1' 2 Unze, Steinöl 1 Unze, pulverisirten Kampher '/^ Unze, llirsclihonisalz '2 Drachmen. Mische alles durch Reiben zusammen.
Auch hat man die Galle bei Flecken der Hornhaut als resorbiren-des und auflösendes Mittel mit gutem Erfolge angewendet. Sie wird hier bei noch bestehender krankhafter lieizbarkeit mit 3 — 4 Theilen reinen Wassers verdünnt, später aber für sich allein oder in Verbindung mit andern Mitteln (Honig, Merkurialsalbe, Hirschhornsalz und dgl.) benutzt, indem man sie täglich 1 — 2 Mal zwischen die Augenlider streicht. {1 —4 Unzen 4 Sgs., F. inspinsat. 1 Drachme 1 Sgr. Ü Pfg.)
G) Kardobenedfctenkraut, ILrba s. Folia Carduibenedieti.
sect;. 146. Es enthält neben dem bittern Extractivstoff noch eine bedeutende Menge von Kali- und Kalksalzen, etwas Schlehnzucker u. s. w. Es wirkt daher nicht allein tonisch, sondern auch auflösend, und die Se­cretion der Schleimhäute, sowohl im Verdauungskanal wie auch vor­züglich in den Respirationsorganen vermehrend. Man benutzt es daher mit gutem Erfolge bei solchen gastrischen Krankheiten, bei denen liei-zung und verminderte Absonderung der Sehleimhäute zugegen ist und wo die rein bittern Mittel, und besonders der Enzian nicht gui, ertragen werden. Doch wird es im Ganzen auch nur wenig angewendet. — Von der Gabe, Form und Verbindung gelten auch hier die allgemeinen An­deutungen. — Das Extract ist zu entbehren. (1 Unze Fol. 10 Pfg.)
Anmerkung. Diesen Mitteln gchliessen sich in ihren Wirkungen das Erd­rauch k r a u t (Uerba Pamariae) und das Kraut des weissen Andorns {Ilcrha Mamt-hü ulbi] an. jeduch sind dieselben äusserst schwach. — Von gleicher Art, aber noch schwächer wirkend, ist das Kraut und die Wurzel des L öivenzahii es (Herb, et Rad. Tararnci), welche nur im frischen Zustande als diätetisches Hausmittel zu be­nutzen sind; — ferner die Cichorienwurzel (Had. dehorn aylvestris). das Kraut des Huflattigs (Hcrha Tiissilai/mts), und des Ehrenpreis (Uerba Veromeae) und mehrere andere von ähnlicher Qualität. Sie sind sämmtlich zu entbehren und wer­den auch jetzt fast gar nicht mehr angewendet. — Ein salzig bitteres Mittel ist auch das Kraut des Färbeginsters (Uerba et Suinmitatcs Oenistae tineloriie), welches
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von Dr. Marocbetti zur Verhütung aer Wasserscheu bei Menschen, welche von tollen Hunden gebissen sind, sehr empfohlen worden ist'. Das Mittel brachte hei meinen Versuchen an Thieren selbst in grossen Gaben (bei Pferden und Kühen zu '2 Pfund, bei Hunden zu 1 — 6 Unzen pro dosi, täglich zweimal und durch 8 Tage fortgesetzt) keine auffallende Wirkung hervor, und die gerühmten Heilwirkungen haben sieh weder hei Menschen noch bei Thieren bestätigt.
7) Rhabarbervrurzel, ]lalt;li.i- liltci s. jßkabarbari.
sect;. 147.
Sie ist die Wurzel noch unbekannter Rheumarteu und enthält eine grüssc Anzahl verschiedenartiger, noch zweifelhafter Bestandtheile, die theils in Wasser, theils Weingeist löslich sind; es sind darunter mehrere Harze {Erythroretin% Phaeoretin, Aporetin), dann die Cln-ysopliansäure (auch Khaharbersiiure, li/ie'iii, Mheumin, Rlialmrbarin genannt), i;i Ver­bindung mit Gummi, Stärke, Zucker, oxalsaurem und anderen Kalk­salzen und Gerbstoff.
Die Wirkungen der Khabarbenvurzel sind zum T.heil denen der adstringirenden, zum Theil denen der bittern Mittel ähnlich, zum Theil aber auch ganz eigenthümlich, toniseh, erregend auf die Gefässe und drüsigen Organe, und je nach der Grosse der Gabe die Absonderungen gelind beschränkend oder vermehrend. Denn in kleinen Gaben und anhaltend den Thieren gegeben, vermehrt sie den Tonus und die Thä-tigkeit in den ünterleibsorganen, und bewirkt so eine bessere Ver­dauung und stärkere Resorption. In grossen Gaben bewirkt die Rha­barber sehr reichliche Absonderung der Ualle und der Darmsäfte, be­schleunigte wurmformige Bewegung des Darmkanals und Purgiren. Letzteres tritt nur bei dein Hunde und bei der Katze von massig grossen Gaben (von 1 Drachme bis '/2 L'nze) in etwas starkem Grade ein; bei Schweinen erfolgt es aber von 3 — 4 Unzen und bei Pferden von 9 Unzen bis zu 1 Pfund nur sehr gelind und erst nach 36 Stunden (s. Viborg Samml. Bd. 3. S. 156).
Heftige Zufälle, besonders Entzündung der Gedärme, hat man selbst von so grossen Gaben nicht bemerkt.
Die Rhabarber erscheint, diesen Wirkungen gemäss, als ein eigen­thümlich erregendes und stärkendes Mittel der Leber und der Ver­dauungseingeweide da angezeigt, wo Schwäche und zu geringe Thätigkeit dieser Organe den Grundcharacter einer Krank­heit bilden, wo in Folge dessen die Bereitung guter Galle qualitativ, oft auch quantitativ nicht gehörig- erfolgt, wo deshalb Appetitlosigkeit, Verschleimung, Säure, Blähsucht, Verstopfung, Diarrhöe, namentlich die sogenannte weisse Ruhr bei jungen Thieren, — Gelbsucht, Bleich­sucht und dgl. entstanden sind.
Als Purgirmittel darf die Rhabarber bei den grössern Hausthieren nicht angewendet werden, weil sie zu wenig wirkt, zu theuer und durch kräftigere wohlfeile Mittel zu ersetzen ist; bei Hunden und Katzen kann man sie aber in den im Obigen angedeuteten Gaben hierzu anwenden. Weit zweckmässiger benutzt man sie aber in kleinen Gaben, nämlich für Pferde und Rindvieh zu 2 — 4 Drachmen, für Schafe und Schweine
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zu '/ä—'2 Draclimen, für Katzen und Hunde zu 5 Gran bis 1 Scrapel, täglich 2—4 Mal.
Die Anwendung' der gepulverten Wurzel kann in jeder Form, und nach Erfordern der Umstände in Verbindung mit verschiedenen andern .Mitteln geschehen. Als Purgirmittel setzt man ihr zuweilen Aloe, häu­tiger Glaubersalz, Weinstein und andere Salze zu; als stärkendes Mittel giebt man sie mit Kalmus, Wermuth, Waehholderbceren, Opium, Digi­talis, kohlensaurer Magnesia u. a. Eine Zusammensetzung von Rha­barber 1 Drachme, kohlensaurer Magnesia 1 Scrupel, Opium 5 Gran, mit 1!4 Pfund warmem Kamillenthee oder mit 2 Löffel voll Branntweins auf einmal gegeben, kenne ich als das vorzüglichste Heilmittel bei der sogenannten weissen Ruhr der Kälber. (1 Drachme 1 Sgr. 10 Pfg.)
A nmerkung 1. Als Präparate von der Rhabarber hat man; ein einfaches ii iiabarb er-E x tract {Extrachnn Jlhti simplex), ein zusammengesetztes Rha-b arber-Extract [Extractnm Bhcicotitpositmii), eine wässerige Rhabarber-Tinctur {Tinctura Jihei aqvosa), eine wein geistige Rhabarber-Tino tur i Tinctura Uliei vinosa) und einen Synrpus Ilhei, Sie sind z^lnt thierärztlichen Ge-branch viel zu theuer, entbehrlich und sehr wenig benutzt.
Anmerkung 2. Die Wurzel von der bei uns in Gärten gezogenen Rhabarber namentlich von Rheum rapovtinua und von B. hyhridwn besitzt, wenn sie gehörig ausgewachsen und gut getrocknet ist. fast ganz dieselbe Wirksamkeit wie die chinesische Rhabarber, und könnte daher die letztere ersetzen (Viborg a. a. O. S. 165 — 162).
8) Roiisso, Kosso, Flores Brayonc anthelminthifae (quot;). sect;• 148.
Sie kommen als braunes Pulver in den Handel und enthalten Harz ( Brayerin), Gerbstoff, fettes und wohl auch ätherisches Oel, sind schwach aromatisch riechend und bitterlich schmeckend. Sie kommen nur als Anthelminthicum in Anwendung, und zwar nur bei kleineu Haustliieren. Die Gabe ist für Schafe 1 Drachme, während einiger Stunden mehrere Male wiederholt, entweder im Schiitteltrank (nachMüller1) mit Milch in 6 Stunden 3 Draclimen, oder mit Syrup, Honig als Latwerge. Einige Standen nach der letzten Gabe gehen die Würmer ab.
Dies Mittel ist ziemlich sicher, steht aber doch an Wirksamkeit noch der Kamala, dem aus den Kapseln der Rottlera tinetoria gewon­nenen Pulver, bedeutend nach. Von diesem ist die Gabe auch 1 Drachme, dieselbe macht aber meist durch ihre Wirkung die Wiederholung un-nöthig.
C. Aromatische oder erregend bittere Mittel
9) Weiinnlh (das Kraut mit den lllüthcn), Hcrba et Summiiates Ahsinlldi.
sect;#9632; 149. Der Wermuth besitzt einen ausserordentlich bittern, harzigen Stoff, in Verbindung mit etwas ätherischem Oel, Salzen u. s. w. Das frische Kraut ist den Pferden in hohem Grade zuwider und wird auch
1 Magaz. für Thierheilk. Jahrg. 18C0.
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von Kühen nur bei grossem Hunger gefressen; Schafe und Ziegen fressen es eher, scheinen aber auch keinen Wohlgeschmack daran zu finden. Nach etwas anhaltendem Genuss dieser Pflanze wird die Milch, das Fleisch und der Urin der betreffenden Thiere bitter.
Der Wermuth besitzt in einem hohen Grade die tonischen Wir­kungen der rein bittern Mittel, ist aber von diesen darin verschieden, dass er durch sein ätherisches Oel noch etwas erregend auf das Gefass­und Nervensystem wirkt. Doch ist die Wirkung des Bitterstoffes bei weitem vorwaltend. Er nähert sich somit den ätherisch-öligen, flüch­tigen Erregungsmitteln und findet deshalb vorzüglich bei solches Krank­heiten der Verdauungs- und Assimilationsorgane seine Anwendung, wo neben der Schwäche noch Reizlosigkeit besteht, oder wo Würmer zu­gegen sind. Gegen letztere ist er eins der vorzüglichsten und wirk­samsten Mittel. Seiner erregenden Nebenwirkung wegen ist er bei schlaffen, phlegmatischen Tliieren, und daher besonders auch bei den Wiederkäuern den übrigen Mitteln sehr vorzuziehen. Üebrigens ist er innerlich bei denselben Krankheitszuständen anzuwenden, wo die b't-tern Mittel überhaupt, passend sind: aber bei reinen und heftigen Ent­zündungen ist er mehr zu vermeiden, als die im Vorhergehenden abge­handelten bittern Mittel.
Die Gilbe ist, wie bei den übrigen Mitteln, für Pferde u. s. w. Die Anwendung kann in Pulver, in Latwei^en, Pillen, Aufgüssen und Ab­kochungen mit Wasser geschehen. Das Pulver eignet sich, da die übrigen Thiere dasselbe wenig oder gar nicht fressen, nur für Schafe: man mengt es für sie mit Gersten-, Hafer- oder Malzschrot, oder mit Kleie, mit Kochsalz, Wachholdefbeeren oder andern aromatischen Mit­teln zu einer Lecke zusammen und setzt ihnen dieselbe zum freiwilligeu Genuss vor, z. B. bei der Egelkrankheit:
Nimm gepulverten Wermuth,
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Kalmus von jedem 4 Unzen,
,,nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Glanzruss,
,,nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Kochsalz von jedem '2 Unzen,
,,nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Terpenthinöl i/., Unze,
Schrot oder Mehl 2 Pfund. Menge alles gut zusammen und gieb es für zehn Schafe auf einen Tag. Nehmen die Thiere von dem Mittel zu wenig, so macht man es mit Wasser zur Latwerge und giebt einem Schafe früh und Abends den zwanzigsten Theil davon auf einmal ein. Bei der Bleichsucht setzt man dieser Mengung noch Eisenvitriol ('//,— ',., Unze), und bei Säureent­wickelung in den Eingeweiden noch pulverisirten gebrannten Kalk (1 Unze), oder pulverisirte weiss gebrannte Knochen (2—3 Unzen) zu.
Bei dem Rindvieh benutzt man den Wermuth, je nachdem man die erregende oder die tonische Wirkung vorzüglich wünscht, im Aufguss oder in Abkochungen (1 Unze zu 1 Pfund Flüssigkeit), und bei Pfer­den, Schweinen und Hunden am besten in Pillen und Latwergen, und verbindet ihn nach Bediirfniss mit verschiedenen passenden Mitteln, z. B. mit stinkendem Thieröl, Steinöl, Terpenthinöl, Kampher. Wein­geist, Pfefferminze, Kochsalz u. s. w. — Bleizucker, Sublimat, Eisen-
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iirul Zinkvitiiol schlagen in Decocten und Infusionen vom Wermuth einen jrrosscn Theil der wirksamen Bestandtheile nieder.
Aeusserlicb wird der Wermuthquot;bei fauligen, schlaffen, unreinen,
mit stinkender Jauche versehenen, oder mit Maden behafteten Ge-sebwüren, z. B. bei dergleichen Widerrttstschäden und bei asthenisclun und brandigen Entzündungen, z. 13. bei ausfallender Mauke u. s. w. bald als Breiumschlag, bald in flüssiger Form als Waschung und Bähung benutzt. — Zu dem Breiumschlag nimmt man die zerschnit­tenen, von den groben Stengeln befreiten Blätter und kocht dieselben gelind mit so viel Wasser, wie zur Consistenz des Breies noting ist; — zu den Bähungen benutzt man einen Aufguss oder eine Abkochung wie zum inuern Grebraucb.
Ein solches Infusnm oder Decoct wendet man auch zuweilen als Waschmittel auf die gesunde, wie, auf die kranke Haut in der Absicht an, um Läuse oder Milben zu tödten, oder um von den Thieren die Bremsen, Fliegen und andere Insekten abzuhalten, weil letztere die bittern Substanzen fliehen oder von ihrem Genuss betäubt werden und sterben.
Der Wermuth ist auch im frischen (grünen) Zustande, innerlich und äusserlich auf die angegebene Weise, jedoch in doppelter Gabe zu be­nutzen. Die Präparate (Extract,Tinctur, ätherisches and gekochtes Wer-muthöl) sind ähnlich wirkend, aber zu thener. (1 Unze Herh. 1 Sgr. 4 Pfg.)
10) Rahifarrnkraut, Rainfarrnblumen und Samen, ihrba, Flores et Semen Tanacki.
sect;. 150.
1 )ie ganze Pflanze enthält einen bittern Extractivstoff in Verbin­dung mit harzigen Bestandtheilen, mit einem scharf bittern, ätherischen Oel, etwas eiseugrünendem Gerbstoff u. a. Das Kraut, oder die Blätter besitzen von dem letztern am wenigsten und sind mehr rein bitter, da­gegen die Blumen, und noch mehr die Samen viele flüchtige Bestand­theile zeigen.
Die Wirkungen des Raiufarrnkrantes kommen im Wesentlichen mit denen des Wermuths überein, und unterscheiden sich von diesem nur dadurch, dass sie mit noch etwas stärkerer Erregung der Gefass­und Xerventhätigkeit in den Verdauungseingeweiden verbunden sind, als bei dem zuletzt genannten Mittel. — Die Wirkungen der einzelnen Theile des Kainfarrnkrautes sind ziemlich mit einander übereinstim­mend, aber im Grade der erregenden Nebenwirkung, nach der ver­schiedenen Menge der in den letztern vorhandenen reizenden Bestand­theile, etwas von einander abweichend.
Die Anwendung' geschieht innerlich und äusserlich wie bei dem Wermuth. Gegen Eingeweidewürmer hält man den Kainfarrn, und be­sonders den Samen für wirksamer als letztern und auch für wirksamer als den sogenannten Wurms amen oder Zittwersam en.
Auch die Gabe, die Form und Verbindung, in denen der Eainfarrn angewendet wird, sind wie bei dem Wermuth. (1 Unze Flor. 10 Pfg.)
Anmerkung. Der Wurm samen, Zittwersamen (Semen Cina; s, Santoniri) wirkt älinlkh wie Wermutli und Rainlarrn. ist aber für Thierc zu theuer.
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11) Hopfen (die weiblichen Blütlicii, FruchtSbren oder Zaiifen), Flores s. Siroiäis.
Coni Lupuli.
sect;#9632; 151.
Sein stark bitterer, etwas harziger Geschmack und der eigenthüm-liclie aromatische, etwas betäubende Geruch zeigen, dass er einen bit­tern Stoft' mit flüchtigem Oel und Harz als wirksame Besiandtheile ent­hält. Dieselben finden sich besonders in dem gelben, harzigen Staube, der die Schuppen der Hopfenzapfen bedeckt, dem Hopfenmehl, Lupuün. In diesem Staube beruhet daher auch vorzüglich die Wirksamkeit des Hojifens.
Die Wirkung desselben auf den Tliierkörper stimmt mit denen der übrigen aromatisch bittern Mittel sehr überein; sie ist jedoch mehr erregend als die Wirkung des Wermuths und des Eainfarn.krautes. Narkotische Wirkungen, von denen manche Schriftsteller sprechen, habe ich von kleinen und grossen Gaben und bei mehrtägiger wieder­holter Anwendung des frischen und des ausgetrockneten Hopfens bei Pferden, Kühen, Schafen und Hunden nicht wahrnehmen können.
Man kann den Hopfen wie den Weimuth und bei denselben Krank-heitszuständeii innerlich und äusserlich benutzen ; bei hohen Graden von Atonie, und bei hieraus entstandener Cachexie, Wassersucht und dgl. scheint er aber den Vorzug vor diesem Mittel zu verdienen.
Weil der Hopfen sehr schwer zu pulvern ist, so giebt man ihn nicht in Pillen und Latwergen, sondern am besten im Aufguss oder in einer gelinden Abkochung (1 — l'/^ Unze auf 1 Pfund Wasser).
f^) Sebafgarbenkraui und Biütben, Summiiates s. Kerba et Flores Millefolii.
sect;• 152.
Die Schafgarbe enthält einen gelind zusammenziehenden Bitter­stoff' in Verbindung mit ätherischem Oel; der erstere ist zwar vorwal­tend, aber beide Bestandtheile sind in geringerer Menge zugegen als bei dem Painfarrn und bei dem Wermuth. Im frischen Zustande wird die Scharfgarbe von allem Vieh gefressen und die Schafe suchen sie mit Begierde auf; auch getrocknet ist sie den Thieren nicht so zuwider wie die übrigen bittern Mittel, und sie eignet sich deshalb vorzüglich zur Anwendung in Lecken.
Die Wirkungen sind stärkend erregend, blähungtreibend und krampfstillend, aber schwächer, als bei den drei vorigen Mitteln, be­sonders im getrockneten Zustande.
Man benutzt das Schafgarbenkraut mit den Blüthen zugleich, so­wohl frisch als getrocknet, ganz wie den Wermuth. Es steht dem letz­tern in der wurmwidrigen Wirkung nach, ist aber bei Krämpfen, daher auch bei Krampfkoliken, und bei krampfhaften Harnbeschwerden, — auch bei asthenischen Entzündungen und deren Ausgängen, besonders bei dergleichen Lungenentzündungen, Verschleimungen, Diarrhöen.s.w. vorzüglicher als jenes Heilmittel.
Gabe und Form, so auch die Verbindung mit andern Mitteln, ist wie bei den bittern Mitteln überhaupt.
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10plusmn;_
Aeusserlich kann das Schafgarbeukraut als ein stärkendes, die Thätigkeit erhöhendes und zertheilendes Mittel bei sehlaffen, schlecht eiternden Wunden, bei Quetschungen uud Quetschwunden, bei Blut-ergiessungeu, Verhärtungen und bei schlaften Geschwüren u. s. w., theils in Breiumschlägen, im lufusum oder Uecoct angewendet werden.
Das Mittel empfiehlt sich wegen seiner Wohlfeilheit ganz beson­ders zum thierärztlichen Gebrauche. (1 Unze 10 Pfg.)
13) llaule, lü-yba s. Folia Eutac.
sect;. 153.
Das Kautenkraut (mit und ohne Blüthen und Samen) enthält ähnliche wirksame Bestandthcile wie der Wermuth, nur mit dem Un­terschiede, dass es weniger Bitterstoff und dafür etwas mehr und zu­gleich schärferes ätherisches Oel besitzt. — Die Wirkungen sind denen des Wermuths ähnlich, uur etwas schwächer tonisch, dagegen vom frischen Kraut etwas stärker örtlich erregend. Im trocknen Kraut er­scheint die erregende Kraft des Mittels gemiudei t.
Die innerliche Anwendung, Gabe u. s. w. findet (wie von den übrigen aromatisch bittern Mitteln) bei asthenischen Krankheiten mit torpidem Character Statt, und besonders bei solchen Krankheiten der Yerdauungseingeweide. Ausserdem war sie von Delabere Blaine1 gegen das Entstehen der Wnthkrankheit nach dem Bisse von tollen Hunden, empfohlen worden. Es ist jedoch hierbei auf dieses Mittel eben so wenig zu trauen, wie auf die meisten übrigen, und es darf bei seiner Anwendung niemals die örtliche zweckmässige Behandlung der Bisswuude und die übrige nöthige Vorsicht unterlassen bleiben.
Aeusserlich ist das Kraut wie der Wermuth und die Schafgarbe zu benutzen. (1 Unze 1 Sgr. 2 Pfg.)
14) Gemeiner Daarstrang, Feucedanum ofjicinali- (quot;). sect;. 154. Die Wurzel besitzt einen widrigen, ranzigen Geruch und einen unangenehmen, sehr bittern, etwas gewürzhaften Geschmack. Sie ent­hält viel Bitterstoff, ein wenig Harz, Gummi und eine geringe Quan­tität ätherisches Oel. Ihre Wirkungen stimmen mit den im Allgemeinen angegebeneu Wirkungen der bittern Mittel überein, daher die Wurzel nach denselben ludicationen wie Wermuth und Hopfen angewendet wer­den kann. Ehemals wurde sie häufig bei asthenischen Brustkrank­heiten, bei Absonderung von zähem Schleim, bei Gelbsucht, Wasser­sucht aus Atonie, bei Würmern, Hautkrankheiten in Folge mangel­hafter Säftebildung und dgl. benutzt, jetzt ist sie fast ganz vergessen, verdient aber mehr beachtet zu werden.
1 Die Krankheiten der Hunde. Aus dem Englischen. Leipzig 1S20. S. G9 u. f.
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DEITTE KLASSE.
Adstringirende oder zusammenziehende Pflanzenarzneimittel. {Medicamenta adsiringenHa vegetabilia.)
Iti-griir, Wirkung und Anni-iidiing dieser IHiilel im Allgeinetnen.
sect;. 155.
Als zusammenzielieud oder adstiingirend bezeichnet man die Arz-ueiwirktmg, bei welcher die Fasern und Gewebe der thierischeu Weich-gebilde zusammengezogen, verkürzt oder verdichtet und die darin ent­haltenen Flüssigkeiten bald mehr bald weniger zum Gerinnen gebracht werden. Diese Eigenschaft besitzen: a) viele Pflanzen und Pflanzen-theile, in denen ein eigenthümlicher zusammenziehender Stoff, oder ein sogenanntes adstringirendes Princip enthalten ist; b) die meisten Säuren, besonders in einem massig concentrirten Zustande; c) mehrere Metalle in Verbindung mit Sauerstoff oder mit Säuren, wie namentlich das Eisen und seine Präparate, Zink- und Kupfervitriol, Grünspan, die essigsauren Bleipräparate, auch der Alaun, und d) zum Theil auch die Kälte und solche Substanzen, an die sie gebunden ist.
Im engen und gewöhnlichen Sinne verstellt man aber unter adstrin-girenden Arzneimitteln nur die zuerst bezeichneten vegetabilischen Sub­stanzen , von denen auch deshalb hier nur geredet werden soll. (Die Säuren finden in der IX., der Alaun in der XL und die metallischen Mittel in der XII. Klasse ihren Ort.)
sect;• 1,56. Der eigentlich wirksame Bestandtheil in den adstringirenden Pflan­zen ist der sogenannte Gerbstoff, die Gerbsäure oder Galläpfel­gerbsäure, das Ti\unin(Aciduiii tannicums. gallotannicum, Tanninum). Dieser Bestandtheil findet sich häufig-in verschiedenen Pflanzen und deren einzelnen Theilen, am meisten concentrirt in der Kinde besonders der Jün­gern Zweige, in der Wurzel, auch in den Blättern, Samen und Früchten mehrerer Gewächse. Er ist meistens mit andern Bestandtheilen dieser Pflanzen, mit Schleim, Bitterstoff, Säuren, Alkalien, ätherischem Oel und dgl. verbunden, wodurch die einzelnen Mittel dieser Klasse einige Abweichungen von einander zeigen. Auch erscheint der Gerbstoff selbst in den verschiedenen Pflanzen etwas inodificirt, so dass man hiernach eine Eichengerbsäure, eine Chinagerbsäure und eine Catechu-gerbsäure unterschieden hat; die Verschiedenheiten der Gerbsäure machen jedoch für sich allein keinen wichtigen Unterschied in der Wirk­samkeit. Die Gerbsäure ist aus Kohlenstoff, Wasserstoff und Sauerstoff zusammengesetzt, verhält sich chemisch sehr ähnlich wie andere Säuren und bildet mit Alkalien, Erden, Alkaloiden und Metalloxyden gerb­saure Salze. Bei dem Zutritt der Atmosphäre nimmt sie mehr Sauer­stoff auf, oxydirt sich und bildet andere Säuren. Die Gerbsäure löst sich leicht in Wasser, besonders in kochendem, und in Weingeist, auch in gewöhnlichem Aether auf, aber nicht in fetten und in ätherischen
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üclen; sic wird durch Chlor und conceutrirte Salpetersäure zerstört; mit Schwefelsäure vorbindet sie sieh und ist dabei in Wasser löslich: aus einer coucentrirtou Auflösung wird sie durch Salpeter-, Salz-, Phos­phor- und Arseniksäure gefällt, aber nicht durch Essig-, Citronen- und Milchsäure. Die hierbei entstehenden Niederschläge sind Verbindungen dieser Säuren und der Gerbsäure, und dieselben lösen sich wieder in Wasser, aber nicht in der fällenden Säure. Stärkemehl, Gallerte (Faser­stoff), Erweis, thierischer Schleim gerinnen und werden, so wrie auch Bitterstott' und l'Hanzenalkaloide, aus Flüssigkeiten durch die Gerbsäure gefallt, dieselbe verbindet sich auch mit der Gallertc und dem Faser­stoff der thierischen Theilo im lebenden und todten Zustande derselben zu unlöslichen, festen Massen. Mir Metallsalzen macht sie unlösliche Niederschläge von verschiedener Farbe, indem sie sowohl mit den Basen, wie auch mit den Säuren dieser Salze sich verbindet, und nur die letz­tere Verbindung aufgelöst bleibt, die erstere aber sich abscheidet.
sect;. 157.
Die Wirkung der Gerbsäure (des Tannin) auf den Thierkörper ist örtlich eine fast rein chemische, indem dieselbe das vorhandene Eiweis, Faserstott', Gallerte zum Gerinnen bringt, hierdurch und durch Zusam­menschrumpfung des Zellgewebes und der Fasern die Textur verdich­tet, die Secretionen beschränkt und im concentrirten Zustande auf die Schleimhäute gebracht, oberflächlich ätzt. Im Magen tritt von grossen Gaben des reinen Tannin dieselbe Wirkung ein und zugleich wird ein Theil der Verdatiungssäfte, besonders das Pepsin, zersetzt, coagulirt und hierdurch die Verdauung gestört; in kleinen Gaben und verdünnt oder mit andern Substanzen in Verbindung wirkt es örtlich zusammen­ziehend, die Magen- und Uarmsecretionen beschränkend. Ein Theil von ihm geht in das Blut über, vermehrt dessen Gerinnbarkeit, giebt ihm bei längerer Anwendung eine hellere Röthung, vermindert fast alle Se- und Excretionen und vermehrt .in allen Weichgebilden Dicht­heit und Spannung (den Tonus). Ein Theil der Gerbsäure scheint verdauet zu werden, zum Theil wird sie aber mit den Substanzen, die sich mit ihr verbunden haben, unverdauet mit dem Darmkoth entleert, und zum Theil auch im Urin wieder ausgeschieden. Im letztem list ihr erfolgter Uebergang in die thierischen Säfte am bestimmtesten zu er­kennen, indem er nach der etw7as reichlichen Anwendung adstringiren-der Mittel mehr gelb erscheint, an der Luft aber braun wird und nach dem Hinzuthun einer Eisenchloridauflösung einen starken grünen Nie­derschlag- macht. Bei dem sichern Vorhandensein des adstringirenden Stoffes in dem Urin muss der erstere wohl auch im Blute enthalten sein; hier ist derselbe aber nicht deutlich nachzuweisen.
Die Gerbsäure enthaltenden, oder adstringirenden Arzneimittel wirken im Wesentlichen dieser Säure ganz ähnlich, jedoch nach der Menge und Concentration derselben und nach den andern Bestand-theilen etwas verschieden.
sect;. 158.
Bei der innerlichen Anwendung dieser Mittel in massigen Gaben entsteht zunächst in der Schleimhaut des Magens und des Da.mkanals
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#9632;ine stärkere Zusammenziehnng, welche
bald iliren Gefässen im
Drüsen, und dann.auch der Muskelhaut mittheilt. Dadurch werden die Absonderungen vermindert, der vorhandene Schleim gerinnt, die wurm-förmige Bewegung wird mit vorwaltender Zusammenziehnng ausgeübt, und die liesorption vermehrt. In Folge dieser Wirkungen sieht man den Darmkoth von festerer Consistent, bei Pferden kleiner und härter •reballt, gewöhnlich auch gut verdauet, aber etwas mehr als sonst orga­nische Hubstanz enthaltend und in längeren Zwischenzeiten abgehen. — Weiterhin erstreckt sich die Wirkung auch auf die. Lymph- und Blut-gefässe und auf andere Organe: die Gefässe verengern ihren innern Kaum, ihre Häute werden derber, die Pulse kräftiger, aber nicht ver­mehrt; die Säfte erhalten mehr Neigung zum Gerinnen, das Blut wird mehr hellroth, das Zellgewebe schrumpft zusammen und wird dichter, Muskel- und Sehnenfasern werden straffer, drüsige Organe werden klei­ner und härter und alle Absonderungen vermindert. — Wenn diese Mit­tel in zu grossen Gaben oder zu andauernd angewendet werden, verur­sachen sie Appetitlosigkeit, Verstopfung des Leibes, zuweilen Kolik, Erbrechen (wo dies bei Thieren möglich ist). Anätzung, Entzündung und Verdickung der Schleimhaut, Abzehrung u. s. w.'.
Aeusse-lich angewendet bringen diese Mittel ganz dieselben Wir­kungen hervor. Sie schrumpfen die Haut und die zunächst liegenden Theile zusammen, verdichten sie, machen die organische C'ohäsion fester, die Fasern straffer, die Gefässe enger; in Wunden und Ge­schwüren beschränken sie die üppige Bildung und die zu reichliche Absonderung.
Einspritzungen von adstringifenden Mitteln in die Blutadern be­wirken, wenn man schwache Auflösungen der Gerbsäure hierzu be­nutzt, nur etwas schnelleres und mehr angestrengtes Athmen, welches aber nach 1 — 3 Stunden gewöhnlich wieder ganz vorübergeht; spritzt man aber sehr concentrirte Flüssigkeiten in die Adern, so entstellen fast augenblicklich die grössteu Beschwerden im Athmen, heftiges Herz­klopfen, ängstlicher Blick, Zittern, Krämpfe und oft binnen kurzer Zeit der Tod.
sect;. 159.
Vermöge -ihrer eigenthttmlichen Wirkung können die zusammen­ziehenden Mittel solche asthenische und vorzüglich chronische Krank-heitszustände heilen: 1) wo die Schwäche in wirklicher Erschlaffung (Laxitas) begründet, oder mit derselben und mit Auflockerung und zu starker Ausdehnung der organischen Materie verbunden ist; — 2) wo zu häufige und zu reichliche Absonderungen mit oder ohne schlechte Mischung der abgesonderten Säfte, gleichfalls aus Erschlaffung- und
1 Alle lt;liese Angaben sind durch mehrere Versuche an verschiedenen Haus-tiiicren mit Eichenrinde, Eichenlauh und Tormentillwurzel bestätiget. — Ausserdem
aber tinclot sieb ein Heweis hierzu in der sogenannten Waldkrankheit und in dem Bluthamen des Rindviehes, der Schafe und Ziegen, welche Krankheiten im Friib-jahre zuweilen entstehen, wenn die Thiere in den Wäldern weiden und aus Mangel an Gras äu viel und zu anbaltcnd das junge Laub der Eichen und dgl. gemessen.
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Schwäche entstanden sind, und 3) wo aus gleicher Ursache eine Nei­gung zur Entmischung der Materie zugegen ist.
Man lienutzt sie daher, wenn dergleichen Grund Verhältnisse des Krankseins vorhanden sind, innerlich besonders bei Erschlaffung und Ausdehnung der Verdauungseingeweide und bei hieraus entstandener Giihrung, Zersetzung des Magen- und Danninhalts und hieraus ent­standener Aufblähung, bei Blähungen, üurclifall und Ruhr, Wurm-leiden, bei der Fäule der Schafe; bei Ausdehnung der Gefässe und darin begründeten passiven Gongestionen und Blutungen, z. B. dem asthenischen und chronischen Bluthameu; bei der Harnruhr; bei lang­wierigem Schleimausfiuss aus der Nase, den Lungen, den Harn- und Geschlechtsorganen; bei typhösen und fauligen Fiebern, bei zu dünner, wässriger Blutbereitung, bei Vergiftung mit Strychnin, bei zu reichlicher Eiterung und Jaucheabsonderung und dgl. — äusserlich aber bei Er­schlaffung und Ausdehnung der Muskeln, Bänder u. a. Theile nach Quetschungen und Verrenkungen u. s. w.; bei Gelenk- und Sehnen­gallen, bei dem Vorfall des Mastdarms, der Scheide und Gebärmutter, jedoch überall erst dann, wenn die Entzüudungszufälle vorüber sind; bei Wunden und Geschwüren, die zu viel und zu dünnen Eiter oder Jauche absondern, besonders bei Gelenkwunden, bei üppiger blasser und schlaffer Granulation, bei dem kalten Brande, bei ödematösen An­schwellungen, bei Carbunkeln und dgl.
sect;. 160.
Dagegen ist der Gebrauch der adstringirenden Mittel nachtheilig: im Allgemeinen bei jedem Krankheitsziistande, der mit activer Eeizung des Gefässsystems, mit übermässiger Zusammenziehung und mit Krampf verbunden ist; daher namentlich bei activen Congestionen und Blutflüs­sen; bei synochösen und schmerzhaften Entzündungen, bei Entzündungs-liebern, bei Xerveniiebern mit Aufregung oder mit Anfällen von Käserei; bei gastrischen Krankheiten, so lange noch anhaltende Verstopfung des Leibes, Trockenheit der Schleimhäute und Verminderung der Abson­derungen zu bemerken ist; bei Verhärtungen, besonders drüsiger Or­gane; bei Verkürzung der Muskeln, Seimen und Bänder, bei Entzün­dungen und Verwundungen der Augen mit Trübung der durchsichtigen Hornhaut, und bei ähnlichen Zuständen. — Beine Lebe.nsschwäche über­haupt, und sehr grosse Schwäche der Verdauungseingeweide im Beson­dern, so wie auch veraltete, dem Körper zur Gewohnheit gewordene krankhafte Absonderungen, z. 13. veraltete Geschwüre, eben so alle kritische heftige Ausleerungen gestatten innerlich und äusserlich nur einen sehr vorsichtigen und beschränkten Gebrauch dieser Mittel. Bei Durchfällen, welche im Frühjahr und Herbst bei dem Weidevieh nach Veränderung der Fütterung zu entstehen pflegen, ist ihr Gebrauch un­nütz — wenigstens bald nach dem Eintritt solcher Durchfälle.
sect;. 161.
Da die adstringirenden Mittel ihre Wirkung auf den Gesammt-Organismus mehrentheils nur langsam entwickeln, so müssen sie ge­wöhnlich durch einige Zeit fortgebraucht werden. Eine zu anhaltende Anwendung ist jedoch naebtheilig, indem sie leicht zu starke Zusam-
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menziehuhg, VerdicKung und Verhärtung der Organe, Verminderung
des Appetits, Unvevdaulichkcit, Verstopfung des Leibes u. s. w. herbei­führt. Eben so können auch zu grosse Gaben durch zu heftige örtliche Einwirkung nachtheilig werden.
Solche üble Folgen entstehen um so mehr, je mehr die angewen­deten Mittel das adstringirende Princip rein und concentrirt enthalten. Die bitter- und schleimig- adstriugironden Mittel, und eben so die China­rinden werden dagegen besser ertragen.
sect;• 162. Mau giebt diese Mittel innerlich nur selten im trocknen Pulver, häufiger in Pillen und Latwergen; sie sind aber in diesen Formen schwer auflöslich und schwer verdaulich, und daher bei Schwäche der Verdauungseingeweide nicht zuträglich. Durch blosses Ueoergiessen mit kaltem oder heissem Wasser wird (aasgenommen das reine Tim-nin, Kino und Catechu) nur eine geringe Quantität des adstringirenden Stoffes aus ihnen ausgezogen, und das Infusum ist deshalb zum thier-ärztlichen Gebrauch fast überall von zu geringer Wirksamkeit. Am besten ist es daher, sie in Abkochungen mit Wasser (1 Unze zu 1—1J j Pfund des letztern) anzuwenden, da sie in diesen am wirksamsten sind und von den Verdauungseingeweiden verhältnissmässig am besten er­tragen werden. Durch gelindes oder starkes Einkochen der Flüssigkeit ('\ bis zur Hälfte des Ganzen) kanq, man das Decoct von derselben Menge des Mittels bald schwächer, bald stärker concentrirt erhalten.
sect;. 163.
Die adstringirenden Mittel werden innerlich nur selten für sich allein, sondern mehrentheils in Verbindung mit bittern Mitteln und mit Reizmitteln angewendet, theils um ihre Verdauung und Assimilation durch grösserc Erregung der xhätigkeit in den Verdauungsorganen zu befördern, und um ihre örtliche nachtheilige Einwirkung zu mindern, theils aber auch um gleichzeitig andere Heil-Indicationen, welche bei den oben genannten astheuischen Krankheiten fast immer gleichzeitig zu beachten sind, zu erfüllen.
Benutzt man dergleichen Verbindungen in flüssiger Form, so lässt man die zusammenziehenden Mittel zuerst mit etwas mehr Wasser, als zu dem blossen Decoct noting ist, kochen und dann mit dem letztern die flüchtigen Mittel beiss infundiren oder auch nach dem Erkalten blos mengen, je nachdem ihre Beschaffenheit dies gestattet.
Mit Eiweis, thierischer Gallerte und mit Kali soll man Adstrin­gentia nicht verbinden, weil erstere hierdurch ganz unwirksam wird, und letzteres der Wirkung entgegen steht. Auch Metalloxyde, Eisen und Blei, eben so Kalkwasser verbindet man nicht gern mit adstrin­girenden Mitteln; die hieraus entstehenden chemischen Verbindungen sind aber keineswegs unwirksam.
sect;. 164. Aensserlich wendet man sie in Pulverform und in Abkochungen, selten in Breiumschlägen an. In der erstem werden sie in Wunden und
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Geschwüre eingestreut, um aussei- der vennehrteu Cohäsion der betref-f'eudeu Tlieile noch eine starke Aufsaugung des Eiters oder der Jauche in das Pulver selbst zu bewirken. Man benutzt sie hierzu bald für sich allein, bald in Verbindung mit andern absorbirenden oder mit erregen­den Mitteln, z. B. mit Kohlenpulver, mit Kamillenblumen, mit Kampher, Myrrhe und dgl. — Im Decoct dienen sie, warm und kalt zu Waschun­gen und Bähungen, zu Fussbädern, zu Einspritzungen und Clystiren, und zwar gleichfalls wieder oft für sich allein, oft aber mit Infusionen von aromatischen Kräutern, mit Spiritus, Terpenthinöl und dgl. ver­setzt, uui dadurch nicht allein die Spannkraft der Fasern zu vermehren, sondern auch die Erregbarkeit in den Nerven und Gefässcn, und somit auch die Resorption ergossener Flüssigkeiten zu verstärken.
Zu bemerken ist, dass weisse Ilaare von den Decocten der adstriu-gireuden Mittel rothlich-braun gefärbt wurden.
Die adstringirenden Pflanzenmittel werden mit Rücksicht auf die in ihnen etwa vorhandenen Nebenbestaudtheile in verschiedene Unter­abtheilungen gebracht. Man unterscheidet: A) rein adstringirende Mit­tel; B) schleimig adstringireude Mittel; C) bitter adstringirende Mittel; J)) ätherisch-ölige adstringirende Mittel; E) säuerlieh adstringirende Mittel und F) adstringirende ^Mittel mit Alkaloiden. Mehrere dieser Mittel sind jedoch in ihren Bostaudtheilen noch nicht genügend be­kannt, und erhalten daher von den Schriftstellern verschiedene Stellen im System der Arzneimittellehre.
A. Rein adstringirende Mittel.
Die Mittel dieser Abtheilung enthalten als vorherrschenden wirk­samen Bestandthel die Gerbsäure, und von ihnen gilt hauptsächlich, was über die Wirkung der adstringirenden Mittel im Allgemeinen (sect;. 158 n. f.) gesagt worden ist.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;
1) Eichenrinde, Cortex Quercus, uinl lai'liciililätler, Folin Qucreic.s.
sect;. 165. a. Die Eichenrinde enthält neben einigen anderen als wirk­samen Eestandtheil die Eichengerbsäure (ca. 12 Proc), welche am reichlichsten in der innern weissen Rinde (dem Bast), besonders der jungen Zweige und im Frühjahre enthalten ist. Diese Gerbsäure löst sich leicht in Wasser auf, etwas weniger im Weingeist und Aether; sie macht mit Auflosungen der Eiscnoxydsalze dunkelblaue Nieder­schläge und beim Zutritt der atmosphärischen Luft bildet sie durch Aufnahme von mehr Sauerstoff Gallussäure1 und Kohlensäure, welche
1 Diese Siuu-e liildet sich auf dieselbe Weise auch in mehreren andern adstrin­girenden Pflanzentheilen, besonders reichlich in den GaUäpfelb. Sie ist von der Gerbsäure hauptsächlich dadurch abweichend, dass sie Auflösungen des Eiweises und des Leims nieht fallt. Für sieh allein wird sie als Arzneimittel fast gar nicht benatzt, ist aber in einigen adstringirenden Mitteln neben der Gerbsäure wirksam. Ihre Wirkungen sind der Gerbsäure sehr ähnlich, aber ortlieb milder. 15ei in­nerlieber Anwendung gebt sie in die Säfte, namentlich in den Urin über. Siebe Wöhler's Vers, in Tiedemann's und Treviranus' Zeitschrift für Physiologie, Bd. 1. S. 140.
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letztere entweicbt, übrigens verhält sie sieh wie g. 15(5 von der Gerb­saure im Allsreiiicinen angesrebeu.
Die Eiehenrinde wirkt stark adstringirend und wird in dieser lliu-sicht nur von dem Kino, dem Ca-techusaft und dem Ratanliia über­troffen. — Sie bringt bei inuerliehor und äusserliehor Anwendung' die im Allgemeinen bezeichneten Wirkungen (sect;. 157, 158) in einem hohen Grade hervor, und findet in allen den angedeuteten Fällen, wo zusam­menziehende Mittel überhaupt passen, ihre Anwendung. Da sie jedoch die Schleimhaut des Magens stark zusammenzieht, seine Secretionen sehr vermindert und hierdurch oft die Verdauung stört, so verdienen die Weidenrinde, die Kastanienrinde und andere bitter-adstringirende Mittel zum innerlichen Gebrauch sehr oft den Vorzug, besonders bei erosser Schwäche der Eingeweide.
Die Gabe, in der sie gereicht wird, ist für Pferde und Kinder 1;2l1:., Unzen, für Schafe, Ziegen und Schweine 1 — 3 Drachmen, für Hunde und Katzen 10 Gran bis 1 Drachme. Es ist bei ihrer inner-Lichen Anwendung das zu beachten, was über die nachtheiligen Wir­kungen der zu lange fortgebrauchten adstringirenden Mittel (sect;. lül) augegeben worden istl.
Man gieht sie innerlich am besten in flüssiger Form und fast immer in Verbindung mit bittern oder aromatischen Mitteln, bei Durchfall auch mit Schleim oder auch mit Opium, bei Faul- und Nervenfiebern mit Mineralsäuren, mit Terpenthinöl, Kampher und dgl. Bojanus (über Seuchen, S. 150) empfiehlt z. B. bei dem langsam verlaufenden Milz­brande: Eichenrinde 4 Unzen, Kalmuswurzel 2 Unzen, Kampher ^ Unze, mit Mehl und Wasser zur Latwerge gemacht täglich auf 4 Gaben vertheilt, bei einem Kinde zu verbrauchen. — Aeusserlich wendet man sie bald allein, bei Gelenk- und Sehnenscheidenwunden, bei zu starken Ausdehnungen, bald wieder mit andern, den Indicationen entsprechen­den Mitteln an, z. ]?. bei zu reichlich eiternden Wunden und Ge­schwüren blos mit Kohlenpulver oder bei stark jauchenden, schlaffen oder selbst brandigen Geschwüren mit pulverisirter Holzkohle, mit Kampher und Myrrhe (z. 13. den ersten beiden ä 1 Unze, von den letz­tern Mitteln ;\ 1 Drachme), zusammen zu einem gleichmässigcn Pulver gemengt und von demselben mich Verhältniss der Menge der sich bil­denden Jauche eine entsprechende Quantität täglich '2 — ;gt; Mal in das Geschwür gestreuet, nachdem dasselbe vorher gereiniget ist. Wo man noch mehr zusammenziehen und austrocknen will, setzt man dem Eichenrindenpulver auch Eisen-, Zink-, oder Kupfervitriol, oder Alaun in verschiedener Menge hinzu.
1 In der Tliierarzneischulc zu Lyon hatte zwar ein Pferd bei den angestellten Versuchen in 20 Tagen mehr als 20 Pfund Eichenrinde ertragen: allein man fand auch, nachdem es getödtet worden, seinen Magen ausserordentlieh zusammenge­schrumpft und die Häute desselben dreimal sd dick als gewöhnlich. — Wäre das Thier am Lehen geblieben, so würden sich auch bald die weitern Folgen jenes Uebermaasses gezeigt haben {Uohier. Mem. et Observations. Tom. I. p. 412).
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Die zum äusserlichen Gebrauch bestimmten Abkochungen werden gleichfalls nach Bedtirfniss der Zufälle entweder rein, oder mit aro­matischen, Spirituosen u. a. Mitteln versetzt, angewendet. — Zu ihrer Bereitung- kann man stets, und namentlich wenn sie zu Fussbädern ver­wendet werden sollen, sehr zweckmässig die grob gepulverte frische Gerberlohe benutzen, da dieselbe bei gleichen Eigenschaften viel wohlfeiler ist, als die aus der Apotheke verordnete Eichenrinde. (Grob pulv. i , Pfd. 4 Sgr. 6 Pfg. - fein pulv. 1 Unze 1 Sgr. 8 Pfg.)raquo;.
b. Die Eichenblätter besitzen, wenn sie grün gesammelt und im .Schatten getrocknet sind, gleichfalls einen ziemlichen Gehalt an Gerb­stoff, jedoch bei weitem nicht in der Menge wie die Eichenrinde. — Ihre Wirkung ist daher schwächer als bei dieser, obgleich im Wesent­lichen mit derselben übereinstimmend. Die Benatzung kann ganz nach den allgemeinen Andeutungen und wie bei der Eichenrinde, aber in stärkern Gaben geschehen.
2) CalläiilVI, türkische, Gallae iureicae. sect;• 167. Sie enthalten weit mehr Eichengerbsäure (gegen 27 — 30 Proc.) als die Eichenrinde, ausserdem auch Gallussäure, gelbfärbenden Ex-tractivstoff, etwas Schleim u. s. w. Ihre Wirkung ist der der Eichen­rinde ganz ähnlich, aber viel stärker. Das Mittel wird daher innerlich nicht gut vertragen, indem es auf die oben angegebene Weise bald die Verdauung stört. Da das Mittel auch theurer ist, als die Eichenrinde, so benutzt man es in der Thierheilkunde nur wenig, kann es aber in denselben Fällen, wo Eichenrinde indicirt ist, innerlich und äusserlich wie diese benutzen. Die Gabe ist zum innern Gebrauch bei Pferden
1 o—1 Unze, bei Hindern
-l'/ä Unze, bei Schafen und Schwei-
nen 1/2 — 1 Drachme, bei Hunden 2 Gran bis 1 Scrupel, bei Katzen 1 — 5 Gran.
Das Tannin, Galläpfelgerbsäure [Acidum iannicum, n. gnlln-tannicum) wird aus den Galläpfeln als chemisches Präparat in Form eines gclbweissen, schwammig-lockeren Pulvers dargestellt, welches in Wasser leicht, in Weingeist und Aether etwas schwerer, aber gar nicht in Fett und fetten Oelen löslich ist und ganz so wirkt, wie dies oben im sect;. 157 angegeben ist. Man benutzt es, seines theuren Preises wegen (1 Drachme 2 Sgr. 4 Pfg.), nur wenig; es leistet aber vortreffliche
1 Wenn Gerberlohe, oder überhaupt Eichenrinde mit siedendem Wasser über­gössen wird uml mit deinsellten in bedeckten Gefässen durch einige Zeit stellen bleibt, so ßtngt sie an zu gähren und entwickelt eine eigenthümliche Ausdünstung, die einen kräftigen, durchdringenden Geruch (den sogenannten Lohegeruch) be­sitzt. Nach inebrfältigen Beobachtungen soll diese Ausdünstung, wenn sie in Vieh­ställen recht stark entwickelt wird, Tliiere jjegen ansteckende Krankheiten und selbst gegen die Rinderpest schützen. Man füllt zu diesem Zwecke kleine Tonnen mit Lohe, übergiesst sie mit heissem Wasser, bedeckt sie und rührt täglich die Flüssigkeit um, bis der starke Geruch sich findet. Nun lässt man die Tonnen offen stehen, setzt aber das Umrühren fort. Die Wirksamkeit dauert einige Wochen, worauf man noch die ausgelaugte Lohe im Stalle ausstreuen und auf diese Weise ihre Ausdünstung noch durch mehrere Tage benutzen kann.
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Dienste imierlich überall, wo die adstringirenden Miltel passend sind, besonders gegen das asthenische Blutharnen, gegen asthenische Diar­rhöe und Eukr, gegen Vergiftungen mit Brechweinstein, mit Strychnin, Opium und Belladonna, — äusserlich gegen Blutungen, Gelenk- und Sehnemvunden, Speichelfisteln, üppige Granulation und dgl. Man gieLt Pferden und Kindern '/^— 2 Drachmen, Schafen, Ziegen und Schweinen 10 Gran bi^ ^ Drachme, Hunden und Katzen 1 — 10 Gran, in blossem Wasser oder in bittern oder aromatischen Flüssigkeiten (2 — 5 Gran auf 1 Unze), auch in Latwergen und Pillen. Aeusserlich wird es als Pulver dick aufgestreuet und (wo es sein kann) mit einem Druckver­band bedeckt, oder auch 1 Drachme in 1 Unze destillirten Wassers ge­löst, mit einem Pinsel auf die Gelenkwunden und dgl. täglich mehr­mals aufgestrichen.
3) Eicheln, Glancles Quercus s. Gl. quercinae.
%. 168.
Die Eicheln enthalten Eichenglt;?rbsäure in weit geringerer Menge als die Eichenrinde, dafür aber viel Stärkemehl, Schleim, Harz, etwas Bitterstoff u. a. lösliche Theile. Sie wirken gelind adstringireud, stär­kend und nährend, und sind in letzterer Beziehung für Schweine ein sehr kräftiges Xahrungsmittel, bei dem sie gut gedeihen und sehr der­ben, körnigen Speck ansetzen'. Zugleich dienen die Eicheln als diäte­tisches Heilmittel bei chronischen asthenischen Krankheiten, vorzüglich der Schweine und der Schafe, bei schlechter Verdauung, bei Durchfall, bei Eingeweidewürmern, Wassersucht und Fäule, bei der Borstenfäule der Schweine, bei chronischen Hautausschlägen, welche aus Cachexie entstanden sind, und dgl. Man benutzt sie für Schweine unzerstossen, für Schafe und für die übrigen Thiere aber grob pulverisirt, und zwar entweder ohne weitere Vorbereitung oder über Feuer geröstet (Gltmdes Quere, tosfae). In letzterem Zustande enthalten sie noch etwas brenz-liches Oel, und wirken zugleich etwas erregend auf die Verdauungsein­geweide und auf das Gefässsystem.
Man reicht sie gewöhnlich ohne genaue Bestimmung der Menge zu 1—-2 Hände voll auf ein Futter, in Verbindung mit Mehl, Kleie, Schrot und dgl. etwas angefeuchtet oder im Getränk. Zweckmässig ist der Zusatz von etwas Kochsalz, theils um den Appetit mehr zu erregen, theils um die sonst leicht eintretende Verstopfung des Leibes zu ver­hüten. Bei Durchfall, wenn derselbe auf Erschlaffung und Schwäche beruht, und der Ruhr der Schweine bereitet man aus Kamillenblumen
' Von den übrigen Thievcn werden die Eicheln nicht so gut ertragen. Kühe, welehe in eine zu reichliche Eichelmast ohne andere Nalirung kamen, erkrankten mit Mastdarmzwang, Hervordrängen der Mastdarmschleimhaut, Abgang von Blut, sie stöhnten, wurden sehr schwach, hläheten auf und starben. Bei einundzwanzig Stück erfolgte so der Tod binnen acht Tagen nach dem Anfang der Mast und nach fünftägigem Kranksein. Die Section zeigte; den Pausen mit Eichelbrei erfüllt, seine Schleimhaut verdickt, die des Laabmagens entzündet, die des Zwölffingerdarms und Orimmdarms angeätzt, die des Mastdarms blauroth, blutig, hervorgedrängt n. s. vr. — Zeitschr. des landw. Central-Vereins zu Frankfurt n O. Bd. II. S. 190. HBRTWIG, Arzueiraittcllehre.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;8
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1 Unze mit i! Pfund siedenden Wassers ein Infusum und macht mit demselben und mit Mehl einen dünnen Brei, zu dem man noch 2—3 Löffel geröstetes Eichenmehl thut, und ihn dann den Thieren vorsetzt. Sie fressen denselben sehr gern und werden bald geheilt. {Gland. Quere, tost. 1 Unze kostet 1 Sgr., l/2 Pfd. 4 Sgr. 6 Pfg.)
4) Tonuentiliwuriel (Riihrwurzel, Blutwurzel), HaäixTormentiUae (u).
sect;. 109. Sie besitzt über 24 Proc. Gerbsäure in Verbindung mit einem eigenen Stoff', dem Tormentillroth, mit etwas Gummi u. s. w. Diese Wurzel gehört daher mit zu den stärksten rein adstringirenden Mitteln. Ihre Wirkungen sind ganz von der Art. wie sie bei den rein adstrin­girenden Mitteln bekannt und im Allgemeinen (sect;. 155, 156) ange­deutet sind. Daher kann das Mittel auch nach den allgemeinen Anzei­gen innerlich und äusserlich bei denjenigen asthemschen Krankheiten gebraucht werden, bei denen die zusammenziehenden Mittel überhaupt nützlich sind. Ehemals benutzte •man diese Wurzel häufiger als jetzt, und hauptsächlich bei der Ruhr und bei dem Blutharnen, woher sie auch den Namen: „Kuhrwurzel und Blutwurzelquot; erhalten hat. Sie leistet bei diesen und bei ähnlichen Krankheitsznständen, wenn dieselben wirklich in Erschlaffung begründet sind, ganz vortreffliche Dienste, verlangt aber so wie alle stark adstringirenden Mittel bei der Anwendung einige Vorsicht, besonders bei fortgesetztem innerlichem Gebrauch. Hinsichtlich der Gabe, Form und Verbindung sind die allge-mehien Andeutungen zu befolgen.
5) Natter- oder Schlangenraquo;uwl, Radix Bisiortae (quot;).
sect;• 170.
Die Natterwurzel enthält Gerbsäure in Verbindung mit vielem Stärkemehl. Durch das letztere sind die adstrimnreuden Wirkungen des Mittels gemildert, so dass es darin der Tormentillwurzel und der Eichenrinde sehr nachsteht, aber auch leichter verdaulich ist und besser ertragen wird als diese Mittel. Sie verdient daher besonders bei jungen Thieren, bei nicht zu grosser Erschlaffung und bei einem noch massigen Grade von Empfindlichkeit und Reizbarkeit den Vorzug vor diesen Mitteln. Andere als die adstringirenden Wirkungen besitzt sie aber nicht, und sie ist deshalb auch ganz wie die vorher genannten Mittel innerlich und äusserlich anzuwenden.
Auch in der Gabe und Form, und in der Zusammensetzung mit andern Mitteln, ist bei der Anwendung wie bei den übrigen adstrin­girenden Mitteln zu verfahren.
(!) tafediii, €a(echiisaft, Japanische Erde, Catechu s. Terra japonica.
sect;. 171.
Dieser erhärtete Pflanzensaft besteht zum grössten Theile (mehr
als die Hälfte) aus Gerbsäure, die mit einem eigenthümlichen Extrac-
tivstoff, mit einer eigenthümlichen Säure (Tanningensäure^ und mit
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wenigem (jummi verbunden ist. Durch Jen reichen Gehalt an Gerb-stofi' ist das Catechu der Eichenrinde, den Galläpfeln und der Tornien-tilhvurzel sehr verwandt; es unterscheidet sich aber von diesen Mitteln dadurch, dass es leichter auf'löslich und leichter assimilirbar ist, und dass seine Wirkungen zwar sehr kräftig, aber örtlich viel milder als bei der Eichenrinde u. s. w. erfolgen. Dieselben sind rein adstringirend, ohne bemerkbare Nebenwirkungen, und sie verbreiten sich ziemlich schnell über andere Organe.
Diese Eigenschaften, und da das Catechu sehr wohlfeil ist, würden denselben als eins der vorzüglichsten adstringirenden Mittel, besonders zur innerlichen Anwendung empfehlen, wenn derselbe nicht mehren-theils zu sehr mit fremdartigen Stoffen verfälscht wäre. Aus diesem Grunde wird er nur selten gebraucht. (1 Unze kostet 1 Sgr. 2 Pfg.)
Benutzen kann man ihn innerlich und äusserlich überall, wo rein adstringirende Mittel jiassend sind; besonders aber hat man ihn gegen heftigen Durchfall und Ruhr, gegen Harnruhr und Blutharnen bei allen Hausthieren mit sehr gutem Erfolge angewendet.
Die Gabe ist für Pferde und Rinder 2 Drachmen bis ij2 Unze; für Schafe und Schweine J/a — 2 Drachmen; für Hunde '/j Scrupel bis 1 Drachme, täglich 3—4 Mal. — Das Mittel lässt sich gleichmässig gut in Latwergen, in Pillen und in flüssiger Form anwenden. Man giebt es selten allein, sondern in Verbindung mit bittern und aromatischen Arzneien, bei hartnäckigen Diarrhöen auch mit Opium versetzt. Eng­lische Thierärzte empfehlen in solchen Fällen, wo mit dem Durchfall zugleich ein gereizter Zustand des Darmkanals und übcrmässige Säure­bildung in demselben besteht, eine Verbindung aus Catechu (für Kinder etwa 2 — 3 Drachmen), Opium (i/j—1 Drachme) und gebranntem Kalk (1 Unze, besser Magnesia oder Kreide), — täglich 2 — 3 Mal wieder­holt zu geben 1.
Anmerkung. Dem Catechu in der IJeschaffenlieit .und Wirkung ähnlieh ist o) das Kino (Gummi Kino), und b) das DracheuMut (ßantjuis JJraconis); sie sind jedoch entbehrlich und zu theuer. Das letztere dient jedoch als ein Bestandtheil des sogenannten Cosme'schen Pulvers (siehe Arsenik). Ferner: c) die Ratanhia-wurzel {Rad. liafanhiac), welche viel (eisengriinende) Gerbsäure, in Verbindung mit etwas bitterm Kxtractivstoff, Schleim u. s. w. enthält und ein sehr kräftig ad-stringirendes Mittel ist. Sie kann wie die übrigen Mittel der Art angewendet wer­den, ist aber zum Gebrauch bei den grossen Thieren zu theuer (1 Drachme 5 Sgr. 6 Pfg.)- — lt;Q Die Granatäpfelschalen (Cortex (Jranatormn), die Granatäpfel-hlnihen (Flures Balanstiornm) und die Rinde der Wurzel des Gra natap fei-baums (Coi-tex Radicis Punicae Granati). Sie enthalten neben einigen andern Stoffen vorzüglich Gerbsäure, besonders reichlich die Granatäpfelschalen; sie sind kräftig adstringirend, aber zum thierärztlichen Gebrauch durch die wohlfeilem inlandischen Mittel zu ersetzen. Die genannte Wurzelriude scheint jedoch noch andere speci-tische Bestandtheile zu enthalten , da sie sich als ein sehr wirksames specitisches Mittel gegen Eingeweidewürmer, besonders gegen den Bandwurm erprobt hat. Die Gabe ist für Pferde und Rinder 5 — 6 Unzen, für Schafe und Schweine 1 —2 Unzen, für Hunde '/s Drachme bis quot;2 Unze, täglich 2 — 3 Mal. Mau lässt die Wurzel (am besten die ganz frische) durch einige Stunden in Wasser weichen und dann tüchtig kochen und benutzt die colirte Flüssigkeit. Das Mittel ist, bei den grossen Gaben, zu theuer und durch Farrenkrautwurzel, Kosso und Kamalu besser zu ersetien.
The Veterinarian. 1830. Januar S. 45. 4laquo;.
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e. Ziemlich rein adstringireiide Mittel, aber von geringerer Wirk­samkeit und daher grös-stfiithiils jetzt ausser Gebrauch sind noch: das Kraut des Augentrostes (Herha Euphrasiae offichi. et rubrae), das Berufs kraut {H. Sideritidis), die Brombeer blatter (Folia Bubi villosi), das Eisenkraut (H. Verben ac), das Fü nf fing erkrau t {H. Pentaphylli), das Heidekraut (H. Ericae vulg.), die Hauhechel (//. Ononidin spinosae), die Katzenpfötchen (Pisskraut) {Flores et Herba Onaphalii, (beide uriutreibend), versebiedene Species der Gna-phalien), Meernelke, Kraut und Wurzel (H. et Radix Statices Arme-riae), Odermennige (//. Ayrimoitiae), Sanikelkraut [H. Saniculae), Silberkraut {H. Potentillae argenteae), Storchschnabel, gefleckter (H. Gerann macnlati), taube Nessel {Lamium album), und Wege­breit (H. Plantaginis majoris).
B. Schleimige adstringixende Mittel.
Schleim und Gummi findet sich in geringer Menge neben der Gerb­säure in vielen Pflanzen, jedoeb, dieser geringen Quantität wegen, ohne wesentliche Bedeutung für die Wirksamkeit derselben. In grosser Menge sind sclileimige Bestandthcile neben den adstringirenden nur in wenigen Vegetabilien vorhanden. Die letztern sind bei ihrer Anwendung auf den thierischen Organismus von der im Allgemeinen bezeichneten ad­stringirenden Wirkung darin etwas abweichend, dass die örtliche Ein­wirkung auf die unmittelbar berührten Stellen etwas milder ist als von den Mitteln der ersten Abtbeilung. Auch scheinen sie eine besondere Beziehung zu den Nieren zu haben, denn sie vermehren auf gelinde Weise die Urinsecretion.
7) l'lmdii'iiide, Dlmenbast, Cortex Ulmi interior (n). sect;#9632; 172.
Der innere Theil der Rinde (der Bast) des Ulmus cawpe.üns ent­hält (nach Rinck) in 18 Unzen über S1^ Quentchen Gerbsäure, gegen S1/, Loth gummigen Extractivstoft' u. s. w., und wirkt massig adstrin girend, die Absonderung der Schleimhäute und eiternder Flächen ver­mindernd, die des Urins aber gelind vermehrend.
Sie kann nach den allgemeinen Indicationeu (sect;. 159) angewendet werden, scheint aber bei Diarrhöe, Ruhr und Wassersuchten mit astbe-nischem Character den Vorzug vor den rein adstringirenden Mitteln zu verdienen. Auch ist sie bei veralteten Hautausschlägen empfohlen. — Man giebt sie Pferden und Rindern zu 2 — 4 Unzen; Schafen und Schweinen zu 1 — 2 Unzen; Hunden zu ^ Scrupel bis 1 Drachme täglich 2—3 Mal, am besten im Decoct. — Aeusserlich ist die Ulmen­rinde wie die adstringirenden Mittel überhaupt zu benutzen, ausserdem aber hat Laubender das Decoct (1 Unze zu 6 Unzen Colatur) als Waschmittel gegen die Räude der Hunde empfohlen. 8) Grindwnrzel, Rndix Lapathi (aeufi) (0). sect;. 173.
Als wirksame Bestandtheile enthält sie Gerbstoif, einen eigenthüm-liehen Stofi' {Rundem oder Lnpat/iin), Harz, Stärkemehl, mit kratzendem
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Bitterstoff und mit Schleim. Sie wirkt stärkend, zusammenziehend und zugleich urintreibend. In der tonischen Wirkung steht sie der Weiden-rimle ziemlich nahe. Thierarzt Scalleröd fand sie den Wirkungen des Enzians ähnlich1; sie unterscheidet sich abei- von ihm t'neils durch ihren Gehalt an adstiingirendem Princip und durch die hierdurch er­zeugte stärkere Zusammenzühung der Fasern, theils durch die reizende Einwirkung auf die Urinwerkzeuge. Vitet2 hält die letztere für die Hauptwirkung der Wurzel, und diese selbst als ein gefährliches Mittel für Schafe, giebt jedoch keinen Grund für diese Behauptung an. Die­selbe ist als ein wirksames stärkendes Mittel bei Schwäche und Unthä-tigkeit der Verdauungseingeweide, bei veralteter Druse, bei Verseh'ei-mnng und Husten, bei Diarrhöe und dgl. zu benutzen. Gegen Flechten, Räude und Wurm ist sie seit alten Zeiten als ein Specificum innerlich und äusserlich gebraucht wurden3. Sie leistet auch wirklich bei Flech­ten und Eäude in den meisten Fällen recht gute Dienste, wenn das üebel nicht schon zu sehr veraltet ist. Vitet schreibt hierbei ihre heil­same Wirkung der urintreibenden Kraft allein zu, jedoch wohl mit Un­recht, da sie auch durch Besserung der Verdauung und Säftebereitung gewiss eben so viel zur Heilung beiträgt.
Zum innerlichen Gebrauch giebt man die getrocknete Wurzel für Pferde und Kinder zu 1—2 Unzen; für Schafe und Schweine zi 3—6 Drachmen; für Hunde zu '/a — i1^ Drachmen, täglich 2—3 Mal. Von der frischen Wurzel giebt man die drei- bis vierfache Menge auf einmal. Man kann sie in Latwergen, Pillen oder Abkochungen (die frische Wurzel gequetscht) anwenden, und mit Wachholderbeeren, mit Kalmus, mit Schwefel oder mit Spiessglanz-Präparaten verbinden.
Aeusserlich wendet man die Wurzel theils in Waschwassern, theils in Salben an. Zu den erstem benutzt man Abkochungen, die entweder einfach mit Wasser, Bier, Essig oder Aschenlauge (1 Unze von der Wurzel zu 12 Unzen Flüssigkeit) bereitet sind, oder zu denen man noch andere Mittel hinzusetzt; z. B. nach Kersting's Vorschrift: zer­schnittene Grindwurzel, zerschnittenes Schöllkraut und Wurzel, von jedem vier Hände voll, Alaun, 4 Unzen, Essig, 2 Quart (6 Pfund), kocht alles zusammen durch eine halbe Stunde und seihet die Flüssig­keit durch.
Damit werden die räudigen Stellen täglich einmal, und durch 5 — 6 Tage wiederholt gewaschen.
Die Salben werden gleichfalls entweder einfach aus der pulve-risirten Wurzel mit Schweinefett zu gleichen Theilen, oder mehr com-plicirt mit Zusatz von Schwefel, von schwarzer oder weisser Nieswurz, von Lorbeeren und dgl. bereitet.
Anmerkung. Mit den vorstehend angegebenen Heilkräften der Wurzel des spitzblätterigen Ampfers (ßumex acutus), kommen die Wurzeln von meh­reren andern Ampferarten grösstentheils überein, namentlich vom Wasserampfer
1nbsp; Veterin. Selskab. Skrift. 1 Deel. S. 329.
2nbsp; a. a. O. S. 192, 193
3nbsp; Daher der deutsche Name: „Grindwurzelquot;.
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I /?. aqnaiirns), vom .s t u in p f b 1 ä 11 e r i g e n A m p fe r (11. ohtitsi/olivs i und vom Ci e -mfiseampfer (//. Patinilia), und dieselben sind daher zu Shnlicher Benutzung ge­eignet.
C. Bittere adstringirende Mittel.
Sie besitzen neben der Gerbsäure einen bedeutenden Antheil von eigentlieb bitterm Extractivstoff und einige auch nocli andere, dem bit­tern verwandte Bestandtheile. Durch diese Verbindung ist die Wirk­samkeit der hierher gehörigen Mittel in der Art modiücirt, class sie mehr als die rein adstringirenden Arzneisubstanzen die Verdauung und Assi­milation befördern, die Blutbildung begünstigen, dabei aber auch stark contrahiren und die Secretion beschränken.
9) Weldeiilludc, Cortex Salioia.
sect;• 174.
In der Eiude aller inländischen Weidenarten, vorzüglich aber in der der Sal. Helix, fragilis, pentandr. praecox, alba u. a. ist neben der eisengrünenden Gerbsäure (3—16 Proc.) ein krystallisirbarer, anhaltend bitter schmeckender, eigenthümlicher Stoff in ziemlicher Menge enthal­ten. Ausserdem etwas Harz, Gummi, Färbestoff u. s. w. als unwesentliche Bestandtheile. Jener Bitterstoff, das Weideubitter (SaKcm), wurde zuerst irrthümlich für ein Alkaloid betrachtet; es besteht aus Kohlen­stoff, Wasserstoff und Sauerstoff, und löst sich in Wasser und Wein­geist leicht auf, aber nicht in Aether und ätherischen Oelen. Die Gerb­säure findet sich am meisten in der Kinde des Stammes und der alten Aeste, das Salicin ist dagegen am meisten in der Kinde der Jüngern Zweige, auch in den Blättern und Bltttheu enthalten. Auch besitzen ge-wiss die verschiedenen Weidenarten einen verschiedenen Gehalt dieser Stoffe.
So wie die Weidenrinde in materieller Hinsicht eine natürliche Verbindung von adstringirendem Princip und Bitterstoff darstellt, eben so sind auch ihre Wirkungen gleichfalls aus denen der zusainmeu-ziehenden und bittern Mittel zusammengesetzt, im Allgemeinen ad-stringirend-stärkend. Ihre zusammenziehende Wirkung ist jedoch viel schwächer als die der Eichenrinde und der Tormentilhvurzel; dafür belästiget sie aber auch örtlich den Magen und Darmkanal weniger als diese Mittel, und wird daher selbst, von schwachen Verdauungseinge-weiden mehrentheils gut ertragen. Die stärkende Wirkung ist auch nicht ganz mit denen der bittern Mittel übereinstimmend, da sie theils durch das zusammenziehende Princip zugleich und unmittelbar mit einer stärkeren Contraction der Faser, theils vermöge des bittern Stoffes mit einer eigenthümlichen, gelinden Erregung und wirklichen Stärkung des Nervensystems verbunden ist. Diese Wirkungen sind denen der China­rinde sehr ähnlich, und die Weidenrinde kann daher die letztere, welche zum thierärztlichen Gebrauch viel zu theuer ist, fast ersetzen'.
1 Man hat schon seit langer Zeit die Weidenrinde als das vorzüglichste Surro­gat der China betrachtet, und die in der neuem Zeit stattgefnudene Entdeckung des, den Alkaloiden der China ähnlichen, Salicin, bestätiget allerdings die grosse innere Aehnlichkeit derselben noch weit mehr, als man sie früher vermuthete.
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Die Anwendung der Weidenrinde kann innerlich und äusserlißL ganz bei denselben verschiedenen Krankheiten geschehen, gegen welche die adstringirenden Mittel im Allgemeinen empfohlen si;id(sect;. 159). Zum Innern Gebrauche zieht mau sie in den meisten Fällen der Eichenrinde und den übrigen stark zusammenziehenden Mitteln vor, weil sie milder wirkt und besser von den Verdauungseingeweiden ertragen wird als diese; sie passt vorzüglich da, wo man nicht allein stärken, sondern auch den Tonus vermehren muss und wo daher die bittein Mittel für sich allein nicht ausreichend oder schon vergeblich angewendet sind, wie z. B. bei asthenisch gastrischen Fiebern, bei Faul- und Nerven­fiebern, bei cachectischen Fiebern und sehr starken Ausleerungen aller Art; äusserlich bei dem kalten Brande, bei Geschwüren mit vorwal­tender Erschlaffung, bei Quetschungen mit starker Ausdehnung und Erschlaffung der Theile und dgl. — Ist jedoch die Erschlaffung zu gross oder zu hartnäckig, so verdienen auch wieder zuweilen die rein adstringirenden Mittel in Verbindung mit aromatischen und Spirituosen Mitteln den Vorzug vor ihr. — Die im Allgemeinen angegebenen Ge-genanzeigen sind auch bei der Weidenrinde zu beachten. Die Gabe ist wie bei der Eichenrinde, kann aber auch etwas grosser sein als von dieser Eichenrinde. Hinsichtlich der Form und Verbindung mit andern Mitteln gilt Alles, was bei den adstringirenden Mitteln überhaupt, und was bei der Eichenrinde hierüber gesagt worden ist. (1 Unze 1 Sgr. 8 Pfg., Vss Pfd. 4 Sgr. 6 Pfg.)
Das Saliern ist nicht gebräuchlich; eben so das Extract.
10) Pa|ipeliliide, Cortex Populi i?).
sect;. 175.
Die Einde der meisten Pappelarten enthält fast ganz dieselben Bestandtheile wie die Weidenrinde, das adstringirende Princip ist aber, so wie der Bitterstoff durchgehend in geringerer Menge vorhanden, als in dem letztem Mittel. Die Pappelrinde ist daher von sehr ähnlicher, aber von schwächerer Wirksamkeit als die Weidenrinde, in deren Er­mangelung sie jedoch wie diese zu benutzen ist.
Die Kinde von der Zitterpappel {Pnpnlus tre.nnda L.) ist in Norwegen schon lange als ein wurmwidriges Mittel bekannt. Thierarzt Sievertsen versuchte sie daher bei gastrischen Krankheitszuständen der Pferde, bei denen er Eingeweidewürmer vermnthete, und fand sie von ansserordentllcher Wirksamkeit. Er gab die pulverisirte Einde täg­lich zu einem halben Pfunde in Latwergenform, und schon in 24 Stun­den gingen Würmer ab. Man soll jedoch nur die Rinde der jungen Zweige und vor Entwickelung der Blätter einsammeln (s. Veterin. Selskab. Skrifter, 1 Deel, S. 330).
Anmerkung. Die ehedem gebränchlieh gewesene Pappelsalbe (Unyuentum populeum), die aus den I'appelknospen, Saft von schwarzem Nachtschatten, Kletten­kraut, Salat, Hauswurzel, Bilsenkraut und Schweinefett bereitet wurde, und welche als schmerzmilderndes, erweichendes Mittel sehr gerDhmt war, ist ganz zu ent­behren.
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11) RiiNskasUiiieiiriiide, Cortex Uippocasimn (quot;). sect;• 176.
Diese Einde enthält Gerbsäure (gegen 2 Pioc.) mit bitterm Extrac-tivstoff, etwas Harz, Gummi, Farbestoff u. s. w. als unwesentliche Be-standtheile.
Ihre Wirkungen sind fast ganz dieselben wie bei der Weidenrinde und sie ist daher auch wie diese zu benutzen; sie soll jedoch etwas schwerer verdaulich sein als letztere, und deshalb derselben bei dem innerlichen Gebrauch nachstehen.
Auch die Kosskastanienrinde ist als ein Ersatzmittel der China empfohlen.
Anmerkung 1. Die {tischen Kastanienblätter besitzen einen gelind zusam­menziehenden, bitterlichen Geschmack, und eine milde stärkende Wirkung. Alle pflanzenfressende Thiere gemessen sie gern, und man kann sie daher bei asthe-nischen Krankheiten als ein zweckmässiges diätetisches Mittel benutzen.
Anmerkung 2. Die Samen des Kastanienbaums (die sogenannten wilden oder Rosskastanien) bestehen grösstentheils aus Starkemehl, in Verbindung mit einem hitter- herben Stoffe. Sie werden von Rindern und Schafen, vorzüglich aber von Schweinen und Ziegen gern gefressen (weniger von Pferden) und sind für alle diese Thiere nicht nur ein gedeihliches Nahrungsmittel, sondern auch ein vortreff­liches diätetisches Heilmittel, welches man bei und nach asthenischen und cachec-tischen Krankheiten, z. B. bei langwieriger Druse, bei Schleimschwindsucht, bei ehromschem Husten mit vielem Auswurf, bei und nach Durchfall, hei der Fäule. Bleichsucht und Wassersucht der Schafe u, s. w., mehr benutzen sollte, als es ge­schieht. Die Kastanien sind auch als ein Verbesserungsmittel des nass geernteteu und verdorbenen Futters, und als Präservativmittel gegen die von demselben ent­stehenden Krankheiten zu benutzen. Man gebraucht sie, wie die Eicheln, sowohl frisch als getrocknet und über Feuer geröstet. Durch das Rösten entwickelt sich in ihnen etwas Empyreumatisches, wodurch sie zugleich eine gelind reizende Wirkung erhalten. Am besten giebt man sie den Thieren zerstampft und mit anderm Futter, oder auch mit etwas Wachholderbeeren und Kochsalz gemengt.
12) Grüne Wallnusssclialen, Putameu s. Cortex tiiicmn Juylundiuni (0).
sect;#9632; 177.
Die äussere grüne Schale der Wallnüsse besitzt als Hauptbestand-theil die Juglassäure (welche durch Einwirkung der Luft und der Alka­lien sich der Gallus- und Eicheugerbsäure ähnlich macht), dabei einen scharfen Bitterstoff, welcher letztere jedoch an der Luft in kurzer Zeit sehr verändert und zum Theil unwirksam wird. Im frischen Zustande sind sie kräftiger als im trocknen. Sie wirken ziemlich stark adstrin-girend, erregend und stärkend, und können daher innerlich und äusser-lich in allen Fällen angewendet werden, wo bittere und zusammen­ziehende Mittel angezeigt sind. Besonders haben sie sich innerlich gegen Würmer, äusserlich bei schlaffen, unreinen, schlecht granuliren-den Geschwüren, bei Kuochengesehwüren, bei heftigen Quetschungen, bei dem Brande vom Durchliegen, bei Räude und veralteten Flechten, recht nützlich gezeigt. — Ausserdem benutzt man sie äusserlich zum Vertreiben der Läuse und Flöhe, und als ein sehr wirksames Schutz­mittel für die Thiere gegen Insekten.
Die Gabe für die verschiedenen Hausthiere ist wie bei der Eichen­rinde. Die zweckmässigste Form ist die Abkochung; zum inuern Ge-
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brauch eine Unze von den frischen Schalen mit l'/2 Pfund Wasser zu 1 Pfund Colatur; zum äusserlichen Gebrauch dieselbe Menge zu 8—1U Unzen Colatur. Verbindungen mit andern Mitteln werden nach Be-dürfniss der Umstände und wie bei den übrigen adstringireuden Mit­teln gemacht.
Bei der äusserlichen Anwendung des Decoctes erhalten weisse Haare ein braunröthliches, fuchsiges Ansehen, welches sich aber nach einiger Zeit, wieder verliert.
Das von Eysz empfohlene Extract, welches durch Auskochen der Wallnussschalen mit Wasser und durch Eindicken der Flüssigkeit bis zur Consistenz des Honigs bereitet wird, besitzt dieselben Wirkungen wie die Schalen selbst, und kann auch wie diese benutzt weiden. Die Dosis ist für Pferde und Rinder 1'/a — 2 Unzen; für Schafe und Schweine 2—6 Drachmen; für Hunde 5 — 20 Grau (0).
Anmerkung. Die frischen Blätter des Wallnussbaiims sind etwas mehr bal­samisch bitter und herb; sie besitzen sehr ähnliche Heilkräfte wie die grüueu Nuss-schalen, und können daher für dieselben Zwecke angewendet werden. In neuerer Zeit sind sie get:en verdächtige Druse, Rotz und Wurm mehrfältig gerühmt worden. Die Gabe ist für Pferde und Rinder 2—4 Unzen, für Schafe l/j—1 Unze, für Hunde 1 Scrupel bis 1 Drachme, täglich 2 — iraquo; Mal, — am besten im Decoct und für sich allein.
Die trockenen Hlätter giebt man in denselben Mengen im Decoct, in Pillen und Latwergen. (1 Unze 1 Sgr. und 2 Pfg., '/j Pfd. 5 Sgr.
13) Pärberrülhe (Krappraquo;inzel), Eadix Suiiae tinetorum laquo;. iinetoriae. sect;• 178.
Diese Wurzel enthitlt als Hauptbestandtheil zwei sehr gelind ad-stringirend wirkende Färbestoffe in Verbindung mit etwas beissendem bittern Extractivstoff, etwas Harz, Gummi u. s. w. — Sie wirkt örtlich sehr gelind zusammenziehend, profuse Absonderungen beschränkend, im Allgemeinen gelind stärkend. — Der Färbestoff dieser Wurzel geht leicht und in kurzer Zeit in die Säfte über und färbt die Galle, den Urin, die Milch und die, Knochen roth. Je jünger die Thiere sind, um desto schneller und leichter geschieht dies, z. B. bei jungen Tauben und Hühnern schon mit 2 — 3 Drachmen der trocknen Wurzel. Die dichte Substanz der Knochen wird dunkler roth gefärbt als die schwam-michte. Die Beinhaut, Knorpel und Bänder verändern ihre Farbe fast gar nicht. — Diese Färbung beruht auf einer materiellen Ablagerung des unverdauet und unverändert in die Säfte getretenen Färbestoffes; sie vermindert sich daher auch wieder, wenn der Genuss der Färber-röthe aufhört, und verschwindet zuletzt gänzlich.
Die Färberröthe kann wie die übrigen bitter zusammenziehenden Mittel bei den verschiedenen asthenischen Krankhcitszuständen, die mit Erschlaffung und Auflockerung verbunden sind, angewendet wer­den; da sie jedoch nur von geringerer tonischer Wirksamkeit ist, als die Weidenrinde, Kastanienrinde u, a., so wird sie jetzt nur selten benutzt
Wegen der sichtbaren Einwirkung ihres Farbestoffes auf die Kno­chen, schrieb man ihr auch speeifische Heilkräfte auf diese Gebilde zu
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und benutzte sic deshalb bei allen Kranklieitszuständeii derselben sehr häufig. In der neuem Zeit ist man aber von ihrem Gebrauch zurilck-gekommen; ich habe sie jedoch in mehreren Fällen, wo ein eaehec-tischer Zustand mit Auftreibung oder Erweichung der Knochen am ganzen Körper, oder Auflockerung der Beinhaut zugegen war, und eben so bei cariösen Geschwüren, bei Pferden, Rindern und Hunden mit gutem Erfolge innerlich angewendet.
Gabe und Form ist wie bei Eichenrinde, und man giebt die Wurzel gewöhnlich mit bittern und ätherisch-öligen Mitteln, mit Spiessglanz und mit [Eisenpräparaten. Da die Wurzel keinen auffallenden oder widrigen Geschmack veranlasst, so kann man ihr Pulver auch mit dem Futter mengen und so den Thieren ohne Mühe beibringen. —#9632; Das Mittel muss stets durch einige Zeit fortgebraucht werden, wenn man einen guten Erfolg davon sehen will. (1 Unze 1 Sgr. 8 Pfg., pulv. 2Sgr. 4Pfg.j
Anmerkung 1. L)as Kraut der Färberrüthe besitzt ähnlicbe, aber etwas schwächere Wirkungen als die Wurzel. Es wird von den Sebafen gern gefressen und kann ihnen bei Neigung zur Fäule, bei beginnender atoniseher Wasscrsucbt und in ähnlichen Fällen mit Nutzen als ein diätetisches Heilmittel für sieb allein raquo;der mit Heu oder Strob gemengt, gereieht werden.
Anmerkung 2. Zu den bitter-adstringirenden Mitteln gehören auch; der Buchsbaum (die Blätter, Folia Jinxl sempervirentls), von ekelhaft-zusammen­ziehendem Geschmaek. Ausscr der gewöhnlichen Wirkung der bitter-adstringiren­den Mittel soll das Decuct, beim Rindvieh in grossen Gaben gereieht, purgirend wirken, und äusserlieb angewendet soll es den Haarwuchs befördern. Die Anwen­dung muss aber täglich und durch vier Wochen geschehen. — Die Blätter der Bärentraube {Folia Uvaewsi), Sie enthalten mehr Gerbsäure und Gallussäure als die vorigen, ausserdom bittern Extractivstotf u. s. w. Die Wirkung entspricht den allgemeinen Angaben, ist aber zugleich massig uriutreibend. Die Anwendung geschieht nach allgemeinen Indieationeu und gegen Wassersüchten. — Winter­grün, doldenblUthiges und rundblätteriges (Fol. Pyrolae innhcllatac et rotmidifoliae), ähnlich wirkend wie die Bärentraube. — Eschen- und Aborurinde (Cortex Fraxini et Acei'is), eben so die innere Rinde von mehreren Nadelhölzern, namentlich vom Lärcheubaum, von Fichten und dgl. Alle diese Mittel sind jedoch von schwacher Wirksamkeit.
D. Aetherisch-ölige adstringirende Mittel.
Die Verbindung der Gerbsäure mit ätherischem Uel kommt nicht bei vielen Pflanzenarten vor. Durch diese Verbindung erhalten einige Arzneimittel eine eigenthiimliche Wirksamkeit, indem von ihnen nicht nur die Contraction und Gohäsion der organischen Fasern vermehrt, sondern auch die Nerventhätigkeit (besonders in den Gangliennerven) erhöhet, die Resorption befördert, übermässige Absonderungen aber beschränkt werden.
14) Nellenwurzel, Radix Caryophyllatae.
sect;• 179. In dieser Wurzel ist der Gerbstoff mit etwas gummiartigem Bit­terstoff und mit einem angenehm nach Gewürznelken riechenden flüch­tigen Oel verbunden. Letzteres ist jedoch nur in ganz unbedeutender
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Menge zugegen, und eben so ist auch der adstrmgirende und bittere 8toff in verliältnissmässig geringerer Menge vorhanden, als in den be­reits beschriebenen adstringirenden Mitteln. — Mau hat die Nelken-wurzel mit der China - und der Weidenrinde verglichen, und sie eben­falls für ein Surrogat der ersteren betrachtet; sie hat allerdings einige Aehnlichkeit mit diesen Mittelraquo;, ist aber durchaus nicht übereinstim­mend mit denselben; denn in materieller Hinsicht fehlen ihr der starke Hitterstoft' und die Alkaloide dieser beiden Rinden, und ihre Wirkung ist im Allgemeinen weniger kräftig tonisch, und der spe'iitische Ein-fluss der China auf das Nervensystem fehlt ihr fast ganz. Deutlich her­vortretende, flüchtige, erregende Wirkungen bemerkt man von ihr selbst nach grossen Gaben nicht, und ihr flüchtiges Prfucip scheint überhaupt von keiner wichtigen Bedeutung zu sein. Ihre eigentliche Wirkung ist daher von der Wirkung der schwächeren bitter-adstringirenden Mittel wenig verschieden.
Die Anwendung kann ganz nach den im Allgemeinen angedeuteten Grundsätzen geschehen, vorzüglich aber ist sie da angezeigt, wo die Verdauungs- und Assimilationsorgane an Schwäche leiden, die Schleim­häute in zu reichlicher und fehlerhafter Secretion sich befinden, die Thätigkeit der vegetativen Nerven zu gering ist, und wo Neigung zur Zersetzung der Säfte besteht. Daher bei Diarrhöe, Harnruhr, veralteter Druse, chronischem Lungenkatarrh, Nerven- und Faulfieber und dgl. — Gabe wie von der Eichenrinde. Hinsichtlich der Form ist jedoch zu be­merken, dass die wirksamen Bestandtheile der Nelkenwurzel sich schwer durch Wasser ausziehen lassen, und dass sie daher im Decoct weniger wirksam ist als im Pulver oder in Pillen und Latwergen. (1 Unze lOPfg., pulv. 1 Sgr. 4 Pfg.)
15) Farrenkrautwurzel, Radix Mlicis.
sect;. 180.
Sie enthält eine geringe Quantität Gerbstoff, in Verbindung mit einer ätherisch- und fettig - öligen, oder fettig - harzigen Materie und mit mehreren anderen Stoffen von geringerer Bedeutung. — Ihre ad­stringirenden Wirkungen sind sehr schwach, und sie kommt als zusam­menziehendes Mittel wenig in Betrachtung, obgleich sie Jim und wieder gegen das asthenische Blutharnen, und gegen Durchfall, besonders bei Kälbern empfohlen wird. Dagegen ist sie seit alten Zeiten als ein speeifisches Mittel gegen Würmer, namentlich gegen die verschiedenen Bandwürmer gerühmt, und ich selbst habe bei Hunden ihre gute Wir­kung in mehreren Fällen gesehen. Sie muss jedoch, wenn sie etwas leisten soll, zu gehöriger Zeit (am besten im Frühjahr) gesammelt, schnell getrocknet, gut aufbewahrt und nicht über ein Jahr alt sein. Auch tödtet sie nur die Würmer, führt sie aber nicht aus dem Darm­kanal ab; Letzteres muss daher immer mit Purgirmitteln -geschehen, welche man 12—20 Stunden nach der Wurzel eingiebt.
Die Gabe ist für die grossen Hausthiere 2 — 4 Unzen, für Schafe und Schweine 2 Drachmen bis l/2 Unze, für Katzen und Hunde nach Verhältuiss der Grosse 20 Gran bis 2 Drachmen auf einmal. Zweck-
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massig ist es, vor dem Eingeben die Thiere 24 Stunden lang fasten zu lassen, und 2—3 Stunden nach der ersten Gabe eine zweite zu reichen.
Man kann sehr gut das Mittel für sich allein als Pulver auf das Futter, oder in Latwergen, Pillen und in warmein Wasser geben; zu­weilen aber verbindet mau sie mit bittern, aromatischen, breuzlichen und drastischen Mitteln; Waldinger elaquo;ipfiehlt z. B. gegen den Band­wurm der Hunde folgende Pillen ':
Man nimmt: Parrenkrautwurzel-Pulver, 2 Drachmen.
Aloe und Stink-Asand, von jedem 1 Drachme. Gummi Gutti, 20 Gran. Hirschhornöl, 30 Tropfen. Diese Substanzen worden mit einem bittern Extract oder mit Schleim von arabischem Gummi zur Pillenmasse und daraus 2 Grau schwere Pillen gemacht, von denen man kleinen Hunden früh und Abends jedesmal eine, den grössern aber 3—4, recht grossen Munden aber selbst bis 10 Stück giebt.
Ausser dieser Benutzung empfiehlt Laubender noch die Farren-krautwurzel, jedoch ganz empirisch, bei schlecliter Fresslust der Hühner anzuwenden. Man soll aus zerstossenen Eierschalen, aus geschrotenem Korn und einem Decoct der Wurzel einen Brei machen und diesen den Thieren als Futter vorsetzen. (1 Unze 1 Sgr. 2 Pfg., fein pulv. 3 Sgr.)
Als ein sehr wirksames Präparat ist das ätherische Farren-krautextract {Extractum filicis aethereum, ehemals Farrenkrautöl, 01. filicis genannt) bei kleineren Thieren zu benutzen. Man giebt es Hunden, je nach ihrer Grosse, zu 15—40 Gran pro Dosi, täglich in 2 solchen Gaben, am besten mit etwas Mehl zu Pillen gemacht. Zu­weilen erfolgt nach dem ersten Tage der Abgang des Bandwurms nicht, weshalb am zweiten Tage die Wiederholung des Mittels Statt finden muss.
Anmerkung 1. Die Wurzel von einigen anderen Farrenkriuitarten, nament­lich von Aspidhim s. Polypodium Filix foemino und von Ptcris aqidlina (Adler-Saum-farrn) scheinen ähnliche, aber schwächere Kräfte zu besitzen, üeber das Letztere bemerkt Viborg2 nach den Beohachtungen von Hinrichsen und Mailing, dass Pferde nach dem mehrmaligen Genuss der trocknen Wurzel und dos Krautes, welche unter das Stroh gekommen und mit diesem zu Häckerling geschnitten worden, unter Zufällen der brandigen Bräune gestorben sind, und dass Kühe heftiges Blutharnen bekamen. Bei deshalb gemachten Versuchen blieben die Pferde, denen man jenen Häckerling mit Wasser angefeuchtet gab, zwar gesund, aber in neuerer Zeit sind wieder Vergiftungszufälle nach dem Genüsse dieser Pflanze beobachtet worden.
Anmerkung 2. Als ätheriscb-ölige adstringirende Mittel sind noch zu nennen: die Rosenblätter (Folia Hosarum), von verschiedenen Arten der Eose; sie sind schwach zusammenziehend und erregend, und werden zuweilen im Infusum gegen asthenische Augenentziindungen mit vermehrter Sclileimsecretion benutzt. — Bir­kenrinde und Birkenblätter (Cortex und Folia Iletulac). Sie besitzen Gerb­und Gallussäure, bitteren Extractivstoff, dabei in der Kinde eine kamnherartigo Materie, in den Blättern etwas ätherisches Oel. Man benutzt beide Substanzen gegen
1nbsp; nbsp;Waldinger, Abhandlung über die gewöhnlichen Krankheiten der Hunde. Wien 1818. S. 97.
2nbsp; nbsp;Veterin. Selskab. Skrift. 1 Deel, — und Teuffel's Magazin für Thierheil-kunde. 1. Bd. 2. Heft. S. 199.
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asthenische torpide Wassersuchten, Rlieumatis.men, Hautkrankheiten und dgl. inner­lich am lu'Stcn im Decoct, iüisserlich desgl. odor die frischen liliittor (1 Tlieil) mit Kett (2 Theile) gut zusammengerieben als Salbe {UngntntHm betidimim) gegen Flech­ten und Räude. — Erlenblätter (.fW/a Jte), von ähnlicher Beschaffenheit und Wirksamkeit wie die Birkenblätter, sind wie diese zu benutzen. — Grüner Thee [Thea riridis), oft als Hausmittel zu haben; gegen asthenische Krampfkrankheiten. Kolik, Blähungen u. s. w. zu benutzen.
E. Säuerlich adstringirende Mittel.
In einigen Pflanzen oder in Theilen derselben findet sich das ad­stringirende Princip auch mit vegetabilischen Säuren in Verbindung. Hierdurch erhalten diese Mittel neben der Wirksamkeit der adstrin-girenden Mittel, zugleich die Wirkung, die entzündlich fiebeihafte Auf­regung des Gefässsystems zu vermindern und der Neigung der Säfte zu acuten Zersetzungen entgegen zu wirken,
16) Heidelbeeren, Bnccae MyrtiUi (0). sect;. 181.
Diese Beeren enthalten einen zusarnmenziehendeu, blaufärbenden Extractivstoff, in Verbindung mit Schleimzucker und mit Aepfel- und Citronsäure. Sie wirken mild adstringirend, zugleich aber kühlend und daher dem krankhaften Entmischungsprocess auf doppelte Weise entge­gen. Auch beschränken sie die überrnässigen Absonderungen im Darm #9632; kanal und in den Nieren ziemlich kräftig, und oft sogar in einem höhern Grade als die rein adstringirenden Mittel. Diese Wirkungen sind von den getrockneten Beeren weit stärker zu bemerken, als von den frischen.
Man benutzt dieselben daher im getrockneten Zustande als ein wohlfeiles Hausmittel bei asthenischen Durchfällen, Lei dergleichen Ruhr, Blutharnen, Harnruhr und bei dem Paulfieber.
Die Gabe ist für Pferde und Rinder 1 —2 Unzen, für Schafe und Schweine 3 —• 6 Drachmen, für Hunde ^a — 2 Drachmen, in Pulvern, Latwergen und Abkochungen, und mit andern Mitteln, namentlich mit bittern und mit schleimigen verbunden.
Anmerkung. Mit der Heidelbeere übereinstimmend wirken die Preisel­beeren (Baccae Vitis iäaeae), die Moosbeeren (ifoccrtc O.r^cocci) und die Eber­eschbeeren {Bacc. Sorbi aiirnj-iariac); letztere enthalten nach Braconnot u. A. Aepfelsäure und sollen, nach Dr. Schneider, ein sicheres Mittel bei der Lungen­seuche des Rindviehes sein, wenn man ein concentrirtes Decoct von ihnen recht reichlich anwendet1. Ferner: die Blätter, die jungen Zweige und die Ranken des Weinstocks (Folia, Stipäes und Pamjiini vitis citiiferae)- — die Hagebutten (Friictus Cynoshati), — das Hauslaub oder die Hauswurzel {Herb. Sedi mojoris) — und die Schlehen (Fmctns Acaciae germanicae). — Auch die Blätter der Heidel­beere und der Moosbeere wirken geliud adstringirend; sie enthalten aber nur etwas (ierbstoft'.
F. Adstringirende Mittel mit Alkaloiden.
Die Verbindung der Gerbsäure mit Alkaloiden hat sich bis jetzt nur in den verschiedenen Arten der Chinarinde gefunden.
1 Henke's Zeitschr. f. d. Staatsarzneik. 1H48. 2 Hft. S. 400.
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IT) rliiii.iriiulc. CoHex Chinae, mid iiiiinelltlirh liraiini- oder gemeine Chiiiiirinde, Cortex
Chinaefuscut, Cort. pertivianus; — rothe Chinarinde, Coi-i. Chin, ruier, Cort.
peruviamis ruier; — gelbe Ciiinarinde laquo;der Könisisrillde, C'ori. Chin.
Jlavus s. htieits, Cort. Chin, regius u. a.
sect;• 182.
In der Kinde von den vielen Species des Cinchonabaums sind die Chinagerbsäure [Acidum cMnotannicum) in Verbindung' mit eigen-tbümlichen Alkaloiden, dem Chinin, dem Cinchonin und Chinoi-din, neben China- und Chinovasäure, Chinarotli, etwas Kalksalzen und dgl. als Bestaudtheilc enthalten.
Die China wirkt örtlich ganz ähnlich den adstringirenden Mitteln, auf wunden Stellen soll sie jedoch auch eigenthiindich erregend wirken. Bei innerlicher Anwendung tritt ebenfalls zunächst in der Schleimhaut des Maules, des Magens und Darmkanals die adstringirende Wirkung ein, aber die Bestandtheile der llinde gehen in die Säfte über und es entsteht nicht nur eine Vermehrung des Tonus in allen Weicligebilden, sondern auch Erhöhung und Regelung der Energie des Nervensystems, besonders der Gangliennerven. Die Zusammenziehnngen des Herzens werden kräftiger, die Zahl derselben aber gewöhnlich nicht vermehrt; das Blut nimmt eine höhere Röthung an, die Gallensecretion wird ver­mehrt, zu reichliche Absonderungen vermindern sich. Die Chinagerb­säure wird zum Thcil durch den Urin unverändert, zum Theil aber in Chinaroth umgewandelt, wieder ausgeschieden. Auch das Chinin und seine Salze werden grösstentheils in den Urin ausgeschieden, sind aber im Blut, im Bronchialschleim, in der Milch u. s. w. mit Eeagentien nicht zu erkennen.
Die China kann innerlich und äusserlich als ein kräftiges tonisches Mittel, ganz nach denselben Indicationen wie die adstringirenden Mittel angewendet werden, ist aber im Allgemeinen für Thiere zu tlieuer und deshalb nur auf einzelne Fälle beschränkt, in denen die Thierbesitzer keine Kosten scheuen, besonders bei kleinen Thieren, Hunden und dgl. Bei Schwäche und Erschlaftung der Verdauungseingeweide, bei Bläh­sucht, atonischer Diarrhöe, bei Blutmangel, Wässerigkeit des Blutes, Wassersucht, allgemeiner Muskelschwäche und dgl., wenn diese Zu­stände nicht allein in Schlaffheit, sondern zugleich in Mangel an Ner­venkraft (Energie) begründet ist, verdient die China von den übrigen zusammenziehenden Mitteln den Vorzug; bei blosser Erschlaffung, be­sonders in äusserlichen Gebilden und überhaupt zum äusserliciien Ge­brauch sind ihr aber diese Mittel vorzuziehen, weil dieselben hier ge­nügend wirken und bedeutend wohlfeiler sind. — Sehr nützlich wird die China gegen Zustände benutzt, bei denen eine Neigung zu Zer­setzung der Säfte oder wirkliche Sepsis besteht, z. B. Faulfieber, Ty­phus, Anthrax, Aas-Pocken und dgl. — Als specifisch haben sich die China und ihre Alkaloide, das Chininum und Cinchoninum und die Präparate derselben, auch bei allen Krankheiten, welche einen regelmässig intermittircnden Typus besitzen, hauptsächlich bei dem Wechselfi eher sehr wirksam gezeigt. Die China ist deshalb von
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französischen Thierärzten auch gegen die sogenannte Moiulblindheit (quot;periodische Augenentzündung; innerlich und iuisserlich angewendet worden, und zwar, angeblich mit dem besten Erfolge; ich habe jedoch bei vielen Versuchen hierüber gar keinen Nutzen bei dieser Krankheit von China und Chinin gesehen. — In neuerer Zeit ist die China auch als Gegengift gegen die gefährlichen Zufalle von zu gros.lt;en Gaben des Brechweinsteius empfohlen worden, und zwar die Abkochung in der Menge, dass auf 2 Gr. des verschluckten Brechweinsteins eine Drachme der Rinde verbraucht wird. Die Wirkung des Mittels gegen diese Zu­fälle ist sowohl eine chemische, wie auch eine dynamische.
Die Gabe von der Chinarinde ist für Pferde und Binder 1—3 Un­zen, für Schafe, Ziegen und Schweine 1 Drachme bis lj2 Unze, für Hunde und Katzen 15 Gran bis 1 Drachme, täglich 3—4 Mal. Man giebt das Mittel im Pulver, in Latwergen, Pillen und im Decoct, mit bittein, aromatischen Mitteln, Kampher, Weingeist und mit verdünnten Säuren.
Von den Präparaten wird nur zuweilen für kleine Thiere das schwefelsaure Chinin (Chinium sulphuricum) und das China-Ex­tract {Extract. Cldn. fuscae) angewendet, — ersteres für Katzen und Hunde je nach deren Grosse, zu '/a—10 Gran, letzteres zu 1—15 Gr., täglich 3-—4 Mal, in ähnlichen Verbindungen wie die China, in Pillen, Latwergen und in aromatischen Flüssigkeiten. Die übrigen Präparate sind entbehrlich und nicht gebräuchlich. (Preis der braunen China­rinde: 1 Unze in Stücken 5 Sgr., fein pulv. 7 Sgr.; der gelben Rinde: 1 Unze in Stücken 7 Sgr. 8 Pfg.. fein pulv. I Drachme 1 Sgr. 4 Pfg.; Chinium sulphuricum 1 Scrupel 6 Sgr. 8 Pfg.; Extract. Chin. fuse. 1 Drachme 5 Sgr. 6 Pfg.)
Anmerkung. Man hat sich vielfältig bemühet, wohlfeile Surrogate für die China zu entdecken. Die meisten Versuche der Art sind von Menschenärzten und hauptsäcli-lich in der Idee gemacht worden, ein eben so sicheres Heilmittel wie die China gegen das intennittirende Fieber zu finden. Hierzu sind die Weiden- und Kastanienrinde, die Wandfleohte, der weisse Arsenik, und die Blätter der Stechpalme {Hex AquifoUmn) benutzt und empfohlen worden. Alle diese Mittel können aber die China nur hinsichtlich einzelner Eigenschaften, aber niemals vollständig ersetzen.
VIERTE KLASSE.
Aetheriseh-ölige (gewürzhafte), kampherhaltige, harzige und empyreumatisehe Mittel. (Medicamina aromatica, camphoracea,
resinosa et empyreumatica.
Begiill', Wirkung und Anwendung dieser Mittel im Allgemeinen.
sect;. 183. P^ine grosse Anzahl der gebräuchlichsten und wirksamsten Arz­neimittel enthält als wirksame nähere Eestandtheile ätherisches Gel, Kampher oder Harz. Diese drei natürlichen Erzeugnisse des Pflan-
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aenreichs1 sind sowohl in ihrem Ursprünge wie auch in ihren mate riellen Eigenschaften und in ihren Wirkungen auf den Thierkörper mit einander sehr verwandt, und können daher ganz passend in eine Klasse zusammengestellt werden. — Ihnen in mehrfacher Hinsicht sehr ähn­lich ist auch das brenzliche (empyreuinatische) Oel, weshalb die Mittel, die solches enthalten, hier ebenfalls ihren schicklichsten Urt finden.
sect;#9632; 184.
Die grosse Verwandtschaft der hierher gehörigen Mittel zeigt sich im Allgemeinen dadurch, dass a) ihre obengenannten verschiedenen Hauptbestandtheile aus gleichen Grundstoffen und auf ziemlich gleich­artige Weise zusammengesetzt sind (denn die reinen und die brenz-lichen ätherischen Oele, die Harze und der Kampher bestehen zum grössten Theil aus Kohlenstoff, demnächst aus Wasserstoff und wenig aus Sauerstoff; der Stickstoff kommt nur bei sehr wenigen ätherischen Oelcn, xmä auch bei diesen nur in äusserst geringer Menge vor); — 6) dass sehr häufig jene Hauptbestandtheile nicht nur in einem Mittel mit einander in natürlichen Verbindungen vorkommen, sondern dass sie unter gewissen äussern Einflüssen sich sogar in einander verwan­deln; und c) dass sie sämmtlich erregend, selbst flüchtig reizend auf den thierischen Organismus wirken, und die Sensibilität, die Irritabilität und die Wärmeentwickelung in demselben erhöhen.
sect;. 185.
Bei dieser Uebereinstimmung in ihren allgemeinsten Eigenschaften sind jedoch diese Mittel und deren wirksame Bestandtheile keineswegs einander ganz gleich, sondern sie zeigen mehrere, nicht unbedeutende Verschiedenheiten, welche es, besonders in therapeutischer Hinsicht nöthig machen, sie nach jenen Eestandtheilen in vier Abtheilungen zu bringen, von denen die erste die ätherisch-öligen oder aro­matischen, — die zweite den Kampher, — die dritte die har­zigen und balsamischen, — und die vierte die brenzlichen Mittel enthält.
Erste Abtheilung.
Aetherisch-ölige oder gewürzhafte (aromatische) Arzneimittel.
[Medicataina aethereo-oleosa s. armnatica.)
f sect;. 186. Das ätherische (flüchtige oder wesentliche) Pflanzenöl {Oleum aethereum vegetabile) kommt in sehr vielen Pflanzen, und zwar mehren-theils nur in einzelnen Theilen derselben, z. B. in den Blüthen, den
1 Es giebt auch einige Substanzen aus dem Thierreich, welche ätherisches Oel enthalten und in der Menschenheilkunde als die kräftigsten unter der flüchtig wir­kenden Arzneimitteln benutzt werden; nämlich Moschus. Amber, C'astoreum und Zibeth. Da der ausserordentlich hohe Preis dieser Mittel ihre Anwendung bei Thieren gänzlich verbietet, so wird auf sie mich keine weitere Riichsicht genommen.
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Samen, Früchten und Blättern, in der Rinde, im Holze und in der Wurzel, bei manchen Pflanzen aber auch in allen TLcilen zugleich vor. Es ist schon bei massiger Temperatur flüchtig, daher durch Hitze aus den Pflanzen auszutreiben und vermittelst der Destillation mit Wasser für sich allein darzustellen.
Das so aus verschiedenen Pflanzen gewonnene ätherische Oel ist in den wesentlichen Eigenschaften übereinstimmend, erscheint aber doch in einiger Hinsicht modificirt, und hat namentlich stets den eigenthüm-lichen Geruch und Geschmack, den die Pflanzen selbst besitzen, in denen es erzeugt worden ist. Nach diesen Verschiedenheiten kann man mehrere Arten des ätherischen Oels unterscheiden, als: a, gewürz-h aft es (aromatisches) ätherisches Oel, von angenehm balsamischem, gewürzhaftem Geruch und süsslichem, erwärmendem, selbst etwas bren­nendem Geschmack '; — h) kampherartiges ätherisches Oel, das sehr flüchtig ist, starken, durchdringenden Geruch, kampherartigen, nicht sehr scharfen Geschmack hat, durch seine schnelle Verdunstung ein Gefühl von Kühlung erzeugt und mit der Zeit Kampherkrystalle absetzt; — c) übelriechendes ätherisches Oel, flüchtig, mit schwerem, widerlichem Geruch und auch gewöhnlich mit üblem Ge­schmack begabt; — d) terpenthinartiges ätherisches Oel, von etwas balsamischem, harzigem Geruch und Geschmack; und e) laucii-artiges ätherisches Oel, sehr flüchtig, von stechendem, zwiebel­artigem Geruch und eben solchem, sehr scharfen Geschmack.
sect;• 187. Die einzelnen ätherisch-öligen Mittel sind zum Theil nach diesen qualitativen Eigenthümlichkeiten des ätherischen Oels selbst, zum Theil aber auch darin von einander verschieden, dass sie dasselbe in verschie­dener Menge, und in verschiedener Verbindung enthalten. Wirklich reich an ätherischem Oel sind nur wenige Mittel; die meisten besitzen dasselbe nur in sehr geringer Menge, und in mehreren findet sich nur eine ganz schwache Spur von ihm, obgleich sie einen starken Geruch besitzen. In manchen dieser Mittel ist das ätherische Oel der allein vorhandene wirksame Bestandtheil, in andern ist es mit Kampher, mit Harz, mit bitterm Extractivstoff, mit scharfem oder adstringirendem Princip, mit siissem Stoff, mit Schleim und dgl. verbunden.
sect;. 188. Von den ätherischen Oelen in ihrer reinen Gestalt werden nur wenige (wie namentlich das Terpenthinöl, Kienöl und Wachholder-holzöl) in der Thierarzneikunde angewendet, weil sie mehrentheils viel zu theuer sind. Sie wirken sämmtlich sehr flüchtig erregend auf die Nerven- und Gefässthätigkeit im ganzen Organismus, doch aber (bei innerlicher Anwendung) mit vorherrschender Richtung auf die Gan­gliennerven des Rumpfes und auf die arteriellen Gefässe. —
1 Da diese Art des ätherischen Oels verhältnissmässig am häufigsten vor­kommt, so hat man die sämmtlich ätherisch-öligen Arzneimittel auch als gewürz­hafte oder aromatische Mittel bezeichnet.
Hf.ktwio , Arzneimittellehre.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 9
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Oeitlich wirken die ätherischen (Jele auf die von ihnen berührten Gebilde sehr stark und flüchtig erregend, selbst stark reizend, so dass sie liütlmng und juckendes, brennendes Gefühl, in hohem Graden der Wirkung aber, besonders bei mehrmals wiederholter Anwendung und an empfindlichen Theilen auch Entzündung, Bläschen und Ausschwitzung erzeugen. Dabei befördern sie in den feinen Gefässen der tiefer liegen­den Theile die Circulation und die Kesorption, und hierdurch die Zer-theilung ergossener, stockender und verdickter Säfte. — Diese ört­lichen Wirkungen zeigen sie am deutlichsten an der äussern Haut, die sie bei wiederholter Anwendung in Entzündung, Ausschwitzung von Serum und in Eiterung versetzen und hierdurch oder durch Brand selbsf zerstören können; am gelindesten wirken sie daaesen auf die Schleimhaut des ilanls und des Verdauuugskanals, obgleich sie auch im Maule Reizung und vermehrte Absonderung des Speichels und Schleims verursachen.
In Wunden und Geschwüren bringen sie nicht allein starke Eei-zmig, sondern zugleich auch eine Umstimmung des Bildungsprocesses hervor; namentlich befördern sie, wenn Unthätigkeit mit Erschlaffung und Reizlosigkeit besteht, die Erzeugung der Eleischwärzchen und die reichliche Absonderung eines gutartigen Eiters.
In die Venen gespritzt, werden die ätherischen Oele in massiger Menge ziemlich gut ertragen; es entsteht zwar gewöhnlich gleich nach der Anwendung eine heftige Aufregung des Gefässsystems und be­schleunigtes, zuweilen auch krampfhaftes Atlnnen, allein diese Zufälle gehen schnell und ohne weitere üble Folgen zu hinterlassen, vorüber. Injectionen grosser Gaben bringen aber fast immer aussei- jenen Zu­fällen noch Schwindel, Convulsionen, heftige Reizung der Lungen, Er­stickungszufälle, Angstschweiss und nicht selten den Tod, oder, nach dem Vorübergehen dieser ersten heftigen Zufälle, eine Entzündung der Lunge und des Brustfells hervor.
Bei ihrer innerlichen Anwendung wird die Schleimhaut im Maule, im Magen und Darmkanal gereizt, die Absonderung des Schleims, der Verdauungssäfte und die wurmförmige Bewegung befördert, dadurch auch der Ajapetit vermehrt, die Entwickelung der Blähungen und der Würmer gemindert, zuweilen letztere auch, wenn dergleicher.* vorhan­den sind, getödtet und verdauet. Vom Magen aus verbreitet sich sehr schnell ihre Wirkung über den ganzen Körper; die Arterien werden voller, gespannter, ihre Pulse kräftiger und gewöhnlich auch häufiger, die Schleimhaut im Maule, in der Nase u. s. w. wird dunkler geröthet, das Auge mehr glänzend, der Blick munterer; die Bewegung der Mus­keln, das Athmen und alle anderen Verrichtungen werden lebhafter ausgeübt; die Wärme im Maule und am ganzen Körper wird erhöhet, die Ausdünstung aus der Lunge und aus der Haut wird verstärkt und zuweilen wird selbst Schweiss erzeugt; eben so wird gewöhnlich die Urinsecretion, besonders von den terpenthinartigen ätherischen Oelen sehr vermehrt. Ueberhaupt werden die Absonderungen befördert und die abgesonderten Säfte in der ersten Zeit etwas dünnflüssiger. Aber nicht alle Absonderungen werden gleichzeitig verstärkt, sondern es
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geschieht häufig, dass nach den Gesetacu des Antagonismas bei ver­meinter Thätigkeit des einen Organs die absondernde Thätigkeit an­derer Organe leidet und namentlich sieht man bei Milchkühen nicht selten auf den Gebrauch der in liede stehenden Mittel eine Abnahme der Milch erfolgen, während die Harnabsonderung oder die Ilautaus-diinstung vermehrt ist.
sect;. 189. Jene allgemeine Wirkungen werden zum Theil durch unmittel­bare Berül.nmg der feinen Nervenenden in den betroffenen Gebilden, hauptsächlich aber durch die Aufnahme des ätherischen Oeis in die Säf-temasse vermittelt. Beides erfolgt gleichzeitig und stets sehr schnell, daher auch die Wirkungen in kurzer Zeit sieh über den ganzen Körper verbreiten. Einige Erscheinungen weiden auch durch den Consensus, und zwar ebenfalls sehr schnell entwickelt. Der täglichen Beobachtung zufolge geschieht die Aufnahme des ätherischen Oels und die Eiitwicke-lung seiner allgemeinen Wirkungen am vollständigsten durch die Ver­dauungseingeweide, jedoch wohl ohne dass eine vollkommene Assi­milation desselben dabei Statt findet; denn es wird kurze Zeit nach der Anwendung, durch den Geruch noch deutlich erkennbar, bald mit der Lungenausdüustung, bald mit dem Urin, zum Theil auch mit dem Scliweiss und bei Milch gebenden Thieren auch zuweilen mit dar Milch wieder aus dem Körper ausgeschieden. Bei der äusserlichen Anwendung, z. B. in die Haut eingerieben, oder in Wunden gebracht, wird das ätherische Oel ebenfalls, obgleich in geringerer Menge von den G-efässen aufgenommen und dann durch die verschiedenen Secre-tionsorgane, namentlich durch Lungen und Nieren wieder entfernt. Die hierbei entstehenden allgemeinen Wirkungen sind zwar gewöhnlich viel schwächer, als wenn eine gleiche Menge innerlich angewendet ist; sie werden aber zuweilen, besonders bei grosser Empfindlichkeit des be­troffenen Theils, in Folge der örtlichen heftigen Einwirkung auf con-sensuello Weise zu einem sehr bedeutenden Grade erhöhet.
sect;. 190. Die Arzneimittel, welche ätherisches Oel als Hauptbestand-theil enthalten, bringen ebenfalls flüchtig erregende Wirkungen her­vor, und stimmen somit im Wesentlichen mit den vorhin (sect;. 188) an­gegebenen Wirkungen der ätherischen Oele selbst überein; allein sie erscheinen durch die übrigen, gleichzeitig in ihnen vorhandenen Stoffe (sect;. 187) als eigenthümliche, von jenen verschiedene Arzneikörper, und sind daher auch hinsichtlich der Wirkung theils im Grade der Stärke, der Flüchtigkeit und Dauer, theils in der Eichtung auf besondere Or­gane, von den Wirkungen der reinen ätherischen Oele abweichend. — Fast alle diese Mittel wirken örtlich weniger heftig reizend, und eben so im Allgemeinen milder, sanfter, den Körper weniger flüchtig durch­dringend, dafür aber auch etwas andauernder als das in ihnen enthal­tene ätherische Oel für sich allein. Je mehr sie neben dem letztern noch fixe Bestandtheile, namentlich Bitterstoff oder Gerbstoff enthalten, um desto mehr andauernd ist ihre Wirkung. Durch das Dasein der ge-
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nannten Ötott'e erhalten diese Mittel auch eine besondere Richtnns auf die Verdaunngseingeweide, die sie nicht blos erregen, sondern auch wirklich stärken können. Besitzen sie aber neben dem ätherischen Oel noch Harz oder ein scharfes Princip, so äussern sie ihre erregende Wir­kung vorzüglich auf die Nieren, so wie sie bei dem gleichzeitigen Ge­halt an Schleim, Stärkemehl und süssem Stoff eine besondere ßiehtung auf die Respirationsorgaue zeigen.
sect;• 191-
Die eben angedeuteten Eigenthümlichkeiten der einzelnen äthe­risch - öligen Arzneimittel hat man schon seit langer Zeit erkannt und deshalb diese Mittel im therapeutischen Sinne auf verscliiedene Weise abgetheilt, indem man sie theils zu den magenstärkenden und blähungtreibeuden, theils zu den krampfstillenden, zu den so­genannten herzstärkenden und Nervenmitteln, theils zu den so­genannten flüchtigen und fixen Reizmitteln, und theils zu den schweisstreibenden und urintreibenden Mitteln gerechnet hat (Siehe: allg. Arzneiwirkungslehre sect;sect;. 27, ;J0, 32, 36, 37). Daraus ergiebt sich, dass jedes einzelne der ätherisch - öligen Mittel nach seinen Eigenthümlichkeiten geschätzt werden muss, und dass bei manchen Krankheiten zwar einige dieser Mittel, die von gleichartiger Beschaffen­heit sind, einander ersetzen können, dass dies aber keinesweges mit allen und nicht in jedem Falle geschehen darf. Der Unterschied zwi­schen den einzelnen Mitteln ist hier grosser, als bei den bittern und bei den adstringirenden Mitteln.
sect;• 192.
Die ätherisch-öligen Mittel zeigen sich in ihrer allgemeinen flüch­tig erregenden Wirkung mit der ähnlichen Wirkung des Aethers, der versüssten Säuren, des Weingeistes und des Kamphers verwandt; sie unterscheiden sich jedoch von diesen Arzneimitteln theils durch ihren geringeren Grad der Flüchtigkeit, und hauptsächlich dadurch, dass sie weniger auf das Nervensystem und auf die Sensibilität allein, sondern zugleich und vorzüglich auch (wie bereits im sect;. 188 angegeben) auf das Gefasssystem und auf die Irritabilität gerichtet sind. — Eben so zeigen sie auch mit den meisten scharfen Reizmitteln, z. B. mit den (Janthariden, einige Aelmlichkeit, jedoch nur in den örtlichen und primären Wirkungen; denn in der allgemeinen und seeundären Wir­kung unterscheiden sich die letzteren Mittel von ihnen dadurch, dass ihnen das Vermögen mangelt, die Irritabilität wirklich zu erhöhen und die Mischung des Bluts zu verbessern. — Die grösste Annäherung fin­det dagegen zwischen einigen ätherisch-öligen Mitteln, welche zugleich Bitterstoff enthalten, und zwischen den früher schon (in der II. Klasse betrachteten) aromatisch-bittern Mitteln Statt; denn so wie die ersten sich in materieller Hinsicht nur durch das Ueberwiegen des ätherischen Oels über den Bitterstoff von den letztern unterscheiden, eben so sind sie dynamisch nur durch einen höhern Grad der flüchtigen und erregen­den Wirkung von denselben abweichend. Die sämmtlichen aromatisch-bittern und bitter-aromatischen Mittel-bilden eigentlich eine zusammen-
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hängende Reihe, in welcher der Uebes-gang von der einen Art zur an­dern nur allmälig geschieht, so dass sich nur schwer eine scharfe Grenze zwischen beiden ziehen lässt.
sect;. 19:3.
Die Anwendung der ätherisch - öligen Mittel ist nur bei asthc-uischen Krankheiten, und vorzüglich bei solchen Zuständen angezeigt, welche gleichzeitig in einer Schwäche des Nervensystems und des Ge-fässsystems begründet sind, und wo deshalb auch eine Erregung und Erhebung der Sensibilität, vorzüglich aber der Irritabilität nothwendig ist. Besonders heilsam zeigen sie sich aber dann, wenn diese Schwäche in den Gangliennerven des Rumpfes ihren Ursprung oder Sitz hat. — Weicher, kleiner Puls; blasse, wässerige Färbung der Schleimhaut im Maule und der Nase, und der Bindehaut der Augen; verminderte Em­pfindlichkeit [Torpor); Schwäche in der Bewegung; schleimiger, zäher Urin; zäher Schleim in den Augenwinkeln ohne vorhandene Entzün­dung; geringe Temperatur der Haut; verminderter Appetit, gestörte, Verdauung, Abgang von grob geballten, mit Schleim umhüllten und sehr stinkenden Darmexcrementeu bezeichnen im Allgemeinen den für diese Mittel passenden Zustand, der aber oft sowohl in der Art wie im Grade der einzelnen Erscheinungen etwas modificirt ist, wie z. B. bei manchen asthenischen torpiden Entzündungen, bei Faulfiebern und bei krampfhaften Zufällen.
Diesen allgemeinen Andeutungen entsprechend, werden die äthe­risch-öligen Mittel innerlich angewendet: bei asthenischen Fiebern, bei Faulfieber, Nervenfieber, Milzbrand, beim kalten Brande, bei TJuver-danlichkeit und Aufblähung (wenn keine Reizung der Eingeweide da­mit verbunden ist), bei Verschleimung, bei Cachexien und der Ent-wickelmig von quot;Würmern, bei Krämpfen in irgend einem Theile und speciell im Magen und Darmlamal oder in den Ham- und Geschlechts­organen, daher auch bei krampfhaften Harnverhaltungen, bei zu schwa­chen und unregclmässigen, krampfhaften Geburtswehen, bei Lähmun­gen, bei dem Dummkoller, bei asthenischen Entzündungen, z. B. der Lungen, bei Katarrh und Rheumatismus, in deren spätem Stadien und bei chronischem Verlauf, bei Wassersuchten, bei der Fäule der Schafe und dgl.
Aeusserlich benutzt man sie bei ähnlichen Krankheitszuständen, z. B. bei Krämpfen und Lähmungen, um die Nerventhätigkeit örtlich etwas zu erhöhen; — bei asthenischen, besonders bei dgl. katarrha­lischen und rheumatischen Entzündungen, bei und nach Quetschungen, bei Extravasaten, bei Stockungen und Verhärtungen nach vorherge­gangenen Entzündungen, um durch verstärkte Gefässthätigkeit die Aufsaugung und Zertheilung zu befördern; #9632;— bei Wunden und Ge­schwüren mit torpidem Character, um die. Eiterung und Granulation zu bessern und zu befördern; — bei dem kalten Brande, \ui\ gleichfalls durch erhöhete Thätigkeit die Abstossung der abgestorbenen Theile zu beschleunigen und die weitere Zersetzung der gesunden Masse zu ver­hüten.
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sect;• 194.
Daneben sind diese Mittel überall bei echten und acuten Entziin-düngen, bei reinen Entziindung-stiebem, bei Vollblütigkeit und bei activen Congestionen sehr soliädlich.
sect;#9632; 195.
Die Grosse der Gabe lässt sieh bei den ätherisch-öligen Mitteln nicht so gleiehinässig im Allgemeinen bestimmen, -wie bei den bittern und adstringircndcn Mitteln, sondern sie muss sich nach der Stärke ihrer quot;Wirksamkeit und nach dem Grade der Schwäche und der ver­minderten Emptiudlichkeit, sowohl im ganzen Körper wie in den ein­zelnen Thcileu, besonders in den Verdauungsorganen, richten. Bei er-höheter Empfindlichkeit und leicht aufzuregender Reizbarkeit ist es in der Kegel noting, mit kleinen Gaben zu beginnen und diese allmälig zu verstärken, bis die gewünschte Wirkung eintritt; wo aber ein hoher Grad der Schwäche, Erschlaffung, Trägheit im Get'ässsystem, sehr ge­ringe Empfindlichkeit und übermässige Absonderungen vorhanden sind, müssen sie immer sogleich in grossen Gaben gereicht werden. Auch bei einem massigen Grade der Schwäche ist es zuweilen noting, die Gaben eines Mittels, wenn es durch längere Zeit fortgebraucht wird, nach und nach zu verstärken, weil sieh der Organismus an die erregen­den Einwirkungen desselben gewöhnt und dann nur schwach reagirt. Aus diesem Grunde pflegt man auch, wenn man unter solchen Um­ständen nicht über die gewöhnliche GJabe eines Mittels hinausgehen will, dasselbe auf kurze Zeit auszusetzen oder ein anderes, ihm ähn­liches an seine Stelle zu bringen. — Da die Wirkungen der ätherisch­öligen Mittel mehrentheils nur von kurzer Dauer sind, so ist es nöthig, die Gaben in mehr oder weniger kurzen Zwischenzeiten zu wieder­holen. Auch hierbei lässt sich eine allgemeine Xorm für alle Mittel und für alle Fälle nicht gut vorschreiben, sondern es muss dabei eben­falls die relative Flüchtigkeit der einzelnen Mittel und die Heftigkeit und Zudringlichkeit der, aus Schwäche, Erschöpfung oder Krämpfen entstandenen Zufälle zur Leitung' dienen. Von den rein ätherisch-öligen Mitteln, z. B. der Pfefferminze, wird in gewöhnlichen Fällen die Wiederholung in etwa zwei Stunden, von den bitter-aromatischen Mit­teln aber, z. B. dem Kalmus, in etwa drei Stunden nöthig slt;in, wäh­rend man in dringenden Fällen, z. B. bei heftigen Krämpfen, alle halbe Stunden eine neue Gabe reichen muss.
sect;. 196.
Die Form und Art der Anwendung der ätherisch-öligen Mittel, so wie ihre. Verbindung mit andern Arzneistoffen ist bei den verschiedenen innerlichen und äusserlichen Krankheitsformen sehr verschieden. —
Zum innerlichen Gebrauch giebt man sie zuweilen, aber nur selten in Pulverform, z. B. in den sogenannten Fresspulvern und Drusenpul­vern für Pferde, und in den Lecken für Schafe. Die meisten ätherisch­öligen Mittel entwickeln im Pulver wegen der laugsameren Auflösung der wirksamen Bestandtheile, ihre allgemeine Wirkung langsamer, als wenn sie in flüssiger Form angewendet werden, bringen aber dagegen
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etwas stärkere örtliche Wirkungen im Maule u. s. w. hervor. Deshalb giebt man Pferden und Schweinen diese Mittel am besten in Latwergen oder Pillen, um Keizung- des Kehlkopfes zu vermeiden. — Die flüs­sige Form (das lufusum) ist bei den ätherisch-öligen Mitteln zur inner­lichen Anwendung die beste, besonders in acuten und krampfhaften Krankheiten, theils weil sie die wirksamen Bestandtheile dieser Mittel aufgelöst und zur schnellen Wirkung vorbereitet enthält, theils weil sie deren gleii.-hmässigo und schnelle Berührung mit einer grossen Fläche des Verdauungskanals am meisten vermittelt, ohne die örtliche Einwir­kung zu heftig' zu machen; doch dürfen die ätherisch-öligen Arznei­mittel nur durch Infundircn mit heissem Wasser, aber nicht durch Kochen die flüssige Form erhalten, weil durch letzteres ihre flüchtigen Bestandtheile und namentlich das ätherische Uel, zum Theil verflüch­tiget werden und daher auch ihre Wirksamkeit bald mehr, bald weniger verloren geht. Solche Mittel, welche aussei- dem ätherischen Oel noch Bitterstoff, adstringirendes Princip oder Harz enthalten, wirken im In-fusum schwächer und einseitiger als in Substanz. Gewöhnlich lässt man einen Theil des klein geschnittenen oder grob gepulverten aroma­tischen Mittels mit 8 — 12 Theilen kochend heissen Wassers über-giessen, das Ganze gegen Vo — 1 Stunde stehen (je nachdem mau das Infusum gelind oder stark haben will) uud dann die Flüssigkeit durch­seihen.
Von den reinen ätherischen Oelen werden bei Thieren innerlich (wie bereits angegeben) nur sehr wenige angewendet. — Die aroma­tischen Tincturen, Extracte und andere künstliche Präparate sind zum thierärztlichen Gebrauch fast ganz entbehrlich.
sect;. 197.
Die ätherisch-öligen Mittel werden innerlich, nach Bedürfniss des Krankhoitszustandes, sowohl für sich allein, als auch in Verbindung mit den verschiedenartigsten andern Arzneistoffen angewendet; denn in chemischer Hinsicht erlauben sie den Zusatz eines jeden andern Arzneistoffes, und in therapeutischer Hinsicht ist es oft nöthig, bald ihre örtlichen Wirkungen durch schleimige Mittel zu mildern, z. B. bei krampfhaften Zuständen der Verdauungseingeweide, — bald die ört­lichen und allgemeinen Wirkungen noch flüchtiger und eindringender zu machen, und deshalb Aether, Spiritus, Kampher, Ammonium, Hirsch­hornsalz und dgl. zuzusetzen, wie z. B. bei Krämpfen und Lähmungen, beim Nervenfieber, bei heftigem Aufblähen, — bald den Wirkungen mehr Dauer und zugleich eine bestimmte Richtung auf die Verdauungs­und Assimilationsorgane zu geben, und für diese Zwecke die aroma­tischen mit bittern, mit zusammenziehenden Mitteln, mit Schwefel, Spiessglanz, mit Mineralsäuren u. s. w. zu verbinden, wie z. B. bei chronischer Schwäche der Verdauungseingeweide, bei gastrischen Fie­bern, bei Cachexie, beim Faulfieber, beim langsam verlaufenden Milz­brand und ähnlichen Hebeln. —
Muss man bittere oder zusammenziehende Mittel mit den aroma­tischen in flüssiger Form verbinden, so geschieht dies auf die im sect;. 163
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bereits angegebene quot;Weise, dass mau nämlich mit dem Decoct der erstem die letztem blos infundirt.
sect;. 198. Zum äusserlichen Gebrauch werden die ätherisch-öligen Mittel auf folgende verschiedene Weise benutzt:
A.nbsp; nbsp;Gröblich zerkleinert und in leinene Beutel gefüllt (als soge­nannte trockene Kriiutersäckcheu oder Kräuterkissen) zu trocke­nen Uebersclilägeu oder Umschlägen bei solchen Kraukheitszuständen, welche keine Nässe ertragen, z. B. bei crysipelatöseu und ödcmatöseu Anschwellungen, bei rheumatischen oder katarrhalischen Entzündun­gen, namentlich bei dergleichen Entzündungen der Augen. Solche Kräutersäckchen bringen durch die langsame Verdunstung ihrer aro­matischen Theile eine gelinde aber stets gleichmässige Erregung der oberflächlichen Gefässe und Nerven hervor, sie verstärken die Resorp­tion, zertheilen, beseitigen Krampf und Schmerz, erhalten eine gleich-massige Temperatur und schützen gegen die Einwirkungen der aus­sein Einflüsse. Damit sie die letztern Wirkungen gründlich erzeugen, müssen sie stets einen etwas grössern Umfang besitzen als der leidende Theil; auch müssen sie nicht zu dick (nur gegen 1 Zoll dick) gemacht und nicht zu voll gestopft werden, weil sie sonst durch ihre Schwere die kranken Theile belästigen und sich auch nicht gleichmässig an die­selben anlegen. Man benutzt zu diesem Gebrauch vorzüglich die aro­matischen Blumen und Kräuter, weil sie unter den übrigen Mitteln am wenigsten schwer sind, und wählt nach Verhältniss der Empfindlichkeit u. s. w. bald die von gelinder, bald die von starker Wirksamkeit; ge­wöhnlich verbindet man zwei oder mehrere aromatische Mittel mit ein­ander, wie dies z. B. in den, in der Pharxnacopöe aufgezeichneten so­genannten gewürzhaften Species {Species aromaticae), welche aus Lavendelblüthen, Rosmarin, Pfefferminze, Majoran, Quendel, Cube-ben und Gewürznelken bestehen und zum thierärztlicben Gebrauch zu theuer sind, der Fall ist.
B.nbsp; nbsp;In Pulverform, zum Einstreuen in faulige, brandige und stark jauchende Geschwüre, z.15. bei dergleichen Widerristschäden und Mauke. Die Mittel vereinen in dieser Form mit der erregenden Wirkung die absorbirende. Man verbindet sie hierbei bald mit bittern, bald mit zu­sammenziehenden Mitteln, mit Kohle, Kampher, Alaun und dgl.
C Mit heissem Wasser zum Brei gemacht, als Breiumschläge auf kalte und torpide Geschwülste, z. B. in sehnigen und drüsigen Theilen, auf Wunden und Geschwüre mit zu geringer Thätigkeit, und in jedem Falle, wo mau aussei- der erregenden Wirkung der aromatischen Mittel selbst, noch die anhaltende Einwirkung der feuchten Wärme benutzen will, um entweder Zertheilung oder Eiterung zu erwecken. In dieser Form angewendet, wirken die aromatischen Mittel viel kräftiger und viel mehr in die Tiefe eindringend, als in den trockenen Umschlägen; doch dürfen sie wieder nicht durchs Kochen die Breigestalt erhalten, sondern entweder nur durch das Zusammenrühren mit der r.öthigen Menge heissen Wassers, oder indem man sie in einen Beutel tliut, diesen durch einige Minuten in heisses Wasser hält, dann gelind aus-
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drückt und hierauf unmittelbar als Umschlag benutzt. Diese Umschläge müssen so viel wie möglich anhaltend eine gleichinässige Temperatur von etwa 15—20 Grad (Reaumur) besitzen, und deshalb immer von Neuem wieder erwärmt werden, wenn sie bis auf etwa 10—12 Grad abgekühlt sind. Das Erwärmen geschieht am zweckmäs.'igsten dadurch, dass man entweder den Beutel mit seinem Inhalt von Zeit zu Zeit in warmes Wasser taucht und dann schnell wieder applicirt, oder dass man ihn blos mit warmem Wasser begiesst, ohne ihn von dem Körper abzunehmen.
Auch zu diesen Umschlägen wählt man unter den aromatischen Mitteln am häutigsten die Blumen und Kräuter, und zwar in jedem be­sonderen Falle diejenigen, deren Wirksamkeit dem Grade der Unem-ptindlichkeit und Schwäche entspricht. Die ofticinellen aromatischen Species sind auch hier zu benutzen, aber für die meisten Fälle zu host­bar und deshalb durch blos inländische Mittel, z. B. Quendel, Kamillen und dgl. — und häufig auch durch den sogenannten He us a 111311 zu ersetzen. — Zuweilen setzt man den aromatischen Umschlägen noch erweichende Mitlei, und besonders Leinkuchenmehl oder Leinsamen­mehl hinzu, um ihnen etwas mehr Consistenz zu geben und um hier­durch die Wärme in ihnen länger gebunden zu erhalten; dies darf je­doch nur geschehen, wenn die kranken Theile nicht sehr empfindlich sind und also auch einen gelinden Druck ertragen.
D. Im warmen Aufguss (Infusum) wendet man die aromatischen Mittel äusserlich am häufigsten an, und zwar zu Waschungen und Bähungen (Fomentatdonen), z. B. bei asthenischen Entzündungen, bei dgl. Quetschungen, bei Fxtravasaten, bei Verhärtungen, bei torpiden Wunden und Geschwüren, beim Brand und dgl.; — ferner, zu Fuss-bädern, bei eiternden Steingallen, bei Knorpeltisteln; #9632;— bei den klei­nen Hausthieren auch zu ganzen Bädern, z. B. bei Krämpfen und Läh­mungen der Hunde, — und zu Einspritzungen in den Mastdarm und in die Scheide, z. B. bei Krämpfen in den Gedärmen oder in der Harn­blase , bei dem zu langsamen Fortschreiten der Geburtsarbeit wegen Schwäche oder wegen Krampf. — Auf diese Weise, in flüssiger Form angewendet, wirken die aromatischen Mittel fast eben so wie in den Breiumschlägen, da auch hier neben den Bestandtheilen der Mittel noch Feuchtigkeit und Wärme sehr wirksame Einflüsse sind; die Wirkungen des Infusums scheinen nur wegen der vollständigen Auflösung der flüch­tigen Bestandtheile mehr eindringend zu sein, als die Wirkungen der Breiumschläge, wogegen die, der letztern bei gehöriger Anwendung ver-hältnissmässig anhaltender und gleichförmiger sind.
Zu solchen Aufgüssen eignen sich alle aromatische Arzneimittel ohne Unterschied, und dieselben werden nur nach dem Grade ihrer Wirksamkeit für den vorhandenen Krankheitszustand, und zum Theil auch mit Berücksichtigung ihres Preises ausgewählt. Gewöhnlich rech­net man auf 1 — 1 '/q Unzen von ihnen 1 Pfund heissen Wassers. Soll der Aufguss auf entzündete Augen, auf Wunden, in dem Mastdarm oder in der Scheide angewendet werden, so darf man nur die reine, durch Leinwand geseihete Flüssigkeit von ihm benutzen; bei der An-
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wendung auf die unverletzte Haut, eben so zu Fussbädern und ganzen Bädern, ist aber das Durdiseilien nicht nöthig'. Nach Erfordern der Zufälle wendet man bald den Aufguss für sich allein an, bald in Ver­bindung mit zusammenziehenden Mitteln (bei grosser Erschlaffung und Ausdehnung der Fasern, und bei starken Extravasaten), bald auch mit Weingeist (Wein), Kampherspiritus oder mit Terpenthinöl, Kochsalz, .Salmiak und dgl. erregenden Mitteln (bei grosser Unempfindlichkeit, bei Krämpfen und bei Lähmung). — Die Temperatur des Aufgusses bei der Anwendung kann, wie bei den Umschlägen, nach der Art und dem Grade der Zufälle, 15 — 30 Grad R. sein; die Dauer und Wieder­holung- der Anwendung muss sich aber nach dem Grade und der Hart­näckigkeit der Zufälle richten. Wichtig ist es, nach der Anwendung der warmen Waschungen, Bäder u. s. w., jede Erkältung zu verhüten, daher das Thior im warmen Stalle zu halten, es bis zur möglichen Trockenheit reiben und warm bedecken zu lassen.
E.nbsp; nbsp;In Form von Dunstbädern oder Dampfbädern wendet man die aromatischen Mittel vorzüglich bei katarrhalischen, asthenischen Ent­zündungen der Augen, bei dgl. Entzündungen der Schleimhaut in den llespirationsorganen, bei rheumatischen und andern asthenischen Ent­zündungen des Euters, bei Stockungen der Milch und hieraus entstan­denen Verhärtungen derselben, und bei rheumatischen Koliken und Harnverhaltungen an. Die Wirkung ist in dieser Form, verhältniss-mässig- zu der des Aufgusses, durch den warmen Wasserdunst sehr ge­mildert, und wird daher auch selbst bei einem noch ziemlich hohen Grade von Spannung und Reizbarkeit ertragen.
Die Entwickelung der aromatischen Dämpfe geschieht durch ein­faches Uebergiessen der Mittel mit fast kochend heissem Wasser in einem passenden Gefäss, welches man so lange zugedeckt erhält, bis die Flüssigkeit sresren 36 — 40 Grad Wärme besitzt; das Gefäss wird dann unter den leidenden Theil gebracht und der letztere von oben her mit einer etwas dichten (z. B. wollenen) Decke, die an den Seiten bis über das Gefäss herabreicht, behangen, um die. Dämpfe zusammenzuhalten und ihnen eine bestimmte Richtung zu geben. Will man das Dampfen durch längere Zeit unterhalten, so giesst man bei dem beginnenden stärkern Abkühlen der Flüssigkeit wiederholt heisses Wasser hinzu, oder man lesrt lt;jlühend (remachte Steine oder dgl. Eisen in dieselbe. Man vermeide die Anwendung der zu heissen Dämpfe, welche sehr leicht die Haut verbrühen, und eben so vermeide man nachher jede Erkältung.
F.nbsp; nbsp;Endlich wird von einigen Mitteln auch das ätherische Üel zum Einstreichen in sehr torpide Wunden und Geschwüre und zum Ein­reiben in Tiieile, die an kalten Verhärtungen, an asthenischen, sehr torpiden Entzündungen, an kaltem Rheumatismus, Lähmungen, tor-piden Exanthcmen und dgl. Affectionen leiden, angewendet, und zwar bald für sich allein, bald in Verbindung mit Fett oder fettem Gel, mit Seife, Weingeist,' Mercurialsalbe und andern auflösenden und erregen­den Mitteln. Durch diese Zusätze wird die stark erregende örtliche Wirkung der ätherischen Gele milder, aber auch andauernder gemacht.
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A. Aromatiscliu Kräuter und Blumen.
1) Fllederblunien (Holuuderblfithen), Flores Sambuei.
sect;. 199.
Sie besitzen ein eig-enthümliclies, dickflüssiges, stark riechendes ätherisches Oel in sehr geringer Menge, verbunden mit Schleim, Ex-tractivstoff und mehrerlei Salzen. — Ihre Wirkungen sind fliiehtig- er­regend auf das Get'äss- und Nervensystem, jedoch nur im sehr gelinden Grade und eigenthüinlich gerichtet und fast beschränkt auf die feineu Gefässc der Haut und der Schleimhaut der Respirationsorgaue; denn die grösseru Gefässe erscheinen selbst bei und nach sehr grosseu Gaben des Mittels (nämlich zu 2—4 Pfund bei gesunden Pferden) a.if keine Weise affieirt, da hiernach weder die Zahl noch die Beschaffenheit der Arterienpulse bemerkbar verändert sind, während jedoch die Haut eine höhere Temperatur, grösserc Weichheit und Feuchtigkeit erhält und die Ausdünstung aus der Lunge verstärkt wird. Wirklicher (tropfbarer) Schwciss entsteht zwar bei Pferden und liindera zuweilen, aber nicht jedesmal nach der Anwendung des Flieders, selbst nach den bezeich­neten grosseu Gaben nicht, und alle übrige Secretionen werden durch ihn fast gar nicht verändert. — Die örtliche Wirkung besteht bei jeder Art der Anwendung in einer nur schwachen Keizung' der feineren Ge­fässe, bei welcher keine Köthung der Haut, kein brennendes Gefühl und dgl. stärkere Einwirkungen zu bemerken sind. Auf die Verdauüngs-eingeweide äussert der Flieder fast gar keine Wirkung, wenigstens keine tonische oder reizende, und unterscheidet sich hierdurch sehr bedeutend von der Wirkung der Kamillenblumen und der meisten übrigen aro­matischen Mittel.
Die Fliederblumen gehören daher zu den mildesten Mitteln der Art, und werden innerlich selbst bei einem nicht zu hohen Entzün-dungszustande gut ertragen. Ihrer Eigenthümlichkeit gemäss wendet man sie besonders in solchen Krankheiten mit gutem Erfolge an, welche aus gestörter oder unterdrückter Haut- und Luufrenausdttnstuus' ent-standen sind, und wo man diese Functionen, ohne starke Aufregung der Kräfte, in einem höhern Grade wieder hervorrufen will, wie nament­lich bei Druse, Strengel, katarrhalischer Bräune, bei Katarrhalfleber, Rheumatismus, bei rheumatischen Krämpfen und Koliken, bei dem rheumatischen (idiopathischen) Starrkrampf der Pferde, der Hunde und Lämmer, bei dem Verfangen (acuteu Rheumatismus) der Schweine, bei der Staupe der Hunde u. s. w. — Doch leistet der Flieder bei diesen Krankheiten mehrentheils nur dann gute Dienste, wenn er gleich im Anfange derselben angewendet wird, dagegen sehr wenig, wenn sie be­reits chronisch geworden sind.
Die Gabe ist für Pferde und Rinder 1 — 3 Unzen, für Schafe und Schweine '/j—1 Unze und für Hunde '/j—^ Drachmen, in Zwischen­zeiten von 1 — 2 Stunden, am zweckmässigsten im Infusum, und nach Erfordern der Umstäude mit Kamillenblumen, mit Baldrian, mit Essig,
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Weingeist, Salmiakgeist, Kampher und andern flüchtigen Mitteln ver­bunden.
Aeusserlich werden die iliederblumen ebenfalls bei katarrhalischen und rheumatischen Entzündungen, besonders bei dergleichen Augen-entziindungen angewendet, und zwar ä) in Form von Kräuterkissen, die aus Fliederblumen allein oder aus gleichen Theilen Flieder- und Kamillenblumen bestehen und bei hohen Graden der Asthenie auch mit etwas Kampherpulver versetzt sein können. 6) Bei schmerzhaften Entzündungen benutzt man den Flieder auch in Form von Breium­schlägen, oft in Verbindung mit schleimigen und narkotischen Pflan­zen; und c) bei ähnlichen Zuständen, besonders an den Augen, wendet man auch das lauwarme Flieder-Infusum als Augenwasser an, bald für sich allein, bald mit Bleizucker, Augenstein, Opium und dgl. versetzt. (1 Unze 1 Sgr., gepulv. 1 Sgr. 8 Pfg., raquo;/a Pfd. Blumen 4 Sgr. (i Pfg.)
Anmerkung 1. Die Flied erb lumen sollen den Pfauen1, und die (getrock­neten) Fliederbeeren (Bacc. Sambuci siccatne) den Hühnern2 ein tödtendes Gift sein. Ich habe Letzteres hei mehreren Versuchen, bei welchen ich einzelnen Hüh­nern 2 — 4 Loth dieser Beeren gab, nicht gefunden.
Anmerkung 2. Der aus den reifen Beeren bereitete eingedickte Saft oder das Fliedermus (Succus inspissatus s. Hob Sainh'iei) soll ebenfalls, wie die Flieder­blumen, jedoch im geringeren Grade, die Hautausdünstung befördern: ich habe dies jedooh niemals beobachten können. In grossen Gaben wirkt dasselbe ähnlich dem Pflaumenmus (S. '9). und kann auch wie dieses (jedoch nur wo es als Hausmittel und ganz wohlfeil zu haben ist) als Bindemittel bei der Bereitung der Pillen und Latwergen dienen. Uebrigcns aber ist es ganz entbehrlich.
2) Kaiiiillenblnnien (Gemeine oder Feldkninilleii), F/ores ChamomtUae vulyaris.
sect;. 200.
Dieses von der Natur so reichlich gespendete Arzneimittel enthält als wirksame! Bestandtheile ein etwas widerlich (schwer) riechendes ätherisches Oel in Verbindung mit bitterm Extractivstoff, und seine Wirkungen sind daher nicht allein flüchtig erregend, sondern auch tonisch. Die erstere Wirkung ist zwar über die letztere sehr vorherr­schend, aber dennoch sehr mild; sie durchdringt bei der gewöhnlichen innerlichen Anwendung schnell den ganzen Organismus, äussert sich aber am stärksten in den Organen der Bauchhöhle, — wozu wohl der Bitterstoff, seiner bekannten Einwirkung auf diese Organe gemäss ('sect;. 134 u. f.), sehr wesentlich beiträgt. In dieser Hinsicht nahen die Kamillen eine grosse Aelmlichkeit mit dem Wermuth, dem Painfarrn, der Schafgarbe, dem Baldrian und dem Kalmus; ihre Wirkung ist jc-doch mehr flüchtig und weniger tonisch als die der drei ersten Mittel, und den zuletzt genannten beiden Mitteln stehen sie in der stärkenden und in der erregenden Wirkung zugleich sehr nach.
Aber gerade jene, in jeder Beziehung milde und eigenthümliche Wirkung, giebt den Kamillen bei manchen Krankheiten einen grossen Werth. Sie können zwar, wie die sämmtlichen Mittel dieser Klasse, bei allen asthenischen Krankheiten angewendet werden, doch sind
1 Lin. Flor. Suec. pag. 97.
- Barthol. Hiaror. anat. rarlor. Cent. 4. p. 248.
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sie der Erfahruiiquot;- zufolse bei as the nisch-nervösen Zuständen, welche mit Schmerz und Krampt' verbunden sind, und be­sonders bei dergleichen Leiden an den Organen des Hin terleibes, am vorzüglichsten wirksam, — und sie werden daher aueli hei Krämpfen) bei Wind- und Krampfkolik, bei krampfhaften Harn-verhaltungen, bei unzeitigen, bei unregelmässigen und zu geringen Wehen, Durchfällen, die mit Krämpfen verbunden, aber frei von Ent­zündungen sind, bei schmerzhaften Rheumatismen, bei der Staupe der Hunde, wenn dieselbe mit Zuckungen, mit Krämpfen oder mit gerin­gem Grade von Lähmung verbunden ist, eben so bei dem Brastkrampf der Pferde, bei der aus Erkältung entstandenen Gelbsucht des Kind viehes und bei der Lähmung der Lämmer häufig gebraucht. Doch leistet das Mittel bei den meisten dieser Krankheiten nur dann wirk­lich gute Dienste, wenn sie keinen zu liohen Grad erreicht haben; im letztern Ealle und bei chronischen Leiden sind seine Kräfte mehren-theils zu geriiiquot;-.
Bei reinen Entzündungen ist die Anwendung der Kamillen schäd­lich, und es ist daher auch ganz fehlerhaft, sie bei jeder Kolik, ohne Berücksichtigung des pathologischen Zustandes derselben, zu gebrau­chen, da namentlich beim Pferde sehr häufig den Symptomen der Kolik eine Entzündung der Baucheingeweide zum Grunde liegt.
Man giebt sie den grossen Hausthieren zu 1—-2 Unzen, Schafen und Schweinen zu 2 — (5 Drachmen, Hunden zu lU — 3 Drachmen auf einmal, und nach der Heftigkeit der Zufalle in Zwischenzeiten von einer halben bis in zwei Stunden wiederholt. Obgleich die Anwendung der Kamillen in Latwergen oder Pillen geschehen kann, so benutzt man sie doch in diesen Formen nicht gern, weil sie, bei ihrem geringen Gewicht, eine zu grosse Masse bilden und dadurch das Eingeben er­schweren. Das Infusum bleibt deshalb auch hier die zweckmässigste und wirksamste Form. In leichten Fällen giebt man dasselbe für sich allein, bei heftigen Krämpfen u. s. w. aber in Verbindung mit Bal­drian, Kalmus, oder mit Opium, mit Stinkasand, Kampher, Weingeist. Schwcfeläther-Weingeist, Terpeuthinöl, Hirschhornöl und andern iliich-tigen Keizmitteln.
Aeusserlich werden die Kamillenblumcn als Pulver zum Ein­streuen in unreine, stinkende Geschwüre, oder auch in Substanz zu trocknen und feuchten Umschlägen, und im Infusum zu Waschungen. Bädern und Bähungen (ganz nach den allgemeinen Andeutungen sect;. 198) benutzt. (1 Unze 1 Sgr. 4 Pfg., gepulv. 2 Sgr., ^g Pfd. Blumen 6 Sgr.)
Anmerkung. Das destillirte oder ätherische Kamillenöl (07. CVm-momälae aethereum), und zwar sowohl das reine, wie das durch Destillation der Kamillen mit C'itronöl oder mit Terpenthinol gewonnene, besitzt die flüchtig erregenden Wirkungen der Kamillen in einem hohen Grade, ist aber sehr t heu er und deshalb in der Thierarzneikunst gar nicht gebräuchlich. — Das gekochte oder eigentlich infundirte Kamillenöl (Ol. Chamomillae ivfiisnm s. coctum), durch Digeriren von 1 Theil Kamillenblumen mit 8 Theilen Baumöl bereitet, leistet nicht viel mehr als blesses Baumöl und ist daher zu entbehren. — Eben so ist das Ka-millenextract, welches fast nur als bitteres Mittel wirkt, und das destillirte Kamillenwasser entbehrlich.
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3) Rüttllsche oder edle Kaiuilleu, Floren Chamomülae Momanac.
sect;#9632; 201.
Sie enthalten als wirksame Bestaudtheile flüchtiges Oel, ein gnm-miharziges Princip, etwas Kampher und etwas Gerbstoff. Au äthe­rischem Oel sind sie reicher als die gemeinen Kamillen, denen sie zwar in der Wirkung ähnlich, aber keinesweges gleich sind, sondern sich durch grössere Flüchtigkeit und durch stärkere aromatische Bit­terkeit von denselben unterscheiden. Deshalb verdient die gemeine Kamille bei schmerzhaften Koliken den Vorzug vor ihnen; übrigens aber können sie, wo sie zu haben sind, ganz wie die gemeinen Ka­millen, bei den im vorigen sect;. genannten und ähnlichen Krankheiten, und in derselben Gabe und Verbindung angewendet werden.
Die französischen Thierärzte benutzen sie sehr häufig; in Deutsch­land sind sie verhältnissmässig zur gemeinen Kamille zu theuer und deshalb wenig im Gebrauch. (1 Unze 1 Sgr. 10 Pfg.)
4) Livi'iHlflliliiuini. Flares Luvmuhdne.
sect;• 202.
Die noch nicht völlig aufgeblühten Lavendelblumen (und zum Theil auch die Blätter) sind sehr reich an einem kampherhaltigen ätherischen Oel, lind ihre Wirkungen sind daher sehr flüchtig, reizend, belebend, und bei asthenischen Entzündungen, bei Stockungen und Extravasaten sehr kräftig zertheilend. — Der Lavendel wird innerlich (aus mir un­bekannten Gründen) sehr wenig angewendet; er ist aber wie jedes an­dere ätherisch-ölige Mittel bei allen, im sect;. 193 angeführten Krank-keitszuständen zu benutzen. Die Gabe ist für die grosses Hausthiere 1 — 2 Unzen, für Schafe und Schweine ^—1 Unze, für Hunde i/.,—'1 Drachmen. Form und Verbindung ist wie bei den Kamillenblumen zu wählen. — Am gewöhnlichsten wird der Lavendel äusserlich in solchen Fällen benutzt, wo erregende Zertheilungsmittel angezeigt sind. Die Anwendung kann hierbei, den Umständen entsprechend, in Kräu­terkissen, in Breiumschlägen, oder im Infusum und mit Zusatz von Kamillen, Quendel, Spiritus und dgl. geschehen. (1 Unze 8 Pfg., i/2 Pfd. 3 Sgr., fein pulv. 1 Unze 1 Sgr. 4 Pfg.)
Anmerkung Das sehr kmnpherreiche Lavendelöl (01. Lavandalac destil-latmn) erzeugt ausgezeichnet flüchtig erregende Wirkungen, welche denen des Kam-phers ähnlich und örtlich viel milder sind, als die Wirkungen des Terpenthinöls; daher auch bei seiner wiederholten Amvendung auf die Haut nicht so bald die Haare verloren gehen, wie bei dem Gebranch des letztern Mittels. Ks ist nach dem Tcrpentbinöl. Wacbliolderholzöl, Steinöl und Kosmarinöl das wohlfeilste Stberische Oel, und wird von den französischen Thierärzten hiiufig gegen asthenische und chro­nische Entzündungen, gegen verhärtete Geschwülste und bei Rheumatismen zu äus-serlichen Einreibungen, bald für sich allein, bald in Verbindung mit Baumöl, mit Weingeist. Salmiakgeist oder Terpenthinöl, je nachdem man einen geringern oder stärkern Grad der Reizung bewirken will, angewendet. Es ist jedoch fast überall durch da? Terpenthinöl zu ersetzen und nur da zu empfehlen, wo die Eigenthümer einen besondern Werth auf die kranken Thiere legen, und etwas Anderes als die gewöhnlichen Mittel gebraucht zu sehen Wünschen, oder wenn die kranken Thiere
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im Zimmer gehalten werden, z. B. Stubeuhunde und Katzen. (Preis: 1 Drachme 10 Pfg.) — Eine geringere und gewöhnlich verfälschte Sorte des Lavendelüls, das Spiköl (Ol. Spicaei, wurde ehedem von den Thierärzten sehr häufig und auf ähn­liche Weise wie das vorige, gebraucht; jetzt benutzt man dasselbe mit Keclit sehr wenig und nur unter den eben angegebenen Umstanden. — Aussordem hat man noch einen Lavendelgeist (Spiribia Lavandulue), welcher aber in der Thierarznei-kunst entbehrlich ist
5) Rosmuriiikiiiut (und Blmiivu), Hcrba et Flores Eosmarini. s. Sorts marini, s. Anihos.
%. 203.
Der Eosmarin besitzt als Hauptbestanclthoil ebenfalls sein- viel kamjilierlialviges Oel, in Verbindung- mit etwas bitterlich scharfem Ex-tractivstoff. Er ist somit dem Lavendel sehr ähnlich und stimmt auch mit dessen flüchtig erregenden Wirkungen im Wesentlichen überein, übertrifft dieselben aber noch an Stärke, und zeigt ausserdem auch eine kräftigere Einwirkung auf die Geschlechtsorgane, so dass er snh den Wirkungen der römischen Kamille sehr nähert.
Mau macht von dem Rosmarin nur wenig Gebrauch, besonders in­nerlich; wo er jedoch wohlfeil und vielleicht als Hausmittel zu haben ist, kann die innerliche und äusserliche Anwendung ganz so und in densel­ben Gaben geschehen, wie bei den vorigen beiden Mitteln. (1 Unze 8 Pfg., 1/2 Pfd. 4 Sgr. 6 Pfg.)
Anmerkung. Das Kosmarinöl {01. Boris marini s. 01. Aathos) besitzt die­selben Wirkungen wie das Lavendelöl, und kann so wie dieses benutzt werden. Es verdient sogar vor diesem in den meisten Fällen den Vorzug, da es unter allen äthe­rischen Pflanzenölen (mit Ausnahme d'5s Terpenthiuöls und des Wachholderholzöls) das wohlfeilste ist. (1 Unze 3 Sgr. 6 Pfg.) — In der sogenannten Nervensalbe oder der zusammengetzten Eosmarinsalbe (Unguentum nerrinnm s. ühg. ltoi-is marini compositmn). wie dieselbe in der Preussischen Pharmaeopöe vorgesehrieben ist, bildet dieses Oel und das Kosinarinkraut die wirksamsten Bestandtheile; sie wirkt sehr kräftig erregend, stärkend und zertheileml, ist aber für die meisten Fälle der thierärztlichen Praxis zu theuer, und durch Salben aus Terpenthinöl, Kampher und grüner Seife oder Schweinefett zu ersetzen. — Der Eosmarinspiritus {Spiritus Boris marini) ist ein kräftiges Beizmittel, aber entbehrlich.
6) Sallioikraul, Folia s. Berba Salviae [pfficinalis). sect;. 204.
Das in der Salbei enthaltene ätherische Oel ist ebenfalls kampher-haltig, jedoch in einem geringeren Grade als das des Lavendels und des Bosmarins; mit ihm ist Bitterstoff' und, in noch grösserer Menge, auch ein adstringirendes Princip sehr innig verbunden, und das Mittel besitzt hierdurch die Eigenschaft, nicht nur flüchtig erregend, sondern auch zusammenziehend, anhaltend erregend und stärkend zu wirken. — Diese Wirkungen zeigen sich innerlich durch Besserung der schwachen Verdauung, durch Beseitigung von Krämpfen und Blähungen, vorzüg­lich aber durch Beschränkung krampfhaft vermehrter Absonderungen sehr heilsam, wie namentlich bei chronischen Verschleimungen der ßespirationsorgane, bei Krämpfen, bei Schwäche, Erschlaffung und bei Verschleimung der Verdauungseingeweide, der Nieren und Ge-
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schlechtstheile, daher auch bei dem sogenannten feuchten Dampf, bei der Schleimschwindsucht, bei asthenischem Durchfall und liulir, bei dgl. Harnruhr, bei übermiissigen Schweissen, bei zurückgebliebener Nachgeburt und dadurch entstandenem Schleimfluss; in einigen Fällen sehr wirksam gegen Spulwürmer (mit Honig gegeben); — eben so äusserlich bei astheuischen Entzündungen im Maule und im Rachen (z. B. bei dem Maulweh, bei chronischer Bräune mit übermässiger Schleimabsonderung), bei astheuischen Augenentzündungen, und bei allen dgl. Entzündungen anderer Theile, bei Quetschungen, leichten Blutextravasaten, bei ödematösen Anschwellungen, bei Schleimfluss aus den Geschlechtstheilen, bei Wunden und Geschwüren mit zu geringer Thätigkeit, selbst bei dem kalten Brande und dgl.
Die Gabe zum innerlichen Gebrauch ist für die verschiedenen Haus-thiere wie bei den Kamillen. Die Anwendung kann in allen Formen geschehen; am zweckmässigsten ist jedoch das Infusum, wenn man die flüchtigen Wirkungen des Mittels vorzüglich zu erhalten wünscht; will man aber mehr die tonischen Wirkungen, so kann dasselbe auch schwach gekocht werden. Zusätze macht man, nach dem Grade der vorhandenen Erschlaffung und Reizlosigkeit, von Weidenrinde, Alaun, Kalmus, Ka­millen, Pfefferminze, Kampher, Spiritus, Terpenthinöl und dgl.
Die äusserliche Anwendung der Salbei geschieht inehrenthcils im Infusum, für sich allein oder in Verbindung mit andern aromatischen Pflanzen, und häufig mit Zusatz von Essig oder Spiritus (1/4 bis zur Hälfte der ganzen Flüssigkeit), zum Waschen, Bähen und Einspritzen; — zuweilen wird die Salbei auch zu aromatischen Breiumschlägen, sel­ten in Pulverform zum Einstreuen in Wunden und Geschwüre benutzt.
Anmerkung. Die Salbei wird von Schafen und Ziegen gern gefressen und giebt. wenn dies reichlich gesebielit, der Mileli und dem Fleische dieser Thiere einen gewür/.haften Q-eschmack.
7)nbsp; nbsp;Gcineiiii's Dttslellkraut (Wohlgemuth), Ilcrba Origani vulgaris (0).
sect;. 205.
Das Dostenkraut ist in seinen Bestandtheilen sehr ähnlich dem Mairan, aber die Wirkungen sind viel kräftiger als bei dem letzteren. Es kann ganz wie die vorher genannten Mittel benutzt werden.
Dasselbe gilt auch von dem kandischen Dosten oder Diptam-Dosten, oder dem sogenannten spanischen Hopfen {Origanum creti-cum s. Dktamnus ereticus), welcher sehr reich an ätherischem Gel ist und den vorigen an Wirksamkeit noch übertrifft. — Sein ätherisches Oel (Dostenöl, Spanischhopfenöl, 01. Origani cretici) ist sehr stark reizend, dem Terpenthinöl ähnlich, und wurde ehedem zu scharf­wirkenden Salben und Einreibungen häufig gebraucht, wird aber jetzt durch das wohlfeilere Terpenthinöl ersetzt.
8)nbsp; nbsp;Pfeflerniinzkraul Folia s. Herba Mcnthae piperitae s. piperitidis.
%. 206.
^nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Die Pfefferminze besitzt als allein wirksamen Bestandtheil ein sehr
kampherreiches ätherisches Oel in- bedeutender Menge, welches sich
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(lui-cli einen aromatischen und zugleich kühlenden Geschmack vor an­dern ätherischen Oelen auszeichnet. Sie ist ein sein- kräftiges lliich-tiges Reizmittel, welches an Flüchtigkeit alle übrigen aromatischen Mittel übertrifft, und sich den Wirkungen des Kamphers am meisten nähert; e,s fehlen ihr dagegen alle wirklich stärkende); Eigenschaften, und sie steht in dieser Beziehung den Kamillen, dein Lavendel, dem Rosmarin, der Salbei, noch mehr aber dem Baldrian, dem Kalmus, der Angelik- und Meisterwurzel sehr nach.
Man benutzt daher die Pfefferminze auch nur als blosses Reizmittel hei allen Krankheiten, die aus grosser Schwäche entstanden oder mit derselben verbunden sind, und besonders bei dergleichen nervösen Lei­den, wie namentlich bei reiner Appetitlosigkeit, bei Krämpfen und Krampfkolik, bei falschen und bei zu geringen Geburtswehen, bei quot;Windkolik und Trommelsucht, bei Lähmungen, bei Schwindel, Lei nervösen und typhösen Fiebern, bei dergleichen Kolgen und Nach­krankheiten der Staupe der Hunde und dgl.
Die Dosis ist für Pferde und Rinder lj2 — l1/,, Unzen, für Schafe und Schweine 2 — 4 Drachmen, für Hunde 10 — 30 Gran. — Das Mit­tel wird am besten im Infusum angewendet, kann aber auch in Pillen und Latwergen gereicht werden. In leichten Fällen, besonders bei Krämpfen, ist es für sich allein ausreichend, bei mehr hartnäckigen Zu­fällen setzt man ihm Kampher, Baldrian, Hirschhornöl, Opium und dgl. erregende und krampfstillende Mittel zu.
Aensserlich wird die Pfefferminze als kramjifstillendes, reizendes und zertheiiendes Jlittel auf die, im sect;. 198 angegebenen verschiedenen Weisen mit dem besten Erfolge benutzt; sie ist jedoch für die meisten Fälle zur änsserlichen Anwendung zu kostbar und deshalb durch die bereits verlier genannten Mittel, vorzüglich aber durch die wildwach­senden Minzarton und durch den Quendel zu ersetzen. (1 Unze 1 Sgr. 8 Pfg., fein puhv 2 Sgr. 6 Pfg.)
A mn firk un g. Vormals benutzte man aiuli in dor Tliicrarzncikundc das dcstil-lirtePfefferminzi'il (01.Menthaepiperitae) und das Pfefferminzwasser(ligtia destill. Menth. piperitae); beide Präparate sind aber zu tliener, können durelj das In­fusum des Krautes sein- gut ersetzt und datier ganz entbehrt werden, (Oel 1 Scrupel 7 Sgr. 10 Pfg.)
i)) Kraiiseminzkraut, Folia s. irnha Menthae tyispae.
sect;#9632; 207.
Die Krauseminze besitzt ein ähnliches, sehr flüchtiges kampher-artiges Oel wie die Pfefferminze, jedoch in etwas geringerer Menge und in Verbindung mit einem milden Bitterstoff. Sie ist der Pfeffer­minze sehr ähnlich, nur etwas weniger durchdringend reizend und zu­gleich etwas tonisch. Die tonische Wirkung kommt jedoch kaum in Betrachtung, und das Mittel kann daher ganz wie das vorige ange­wendet werden.
Bemerkenswerth ist es jedoch, dass Kühe die Milch verlieren sollen, wenn sie reichlich das Krauseminzkraut fressen ', — und dass die Milch
1 Linn. Flor. Snec. Nr. 516. UbrtwiO, Är/.nuiiniU.'lIelire
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oicht gerinuen soll, wenn man Krauseminzblätter in sie legt'. (1 Unze 1 Sgr. G Pfg., fein ptilv. 2 Sgr. 4 Pfg.)
Anmerkung 1. Fust alle übrigen Minzearten, und namentlich die Ackerminze (Minthii iirreiiMs), tue grüne M inze {Mtntha viridia s. sat/ra), lt;lie Wasserminze oder ßossminze {M. aquatica s, hirsnta), die Wald minze (.1/. samp;vesto'is laquo;. nemorosa) u.a., vorzüglich aber die Po leiminze, derPolei (M. Ptdegäwi) stimmen in den wesentlichen Eigenschaften mit der Pfefferminze und der Krauseminze überein, ob-gleich sie mehrentheils (mit Ausnalune dos Polei) von etwas schwächerer Wirksam­keit :il.s diese beiden Äliittd sind; sie können daher die Stelle derselben vertreten, besonders für den äusserlichen Gehrauch, und verdienen überhaupt als inländische wohlfeile Arzneistoffe von den Thierärzten eine bessere Beachtung :ils bisher.
Anmerkung 2. Melissenkraut (Citronenmelisse) {Folia a. Werha Melissas), enthält ätherisches Ocl, in Verbindung mit etwas Bitterstoff und mit einem kleinen Antheil Gerbstoff. Obgleich .sein Geruch von dein der Krauseminze verschieden ist, so stimmt es doch mit seinen Wirkungen mit dieser fast ganz. überein und ist auch quot;wie sie und wie die Pfefferminze zu benutzen. Da es jedoch dem letztem Mittel und dem Quendel an Wirkungen nachsteht, und ausserdem auch tfaeurer ist als Pfefferminze, so machen deutsche Thierärzquot;te von ihm nur sehr selten Gebrauch, aber in Frankreich benutzt man es sehr bäufig hei torpidenKrankheits-zustäuden der Verdauungscingeweide, namentlich bei Appetitlosigkeit, Dnverdaü-iiehkeit. Aufblähen u. s. w., besonders hei den wiederkäuenden 'filieren.
10) Qnendelkraid (wilder oder Fcldlbyiuian), llerbu SerpylU.
sect;. 208. Die säninitliclicii Varietäten des Quendels besitzen ein kampher-reiches ätlierisclies Oel und gehören zn den gewürzhaftesten Pflanzen Deutselilauds. Die Wirkungen sind denen der Pfefferminze sein- ähn-licli, und der Quendel kann daher überall angewendet werden, wo die letztere einjifohlen ist und wo uLerlianpt ätherisch - ölige Mittel passend sind. I gt;a er fast allenthalben leicht zu haben und sehr wohlfeil ist, so verdient er in der Tbierheilknnde zum innerlichen und äusserlichen Gebranch häufiger benutzt zu werden, als es gewöhnlich geschieht. (1 Unze 8 Pfg-., % Pfd. 5 Sgr.)
Anmerkung. Mit dem Quendel ist das Kraut des gemeinen Tliytnian {lliiha Thunii indgaHs) in den Bestandtheilen und Wirkungen Übereinstimmend, aber noch etwas kräftiger, da es etwas melir ätherisches Oel enthält. (1 Unze 1 Sgr.)
11) Sadebaiim- oder Serenbaiimkrautj iferhu s. Folia Sabime,
sect;. 209. Die Plätter des Sadebaums enthalten als wirksame Bestandtheile ein terpenthinartiges, sehr erhitzendes und scharfes ätherisches Oel, in Verbindung mit einem scharf bitterlichen und zum Theil harzigen Extractivstoff'. —#9632; Sie wirken im frischen Znstande (zerquetscht und von den Thieren gekauet) und im trockenen örtlich sehr stark reizend; sowohl äusserlich wie auch im Magen und Darmkanal (irregen sie dunk­lere Köthung, brennende Empfindung, bei längerer Dauer der Berüh­rung auch Entzündung, und an von Haut entblössten Weichgebilden, z. B. in Wunden, Geschwüren und an Warzen, wirkt unter diesen Um­ständen das Pulver des trockenen Krautes selbst ätzend und zerstörend.
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1 Dioscorid. Lib. 3. e. 41. p. ISO. u. Lewis, mat. med. p, 378
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Wie jedoch die Pferde manclie scharfe Stoffe in grosseu G-aben ohne Nachthei] ertragen, so werden auch ilivc Verdauungseingeweide selbst von sehr grossen Gaben Sabina nur wenig- auf die bemerkte Weise affidrt. Ich liabo dieses in mehreren Fallen, wo ich ibnen das frische wie das trockene Kraut zu 4, 8 —12 Unzen jiro dosi, und täglich zwei­mal durch G — 8 Tage sowohl mit dem Futter als auch in Pillenform gab, selbst beobachtet, und die von dem Prof. Sick in der hiesigen Thierarzneischule früher angestellten Versuche, bei welchen das Mittel durch ein halbes Jahr in steigenden Gaben und zuletzt pfundweise mit dem Futter gemengt, gereicht wurde1, beweisen dies ebenfalls. Bei Kindern und Schafen sieht man dagegen von grossen und mehrfältig wiederholten Gaben sehr oft jene heftigen örtlichen Wirkungen und deren Polgen, nämlich schmerzhafte Aufblähung des Leibes, Verlust des Appetites, Entzändungsfieber, Verstopfang oder später blutige Diarrhöe und dgl. eintreten, — und bei Hunden entsteht; die Magen-und Darmentzündung und darauf selbst der Tod nach 4—6 Drachmen des Mittels jedesmal, wenn den Thieren dui'ch Unterbinden des .Schlun­des das Erbrechen unmöglich gemacht ist. — Audi nach dem Ein­bringen von 2 Drachmen der gepulverten Sabina in eine, frische Wunde am .Schenkel eines Hundes, sähe Orfila, aussei- der heftigen Entzün­dung und blutigen Infiltration des verletzten Gliedes, in etwa .quot;iß Stun­den den Tod erfolgen2. Bei Pferden habe ich grössere Quantitäten in Wunden und Geschwüre gebracht, und davon wohl starke Entzündung und kräftige ümstimmung der Thätägkeit, aber keine wichtigen allge­meinen Zufälle entstehen sehen.
In diesen örtlichen Wirkungen ist die Sabina den scharfen Mitteln ganz ähnlich, und man hat sie daher auch oft zu denselben gerechnet; allein ihre allgemeinen Wirkungen stimmen wieder mit denen der äthe­risch-öligen Mittel und zum Theil auch mit denen der Harze, überein. Sehr flüchtig sind diese Wirkungen nicht. — Das Mittel bringt in mas­sigen Gaben bei allen Thieren eine kräftige Aufregung der Gefäss-thätigkeit, besonders in den Baucheingeweiden, in den Harn- und Ge­schlechtsorganen hervor, bessert die Verdauung und die Assimilation, tödtet Eingeweidewürmer und hemmt deren Entwickelnng, befördert die Wärmeentwickelung, die Hautattsdiinstung und die Urinsecretion, und oft auch die Resorption. Fast immer findet man, dass das Blut höher gerötbet wird, und dass bei Pferden der Koth und Urin einen ganz eigentbümlichen, widrigen Geruch annimmt; bei den übrigen Thieren findet etwas Aebnliclies, jedoch weniger auffallend Statt. Bei den von Sick gemachten Versuchen wurde ein Pferd ausserordentlich fett, obgleich es nur wenig Futter erhielt. — Nach Pilger's Angabe3
1nbsp; Iiu(loli)lii, Bemerkungen ans ilcm OoLiet der Naturgeschichte, u. s. w. 1. Theil. S. 31.
2nbsp; Orfila. Allgemeine Toxikologie. A. il. Franz. von Kühn. Erster Bd. S. 092.
s, Pilger, Systomat. Handbuch der Veter. Wissenschaft. 2. IM. S, 44:'). Er be­hauptet, d;iss durch das Futtern mit Sadebaum das .sogenannte nackte Pferd, wel­ches sich im Cabinet der Konigl. Thierarzneischule zu Berlin befindet, seine kahle Beschaffenheit der [Taut erhalten babe. Dies ist jedoch nicht erwiesen.
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sollen Pferde bei dem durch längere Zeit fortgesetzten Gebrauch des Mittels die llaaro verlieren; die au der hiesigen Thierarzueischule des­halb gemachten Versuche haben aber das letztere nicht im Geringsten bestätiget. — Bei trächtigen Thieren soll die Sabina, nach der Behaup­tung fast aller Schriftsteller, sehr leicht das Verwerfen herbeiführen; es lindet sich jedoch nirgends ein Fall beschrieben, in dem diese Wir­kung nachgewiesen ist, und bei meinen Versuchen an trächtigen Pfer­den und Sunden (bei letzteren das Mittel im lufusum zu 2 Drachmen auf den Tag gegeben) hat sich dieselbe auch nicht, gezeigt; ich will sie aber deshalb nicht ganz läugnen, und noch weniger will ich die, von Andern empfohlene Vorsicht in der Anwendung dieses Mittels bei trächtigen Thieren verachten.
Die Indicationen zur innerlichen Anwendung dieses kräftigen Arz­neimittels sind zwar dieselben, welche für die ätherisch-öligen Mittel im Allgemeinen (sect;. 193) angedeutet wurden; dasselbe erscheint jedoch besonders da als passend, wo mit dem Vegetationsprocess die arterielle Thätigkeit und die Empfindlichkeit zugleich sehr gesunken sind; d. i. bei torpider Asthenie und ihren Folgen. — Mit Nutzen hat man das drittel gebraucht: bei der chronischen, bösartigen Druse, selbst beim liotz und Wurm der Pferde; bei Eingeweidewürmern, bei schlechter Verdauung und damit verbundener Abmagerung, bei der chronischen Lungenseuche des Rindviehes, wenn die Krankheit einen ausgebil­deten astheuischen Character besitzt und wenn sie in Brustwasser­sucht übeigeht; eben so bei Wassersucht überhaupt, und bei cacbecti-seben Krankheiten, die mit derselben verbunden sind, wie z. li. die Fäule der Schafe in den meisten Fällen; bei veralteter, hartnäckiger Räude und Mauke; bei dergleichen Rheumatismus; bei zurückgeblie­bener Nachgeburt, wenn die Gebärnnitter in ihrer Zusammenziehung zu wenig Kraft und Thätigkeit zeigt, und eben so bei chronischem Schleimaustiuss aus der Gebärmutter, wenn ein torpider Zustand in derselben besteht.
Pferden und Rindern giebt man von dem Sadebaum ^U—2 Unzen, Schafen und Schweinen '/a'—2 Drachmen, Hunden 5— 10 Gran auf einmal, und in Zwischenzeiten von 4 — G Stunden wiederholt.
Die Anwendung- kann in Latwergen und Pillen, wie im Infusum und Decoct geschehen. In deui letzten) kommen mehr die bittern Be-standtbeile, in dem Infusum mehr das ätherische Oel zur Wirkung. Ausserdem kann man auch die frischen oder die getrockneten Blätter, unzerstossen mit dem Futter gemengt, den Thieren reichen, und auf diese Weise besonders Pferden und Schafen (den letztern in Lecken mit Meld oder Schrot und Salz) leicht beibringen. Das Pulver eignet sich zu dieser Art der Anwendung nicht gut, weil es zu heftig reizend auf die Schleimhaut der Miul- und Rachenhöhle wirkt.
In vielen Fällen der vorhin genannten Krankheiten ist der Sade­baum für sich allein wirksam genug, zuweilen aber muss mau ihn mit andern entsprechenden Mitteln verbinden, wie besonders rnit Spiess-glanz-, Schwefel-, Quecksilber- und Eisenpräparaten, oder mit adstrin-girenden, bittern und schleimigen Mitteln. Letztere setzt man gewöhn-
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lieh nur deshalb hinzu, um die stark örtliche Einwirkung der Sabina auf den Verdauungskanal zu mindern.
Aeusserlich benutzt man das Mittel entweder a) in Pulverform zum Einstreuen in sehr torpide, unreine, cariöse und wuchernde Ge­schwüre, um dieselben in grössere Thätigkeit zu versetzen, sie zu reinigen, die Abbliitterung- zu beförden und die üppige Granulation zu zerstören, und zwar bald rein, bald mit gebranntem Alaun, mit rotfaem Quecksilber-Präcipitat, mit Kupfervitriol und dgl. versetzt; odor 6) im lufusum als reizendes und zertheileudes Mittel' zum Befeucbten un­reiner Geschwüre, zum Waschen bei Käude, bei veralteten Quetschun­gen und bei Verhärtungen, — zum Einspritzen bei Schleimt!üssen aus den weiblichen Gcschlechtstheilen. (1 Unze 1 Sgr. 2 Pfg., i/a Pfd. 5 Sgr., fein pulv. 1 Unze 1 Sgr. 10 Pfg.)
Anmerkung 1. Das sehr scharf reizende Sadcbaumö] (01. destiU Xahhuic) wurde früher häufig bei Knochengeschwüren, um ilin Abhlätterung zu befördern, wie auch als durchdringendes Reizmittel zum Einreiben in verhärtete, in gelähmte, oder mit hartnäckigem Rheumatismus behaftete Theile angewendet; es ist entbehr­lich, da es durch das wohlfeilere Terpcnthinöl ersetzt wird, i 1 Drachme 4 Sgr #9632;:quot; Pfg.)
Anmerkung 2. Pem Sadebaum ähnlich in laquo;Ion Bestandtheilen ist der soge­nannte Lebensbaum (Thuja occiäentalis). Innerlich sind bisher nur wenige Ver­suche mit ihm gemaelit worden; änsserlich hat sich aber das Kittel bei anreinen schlaffen Geschwürenj gegen üppige G-ranulation und Feigwarzen sehr wirksam ge­zeigt. Man benutzte hiergegen das pulverisirte Kraut zum Einstrenen, oder noch hesser, die Tinctur (aus 1 Unze der Blätter und 6 Unzen Weingeist bereitet) zum Anleuchten, täglich 3 — 4 Mal wiederholt.
sect;• 210.
Zu den aromatischen Kräutern gehören auch noch: das Pfeffer-krant oder Bohnenkraut (Ilnrba Saturejae), das Basilienkraut (//. Basilici), die Katzenminze (//. Catariae s. IT. Nepetae) und das Katzenkraut, Ajnberkraut oder Marumverum {IF. Mari veri s. syriaci). Sie sind sämmtlich dem Thymian ähnlich, werden durch diesen ersetzt und kommen jetzt kaum noch als thierärztlichc Arznei­mittel in Gebranch; desgleichen das Isopkraut (77! Hyssopiquot;), das Majorankraut {IT. Majoranae)', — eben so das Betonienkraut {H. Betonieae), und das Lachenknoblauchkraut (//. Scordii), welche sämmtlich schwach aromafisch, aber aussei' Gebrauch sind, und das Steinklee- oder Melilot enkrant mit den Blumen (llrrba et FJnrcs Melilott), dessen Wirkungen sehr schwach sind, so dass man es innerlich gar nicht und äusserlich fast nur seines Geruchs wegen als Zusatz zu andern zerthoilenden, und selbst zu erweichenden Kräutern zuweilen benutzt.
Endlich sind auch die sogenannten Heublumen oder Heusamen [Flares et, scminaFoem), welche sich als Abtall und Rückstand des Heues auf dem Boden finden, hierher zu rechnen. Sie bilden ein Gemenge von halb- und ganzreifen Grassamen, Blüthen und Spelzen u.s. w., und be­sitzen nach Art und Beschaffenheit, der im Heu enthaltenen Pflanzen ge­lind aromatische und schwach adstringirende Eigenschaften. Man kann sie äusserlich als die wohlfeilste aromatische Kräutermischung (aroma­tische Species) bei allen Krankheiten anwenden, wo aromatische Krau-
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tiT tlberhaupl empfolilen sind; besonders abpr eignen sie sich für die leichteren Grade dieser Krankheiten, wie auch wo Fussbäder oder Um­schläge auf grossen flächen anzuwenden sind, so wie auch zu Dunst-bäderu. Im Nbthfall kann man ein lat'iisnm von gutem llousanicn innerlich, z. B. bei rheumatischer und bei Krampfkolik, mit Nutzen ge­brauchen.
B. Aromatische Samen.
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1-!) Aiiissameil) Semen Anisi.
sect;• 211.
Im Anis ist ein siissliches ätherisches Oel in nicht unbedeutender Menge enthalten, aber durch fettes Oel, Schleimzucker und Kxtractiv-stoff sehr gemildert in seinen Wirkungen. Diese, bestehen in einer sauften Erregung der Tljätigkeit tier Verdauungseingeweide und der Respirationsorgane, und änssern sicli durch Vermehrung des A[i|ie tites ~ durch bessere Verdammg, durch Abtreibung der Blähungen, vor­züglich alier durch flüssigere Absonderung und leichtern Auswurf des Schleims aus den Respirationsorganen. Der letztern Wirkung- wegen ist der Anis von jeher als ein sogenanntes Brustmittel geschätzt, und vorzüglich im letzten Stadium der in Genesung übergehenden Lun­genentzündung, oder vielmehr in der lieconvalesceuz nach derselben, — auch selbst im Verlaufe wirklich astheuischer Lungenentzündungen, und bei allen katarrhalischen Krankheiten mit diesem Character häufig an­gewendet worden. Er ist daher auch ein liestandtheil fast aller soge-nannten Drusenpulver und Drusenlatwergen, in welchen er freilich auch oft gemissbraucht wird, wenn die Anwendung zu früh, d. h. noch wäh­rend der Kntzündungsperiode geschieht. — Eben so benutzt man ihn bei l'nverdaulichkeit, bei zu vieler Entwickelung von Bläbungeu, bei Wind- und Krampfkolik, bei krampfhaften Harnverhaltungen, Lei Durchfällen, welche ohne Reizung bestehen, und dgl. Doch dürfen diese Krankheiten nicht mit einem zu hohen Grade von Schwäche und Reizlosigkeit verbunden sein, weil sonst der Anis nicht wirksam ge­nug ist.
Die Gabe ist für Pferde und Rinder 1 — 3 Unzen, für Schafe und Schweine - Drachmen bis '/^ linze; für Hunde 20 (laquo;ran bis 1 Drachme. Das Mittel ist in Pulverform, in Latwergen, Pillen und im Infusum an­wendbar, und wird nach l'edürfniss tier Umstände mit Salmiak, Kalo-mel, Schwefel, Spiessglanz, Wachbolderbeeren, Terpenthin und dgl. Mitteln verbunden. Ehemals pflegte man den Anis auch zu den Pur-girmitteln zu setzen, um, wie mau glaubte, deren nachtheilige Wirkung auf den Darmkanal, besonders Kolikschmerzen zu verhüten; jetzt wird dieser Gebrauch mit Recht unterlassen. Dagegen setzt man den Anis zuweilen als Nebenmittel zu Arzneien, besonders zu Pulvern, um ihren Geschmack zu verbessern, weil er den meisten Thieren angenehm ist und von ihnen gern gefressen wird. Dieses gilt namentlich von Pfer­den und Tauben.
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Der Anis ist aber tüi' alle diese Zwecke durch den billigeren Fen­chel zu ersetzen. (1 Unze 1 Sgr. 2 P%.)
Anmerkung l. Das ätherische Auisöl (Olcntn aetltereum Anisi) ist zum Gebranch lraquo;ei grossen Xhieren zu theuer und wird nur zuweilen noch zum Vortreiben und Todteu der Läuse und Klöhe bei llundeii, Katzen und Vögeln benutzt. Nach meinen Erfahrungen wirkt es ^g011 solches Ungeziefer sehr kräftig, verlangt aber bei kleinen Vögeln die grösste Vorsicht, weil es dieselben, z. B. Kauarienvögel, zu tödten vermag, wenn es su reichlich aufgestrichen wird, dass die Thiere es mit dem Schnabel wieder abwischen und lecken können. Selbst den Tauben snll das reine Anisöl ein Gift sein. Daher verdient bei den Vögeln ein schwaches [nfttsum des Anissamens, oder von dem Petersiliensamen, oder von dem sogenannten Insekten­pulver zu obigem Zweck als Waschmittel den Vorzug.
Anmerkung 2. Der Stemanis (Semen Änlst stellati) besitzt fast ganz laquo;lie-selben Eigenschaften wie der gewöhnliche Anissamen; ist aber zu theuer und ganz entbehrlich.
13) Fenchelsaiueii, Semen FoenieuU.
%#9632; 212. Der Fenchel ist in seinen Bestandtheilen und Wirkungen dem Anis sein- ähnlich, und alles von dein letzten G-esagte ji'ilt daher anch von ilim. Er verdient aber, da er viel wohlfeiler ist. als der Anis, den Wirzug vor diesem. (1 Unze JO l't'g-., fein pulv. 2 Sgr.)
A inner kling. Das Keuche 1 kraut und die Fenche 1 wu rzol illerha et Badix Fuenievf.i) enthalten im frischen Zustande eine sehr geringe Menge ätherisches Del und wirken gelind reizend, besonders auf die Schleimhäute, auf die Nieren und auf das Kuter: getrocknet siud sie ganz unwirksam. Man benutzte sie ehemals gegen die Gelbsucht der Schafe und zur Beförderung der IMilcbabsonderung; jetzt sind sie aus dem Gebrauch.
14) EQunuelsauien, Karlie, Semen. Carvi.
sect;. 213. Der Kümmel ist etwas mehr rein aromatisch als Fenchel and Anis, im Ganzen aber ein eben so mildes Arzneimittel wie diese, und unter­scheidet sich von denselben in therapeutischer Hinsicht anch nur da­durch, dass seine erregenden Wirkungen weniger auf die Brust- als auf die Baucheingeweide gerichtet sind. Er befördert die wurmförmige Bewegung des Darmkanals, bessert die Verdauung, stillt Krämpfe, be­sonders in den Organen des Hinterleibes, und treibt Blähungen ab. Er wird auch allgemein als eins der wirksamsten unter den blälmngtiei-benden Mitteln betrachtet, und bei leichten asthenischen Dhverdau-lichkeiten, bei dergleichen Durchfällen, vorzüglich aber bei Krampf­und Windkolik und bei der Trommelsucht gebraucht. Die Anwendung geschieht in denselben Gaben wie die des Anis, am besten im Infusum, welches zuweilen mit Bier bereitet und durch Zusatz von Branntwein und dgl. verstärkt wird. Dasselbe kann auch zu Bähungen gequetschter Theile und zu recht wirksamen erregenden, krampfstillenden Clystircn benutzt werden. (1 Unze 1 Sgr. i', Pfg.)
15) Dlllsainen, Semen Anclhi (quot;).
sect;• 214.
Er ist mehr scharf gewürzhaft und weniger angenehm schmeckend als der Kümmel, stimmt aber mit dessen Wirkungen sehr übercin, und
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kann in denselben Krankheiten, wo dieser und wo der Anis empfohlen ist, angewendet worden, und zwar in derselben Gabe, Form und Ver­bindung wie jene Mittel. Der Dillsamen verdient als wohlfeiles und auf dem Lande leicht zu habendes Arzneimittel von den Thieräizten mehr benutzt zu werden als bisher.
Anmerkung. Das Dillkraut (Serba Anetkt) besitzt ähnliche Eigenschaften
wie rliis Fcuelielkrant, und wurde ehemals wie dieses angewendet.
16) Peterslliensaiiien , Semen Fetroselini.
sect;. 215.
Das ätherische Oel ist in diesem Samen von schärferer Art als in den vorigen Mitteln, dalier er auch einen scharf gewilrzhaften und etwas bit­tern Geschmack besitzt. Er wirkt auf die Verdauungseingeweide ähn­lich erregend wie der Kümmel, bessert die Verdauung-, treibt Blähungen und beseitiget Krämpfe; aber seine vorherrschende und fast speeifische Wirkung- ist auf die Harn Werkzeuge, gerichtet und äussert sich durch bedeutend vermehrte Uarnabsonderuiiquot;-. Diese Wirkunff ist allsreinein bekannt, so dass die Petersilieusamen fast überall als ein urintreiben­des Mittel in grossem Hufe stehen und bei Kolik und Harnverhaltung nur leider zu oft gemissbraucht werden, da sie den gereizten Zustand des Darmkanals und der Haruwerkzeiure vermehren, die Entziindunff schneller herbeiführen und ihre üblen Ausgänge beschleunigen können.
Die Anwendung- dieser Samen kann zwar bei Harnverhaltungen Statt finden, jedoch nur bei solchen; welche in einem überreizten krampf­haften oder lähmungsartigen Zustande begründet sind, und ganz ohne Entzündungssymptome bestehen; wie es zuweilen bei Pferden der Fall ist, wenn sie das Stallen zu lange über die gewöhnliche Zeit übergehen mussten.
Mit grösserer Sicherheit, wendet mau dagegen das Mittel in einigen chronischen Krankheiten an, und namentlich bei veraltetem Katarrh und Rheumatismus; bei hartnäckiger Druse; bei veralteter Eäude und bei alten Geschwüren anderer Art, z. B. bei dergleichen Mauke; bei öde-matösen Anschwellungen, bei Brust- und Bauchwassersucht, bei der chronischen Lungenentzündung des Rindviehes, und bei der Fäulo der Schafe.
Bei letzteren Thieren soll der Same auch zur Verhütung der Fäule und ähnlichen Krankheiten angewendet werden, wenn die Schafe nach dem Scheeren und bei anhaltend schlechter Witterung- an Katarrh, Husten und Schleimauswurf leiden.
Mau giebt ihn Pferden und Kindvieh zu i/s — l'/a Urne, Schafen und Schweinen zu 1—.'! Drachmen, Hunden ij2 Scrupel bis 1 Drachme, auf einmal, in Zwischenzeiten von 2—3 Stunden wiederholt, und am besten im Aufguss. Die pulverisirten oder blos gequetschten Samen mit dem Futter und mit etwas Salz gemengt, sind zwar den Thieren (besonders so den Schafen als Lecke) leicht beizubringen, aber in dieser Form weniger urintreibend als im Infnsum. Dasselbe ffilt auch von der Anwendung- in Pillen- und Latwergenforrn.
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Bei TJriuverhaltungen der bezeichneten Art giebt man laquo;las Mittel recht zweckmässig mit Kamillenblumen, mit Bilsenkraut, und mit schlei­migen Substanzen, bei den genannten chronischen Krankheiten aber oft mit Wacbholderbeeren, mit Terpenthin, Terpenthinöl u. s, w. ver­setzt, ähiilich wie das Sadebaumkraut. — Kersting empfiehlt sogar bei Nierentztindungj tue vom Verhalten des (Jrins entstanden ist, Peter-siiiensamenpulver und Salpeter, von jedem '/g ^i\/a*. auf einmal in Was­ser zu gehen; aber auch in dieser Verbindung ist das Mittel bei jeder wirkliehen Entzündung nachtheilig.
Den Läusen ist der Petersiliensame ein tödtliches Gift, und er kann daher zum Tödten derselben als ein wohlfeiles und unschuldiges Mittel bei allen Thieron benutzt werden. Die Anwendung zu diesem Zweck geschieht entweder in Salben (aus pidverisirtem Samen 1 Unze und Butter oder Schweinefett 2 Unzen bestehend), oder noch besser im Infusum (1 Unze zu 12 Unzen Colatur. 1 Unze i Sgr. 2 Pfg.)
Anmerkung. Die Petersilien Wurzel und ilas I'el ersi licr k ran t i Badix et Ihrha Petroselim) besitzen im frischen Znstande ähnliehe, aber schwächere aro­matische Eigenschaften wie die Samen. Die erstere wird zuweilen als urintreihen-des und auflösendes Mittel bei Harnverhaltung, bei (iries und Sand im Urin, bei Gelbsucht und Wassersucht benutzt, und zwar entweder klein geschnitten und unter das Kutter gemengt, oder in Aufguss (1 Pfd. frische Wurzel zu 3 Pfd. Colatur). Das Kraut wird als Arzneimittel innerlich sehr selten angewendet; äusserlich wirkt es gelind erregend, zertheilend, und wird von den Landleuten zerquetscht auf Insekten­stiche, oder mit Bier, oder auch mit Urin zum Brei gekocht hei frischen Milchknotcn des Euters mit gutem Erfolge gebraucht. — Bei Milchkühen und säugenden Thieren bewirkt gewöhnlich die innerliche Anwendung der Fetersiliensamen, der Wurzel und des Krautes eine Verminderung der Milch in demselben Verhältniss, wie die Urinabsonderang zunimmt.
17) Wasserfeocbelsamen (Wasserfenchel, Rossfenchel, Pferdesat), Seinen Fhellandrü aguatici s. Focuiculi aquatiH.
sect;• 216.
Er enthält als hauptsächlich wirksame Bestandtheile ätherisches Oel, Harz und Extractivstoff, ist im Geruch und Geschmack etwas widrig und noch etwas mehr scharf aromatisch als der Petersiliensame. Seine Wirkungen sind denen der übrigen aromatischen Samen sehr ähnlich und denen des Fenchels und des Anis verwandt; denn er bringt, bei innerlicher Anwendung zunächst eine massige Aufregung der Ver­dauungseingeweide hervor, befördert die Verdauung und Assimilation, beseitiget Blähungen und leichte Krampfzufälle, äussert aber dann, nicht wie jene beiden Mittel, eine nur speeifische, erregende, son­dern auch eine beruhigende Wirkung auf die Respiratiousorgane. Das Mittel ändert auch besonders die zu reichliche und fehlerhafte Abson­derung in der Respirations-Schleimhaut, so dass der Schleim in gerin­gerer Menge, von besserer Consistenz abgesondert und leichter ausge­worfen, der Husten und die Reizung zu demselben vermindert wird.
Zuweilen bemerkt man bei dem Gebrauch des Wasserfenchels auch vermehrte Absonderung des Urins und etwas vermehrte Haut­ausdünstung; beide Wirkungen sind jedoch nicht beständig-, und na­mentlich ist die letztere mehrentheils nur in einem sehr geringen (hade.
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oft auch gar nicht wahrzunehmen. — Dagegen scheint das Mittel hei fortgesetztem Gebrauch einen grossen EiuHuss auf die sihmntlichen Organe der Beproduetion, und sjieciell auf das Lympligefässsystem zu
entwickeln, da es zuweilen tietsitzende Kraukheitszustände dieser Or­gane beseitigen hilft.
Scharfe oder auch narkotische Wirkungen, wie Manche angeben, habe ich an keinem unserer llausthiere von dem quot;Wasserfenehcl beobach-ict, obgleich ich denselben versuchsweise in ungewöhnlich grossen Ga­ben (z. ii. Pferden und Kühen zu 1 —l'/a Pfund, Hunden zu 1—2 Un­zen pro dosi und täglich zweimal) angewendet habe '.
Das Mittel ist nützlich bei allen chronischen Krankheiten der Respiratiousorgane, wenn sie. mit Erschlaffung und Reizlosigkeit der­selben und mit übermässiger Schleimabsonderung verbunden sind, wie namentlich bei veraltetem Katarrh mit vielem Auswurf, bei dergleichen Druse, bei dem sogenannten Kotz der Schafe, bei der Schleimschwind­sucht, bei aufgebrochenen, stark jauchenden Lungenknoten, bei ka­tarrhalischen Lungenentzündungen asthenischer Art und luden spätem Perioden, und bei der Lungenseuche des Eindviehes unter denselben Umständen. Selbst bei frisch entstandenem Rotz und Wurm hat es in einigen Fällen sich heilsam gezeigt.
(labe und Verbindung mit andern Mitteln ist wie bei dem Peter­siliensamen und wie bei dem Anis.
Es ist zu beachten, dass in den Apotheken der Wasserfenchel etwas theurer ist, als der gewöhnliche Fenchel. (1 Unze 1U Pfg.)
18,1 Lorbeeren und Lorbeerblätter, Badtoae et Folia Luuri (quot;).
sect;• -gt;17. a) Die Lorheeren besitzen theils ein ätherisches, terpenthinökr-
tiges, theils ein fettes, bluterartiges Del (jetzt als Lauro-Stearin be­zeichnet), und zwar ersteres vorzüglich in den Schalen, letzteres aber in den Kernen. Sie sind bitter gewürzhaft, aber nicht scharf, und wir­ken erregend und stärkend, besonders auf die Verdauungseingeweide; oft bringen sie auch vermehrte Urinsecretion und verstärkte Hautaus­dünstung hervor.
Man wendet sie daher bei UnVerdaulichkeit, bei Blähungen und chronischer Diarrhöe, bei Abmagerung, die nicht aus Mangel an gutem Futter entstanden, sondern in schlechter Assimilation begründet ist, — bei langwieriger Druse, — bei Räude und bösartigen Schafpocken und dgl, ästhenischen Krankheiten an.
Die Gabe ist für Pferde und Rindvieh 1 — 2 Unzen, für Schweine und Schafe 1-2 Drachmen, für Hunde 10 Gran bis •/:.' Drachme, täg-
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1 In Schweden wollte man einst beobachtet haben, class der Wasserfenehcl den Pferden ein Gift sei und ilinen Lähmung des llintertheils verursache. Linnlt;5 schrieb diese Wirkung einem, in der Pflanze nistenden Rüsselkäfer (den er Cmcvliu para-plecticus nannte) zu, und erklärte sie daraus, dass derselbe mit seinem Stachel das Rückenmark der Pferde durchbohren sollte. Diese Ansieht erklärte späterhin der be-rühmle Naturforscher selbst als eine irrthiimliche.
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lieh 3 —4 Mal, in Pulvern und Lecken, in Pillen und Latwergen, und mit Wermuth, Kalmus, Scliwefel, Koclisabs und andern Mitteln ver­bunden.
li) Die Lorbeerblätter sind ärmer an ätherischem Oel als die Lorbeeren, und das fette Oel fehlt ihnen gänzlich. Sie- wirken den Lor­beeren ganz ähnlich, aber schwächer, und können ganü wie diese be- #9632; nutzt werden. Sie eignen sich auch zur Anwendimg im Inl'usnni. -Die griechischen und römischen Thierär/.te des Altertlunns benutzten sie gern, und hei dem Starrkrampf der Pferde auf die Art, dass sie den Thieren Lorbeerzweige ins Maul legten uud dieselben kauen Hessen. Bei uns werden sie selten gebraucht.
Annierkiii]},'. Das ausK^lquot;'008'0 IJorbeerol oder Loröl (lt;gt;l. Lauri s. laurimtm expressum, Ol. Lanrl ungidnosum) iwt grösstentheils fettes, mir etwas ätlie-rischem rermisclites Oel, von starkem fu'omatischem Gerncli, and wi-ki, auf die llaat geriebenj ziemlich stark erregend, belebend and zertheilend. Ea dient nur zum äusserlicheu Grebrauch, als Einreibung bei Erschlaffung, lioi Stockung und Ver-härtung, bei Krampf und Lälimuug, thcils für sich allein, llieils mit Terpentbinöl, Kampbcr, Cantbariden und andern reizenden Mitteln verstärkt. Die Landleute wen­den ein Gremenge von Altheesalbe (yellie Harzsalbe) und Lorbeeröl sehr häufig liei Entzündung der Lymphdrüsen im ELOhlgange und bei Eaterentzlindungen an; das­selbe passi aber nur bei astbenischen und torpiden Zuständen, ist tbeuer (1 duze 2 Sgr. S Pfg.) und last immer verfälscht. Man ersetzt es durch eine Verbindung des TerpenthinSls mit Fett oder fettem Oel — oder zuweilen aueli durch die sofee-mumte Lorb eerbtt 11 er (//quot;ty/v/rtt lanrbimn). Diese wird gewohnlich bereitet, in­dem man 6 Theile pulverlsirter Lorbeeren, 1 Theil Sadebaumkraui und lü Theile ungesalzener Butter, bei gelindenA Feuer oder im Dampfbade zusammenkocht, und dann (was aber uunöthig ist) grün färbt. Hire Wirkung ist von der des Lorbeeröls sehr wenig verschieden. (Nicht oHieinell.)
19) Schwarzer Pfefler, l'qici- nignm (quot;).
sect;#9632; 218. Als die wirksamen Bestandtlteile dieses allgemein bekannten Ge­würzes betrachtet man ein fettes scharfes Oel, ein flüchtiges balsamisches Oel, scharfes Harz und eine eigenthümliche krystallrsirbarc, geruch- und geschmacklose Substanz, die man Piperin genannt und wühl unrich­tig als den wesentlichsten Theil des Pfeffers betrachtet hat. Der Pfef­fer wirkt auf die von ihm betroffenen tbierischen Gebilde kräftig und durchdringend reizend, so dass hei längerer Dauer der Berührung eine juckende, brennende Empfindung, Röthe und späterhin selbst Entzün­dung entsteht. Im Maule verursacht er brennenden Geschmack, starken Zufluss des Speichels uud vermehrte, Absonderung des Schleims; im Magen und Darmkanal bewirkt er eine lebhaftere wurmförmige Be­wegung, verstärkt die IDntwickelung der Wärme, vermehrt in massigen Gaben die Absonderung der Darmsäfte, bessert die Verdauung und treibt Blähungen; in zu starken Gabeu kann er auch Entzündung der Ver­dauungseingeweide uud den Tod herbeiführen. Die erregenden Wir­kungen des Pfeffers verbreiten sich von den Verdauungseingeweiden über den ganzen Körper, und verhalten sich dabei den übrigen aroma­tischen Mitteln ähnlich. — Ehemals glaubte man fast allgemein, dass der Pfeffer, selbst in kleinen Gilben, den Schweinen ein tödtendes Gift
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sei; Abildgaard und Viborg haben aber durch Versuche gezeigt1, (lass er auf diese Tliierc keine specifische giftige Wirksamkeit besitzt, sondern dass er ihnen nur dann schädlich wird, wenn man ihn als Pul­ver unvorsichtig und so eingiebt, dass er grösstentheils in den Kehl­kopf und in die Luftröhre eindringt, wo er dann heftigen Keiz, krampf­hafte Verschliessting der Stimmritze, Erstieknngszufälle, Bräune und selbst den Tod hervorbringen kann. Der eigenthtimliche Bau des Kehl­kopfes beim .Schwein trägt am meisten dazu bei, dass hier diese Zu­fälle von allen scharfen Pulvern eher und im höheren Grade entstehen, als bei den übrigen Maustliieren.
quot;Wenn nun auch das Mitte] nicht eben ein Gift für die Schweine ist, so ist doch seine Benützung- als Arzneimittel bei diesem Thiere nicht zu empfehlen.
Die Anzeigen zum Gebrauch des Pfeffers sind noch nicht gehörig festgestellt, da er im Ganzen nur sehr wenig angewendet wird. Seinen Wirkungen nach kann er nur bei sehr verminderter Empfindlichkeit und Reizbarkelt, besonders der Verdauungseingeweide, z. B. bei chro­nischer Unverdanlichkeit, bei dergleichen Bläbsucht, bei Wind- und Krampfkolik, bei Lähmungen und torpiden Zuständen nützlich sein. Er ist bei diesen Krankheiten auch wirklich mit gutem Erfolge ange­wendet, und ausserdem auch zuweilen als ein Mittel zur Envecknng
1 Ein IMuttorschwcin erhielt des Morgens raquo;m 7 Uhr ein Quentchen ganzer Pfef­ferkörner, olino lt;l;iss hierauf merklich gefährliche Folgen eintraten. Man pib ihm dann an demselben Taü:n Nachmittags um 1 Uhr eine ehen so jrrosse Gahe von gc-stossenem Pfeffer als trucknes Pulver ein, welches folgende Zufalle verursachte: ..Oloich nach dem Eingeben war es wie todt und hatte keinen kenntlichen Athenv zng oder Herzschlag. Durch Bingiessen von Wasser in den Schlund kam es wieder zum Leben, grunzte nnd stand auf, hatte aher einen -wankenden Gang und wie eine Eahinung im Kreuze. Um 2 Uhr fand sich ein starkes Bassein in der Luftröhe ein, welches gegen S Uhr wieder verschwand. Das Schwein fing an zu wühlen und schien schwächer Athem zu holen, dabei hatte es viel Durst. Um 5 Uhr äusserte sich .jenes Rasseln im Halse wieder, welches mehr und mehr zunahm, so dass das Schwein unter demselben gegen 7 Uhr starb. Bei der Oeft'mmg desselben fand man den Magen iibermässig gross und von Luft ausgespannt. Er enthielt zugleich eine Menge unverdautes Fleisch, welches das Schwein am Vormittage gefressen hatte: inwendig gegen die Oeffnung der Speiseröhre war ein handbreiter Flecken unterlaufenes Blut, aber sonst kein Zeichen von Entzündung am Magen und an den Gedärmen, weder innerlich noch äusserlich. Die Lungen waren überall dnnkelroth; der Lüftröhrcn-deckel hochroth und entzündet. Die Luftröhe war ebenfalls inwendig entzündet, aber mit geringerer Röthe als der Deckel derselben. Hier fand man zugleich einen Theil des Pfefferpulvers, und das nicht allein im Stamme der Luftröhre, sondern auch in ihren ersten Hauptzweigen in der Lunge.
Ein zehn Wochen altes Ferkel erhielt ein halbes Quentchen gestosaenen Pfeffer in Kleiseh eingewickelt, und ein anderes Ferkel die nämliche Gabe mit, Wasser ver­mischt, aber beide genossen sie ohne Husten und andere gefährliche Zufälle. Ja seihst das trockene Pfefferpulver fand man ohne Wirkung, wenn man Acht hatte, dass das Sehwein unter dem Eingeben sich nicht zur Gegenwehr setzte, und dass man das Pulver tief in den Schlund hinabbrachte, wodurch sein Eingang In die Luft­röhre verhindert werden konnte.'* Viborg, Samml. 1. Bd. S. 294 u. 95.
Eine Beobachtung von Wal eh. welche darthun sollte, dass der Pfeffer tödt-lieh ist (Busch Zeitschrift. Bd. 2. 2. lift., S. 10). kann wegen ihrer Oberflächlich­keit dies nicht beweisen.
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des GoschlecLtstriebcs bei sehr phlegmatisclien Stuten und Kühen be­nutzt worden.
Die Gabe ist für Pferde 2 Drachmen bis '/ä Unze, für Rindvieb 3 — G Drachmen, für Schafe '/., — 1 Drachme, für Hnnde 5—12 Gran, in Zwischenzeiten von 4—G Stunden wiederholt. Zum innerlichen Ge­brauch muss der Pfeffer fein pulverisirt sein; die Anwendung darf aber niemals in Pulverform, sondern nur in Latwergen und Pillen, und immer nur in Verbindung mit einhüllenden, schleimigen, bittern u. a. Arznei­mitteln geschehen.
Sehr zweekniässig ist auch seine Benutzung in einer Tinctur, die aus pulverisirtem Pfeffer 2 Unzen, und Weingeist. 12 Unzen durch Digestion bereitet wird; er wirkt in derselben schneller, flüchtiger und gleichmässiger, indem die örtliche Einwirkung nicht so lange auf einen Theil des Verdauungskanals begrenzt bleibt, wie bei der Anwendung des Mittels in Substanz. Man giebt diese Tinctur für die grössen Ilaus-thiere zu 1—3 Unzen, für Schafe zu 2 Drachmen bis 'y, Unze, und für Hunde zu lü—30 Tropfen, am besten mit Infusionen anderer aroma­tischer Mittel, oder mit einer Abkochung bitterer oder adstringirender Arzneien.
Aeusserlich kann der Pfeffer ebenfalls als ein kräftig reizendes Mittel bei veraltetem Kheuinatismus, bei Lähmungen, bei Verhärtun­gen, welche man zertheilen oder in Eiterung bringen will, bei callösen, mit zu geringer Thätigkeit begabten Geschwüren und zur stärkern Reizung der Fontanelle, und Haarseile angewendet werden. Für die erstem Zustände benutzt man entweder die angegebene Tinctur oder eine einfache Salbe, welche aus: pulverisirtem Pfeffer 1 Drachme, und Schweinefett 2 — 3 Unzen besteht, zum Einreiben in die leidenden Theile; — für Geschwüre und Eontanelle aber braucht man das Pul­ver des Pfeffers für sich allein, oder als Znsatz zu Digestivsalben, z. B. zu einer Unze von der Basilicum- oder Terpenthinsalbe, bis 2 Drachmen Pfeffer.
Französische Thierärzte gebrauchen den Pfeffer grob gepulvert und mit andern Mitteln (z. B. mit Sauerteig, Honig und dgl.) verbun­den, auch noch als Kaumittel zur Erregung des Speichels; Pferdehänd­ler bringen oft solchen Pferden, die den Schweif zu wenig in die Höhe tragen, vor dem Vorführen derselben etwas Pfeffer in den After, um durch den entstehenden Reiz für kurze Zeit ein stärkeres Aufrichten des Schweifes zu veranlassen; — und der gemeine Mann macht bei Kolik und bei Harnverhaltung der Pferde nicht selten einen ähnlichen Missbrauch von diesem Mittel, indem er dasselbe in den Schlauch oder bei weiblichen Thieren zwischen die Schamlippen und in die Mntter-scheide bringt, um durch seinen Beiz das Uriniren zu erregen.
A um er kmig 1. Der we isse Pfeffer {Piper album) ist etwas weniger scharf uls iler schwarze, stiinint aher im Wesentlichen mit demselben iiberein, und kann ganz wie dieser benutzt werden.
Anmerkung 2. Der sogenannte spanische, indische oder türkische Pfeffer (Piper hispanievM, P. indicum s. turcicum, Fntclns Capsici anmti). Die Beeren mit den Saineiikernen von Capsicum annum, enthalten ein brennend scharfes Weich­harz (CoptRcin), etwas scharfes ätherisches Oel, Gummi u. s. w. Sie wirken noch
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viol mein- brennend und sc-liaii' reizend als der scliwarze Pfeffer, und werden des­halb am besten innerlich gar nii-lit angewendet, obgleich englische Thieiär/.te zu­weilen dieses Mittel, bei Lilhmung u. s. w., wie den schwarzen Pfeiler benutzen. — Aeusserlich verdient es dagegen ganz laquo;-io der letztere, und häutiger benutzt zu wer­den als bisher. Auch als Zusatz zu Senfteigen, um die quot;Wirkung derselben zu ver­stärken, ist er zu empfehlen. (1 Unze 1 Sgr. G Pfg., fein pulv. 2 Sgr. 8 Pl'g.) Die spanische Pfeffer-Tinctur (Tinct. Cupslc. niiuni), aus 2 Drachmen mit 1 Pfd. liöehst reetitieirtem Weingeist dnreh Digeriren, Auspressen und FiltrirenJ, bereitet, ist in der Preuss. Pharmacopöe offieinell und zum äusserlichen Gebrauch als ein sehr kräftiges Reizmittel gut geeignet. (1 Unze .'! Sgr. 10 Pfg.)
Anmerkung 3. Der Nelkenpfeffer, Jamaikapfeffer, westindische Pfeffer, englisches Gewürz laquo;der Piment (Piper jamaicense, Semen Amomi, s. l'/mriit/im) ist nicht halb so brennend scharf wie der schwarze Pfeifer, dafür aber mehr wirklicli aromatisch, fast den Gewürznelken ähnlich. Er wirkt kräftig er­regend auf die Verdauungseingeweide, verstärkt die wurmförmige Bewegung im Dannkanal, bessert die Verdauung imd treibt Blähungen. Das Mittel kann daher, in etwas starkem Gaben als der Pfeiler, bei gastrischen Krankheiten, die in Schwäche und Unthätigkeit der Verdauungseingeweide beruhen, mit Nutzen angewendet wer­den, ist aber in Deutschland fast gar nicht gebräuchlich, obgleich es sich durch seinen wohlfeilen Preis empfiehlt. Die englischen Tbierärzte benutzen es mehr, und Bracy Clark hat eine davon bereitete Tinetur sogar als das sicherste Tleilmitlel jeder Indigestions- und Windkolik empfohlen. Diese Tinetur wird durch kalte Di­gestion bereitet ans:
Englischem Gewürz 12 Unzen,
höchst reetitieiltem Weingeist und Wasser, von jedem 3G Unzen. Man soll da­von einem Pferde auf einmal 4 — C Unzen mit etwas lauwarmem Wasser geben, und diese Gain! zuerst nach 20—30 Minuten, später seltener, aber so lange wiederholen, bis die Zufälle beseitigt sind1.
Nach meiner Erfahrung kann dieses Mittel allerdings Koliken der bezeichneten Art schnell beben, jedoch nur, wenn blos Krampf im Darmkanal besteht; ist aber nur eine Spiü- von Kidzündung Äugegen, so schadet es. Dasselbe verlangt daher die genaueste Kenntniss des vorhandenen pathologischen Zustandes, und da diese nicht immer zu erlangen ist, so muss ich gegen den zu allgemeinen Gebrauch dieses Mit­tels sehr warnen.
20) Senf, scliarfer Senf, Semev Sinapeos s. S. Sitiapco.i nigri.
sect;. 219.
Ein ausgezeiclmet scharfes, fliU'h%cs atheriscliesOel2,Myrosin und Myrosiiisiiinc, viel fettes, mildes Oel und Scltleim, Eiweis, etwas Plios-jjlior und Schwefel, und eine, eigenthiünliche Säure, die man Schwe­fel-Senfsäure genannt hat, bilden die Bestandtlieilc dieser allgemein bekannten Satnen.
Der Senf wirkt im frisch pulverisirten Zustande als ein sehr kräftiges, zum Theil flüchtiges Reizmittel, vorzüglich hei der äusser­lichen Anwendung. Wird Senfsamenpulver mit warmem Wasser oder mit Essig zu einem Brei gemacht und dieser auf die von Haaren ent-blösste Haut gelegt, so entstellt dadurch in ganz kurzer Zeit (in 10—15 Minuten) eine juckende, brennende Empfindung, die Thiere werden unruhig, und suchen sich zu reiben; nach 2 — 3 Stunden ist eine Ent­zündungsgeschwulst deutlich entwickelt, welche zuerst nur in der Haut, bei längcrem (etwa zwölfstündigem) Liegen des Seufbreies aber auch in den unter ihr liegenden Gebilden besteht, und dann gewöhnlich mit
1 Bracy Clark, Essay on the Gripes of Horses. Loud. 181G. 4.
- Dasselbe bildet sieb erst bei der Maceration und üestillatior der Samen.
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Ausschwitzung seröser Feuchtigkeiten im Zellgewebe verbunden ist. lt; M't entstellen auch kleine Bläschen an der Oberhaut, welche .Serum ent­halten. Wird nach dieser ersten In—12 stündigen Anwendung, und nachdem die bezeichnete Wirkung bereits eingetreten ist, auf derselben Stelle noch ein Senfhrei durch 24 Stunden angebracht und durch wie­derholtes Auffrischen in beständiger Wirksamkeit erhalten, so entstehen grössere Blasen, die in Eiterung übergehen, und in gelinderem Grade der Wirkung blos nach eingetretenem Verlust der Oberhaut in etwa acht Tagen wieder heilen; im heftigeren Grade stirbt aber auch die Haut, das darunter liegende Zellgewebe und zuweilen sogar ein Theil der nächsten Muskelschicht durch üeberreizung und Brand ab, und die so entstandenen Geschwüre, heilen dann gewöhnlich mit einer haarlosen Narbe.
In gleicher Art, aber noch schneller und heftiger, wirkt das äthe­rische Oel des 8eufs. Prevost sah bei einem Hunde nach dem Ein­reiben von 2 Drachmen dieses Oels in die Haut an der Brust fast augen­blicklich die heftigste Reizung entstehen, so dass das Thier dabei wie rasend sich benahm; nach etwa 30 Minuten war schon eine, grosso, mit Serum gefüllte, und mit heftiger Entzündungsgeschwulst umgebene Blase entstanden; später bildete sich daselbst ein Schorf und die Hei­lung erfolgte schnell1. — Es geht daraus zugleich hervor, dass dieses Oel der eigentlich wirksame Bestandtheil des Senfes ist.
Die scharfe Wirkung des Senfes auf die Haut, ist mit der der spa­nischen Fliegen, des Pfeffers und des Mecrrettigs verwandt; sie tritt jedoch schneller, sicherer und mit grösserer Heftigkeit ein als bei den Canthariden, ist aber auch schneller vorübergehend; bei massiger Dauer der Anwendung macht der Senf mehr Geschwulst und weniger Aus-schwitzung, und bei langer Einwirkung dringt er tiefer zerstörend ein als die Canthariden, welche ihre örtliche Wirkung stets nur auf die Haut, beschränken. Die bei der äusserlicheu Anwendung der Cantha­riden zuweilen entstehende, Heizung der Nieren bemerkt man von einer solchen Anwendung des Senfes niemals. — Den Pfeffer übertrifft der Senf an Schnelligkeit, aber nicht im Grade der Heftigkeit und Dauer der Wirkung; bei dem Mecrrettig erfolgt dieselbe fast eben so schnell, aber gelinder und auf kürzere Zeit als von dem Senf. Bourgclat läug-nete die Wirksamkeit des Senfes auf die Haut der Thiere-, Gohier behauptete sie3 und Prevost bestätigte sie neuerlichst durch Ver­suche4; englische und deutsche Thierärzte haben aber diese Wirksam­keit schon früher erkannt und in der Berliner Thierarzneischule ist das Mittel schon lange mit Erfolg gebraucht wurden.
Innerlich in Substanz angewendet wirken die ganzen Senfsamen ausserordentlich wenig, da sie im Magen und Dannkanal nur sehr un-
' Jooxn. dfi Modec. yitirm. thcWiq. et prat. T. Ann. (1830) p. lO/i.
2nbsp; Bourgclat, Matirm medicale, second. Vol.
3nbsp; Gohier, Memoir, et Observ. I. Tome, p. 428., uml in den Ann. d'Agftcult (nini;. Turn. 48.
1 Prevost, a. a. O. S. 99.
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vnllstiiudi.u' aufgelöst mid verdauet worden; aber im pulverisirten Zu-stande sind sie ein recht kräftiges lieizmittcl für die sämmtliclieu Banch-eingeweide und speciell für die öclikäinhaut des Magens und Darmka­nals. Doch ist hier die örtliche Wirkung ganz nnverlmltnissniässig ge-ringer und milder als auf die iinssero Haut, und ieli habe selbst von sehr grossen Gaben des Mittels (bei Pferden von 4—16 Unzen, bei Küken bis 24 Unzen auf einmal gegeben) keine Entzündung der Eingeweide ent­stehen sehen; es wird von massigen Gaben nur die Thätigkeit der letz­tem vermehrt, der Appetit stärker erregt, die Verdauung und Assimi­lation gebessert und die Absonderung des Schleims gemindert. Von grösseren Gaben, und zwar nach Viborg's Versuchen1 bei Pferden von (gt; Unzen, bei Kühen von 4 Unzen, bei Schafen von 1 Unze, und bei Schweinen '/g Unze scheint die wurmförmige Bewegung des Darm-kanals und die Absonderung wässeriger Darmsäfte vermehrt zu wer­den; denn derKoth geht hiernach lockerer und reichlicher ab, und eine Kuh bekam sogar einen ziemlich starken Durchfall. Ich habe jedoch diese abführende Wirkung in mehreren Fällen, namentlich bei Kühen, nicht entstellen sehen, und eben so habe ich eine Vermehrung der Haut­ausdünstung, von der manche Schriftsteller sprechen, nach der Anwen­dung des Senfes niemals bemerken können. Nach jenen sehr grossen Gaben sähe ich, dass der Koth seltener, ganz hart und trocken, und gewöhnlich mit zähem Schleim wie mit einer Haut umhüllt, abging, dass Urinentleerungen sein- häufig und reichlich erfolgten, übrigens aber die Thiere ihre Munterkeit, ihren Appetit, Kühe auch das Wie­derkauen ungestört behielten, weder Schmerz im Leibe noch Fieber zeigten, und nach 3 — 4 Tagen auch der Mist und Urin wieder wie im gesunden Zustande entleert wurde.
Die innerliche Anwendung des Senfes kann bei Krankheiten, die in Schwäche und Torpidität der Verdauungseingeweide begründet sind. Statt linden, und ich habe ihn bei solcher Appetitlosigkeit, bei schlechter Verdauung, bei starker Entwickelnng von Blähungen, bei Verstopfung des Leibes und bei dem Dummkoller, wenn er mit den eben bezeich­neten gastrischen Zufällen verbunden war, oft mit gutem Erfolg benutzt. Viborg empfiehlt ihn auch bei den Finnen und in den spätem Perioden der sogenannten Dummkrankheit der Schweine, wenn die Thiere be­reits hinreichende Leibesöff'nnng erhalten haben2. Von Andern ist er bei der Bleichsucht, Fäule und Egelkrankheit und eben so bei veral­teter Hände der Schafe als nützlich empfohlen worden.
Als blos erregendos, die Verdauung besserndes Mittel giebt man den Senf: Pferden von ' ., — 1 Unze, Rindern von '/a — D/j Unzen, Schalen und Schweinen von 1—.quot;gt; Drachmen, Hunden von 10 Gran bis gt;/., Drachme, täglich 3 — 4 Mal; will man ihn aber als gelindes Ab-fübrnngsinittel anwenden, so muss er in grösseren Gaben, nämlich Pfer­den zu 5— ß Unzen, Kindern zu 4 — 5 Unzen, Schafen 1—2 Unzen, Schweinen 1I2 — 1 Unze, auf einmal gereicht werden.
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1 Viborg, Samml. 4. Bd. S. 281.
- Viborg, Anleitung- znr Erziehung und Benutznng der Scbwsine. S. 30 u. f.
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Die Anwendung geschieht-in Latwergen und Pillen, bei Schafen auch in Lecken, und zwar in Verbindung mit bittern, aromatischen und zusammenziehenden Mitteln, mit Kochsalz, Spiessglanz und dgl. — Als Laxirmittel wirkt das Senfpulver am besten, wenn es blos mit Syrnp zur Latwerge gemacht ist, oder mit Syrupwasser als Trank einge­geben wird.
Acusserlich wird der Senf bei verschiedenartigen Krankheitszu-ständen und in verschiedener Absicht angewendet, und zwar o) als ein kräftiges lieizmittel, um die allgemein oder örtlich zu sehr gesunkene Lebenstbätigkeit schnell und kräftig aufzuregen, namentlich bei Läh­mungen, bei Scblagfluss, bei Nervenfieber mit grosser Abstumpfung, bei Verhärtungen oberflächlich liegender Organe, und besonders nahe unter der Haut liegender Drüsen, wenn man dieselben zertheilen oder in Eiterung versetzen will; — hauptsächlich aber h) als ein ableitendes und besänftigendes Mittel, um auf antagonistische Weise durch die starke Reizung der Haut eine zu heftige krankhafte Aufregung in tiefer liegenden Theilen zu beseitigen oder wenigstens zu mindern, daher be­sonders bei Entzündungen in der Brust- und Bauchhöhle, bei Entzün­dung des Gehirns, bei heftiger Bräune, bei dem Kehlkopfpfeifen, auch bei Entzündung der Gelenke und bei tief sitzendem schmerzhaften Rheu­matismus. Man zieht bei diesen Krankheitszuständen den Senf den übri­gen Reizmitteln, und besonders den Canthariden vor, wenn man die Reizung sehr schnell und auf einer grossen Hautfläche hervorrufen, da­bei aber die Nieren nicht in Mitleidenschaft ziehen will; bei Nieren­entzündungen ist er daher unter den übrigen Arzneimitteln fast das einzige brauchbare äussere Ableitungsmittel.
Gewöhnlich wird der Senf äusserlich in Form eines Teiges oder Breies als Umschlag (als sogenanntes Senfpflaster, Sinapismus) an­gewendet. Man bereitet einen solchen Brei, indem man entweder ganz einfach 1) frisch pulverisirten Senf in hinreichender Menge mit war­mem Wasser oder mit Essig, so viel als zum dünnen Brei nöthig ist, oder 2) indem man Senfpulver und Sauerteig mit der nöthigen Menge Wasser oder Essig zusammenmengt. Der erstere wirkt schneller und kräftiger, wird aber auch schneller trocken und unwirksam als der zweite. Durch Zusatz von Mehl oder Altheewurzelpulver kann man die Wirksamkeit des Senfs vermindern, dagegen durch spanischen oder schwarzen Pfeffer, durch Canthariden, Euphorbium, Meerrettig und Terpenthinöl verstärken. Bisher glaubte man auch allgemein, dass der Essig die Wirksamkeit des Senfs vermehre; in der neuem Zeit ist dies aber bestritten worden, und bei meinen hierüber gemachten Versuchen wirkten Senfteige, die blos mit Wasser bereitet waren, wenigstens oben so stark wie die.mit Essig bereiteten.
Zur Anwendung muss der Brei entweder auf eine vorher für den betreffenden Theil des Körpers recht passend gemachte Bandage von Leinwand, gegen einen Zoll dick aufgestrichen, und dann mit der letz­teren recht gleichmässig auf den von Haaren befreiton Anwendungs­ort gelegt werden; oder er wird etwa '/jj Zoll dick blos zwischen die Haare auf die Haut gestrichen. Es ist gut, diesen Ort vorher tüchtig
llEiiTWiC, ArzneinuUolleliro.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 11
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zu reiben. — Die Grosse des Senfpflasters muss nach der Thiergat-tung, nach dem Orte der Anwendung und nach der Grosse oder Aus­breitung des innern Leidens eingerichtet weiden, und z. B. zur .Appli­cation an der untern Fläche und an den Seitenflächen der Brust eines Pferdes gegen 1 Fuss ins Gevierte betragen. — Die Dauer der An­wendung lässt sich nicht für alle Fälle gleichmässig bestimmen, sondern richtet sich theils nach der Art der vorhandenen Krankheit, theils nach dem Grade der Empfindlichkeit des Thieres und nach der eingetretenen Wirkung; bei den vorhin bezeichneten Krankheiten der ersteren Art (laquo;) darf man den Senfbrei nur so lange liegen lassen, bis Geschwulst ent­standen ist, bei denen der zweiten Art {b) muss man dagegen selbst die Bildung der Blasen und der Ausschwitzung an der Haut abwarten. Je früher die beabsichtigte Wirkung eintritt, um so früher kann der Senf­brei entfernt werden; im entgegengesetzten Falle muss er länger liegen bleiben und von Zeit zu Zeit wieder mit Wasser oder Essig befeuchtet werden, wenn er sich trocken zeigt. Der blos aufgetragene Brei wird nach 5 — 6 Stunden mit warmem Wasser abgewaschen.
Englische Thierärzte benutzen den Senf auch in einer ätherisch-öligen Tinctur, welche sie aus Senfsamenpulver (1 Theil) und Ter-penthinöl (5 Theilen) bereiten; beides wird durch 10—14 Tage zu­sammen kalt digerirt, öfters umgeschüttelt und dann durchgeseihet. Sie ist ein ausserordentheh heftiges Reizmittel, welches bei rheuma­tischen Zufällen, bei Lähmungen und veralteten Lahmheiten u. s. w. in die Haut eingerieben wird. Durch Zusatz von einem milden Oel, z. B. Baumöl zu 1li bis zur Hälfte der Menge wird sie milder, ist aber doch noch stark und schnell genug wirkend; dagegen kann ihre Flüch­tigkeit durch Zusatz von Salmiakgeist noch sehr vermehrt werden. (1 Unze 1 Sgr., fein pulv. 2 Sgr. 2 Pfg.)
Anmerkung 1. Das ätherische Senföl (01. Sinapis) ist in neuerer Zeit hin und wieder ganz so wie der Senf gegen Lähmungen, Rheumatismen u. s. w. ange­wendet worden. Man mischt 1 Drachme mit 2 — 4 Drachmen Weingeist und reibt die Flüssigkeit in die leidenden Theile. Die Wirkung tritt sehr schnell ein, ist stärker als von Ung. Cantharidiim und ohne üble Folgen für die Haut. Das Oel ist aber theuer. (1 Uuze 10 Sgr.)
Anmerkung 2. De;- weisse Senf {Semen Sinapeos, albi s. Eiucae) wirkt ähn­lich dem schwarzen Senf, ist aber viel schwächer und deshalb wenig gebräuchlich.
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21) Wachholderbeeren, Baccae Juniperi.
sect;. 220.
Diese Beeren sind, ihrer Wohlfeilheit und ihrer kräftigen Wir­kung wegen, mit allem Recht ein sehr geschätztes thierärztliches Arz­neimittel. Sie enthalten als hauptsächlich wirksame B^standtheile ein terpenthinartiges, brennend scharfes ätherisches Oel, Harz und viel Zucker. Durch den letztern, wie auch durch etwas schleimige Bestand-theile sind die scharfen Eigenschaften des ätherischen Oels bedeutend gemildert, so dass die Wachholderbeeren in ihrer örtlichen Einwirkung sich auch immer nur wie ein massig erregendes aromatisches Mittel ver­halten.
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Bei der innerlichen Anwendung' wirken sie auf den Magen und Darmkanal fast ganz so wie die übrigen Mittel dieser Klasse. Die er­regende Wirkung verbreitet sich durch das Gefasssystem über den gan­zen Körper und äussert sich am deutlichsten in der vermehrten Thä-tigkeit aller Secretionsorgane. Vorzüglich wirken sie in den meisten Fällen urintreibend; sie befördern aber auch die Hautausdünstung, die Lungenausdünstung und die Absonderung des Schleims in den liespi-rationsorganen. Dabei wird mehrentheils gleichzeitig die Resorption an den serösen Häuten und im Zellgewebe unter der Haut verstärkt. — Die grössern Blutgefässe werden von dem Mittel, selbst in sehr grossen Gaben nur wenig bemerkbar afficirt, wenn nicht etwa vorher schon ein gereizter Zustand vorhanden war.
Diese Wirkungen erscheinen ziemlich übereinstimmend mit denen der balsamischen Mittel, und namentlich mit denen des Terpenthins und des Terpenthinöls; sie sind jedoch durchaus milder und weniger flüchtig den Organismus durchdringend, als bei dem letzten.- Mittel. Daher werden die Wachholderbeeren oft mit dem besten Erfolg bei einem Krankheitszustand ertragen, während bei demselben das Ter-penthinöl und der Terpenthin zu reizend und zu sehr erhitzend sind.
Die innerliche Anwendung der Wachholderbeeren kann bei allen Krankheiten Statt finden, bei denen die Irritabilität im Allgemeinen gemindert ist, wo die Verdauungseingeweide geschwächt, die Abson­derungen entweder aus Schwäche vermindert oder auch aus derselben Ursache krankhaft vermehrt sind; eben so auch, wo eine Neigung zur Entmischung zu bemerken ist, und wa man kritische Ausleerungen durch die Nieren und durch dis Haut, oder die Schleimabsonderung in den Respirationsorganen befördern will.
Diesen Indicationen gemäss werden sie namentlich angewendet: bei asthenischen Fiebern (z. B. bei dgl. gastrischen und Schleimfiebern, bei Nervenfiebern und Faulfiebern), besonders zur Zeit der Krisis oder wenn ödematöse Anschwellungen an verschiedenen Theilen des Körpers entstellen; — bei allen katarrhalischen und rheumatischen Krankheiten asthenischen Characters, daher z. B. bei asthenischem Katarrhalfieber, bei Druse, bei katarrhalischer Bräune, bei dergleichen Lungenentzün­dung, besohders gegen das Ende der Krankheit und wenn lockerer Husten mit Auswurf eines zähen Schleims eingetreten ist, — eben so bei der chronischen Lungenseuche des Rindviehes, bei dem Schnupfen und Kotz der Schafe; — bei der Rehe der Pferde und des Rindviehes und dgl.; — ferner, bei schlechter Verdauung, bei daher entstandener Krampf- und Windkolik und Diarrhöe; — bei cachectischen Krank­heiten, z. B. bei der Fäule der Schafe, bei alter Räude, bei dergleichen Mauke, bei chronischen oder oft wiederkehrenden wässerigen Anschwel­lungen der Füsse und des Hodensackes, bei Brust- und Bauchwasser­sucht, besonders wenn dabei der Urin in verminderter Menge, von blas­ser Farbe oder mit Schleim gemengt abgeht; bei Harnverhaltungen, welche in Erschlaffung und Reizlosigkeit der Blase beruhen, bei Sand und Gries in den Harnwegen.
Auch als Präservativmittel gegen die genannten und ähnliche asthe-
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nische Krankheiten werden die Wachliolderbeereu mit Nutzen gebraucht, wenn die Thiere auf niedrigen, sumpfigen Stellen weiden, oder sich mit Futter von schlechter Beschaffenheit ernähren müssen, und wenn an­haltend eine nasskalte und unbeständige Witterung herrschend ist, be­sonders im Frühjahr und Herbst. Schlechtes Futter wird zwar durch Wachliolderbeereu nicht besser und der Einwirkung einer schlechten Witterung durch sie nicht abgeholfen; aber sie können theils die Organe zu grösserei Thätigkcit anregen, so dass der Körper durch kräftigere Eeactionen jene Schädlichkeiten entweder sogleich überwindet, theils können sie durch Erregung reichlicherer Secretiouen die Produete und Folgen, welche die schädlichen Einwirkungen in den Säften erzeugen, zeitig entfernen, ehe sie als Krankheitsursachen im Körper wirksam werden.
Echte, acute Entzündungskrankheiten verbieten dagegen den Ge-brauch dieses Mittels bei allen Thieren.
Die Gabe ist für Pferde und Kindvieh 1 — 3 Unzen, für Schafe und Schweine 2—6 Drachmen, für Hunde 1 Scrupel bis 1 Drachme auf einmal, und nach Bedürfniss alle 3 — 4 Stunden wiederholt.
Besitzen die Thiere noch guten Appetit, oder wendet mau die Wachliolderbeereu nur als Präservativmittel an, so kann man sie grob gepulvert und auf das Futter gestreuet (bei den Schafen als Lecke) verzehren lassen, in allen andern Fällen aber besser in Latwergen, Pillen oder im Aufguss eingeben.
Sehr oft sind bei den oben bezeichneten Krankheiten die Wach-holderbeeren allein zur Heilung ausreichend; in hartnäckigen und coin-plicirten Fällen aber muss man ihnen bittere, adstringirende und metal­lische Mittel, oder Terpeuthinöl, Kampher und dgl. zusetzen, je nachdem es die Art der Zufälle verlangt.
Aeusserlich können die Wachliolderbeereu gepulvert und mit aro­matischen Kräutern gemengt, zu trockenen oder feuchten Umschlägen, Bähungen und dgl., als erregend zertheilendes Mittel überall benutzt werden, wo aromatische Mittel hierzu angezeigt sind (sect;. 198).
Ausserdem werden sie noch häufig als ein Räuchermittel gebraucht, indem mau sie unzerstossen auf glühende Kohlen legt und so durch ihr Verbrennen einen grösstenthcils empyreumatischen Hauch erzeugt, vor­züglich in der Absicht, um bei nasser und nebeliger Witterung und bei herrschenden Krankheiten die Luft in den Ställen zu verbessern. Da die Luft hierdurch trockener und reizender wird, so kann sie wohl auch besser zum Athmen und für die Thiere gesünder werden; aber Krank­heitsstoffe, und namentlich Ansteckungsstoffe, welche in ihr verbrei­tet sind, werden dadurch nicht zerstört. Zuweilen benutzt man auch diesen Rauch als ein reizendes Heilmittel, und leitet ihn zu diesem Zwecke an die kranken Theilc, z. B. bei rheumatischen und ödema-tösen Anschwellungen, bei chronischem Schleimausfluss aus der Nase und aus den Lungen, bei den Lungenwürmern (sogenannten Luft-röhrenkratzern, Strongylus Filarid) der Kälber und Lämmer u. s. w. Thecrräucherungen sind jedoch wirksamer und lassen sich überall fast ganz ohne Feuersgefahr ausführen, da man hierzu keine glühende
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Kohlen in den Stall zu tragen braucht1. (1 Unze nicht pulv. 4 1J%., '/ä Pfd. 1 Sgr. 6 Pfg., gr. pulv. 1 Unze 1U Pfg., '/,, Pfd. 3 Sgr., fein pulv. 1 Unze 1 Sgr.)
Anmerkung 1. Ans den Wachholderbeeren bereitet man:
u. den Wachholdersaft (St/cci/s Jumperi inspissatus s. Uoah Jhhipen), welelier nelien Schleim und Zucker nur sehr wenig iitlierisches Oel ciiUiiiit, daher auch nur sehr geringe erregende, sondern mehr auflösende, den süssun Säften mehr ahnliche Wirkungen erzeugt, und jetzt fast nur noch als Bindemittel bei der Bereitung der Pillen und Latwergen dient. Bei dieser Benutzung ist jedoch sein Preis zu beach­ten. (1 Unze 2 Sgr. 10 Pfg.)
h. Das Wachholderbeeröl {Ol. Baccanim Jvmperis. 01. Juniperiaetherewi), sehr scharf reizend und flüchtig, dem Terpenthinül ähnlich, aber sehr theuer (1 Drachme 8 Sgr. 10 Pfg.), deshalb bei kranken Thieren niemals zu brauchen, sondern durch jenes zu ersetzen.
c. Wac hholderspiri tus {Spiritus Jnniperi) ist Weingeist über Wacbholder-beeren destill irt, wy-kt innerlich und äusserlich stark reizend, Urin treib end, blähung­treibend, kann innerlich wie die Wachholderbeeren, jedoch nur mit Vorsicht — und äusserlich bei veraltetem Rheumatismus, bei dergleichen Verrenkungen, bei Läh­mungen u. s. w. angewendet werden, — ist aber entbehrlich. (1 Unze 1 Sgr. 4 Pfg.)
Anmerkung 2. Von dem Wachholderstrauch können auch die jungen Zweige oder Wachhol dersprossen {Turiones Juniperi), das Wachho Iderho iz und die Wurzeln ( Lif/mmi et liadix juniperi) als Heilmittel dienen. In diesen Theilen ist ein wenig ätherisches Oel, dem der Beeren ähnlich, und etwas Harz enthal­ten; es fehlt ihnen aber der Zucker und der Schleim; ihre Wirkung ist daher auch weniger sanft als die der Beeren, sondern denen der Fichtensprossen und des Ter-penthinöls einigermassen ähnlich. — Die Benutzung dieser Theile des Wachhol-ders kann bei denselben Krankheiten geschehen , wo die Beeren empfohlen sind, und zwar innerlich und äusserlich im heissen Aufguss oder auch auf Kohlen ge­streuet zum Räuchern.
Das aus dem Holze durch trockene Destillation gewonnene brenzliche Wach-holderholzöl {01. lAgni Juniperi cmpiyreumaticnni, OH. pijroliyn. Juniperi, und, wenn es aus dem Holze von Jumpems oxyr.edrus bereitet ist, Ol. cadimmi {huile de Cade), ist ein brenzliches, dickflüssiges, dem Theer ähnliches ätherisches Oel.
Dasselbe wirkt dem Terpenthinöl ähnlich, wird innerlich sehr selten gegen Würmer, aber äusserlich von französischen Thierärzten oft gegen Flechten und ähn­liche Hautkrankheiten mit Nutzen gebraucht, eben so gegen Parasiten; doch muss es etwas reichlich applicirt werden. Haare wachsen bald nach. Es kann für sich oder mit Seife, oder Fett, Oel als Salbe angewendet werden, z.B. 01. Junip. pyroliyn. 1'2 Unze, Axnng. porci 2 Unzen. M. JJ. S. Morgens und Abends einzureiben.
C. Aromatische Wurzeln. 22) Alanlwurzel, Hadix Helcnü, Emdaes. Intdae.
sect;• 221. Die Alantwurzel besitzt mehrere eigenthiimliche Bestandtheile, von denen ein stark riechendes, flüchtiges ätherisches Oel von fester Con-sistenz (auch Alant-Kampher genannt), bitterer, seifenartiger Ex-tractivstoff, Gummi, scharfes Harz, und ein eigenthiimliches Stärkemehl (das sogenannte Inulin öder Helenin) die wichtigsten und wirksam­sten sind. — Vermöge dieser Bestandtheile wirkt der Alant im Allge-
1 Sollen Räucherungen mit Hilfe von glühenden Kohlen gemacht werden, so ist es zur möglichsten Vermeidung der Feuersgefahr nöthig, das Gefäss mit den Kohlen in einen tiefen, vorher befeuchteten Stalleimer zu setzen und es nur so in den Stall zu bringen.
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meinen tlieils als ein kräftiges, etwas scharfes Beizmittel, theils auch als stärkendes Mittel, und ist dem Kalmus und der Angelika verwandt. Seine erregende Wirkungen entwickeln sich jedoch langsamer, sind überhaupt weniger hiichtig, dagegen aber dauernder als bei diesen Mitteln, und die tonischeu Kräfte sind dem Grade nach bedeutend ge-ringer als die des Kalmus. Dagegen kommt der Alant mit beiden Mit­teln besonders darin tiberein, dass sowohl seine erregende, als auch die stärkende Wirkung sich zwar über den ganzen Körper verbreitet, aber doch vorzugsweise auf die Schleimhäute, und namentlich wieder auf die Schleimhaut der Eespirationsorgane gerichtet sind. Denn man bemerkt sehr deutlich, dass er bei Erschlaffung und Reizlosigkeit in den letztern die Empfindlichkeit und gleichzeitig die Energie vermehrt, die Absonderung des zähen Schleims mindert, den letztem dünner macht und den Auswurf erleichtert. — Der Alant ist daher auch stets als eins der wirksamsten Brustmittel betrachtet worden. Aber auch auf die Verdauungseingeweide, auf die Lymphgefässe und Lymphdrüsen, und sonst auf den ganzen Eeproductionsjffocess wirkt er die Functionen mehr anregend; die Secretionen der Haut und der Nieren befördert er in einem massigen Grade.
Seine Anwendung findet er bei solchen Krankheitszustäuden, bei welchen Erschlaffung, Reizlosigkeit, vermehrte Absonderung an den Schleimhäuten, besonders der Respirationsorgane, verminderte Thä-tigkeit der Lymphgefässe und Lymphdrüsen, mit Anschwellung und Verhärtung derselben, schlechte, unvollständige Ernährung und Ca-chexie den Gruudcharacter bildet. — Dagegen leistet der Alant bei nervösen Zuständen wenig, und bei reinen, activen Entzündungen ist er schädlich.
Diesen Andeutungen entsprechend wird der Alant gebraucht: bei Appetitlosigkeit und Unverdaulichkeit aus Schwäche und Verschlei­mung der Verdauungseingeweide; bei Katarrhalfieber und Katarrh (Druse der Pferde, Schnupfen der Schafe, Schweine und Hunde), bei katarrhalischer Bräune; hierbei überall jedoch nur dann, wenn das Entzündungsstadium vorüber, oder wenn die Entzündung asthenisch ist und chronisch wird; eben so nach Lungenentzündungen, wenn be­reits zäher Auswurf sich eingefunden hat, und bei asthenischen, soge­nannten nervösen Brustentzündungen; bei chronischem Husten und bei Kurzathmigkeit aus Erschlaffung Verschleimung der Respirationsor­gane, und daher auch bei dem sogenannten schleimigen Dampf der Pferde; bei Wassersuchten und bei ödematösen Anschwellungen aus Schwäche und schlechter Ernährung, bei Mauke, Wurm und veralteten Hautausschlägen. Gegen die Räude wurde er früher als ein speeifisches Mittel betrachtet.
Man giebt ihn Pferden von ^2 — ^Va Unzen, Rindvieh von 1 — 3 Unzen, Schafen und Schweinen von 1 — 3 Drachmen, und Hunden von 10 Gran bis 1 Drachme, auf einmal und in Zwischenzeiten von 4—5 Stunden. — Die Anwendung kann in jeder Form, selbst im Decoct ge­schehen, da der Alant (ausnahmsweise von den übrigen ätherischen Mitteln) ein gelindes Kochen recht gut erträgt und hierbei, durch die
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vollständigere Auflösung seiner .scharfen und bittern Bestandtlieile, so­gar nocli reizender und wirksamer wird.
Bei manchen Zuständen ist er für sieh allein ausreichend; wo man aber seine reizende Wirkung zu mindern, die Absonderungen zu be­fördern und zugleich dünnflüssiger zu machen wünscht, wie z. B. nach eben beseitigter Entzündung, #9632;— da setzt man ihm Brechweinstein, Sal­miak, Kochsalz, Goldschwefel, Schwefel und dgl. zu; in den meisten chronischen Fällen dagegen, wo die Ernährung, wo die Thätigkeit der Lympbgefässe sehr leidet und Torpidität vorwaltend ist, verbindet man ihn mit bittern Stoffen, mit Schwefel, Spiessglanz, Wachholderbeeren, Terpenthinöl, Kampher und andern Mitteln.
Aeusserlich wird der Alant schon seit älterer Zeit gegen die Räude bei allen Thieren benutzt. Rysz ' zieht ihn den andern, sonst gewöhn­lichen Eäudemitteln, als dem Taback, den Lorbeeren, der Niesewurzel u. s. w. vor, und empfiehlt ihn in folgender Zubereitung als Wasch­mittel: Man nimmt für Pferde oder Kinder 5—6 Pfund gute Buchen­asche, kocht sie mit 28 Maass Wasser aus, seihet sie hernach durch, bringt die erhaltene Lauge nochmals zum Sieden und wirft dann 1 '/j Pfd. zerstossenen Leinsamen, 2 Pfd. zerschnittene Alantwurzel und eben so viel Wermuth, oder ein anderes bitteres Kraut in die kochende Lauge, lässt sodann das Feuer ausgehen und gebraucht die Flüssigkeit un-durchffeseihet, lauwarm als Bad oder zum Waschen der kranken Haut-stellen, auf welche man sie mittelst wollener Lappen oder mit Bürsten applicirt. Die Flüssigkeit soll seifenartig, auf die Haut reizend, zu­gleich geschmeidig machend und den Eäudemilben widrig sein. Rysz gesteht jedoch selbst, dass man auch bei wiederholter Anwendung der­selben die Räude, namentlich bei Schafen nicht vollkommen heilt, son­dern nur die Heilung gut vorbereitet, und dass man, um diese zu er­reichen, noch Schwefel- oder .Merkurialsalben anwenden müsse. — Ehedem wurde der Alant selbst in Salbenform (z. B. nach Reuter aus: Alantwurzelpulver 1 Unze, Schwefelblumen 2 Unzen, ungesal­zener Butter 5 Unzen bestehend) angewendet, aber wohl auch nicht mit gründlichem Erfolge. Er verdient daher nicht den Vorzug vor der Nieswurz und dem Taback, noch weniger aber vor dem Terpenthinöl, dem Sublimat und vor der von Walz empfohlenen Lauge. (1 Unze 1 Sgr., grob pulv. 1 Sgr. 6 Pfg., fein pulv. 1 Sgr. 8 Pfg.)
23) Angelikavurzel (Engelwurzel, Brust- oder I.iil'iwmz.cl). Radix Angelieae.
sect;. 222.
Unter den verschiedenen Bestandtheilen dieser Wurzel sind als die wirksamsten zu betrachten: ein flüchtiges ätherisches Oel, ein bal­samisches Weichharz (von Einigen „Angelikabalsamquot; genannt), bitterer und anderer Extractivstoff und Stärkemehl. — Sie wirkt flüchtig rei­zend und zugleich stärkend, ist daher im Allgemeinen dem Baldrian und dem Kalmus ähnlich, aber iu ihrer individuellen Eigenthümlich-
1 Handb. der prakt. Arzneimittellehre für Thierärzte. S. 3.
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keit doch von Jioseu mul von allen andern aromatisclieu Mitteln in mehrfacher Beziehung- verschieden; denn die örtliche Wirkung ist schärfer reizend und die allgemeine Wirkung ist intensiv reizender, gleichsam feuriger, zugleich dauernder und vielmehr auf das Giefäss-system (auf die Irritabilität) gerichtet, als bei dem Baldrian. Den Kai­mus übertrifft die Angelika ebenfalls an reizender Kraft, steht ihm aber an stärkenden Eigenschaften nach. — Sowohl die erregende wie die stärkende Wirkung verbreitet sich über den ganzen Organismus; beide treten aber an den Schleimhäuten, besonders au denen der lie-spira-tionsorgane am deutlichsten hervor, und scheinen zu denselben eine ähnliche spoeifische Beziehung, wie die Wachholderbeeren, der Wasserfenchel, Fenchel, Anis und Alant zu haben. Die Wirkung ist aber auch hier durch die mit der Erregung verbundene Stärkung sehr verschieden von der Wirkung dieser zuletzt genannten Mittel. Auf den Yerdauungskanal wirkt die Angelika belebend und stärkend, und die Secretionen in den Nieren und in der Haut werden durch sie in einem massigen Grade befördert.
Die Indicationen für den Gebrauch dieses Mittels linden sich in allen Fällen, sowohl bei acuten als bei chronischen Krankheiten, wo die Irritabilität und Sensibilität zugleich sehr vermindert ist, wo bei grosser Schwäche die Bildungsthätigkeit sehr darnieder liegt, wo Nei­gung zur Entmischung der Säfte, und colliquativc Ausleerungen ein­treten, und wo besonders in den Kespirationsorganen Torpicfität mit übermässiger Absonderung in der Schleimhaut besteht.
Unter solchen Umständen, und namentlich bei Nervenfieber, Faul-tieber und Typhus, bei den höhern Graden der Influenza, bei typhösen, besonders ursprünglich katarrhalischen und rheumatischen Brustent­zündungen, bei der Staupe der Hunde, wenn sie einen nervösen Cha­racter annimmt u. s. w., habe ich die Angelika mit sehr gutem Erfolge augewendet und muss daher den Ausspruch von J. White: „dass das Mittel für die thieräi'ztlichen Zwecke zu wenig wirksam sei1,quot; wider­legen.
I)ie Gabe ist wie bei dem Alant zu wählen; manche französische Thierärzte, z. B. Vatel. schreiben zwar viel grössero Gaben (für Pferde 1 — 5 Unzen, für Kindvieh 1 — 7 Unzen) vor2, jedoch ohne Grund, da man mit jenen kleineren vollkommen ausreicht. — Von der Form und Verbindung mit andern Mitteln gilt Alles, was bei dem Kalmus und dem Baldrian hierüber angedeutet ist.
Aeusserlich ist die Angelika wie die übrigen aromatischen Mittel zu benutzen (sect;. 193 und 198), wird aber höchst selten zum aussein Gebrauch verwendet. (1 Unze 1 Sgr. 4 l'fg., gr. pulv. 1 Sgr. 10 Pfg.,
Pfd. 8 Sgr. 3 Pfg., fein pulv. 1 Unze 2 Sgr. 10 Pfg.)
Anmerkung. Das Kraut der Angelikapflanze {Jlcrha Anyclüae) besitzt ähn­liche aber schwächere Heilkräfte wie die Wurzel und kann im Nothfallc wie diese, besonders äusserlich zu Umschlägen u. s. w. gebraucht werden. — Die Wald-An-
1 J. White, Treatise on Veterinary-Medic. Vol. II. p. 62.
ä Vatel, Klements de Pathologie veter. Tom. II. Part. II. p. 723.
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golika (Angelica silvestris Zi, s. SeUnum Angelica Both) ist in ihrer Wurzel und im Kraut ebenfalls mit den Eigenschaften der echten Angelikawurzel begabt, aber doch von geringerer Wirksamkeit.
24) Baldriaimirzel, liadix Taloiana
e imnon*.
sect;. 223.
Ihre Bestandtheile sind: ein eigenthümlieher Ertractivstoflf (Bal-drianstoff), ein gelbfärbender Extractivstoff, Weich- oder Balsam-harz, Baldriansäure, Baldrianöl, Schleim und einige Salze. Davon sind die Baldriansäure und das ätherische Oel die hauptsächlich wirksamen Bcstandtheile. Die Wurzel hat einen zuerst etwas scharfen, dann herb-bittern, aromatischen Geschmack und einen eigenthümlichen, penetran­ten, etwas widrigen Geruch, den jedoch die Katzen lieben und dies da­durch zeigen, dass sie sich auf der Wurzel wälzen, wunderliche Sprünge neben ihr machen und dgl. — Die örtlichen Wirkungen dieser Wurzel sind sehr mild erregend und gelind zusammenziehend, daher reizend und stärkend zugleich, — ähnlich der Nelkenwurzel, aber in der Er­regung stärker und in der Zusammenziehung schwächer als diese. Die allgemeine Wirkung äussert sieh in einer flüchtigen, jedoch sehr sanften Aufregung im ganzen Organismus, vorzüglich und fast speeifisch aber im Nervensystem. Die gesunkene Kraft des letztern wird erhöhet, und besonders wird seine Thätigkeit, wenn sie qualitativ vom gesunden Zu­stande abweichend ist, sehr häufig wieder geregelt; namentlich werden Zuckungen und Krämpfe beseitiget, zu grosse Empfindlichkeit und selbst Schmerzen, die mit Nervenschwäche verbunden sind, weiden gemindert. Diese Beziehungen zum Nervensystem besitzt der Bal­drian unter den aromatischen Mitteln am stärksten; er nähert sieh hierin einigennassen dem Kampher, den empyreumatischen Oclen und dem Aether, unterscheidet sich aber von diesen dadurch, dass er weniger flüchtig-, dagegen aber auch milder wirkt, und dass er nicht wie sie die Kräfte blos aufregt und erschöpft, sondern vielmehr wirk­lich stärkt. — Auf die Blutgefässe wirkt der Baldrian viel weniger erregend, und er steht hierin besonders denjenigen aromatischen Mit­teln sehr nach, welche ein terpenthinartiges ätherisches Oel enthalten. Er befördert zwar die Absonderungen in gelindem Grade, vermehrt aber keine, einzelne vorherrschend. Auf die Verdauungseingeweide wirkt er erregend, stärkend, blähungtreibend, und zuweilen auch wurmwidrig. Die letztere Wirkung ist aber nicht zuverlässig.
Der innerliche Gebrauch des Baldrians ist angezeigt: bei allen asthenischen Krankheitszuständen, vorzüglich aber wenn sie im Ner­vensystem ihren Sitz haben oder mit nervösen Zufällen begleitet sind, und wenn Schwäche mit erhöheter Empfindlichkeit verbunden ist; da­her namentlich: bei Nervenfiebern, bei dem nervösen Faulfieber (Ty­phus), bei dem fieberhaften und bei dem langsam verlaufenden Milz­brand; — bei Epilepsie, Schwindel, Dummkoller; bei Krämpfen, z. B. bei dem Starrkrampf, bei dem Lungenkrampf, bei der Staupe der Hunde in den höhern Graden und wenn sie nervös wird; — bei Läh­mungen; — bei geschwächter Verdauung, Durchfall, Aufblähung,
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Ki-ampfkolik, krampfhafter Hamveilialtung, und gegen Eingeweide­würmer.
Doch darf man sieh, wenn bei diesen Krankheiten bereits ein hoher Grad von Schwäche eingetreten ist, nicht auf den Baldrian allein ver­lassen, weil er dann bei seineu milden Wirkungen zu wenig leistet.
Man giebt ihn den grossen Hausthieren von 1—3 Unzen, Schafen von 2 Drachmen bis ' o Unze, Hunden von 1 Scrupel bis 2 Drachmen auf einmal und in Zwischenzeiten von 2-7—4 Stunden wiederholt. Das Mittel kann in Latwergen oder Pillen, bei dringenden Zufällen aber am besten im Infusum angewendet, und mit Kampher, Hirschhornöl, Hirschhornsalz, mit Pfefferminze, mit Säuren und andern, dem vorhan­denen Zustande entsprechenden Mitteln verbunden werden1.
Aeusserlich kann man den Baldrian als zertheilendes und stärken­des Mittel bei asthenischen Augenentzündungen, bei Quetschungen, bei schlaffen, uuthätigen Geschwüren, im Infusum zum Waschen und Bähen, wie auch zu krampfstillenden Clystiren u. s. w.benutzen. (1 Unze 1 Sgr., gr. pulv. 1 Sgr. 6 Pfg., 1/2 ffd. 6 Sgr. 6 Pfg., fein pulv. 1 Unze 1 Sgr. 8 Pfg.)
Als Präparate vom Baldrian giebt es ein Extract, verschiedene Tincturen, und das ätherische Oel. Sie wirken wie die Wurzel, sind aber zu theuer und deshalb in der Thierarzueikunde nicht gebräuchlich.
Anmerkung. Ausser lt;ler gewöhnlichen, von der Yuleriana ofjicinalis kom-mehdeh Baldrianwürzel können auch die Wurzeln von dem grossen oder Garten­baldrian (/iWi':raquo; Valerianae majoris, von der 1'. P/m) und von dem Alpenbal­drian (Jladix Spione cclticae, von der V. celticai wie die erstere benutzt werden, da sie ganz ähnliche, jedoch schwächere Heilkräfte besitzen wie diese.
25) Bertramwurzef, Zadix Pyrethri.
sect;. 224.
Die wirksamen Bestandtheile derselben sind ein scharfes äthe­risches Oel in geringer Menge, scharfes Harz, Inulin, Karopher, Gummi und bitterlicher Extractivstoff. —- Sie wirkt auf alle Gebilde, mit denen sie in Berührung kommt, als ein durchdringendes Reizmittel, erhöhet die Empfindlichkeit bedeutend, erweckt und verstärkt das Bewegungs­vermögen, und erregt auch an den Schleimhäuten vermehrte Abson­derungen. Bei der innerlichen Anwendung zeigen sich diese Wir­kungen am stärksten in der Maul- und Eachenhöhle und an den Ver­dauungseingeweiden ; namentlich verursacht sie in der Maulhöhle eine sehr starke Absonderung von Speichel und Schleim, vermehrte Wärme und grossen Reiz zum Kauen. Die Thätigkeit der Verdaaungseinge-weide erregt sie bedeutend, und besonders erweckt sie den Appetit. Nach Vitet's Angabe2 soll sie sogar Entzündung am Eingange des Zwölffingerdarms erregen; ich habe dieselbe von massigen Gaben nicht entstehen sehen. — Auf den übrigen Körper verbreitet sich die erre-
1 Merkwürdig ist es, dass, wenn Had. Valerian. 2 Theile mit Kali sulphurat. 1 Th. in Latwergensubstanz zusammengemengt werden, eine Temperaturerhöhung um 180R. Stattfindet.
- Am angez, O. S. 261.
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gcnde Wirkung ziemlich schnell, jedoch nicht in demselben Grade, wie sie örtlich erscheint, so dass das Mittel hinsichtlich seiner allgemeinen Wirkung und in der Flüchtigkeit ungefähr mit dem Kalmus auf gleicher Stufe steht, ohne jedoch eben so stärkend zu sein wie dieser.
Die Bertramwurzel findet nur in solchen Krankheitszustäntleu ihre Anwendung, bei denen ein hoher Grad von Abgestumpftheit (Torpor) und Lähmung, besonders in der Maulhöhle, an der Zunge, am Gaumen­segel, Kehl- und Schlundkopf, und in den Vordauungseingeweiden be­steht. Namentlich ist sie nützlich bei chronischem Katarrh, bei veral­teter Bräune, bei Lähmung der Zunge, bei langwieriger Appetitlosigkeit und UnVerdaulichkeit, wenn dieselbe blos in Schwäche und Eeizlosig-keit begründet ist, bei dem sogenannten Magenkoller der Pferde, selbst bei nervösen Fiebern, die mit grosser Abstumpfung verbunden sind, und bei chronischen Lähmungen der Gliedmaassen.
Die Gabe ist für Pferde und Rinder ^j — 1 Unze, für Schafe und Schweine 1/2—1 Drachme, für Hunde 10 Gran bis 1 Scrupel. Die An­wendung geschieht in Latwergen, Pillen oder Infusum. Bei Pferden wurde ehemals die Wurzel auch als sogenanntes Kaumittel oder Spei­chel erregendes Mittel benutzt, indem man sie entweder in Substanz, oder pulverisirt und mit Enzian- oder Meisterwurzel und dgl. gemengt und in einen leinenen Beutel gethan, auf das Mundstück befestigte und dies den Thieren ins Maul legte. Bei Lähmung der Zunge habe icli das Mittel auf diese Weise mit recht gutem Erfolg angewendet. Mit Wasser gelind gekocht ist die Wurzel zu reizenden Maulwässern und zum Waschen torpider Geschwüre zu benutzen. — Den Schweinen giebt man die Bertramwurzel (wie alle scharf reizende Mittel) am besten nur in Latwergenform. (1 Unze 2 Sgr., gr. pulv. 2 Sgr. 6 Pfg., fein pulv. 3 Sgr. 4 Pfg.)
26) Ebemirzel, Radix Carlinae s. Cardopatiae (n).
sect;. 225. Sie besitzt ähnliche Bestandtheile und Heilkräfte wie der Kalmus (siehe den folgenden sect;. 226), ist aber etwas mehr flüchtig scharf, und daher auch mehr reizend. Sie kann ganz wie der Kalmus und wie die Angelika bei asthenischen Krankheitszuständen angewendet werden, und wurde ehemals in der Thierhcilkunst sehr häutig als nervenstär­kendes, magenstärkendes, schweiss- und urintreibendes, und den Aus­wurf beförderndes Mittel benutzt, und selbst zu abergläubischen soge­nannten sympathetischen Kuren gebraucht; jetzt ist sie, mit Unrecht, fast ganz in Vergessenheit gekommen.
27) Kaliuusw'iirzel, Radix Calami aromaiiei s. Acori veri (quot;)#9632;
sect;. 226.
Sie enthält als Hauptbestandtheile ein bitterlich scharfes ätherisches
Del, innig verbunden mit scharfem Harz und bitterm Extractivstoft', —
nebenbei ein eigenthümliches Satzmehl, etwas Gummi und Salze. Der
Kalmus ist unter den inländischen aromatischen Mitteln das wohlfeilste
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und zuglek'li eins der kräftigsten; er wirkt gleichzeitig gelind tonisirend, tliichtig und anhaltend erregend, vorzüglich auf die Verdauuungsein-geweide und auf die liespirationsorgane, und nähert sich den Wirkun­gen des Wermuths, der Kamillen, des Baldrians, der Angelika u. s. w. Den erstem übertrifft er in der erregenden Wirkung sehr, steht ihm aber in der tonischen etwas nach; von den Kamillen unterscheidet er sich durch seine grössere gewürzhafte Schärfe, und durch die hiervon abhängige stärkere örtliche und allgemeine Heizung; den Baldrian über­trifft er in der erregenden Wirkung auf das Gefässsystem und auf die Schleimhäute, wie auch durch die stärker reizende und tonische Wir­kung auf die Verdauungseingcweide, steht ihm aber in der directen Ein­wirkung auf das Nervensystem sehr nach; von der Angelika wird er zwar durch grössere Flüchtigkeit übertroffen, er wirkt aber ebenfalls mehr tonisireud als sie.
Die Anwendung der Kalmuswurzel ist bei allen astheuischen Krank­heiten angezeigt, besonders aber bei solchen, welche in verminderter Irritabilität im Allgemeinen, in Schwäche und lieizlosigkeit der Ver­dauungseingeweide, der Schleimhäute, der Lymphgefässe und Drüsen, und in mangelhafter Reproduction beruhen. So benutzt man ihn bei astheuischen Fiebern, z. B. bei gastrischen, bei katarrhalischen, selbst bei nervösen und Faulfiebern, bei Anthraxkrankheiten; — bei Mangel an Appetit, hei schlechter Verdauung, bei öfters wiederkehrender Auf­blähung und Kolik, bei anhaltendem, schmerzlosem Durchfall, bei Wurmleiden; — bei asthenischem und chronischem liheumatismus; — bei dergleichen Katarrh, Druse, Bräune und Lungenentzündung, wenn viel zäher Schleim abgesondert und mit Beschwerde ausgeworfen wird; bei der Lungenseuche des ßindviehes in den spätem Perioden, eben so bei der Fäule der Schafe, bei ödematösen Anschwellungen unter der Haut; — bei Abmagerung in Folge mangelhafter Verdauung aus Schwäche; bei Koller, hei Staupe, bei Krämpfen und Lähmungen, — hierbei jedoch mehrentheils nur als passendes Unterstützungsmittel für andere, mehr kräftige Reizmittel.
Eine Gabe für Pferde und Rindvieh ist 1/2—l'/j Unze, für Schafe und Schweine 2 Drachmen bis '/^ Unze, für Hunde 1 Scrupel bis 1 Drachme, alle 3 — 4 Stunden wiederholt. Die Anwendung kann in allen Formen geschehen, und Zusätze macht man nach Bedürfuiss der Umstände, ähnlich wie bei dem Baldrian und den Kamillen.
Aeusserlich ist der Kalmus nach den allgemeinen Andeutungen (sect;. 193 und 198) als ein sehr wirksames aromatisches Mittel zu ge­brauchen.
In den Apotheken ist die Wurzel geschält. Bad. Calami decor-ticata, — was zum thierärztlichen Gebrauch nicht noting ist und den Preis erhöhet. (1 Unze von Bad. decortic. 8 Pfg., zerschnitt, oder gr. pulv. 1 Sgr., l/g Pfd. 4 Sgr. 6 Pfg., fein pulv. 1 Unze 1 Sgr. 2 Pfg.)
Das Extract, die Tinctur und das ätherische Oel sind sehr wirk­same Präparate, aber des Preises wegen nicht gebräuchlich, wenigstens nicht bei grossen Thieren.
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2laquo;) Knoblauch , Knoblauchzvi irbeln, Radix s. Bidbus Allii (0).
sect;• 227.
Der hauptsäcLlicIi wirksame BestandtLeil ist ein flüchtiges Oel von durchdringendem und stechendem Geruch, in Verbindung mit etwas Schwefel, und ausserdem etwas Satzmehl und sehr viel Schleim. — In der Wirkung auf den Thierkörper erscheint der Knoblauch bei inner­licher und äusserlicher Anwendung sehr ähnlich dem Senf und Meer-rettig; doch geht er mehr als diese Mittel in das Blut über, und ertheilt der ausgeathmeten Luft und der Milch seinen eigenthiimlichen Geruch. der letzteren sogar auch seinen Geschmack; der Urin erhält von ihm ebenfalls einen stärkern Geruch, der aber nicht immer knobiauchartig ist. Auch wirkt er mehr auf die Schleimhaut der llesinratioasorgane speeifisch erregend als jene Mittel, und ausserdem ist er den Würmern sehr zuwider.
Man wendet den Knoblauch innerlich an: bei Schwäche, Reizlosis:-keit, Unthätigkeit und Verschleimung der Verdauungseingeweide: bei daher entstandener Appetitlosigkeit, Krampfkolik oder Windkolik, bei dem Aufblähen; gegen Eingeweidewürmer; bei Verschleinmng in der Lunge und Luftröhre und bei dem sogenannten schleimigen Dampf: bei veralteter Druse, Mauke und Räude, bei Rheumatismus, bei öde-matösen Anschwellungen und bei beginnender Wassersucht; bei Sand und Gries in den Harnwerkzeugen; bei dem Pijjs der Hühner. — Dauben ton empfahl ihn auch zur Erregung des Geschlechtstriebes der Schafe.
Er kann Pferden und Rindern von ^ — l1/, Unzen, Schafen und Schweinen von 1 Drachme bis 1/a Unze, Hunden von 1 Scrupel bis 1 Drachme, täglich 4 — 6 Mal gegeben werden. Zur Anwendung wird er entweder klein gehackt in einer Düte zerquetscht und mit Kalmus. Alant, Kümmel, Anis, Kochsalz und dgl. zur Latwerge oder zu Pillen gemacht, — oder mit Milch, Bier oder Wasser heiss infundirt und mit bittern oder aromatischen Mitteln versetzt. In dieser letztern Verbin­dung kann er, nach der Beobachtung mancher Thierärzte, die Asafö-tida ersetzen. — Den Schafen giebt man ihn zerquetscht und mit Kleie und Salz gemengt in Lecken.
Aeusserlich kann der Knoblauch bei verhärteten Drüsen- und andern torpiden Geschwülsten und eben so bei dergleichen alten Ge­schwüren gebraucht werden, um sie in bessere Thätigkeit zu versetzen und die Eiterung zu befördern. Er wird hierzu entweder zerquetscht in Form eines Breies etwas dick auf die betreffende Stelle gelegt, oder mit gleichen Theilen Fett durch blosses Zusammenmengen oder durch gelindes Zusammenschmelzen zu einer Salbe gemacht, welche theils ein­gerieben, theils massig dick aufgetragen wird. — Bei der Räude und bei flechtenartigen Hautausschlägen ist diese Salbe ein vortreffliches Mittel, wenn dicke, festsitzende Schorfe vorhanden sind; wo diese fehlen, kann man auch eine Mischung von ein Theil zerquetschtem Knoblauch mit 6—8 Theilen Branntwein zum Waschen der räudilt;ren
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Stellen mit gutem Erfolge benutzen. — Bei Stichen von Insekten ist der ausgepresste Saft als eiu wirksames und schnell zu erlangendes Hausmittel empfohlen.
Anmerkung. Die gemeine Zwiebel {Radix C'ejtae) hat ziemlich dieselben Hestamltheile und dieselben Wirkungen wie der Knoblauch, ist aber etwas milder und weniger wurmwidrig als dieser. Sie kann auf dieselbe Weise wie der Knob-laucli, aber in etwas stärkern Gaben benutzt werden. — Dasselbe gilt auch von den meisten Varietäten des Knoblauchs und der Zwiebeln.
ii
äiraquo;) Liebslückelwurzd , Eudix Levktici s. Liguatiei. sect;. 228.
Aetlierisches Oel, viel gewürzhaft-scharfer Extractivstoff und Harz sind ihre wirksamen Bestandtheile. Sie ist in ihren Eigenschaften und Wirkungen mit der Angelika sehr verwandt, besitzt aber weniger Bit­terkeit und ist weniger stärkend als diese, so dass sie vielmehr als allge­meines, sehr flüchtiges und etwas scharfes Reizmittel wirkt. Denn ihre Wirkungen erscheinen gleichmiissig über alle Systeme des Körpers ver­breitet, und die Functionen aller Organe werden erhöhet, besonders wenn sie aus Schwäche und lieizlosigkeit vermindert waren; vorzüg­lich werden jedoch die Absonderungen der Schleimhäute, der Nieren und der Haut sehr befördert. Man glaubte auch, dass bei Kühen nach der Anwendung der Liebstöckelwuizel die Milch den Geruch nndGe-schmack derselben annimmt; allein Viborg hat dies durch Versuche widerlegt1, und ich muss ihm beistimmen, da ich bei meinen hierüber an mehreren Kühen angestellten Versuchen diese Einwirkung auf die Milch ebenfalls nicht gefunden habe.
Das Mittel findet seine Anwendung nur bei asthenischen, torpiden Krankheiten, und namentlich bei Krämpfen, bei Krampf- und Blähungs­kolik, bei chronischen Diarrhöen, bei Verschleimungen, bei unterdrückter Hautausdünstung, daher bei Rheumatismus, Katarrh, Druse und Lun­genentzündung mit asthenischem Character, bei bösartigen, fauligen Pocken der Schafe, bei der Fäule, bei Wassersuchten, selbst bei Räude, Rotz und Wurm.
Die Gabe beträgt für Pferde 1 —2 Unzen, für Rindvieh 2—4 Un­zen, für Schafe und Schweine 1 Drachme bis ,/2 Unze und für Hunde 1/2—2 Drachmen; die Anwendung kann in allen Formen, nur nicht im Decoct, geschehen, und Zusätze werden von Wachholderbeeien,Kalmus, Pfefi'erminze, Kampher, Terpenthinöl, Spiessglanzpräparaten und dgl. gemacht.
Von der äusserliehen Anwendung gilt dasselbe, was hierüber von der Angelika gesagt worden ist. (1 Unze 8 Pfg., gr. pulv. 1 Sgr., fein pulv. 1 Sgr. 2 Pfg.)
Anmerkung. Das Liebstöckelkraut (Hcrha Levistici) besitzt dieselben Bestandtheile, welche die Wurzel hat, und kann daher wie diese bei den oben be-
1 Sammlung von Abhandlungen, 4. Bd. S. 209. Er gab die Wurzel in steigen­den Gaben bis zu 8 Unzen pro Dosi durch 6 Tage; — ich gab sie bis zu 1 Pfund und durch 8 Tage.
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zeichneten Krankheiten angewendet werden. — Der Liebstöckelsame (Seinen Levislici) scheint fast noch wirksamer zu sein als die Wurzel, und sollte daher nicht ganz so in Vergessenheit gerathen, wie es hislier geschehen isi1-.
30) Meerrelligwurzel (Rreen), Jincliu; Armoraeiae s. Saphani rustteani (0).
sect;. 229.
Die Chemie hat in dieser allgemeinen bekannten scharfen Wurzel sehr verschiedenartige Bestandtheile nachgewiesen, unter denen jedoch ein brennend scharfes ätherisches Oel und ein flüchtig scharfer Stoff die wirksamsten sind. — Der Meerrettig wirkt im frischen Zustande auf die betroffenen Organe sehr kräftig reizend; auf der äussern Haut er­regt er selbst Röthe und oberflächliche Entzündung; im Hagen und Darmkanal befördert er die wurmfürmige Bewegung, treibt sehr kräf­tig Blähungen ab und erregt den Appetit; in der Schleimhaut der Eespirationsorgane befördert er die absondernde Thätigkeit, und bei asthenischen Zuständen mindert und verdünnt er den zu zäh abgeson­derten Schleim; am kräftigsten aber wirkt er auf die Harnwerkzeuge und verstärkt ihre Absonderung. Auch die Lymphgefässe und Lymph­drüsen scheint er zu grösserer Thätigkeit anzuregen. Dass er die Haut­ausdünstung vermehrt, habe ich nie beobachtet.
Der Meerrettig kann innerlich unter ähnlichen Umständen, wo der Senf und wo die Wachholderbeeren als nützlich empfohlen sind, mit gutem Erfolge gebraucht werden: wie z. B. bei Pferden und Rin­dern, die an mangelhaftem Appetit leiden, ohne dass andere Krank­heitssymptome damit verbunden sind, besonders nach vorausgegangener Ueberladung der Verdauungseingeweide; eben so bei dem öfters wie­derkehrenden Aufblähen des Kindviehes und bei Windkolik der Pferde, wenn Schwäche und Reizlosigkeit der Eingeweide hierbei besteht; bei Verschleimung der Respirationsorgane und daher entstandener Kurz-athmigkeit; bei veralteter Druse, Mauke und Räude, bei wassersüch­tigen Anschwellungen an den Extremitäten oder am Bauche und an der Brust, selbst bei Brust- und Bauchwassersucht, vorzüglich bei der Fäule der Schafe, und bei Anhäufung von Sehleim und Sand in der ürmblase. — Auch als Präservativmittel zur Verhütung gastrischer und eaehectischer Krankheiten benutzt man diese Wurzel, wenn man genöthigt ist, die Thiere mit Futter von schlechter Beschaffenheit zu füttern; sie erfüllt hier den Zweck, indem sie die Thätigkeit der Ver-dauungs- und Assimilationsorgane vermehrt, steht jedoch hierin den Wachholderbeeren nach.
Der Meerrettig wird immer nur als Hausmittel, wo er frisch und wohlfeil zu haben ist, angewendet.
Man giebt ihn für Pferde und Rinder von 3—8 Unzen, für Schafe und Schweine von 1—2 Unzen, für Hunde von 2 Drachmen bis 1 Unze, täglich 2 — 3 Mal.
Da fast alle Thiere, vorzüglich aber Pferde und Schafe den Meer­rettig sehr gern fressen (wenn sie nur nicht eben an gänzlicher Appe­titlosigkeit leiden), so kann man ihnen die klein zerschnittene Wurzel mit Mehl, Kleie, Hafer oder Häcksel (Siede) gemengt, sehr leicht bei-
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bringen; fressen sic dieselbe aber nicht, so kann man entweder die Wurzel sebaben oder zerreiben und mit Mehl und andern passenden Mitteln, z. B. Kalmus, Baldrian, Kochsalz und dgl. zur Latwerge oder zu Pillen machen; oder man kann sie ebenfalls zerreiben, mit Wasser, mit Bier oder Essig kalt iibergiessen, nach 12 Stunden durchseihen und auspressen, und die Flüssigkeit eingeben.
Fast in allen Fällen muss der Mecrrettig durch längere Zeit fort­gebraucht werden, wenn man vollständige und dauernde Wirkungen von ihm sehen will.
Aeusserlich ist die Wurzel als Reizmittel ganz ähnlich wie der Senf zu benutzen.; die Wirkung tritt fast noch schneller ein, ist aber schwächer und von kürzerer Dauer als bei dem letztern. Man hat sie besonders zur Anwendung auf schlaffe, untliätige und kallöse Geschwüre, und auf schmerzlose Geschwülste und verhärtete Drüsen empfohlen, tun dieselben zur Zertheilung zu bringen, oder um die Eiterung in ihnen zu erregen. Zu diesem Zwecke soll sie zerrieben, mit etwas Essig, oder noch besser, mit Senf und Sauerteig zum Brei auf die kranken Theile applicirt werden.
Anmerkung. Das Löffelkraut {Cochlearia o/jlc.) hat im frischen Zustande mit dorn Meerrettig in den Eigenschaften eine grosse Aehnlichkeit, ist aber viel schwächer, und wird jetzt nur noch, wo es zu haben ist, als diätetisches Mittel in denselben Krankheiten benutzt, wo der Meerrettig empfohlen ist. — Ehedem war von ihm auch der Löffelkrautspiritus in der Thierarzneikmule im Gebrauch.
311 ffleisterwurzel (.lliiglstrenzwurzel)) Radix Tmperatoriae s. Ostruthn (0).
sect;• 230.
Das ätherische Oel ist in ihr mit einem ziemlich scharfen Harz, mit bitterm Extractivstoff und mit Schleim verbunden. Sie ist ein sehr kräftiges Heilmittel, dessen flüchtig scharfe und zugleich stärkende Wir­kungen mit denen der Angelika die grösste Aelmlichkeit haben, aber weit stärker und anhaltender reizend sind als bei dieser.
Die Meisterwurzel ist in denselben Fällen, wo die Angelika und der Kalmus anzeigt ist, zu benutzen, passt aber bei jenen Krankheiten besonders dann, wenn die Unempfindlichkeit einen sehr hohen Grad erreicht hat, und wenn Lähmung besteht.
Man giebt sie für Pferde und Rinder von '^—1 Unze, für Schafe von 1 Drachme bis 2 Unzen, für Hunde von 10 Gran bis lj.i Drachme in Form und Verbindung wie bei der Angelika.
i.
32) Weisse Pliii|iliiellnurzel oder Bibeniellwurzd, Radix Pimpinellac alliae, s. PimpiveUae nostyiiiis.
sect;#9632;
231.
Die weisse Pimpinelle ist in ihren Eigenschaften mit der Bertram­wurzel fast ganz übereinstimmend, nur ist sie etwas weniger aromatisch. Ihre örtlichen und allgemeinen Wirkungen stimmen ebenfalls mit denen des vorigen Mittels überein; doch hält man sie für milder und schreibt ihr dabei stärkere Erregung der Harnabsonderung und der Hautaus­dünstung zu. — Die Anwendung der Pimpinelle ist mein gebräuchlich
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als die der Bertramwurzel, findet abei in denselben Krankheiten und ganz auf dieselbe Weise Statt, wie bei dieser. (I Unze 10 Pfgi, gr. pulv. 1 8gr. I Pfg., fein pulv. 1 Sgr. 6 P%.)
Anmerkung. Die Wurzel der schwarzen Bibernelle (PimpmeUa ntgra) besitzt im Wesentlichen dieselben Bigenschaften, und kann daher wie die weisse Bibernelle gebraucht werden.
sect;• 232.
Aussei' den bislier specicll butracliteten aromatisclicn Mitteln giebt es noch eine Menge anderer, Avelche aber in der Tlnerlieilkunde weniger gebriiuelüicli sind. Es gehören hierher: a) die virginische Schlan-genwnrzel {liadij- Serpeniariae virginianae), in Wirkung der Ange­lika und einigermaassen dem Kampher ähnlich, sehr heilkräftig, aber zum tbierürztlichen Gebrauch zu tlieucr (1 Unze 3 Sgr. 10 Pfg-j; Ge­brauch und Anwendung wie bei der Angelika; — b) die gemeine Osterluzeiwurzel (Radix Aristolochiae vulgaris s. tennia) (quot;,, bitter und kampherartig, der vorigen ähnlich, aber etwas .schwächer; — c) die runde Osterluzeiwurzel {Had. Aristolochiae rotundae) (0), und d) die runde Holzwurzel (Rad. Aristolochiae fdbaceae s. cavae) (0) sind beide weniger flüchtig, sondern mehr bitterlich scharf; Anwendung wie bei Kalmus; — e) die weisse Diptamwurzel (Rad. Dictamni albi) (quot;): —/) die Biirwurzel (Rad. Mm n. Atliamavtici) {quot;); g) die Mannstreuwurzel (Rad. En/nyaquot;), alle drei von ähnlichen, aber schwachem Eigenschaften als die beiden letztern, jetzt fast gar nicht mehr gebräuchlich; —h) die Galgantwurzel (Rad. (Udangae), etwas bitter, scharf gewürzhaft, ähnlich wie Kalmus, aber weniger tonisch, mehr erregend und wie letzteres Mittel zu gebrauchen (1 Unze, 1 Sgr. 3 Pfg.); — 0 der Ingwer oder die Ingwerwurzel {Rad. Zhx-giheris) (1 Unze 1 Sgr. 2 Pfg.) und k) die Zitwerwurzel (Rad. Zedoariac) (1 Unze 1 Sgr.), beide fast von gleicher Qualität, flüchtig und brennend scharf, der Meisterwurzel ähnlich und wie diese anzu­wenden, recht wirksam und von den englischen Thierärzten häufig, aber bei uns nur im Nothfall als Hausmittel benutzt; — 1} die Kur­kuma, Gelb wurzel (Rad. Curcumae) (0), ähnlich den letztern, aber weit schwächer, mehr bitter: — m) die Winter's Kinde (Cortex IIV//-teramtts), tonisch und etwas scharf aromatisch, aber zum thierärztlicheu Gebrauch viel zu theuer (0); — n) Zimmt, Zimmtrinde (Cortex Cin-namomi s. Canella ceylanica, s. Cinnantomum acidum) (1 Unze 3 Sgr. 10 Pfg.) und Zimmtcassia [Cassia cinnamomea) (1 Unze i Sgr. 8 Pfg-), flüchtig und angenehm aromatisch; sie • bringen ausser den Wirkungen der aromatischen Mittel überhaupt, auch noch speeifisch eine erhöhete Thätigkeit in der Gebärmutter hervor, und werden.des­halb bei zu geringen Geburtswehen und bei atonischen Blutflüssen aus der Gebärmutter, für Pferde und Hinder 1/2 L'nze, für Schafe I Drachme, für Hunde J Scrupel bis '/., Drachme, im Infusum von Kamillen und dgl. benutzt; — o) Pomeranzeuschalen (Cortices Aurantiorum) (1 L'nze 1 Sgr.), bitter aromatisch, zu entbebren; unreife Pomeranzen (jFVm-cttis Aurantiorum immaturi) mehr bitter, gleichfalls zu theuer und ent-
Hbrtwio, Arzneimittellehre.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 1-'
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behrlich; Pomeranzenblätter (Folia Aurantiorum), von geringer Wirksamkeit, ganz entbehrlich; #9632;— p) Citronenschalen [Cortices Citri), sclnviicher tonisch als die Pomeranzeuschalen, höchstens als Hausmittel zu benutzen; — (j) Gewürznelken {Caryophylli aro-matid), sind das feurigste und stärkste gewürzhafte Mittel, und bei allen, in hohem Grade asthenischen, torpiden Zustünden zu benutzen, jedoch nur sehr selten angewendet (1 Unze 1 Sgr. 10 Pfg.); — die Cubeben, der Cubebenpfeffer (Cuhehae s. Piper caudatum), auch zu theuer (Cubeben, 1 Unze 4 Sgr.), und *) die Paradieskörner (Qrana Paradisi), sind dem Pfeffer ähnlich, etwas milder, jetzt nicht mehr gebräuchlich; — ij der Coriander (Semen C'oriandri) und laquo;) der römische Kümmel (Semen C'umini), kommen mit dem gewöhnlichen Kümmel überein, sind zu theuer und ganz zu entbehren.
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Zweite Abtheilung.
Kampher oder Camphor. (Campltora.)
sect;. 233.
Der Kampher findet sich als ein näherer Bestandtheil in vielen Pflanzen, vorzüglich aber in Pterygium teren s. Correae (einem Baume, in welchem er am reichlichsten enthalten ist), — dann in den meisten Species von Laurus (besonders im Laurus Cmnphora, aus dem der ge­wöhnliche Kampher durch Destillation gewonnen wird) und in vielen Labiaten. In den letztem erscheint er durchaus nur in flüssiger Form und gebunden an ätherisches Oel, scheidet sich aber aus diesem mit der Zeit von selbst in krystalliniseher Gestalt aus. Die Menge des im äthe­rischen Oel der verschiedeneu Labiaten enthaltenen Kamphers ist zwar im Allgemeinen nicht bedeutend; aber das Vorkommen in dieser Ver­bindung ist bemerkenswerth, weil es die innige und natürliche Ver­wandtschaft des Kamphers mit dem ätherischen Oel andeutet. Er ist auch, ähnlich wie die ätherischen Oele, grösstentheils aus Kohlenstoff, dann aus Wasserstoff und Sauerstofi' bestehend.
Er verdunstet sehr reichlich, selbst bei gewöhnliche:- Temperatur der Luft; sein Geruch ist durchdringend aromatisch, sein Geschmack erwärmend, bitterlich. Mit Weingeist angenetzt kann er pulverisirt werden. Weingeist, Aether, ätherische und fette Oele und Essigsäure lösen ihn leicht auf, besonders in der Wärme; die concentrirten Mineral­säuren lösen ihn auch in der Kälte auf, ohne ihn zu zersetzen; im Was­ser ist er sehr schwer (nur in 525 Theilen) auf löslich; er kann aber durch Schleim, Eiweis und Eigelb mit Wasser auch in grössern Quail-titäten innig gemengt erhalten werden. Aetzende Alkalien lösen ihn nicht auf; aber mit Seifen verbindet er sich leicht.
sect;. 234.
In seinen Wirkungen auf den Thierkörper zeigt der Kampher mit den ätherisch-öligen Mitteln im Allgemeinen eine grosse Aehnlichkeit, aber mit keinem dieser Mittel eine völlige Uebereinstimmung, sondern
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er verhält sich in mehrerlei Hinsicht von ihnen oben so verschieden, wie sie selbst unter einander in ihren Wirkungen auf den Organismus verschieden sind (siehe die vorige Abtheilung).
Da man jedoch über die Wirkungen des Kamphers sehr verschie­denartige und zum Tiieil sich selbst widersprechende Ansichten ausgesprochen hat, so scheint es zur Begründung einer brauchbaren und mehr sichern Theorie uöthig, die Erscheinungen anzuführen, die man bei Versuchen mit diesem Mittel an gesunden Thieren walnire-nommen hat.
Wenn man einem gesunden Pferde oder Kindvieh 1—'2 Drachmen pulverisirten und mit einem fetten üel oder mit Eigelb und Wasser abgeriebenen Kainpher eingiebt, so bemerkt man in der Kegel nur fol­gende geringe Erscheinungen: die Schleimhaut des Maules wird zuerst etwas dunkler geröthet, und die Absonderung des Schleims bald mehr bald weniger verstärkt (wohl nur in Eolge und nach dem Grade der örtlichen Reizung); —nach 1U —15 Minuten fühlt man die Arterien voller, aber nicht viel härter und ihre Pulse um 2, 5 — 8 in der Minute vermehrt; die Schleimhaut der Nase und die Bindehaut der Augen wird nun ebenfalls etwas mehr geröthet, der Blick etwas muntrer, und die ausgeatlnnete Luft nach Kampher riechend; die Respiration selbst bleibt aber mehrentheils unverändert oder wird nur unbedeutend ver­stärkt; eben so wird die Temperatur und die Ausdünstung der Haut nur wenig oder gar nicht erhöhet, letztere auch nicht nach Kamphei riechend; der Urin, der Koth, und bei Kühen die Milch, erscheinen nach einer einzelnen solchen Gabe nicht verändert. Macht man gegen 1— l1 2 Stunden nach dem Eingeben einen Aderlass, so zeigt das Blut, im Vergleich zu anderm, welches man vor dem Versuch von dem Thiere genommen hat, eine etwas heller geröthete Earbe, es gerinnt schneller, scheidet nicht so viel Faserstoff und Serum aus, und oft gerinnt es zu einem gleichförmigen Kuchen, während das zuerst abgelassene Blut sich bald in.die gewöhnlichen Bostandtheile zersetzt (eine Erscheinung, die ganz constant und auch nach grösscren Gaben zu bemerken ist). — Mit Verlauf von 2 Stunden nehmen die bemerkten Veränderungen all-mälig wieder ab, und nach etwa 5 Stunden ist jede Spur dieser Wir­kung- verschwunden.
Bei Schafen bemerkt man ähnliche Erscheinungen nach der An­wendung einer halben bis ganzen Drachme, und bei Hunden nach der Anwendung von 10—30 Gran des Mittels; — von Gaben, die kleiner waren als die eben bezeichneten, habe ich bei den verschiedenen Thie­ren im gesunden Zustande niemals eine bestimmte Wirkung wahrneh­men können.
Giebt man auf dieselbe Weise einem grossen Hausthier '/o — 1 Unze, einem Schafe 1—•l1/^, Drachme, und einem Hunde ' ., — 1 Drachme, so entstehen die eben angeführten Erscheinungen in der­selben Art, jedoch im stärkern Grade und deutlicher; ansserdem finden sich noch in den meisten Fällen leichte Zuckungen an den Lippen, zu­weilen auch an den Muskeln des Hinterkiefers, des Halses und an den oberflächlichen Muskeln der Hinterbacken. Diese Zuckungen treten
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Jederzeit etwas später ein, als die Veränderung am Pulse; sie wiederholen sich in sehr ungleichen Zwischenräumen, bald oft, bald selten, und sind zuweilen nur während einer, oft aber durch ;gt; — 4 Stun­den zn bemerken. In den meisten Fällen wird dabei die Empfindlich­keit etwas erhöhet. Der Puls wird zuletzt kleiner, bleibt aber dabei noch beschleuniget. Das Athmen geschieht schneller, und die ausge-uthmete Luft riecht durch mehrere Stunden stark nach Kampher. Die Dauer der ganzen Wirkung ist nicht viel länger als nach einer kleineren Gabe, nämlich 3 — 5 Stunden.
Nach der Anwendung einer Gabe von -2 — 4 Unzen Kamphers bei Pferden und Rindern, oder von 2 Drachmen bis 1/2 Unze bei Schafen, und von 1—;i Drachmen bei Hunden, zeigt sich zuerst die erregende Wirkung an den Schleimhäuten, am Puls, Herzschlag und Athem, wie von den kleinen Gaben: aber die Convulsionen an den Lippen, an den Kaumuskeln, Halsmuskeln u. s. w. treten viel heftiger ein; sie ergreifen das Thier sehr plötzlich, und äussern sich zum Theil in einzelnen auf­einander folgenden Erscbütternngen. welche vom Kopfe her auszu­gehen scheinen und sich nach allen Eichtungen so schnell verbreiten, dass sie die grösste Aehnlichkeit mit den Wirkungen der electrischeu Schläge haben; zum Theil äussern sie sich aber auch in einer lang­samem Zusamnienzieluing der Streckmuskeln am Halse, so dass dieser und zugleich der Kopf von Zeit zu Zeit durch einige Secvmden in die Höhe gehoben, und ganz steif ausgestreckt wird. Pferde erhalten da­bei das Ansehen, als ob sie am Starrkrampf des Vorderkörpers litten. Zuweilen werden auch die Beugemuskeln des Halses vorherrschend vom Krampf ergriffen, so dass der Hals nach unten oder nach einer Seite gekrümmt erscheint. Zwischen diesen beiden Formen der Krämpfe tritt noch, ebenfalls von Zeit zu Zeit wiederholt ein nnwill-kührliches Kauen ein, wobei die Thiere durch eine halbe bis ganze Minute den Unterkiefer sehr schnell bewegen und oft seitwärts gerich­tet halten. Hunde zeigen dies Kauen in grösster Heftigkeit, und dabei zugleich eine stark vermehrte Absonderung von Speichel und Schleim im .Maule, wodurch gewöhnlich ein. dicker Schaum an denselben ent--teht. und die Thiere ganz so wie mit Epilepsie behaftet aussehen. Hau hat diese Zufälle sogar mit denen der Hundswuth ähnlich finden wollen. Bei den übrigen Thieren ist die Absonderung im Maule nur unbedeutend vermehrt, und bei manchen Pferden fand ich das letztere sogar etwas trockner als vorher. — Mit den Convulsionen, oft auch schon vor ihrem Eintritt, erscheint die Lmpfindlicbkeit stets erhöhet. — L*ie leiseste Be­rührung der Thiere (besonders das Betasten der Augen, und das Auf­heben des Kopfes), oder ein geringes Geräusch, selbst das Auftreten mit ihren eigenen Fassen auf den Erdboden, erregt die Convulsionen augenblicklich von neuem, und man kann sie durch solche äussere Ein­wirkungen ganz willkührlich hervorrufen. Ist es in der Xähe des Thieres recht ruhig, und sind diese sich selbst überlassen, so treten die Anfälle seltener ein, als unter entgegengesetzten Umständen.
Bei und zwischen diesen Convulsionen haben die Thiere in der ersten Zeit, und oft auch, wenn die Wirkung nur einen massigen Grad
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erreicht, wäbrend der ganzen Dauer derselben ihr völliges Bewusstsein; denn sie kennen den Wörter, hören auf den Zuruf, .sehen und furchten den drohenden Stock, Pferde wollen schlagen, Hunde heissen u. s. w. Dagegen leidet aber die regelmässige Bewegung fast immer; die Thiere heben wenigstens beim Gehen die Beine höher auf, springen auch zu­weilen unregelmässig vorwärts oder zur Seite, drehen nach einer Seite und dgl. Manche Hunde krochen unwillkührlich und mit sonderbaren Geberden rückwärts', wenn sie vor einem hinter ihnen befindlichen Stock vorwärts fliehen wollten, und es war deutlich zu sehen, dass ihre Bewegungen nicht mehr unter der Kraft des Willens standen. Diese Erscheinungen sind jedoch nur von kurzer Dauer, und nach ihrem Ver­schwinden ist die Bewegung und das Benehmen der Thiere wieder ganz regelmässig. — Manche Thiere zeigen Schmerz im Leibe, sehen sich nach demselben um, wälzen sich auch, setzen oft Koth ab, stellen sich oft zum Uriniren; Pferde hängen den Penis aus und trippeln mit den Füssen, jedoch ohne viel Urin zu entleeren. Der Appetit ist immer unterdrückt, die Temperatur der Haut erhöhet und ihre Venen sind stark mit Blut injicirt.
Gewöhnlich werden nach 4, 8, höchstens 1:2 Stunden die Krämpfe schwächer und seltener, die erhöbete Empfindlichkeit ist verschwunden, die Bewegung und der Gang wieder ganz regelmässig, die Thiere ca--scheinen munter und zeigen Appetit; aber die Pulse bleiben noch be­deutend vermehrt (zuweilen bis 10U in einer Minute), sind jedoch klein und weich. — In andern i'iillen werden die Krämpfe binnen kurzer Zeit sehr heftig, und die Thiere dabei so angegriffen, dass sie sich wäh­rend des Anfalles nicht auf den Beinen erhalten können, sondern nie­derstürzen und dann mit Kopf und Füssen herumschlagen. Dabei ist mehrentheils das Maul weit geöffnet, der Augapfel wird heftig nach verschiedenen Seiten gerollt; Pferde wiehern von Zeit zu Zeit. Hunde und Schafe scheinen zuweilen am Hintertheil gelähmt zu sein; sie liegen mit demselben fest auf dem Boden, während sie mit dem Yordertheil aufgerichtet sind und die Vorderfüsse ängstlich nach allen Seiten be­wegen. Im höchsten Grade der Wirkung verlieren die Thiere das Sehe­vermögen, das Gehör und Gefühl, und dabei auch das Bewusstsein; aber sowohl dieses wie auch die Sinnesthätigkeit kehrt wieder, wenn der Paroxysmus vorüber ist. Nach mehreren solchen heftigen Anfällen mindern und verlieren sich entweder die Erscheinungen, oder sie wer­den heftiger, anhaltender und gehen zuletzt in einen, dem Schlagfluss ähnlichen Zustand über, in welchem die Thiere mehrentheils betäubt liegen, nur zuweilen noch einige convulsivische Bewegungen machen und zuletzt unter denselben sterben.
Macht man zur Zeit der heftigen Krämpfe einen Aderlass, so min­dern sieb die Zufälle hierauf ganz sichtbar.
Die Zeit des Eintrittes, der Grad und die Dauer der Erscheinungen ist bei verschiedenen Thieren derselben Art nach einer gleichmässig grossen Gabe des Kamphers ganz ausserordentlich verschieden. Vitet sähe nach einer halben Unze sehr starke Zufälle, und nach 1 Luze den Tod bei vier Pferden erfolgen: — ich habe dagegen recht oft von Gaben
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his zu 1 Unze bei Pferden kaum die Spxir von Nerveuzufallen, und von Gaben bis zu 6 Unzen niemals den Tod entstehen sehen; einzelne Hunde starben von 2 Drachmen, andere ertrugen '^ Unze ohne heftige Wir­kung, und bei Schafen verhielt es sich nach Gaben von 3—4 Uraehmeu ganz ähnlich.
Wiederholt man grosse Gaben des Kamphers in mehreren Tagen nach einander, so erscheinen die Zufälle der priinären Aufregung nach den spätem Gaben gewöhnlich immer schwächer; aber die Hautaus-dünstung erhält einen deutlich erkennbaren Geruch nach Kampher, der sich auch am Blute und, jedoch weniger stark, am Urin und bei Kühen an der Milch wahrnehmen lässt. Zuweilen tritt aber auch nach mehreren massigen Gaben eine starke und anhaltende Wirkung ein. Thierarzt Kitzel (Teutsche Zeitschrift Bd. X. Heft 2. S. 190.) sähe bei einer Kuh von nicht ganz 10 Drachmen Kamphers, welche mit Altheeschleim in 5 Tagen eingegeben waren, nach der letzten Gabe noch keine Wirkung; aber am folgenden Tage liess sie vom Fressen ab, am dritten traten Kolikzufälle ein, am vierten hatte sie dieselben noch und dabei 80 Pulse und 25 Athemzüge in der Minute; auch will der Beobachter einen kaum merklichen Kamphergeruch in der Haut-ausdiinstung wahrgenommen haben. Am fünften Tage ermunterte das Thier sich und am sechsten frass es wieder, aber es erholte sich spät, blieb lange matt und magerte am Hintertheil gänzlich ab. Das Thier hatte an Nymphomanie gelitten, welche sich aut die ersten Gaben ge­mindert, und nach der heftigen Wirkung ganz verloren hatte, aber es war durch den Schwund in seinem Werthe vermindert.
In den Cadavern der mit Kampher getödteten Thiere findet man: einen starken Kamphergeruch an und in den meisten Eingeweiden, selbst im Gehirn, und oft auch an den Muskeln; — das Blut überall schwarz und flüssig; — die Schleimhaut des Magens und Darmkanals, namentlich am Dickdarm, entzündet, jedoch in den einzelnen Fällen nicht gleichartig, sondern hinsichtlich des Ortes, der Ausbreitung und Heftigkeit sehr verschieden; — an den Nieren und Geschlechtstheilen nichts Abnormes; die Harnblase bald voll bald leer, ihre Schleimhaut etwas stärker geröthet; — die Lungen ganz massig aufgetrieben, aber stärker geröthet; das Herz dunkelroth, seine Gefässe stark mit Blut angefüllt, die Kammern und Vorkammern desgleichen, und die innere Fläche mit dunkelrothen Flecken (mit kleinen Ecchymosen) besetzt; — Luftröhre und Kehlkopf, Maul- und Kachenhöhle ohne Veränderung; — die Hirnhäute, das grosse Gehirn, die Adergeflechte und das Rücken­mark, vorzüglich aber das kleine Gehirn, den Hirnknoten und das ver­längerte Mark mit dick aufgetriebenen Gefässen versehen und in ihrer Substanz sehr blutreich.
Tödtet man ein Thier gleich nach dem Eintreten der Convul-sionen, so findet man fast nur allein am kleinen Gehirn, am Hirnknoten und am verlängerten Mark einen stärkern Blutreichthum.
Orfila ' gab Hunden 2—3 Drachmen Kampher, der blos in Stück-
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Allgemeine Toxikologie, 2ter Bd. S. 317.
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chen gethcilt war; die hierauf erfülgenden Zufälle waren den vorhin beschriebenen ähnlich, traten aber langsamer mul in grössern Zwischen­räumen ein; der Tod erfolgte erst nach 2, 4 — G Tagen, und bei der Section fanden sich an der Schleimhaut des Magens mehrere Geschwüre, deren Bänder über die Fläche hervorragend waren.
Spritzt man in die Uiosselvene eines Pferdes 15 — 20 Gran, oder bei Hunden 3 — 4 Gran Kampher, der in einer ganz dünnen Emulsion von arabischem Gummi und Wasser enthalten ist, so entstehen fast augenblicklich schnelles, kurzes und beschwerliches Atliemholen mit starkem Ziehen der Rippen, dabei zuerst voller, hernach kleiner und schneller Puls, pochender Herzschlag, Krämpfe an verschiedenen Thei-len des Körpers, namentlich an den Muskeln der Brust und des Halses, oft wieder ähnlich den elcctrischen Erschütterungen, convulsivisches Kauen, Schwindel, zuweilen Rückwärtsgehen und selbst Niederstürzen, Köthung der Schleimhaut und dgl. Uiese Zufalle, wechseln mit ganz ruhigen Perioden, und verschwinden gewöhnlich nach einer viertel bis ganzen Stunde. Einigen Pferden habe ich selbst eine halbe bis ganze Drachme Kampher injicirt, ohne dass heftigere Zufälle eingetreten sind; andere starben dagegen von solchen Gaben unter Erstickungszufällen, oder an nachfolgender Lungenentzündung. — Viborg1 sähe ein Pferd sogar nach der Injection von nur 15 Gran Kampher, der in Brannt­wein aufgelöst war, sterben, während andere Pferde auf dieselbe Weise bei seinen Versuchen 30 Gran ohne besondere Wirkung ertrugen. — Hunde sterben gewöhnlich, wenn man ihnen 6 Gran oder mehr Kam­pher in die Drosselvene spritzt.
In Wunden gebracht verursacht der Kampher eine massige Rei­zung, vorzüglich aber eine grössere Röthung der Wundfläche, und bei längerer Berührung auch wirkliche, aber nur massige Entzündung. Orfila2 sähe bei einem Hunde von G Drachmen Kampher, die in Gel aufgelöst auf das Zellgewebe an der innern Fläche des Schenkels appli-cirt waren, nach 24 Stunden die bekannten Nerveuzufälle und 2 Tage darauf den Tod erfolgen, ohne dass an dem Gliede sehr auffallende Veränderungen entstanden waren.
Wird der Kampher in Pulverform auf die unverletzte Haut gelegt, so verursacht er blos etwas vermehrte Wärme und (bei weisser Haut) Röthung. Entzündung oder Bläschen entstehen niemals, und die Thiere zeigen durch ihr ruhiges Verhalten, dass die Empfindlichkeit auch nicht erhöhet wird. Allgemeine Wirkungen sähe ich hiervon niemals ent­stehen.
sect;. 235.
Aus den vorstehenden Angaben, welche sich auf zahlreiche von mir unternommene Versuche stützen, ergeben sich folgende Resultate, die bei der Anwendung des Kamphers an kranken Thieren beaehtens-werth sind und ihr grösstentheils zur Leitung dienen können:
a. Der innerlich angewandte Kampher wird binnen kurzer Zeit
Scheel, die Transfusion des Blutes. 2tcr 15d. 222 — 24. a. a. O. S. 34laquo;.
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#9632;
von den Blutgetassen anverändert aufgenommen und mit dorn Blute gemischt, aber auch bald wieder aus demselben entfernt, und zwar grösstentheils durch die Lungen ausgedünstet.
b.nbsp; nbsp;Seine ersten Wirkungen sind fast nur allein an den Blutge-fässen und am Blute zu erkennen, und bestehen wesentlich in einer erhöheten Vitalität des Blutes selbst, welche aber eigenthüm-lich und vor der durch China und andere tonische Mittel bewirkten. höhern Vitalität darin verschieden ist, dasssie sich hauptsächlich in einer sehr stark vorwaltenden Expansion des Blutes äus-sert, während sie bei jenen Mitteln mit verstärkter Contraction und mit Verdichtung des Blutes verbunden zu sein pflegt. —#9632; Aus diesem eigen-thüinlich erhöheten Lebensprocess im Blute lässt sich nicht nur die ver­mehrte Fülle und Ausdehnung- der Gelasse, die hellere Röthuug, die innigere Mischung und Bindung der Bestandtheile und die gleichmäs-sigere Gerinnung des Blutes, sondern auch das Bestehen der übrigen Erscheinungen und die heilsame Wirkung des Kamphers bei gewissen asthenischen Krankheitsznständen quot;eniiirend erklären.
c.nbsp; nbsp;Er wirkt aber auch flüchtig erregend auf das Nervensystem, er­höhet in gewissen Gaben das Gemeingefühl und die Sensibilität, macht die Thiere munterer und die meisten Functionen lebhafter, namentlich aber die willkührllchen Bewegungen; in grossen Gaben stört er dagegen, wie es scheint durch Ueberrclzung, die freie und regelnlässige Aus­übung der letztern, bewirkt Gonvulsionen, vorzüglich in den zur Ee-spiratlon dienenden Muskeln, Ersticknngszufälle und selbst den Tod (daher das schwarze Blut in den Cadavern).
d.nbsp; nbsp;Da nach Elourens1 und nach meinen eigenen Versuchen2 die regelmässige Ausführung der willkührllchen, für gewisse Zwecke com-binirten Bewegungen des Thieres, vorzüglich durch das kleine Gehirn, den Hirnknoten und das verlängerte Mark vermittelt wird; — da mecha­nische Reizungen dieser Thelle ganz ähnliehe Erscheinungen veranlas­sen, wie die zu grossen Gaben des Kamphers; — da man die genannten liirnthelle nach angewendetem Kampher vorzugsweise mit Blut über-inässlg- versehen findet; — da die durch den Kampher erzeugten Con-vulsionen in der ersten Zeit und selbst bis zu einem sehr hohen Grad (dine gleichzeitigen Verlust der Siunesfunctlonen und des kewnsstseins bestehen; — und da auch diese Convulsionen mit denen, welche von den Krähenaugen verursacht sind, darin übereinstimmen, dass sie elec-trischen Erschütterungen ähnlich sind und durch äusserc Einwirkungen erneuert und verstärkt hervorgerufen werden können, — die Wirkung der Krähenaugen aber, als speeifiseh auf das verlängerte Mark gerich­tet, anerkannt ist; so halte ich es für mehr als wahrscheinlich: dass der Kampher eine vorherrschende und gewissermaassen spe-eifische Wirkung auf das kleine Gehirn, das verlängerte Mark und den Hirnknoten ausübt.
1 Flourens, Versuche und Untcrtiueliungen über die Eigenschaften und Ver-ichtuiigen des Nervensystems. A. d. Franz. von Becker. Leipzig 1824. - Hecker's Annalen der Heilkunde, Bd. V. Heft 1 u. 2.
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e. Wie aber einfi Arzneiwirkung niemals auf ein Urgan, und selbst niclit auf ein organisches System allein beschränkt bleibt, so breitet sieb auch die Wirkung des Kamphers im weitern Verlaufe über das gauze Nervensystem, und zunächst über das grpsse Gehirn und Kücken­mark aus, besonders wenn grosse Gaben des Mittels angewendet wor­den sind.
/. Die Wirkung' des Kamphers auf das Nervensystem entsteht zum Tbeil wohl durch unmittelbare Berührung mit den Nervenaus-breitimgen in den Verdauungseingeweiden, vorzüglich iiber durch den unveränderten üebergang des Mittels in das Blut, durch stärkern An­drang desselben zu den genannten Hirntheilen. und durch seine stär­kere eigene Ausdehnung daselbst, wodurch Deberfüllung und Ausdeh­nung der Gefässe, und ungleicher, fibermässiger Druck auf jene Hiin-tbeile erzeugt wird. Dass von dem letztern wenigstens die heftigen Zufalle sehr abhängig sind, wird aus der Verminderung derselben durch einen Aderlass und durch die Anwendung von kühlenden, zusammen­ziehenden Mitteln wahrscheinlich.
(7. Mit Ausnahme der Haut- und Lungenausdünstung befördert und vermehrt der Kainpher keine Ab- und Aussonderungen, ja er scheint die Absonderungen der Schleimhäute und der Nieren noch zu vermindern (ausgenommen die des Mauls bei der örtlichen Einwirkung des Mittels); und selbst die Verstärkung der Hautausdünstung- ist keine directe, sondern nur eine durch die vermehrte Expansion des Blutes bedingte, aber sehr häufig erfolgende und schätzbare Nebenwirkung.
/(. Die erregende Wirkung von massigen Gaben des Kämphers er­streckt sieh auf etwa '2—4 Stunden und geht, bald mehr, bald weniger deutlich in Abspannung und Erschlaffung über, wenn sie nicht durch eine wiederholte Anwendung des Mittels unterhalten wird. Bei oft­maliger Wiederholung wird die Empfänglichkeit für dasselbe sehr ver­mindert.
i. In die Blutadern unmittelbar durch Einspritzungen gebracht, er­zeugt der Kämpher im Wesentlichen dieselben Wirkungen wie bei der innerlichen Anwendung-; sie sind aber selbst nach kleinen Gaben sehr heftig, und der zwanzigste, dreissigste, selbst der fünfzigste Theil einer Gabe, die vom Magen her nur ganz müssig- wirkt, kann als Injection lebensgefährliche Zufälle herbeiführen.
Je. Er wirkt auch örtlich auf alle organische Gewebe als erregendes Mittel, und bringt bei längerer Berührung selbst Entzündung- hervor; allein die örtliche Wirkung ist im Verhältuiss zu der allgemeinen, so wie zu der Wirkung- anderer Erregungsmittel, die dem Kampher an Wirksamkeit kaum gleich sind, immer nur sehr gering.
I. Die Wirkungen des Kamphers stimmen zwar mit denen der ätherisch-öligen Mittel im Allgemeinen darin überein, dass beide haupt­sächlich auf die Erhöbung der Lebensthätigkeit im Blutgefässsystem und im Blute, und auf die Erregung des Nervensystems gerichtet sind; sie unterscheiden sich aber von einander dadurch: dass 1) die äthf-rischen Oele mehr die Irritabilität der Gefässe und Easern, der Kam­pher aber fast nur allein die Sensibilität erhöhet; — 2) dass den äthe-
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rischen Oeleu die specilischen Kräfte des Kamphers, die Expansion des Blutes in so hohem Grade zu bewirken und die Functionen ein­zelner Centralorgaue des Nervensystems umzustimmen, mangeln; — 3) dass der Kampher weniger stark örtlich erregend einwirkt, als die ätherischen Oele, und 4) dass er nicht so bedeutend wie diese die Func­tionen der Reproductionsorgane erhöhet, und die Absonderungen in den Schleimhäuten und in den Harnwerkzengen gar nicht vermehrt. Doch ist wohl zu bemerken, dass diese Unterschiede nicht bei allen ätherisch­öligen Mitteln gleichmässig bestehen (Vie dies auch aus ihrer Darstelluug in der vorigen Abtheilung hervorgeht), sondern theils von der Art des ätherischen Uels (sect;. 186), theils von den übrigen Restaudtheilen (sect;. 187, sect;. 190) bedingt und oft z. B. in denen, die ein kampheiartiges äthe­risches Oel enthalten, nur sehr gering sind.
m. Endlich hat auch der Kampher mit dem Weingeist, mit dem Aether und einigen narkotischen Mitteln, namentlich aber mit den Krähenaugen einige Verwandtschaft in den tiiichtig erregenden und darauf folgenden betäubenden Wirkungen.
sect;. 236.
Auf den kranken Thierkörper wirkt der Kampher im Wesentlichen auf dieselbe Weise specifisch und flüchtig erregend, wie auf den ge­sunden; aber die äussern Erscheinungen der Wirkung werden durch die vorhandene Krankheit und durch die davon abhängigen Zufälle modificirt, und sind daher oft eben so verschieden wie diese selbst. Hierin, und vorzüglich in der Beseitigung oder Vermehrung einzelner Krankhcitszufälle beruhet es, dass man dem Kampher bei Krankheiten vielerlei, und selbst einander entgegengesetzte Heilwirkungen zuschreibt und ihn z. B. bald als erregend, erhitzend, stärkend, bald als beruhigend, krampf- und schmerzstillend, als schweisstreibend, auch als kühlend, als fäulnisswidrig u. s. w. betrachtet. Man sieht allerdings, dass er auch bei kranken Thieren fast immer, besonders nach richtiger Indication und nach gehörigen Gaben angewendet, unter andern auch die Sinnes-thätigkeit erhöhet, also aufregt, — dass er zuerst Orgasmus im Blute, schnellere liespiration, erhöhete Wärme, und dabei ein Gefühl von Hitze erzeugt; — dass er die meisten Functionen, besonders die Be­wegungen der Muskeln für die erste Zeit seiner Wirkung energischer macht, also scheinbar stärkt; — dass er bei asthenischen Fiebern die zu sehr vermehrte Zahl der Pulse mindert, indem er theils eine weitere, regelmässige Expansion und vermehrte Energie der Gcfässe, oder die Ausscheidung zurückgehaltener Secretionen und die Krisen befördert; dass er eben so asthenisch-nervöse Zufälle beseitiget; — dass er durch den Orgasmus des Blutes und durch den vermehrten Andrang des­selben zur Haut oft Schweiss erzeugt, dagegen aber auch durch Be­schränkung des etwa vorhandenen fauligen Zersetzungsprocesses, und nach dem Aufhören der erregenden Wirkung die Temperatur vermin­dert und somit kühlend wirkt; man irrt aber sehr, wenn man dieser Veränderungen wegen den Kampher für ein blos erhitzendes, oder für ein direct kühlendes, krampfstillendes und dgl. Mittel hält, und ihn als solches benutzt, da sie alle (wie dies im vorigen sect;. gezeigt ist) zum
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grössten Theil blosse Nebenwirkungen und Folgen von seiner eigen-thümlicli belebenden Wirkung auf das Elut sind, und ohne diese Wir­kung theils gar nicht, theils nur sehr unvollständig entstehen.
sect;• 237.
Diese oigenthümliche Wirkung des Kamphers muss daher auch bei seiner Anwendung gegen Krankheiten hauptsächlich beachtet wer­den; sie bedingt jedoch die letztere keineswegs allein, sondern es giebt auch Kraukheitsverhältuisse, bei denen er in seinen Nebenwirkungen sehr schätzbar ist. Die Indicatinnen für seinen Gebrauch sind dalier mehrfach.
1) Die allgemeinste und wichtigste Indication für die innerliche Anwendung ist diejenige Art der wahren Schwäche, welche iu einem zu sehr herabgesunkenen Lebeusprocess im Blute besteht, und wobei das letztere seine lebendige Ausdehnung und seine Beizkraft auf die Gefässe, Nerven und andere Or­gane grösstentheils verloren hat, sich passiv in einzelnen Organen anhäuft, eine Neigung zur Zersetzung annimmt, und im hohen Grade auch wirklich eine fäulnissähnliche Zersetzung erleidet.
Diese Schwäche giebt sich zu erkennen: durch kleinen, leeren, weichen Puls (Zusammenfallen, Collapsus der Arterienwände), wobei die einzelnen Schläge zuweilen langsam, unrcgelmässig, zuweilen auch fieberhaft schnell auf einander folgen; durch blasse, oder entgegenge­setzt durch blaurothe oder blasse, oder bleifarbige, zuweilen mit dunk­len Flecken (Ecchymosen) versehene Schleimhäute; durch eingefallene matte Augen; durch kühle, welke, schlaffe, zuweilen klebrige oder mit kaltem Schweiss bedeckte Haut; durch verminderte Wärme der Ohren, der Nase und Extremitäten; durch schlaffe Muskeln, Kraftlosigkeit, Ab­gestumpftheit der Sinne, Neigung zu schlafen, durch zähen, schleimigen Urin, stinkende llautausdttnstung, durch Extravasate an verschiedenen Theilen des Körpers, zuweilen auch durch Zuckungen, durch schwarze Farbe, theerartige Beschaffenheit, zu leichte Zersetzbarkeit oder gänz­liche Üngerinnbarkeit des aus der Ader gelassenen Blutes.
Ein solcher Schwächezustand kommt sowohl primär und für sich allein bestehend, wie auch seeundär, im Verlaufe anderer Kraukheitszu-stände und nach denselben vor, und der Kampher findet daher eine häu­fige und wohl begründete Anwendung bei Krankheiten, die hinsichtlich ihres Sitzes, ihrer Entstehung und ihres ursprünglichen Characters ganz verschieden von einander sind; denn es kommt bei dieser Anwen­dung durchaus nicht auf die Krankheitsform und auf den derselben ertheilten Namen, sondern eben nur allein auf den bezeichneten allgemeinen Zustand an. Ist dieser zugegen, so ist der Kampher angezeigt, die Krankheit mag heissen und entstan­den sein wie sie will. Mit diesem, auf echte Erfahrung gegründeten Ausspruche ist es nur allein zu erklären, dass der Kampher mit gleich gutem Erfolge beim Faulfieber und bei Entzündungen, nach Entzün­dungsfiebern u. s. w. angewendet worden ist. Zugleich ergiebt sich
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aber auch daraus, dass sich die sämmtliphen einzelnen Krankheiten, wo der Kampher nützlich sein kann, nicht gut mit Vollständigkeit an­führen lassen, da jeder Schwächezustand unter gewissen ümstäuden fast bei jeder Krankheit entstehen kann.
Als die wichtigsten Leiden der Art sind z. B. zu nennen: asthe-nische Fieber, namentlich Typhus, i'aultieher, Nerventieber; fast alle Formen und Arten der Anthraxkrankheiten, die mit dem Thyphus eine quot;#9632;ewisse Verwandtschaft besitzen; — solt;renannte brandige Entzündun-gen, kalter Brand und typhöse Fieber; eben so vernachlässigte, oder überniiissig schwächend behandelte Entzündungsfieber und eben solche örtliche Entzündungen, auch wenn sie einen asthenisehen, torpiden Cha­racter angenommen haben, namentlich Lungenentziindungen, Bräune, Influenza mit nervös - torpidein Character, besonders in den spätem Stadien; — veralteter Rheumatismus, dergleichen Druse; bösartige Schafpocken, namentlich die sogenannten fauligen oder Aaspocken, und die Fäule der Schafe. — Bei den typhösen Fiebern, bei brandigen Ent­zündungen und bei dem Anthrax ist es inehrentheils zweckmässig, der Anwendung des Kamphers einen Aderlass vorauszuschicken und ihn mit Salpeter in Verbindung- zu geben.
sect;. 238:
2) Eine zweite, jedoch weit weniger genaue Indication für die An­wendung des Kamphers findet sich bei sogenannten N ervenzufällen. Mau hat ihn hier viel zu allgemein und einseitig- gegen Krämpfe, Zuckun­gen, den Starrkrampf, die Epilepsie, Koller, Schwindel und Lähmun­gen empfohlen, ohne zu berücksichtigen, dass diese Zufälle sehr häutig-eben nichts weiter als Zufälle sind, denen ein sehr verschiedenartiger pathologischer Zustand zum Grunde liegt, bei dem der Kampher nicht ohne Ausnahme nützlich, sondern wohl gar schädlich seia kann, oder dass sie mit wichtigen Complicatiouen verbunden sind, die den Ge­brauch dieses Mittels entweder gar nicht oder nicht sogleich gestatten. Es ist hierüber noch sehr viel zu erforschen und ich kann daher nur bemerken:
a.nbsp; nbsp;Dass der Kampher nur bei solchen Krämpfen und nervösen Zufällen nützlich ist, welche aus sogenannten dynamischen Missver-hältnissen entstanden sind und den Character der torpiden Asthenie an sich tragen.
b.nbsp; Dass dagegen die genannten Nervenzufälle im Allgemeinen den Kampher nicht gut ertragen, sondern sich eher verschlimmern als bes­sern, wenn die Thiere gleichzeitig einen sehr hohen Grad von Sen­sibilität zeigen.
c.nbsp; Dass das Mittel ebenfalls mehr schadet als nützt, weym Starr­krampf oder andere Krämpfe u. s. w. mit activen Congestionen zu In­nern Organen, mit allgemeinem Orgasmus oder mit heftigem Beiz­fieber verbunden sind; — und
d.nbsp; nbsp;Dass es auch mehr schadet als nützt, wenn diese Zufälle von materiellen Reizungen, z. B. die Epilepsie junger Ilunde von Einge­weidewürmern, entstanden sind, wenn fremde Körper in Wunden beim
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Wundstarrkrampf, Knochensplitter bei Brüchen von Schädelknochen, bei Brüchen und Verrenkungen der Wirbelbeine und dgl. als Ursachen zugegen sind. — Es ist leicht einzusehen, dass die, durch solche Ur­sachen entstandenen Reizungen des Nervensystems durch den Kam-pher niclu aufgehoben werden können, sondern dass sie vielmehr durch die reizende Wirkung dieses Mittels noch verstärkt werden müssen.
sect;. 239.
3)nbsp; nbsp;Eine dritte Indication zur Anwendung des Kamphers findet
sich bei solchen Krankheiton. welche durch Unterdrückung der llaut-und Lungcnausdünstung entstanden, oder mit anhaltender Störung dieser Eunetionen verbunden sind, und welche sich am besten durch verstärkte Ilautausdüustung entscheiden; daher namentlich bei ein­fachen katarrhalischen und rheumatischen Fiebern, bei Rheumatismus aller Art, z. B. bei der sogenannten rheumatischen liehe oder Erkäl-tungsverfaugenheit der Pferde, bei dem Verfangen und der Steifigkeit des Rindviehes und der Schweine, bei rheumatischen Lahmheiten, bei Krämpfen, besonders bei rheumatischem Starrkrampf; bei rheuma­tischem Durchfall und Ruhr: — bei Katarrh, Druse, Staupe, katarrha­lischer Bräune, dergleichen Lungenentzündung u. s. w.
Der Kampher kann bei diesen und bei andern, durch unterdrücke ILiutausdünscuug entstandenen Krankheiten, vermöge seiner diaphore­tischen Wirkung, ein ganz vortreffliches Mittel sein: allein er ist es nicht unbedingt, sondern nur dann, wenn diese Krankheiten keinen reinen (activen, sthenischen oder synoehösen) Entzündungscharacter an sich tragen. Es kommt also hierbei wieder auf den Krankheitszustand an, und viele Thierärzte begehen daher gerade hier so häufig einen schäd­lichen Irrthum, weil sie weder den letztem noch die primäre Wirkung des Kamphers beachten, sondern nur an die Entstehungsursache der vorhandenen Uebel und an die schweisstreibende Wirkung des Mittels denken.
Der Kampher ist bei den bezeichneten Krankheiten am nütz­lichsten: entweder laquo;) sogleich nach geschehener Erkältung, und wenn das Uebel noch in der Entwickelung begriffen ist; er unterbricht dann oft die letztere auf der Stelle und führt die Heilung in der kürzesten Zeit herbei: oder h) später, zur Zeit der eintretenden Krisis, wenn die Höhe der Krankheit vorüber ist, oder wenn diese chronisch wird. Unter den letztern Umständen kann das Mittel ziemlich dreist angewendet werden; unter den erstem verlangt es aber grosso Vorsicht und in der Regel muss ihm auch hier ein massig starker Aderlass vorausgehen (sect;. 237). — In jedem Fall, wo der Kampher al^ diaphoretisches Mittel angewendet wird, ist es zweckmässig, die Haut auch durch andere Mit­tel für seine Wirkung' zu stimmen, wie durch Warmhalten des Stalles, durch reichliche Streu, durch warmes liedecken der Thiere, durch Rei­bungen mit Strohwischen , und vorzüglich durch Dunstbäder.
sect;. 240.
4)nbsp; nbsp;Da man fast allgemein dem Kampher eine specilische, die Lebensthätigkeit herabstimmende Wirkung auf die Nieren und die
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Geschlechtstheile zuschreibt1; so findet mau auch eine Anzeige für seinen Gebrauch gegen solche Krankheitszustämle, die mit heftiger Reizung dieser Organe und mit übennassigem Blutandrang zu densel­ben verbunden sind, wie nainentlieh Entzündung der Xieren, Bluthar-uen, Harnruhr, Blasenkrampf und daher entstandene Urinverhaltung, — eben so gegen zu oft wiederkehrenden oder zu heftigen Begattungstrieb, Blutanhäufung und Stockung in den Eutern, asthenische und brandige Entzündungen in demselben und dgl.; — besonders aber, wenn diese Zustände von dem Genuss scharfer Pflanzen oder von Canthariden ent­standen sind. Ich habe ihn selbst in vielen Fällen der Art mit gutem Erfolge angewendet, jedoch ausser dem Blasenkrampf absichtlich nicht in der ganz ersten Zeit dieser Krankheiten (besonders beim Blutharneu und bei der Harnruhr), und es schien mir in den Fällen, wo es sich am meisten heilsam zeigte, immer schon ein durch Üeberreiznng entstan­dener secundärer Zustand vorhanden zu sein, bei welchem das Blut durch die geschwächten oder selbst gelähmten Gefässe der Niereu passiv in' das Nierenbecken u. s. w. durchsickerte. Doch sähe ich auch die schmerzhafte Beizung zum üriniren, welche nach zu grossen Gaben der Canthariden entstanden war, nach der Anwendung des Kampliers sich mindern. Dennoch muss hier, wie überall, bei reinen Entzündungen der Gebrauch dieses Mittels widorrathen werden.
sect;. 241.
Die Gegenanzeigen, die den Gebrauch des Kamphers nicht ge­statten, ergeben sich aus dem, was im Vorstehenden über die Verhält­nisse, unter denen dieses Mittel nur allein nützlich sein kann, ausführ­lich erörtert worden ist.
sect;. 2i-2.
Die Grosse der Gabe wird von den thierärztlichon Schriftstellern, ohne nähere Erklärung des Grundes, sehr verschieden vorgeschrieben, sie muss sich aber theils nach der Art der vorhandenen Krankheit, theils nach dem Grade der Schwäche und Reizlosigkeit richten. Bei heftigen Nervenzufällen, bei Krämpfen und bei Lähmung, und da, wo das Mittel schweisstreibend wirken soll, sind in der Kegel grosse Gaben erforderlich, die man in grossen Zwischenzeiten giebt; dagegen sind bei asthenischen Fiebern, und überhaupt bei grosser Schwäche, wo man die Lebensthätigkeit allgemein und mehr dauernd zu einem Inihern Grade erheben will, kleine oder mittelmässige Gaben nützlicher.
1 lull kann aus eigener Erfahrung den Beobachtungen nicht widersprechen, welche die Aerzte an Menschen über diese Wirkung gemacht haben, aber bei Thieren möchte ich sie für jetzt noch nicht als erwiesen annehmen, denn ich habe 6 Hunde und 2 Hanshähne durch 1 — 8 Monate lang täglich mit verschiedenen Oaben von Kampher tractirt, und als diese Thiere hierauf mit weiblichen Thieren ihrer Art zusammengebracht wurden, zeigten sie sich eben so begattungslustig wie vor dem Versuch. Für die obige Ansicht sprechen die von Kitzel oben (S. 182) mit-getheilte Beobachtung, und eben so einige Beobachtungen von Wal eh (Zeitschr. für Thierheilkunde, lad. 3. S. 03.).
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Hiernach giebt mau den Kampher: Pferden von '/j Drachme bis 1/2 Unze, — Kindern von l/ä Drachme bis 1 Unze, — Schafen und Schweinen von 10 Grau bis 1 Drachme, — Hunden von 1 Gran bis l/2 Drachme.
Mau muss die nach der ersten Gabe eintretende Wirkung genau beobachten und sich mit den übrigen Gaben hiernach richten. — Das­selbe gilt auch von der Wiederholung der einzelnen Gaben, die in Zwi­schenzeiten vou 2—5 Stunden einander folgen können, je nachdem die Wirkung durch kürzere oder längere Zeit deutlich wahrzui.ehmen ist.
Wird das Mittel durch mehrere Tage fortgebraucht, ohne dass die Empfindlichkeit hierdurch merklich erhöht wird, so ist es in der Kegel nöthig, die spätem Gaben zu verstärken oder in kürzeren Zeit­räumen zu wiederholen; dagegen bei deutlich eintretender Besserung des Krankheitszustaudes sie kleiner und langsamer zu geben. Ist aber der beabsichtigte Zweck erreicht, namentlich bei asthenischen Fiebern die Lebenskraft im Blutgefässysstem erhöhet, sind die Arterien voller, kräftiger u. s. w. — oder sind die Nervenzufälle beseitiget, so ist es nöthig, die Gaben des Mittels zu verändern, oder auch seinen weitern Gebrauch zu unterlassen und die vollständige Heilung durch andere, dem Zustande entsprechende Mittel zu bewirken; denn man muss be­denken, dass der Kampher nur ein Beizmittel ist, welches zwar schnell die Kräfte des Organismus zum Heilungsprocess erwecken, aber keine dauernde Wirkungen begründen, dagegen durch Üeberreizung seine ersten wohlthätigen Eindrücke gänzlich wieder vernichten kann.
sect;. ^43. 1 )ie innerliche Anwendung des Kamphers kann in Pulvern und Lecken nicht gut geschehen, weil er allen Thiereu sehr zuwider ist und freiwillig vou ihnen nicht gefressen wird; auch zur Anwendung in Killen ist er, als flüchtig wirkendes Mittel, besonders bei dringenden Zufällen, nicht gut geeignet, weil die Killen sich langsam auflösen und dabei der Kampher seine allgemeine Wirkung nur unvollständig und zu langsam, die örtliche Einwirkung auf die Verdauungseingeweide aber zu stark entwickeln kann. Daher giebt man ihn am zweckmäs-sigsteu in Latwergen oder in flüssiger Form, und mengt ihn in den ersteren entweder blos als feines Pulver recht genau den übrigen Mit­teln bei, oder man lässt ihn vorher mit Eigelb oder mit arabischein Gummi und Wasser durch Reiben zur Emulsion machen und diese der Latwerge zumischen. Letzteres ist umständlicher und etwas theuer, aber auch zweckmässiger, da hierbei der Kampher noch feiner zertheilt und gleichmässiger mit der übrigen Masse gemengt wird. — Zur An­wendung dieses Mittels in flüssiger Form ist es im Allgemeinen am besten, dasselbe auf die angegebene Weise durch Schleim, Eigelb, Mehl oder Stärkemehl mit den Elussigkeiten zu verbinden. Weniger allgemein zweckmässig' ist die Anwendung- in fetten Oelen oder in Weingeist. — Manche Thiorärzte haben den Kampher auch in Form von Dämpfen oder als Käucherung (indem man ihn auf heissen Metall-platten schnell verdunstet) angewendet.
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' sect;• 244.
Der Kampher wird selten für sich allein, sondern melircntbeils in Verbindung mit verscbiedenartfgen andern Mitteln angewendet. Bei sogenannten brandigen Entzündungen und eben soleben Fiebern giebt man ihn zuerst mit Calomel und Xeutralsalzen, später mit China, Arnika und dgl. Reizmitteln. Bei nervösen Zuständen, die rein astbenisch sind, kann er in der ersten Zeit allein wirksam genug sein, später jedoch ver­langen diese Zustände gleichzeitig andere Reizmittel, und man giebt ibn dann in Verbindung mit Baldrian, mit Pfefferminze, Quendel, Ange­lika, Kamillen, Kalmus u. dgl.; — in dringenden Fällen auch mit Wein­geist aufgelöst (als Kampberspiritns); wenn bei Krämpfen oder Läh­mungen, bei Epilepsie oder Koller zugleich die Abstumpfung sein- gross ist, so setzt man ihm Terpenthinöl oder stinkendes Thieröl, Arnika, Meisterwurzel, Bcrtramwurzel und dgl. Mittel zu. — Bei chronischen Aff'ectionen der Schleimhäute, z. B. bei veralteter astbeniseber Bräune, sind dieselben Zusätze zweckmässig: dagegen hat sieb bei katarrha­lischen und rheumatischen Krankheiten, wenn sie weder ganz friscli entstanden noch sehr veraltet sind, und besonders zur Zeit der Krisis die Verbindung mit Fliederblumen, mit .Salmiak, mit Schwefel, Sehwe-fel-Spiessglanz, Goldschwefel, mit Schwefelbalsam, mit kleinen Gaben von Terpenthinöl und selbst mit Opium recht nützlieb gezeigt. — Bei rbeumatisebem Dnrclifall und Ruhr giebt man ihn entweder allein in schleimigen Flüssigkeiten, oder in einem milden fetten Gel aufgelöst, oder auch bei sehr geringer Reizbarkeit in Verbindung mit bittern Mit­teln, oder mit kleinen Gaben Opium, auch mit kleinen Gaben Brech­wurzel oder Rhabarber. Die letztern Verbindungen haben sich als sehr wirksam bewährt. — Bei Reizungen der Harn- und Geschlechtsorgane ist das Mittel zuerst mit vielem Schleim, mit narkotischen Mitteln oder auch mit Calomel, später mit Alaun, Bleizucker und dgl. adstringiren-den Mitteln anzuwenden.
Eine eigcnthümliehe Verbindung des Kampbers ist noch die mit dem Salpeter. Sie scheint, theoretisch betrachtet, nicht passend zu sein, hat sich aber seit langer Zeit bei versebiedenen Krankheiten als sehr nützlich bewährt und ist daher auch jetzt noch oft gebräuchlich, beson­ders bei friscli entstandenen Krankheiten aus Erkältung (daher bei katarrhalischer Bräune, bei Rehe und dgl.), ferner bei allen Formen des schnell verlaufenden Milzbrandes, bei brandigen Entzündungen, bei heftigen Entzündungsfiebern in den spätem Perioden, bei Nierenent­zündung und bei dem Starrkrampf der Pferde. Gegen den letztern bat besonders Waldinger diese Verbindung sehr empfohlen1, selbst wenn die Krankheit einen entzündlichen Character besitzt; er Hess dabei ge­wöhnlich eine Drachme Kampher und eine Unze Salpeter, mit Mehl und Wasser zur Latwerge gemacht, auf einmal geben, und diese Gabe am ersten Tage der Behandlung 5—G Mal, am zweiten Tage 2—i! Mal, und später, bis zum zehnten oder zwölften Tage täglich nur einmal wiederholen. Ich kann die heilsame Wirkung dieser Mittel aus mehren
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1 Waldinger, Therapie, 2te Aufl. 1. Theil. S. 199 a. f.
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glücklichen Fällen bestätigen, schreibe ihnen allein aber die gelungene Heilung nicht zu, und noch weniger halte ich sie für ein, auf alle Fälle passeirdes Specificum, da der Starrkrampf hinsichtlich der Ursachen, der Form, des Verlaufes u. s. w. in den einzelnen Fällen sehr verschie­den erscheint. Mehrmals musste ich den Salpeter weglassen, und den Kampher mit Baldrian und dgl. geben, weil das Gefasssystem einen zu hohen Grad der Schwäche zeigte.
sect;• 245. Als Einspritzung in die Veuen ist die Anwendung des Kamphers, der sehr ungleichartigen und zuweilen sehr heftigen Wirkung wegen (sect;. 2.'!4, 235), an kranken Thieren stets als ein gewagtes unternehmen zu betrachten, weshalb man dieselbe nur in verzweifelten Fällen, z. B. bei Lähmungen mit sehr hohen Graden von Abstumpfung, bei sehr heftigen Krämpfen und dgl., wo die innerliche Anwendung- des Mittels nicht möglich, oder mit zu langsamer oder gar keiner Wirkung be­gleitet ist, versuchen sollte. Für Pferde und Kinder darf man hierzu bei den ersten Injectionen nur 10—15 Gran, für Schafe, Schweine und Hunde 1 — 4 Gran, mit einer verhältnissmässigen Menge einer dünnen, schleimigen Flüssigkeit recht klar abgerieben und durch Lein­wand geseihet, — oder in Weingeist aufgelöst, gebrauchen.
sect;. 246. Aeusserlich wird der Kampher angewendet, um flüchtig zu er­regen und zu beleben, hierdurch die Resorption zu befördern und zu zertheilen. Er erfüllt diese Indieationen auf eine mildere Weise als der Weingeist, und noch viel milder als das Terpenthinöl, so dass er für sich allein selbst bei mehrmals wiederholter Anwendung mehren-theils keine Entzündung der Haut erregt. Er scheint auch nicht viel tiefer als in die Letztere einzudringen. Dennoch benutzt man ihn für die genannten Indieationen sehr häufig bei verschiedenen asthenischen Krankheiten, z. B. bei asthenischen Entzündungen, namentlich bei katarrhalischen Augenentztindungen, wenn sie mit grosser Geschwulst, mit Extravasaten und ödematösen Ansammlungen unter der Haut, aber nur mit geringer Empfindlichkeit verbunden sind, und daher fast nie­mals in der ersten Zeit ihres Bestehens; bei Ausdehnung der Gelenk­bänder und Sehnen, nach Verrenkungen; bei verhärteten Drüsen und andern alten Geschwülsten, die noch eine Zeitlieilunlt;r gestatten: bei katarrhalischer Bräune; bei Kheumatismus, bei Verletzung der Gelenk­bänder; bei Knorpelfisteln; bei Mauke und bei andern Geschwüren, in denen zu wenig Thätigkeit besteht; beim kalten Brande u. s. w.
sect;. 247. Die Art der äusserlichen Anwendung ist sehr verschieden; denn man benutzt ihn zuweilen: laquo;) für sich allein, als Pulver zum Einstreuen in torpide Geschwüre und alte Wunden; oder b) als Zusatz zu andern Einstreupulvern, z. B. zu Kamillenpulver, Eichenrinden- oder Kohlen­pulver und dgl.; oder c) als Zusatz zu Kräuterkissen; oder rf) mit recht wenig Weingeist zum dünnen Brei gemacht, zur Application auf ver-
Hkktwig, Arzneimittellehro.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 13
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altete Gelenkwunden, wo er den Austhiss der Synovia bedeutend ver­mindert und die Abstossung der abgestorbenen Fasern befördert; oder e) mit 6—12 Theilen (letzteres Verhältniss nach der Preussisclien Phar-macopöe) Weingeist aufgelöst, wo er den Kampherspiritus [Spiritus camphoratus) darstellt, der niehreutheils zum Waschen und Einreiben bei rheumatischen Lahmheiten, nach Verrenkungen und zum Verbin­den brandiger Wunden und Geschwüre, bei dergleichen Widerristschä­den und dgl. dient, zuweilen aber auch (wie im sect;. 244 u. 245 ange­geben ist), innerlich und zu Injectionen in die Venen benutzt wird. Manche Thierärzte setzen ihn auch zu Augenwässern und andern Flüs­sigkeiten, jedoch ganz unpassend, weil sich der Kampher hierbei aus der wässerigen Flüssigkeit ausscheidet und dann bald gar nicht, bald ungleich und zu heftig wirkt. (1 Unze 1 Sgr. 6 Pfg, ^ Pfd. 6 Sgr. 9 Pfg.) — /) In fettem Oel aufgelöst (z. B. nach der Preuss. Pliarm. 1 Theil in 8 Theilen frischen Mohnöls), wird er als Kampheröl (Olewn camphoratum) oder als Kampherliniment {Lmiiiientum sapo-natuiii camphoratum), mehrentheils bei Rheumatismus, bei Drüsenge­schwülsten und dgl., als ein sehr passendes Mittel zum Einreiben (nur selten in dieser Verbindung auch innerlich, sect;. 243) benutzt; wobei nach Bedürfniss die Wirksamkeit durch den Zusatz von Salmiakgeist, Ter-penthinöl und dgl. sehr verstärkt werden kann. (1 Unze 2 Sgr. 10 Pfg.) — g) Mit Fett oder Butter (1 Theil zu 4—6 Theilen) gut abgerieben, als Kamphersalbe {Unguentum camphorae), bei gequetschten bran­digen Wunden, Satteldruck, Hautbrand, Mauke und dgl. (0); oder /() als Zusatz zu andern Salben, z. B. zur grauen Quecksilbersalbe (1 Drachme zu einer halben bis ganzen Unze der letzteren), bei Ver­härtungen der Drüsen, bei chronischen Entzündungen oder bei Ver­härtungen des Euters, der Hoden u. s. w. — i) In Terpenthinöl oder Steinöl aufgelöst (1 Theil zu 6—8 Theilen), bildet er ein sehr durch­dringendes Reizmittel zum Einreiben bei Lähmungen, bei chronischem Rheumatismus, beim Schwinden einzelner Theile. — fe) Kampher-essig (Acetum camphoratum) ist nicht gebräuchlich. — Endlich be­nutzen ihn manche Thierärzte noch auf die Art, dass sie wollene Lap­pen mit Kampherstücken bestreichen, und dann mit diesen Lappen die Haut reiben. Dies ist jedoch, da die Haut von dem Kampher nur sehr wenig aufnimmt und derselbe bei dem Reiben grösstentheils verdunstet, keine zweckmässige Anwendung dieses theuren Arzneimittels'. [Cam­phor, 1 Unze 4 Sgr. 6 Pfg., C'amph. trita, 5 Sgr. 8 Pfg.)
1 Es gielit auch einen sogenannten künstlichen Kampher, der durch das Hineinlciteu von salzsauvem Oase in rectiticirtes Teriienthinol hereitet wird und dem echten Kampher in den meisten Eigenschafton ähnlich ist, aber nicht die Wirkungen desselben erzeugt. Orfila (a. a. O. S. 347) gab einem Hunde '/j Unze dieser Sub­stanz in 1' o Unze Olivenöl aufgelöst; es zeigte sich keine andere Wirkung, als dass der Hund matt wurde und am siebenten Tage starb. Im Magen, nahe am Pförtner, fanden sich mehrere ovale Geschwüre.
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Dritte Abtheilung.
Harzige und balsamische Arzneimittel. {Medicamina resinosa
et halsaraicti.)
sect;#9632; 248.
Harss [Resina) kommt als ein natürliches Erzeugniss und als ein näherer Bestaudtheil in vielen ausdauernden Gewächsen, besonders in denen, welche zur Familie der Coniferen und der Terebinthaceeu gehören, recht häutig (im Thierreich und Mineralreich nur sehr wenig) vor. Es fliesst entweder in Verbindung mit vielem ätherischen Oel ganz von selbst oder aus Einschnitten, die man zu diesem Zwecke in verschiedenen Theilen der Pflanzen gemacht hat, aus, und stellt dann, so lange es durch die reichliche Beimischung von ätherischem Oel eine weiche, mehr oder weniger flüssige Consistenz besitzt, die sogenannten natürlichen Balsame dar; — oder man gewinnt es durch Diaestion der harzhaltigen Pflanzentheile mit Alkohol, den mau nachher mit Wasser vermischt und wieder abdestillirt. — Durch Destillation der Balsame und harzigen Mittel kann man das ätherische Oel entfernen und so ihr Harz ziemlich rein darstellen. Dasselbe geschieht auch, aber weniger vollständig, wenn mau die Balsame der Luft aussetzt; ein Theil ihres ätherischen Oels geht dann durch Verdunstung verloren, der übrige Theil aber wird durch Aufnahme einer grössern Menge Sauerstoffs allmälig in Harz umgewandelt (ozonisirt), bis das letztere fast nur allein übrig ist und eine trockene Masse bildet. Eben so ver­wandeln sich viele ätherische Oele bei anhaltend freiem Zutritt der Luft in Harz.
Diese Umstände zeigen die natürliche Verwandtschaft der Harze mit den ätherischen Oelen; ausserdem ergiebt sich dieselbe aber auch noch daraus, dass diese Substanzen fast gleiche Bestandtheile und meh­rere einander ähnliche physikalische Eigenschaften besitzen. Alle Harze bestehen nur aus Kohlen-, Wasser- und Sauerstoff, den letztern enthal­ten sie aber reichlicher als die ätherischen Oele und der Kampher. Sie sind im reinen Zustande fast ganz geruch- und geschmacklos und nicht flüchtig (wodurch sie sich von jenen Substanzen hauptsächlich unter­scheiden); durch fremde Beimischungen, z. B. ätherisches Oel, flüchtige Säuren, erhalten sie aber Geruch und Geschmack in verschiedener Art. Sie schmelzen bei gelinder Wärme und werden zähe oder dickflüssig; bei höherer Hitze geben sie in verschlossenen Gefässen, ausser den ge­wöhnlichen Producten der trockenen Destillation, eigene Säuren (so­genannte Brandsäuren), und an der freien Luft verbrennen sie mit heller Flamme und mit russigem, dickem liauch. Im Wasser sind sie unlöslich; viele lösen sich im Weingeist auf, und zwar einige im kalten, andere nur im heissen, und manche nur im absoluten Alkohol, die so­genannten Schleimharze aber nur im wässerigen Weingeist; auch Aether, Terpenthinöl, Steinöl und andere ätherische Oele lösen viele Harze, aber
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nicht alle; fette Gele erweichen und lösen ebenfalls viele Harze, beson­ders im erhitzten Znstande. Mit den Basen verbinden sie sich zu salz­artigen Producten; ätzende und kohlensaure Alkalien lösen die Harze auf und diese Verbindungen sind im Wasser löslich; mit alkalischen Erden und Jletallsalzen machen sie schwer lösliche Verbindungen. Essigsäure und Salzsäure lösen mehrere, kalte Schwefelsäure löst fast alle Harze, heisse concentrirte Schwefelsäure zerstört sie; Salpeter­säure bildet eigenthümliche Producte aus ihnen. — Die trockenen Harze sind negativ clectrisch und durch Reiben entwickeln sie diese Electricität sehr reichlich; dabei sind sie aber schlechte Leiter der Electricität.
sect;. 249.
Das Harz aus den verschiedenen harzhaltigen Pflanzen ist auch in seinem reinen Zustande etwas verschieden von andern Harzen. Es kommt zwar am häufigsten mit ätherischem Gel, aber nicht mit diesem allein, sondern auch mit Schleim, mit Gummi, mit Wachs, mit scharfen Stoffen, mit Benzoesäure und dgl. verbunden, in vielen Arzneimitteln vor. Durch die Verbindung mit diesen verschiedenen Stoffen erhalten aber die harzigen Arzneimittel etwas von einander abweichende Eigen­schaften, nach denen man sie, mit Hücksicht auf ihre Bestandtheile in mehrere Unterabtheilungen gebracht und namentlich:
A.nbsp; nbsp;Rein harzige Mittel;
B.nbsp; Harz mit ätherischem Gel (die natürlichen Balsame);
C.nbsp; nbsp;Harz mit Gummi oder Schleim (die sogenannten Gumini-oder Schleimharze);
D.nbsp; Harz mit brenzlichem Gel und dgl.
unterscliiedeu hat. Die letztere Verbindung gehört jedoch nicht hier­her, sondern in die folgende vierte Abtheilung; und eben so finden die Mittel, in denen das Harz nur als ein Nebenbestandtheil neben äthe­rischem Gel, neben scharfen oder narkotischen Stoffen erscheint, thcils in der vorhergehenden ersten Abtheilung dieser Klasse, theils in der folgenden sechsten und siebenten Klasse ihren Grt.
A. Rein harzige Mittel.
Es sind d'eren nur folgende wenige:
1) Fichtenharz. jtcniciiifs Hiirz, Renina Finis. Jtcsina eommimis C)1.
sect;• 250. Dieses Harz ist, seinem Ursprünge und seinen Bestandtheilen nach, mit dem Terpenthin (sect;. 254) sehr verwandt, und nur durch seinen ganz geringen Gehalt an Terpenthinöl von ihm verschieden. Von dem Letztern enthält es 10—15 Procent. — Bei der innerlichen Anwendung wirkt es zunächst in einem gelinden Grade erregend auf
1 Nach Vorschrift d. Preuss. Pharmacopoe wird statt desselben überall llesina Pini BuTgundica genommen (sect;. 251).
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die von ihm berührten Theile des Magpens und Darmkanals, und wenn es hierauf verdauet, assimilirt und in das Blut gebracht wird, so maeht es dasselbe etwas röther und mehr gerinnbar. Dabei scheint es auf die grossen Gefässe und auf das Herz wenig oder gar keinen bemerkbaren Einfluss auszuüben, denn man sieht selbst nach sehr grossen Gaben (ich wendete es versuchsweise bis zu 24 Unzen auf einmal bei Pfer­den an) oft gar keine, oft nur äussorst geringe Veränderungen in der Zahl und Beschaffenheit der Pulse und der Herzschläge entstehen. Da­gegen weiden die feinen abgesonderten Arterien der Niereu und zum Theil auch der Schleimhäute in kurzer Zeit in einen etwas gereizten Zustand versetzt, wobei die absondernde Thätigkeit dieser Urgane mehrentheils vermehrt, oft aber auch vermindert erscheint. Diese Un-gleichartigkeit der Wirkung ist grössteutheils von dem Zustande der in den genannten Organen obwaltenden Lebenskraft, und besonders von dem Grade der lieizbarkeit abhängig; denn man sieht ganz deut­lich, dass wenn ein hoher Grad von Reizbarkeit in ihnen, oder in ver­wandten Organen, oder auch nur im Gefässsystem besteht, das Harz die Absonderung sowohl in den Nieren als auch in den Schleimhäuten vermindert, — dagegen bei einem massigen Grade der Lebensthätig-keit, noch mehr aber bei Schwäche und Erschlaffung die Absonderung vermehrt. Auch mag wahrscheinlich die Beschaffenheit des Verdauungs-processes zu der bald mehr bald weniger vollständigen Wirkung des Harzes etwas beitragen; denn dasselbe ist in den Magen- und Darm­säften schwer auflöslich und daher auch schwer verdaulich; ohne ver­dauet zu sein, geht es aber wenig oder gar nicht in das Blut über, und bei manchen gastrischen Krankheitszuständen kann also auch die wei­tere Wirkung nicht erfolgen. Giebt man das Harz in sehr grosser Quantität, so geht der grösste Theil davon völlig unverdauet mit den Darm-Excrementen wieder ab, es entstellt aber gewöhnlich eine starke Reizung des Darmkanals, und in Folge dessen ein Durchfall.
Da das Harz zur Bildung thierisclier Materie nicht geeignet ist, so wird auch dasjenige, welches in das Blut gelangt ist, nach kurzem Aufenthalt in demselben wieder entfernt, und zwar nur durch die Nieren. Bei Pferden geschieht dies mit etwa 12 — 20 Stunden, bei Hunden etwas früher. Vielleicht wird eben durch diese Ausscheidung erst die Reizung der Nieren und in Folge dessen das vermehrte üri-niren veranlasst, indem hierbei die genannten Organe, wenigstens zum Theil, mit dem Harz in eine stärkere und mehr unmittelbare Berüh­rung kommen als andere.
Die Stärke und Dauer der urintreibenden Wirkung ist bei ein­zelnen Thieren sehr verschieden; Viborg, der über die Wirkungen des Harzes zuerst gründliche Versuche gemacht hat', sähe das stärkere Uriniren nach einer Unze dieses Mittels bei sechs verschiedenen Fällen nur durch 10—12 Stunden, in andern auch durch 24 Stunden, und zuweilen durch 2 Tage und noch läneer.
1 Vot. Selskab. Skrift, 1. Bd. p. 61. — deutsch übersetzt in Teuffelä Magazin der Thierheilk. 1. Bd. 2. Heft S. 179.
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Der Urin erscheint während dieser Zeit fast bei allen Thieren klar ......
und wässerig, und nach massigen Gaben des Mittels ohne besondern Geruch; nach grossen oder mehrmals wiederholten Gaben nimmt er aber zuweilen einen veilchenartigen Geruch an, und nach vorübergegangener 'Wirkung wird er gewöhnlich trüb und bräunlich. Manche Beobachter sahen auch Blutharnen und blutige Milch hiernach entstehen, ich sähe die's selbst nach sehr grossen Gaben bei keinem Thiere.
Viboig spritzte auch eine Auflösung von einer halben Drachme des Harzes in einer halben Unze rectiiicirten Weingeists einem alten, kraftlosen Pferde in die Vene und sähe bald darauf den Puls voller und das Thier munterer werden; nach Verlauf von 2 Stunden entleerte das­selbe eine Menge eines bräunlichen Urins, nach 3 Stunden aber klaren Urin, und behielt während der Zeit seine gewöhnliche Fresslust. — Als er aber hierauf demselben Pferde 2 Drachmen Harz in 2 Unzen Wein­geist gelöst in die Vene spritzte, zeigte das Thier fast augenblicklich Drang zur Kothentleerung, Schwindel, vollen und schnellen Puls, her­vorstehende und glänzende Augen. Die Fresslust blieb bei diesen Zu­fällen gleichmässig gut, und nach Verlauf einer Stunde waren letztere verschwunden. Zwei Stunden nach der Injection urinirte das Pferd; der Harn war klar und ging in den folgenden 18 Stunden in solcher Menge ab, als ob das Thier den Lauterstall hätte; nach 36 Stunden be­fand sich dasselbe aber ganz wie vor dem Versuch.
Auf Wunden und Geschwüre gebracht bildet das pulverisirte Harz bald eine stark klebende Kruste und wirkt ziemlich stark und anhal­tend reizend, jedoch vorherrschend auf die Gefässthätigkeit, weniger auf die Nerven; es verursacht stärkeren Zufluss der Säfte, grössere Röthung und verstärkten Bildungstrieb, der sich, wenn die Reizung nicht vorher schon einen zu hohen Grad erreicht hatte, durch vermehrte Absonderung eines consistenten Eiters und durch lebhaftere Granu­lation zu erkennen giebt. Diese Wirkungen sind jedoch nur ober­flächlich und fast ganz allein auf den Ort der Anwendung beschränkt. Absorption des äusserlich angewendeten Harzes scheint nur in sehr be­schränktem Maasse oder auch gar nicht zu erfolgen.
Auf der äussern Haut wirkt es geliud, aber anhaltend erregend, und gleichfalls stark klebend.
Man gebraucht das Harz innerlich fast nur allein als urintreiben­des, sehr selten auch als auswurfbeförderndes Mittel. Seine übrigen Wirkungen sind zu unbedeutend, als dass man sie zur Erreichung von Heilzwecken benutzen könnte.
Als urintreibendes Mittel darf es nur bei asthenischen Krankheiten, bei denen eine vermehrte Harnsecretion zweckmässig erscheint, ange­wendet werden, wie z. B. bei veralteter Druse, bei dergleichen Rheu­matismus, bei ödematösen Anschwellungen, bei Bauchwassersucht, bei und nach Mauke, Räude und dgl.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;,
Als auswurfbeförderndes Mittel ist es gleichfalls nur bei veralteten asthenischen Krankheiten der Schleimhaut in den Respirationsorganen, z. B. bei dem schleimigen Dampf zu benutzen, aber recht gut durch wirksamere Mittel zu ersetzen.
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Die Injection des Harzes in die Venen ist ebenfalls bei den ge­nannten chronischen Krankheiten anwendbar, jedoch selten höthig, da man bei denselben stets Zeit genug hat, die Wirkung des innerlich an­gewendeten Harzes und anderer urintreibender Mittel abzuwarten. — Die Injection ist aber dann zu empfehlen, wenn die innerlichen Mittel zu wenig leisten und wenn die kranken Thiere nur einen sehr geringen Werth hüben, wo man also recht wohlfeil heilen muss.
Die Gabe ist für Pferde und Kinder zum Innern Gebrauch ^-L—2 Unzen, für Schafe, Ziegen und Schweine 1 Drachme bis W8 Unze, für Hunde lji Scrupel bis 2 Drachmen.
Die Anwendung geschieht am besten in Pillen, die aus dem fein pulverisirten Harz, etwas Mehl oder Altheewurzelpulvei und dem nöthigen Wasser, oder noch besser mit gleichen Theilen ordinärer Seife bereitet werden. In Latwergen ist das Mittel zwar auch anzu­wenden, aber aus dem Grunde weniger gut, weil es bei denraquo; unver­meidlichen Kauen der Latwerge sich fest zwischen die Zähne setzt und dann den Thieren die Fresslust verdirbt. Dagegen kann es in flüssiger Forin, und zwar mit concentrirtem Seifenwasser, oder mit einer Auf­lösung von k ohlensaurem Kali (Potasche), oder mit gewöhnlicher Aschen­lauge gut zusammen geschüttelt, recht zweckmässig angewendet wer­den, weil es dann schneller und kräftiger urintreibend wirkt. Theurer und weniger wirksam ist die Anwendung des Harzes in einer schlei­migen Flüssigkeit von arabischem Gummi, oder Eigelb und Wasser.
Aussei- dem kohlensauren Kali und der Seife trägt auch der Sal­peter, der Weinstein und das Glaubersalz zur Verstärkung der uriu-treibenden Wirkung des Harzes bei, und dasselbe kann daher, wenn nicht ein zu hoher Grad von Schwäche bestellt, recht zweckmässig mit diesen Mitteln verbunden angewendet werden; z. B.
Nimm: pulverisirtes Fichtenharz,
— Salpeter, von jedem '/j Unze, ordinäre Seife 3 Drachmen,
Wasser (oder besser Syrup), so viel als nöthig ist zur Be­reitung einer Pille.
Man giebt eine solche Pille (und überhaupt das Fichtenharz) täg­lich so lange, bis hinreichende Wirkung eingetreten ist.
Zuweilen setzt man auch Wachholderbeeren- oder Petersiliensamen oder Wasserfenchelpulver zu dem Harze, besonders wenn man dasselbe in Latwergen anwendet und durch ein passendes Mittel die Masse ver­mehren will.
In den meisten Fällen ist wohl das Harz durch das Terpenthinöl zu ersetzen; Viborg giebt ihm aber vor dem letztem und vor dem Terpenthin den Vorzug, weil es wohlfeiler, leichter mit sich zu führen, leichter in Pillenform zu bringen und (wie er glaubte) auch weniger schwächend für die Verdauungsorgane ist.
Zur Injection in die Venen kann man für Pferde und Kindvieh l/2—2 Drachmen Harz, in '/^—2 Unzen Weingeist aufgelöst, benutzen. Bei kleineren Thieren sind 10 — 2U Gran, in 1—2 Drachmen Wein­geist aufgelöst, hinreichend.
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Aeussurlich wird das Harz für sich allein fast gar nicht angewen­det, sondern es dient nur mit Fett oder Talg, Wachs und dgl. zur Be­reitung gclind reizender Salben und Pflaster, z. B. der sogenannten Königssalbe oder gemeinen Harzsalbo {Ungiienttan Basilicum, Umj. Ilesinae Pini), welche nach älteren Vorschriften aus: gemeinem Harz, Terpenthin, gelbem Wachs, Itindstalg und Schweinefett besteht, und ihrer gelind reizenden Eigenschaften wegen bei Wunden oder Ge­schwüren, in denen zu geringe Thätigkeit bestellt, als ein mildes Di-gestivmittel benutzt werden kann. — Die neueren Vorschriften für die Bereitung dieser Salbe weichen sehr von einander ab, und namentlich lässt die Preuss. Pharmacopöe anstatt des Fichtenharzes Colopbonium nehmen, wodurch die Salbe milder wird. (1 Unze 2 Sgr. 4 Pfg.)
Eben so dient es zu der etwas einfacheren, reizenden oder gel­ben Salbe {Ung. flamm s. Ung. Resinae Pint) (0).
Von den Harzpflastern ist nur das gelbe Waclispflaster, der gelbe Zug- oder das Baumwachs {Emplastrum citrinum, s. Resinae Pini, Cera arborea) anzuführen; es besteht aus: gelbem Wachs 2 Pfd., Fichtenharz 1 Pfd., Hammeltalg und Terpenthin von jedem '/o Pfd., — klebt sehr stark und wird von manchen Thierärzten zum Ausfüllen der Hornspalten, der tief ausgeschnittenen Steingallen, der sogenannten hohlen Wände des Hufes und dgl. als ein schützendes Mittel angewen­det. Es ist aber durch etwas dicken Thecr zu ersetzen. Die übrigen Harzpflaster sind in der Thierheilkunde nicht gebräuchlich.
2) liiirituiidischrs Harz, weisses Harz, raquo;cissi's oder Burgundiscbes Pech,
Henna Pini Burgundica, s. E. alba, Fix alba s. Buryimdiea.
sect;• 251. Ein rothgelbes, durchscheinendes, zerreibliches Harz, welches durch Schmelzen des gemeinen Fichtenharzes mit Wasser und nach-heriges Filtriren gereinigt und fast gänzlich von Terpenthinöl befreit worden ist. Hierdurch unterscheidet sich dieses Harz von dem ge­meinen Fichtenharz, und es ist daher auch etwas weniger reizend als dieses, übrigens aber stimmt es in den wesentlichen Eigenschaften und in den Wirkungen fast ganz mit demselben überein. Es kann daher innerlich und äusserlich wie das Fichtenharz angewendet werden. Wagner zu Mühlheim (s. Busch, teutsche Zeitschrift der Thierheilk. Bd. 3. Heft 4, S. 57) hat es mit gutem Erfolge gegen atonische Was­sersuchten und gegen Vereiterungen der Lunge benutzt. Er Hess es innerlich in Latwergen (Rp.: Resin, pin. Burgundic. 8 Unzen, lique-fact. sup. ign. tere c. Amyli 4 L'nzen, in Aquae fontan. 4 Unzen sulut. adde: Pulv. sem. Phellandr. aquat. Pulv. rod. Angelic, ana 2 Unzen, Oumm. Ammoniac. lL Unze, Plumb, acet. 1 Drachme, Vini nostrat. q. s. ad electuarium. S. Alle 2—3 Stunden 2 Esslöffel voll zu geben1). —• Wagner wendet es auch als Injection in die Venen und zum Räu­chern an. Die Injectionen wurden aus einer Auflösung von 2 Drach­men des Harzes in 2 Unzen höchst rectlficirten (!) Weingeistes, davon
1 Eine sehr complicirte Zusammensetzung.
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die halbe bis ganze Quantität auf einmal iillrirt und noch lauwarm, bei atonischen Wassersüchten, veralteten Katarrhen und dgl. Zuständen gemacht. Die Thiero wurden munterer und sehr bald (nach 1I4 Stunde) trat reichliches Uriniren ein. — Aeusserlich wird das Harz zu kleben­den reizenden Pflastern (s. Spanische Fliegen) und reizenden Salben, namentlich zu der Burgundisehen Harzsalbe {Ung. oder Ceratum Resinae Pini Burgundicae) der Pharmacopöe benutzt, die man als ein massig starkes Digestivmittel bei Wunden und Geschwüren mit zu ge­ringer Thätigkeit anwenden kann (s. den vorigen sect;.). (1 Unze 6 Pfg.)
3) Citlophimium, Geigenharz, Colophmium.
sect;• 252.
Es enthält dasselbe Harz wie die beiden vorhergehenden Mittel, jedoch fast gar kein Terpenthinöl, dafür aber einige empyreumatische Bestandtheile in unbedeutender Menge. Seine Wirkungen sind daher ebenfalls im Wesentlichen mit denen des Pichtenharzes übereinstim­mend, wie dies auch Viborg (a. a. 0.) hinsichtlich der urintreibenden Wirkung durch Versuche gezeigt hat; allein es wirkt weniger reizend, schwächer und langsamer. In Ermangelang des Pichtenharzes kann daher das Colophonium bei denselben Krankheiten, wo dieses empfohlen ist, und auf dieselbe Weise, jedoch in etwas stärkern Gaben angewen­det werden.
Aeusserlich wurde ehemals das pulverisirte Colophonium als blut­stillendes Mittel in Wunden gestreuet; Eonafoux hat hierzu ein Pul­ver empfohlen, welches aus Colophonium 2 Theilen und aus arabischem Gummi und Holzkohle von jedem 1 Theil, alles fein pulverisirt, zu­sammengesetzt ist. Dasselbe wird dick aufgestreuet und durch einen Vorband festgehalten. Es wirkt hier nur durch seine klebende Eigen­schaft und kann daher auch nur bei schwachen und parenehymatösen Blutungen etwas nutzen. — Mehrentheils dient es nur noch zur Be­reitung einiger Salben und Pflaster, namentlich der Basilicumsalbe. (1 Unze 6 Pfg., fein pulv. 1 Sgr.)
4) Enipj'reuiiidlisdies Harz, schwarzes Pech, Scbin'sjiech, Risina ompyreumaüca
solida, Pix nigra -solida s. navalis.
sect;. 253. Das schwarze Pech ist ein unreines, mit brenzlichen Theilen ver­mischtes, aber von ätherischem Oel ganz freies Fichtenharz, welches sich bei den mit ihm gemachten Versuchen innerlich als ganz unver­daulich und ohne besondere Wirkung gezeigt hat. — Dagegen ist es äusserlich schon lange als ein reizendes, bei Verdickungen und Ver­härtungen die Zertheilung oder die Eiterung beförderndes und stark klebendes, schützendes Mittel, theils für sich allein, theils als Zusatz zu Salben und Pflastern benutzt worden, z. B. wieder zu dem sogenannten englischen scharfen Pflaster. — Der geschickte dänischeThierarzt Lund hat ein Pflaster aus gleichen Theilen von schwarzem Pech und dickem Ter-penthiu, durch Zusammenschmelzen bereitet, als ein ganz vorzügliches
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Heilmittel bei Satteldruck und Widerristschaden empfohlen. Seiner Vorschrift gemäss streicht man dasselbe auf ein Stück #9632;weiches Leder, welches so gross ist, dass es auf allen Seiten über den Hand des Ge­schwürs 1 —11/2 Zoll hinwegreicht, reiniget das Letztere, füllt die Ver­tiefungen mit Werg so aus, dass dadurch eine mit den Hauträndern gleiche Fläche entsteht, und bedeckt dann das Ganze mit dem Pflaster. Dieses bleibt unverändert durch 5—6 Tage liegen, wird dann behut­sam vom untern Eando her, wo es sich gewöhnlich durch den abflies-senden Eiter schon etwas von der Haut getrennt hat, abgenommen, neu mit der Pflastermasse bestrichen und wieder aufgelegt, nachdem das Geschwür gereiniget und zum Theil, aber nicht ganz, mit Werg wieder ausgefüllt worden ist. Nach etwa 14 Tagen wird dies Ver­fahren wiederholt und in derselben Weise bis zur gänzlichen Heilung fortgesetzt. — Ausser der Einfachheit und Wohlfeilheit. soll der Haupt-vortheil dieser Behandlung darin bestehen, dass man die Pferde wäh­rend derselben gebrauchen und selbst reiten kann (wenn nur die Decke unter dem Sattel so aufgelegt ist, dass sie keinen ungleichen Druck hervorbringt) und dass dennoch die Heilung hierbei sehr schnell er­folgt. Viborg bestätigt den guten Erfolg dieses Heilverfahrens1. — Bei vorhandenen tiefen Fisteln wird man aber mit demselben und ohne den geschickten Gebrauch des Messers nicht ausreichen. (1 Unze 8 Pfg)
B. Harz mit ätherischem Oel.
Die hierher gehörigen Arzneimittel bestehen aus einer von der Natur gebildeten Verbindung von Harz mit ätherischem Oel. Sowohl das Erstcre wie das Letztere ist in den einzelnen Mitteln von verschie­dener Qualität, und eben so ist das quantitative Verhältniss dieser beiden Stoffe zu einander sehr verschieden. Die Mittel (mit Ausnahme der Fichtensprossen) erscheinen daher auch, je nachdem das ätherische Oel oder das Harz vorwaltet, bald mehr flüssig (als Balsam) bald mehr trocken und spröde. Sie besitzen anhaltend und flüchtig reizende Eigen­schaften, und zwar grösstentheils wieder in demselben Verhältniss, wie sie vorherrschend Harz oder ätherisches Oel enthalten. — Diese Mittel sind zahlreicher als die rein harzigen; allein die meisten sind auslän­disch , für den thierarzneilichen Gebrauch zu kostbar, aber auch recht gut zu entbehren, und durch die wenigen inländischen zu ersetzen.
5) Terpen(hiii, gemeiner Terpenlhin, Tcrchiitllnnn, Terebinthina cvmmunis.
sect;. 254.
Der Tcrpenthin ist ein natürlicher Balsam, welcher grösstentheils aus Harz und Terpenthinöl besteht, und durch Destillation in diese beiden Bestandtheile zerlegt werden kann. Er hat daher mit dem Fich­tenharz eine grosse innere Aehnlichkeit und unterscheidet sich von
1 Veter. Selskab. Skrift. 2 Deel S. 362.
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demselben nur durch seinen grössern Reiehtlium an ätherischem Oel (13 bis über 30 Proc, nach Verschiedenheit der Abstammung, der Art und des Alters des Mittels), und durch die hiervon abhängige weiche (balsamische) Consistenz. -— In seinen Wirkungen auf den Thierkörper verhält sich der Terpenthin ebenfalls dem Fichtenharze sehr ähnlich; er ist jedoch bei der innerlichen und äusserlichen Anwendung mehr durchdringend, selbst etwas scharf reizend. Auf die Haut applicirt, bringt er bei längerer Berührung die verschiedenen Grade der Keizung bis zur Bildung von Bläschen und bis zur Ausschwitzung hervor; — auf Wunden und Geschwüre wirkt er ebenfalls heftig reizend, so dass zunächst stärkere Entzündung eintritt, und darnach ein lebhafterer Bildungspiocess mit vermehrter Eiterung und Gi anulation folgt. Dabei wird zwar vorzüglich, wie von dem Harz, die Tliätigkeit der Haargc-fässe vermehrt, zugleich aber auch die Empfindlichkeit etwas stärker erregt als von dem letztern. Auch scheint der Terpenthin tiefer in die Substanz der Theile zu wirken und selbst etwas absorbirt zu werden. — Innerlich angewendet verursacht er in kleinen Gaben primär eint grös-sere Tliätigkeit der Verdauungseingeweide, stärkere wurmformige Be­wegung, vermehrte Absonderung, erhöhete Wärme und bessere Ver­dauung; er selbst wird jedoch, wenn er nicht durch passende Mittel auflöslich gemacht ist, nur schwer und unvollkommen verdauet. In zu grossen Gaben reizt er die Schleimhaut des Verdauungskanals zu über-massiger Absonderung, und verursacht dadurch Purgiren. Er wird, und besonders sein ätherisches Oel, zum Theile absorbirt, und dann durch die Nieren wieder aus dem Körper entfernt. Leiden die Thiere nicht an Entzündungskrankheiten, so werden das Herz und die grösseren Arterien hierbei, wie bei der Wirkung des Harzes, nur sehr wenig afficirt1, obgleich das Blut schon nach einer einzigen, etwas starken Gabe des Mittels röther und mehr gerinnbar wird. Bei einer bestehen­den Aufregung, namentlich bei entzündlichen Fiebern, wird aber sehr bald der Puls härter und- schneller. — Der Urin wird mehr copiös, gelblich ohne Bodensatz, Benzoc- und Harnsäure enthaltend und nimmt oft (zuweilen schon nach 2 — 3 Stunden) einen Veilchengeruch an; ge­wöhnlich wird er nach 8 —12 Stunden durch einige Zeit in grösserer Menge entleert — wenn nicht etwa ein reiner Entzündungszustand dies verhindert; denn es verhält sich hierbei ganz wie bei dem Fichten­harz (sect;. 250). In zu grossen Gaben und zu anhaltend gebraucht, ver­ursacht der Terpenthin zuweilen beschwerliches Harnen, und er soll sogar Blutharnen, Blutmelken und Nierenentzündung erzeugen können; er gebt, nach meinen Versuchen, auch in die Milch über, und ertheilt ihr einen Harzgeschmack. Ausserdem wird auch die Absonderung an der Schleimhaut der Respirationsorgane und des Maules dünnflüssiger
1 I5ei Versuchen in der k. B.iier. Centn-Veter.-Schule in München an einem Pferde vermehrten sieh am ersten Tage nach 1 '/o Unze Terebinth, commxn. die Pulse um 4 per Min., — am zweiten Tage nach 2 Unzen nur um 3 per M., — am dritten Tage nach 3 Unzen gingen sie 7 Schläge herunter. — und am vierten und fünften Tage nach resp, 3 und 4 Unzen um noch 4 Schläge herab (Die k. Baier. Centr.-Veter.-Schule zu München im Jahre 1853. S. 46—47).
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und etwas vermehrt, und die Haatausdtinätuug etwas reichlicher. — -— Eine wichtige und eigenthiimliche Wirkung auf die Nerven habe ich nicht beobachtet.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; #9632;raquo;
Der innerliche Gebrauch des Terpenthins ist bei denselben asthe-nischen Krankheiten angezeigt, bei denen das i'ichtenharz empfohlen ist. Er ist hierbei häutig durch das Letztere zu ersetzen, was um so mehr geschehen kann, da es wohlfeiler ist und sich leicht pulverisiren lässt; er verdient aber als etwas wirksamer den Vorzug, wenn gleich­zeitig lieizlosigkeit und Unthätigkeit der Verdauungseingeweide be­steht, oder wenn man vorzüglich in den Sehleimhäuten, besonders in denen der Eespiratioiisorgane, die Irritabilität und Thätigkeit vermehren will. Bei grosser Schwäche des Magens und Darmkanals wird er wenig verdauet und nicht gut ertragen, und er ist dann, wenn Mittel der Art noting sind, am besten durch das Terpenthinöl zu ersetzen. — Bei sthenischen Entzündungen und bei dergleichen Entzündungstiebern ist er sehr schädlich.
Die Gabe vom Terpenthiu ist für Pferde und Binder 1j.2—l1^ Un­zen, für Schafe und Schweine 1—3 Drachmen, für Hunde 5 Gran bis '/j Drachme, täglich ein- bis dreimal. Als harntreibendes Mittel giebt man ihn nämlich am besten in den bezeichneten grossen Gaben, und nur nach grossen Zwischenzeiten wiederholt, bis der Zweck erreicht ist; wo man aber eine gleichmässige und dauernd erhöheto Thätigkeit der Hlut- und Lymphgefässe, der Schleimhäute u. s. w. herbeiführen will, da sind öfters wiederholte massige Gaben nöthig. — Die grossen Hausthiere, und namentlich Pferde, ertragen den Terpenthiu bis zu 3, selbst zu 4 Unzen in einer Gabe, und französische Thierärzte (Moirond, Arzneimittellehre S. 341) wenden ihn auch in so grossen Gaben als Heilmittel an; ich habe dergleichen niemals bedurft, sondern die hin­reichende Wirkung immer von den vorhin bezeichneten Gaben ent­stehen sehen.
Die Anwendung kann in Pillen, in Latwergen und in flüssiger Eorm geschehen. Manche Thierärzte wenden den Terpenthiu einfach auf die Weise an, dass sie ihn in eine Düte oder Patrone, von Papier gewickelt, den Thieren in den Hals stecken. Dies Verfahren ist jedoch aus zweierlei Ursachen nicht zu empfehlen; denn 1) wenn das Eingeben nicht recht genau geschieht, so kommt das Mittel zwischen die Zähne, setzt sich hier fest, verdirbt den Thieren die Fresslust gänzlich und verursacht selbst Entzündung der Maulschleimhaut, und 2) ist der Ter-penthin für sich allein viel schwerer für die Verdauuug-ssäfte auf löslich und weniger wirksam, als in Verbindung mit andern entsprechenden Mitteln. — Es ist daher zweckmässig, dass man ihn, auch wenn er in Pillen oder Latwergen angewendet wird, mit solchen Substanzen ver­bindet, welche ihn fein zertheilen oder mit Flüssigkeiten mischbar machen, und bei der flüssigen Form ist dies durchaus nöthig. Die letz­tere ist am vorzüglichsten (wenn die. Krankheit ihre Anwendung ge­stattet), weil der Terpenthiu in ihr am wenigsten die Verdauungsein­geweide belästigt, am besten zur Absorption vorbereitet ist, und daher auch am schnellsten und kräftigsten wirkt. —
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Diesem Zweck entsprechend, reibt man den Terpenthin mit Syrup oder mit Honig, mit grüner oder mit weisser Seife, mit Eigelb oder mit arabischem Gummi und etwas Wasser zusammen, und setzt dann dieser Verbindung, wenn .sie zu Pillen oder Latwergen gemacht werden soll, so viel Pulver von bittern oder aromatischen und andern Mitteln zu, dass hierdurch die gehörige Masse entsteht; — soll es aber eine flüssige Mixtur werden, so verdünnt man sie unter fortwährendem Zusanimen-reiben mit so viel warmen Wassers, dass auf eine Drachme des Ter-penthins gegen 2 Unzen von letzterem kommen.
Die urintreibende Wirkung des Terpeuthius wird ( wie die des Fichtenharzes) bedeutend verstärkt, wenn mau ihn in Verbindung mit Salpeter, Weinstein, Glaubersalz, kohlensaurem Kali oder Seife an­wendet, und diese Verbindung ist daher bei Wassersuchten, bei öde-matösen Anschwellungen und bei Anhäufung sandiger Massen in der Urinblase recht nützlich.
Aeusserlich gebraucht man den Terpenthin häutig, und zwar lj als sogenanntes Digestivmittel zur Vermehrung der Thätigkeit in Wunden und Geschwüren, die einen torpiden Character besitzen. Für sich allein ist er in den meisten Fällen zu reizend und daher nur bei grosser Er­schlaffung und Torpidität und nur so lange zu benutzen, bis gute Eiterung eingetreten ist; deshalb wird er mehrentheils mit Fetten und mit Wachs, oder auch einfach mit Honig oder mit Eigelb zur Salbe gemacht, an­gewendet. Die fettigen Digestivsalben bewirken aber leicht wieder eine zu grosse Erschlaffung, und werden deshalb jetzt nur noch wenig gebraucht, sondern durch die Verbindungen des Terpenthins mit Honig oder Eigelb ersetzt. Da aber diese letztern bei langer Aufbewahrung leicht verderben, so dürfen sie deshalb nicht in grosser Menge vorräthig gehalten werden, — was auch bei ihrer schnellen und leichten Bereitung nicht nöthig ist. — Die Quantität des Terpenthins zu der des Honigs oder Eigelbes muss sich nach dem Grade der in den kranken Theilen bestellenden Reizlosigkeit und Unthätigkeit richten; 1 Unze Terpen­thin zu 2 Unzen Honig oder zu dem Gelben von 4 Eiern, giebt eine Salbe von massig reizender Kraft, welche man durch mehr Terpenthin, oder durch Zusatz von Terpenthinöl, von Myrrhen- oder Aloepulver, Myrrhen- oder Aloetinctur und dgl. noch mehr verstärken kann.
Für tiefe Wunden und Fisteln, in denen zu geringe Thätigkeit besteht, wo der Eiter dünn, jauchig und stinkend ist, eignet sich statt der Salben weit besser das von Wolstein empfohlene sogenannte bal­samische Digestivwasser, welches man täglich ein- bis zweimal in die Fisteln spritzt, nachdem sie gereinigt sind. Es wird nach seiner Vorschrift bereitet: aus reinem Terpenthin, 4 Loth — Peruvianischem Basalm, 1 Loth — 2 Eierdottern und '/a Pfund Kalkwasser1. Der Peruvianische Balsam ist jedoch dabei zu entbehren, weil er dem Mittel keine besondere Eigenschaft ertheilt, aber dasselbe theuer macht; da­gegen kann man durch den Zusatz von '^—1 Unze Terpenthinöl seine Wirksamkeic sehr verstärken.
1 Wolstein (las Bucli für Thierärzte im Kriege. Wien 1788. S. 241.
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Bei Wunden, welche frisch entstanden sind und durch schnelle Vereinigung geheilt werden sollen, oder wo ein hoher Grad von Ent­zündung besteht, sind alle terpenthinhaltigen Mittel schädlich.
2) Zuweilen wendet man den Terpentlnn-auch auf harte, torpide Geschwülste, z. B. auf alte Drüsenknoten, auf Stollbeulen, Ueberbeine, Gallen und dgl. an, um Zertheilung oder Eiterung in ihnen zu be­wirken. Er wird zu diesem Zweck bald für sich allein, bald mit andern und noch mehr reizenden Mitteln, z. B. mit spanischem Pfeffer, mit Euphorbiuinharz oder mit Aetz-Sublimat verbunden, benutzt, indem man ihn entweder unmittelbar auf die kranken Gebilde schmiert und einreibt, oder auf Leder gestrichen als Pflaster auflegt, je nachdem der Ort der Anwendung es gestattet. Eine Zusammensetzung von 8,1'2—16 Theilen Terpenthin und 1 Theil ätzendem Quecksilber-Sublimat, hat sich bei alten Stollbeulen und verhärteten Brustbeulen (nach Girard und Vatel, Recueil med. veter. 1829, p. 169) sehr wirksam gezeigt. Das Mittel wird auf die Haut der Geschwulst so dünn aufgestrichen, dass es sich nicht weiter verbreiten kann; nach Verlauf von 24 Stun­den entsteht Ausschwitzung, welche durch längere Zeit dauert und wo­bei die Geschwulst immer kleiner wird; nach geschehener Eeinigung muss das Mittel in Zwischenzeiten von etwa 8 Tagen auf dieselbe Weise wiederholt werden, bis Heilung erfolgt ist. Das Pferd kann dabei fortwährend arbeiten. (1 Unze 40 Pfg.)
Dass der Terpenthin einen Bestandtheil der Basilicum - Salbe, des Baumwachses und des Lund'scheu Pflasters ausmacht, ist bereits bei dem Fichtenharz und bei dem schwarzen Pech angegeben. Eben so bildet er einen Bestandtheil der Elemisalbe (s. Elemiharz) und mehrerer anderer Salben und der meisten klebenden Pflaster, die jedoch für die Thierheilkunst fast sämmtlich zu entbehren sind.
Anmerkung 1. Aussei' dem gemeinen Terpenthin hat man noch mehrere an­dere Sorten, namentlich: Venet i a n ischen oder Li erch en terpe^ith in {Terehin-tkina vtneta s. luriciua) (1 Unze 1 Sgr. 10 Pfg.) — Strasburger Terpenthin (7'. argentoratensis) Franzosischen Terpenthin ( T. gaUica) — Karpa-thischen Terpenthin oder Karpathischen Balsam (T.carjitithicas. Halsamum carpatliinnn). Ungarischen Terpenthin oder Balsam (7'. hungarica s. JJah. hungaricum.) •— Cyprischen Terpenthin (T. cyprica a. pistaema) — und den Canadisehen Terpenthin oder 15als am (T. caiiadensis $. Bals. zanadense); sie sind nicht wesentlich, sondern mehrentheils nur durch grössere Feinheit vom ge­meinen Terpenthin verschieden, aber sämmtlich theurer, daher entbehrlich und zum thierärztlicheu Gebrauch nicht passend.
Anmerkung 2. Der gekochte Terpenthin {Terchinthina coeta) bleibt von dem gemeinen Terpenthin nach der Destillation des Terpenthinöls als Rückstand übrig, kann aber auch durch Kochen des Terpeutbins im Wasser gewonnen werden. Er besteht aus Harz mit sehr wenigem Terpenthiuöl, ist fast in jeder Hinsicht dem Fichtenharze gleich, und daher auch schwächer in der Wirkung als der gemeine Terpenthin: er lässt sich pulvcrisiren und kann wie das Harz angewendet werden. #9632;(1 Unze 1 Sgr.)
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6) Tfi'(ifi]lliiiiol. Oleum Terebinthinae; unrichtig auch Terpeiilhiiiseisl, Spiritus Tereiinihinae.
sect;#9632; 255.
Das Terpeuthinöl gehört im frischen und reinen Zustande zu den sauerstoil'freien ätherischen üelen; es ninuiit aber bei der Einwirkung der atmosphärischen Luft (besonders wenn Phosphor in derselben ver­dunstet ist) allmälig immer mehr Sauerstoff (Ozon) auf, wird dadurch gelber und dichter (ozonisirtes Terpenthinöl), enthält dann Piiiin-und Silvinsäure und wird etwas reizender als das frische. Es ist, wie in seinem natürlichen Ursprünge, so auch in seinen Wirkungen, dem Terpenthin sehr ähnlich. Denn der Unterschied beruhet fast allein darin, dass das Terpenthinöl weit flüchtiger und durchdringender reizt, aber weniger anhaltend wirkt als der Terpenthin, und dass es neben dem Gefässsystem zugleich das Nervensystem mehr als dieser aufregt. Ob es aber einen besondern Theil des letztem und namentlich das Eückenmaik und dessen Nerven vorzüglich ergreift, wie man in der neuern Zeit gefunden haben will, habe ich, trotz vieler Versuche au verschiedenen Thieren, nicht ermitteln können.
Die reizende Wirkung dieses Oels zeigt sich am stärksten an der äussern Haut, für welche es bei allen Thieren, vorzüglich aber beim Pferde und Hunde, eins der heftigsten Reizmittel ist. Eine Ein­reibung von ihm an irgend einer Stelle des Körpers verursacht fast augenblicklich eine heftig juckende und schmerzhafte Empfindung; die Thiere werden aufmerksam auf sich, schütteln sich, suchen sich zu reiben, hauen und kratzen mit den Fttssen, wedeln mit dem Schweife; Pferde von sehr empfindlicher Natur werfen sich nieder, fangen an zu schwitzen. Puls und Athmeu wird schneller. — Hunde laufen ängstlich herum, verkriechen sich, und manche geben den Schmerz auch durch Schreien zu erkennen. Diese Symptome der Reizung dauern gegen 15 — 30 Minuten. East zugleich mit ihnen entsteht an der Stelle der Anwendung vermehrte Wärme, Eöthe und etwas Geschwulst; die letz­tere ist aber stets das geringste Symptom; nach etwa 6 — 8 Stunden bilden sich bei den meisten Thieren kleine Bläschen, welche später platzen und Ausschwitzung von Serum zur Eolge haben. Bei mehr­mals nach einander wiederholter Anwendung an derselben Stelle ge­schieht das Letztere bestimmt, und oft geht dann sogar die ganze Oberhaut mit den Haaren verloren; beides wird aber bald und voll­kommen wieder ersetzt. Das Rindvieh, welches seiner Torpidität wegen oft auf keine Weise zum Aufstehen zu bringen ist, wird hierzu sehr bald veranlasst, durch eine Einreibung von etwas Terpenthinöl au die Beine.
In Wunden und Geschwüren, welche nicht einen zu sehr torpiden Character haben, ist die reizende Wirkung ähnlich, aber nicht ganz so heftig, auch dauert sie nicht sehr lange. Die vorhandene Entzündung wird sehr erhöhet und darauf der Bildungsprocess ganz ähnlich wie von
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andern ätherischen Oelen (sect;. 188), wie vom Harz (sect;. 248) und Ter-penthin (sect;. 254), durch die stärkere Aufregung der Get'ässthätigkeit viel lebhafter.
Sowohl bei der Anwendung auf die Haut wie in Wunden und Geschwüren wird ein Theil des Terpenthinöls von den Gefassen absor-birt, und nach sehr kurzer Zeit, zuweilen schon nach 10—15 Minuten, theils durch die Lungen, mit unveränderter Beschaffenheit und mit seinem eigenthümlichen Geruch wieder ausgedünstet, theils durch die Nieren mit dem Urin ausgeschieden. Letzterer erhält dann fast immer einen, den Veilchen ähnlichen Geruch (wahrscheinlich von Benzoe-säure, welche sieh hierbei bildet, während die im normalen Pferde­urin bestehende Hippursäure mehrentheils oder gänzlich verschwindet. S. Dr. Fraas, im Jahr.-Bericht d. k. baier. Centr.-Veter.-Schule im J. 1853, 8. 53).
Auf die Schleimhaut des Maules gebracht, wirkt das Oel massig reizend, verursacht etwas stärkere Röthang und sehr vermehrtes Spei­cheln und Geifern, besonders bei Hunden, Katzen und jungen Thieren.
Auf den Magen- und Darmkanal scheint das Mittel verhältniss-mässig am wenigsten heftig zu wirken. In kleinen massigen Gaben innerlich augewendet verstärkt es die wurmfönnige Bewegung, erregt den Appetit, vermehrt die Absonderung der Galle, der Magen- und Darmsäfte, bessert die Verdauung, es wird von den Gelassen aufge­nommen, und macht den Puls voller, kräftiger, zuweilen auch etwas schneller, obgleich Letzteres immer nur in sehr massigem Grade; die Schleimhäute werden röther und ihre Absonderung etwas reichlieber, aber dünnttiissiger, und das Blut wird heller geröthet. Zuletzt wird es, ebenfalls nach kurzer Zeit und in der vorhin bemerkten Art, durch die Lungen und Nieren wieder entfernt, aber die bezeichneten Wirkungen dauern von einer Gabe gewöhnlieh durch 4 — 6 Stunden fort, und um diese Zeit, oder auch noch später findet sieh etwas vermehrte Urinent­leerung, wenn hierzu ein günstiger Zustand im Körper besteht (sect;. 250), wobei der Urin weisslich, aber trübe (emulsionsartig) erscheint und veilchenartig riecht. — Sehr grosse Gaben (z. B. bei Pferden 1—2 Pfd.) von Terpenthinöl reizen die Verdauungseingeweide, und namentlich die Schleimhaut des Magens und Darmkanals, stark, so dass in ein­zelnen Fällen geringe Koliksymjjtome, Traurigkeit und Vermin­derung des Appetites, bei Hunden aber (nach Gaben von 2 Drachmen bis 1 Unze) beschleunigtes Athmen, Erbrechen, selbst Magen- und Darmentzündung, und der Tod erfolgt. Die Wirkung auf das Gefäss-system ist von grossen Gaben bei Hunden stärker, aber bei Pferden off nicht mehr als von kleinern zu bemerken. Oft entsteht von sehr grossen Gaben nach IG—24 Stunden Durchfall, der durch 1—2 Tage dauert, und wobei die Excrcmente in der ersten Zeit ganz deutlich nach Ter-penthin riechen, und zuweilen mit etwas Blut gemengt sind. — Die Harnwerkzeuge werden viel stärker als nach kleinen Gaben irritirt, und bei fortgesetzten grossen Gaben entsteht zuweilen selbst Bluthar­nen. — Bei milchenden Kühen und andern Thieren geht das Terpen­thinöl auch in die Milch über, wie man dies aus ihrem kieuigen Geruch
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und Geschmack deutlich erkennen kann. — Das Blut wird etwas heller geröthet, reicher an Cruor und mehr gerinnbar.
In die Venen gespritzt, wirkt das Terpenthinöl ähnlich, aber viel heftiger als die übrigen ätherischen Oele (sect;. 188); bei Pferden ent­steht nach der Injection von 1^—2 Drachmen sogleich sehr beschleu­nigtes Athmen, ängstlicher Blick, Unruhe. Zittern der Muskeln, dann schneller, gespannter Puls, stärkere Pöthung der Schleimhäute, erhöhte Wärme der Haut und der ausgeathmeten Luft; die Letztere nimmt schon innerhalb der ersten Minute den Geruch nach Terpenthinöl, und der Urin gewöhnlich schon nach einer Viertelstunde (zuweilen aber auch gar nicht) den Geruch nach Veilchen an. — Bei Hunden ent­stehen schon nach 15—20 Tropfen jene heftigen Zufälle. Drei Drach­men können bei Pferden, und 30 Tropfen bei Hunden die heftigsten Convulsionen, Erstickungszufälle und den Tod sogleich, oder durch nachfolgende Lungenentzündung verursachen1.
Das Terpenthinöl ist seiner Wohlfeilheit und seiner Krjiftigkeit wegen zum thierärztlichen Gebrauch ein sehr schätzenswerthts Arz­neimittel, und wird auch als solches innerlich und äusserlich häufig benutzt.
Die allgemeinen Anzeigen für seine Anwendung bei kranken Thieren sind fast ganz übereinstimmend mit denen, welche für An­wendungen der ätherischen Oele überhaupt (sect;. 193) und des Terpei;-thins (sect;. 254) gelten; vorzüglich ist es jedoch bei derjenigen Schwäche indicirt, welche sich durch grosse Erschlaffung der Gefässwände und der Schleimhäute, durch verminderte Thätigkeit in den Haargefässen, daher durch Stockungen und Anhäufungen des Blutes und anderer Säfte, durch verminderte Resorption und mehrentheils auch durch ver­minderte Absonderungen und zu zähe Beschaffenheit der Secretions-flüssigkeiten zu erkennen giebt. Eben so, wo Krämpfe bei asthenischen Zuständen bestehen. — Asthenische Entzündungen schliessen seinen Gebrauch nicht aus, aber bei allen reinen, acuten Entzündungen und bei dergleichen Entzündungsfiebern ist derselbe schädlich. Es verhält sich jedoch hinsichtlich dieser Krankheiten bei verschiedener Dauer derselben u. s. w. ähnlich wie mit dem Kampher; denn die genannten Krankheitszustände können während ihres Verlaufes durch zu ausge­dehnte antiphlogistische Behandlung, durch Vernachlässigung und dgl. ihren Character dergestalt ändern oder solche Ausgänge machen, dass der Zustand zuletzt den oben bezeichneten allgemeinen Indicationen entspricht und den Gebrauch des Terpenthinöls nothwenig macht.
Die grosse Zahl der Thierkrankheiten, bei denen, nach den ange­deuteten Indicationen, der Gebrauch des Terpenthinöls Statt finden kanh, ist speciell nicht gut anzugeben; indessen hat die Erfahrung seine innerliche Anwendung vorzüglich in folgenden Fällen als nützlich er­wiesen:
1) bei gastrischen Krankheiten, die in Schwäche und Erschlaffung
1 Siehe meine Versuche hierüber in Dieffenbach: Ltie Transfusion des Blutes und die Infusion der Arzneien in die Blutgefässc. Berlin. 1828. S. 68 u f. Hebtwig. Arzneimittellehre.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;1-1
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des Magens und Darmkanals begründet sind, wie namentlich bei zu geringem Appetit; bei Verschleimung; bei Unverdaulichkeit; bei zu reichlicher Entwickelung von Blähungen, daher bei aus Schwäche ent­standener Wiudkolik der Pferde, und bei dem Aufblähen der Wieder­käuer ; bei Eingeweidewürmern aller Art, besonders aber bei dem Band­wurm und dgl. Es ist eins der wirksamsten und wohlfeilsten Mittel g'egea Würmer.
2)nbsp; nbsp;Bei chronischen Affectiouen der Leber, namentlich bei anhal­tender oder oft wiederkehrender Gelbsucht, bei oft wechselnder Fress­lust und damit verbundener Gelbfärbung der Maulschleimhaut; bei den Leberegeln {Distoma hepatician) der Schafe '; -—
3)nbsp; nbsp;bei Schwäche und zu geringer Thätigkeit der Nieren; bei Ver­schleimungen der Harnwege; bei dem asthenischen und veralteten Blut­harnen; bei sandigen Ansammlungen in der Harnblase; bei Erschlaffung oder Lähmung des Blasenhalses und hieraus entstandenem Unvermögen den Urin zu halten; —
4)nbsp; nbsp;bei cacheetischen Zuständen, wie namentlich tropiden Wasser­suchten; bei der Fäule und Lnugenwürmerkrankheit der Schafe und anderer Thiere; bei asthenischen und chronischen ödematösen An­schwellungen ; —
5)nbsp; nbsp;bei veralteter Druse; bei chronischer Bräune; bei Verschlei-muug der Luftröhre und Lungen; bei langwieriger Mauke, Flechten und Räude;
6 j bei chronischem und asthenischem Rheumatismus; bei der Rehe mit diesem Character; bei rheumatischeu Lähmungen und Lahmheiten;
7)nbsp; nbsp; bei asthenischen Entzündungen, kalten Rheumatismen, bei dergleichen asthenischen Fiebern (Schleimfieber, rheumatisches und katarrhalisches Fieber, Faul- und Nervenfieber, asthenisches Kalbe­fieber), wenn die Erschlaffung und Reizlosigkeit einen hohen Grad er­reicht hat, und zur Zeit der Krisis, oder wenn bei Innern Entzündungen der Ausgang in Ausschwitzung und Wassersucht bereits erfolgt ist;
8)nbsp; bei asthenischen Blutkraukheiten mit schmierigem, theerartigem Blut, namentlich bei den Anthraxkrankheiten, wenn sie einen torpiden Character zeigen, starke Extravasate, grosse Anschwellungen oder Kar­bunkeln bilden und langwierig werden;
9)nbsp; nbsp;bei manchen asthenischen und besonders bei chronischen Ner­venkrankheiten, namentlich bei Lähmungen; bei dem Dummkoller der Pferde (besonders wenn grosse Abgestumpftheit, unvollkommenes Be­wegungsvermögen oder Drehen nach einer Seite dabei besteht); und bei reiner Krampfkolik, besonders wenn sie an alten, abgematteten
1 Es ist jedoch zu bemerken, dass das Terpenthinöl niemals die Leberegel direct tödtet, selbst wenn man es in sehr grossen Gaben anwendet, sondern dass ihre Beseitigung erst allmälig, durch Erhöhung der Vitalität der Leber und durch Verbesserung der Verdauung erfolgt. Nach Anwendung von 2 Unzen des Mittelraquo; pro Dosi durch 6 Tage bei mehreren egelkranken Schafen wurden die Thiere mun­terer, frassen besser u. s. w. Man tödtete sie nun und fand bei der Section die sämmtlichen Eingeweide, auch die Leber, stark nach Terpenthinöl riechend, aber die Egel sämmtlich lebendig. —
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Pferden oft hintereinander erscheint oder bei denselben lange dauert. Man bat selbst bei Tetanus gute Dienste von ihm gesehen.
Die Gabe ist bei den verschiedenen Krankheiten und für verschie­dene Zwecke etwas verschieden; in den Fällen, wo man eine langsame und bleibende Uinstimmung, oder eine vormehrte Harnabsonderung bezweckt, z. B. bei Schwäche der Verdauung, bei Leberaffectionen, bei Wassersucht, Fäule und dergleichen, sind kleine Gaben, nämlich: für Pferde und Hinder i/j Drachme bis J/, Unze, für Schafe und Schweine
1nbsp; Scrupel bis 3 Drachmen, für Hunde 1—15 Tropfen, alle 3—ti Stun­den wiederholt, am nützlichsten; — dagegen haben sich bei Einge­weidewürmern, bei Windkolik und Trommelsacht, bei dem Milzbrand, und bei den sub 9. genannten Nervenkrankheiten grosse Gaben, näm­lich für Pferde und Rindvieh 1—4 Unzen, für Schafe und Schweine
2nbsp; Drachmen bis 1 Unze, für Hunde 5 — 30 Tropfen, täglich ein-bis zweimal gereicht, am wirksamsten gezeigt.
Gegen Wind- und Krampfkolik der Pferde sah ich zuerst von englischen Thierärzten das Terpenthinöl zu 3—4 Unzen mit Nutzen geben, und habe es dann sehr oft mit einem überraschend günstigen Erfolge in eben so grossen Gaben angewendet. Doch verlangt Asa: Mit­tel eine genaue Kenntniss des vorhandenen Zustandes, und besonders sichere Ueberzeugung von der Abwesenheit einer Entzündung.
Die Anwendung des Terpenthinöls kann in flüssiger Form, in Pillen, Latwergen und in Dunstform geschehen. Die Erstere verdient bei dringenden Zufällen, z. B. bei Kolik, bei Trommelsucht, bei Läh­mung, und zum Theil auch bei Eingeweidewürmern den Vorzug; da jedoch das Mittel in seiner reinen Gestalt den Thieren sehr zuwider und für die Maulschleimhaut viel zu reizend ist, besonders bei den kleineren und bei jungen Thieren, so giebt man es immer in Verbin­dung mit andern, namentlich mit bittern, aromatischen oder schleimigen Flüssigkeiten, in dem Verhältniss, dass etwa 1 Unze Terpenthinöl auf 4—6 Unzen von den letzteren kommen (bei kleinen und jungen Thieren noch mehr verdünnt). Die schleimigen Flüssigkeiten können in Mebl-tiank, Leinsamendecoct und dgl. bestehen; für kleine Thiere kann man aber auch das Terpenthinöl mit Eigelb oder arabischem Gummi und Wasser abreiben lassen. Bei Lungenwürmer- und Egelkrankheit der Schafe kann man das Mittel mit gleichen Theilen Spiritus frumenti oder mit bitterm Branntwein geben, oder auch ein Gemenge von Terpen­thinöl, Schwefeläther und Aloe (siehe Aether sulphuricus).
Uebrigens wird das Mittel mit solchen Arzneistoffen verbunden, welche dem Krankheitszustande entsprechen, z. B. mit Kampher, Wein­geist, aromatischen Mitteln, bei Lähmungen, bei torpidem Anthrax, bei Faulficber — mit bittern und aromatischen Stoffen bei gastrischen Zu­ständen; —#9632; mit Wachholderbeeren, mit tonischen Mitteln und dgl. bei Wassersuchten; — bei stinkendem Thieröl (anstatt des theuern Cha-bert'sehen Oels bei Würmern eine einfache, aber eben so wirksame Zusammenmengung von 3 Theilen Terpenthinöl und 1 Theil stinken­dem Thieröl); — bei Ansammlung von Sand in der Urinblase eine Ver­bindung mit Seife oder mit kohlensaurem Kali und dgl.
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Terpenthinöldämpfe haben sich bei veraltetem, bösartigem Ka­tarrh, bei Geschwüren in den Lungen und bei Faulfiebern nützlich ge­zeigt. Man erhält sie durch Aufgiessen des Oels auf heisse Steine.
Aeusserlich findet das Terpenthinöl eine häufige Anwedung, und zwar:
1)nbsp; nbsp;als sogenanntes Digestivmittel bei torpiden, jauchenden, fauligen Wunden und Geschwüren, wo man es bei einem hohen Grade der Unthätigkeit und Unempfindlichkeit für sich allein, oder in Ver­bindung mit Kiimpher, Kampherspiritus und dgl. anwendet, — bei ge­ringeren Graden aber in Verbindung mit Decocten von bittern oder adstringirenden Mitteln, mit Infusionen aromatischer Kräuter, oder auch, wie den Terpenthin, mit Honig oder Eigelb abgerieben, in Form von Digostivsalben oder von Digestivwasser benutzt.
2)nbsp; nbsp;Zur Beförderung der Abblätterung angegriffener Kno­chen, Knorpel und Sehnen, — wo es nach Verschiedenheit des be­stehenden Grades der Reizbarkeit ebenfalls bald rein, bald auf die vor­stehend bemerkte Weise verbunden mit andern Mitteln, angewendet wird (gegen bösartiges Klauenweh der Schafe 8 Theile 01. tereh., 2 Th. Acid, sulph. conc, 4 Th. Zinc, sidphuric. in ein wenig Wasser ge­löst, und gemengt. Täglich einmal auf die Geschwüre gestrichen).
3)nbsp; Beim kalten Brande, besonders in Wunden und Geschwüren, um die Abstossung des Abgestorbenen zu befördern, indem die unter demselben befindlichen Theile zu grösserer Thätigkeit und zu besserer Eiterung angeregt werden. Man benutzt es hierbei in der ersten Zeit einfach oder auch mit Kampher, Holzessig und dgl., später aber mit aromatischen Infusionen versetzt.
4)nbsp; Als erregendes Zertheilungsmittel bei alten, unschmerz­haften Geschwülsten und Verhärtungen, wo es theils für sich allein, theils in Verbindung mit Kampheröl, mit Ammonium-Liniment, mit grüner Seife, Merkurialsalbe und dgl. eingerieben wird.
5)nbsp; Als erregendes Mittel zum Einreiben in gelähmte, geschwun­dene, mit Rheumatismus oder mit schleichender Entzündung, oder mit ödematösen Anschwellungen behaftete Theile, um durch seinen Reiz eine stärkere Zuleitung der Säfte und grössere Thätigkeit zu bewirken.
6)nbsp; Als ableitendes Reizmittel zum Einreiben in die Haut, bei Entzündungen tiefer liegender Gebilde, noch mehr aber bei Kräm­pfen, z. B. Krampfkolik, bei Windkolik, bei krampfhafter Urinverhal­tung, bei Trismus und Tetanus und dgl. — Sowohl in diesen, wie auch in den sub 5. angegebenen Fällen, wird es mehrentheils allein, — bei Thieren mit feiner und sehr empfindlicher Haut aber auch mit Fett, fettem Oel, Kampherliniment und dgl. verbunden angewendet1.
1 Sowohl hier wie auch bei den sub 5. genannten Zuständen kann man bei sehr grossem Torpor das auf die Haut gestrichene Terpenthinöl auch als eine sogenannte Moxe gebrauchen, indem man es anzündet und hierdurch die reizende Wirkung auf den höchsten Grad steigert. Man beachte aber hierbei die nöthige Vorsicht gegen Feuersgefahr und gegen zu tiefes Verbrennen der Haut des Thieres, indem man das­selbe auf einen freien Platz führt und, wenn die Flamme etwa 3 Minuten gebrannt hat, dieselbe mit einem nassen Sack oder einer nassen Decke ausdrückt.
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7)nbsp; nbsp;Es dient als das gewöhnlichste Mittel zum Bestreichen der Haarseile uud Fontanelle, um dadurch eine stärkere Reizung zu er­regen.
8)nbsp; Bei hartnäckigen Flechten uud bei Räude ist es ein ganz vor­zügliches Mittel und wird, wenn geringe Empfindlichkeit der Haut, oder ein hoher Grad des Uebels zugegen ist, am besten im reinen Zu­stande auf die kranken Stelleu eingerieben, in andern Fällen aber mit Fett, oder noch besser, mit grüner Seife, mit grauer Quecksilbersalbe, oder mit scharfer Lauge u. s. w. versetzt, bald als Salbe, bald als Wasch­mittel angewendet. Die Einreibung des reinen Terpenthinöls geschieht im Anfang der Kur zwei- bis dreimal nach einander, in Zwischenzeiten von 2-t Stunden, worauf es, weil Entzündung der Haut entsteht, durch 6—8 Tage ausgesetzt, dann aber auf dieselbe Weise in Zwischenzeiten von einigen Tagen noch zwei- bis dreimal wiederholt wird Gewöhn­lich erfolgt, selbst bei hartnäckiger Räude, die Heilung in Zeit von 3—4 Wochen. Dabei ist aber zu bemerken: 1) dass die nach dem Abgehen der Schorfe erscheinende zarte Oberhaut zuweilen noch zwei- bis dreimal zu dünnen Schuppen vertrocknet und sich ablöst, — und 2} dass Hunde, Katzen, Schafe und Ziegen, und selbst auch Pferde bei der Ausbreitung der Räude über grosse Flächen, nicht in dem ganzen Umfange dersel­ben auf einmal mit dem Terpenthiuöl behandelt werden dürfen, weil die Thiere hierdurch zu sehr irritirt werden. — Bei der Verbindung des Mittels mit Fett, Seife u. s. w. richtet man sich nach der Empfindlich­keit und Zartheit der Haut, und nimmt hiernach bald nur den vierten Theil Terpenthinöl, bald die gleiche Menge zu den übrigen Substanzen.
9)nbsp; Da das Terpenthinöl harzige, schleimige und fette Stoffe leicht auflöst, so kann man es auch als ein Reinigungsmittel benutzen, wenn in den Haaren, an der Haut und an den Geschwürrändern festsitzende Schorfe und Krusten von vertrocknetem Eiter, oder von früher ange­wendeten Salben und dgl. entfernt werden sollen. Man befeuchtet zu diesem Zwecke die betreffenden Stellen mit dem Oel, und wäscht sie dann mit warmem Seifenwasser ab, oder man löset auch und entfernt vorher die gröberen Unreinigkeiten mit einem Spatel oder mit einer Haarseilnadel. (1 Unze 1 Sgr. 8 Pfg., 1/2 l5fd. 7 Sgr. 6 Pfg., im Kauf­laden viel billiger.)
Als Arzneipräparate, in denen das Terpenthinöl einen Hauptbe-standtheil bildet, sind zu nennen:
1) Das ozonisirte Terpenthinöl (01. Terebinthmae ozonisa-ium){0). Dasselbe entsteht, wie S. 207 angedeutet, indem das Terpen­thinöl Sauerstoff aus der Luft aufnimmt, man erhält es aber schneller und vollständiger auf folgende Weise. Man legt in eine etwa 4 Quart haltende Flasche 1 Drachme Phosphor, lässt daraus während einiger Stunden das sogenannte Ozon sich entwickeln, giesst dann 2 Unzen Terpenthinöl hinein und schüttelt dasselbe um, wobei das Ozon absor-birt wird. Das Oel wird dann abgegossen und filtrirt. Es ist bedeutend wirksamer als das Terpenthinöl. und macht schon in geringer Menge in die Haut eingerieben, Röthung und Schmerz. Innerlich wird es am besten in Emulsion gegeben, in etwas kleineren Gaben als das gemeine
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Terpenthinöl. Es ist jedoch in der thierärztlicheu Praxis bisher kaum angewendet.
2)nbsp; Der terpenthinölhaltige Schwefelbälsam, oder das ter-penthinölhaltige geschwefelte Leinöl [Balsamus sulphuris te-rebinthinatus, Oleum Terebinthinae sulphuratum) (0), zusammenge­setzt aus: 1 Theil geschwefeltem Leinöl (s. Schwefel) und 3 Theilen Terpenthinöl, wirkt kräftig erregend auf die Schleimhaut der Lungen, auf die Nieren und auf die äussere Haut und kann innerlich fast in allen Fällen angewendet werden, wo das Terpenthinöl selbst angezeigt ist, verdient aber den Vorzug vor ihm, wenn man besonders die Haut­ausdünstung vermehren will. Das Mittel ist jetzt wenig gebräuchlich. Man giebt es den grossen Thieren von 2 Drachmen bis 1 Unze, Schafen und Schweinen von ^g — 2 Drachmen, Hunden von 10—20 Tropfen täglich drei- bis viermal. Aeusserlich wird es bei Käude und Flechten mit gutem Erfolge eingerieben.
3)nbsp; nbsp;Die Terpenthinseife oder der äussere Lebensbalsam { Sopo terebinthinatus s. Balsamus vitae externus) besteht nach der Preuss. Pharmacopöe aus spanischer Seife und Terpenthinöl, von jedem 6 Theile, und kohlensaurem Kali 1 Theil (1 Unze 2 Sgr. 6 Pfg.), — kann aber einfach und wohlfeil blos aus grüner Seife und Terpenthinöl in verschiedenen Verhältnissen, je nachdem man das Mittel mehr oder weniger stark reizend haben will, zusammengesetzt werden. In der Berliner Thierarzneischule wird er nach folgender Formel bereitet: Man nimmt grüne Seife 8 Th., Terpenthinöl 6 Th., gereinigte Potasche 1 Th. und mischt diese Stoffe zusammen. — Er dient nur zum äusser-lichen Gebrauch, wirkt sehr kräftig erregend-zertheilend, und wird mit sehr gutem Erfolge bei Stollbeulen (die aber nicht in speckartigen oder knorpelartigen Massen bestehen dürfen), bei Piphacken, Sehnenklapp, verhärteten Gallen, Drüsenknoten u. s. w., als Einreibung angewendet. — Durch Zusatz von Kampher, oder Salmiakgeist, Hirschhornsalz und dgl. reizenden Mitteln, kann seine Wirksamkeit noch sehr ver­stärkt werden.
4)nbsp; nbsp;Der sogenannte Wundbalsam [Balsamus vulnerarius) (0) ist ein Gemenge von Terpenthinöl und gummi - harzigen Tincturen; nach der in der Berliner Thierarzneischule gebräuchlichen Zusammensetzung besteht er aus gleichen Theilen Terpenthinöl, Aloetinctu:-, Myrrhen-tinetur und Asanttinctur. Er wirkt erregend und austrocknend, und kann in Wunden und Geschwüren, in denen zu geringe Thätigkeit be­steht, oder wo Knochen, Knorpel und Bänder von Ulceration ergriffen sind, die Exfoliation aber zu langsam von statten geht, eben so bei Wunden und Geschwüren im Hufe zur Zeit der beginnenden Vernar­bung, mit Nutzen gebraucht werden; dagegen ist er bei frischen Wun­den und wo noch Entzündung zugegen ist, nachtheilig.
7) Flrhtrnsprosspn oder Fichtenknnspen , Turiones Fini (0).
sect;. 256. Die jungen Sprossen oder Knospen, an den Spitzen der Zweige der Fichten und Tannen, ehe sich daselbst Nadeln entwickeln, enthal-
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ten Harz und ätherisches Üel (Terpenthiuöl) in Verbindung mit Pinin-säure, und wirken dem Terpenthin ähnlich, gelind reizend, vorzüglich die Urinsecretion, und einigermaassen auch die Hautausdünstung ver­mehrend. Man kann sie innerlich hei denselben Krankheiten gebrauchen, wo der Terpenthin nützlich ist, und da sie auf dem Lande fast überall leicht und wohlfeil zu haben und leicht anzuwenden sind, so verdienen sie von den Thierärzten mehr beachtet zu werden als bisher. Aus eigener Erfahrung kann ich ihre Wirksamkeit im zweiten Stadium der chro­nischen Lungenseuche des Rindviehes sehr rühmen.
Keine Entzündungskrankheiten verbieten ihren Gebrauch eben so, wie den der übrigen harzigen Mittel.
Man giebt die Fichtensprossen den Pferden und Rindern zu 2—4 Unzen, Schafen und Schweinen zu Va—iVa Unzen, Hunden '/j — 2 Drachmen, täglich zwei- bis viermal, und am besten im Ue';oct. Man lässt sie zuerst mit etwas hinzugesetztem Weingeit dünn zerreiben oder zerquetschen und dann mit der zehn- bis zwölffachen Menge Wasser, Seifenwasser (raquo;der Bier in einem gut bedeckten Topfe durch l,i—'^ Stunde kochen. Durch blossen Aufguss von heissem Wasser werden die harzigen Theile nicht ausgezogen.
Anmerkung. Das hiirzige Holz von Fichten, Kiefern und Tannen (Kien­holz, Liynwm resinosum Pint eto.), besitzt laquo;lieselben Bestaniltheile, wirkt eben so, und kann bei denselben Krankheiten wie die Fichtenknospeu, als ein wohlfeiles Hausmittel benutzt werden, wenn andere passende Arzneimittel fehlen. Es wiri? in noch einmal so starken Gaben wie die Fiehtensprossen, ebenfalls in Abkochung angewendet; vor dem Kochen muss es in kleine Spähne zerschnitten, das Decoct aber vor der Anwendung gut durchgeseihet werden.
H) Elemiharz, Sesina Elcmi.
sect;. 257.
Es hat im Wesentlichen die Eigenschaften der balsamischen Mittel überhaupt, wird innerlich gar nicht, äusserlich nur bei torpiden Wun­den und Geschwüren in Salbenform angewendet, und findet nur des­halb eine Erwähnung, weil es ein Bestandtheil der ehemals sehr häufig gebrauchten Elerrwsalbe, oder des sogenannten Arcaeus-Balsam (Unguentum Elemi s. Balsamus Arcaei) ist. Diese Salbe besteht nach der Preuss. Pharmacopöe aus gleichen Theilen Elemiharz, Terpenthin, Schöpsentalg und Schweineschmalz; sie befördert die. Eiterung und die Granulation, hat aber in keiner Hinsicht vor den terpenthinhaltigen Digestivsalben einen Vorzug. (Elemi 1 Unze 1 Sgr. 8 Pfg., Ung. Elemi 1 Unze 2 Slt;rr. 8 Pfg.)
sect;. 258.
Ausser den hier (sect;. 254 — 257) bezeichneten balsamischen Arz­neimitteln, giebt es noch mehrere andere, welche jedoch zum Gebrauch bei Thieren zu theuer, aber auch recht gut zu entbehren sind, da sie sämmtlich durch den Terpenthin ersetzt werden können. Es gehören hierher: a) der Copaivabalsam {Balsamus Copaivae), b) Perubal­sam [Balsamus peruvianus), c) Tolubalsam [Bals. de Tolu s. Bals. tolutanus), d) Mekkabalsam oder Mekkaharz (Bals. de Mekka s.
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gileadense), e) die Benzoe oder der wohlriechende Asaut (Resina. Benzoea s. Asa dulcin1), f) St or ax {Resina Storax s. Styrax), g) Mastix, Mastixliarz oder Mastixgummi (Resina Mastiches), h) Weihrauch {Thus s. Resina Olibani), i) Bernstein (Sttccinum) und manche andere. Auch die aus diesen Mitteln bereiteten Präparate sind völlig entbehrlich.
C. Gummi- oder Schleimharze.
Eine natürliche Verbindung von harzigen mit gummigeu Stoßen findet sich in mehreren Arzneimitteln, welche in den wärmern Klimaten aus verschiedenen Pflanzen (vorzüglich aus Schirmpflanzen) als eine zähe oder milcliichte Flüssigkeit ausschwitzen, und dann an der Luft sich verdicken und fest werden. Diese Mittel enthalten neben dem Harz und Gummi noch ätherisches Oel als vorzüglich wirksamen Bestand-theil, und ausserdem noch andere Stoft'e, die nicht beständig zugegen sind. Auch die genannten Hauptbestandtheile zeigen in den einzelnen Mitteln eine grosse Verschiedenheit, sowohl in dem Verhältniss der Menge zu einander, wie auch in ihrer Qualität; und besonders erscheint ihr ätherisches Oel verschieden. Hierdurch wird auch eine verschieden­artige Wirksamkeit dieser Mittel bedingt.
Im Allgemeinen zeigen sie eine grosse Aclmlichkeit mit den Wir­kungen vieler aromatischer Mittel, der Balsame und Harze; sie durch­dringen aber nicht so schnell den Körper wie die ätherischen Oele, weil sie, ganz wie die harzigen Mittel, ihre vollständige Wirkung erst durch den Verdauungs - und Assimilationsprocess und dann durch den Uebergang in das Blut entwickeln; — von den harzigen Mitteln unter­scheiden sie sich dadurch, dass sie weniger heftig reizend auf einzelne Absonderungsorgane, sondern mehr gleichmässig erregend auf die Ner­ven und Gefässe der sämmtlichen Reproductionsorgane wirken. Bei ihrem Gebrauch sieht man an kranken Tbiereu die Verdauung besser, die Beschaffenheit der Säfte, die Ernährung und die Bildung regel-mässiger werden, ohne dass reichliche Absonderungen dabei entstehen; im Gegentheil werden häufig krankhafte und zu reichliche Absonderun­gen, namentlich der Schleimhäute, durch sie vermindert. — Ausserdem zeigen einzelne dieser Mittel noch eine etwas stärkere Beziehung zum Ganglien-Nervensystem, indem sie krampfhafte Zufälle, besonders in den Eingeweiden der Brust-, Bauch- und Beckenhöhle beseitigen. — Hoch hatte man ehemals die Wirksamkeit dieser Mittel, namentlich in ihrer Wirkung auf das Nervensystem, fast allgemein viel höher geschätzt, als sie in der Erfahrung an kranken Thieren sich bestä­tiget. Jetzt werden sie nicht häufig angewendet, weil sie zu tbeuer und grösstentheils durch ähnlich wirkende, wohlfeilere Mittel zu er­setzen sind.
1 Bemerkenswerth wegen Benzoesäure und des Benzins (s. v. Klasse).
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9) StinkiiMiriK stinkender Asant, Teufelsdreck, Aamp;afoettäa a. G-mnmi-resina
Asae foetidae,
sect;. 259.
Der Stinkasant enthält viel Harz (über die Hälfte), — gegen ein Dritttheil Gummi und Schleim, — und eine kleine (Quantität (unge­fähr den fünfundzwanzigsten Theil) ätherisches Oel. Letzteres besitzt den eigenthümlichen, knoblauchartigen Geruch des Mittels iu grösster Stärke. Es ist unter den übrigen gummiharzigen Mitteln das wirk­samste und zeichnet sich vor allen durch seine, bei kranken Thieren sehr deutlich erkennbare Wirkung- auf die Nerven der Brust- und Baucheingeweide aus. Diese Wirkungen kommen im Allgtmeinen mit denen überein, welche im vorhergehenden sect;. angedeutet worden sind. Bei der innerlichen Anwendung wird er zwar verdauet, jedoch eben so wenig wie die ätherischen Oele, Kampher und Harze völlig zersetzt; denn sein Geruch theilt sich der Lungenausdünstung, und zum Theil auch der Hautausdünstung mit; im Urin und in der Milch konnte ich ihn selbst nach anhaltender Anwendung grosser Gaben (bei Pferden und Kühen bis 5 Unzen auf den Tag) nicht erkennen; dagegen dringt er aber in die Muskeln und fast in alle übrigen Gebilde des Körpers sehr ein, und selbst der in den Geschwüren abgesonderte Eiter nimmt zuweilen diesen Geruch an. Der Asant geht also in das Blut über, und dennoch scheint dabei weder die Thätigkeit des Herzens und der grösseren Gefasse sehr afficirt, noch das Blut selbst von seiner gewöhn­lichen Beschaffenheit abweichend zu werden. — Wird der Asant in den bezeichneten grossen Gaben angewendet, so kann er selbst, wie der Terpenthin, durch zu starke Reizung des Verdauungskanals Laxiren veranlassen: bis zur Entzündung scheint aber diese Reizung nicht leicht zu kommen.
Der Asant wird im Allgemeinen bei astheuisch-nervösen Störun­gen des Kejjroductionsprocesses mit Nutzen angewendet und sowohl wenn dieselben in den Verdauungseingeweiden, wie auch wenn sie weiter in den drüsigen und häutigen Gebilden, besonders in den Schieinhäuten ihren Sitz haben. Der Erfahrung zufolge hat er namentlich gute Dienste geleistet: bei derjenigen Appetitlosigkeit, die ohne erkennbare mate­rielle Ursachen besteht und daher hauptsächlich eine nervöse Verstim­mung zu sein scheint; — bei Schwäche und Verschleimung des Darmka­nals; — bei starker Entwickelung von Säure und Blähungen und bei öfters eintretender Windkolik; — bei Eingeweidewürmern und Wurm­kolik; bei Kramjjfkolik und krampfhafter Hannerhaltung; -— bei dem Koppen der Pferde; — bei dem sogenannten Magenkoller; — bei Epi­lepsie, wenn sie aus einem Leiden der Verdauungseingeweide entstan­den ist; — bei chronischer Gelbsucht; — bei dem Lungenkrampf; — bei dem nervösen Dampf; — bei chronischem, krampfhafem Husten; — bei chronischem Rheumatismus und bei veralteter Druse. — Ausserdem ist er bei den bösartigen Schafpocken, und bei andern bösartigen Ge­schwüren empfohlen.
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Aber bei den meisten von diesen Krankheiten ist der Asant, weBn auch seine gute Wirkung nicht bezweifelt werden kann, doch mehren-theils durch das Terpenthinol, das stinkende Thieröl, die bittern und aromatischen Mittel zu ersetzen. Besonders scheint der Knoblauch, in Verbindung mit bittern und mit aromatischen Stoffen ein sehr passen­des Ersatzmittel für ihn zu sein.
In acuten Entzündungskrankheiton ist der Asant schädlich, und bei Jagdhunden soll er auch ausserdem, besonders wenn sein Gebrauch durch längere Zeit fortgesetzt wird, dadurch nachtheilig sein, dass er ihren feinen Geruch zu sehr abstumpft.
Die Gabe ist für Pferde von 2 Drachmen bis ^ Unze, für Rind­vieh von 3 Drachmen bis 1 Unze, für Schafe und Schweine ^—2 Drachmen, für Hunde 1—10 Gran, täglich zwei- bis viermal, und bei heftigen Krämpfen alle Stunden wiederholt.
Anwendung: in Pillen, Latwergen und in Flüssigkeiten, aber nicht in Pulverform, weil das Mittel durch seinen Geruch allen Thieren sehr zuwider ist und deshalb von ihnen nicht gefressen wird. Die flüssige Form verdient bei Krämpfen, und überhaupt bei dringenden Zufällen den Vorzug, weil der Asant in ihr am schnellsten und gleichmässigsten wirkt. Hierzu lässt man ihn entweder einfach mit lauwarmem Wasser, mit schwachem Branntwein oder mit einem aromatischen Infusum zu-sammenreiben, oder man benutzt dabei noch schleimige Mittel, um ihn mit diesen Flüssigkeiten schneller und vollständiger zu verbinden, weil sich in wässerigen Flüssigkeiten nur seine gummösen Theile auflösen und eine Art Milch bilden, in welcher das Harz fein zertheilt schwimmt, aber nach kurzer Zeit grösstentheils zu Boden fällt. Deshalb müssen solche wässerige Mixturen vor dem Eingeben gut umgeschüttelt wer­den. Durch hinzugesetzte schleimige Stoffe wird die Ausscheidung des Harzes verhindert. Zu 1 Unze des Asant nimmt man 12 — 24 Unzen Flüssigkeit und 1 Unze arabischen Gummi, oder 2 Unzen Althee-wurzelpulver, oder das Gelbe von 1—2 Eiern1. Man versetzt ihn bei nervösen Zufallen mit aromatischen Mitteln, auch mit Kampher, Terpenthinol, stinkendem Thieröl und Opium, oder bei Fehlern der Verdauungs- und Respirationsorgane mit bitter-aromatischen Mitteln, Spiessglanzpräparaten, mit Schwefel und dgl.
Aeusserlich wird der Asant sehr wenig gebraucht; dagegen hat er sich, abgerieben mit Wasser, mit aromatischen oder mit schleimigen Flüssigkeiten und als Clystir angewendet, bei heftiger Wurm- und Krampfkolik und bei Diarrhöe, die mit Schwäche des Darmkanals und mit krampfhaften Zufällen verbunden war, in mehreren Fällen sehr wirksam gezeigt. Man nimmt zu einem Clystir für Pferde 2 Drachmen, für Schafe 1 Drachme, für Hunde ^ Scrupel bis •/j Drachme. — Ehedem wurde er auch als Speichel erregendes Mittel zu den soge­nannten Käugebissen benutzt. (1 Unze 2 Sgr. 2 Pfg.; — depurnta 1 Unze 3 Sgr. 6 Pfg.)
1 Essig löst zwar den Asaut auch auf, aber er ist der erregenden Wirkung dieses Mittels nicht entsprechend.
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Von den officinellen Präparaten ist in der Thierheilkunde nur die Asanttinctur {Tinctura Asae foetidae) gebräuchlich. Sie ist eine Auf­lösung von 1 Theil Asant in 6 Theilen wässerigen Weingeistes, wirkt wie der Asant selbst, aber etwas flüchtiger, und kann bei denselben Krankheiten wie dieser benutzt werden. Pferden und Kiudvieh giebt man pro dosi 1 — 2 Unzen, Schafen und Schweinen 1 Drachme bis ^2 Unze, Hunden 5 — 20 Tropfen. Man benutzt sie aber innerlich nur selten, aber mehr äusserlich, bei cariösen, bei zu wenig thätigen, un­reinen und mit Maden behafteten Geschwüren, bald für sieh allein, bald mit Terpenthinöl und andern Mitteln verbunden, w. z. B. in dem sogenannten Wundbalsam. (1 Unze 2 Sgr. 6 Pfg.)
10) Mvrrnp, Illvrrhrn^iiiiiiiii, Myrrha, Gummi Myrrhac s. Gummi-resitia Myrrhae.
sect;. 260.
l)ie Myrrhe ist viel reicher an Gummi als an Harz, enthält aber ausscr dem eigentlichen Harz noch ein bitter-balsamisches Weichharz, welches innig mit einem milden ätherischen Oel verbunden und wahr­scheinlich ihr wirksamster Bestandtheil ist. Durch den reichen Gehalt an Gummi wird ihre leichte Auf löslichkeit in Wasser, Bier, Wein und Essig, so wie ihre unvollständige Auflösung in starkem Weingeiste bedingt. — Sie wirkt weniger erregend auf das gesammte Nervensystem als der Asant, sondern ziemlich gleichmässig auf die Irritabilität der Brust- und Baucheingeweide, vorzüglich aber auf die Lungen und deren Schleim­haut. Doch entstehen selbst nach grossen Gaben bei gesunden Thieren keine besonderen Zufalle; man sieht nur bei ihrem Gebrauch an solchen Thieren, die mit asthenischen Krankheiten behaftet sind, den Appetit vermehrt, die Verdauung gebessert, die Schleimhäute röther, die zu reichlichen Absonderungen vermindert und den Auswurf leichter und freier, bei echten Entzündungen aber die Symptome verstärkt werden. Im Ganzen ist die Wirkung der von einigen bitter-aromatischen Mitteln wie namentlich der der Schafgarbe, des Kalmus, der Angelika und des Alant ähnlich.
Die Myrrhe ist bei zu geringem Appetit, bei schwacher und un-regelmässiger Verdauung und bei Blähungen, wenn diese Zufalle in einem massigen Grade von torpider Schwäche des Verdauungskanals begründet sind, — vorzüglich aber bei chronischen und asthenischen Lungenkrankheiten, wie z. B. bei Verschleimung, bei dem feuchten und schleimigen Dampf, bei anhaltendem Husten, der mit reichlicher Ab­sonderung in den Bronchien, aber mit nur geringem Auswurf verbun­den ist, und bei Lungengeschwüren empfohlen. Sie leistet auch bei diesen Krankheiten gute Dienste, ist aber durch wohlfeilere, nament­lich durch Kalmus-, Alant-, Angelika- und Meisterwurzel, durch Fen­chel, Wachholderbeeren, Wasserfenchel, Terpenthin, Thecr und der­gleichen zu ersetzen, je nachdem der Grad der Reizbarkeit und Em­pfindlichkeit die Anwendung dieser Mittel gestattet.
Die Myrrhe kann innerlich in denselben Gaben und in denselben Formen wie der Asant, und in Verbindung mit isländischem Moos, mit
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andern bittern und aromatischen Mitteln, mit Schwefel und dgl. ange­wendet werden.
In Wunden und Geschwüren wirkt sie erregend und zugleich tonisch; sie verstärkt den Bildungstrieb, macht die Granulation fester, die zu dünn und zu reichlich abgesonderte Jauche mehr eiterartig. Man benutzt sie daher bei asthenischen, torpiden Geschwüren, besonders wenn in ihnen zu starke Auflockerung und Verjauchung besteht. Sie wird hierbei entweder a) als Pulver, für sich allein oder in Verbindung mit dem Pulver von aromatischen Pflanzen eingestreut; — oder b) mit der sechs- bis achtfachen Menge Wasser, oder Kalkwasser, schwachem Branntwein oder aromatischen Flüssigkeiten abgeriehen, als Digestiv­wasser zum Verbinden benutzt; — oder c) sie wird als Pulver zu Salben gesetzt, z. B. 1 Th. Myrrhe zu 4—6 Th. Basilicumsalbe; — oder d) sie wird als Myrrheutinctur {Tinctura s. Essentia Myrrhae) zum Be­streichen, Ausspritzen und Verbinden augewendet. — Diese Tinctur wird aus 1 Th. Myrrhe und 6 Th. Weingeist bereitet, enthält nur die harzigen Theile des Mittels, ist etwas stärker reizend als dieses selbst, und kann daher bei grosser Erschlaffung in Geschwüren und Wunden vor den übrigen Anwendungsarten einen Vorzug haben.
Bei in der Heilung begriffenen Wunden und Geschwüren im Hufe und an den Klauen, befördert sie das Pestwerden des jungen Horns.
In frischen Wunden und überall, wo active Entzündung, grosse Empfindlichkeit oder Neigung zu Verhärtungen besteht, darf die Myrrhe nicht angewendet werden. Sie ist ein zu theures Mittel. (1 Unze 3 Sgr. 10 Pfg., grob pulv. 4 Sgr. 10 Pfg., fein pulv. 5 Sgr. 8 Pfg; — Timt. Myivhae 1 Unze 2 Sgr. 8 Pfg.)
Anmerkung. Ausser der Tinctur hat man noch: 1) das Myrrhenöl, die Myrrhenflüssigkeit oder den Myrrhenbalsam (Oleum Myrrhae per deliqnimn. Liquor s. Liquamen Myrrhae), eine auf verschiedene Weise bereitete coucentrirte wäs­serige Auflösung der Myrrhe (1 Unze 3 Sgr. 8 Pfg-); 2) das wässerige Myrrhen-extraet (Extraclmu Myrrhae uquosum), in dem die Myrrhe durch Hülfe der Wärme in wenig Wasser aufgelöst und dann zum Theil wieder eingetrocknet ist (1 Drachme 1 Sgr. 10 Pfg.)i und 3) das destillirte Myrrhenöl {OleumMyrrhae aethereum)^).
Dieselben sind zum thierärztlichen Oebrauch ganz überflüssig.
11) Aiiiiiioniakguiumi, Gummi-resina Ammonia ei {quot;); und 12) Dliittcrharz, GaWumim s. Gfummi-resina Galbain.
sect;• 261. Beide sind in ihren Eigenschaften und Wirkungen dem Asant eiuigermaassen ähnlich, aber weniger kräftig als dieser. Beide Mittel werden daher jetzt sehr wenig, wohl nur innerlich, bei ähnlichen Krank­heiten , wo der Asant und die Myrrhe nützlich sind, angewendet. Die Gabe und Anwendung ist wie bei dem Asant. — Ehemals benutzte man sie auch äusserlich als erregend zertheilende Mittel bei Verhär­tungen, Piphacken, Gallen und dgl., und namentlich empfiehlt Kersting (Nachgelassene Manuscripte S. 360) eine Auflösung von 4 Loth Gal-banum in 8 Loth Spiritus als ein zuverlässiges Heilmittel zur täglichen Anwendung bei stark geschwollenen Piphacken. (1 Unze 3 Sgr. 2 Pfg.)
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Anmerkung Die übrigen Gummiharze, wie das Sagapenum (Gummi-resirui Sayapeni), das Ponax-Gummi (Gurumi-resina Opojwnax), das Eplieu-harz {Oumvii-resina Uederac) und mehrere andere sind für den thierärztlichen Ge­brauch ganz entbehrlich.
Vierte Abtheilung.
Brenzliche oder empyreumatisch - ölige Mittel. [Jimpyreumata s. Medicamina eiapyreumntir.a.)
I
sect;. 262.
Die brenzlichen Substanzen kommen sowohl von der Natur er­zeugt als sogenannte flüchtige Erdharze (Bitumina) und als brenz­liche ätherische Oele (Olea aether, empyrewiuttica), in der Erde, auf deren Oberfläche, in Eelsenritzen und auf dem Wasser schwim­mend vor, — theils werden sie bei der Verkohlung organischer Körper in verschlossenen Eäumen durch die sogenannte trockene Destillation künstlich erzeugt. Die brenzlich-ätherischen Oele bestehen aus Kchlen-stoft', Wasserstofi' und Sauerstoff und erscheinen im reinen Zustande als eine Flüssigkeit, die in den meisten Eigenschaften den ätherischen Pflanzenölen sehr nahe steht, sich aber von diesen durch einen soge­nannten brenzlichen oder branstigen Geruch und durch einen grösseren Gehalt an Kohlenstoff unterscheiden. — In nicht gereinigtem Zustande, wo sie gewöhnheh mit Kohlenstoff übersättigt und zugleich mit andern Stoffen verbunden sind, stellen sie eine braune oder schwarze, mehr oder weniger dickliche und höchst widrig riechende Flüssigkeit dar, die mit den ätherischen Pflanzenölen nur sehr wenig Aehnlichkeit besitzt.
Die natürlichen empyreumatischen Oele hnden sich bald flüssig, bald an feste Stoffe, namentlich an Kohle und harzige Substanzen ge­bunden. -— Das aus Pflanzen erzeugte brenzliche Oel kommt gewöhn­lich in Verbindung mit Essigsäure, Harz und dgl. vor, und wenn die Pflanzen, aus denen es bereitet ist, ein ätherisches Oel enthielten, so nimmt es einige Theile von dem letztern in sich auf und giebt dies durch einen, diesem ätherischen Oel verwandten Geruch zu erkennen. In denen, die aus thierischen Substanzen bereitet sind, findet sich oft auch Phosphor und immer Stickstoff, welcher letztere sich oft mit dem Wasserstoff und Kohlenstoff zu Ammoniak oder zu Blausäure verbindet. Die rohen empyreumatischen Thieröle können von diesen Nebenpro-dueten, so wie von dem übermässigen Gehalt an Kohlenstoff', und das vegetabilisch brenzliche Oel von dem Harz, der Essigsäure und dgl. durch eine wiederholte Destillation befreiet (rectificirt), ganz rein und flüchtig, den ätherischen Oelen ähnlich gemacht werden.
sect;. 263. Die Wirkung der brenzlichen Oele lässt sich im Allgemeinen als eine sehr flüchtig reizende bezeichnen, die mit denen der ätherischen
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Pflanzenöle und dos Kamphers die meiste Aehnliehkeit hat. Diese er­regende Wirkung- erscheint zwar über den ganzen Körper verbreitet, iiussert sich aber vorherrschend und eigends im Nervensystem; denn alle Functionen desselben werden bald nach der Anwendung eines sol­chen Oels mit grösserer Lebhaftigkeit, auch wohl mit mehr Kraft und Dauer ausgeübt; besonders wird die krampfhaft verminderte und un-regelmässige Empfindlichkeit erhöhet und wieder geregelt und Krämpfe werden oft beseitiget. Es ist daher sehr wahrscheinlich, dass die brenz-lichen Oele auf die zum Nervensystem gehörigen Organe nicht blos erregend, sondern auch stärkend wirken. — Auf die Blutgefässe, und somit auf die Irritabilität und auf den Bildungsprocess, wirken sie eben­falls erregend, wie dies der hiernach entstehende schnellere Puls, die Verstärkung der Hautausdünstung, der Urinabsonderung und zum Theil auch die vermehrte Secretion der Schleimhäute und die verstärkte Re­sorption beweisen; aber diese Erregung ist viel schwächer, als die im Nervensystem erzeugte.
Zu grosse Gaben der brenzliehen Oele verursachen bei den Säuge-thieren Zuckungen, Krämpfe, beschwerliches Athmen, Erstickungszu­fälle und zuweilen selbst den Tod, — wie es scheint, theils durch Ueberreizung und Lähmung, theils durch Entmischung des Blutes.
Auf Insekten und Würmer (namentlich auf Eingeweidewürmer), auf Frösche und die meisten Vögel wirken diese Oele auch in kleinen Gaben als tödtendes Gift.
Die Mittel, in denen brenzliches Oel neben andern Substanzen enthalten ist, wirken im Allgemeinen ähnlich, jedoch weniger flüchtig durchdringend und wohl auch durch die anderweitigen Stoffe etwas modificirt.
sect;• 264.
Die Entwickelung dieser Wirkungen erfolgt zum Theil durch un­mittelbare Berührung empfindliche]' Theile des Körpers, hauptsächlich aber durch den Uebergang- des brenzliehen Oels in das Blut. Der letz­tere wird gewöhnlich in den Verdauungseingeweiden vermittelt, und giebt sich durch den stark brenzliehen Geruch des Athenis zu erkennen. Die Verdauungseingeweide selbst werden durch diese Oele in stärkere Thätigkeit versetzt, ertragen aber ziemlich grosse Gaben von ihnen, ohne zu sehr gereizt oder entzündet zu werden. Von sehr grossen Gaben wird gewöhnlich ein Theil des Oels unverdaut mit den Darm-Excrementen wieder entleert und macht sich auch hier durch seinen Geruch bemerkbar. — Am schnellsten erfolgt die Wirkung der brenz­liehen Oele durch Injection in die Venen; sie ist aber, wenigstens bei den grossen Hausthieren, und von den nicht rectificirten Oelen viel schwächer, als von gleichen Quantitäten eines ätherischen Pflanzenöls, wenn es auf dieselbe Weise angewendet worden ist. Die ausgeathmete Luft nimmt bei der Injection fast augenblicklich den empyieumatischen Geruch an. Auf die Haut und in Wunden oder Geschwüre gebracht, erzeugen die brenzliehen Oele eine örtliche Reizung' in verschiedenem Grade; sie werden aber hier, selbst bei längerer Dauer der Berührung,
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nur zum Theil resorbirt, uud die hiernach entstehende allgemeine Wir­kung ist nur gering. -
sect;. 2G5. Die verschiedenen empyreumatisehen Mittel haben unter einander eine grosse Aehnlichkeit in der Art der angedeuteten Wirkung, zeigen sich aber im Grade uud in der Ausbreitung derselben etwas verschieden. Am stärksten und ausgebreitetsten auf das ganze Nervensystem wirkt das thierisch - brenzliche Oel, weniger das vegetabilische, uud noch weniger das natürliche (mineralische?). Das letztere scheint, ähnlich den balsamischen Mitteln, seine Wirkung hauptsächlich auf die Rumpf­nerven zu richten, während die des ersteren siel.' auf das Gehirn und die Sinnesorgane erstreckt. Dagegen ist aber die örtliche Reizung von dem natürlich-breuzlichen Oel am stärksten. — Ausserdem wirken die ganz reinen (rectificirten) empyreumatisehen Oele weit flüchtiger und mehr auf das Gehirn, als die unreinen, selbst wenn beide einen gleichen Ursprung haben; von den unreinen ist aber die Wirkung um so stärker auf das Blut und auf den Bildungsprocess überhaupt gerichtet, je mehr diese Mittel mit Kohlenstoff und Empyreuma überladen sind. Enthalten sie auch noch viel Ammoniak, Blausäure, Essigsäure oder Harz, so wird hierdurch die Wirkung ebenfalls etwas verändert.
sect;. 266.
Die allgemeinste Indication für die arzneiliche Anwendung der empyreumatisehen Mittel, und besonders der Oele, ist 1) Torpor mit Schwäche. — Dieser Indication entsprechend werden sie z. B. ge­braucht: a) Bei den asthenischen Fiebern, vorzüglich bei Nervenfiebern mit grosser Abstumpfung der Sinnesthätigkeit, bei ähnlichen Faulfie­bern, gastrischen und rheumatischen Fiebern. 6) Bei dem Dummkoller der Pferde, wenn er, wie gewöhnlich, mit verminderter Sensibilität be­steht, c) Bei Lähmungen, sowohl bei rein nervösen, wie auch bei sol­chen, die durch Rheumatismus entstanden sind, besonders wenn sie chronisch werden. — d) Bei Krämpfen, besonders bei clonischen, uud wenn die Thiere in den freien Zwischenzeiten sehr abgestumpft er­scheinen. — Ausserdem sind diese Mittel zum innerlichen Gebrauch noch angezeigt:
2)nbsp; nbsp;Bei Eingeweidewürmern jeder Art und bei den Krankheitszu­fällen, welche durch sie erregt werden, wie z. B. bei Wurmkolik, bei schlechter Fresslust, Abmagerung, bei Epilepsie und Schwindel; nament­lich bei dem sogenannten Bremsenschwindel der Schafe und dgl.
3)nbsp; nbsp;Für den äusserlichen Gebrauch: a) bei chronischen Hautkrank­heiten, namentlich bei Räude und Flechten; b) bei schlaffen, trägen, mit Maden verunreinigten Wunden und Geschwüren, und c) bei Läh­mungen, bei Rheumatismus, bei chronischen Entzündungen, bei Ver­härtungen, Stollbeulen, PiphacRen, beim Schwinden und dgl.
Die Gegenanzeigen, die den Gebrauch dieser Mittel verbieten, sind acute Entzündungen, Entzündungsfieber. Congestionen, besonders zum Gehirn, und sehr erhöhete Empfindlichkeit.
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1) Stinkendes Tbieröl laquo;der Hirschhornil, Oleum aninuUe foeU'dum, Oleum pyro
animale, 01. ettipyreuntnticiim animnle, 01 Cornu Cervi fotiidum.
sect;. 267.
Dieses brenzliche üel im rohen Zustande ist jederzeit sehr stark mit Kohlenstoff, zuweilen auch mit etwas Essigsäure, mit etwas Blau­säure u. s. w. verunreinigt, und besitzt die angegebenen Eigenschaften der empyreumatischen Mittel. Daher gilt auch Alles, was über die Wirkungen dieser Mittel im Allgemeinen (sect;. 263—266) angedeutet ist, ganz besonders von ihm, und es ist unter diesen Mitteln gewiss das wirksamste, obgleich es hinsichtlich der Elüchtigkeit dem rectificirten Thieröl sehr nachsteht. Seine erregende und nervenstärkende Wirkung erstreckt sich aber am meisten und deutlichsten auf die Eingeweide­nerven, indem nach der Anwendung des Mittels eine mehr lebhafte und regelmässige Assimilation und Reproduction eintritt, besonders wenn bei Krankheiten mit asthenisch-torpidem Character zugleich Störungen in diesen physiologischen Processen zugegen sind. Durch diese vor­herrschende Wirkung auf die Nerven der Eingeweide, durch geringere Flüchtigkeit, dafür aber durch grossere Dauer der Wirkung, unter­scheidet sich das in Kede stehende Mittel von dem gereinigten oder rectificirten Thieröl und wahrscheinlich sind diese Eigenthümlichkeiten des ersteren in seinem reichen Gehalt an Kohlenstoff begründet (sect;. 265). — Die übrigen dem gemeinen Thieröl beigemengten Substanzen, wie Essigsäure und dgl., sind gewöhnlich in so geringer Menge vorhanden, dass sie für die Wirksamkeit des Mittels bei den grossen Thieren von keiner Bedeutung sind.
Auf das Gefässsystem wirkt das stinkende Thieröl nur wenig er­regend; bei Pferden und Kindern wird selbst nach einer Gabe von 1—2 Unzen die. Zahl der Pulse nur um etwa 5 Schläge in der Minute vermehrt, obgleich das Mittel in das Blut übergeht und sich fast allen Säften, daher auch bei milchenden Thieren fast immer der Milch mit­theilt, wie mau dies aus ihrem Geruch deutlich entnehmen kann. Stär­kere Gaben als 3 Unzen können bei Pferden, und stärkere als 3 Drach­men bei Hunden auf die im sect;. 263 bemerkte Weise nachtheilig wirken.
Die Dauer der Wirkung einer mittelmässigen Gabe erstreckt sich mehrentheils auf 10—12 Stunden, und wenn das Mittel durch mehrere Tage anhaltend gebraucht worden ist, so bemerkt man zuweilen noch 24—30 Stunden nach der letzten Gabe deutliche Spuren der Wirkung.
In die Drosselvene injicirte ich das Mittel bei Pferden und Rindern von 1 Drachme bis 1 Unze; es entstand sogleich schnelles und etwas angestrengtes Athmen, Geruch der ausgeathmeten Luft nach Thieröl, schnellerer Puls, grossere Röthung der Schleimhäute, erhöhete Wärme, Zucken der Muskeln, zuweilen auch schwankender Gang. Nach 6 Stun­den waren die Zufälle vorüber. Hunde zeigten dieselben schon nach der Injection von 2—5 Tropfen.
Das stinkende Thieröl kann ganz nach denselben Indicationen und bei denselben Krankheiten gebraucht werden, welche im 8. 266 genannt
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worden sind. — Dasselbe ist seiner Wirksamkeit und Wohlfeilieit wegen ein sehr beacliteusA\ erthes Mittel im thierärzflielien Arzneisc liatz, wel­ches besonders als Reizmittel für das Nervensystem einigermaassen den zu theuern Moschus ersetzen kann, und unter den Wurmmitteln last die erste Steile einnimmt.
Die Grosse einer Gabe zur innerlichen Anwendung ist für Pferde von 1 Drachme bis zu 1 Unze, für Rindvieh von 1 Drache bis l^-L Unze, für Schafe1 und Schweine von 1U Tropfen his quot;2 Drachmen, für Hunde von 1 —30 Tropfen. — Diese bedeutende Verschiedenheit wird, abge­sehen von der Grosso der Thiere, durch die Art und durch den Grad der Zufälle bedingt; denn bei heftigen Krämpfen, bei Lähmungen und bei sehr grosser Ahgestumpftheit sind in der Regel g-rossc Gaben des Mittels erforderlich; — bei Leiden von Eingeweidewürmern haben sieh nur grosse Gaben zum Tödten der letztern wirksam jrezeiü't; zur Ver-hütung ihrer Wiedererzeugung und zur gründlichen Heilung der Wurm-Krankheit sind aber mittelmässige Gaben am besten geeignet; bei allen nicht zu sehr torpiden und bei den meisten chronischen Krankhtitszu-ständen, z. B. bei nervösen Fiebern, bei dem chronischen Rheumatis­mus, bei Epilepsie, Schwindel, Fäule und dgl. verdienen kleine Gaben den Vorzug.
Eben so verschieden ist die Wiederholung des Mittels; bei Kräm­pfen, z. B. beim Lungenkrampf und bei Wurmkolik ist dieselbe in Zwischenzeiten von 1, 2 — o Stunden nöthig-, je nachdem die Zufälle anhaltend und mehr oder weniger heftig sind; bei Lähmungen, bei dem Koller und bei den meisten chronischen Krankheiten giebt man etwa alle 8 Stunden eine Gabe, und bei chronischen Wurmleiden sind für 24 Stunden eine bis zwei Gaben hinreichend. Bei allen chronischen Krankheiten und besonders gegen Eingeweidewürmer muss das Mittel durch längere Zeit fortgebraucht werden, bis die Zeichen des krank­haften Zustandes gänzlich versehwunden sind.
Die Anwendung kann in Pillen, in Latwergen und in flüssiger Form geschehen. In der letztern wird das Thieröl mit einer bittern, oder aromatischen, oder schleimigen Flüssigkeit unmittelbar vor dem Ein geben durch blosses Zusammenschütteln gemengt. Die Anwendung in dieser Form ist bei heftigen Zufällen und heim Rindvieh zwar sehr zweckmässig; die Thiere sträuben sich aber oft sehr gegen sie, und zu­weilen verlieren sie durch die hierbei unvermeidliche Einwirkung des Mittels auf die ganze Maulhöhle den etwa noch vorhandenen Appetit. Deshalb ist die Anwendung in Pillen, welche vor dem Eingeben in Druckpapier eingewickelt sind, am zweckmässigsten. Ist aber das Maul der Thiere durch das Mittel verunreinigt, so muss es gleich nach dem Eingeben durch Auswaschen oder Ausspritzen mit Salzwasser, oder mit verdünntem Branntwein wieder gereinigt werden.
Man verbindet das stinkende Thieröl zum innerlichen Gebrauch
1 Diese Thieve ertrugen das Mittel bei meinen Versuchen in Gaben von 1 Di-iulnne bis 1 Unze durch mehrere Tage ohne den geringsten Naohtheil. Auf das Leben der Egelsehnecken schien es keinen Kintluss gehabt zu haben. IlKiirwiG, Arzneimittellehre.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;
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iiacli Verschiedenheit des Krankheitszustandes mit eiitspreclieuden Mit­teln , z. B. mit bitteren oder aroinatiselien, mit Farreukrautwurzel, Ter-pentliiuöl, Kampher, Weingeist und dgl. Auch empfiehlt man als ein wirksames Abführungsmittel hei Würmern eine Verbindung von 1 Loth Hirschhornöl mit 1 (5 Loth Leinöl und 4 Loth Doppelsalz auf einmal zu geben, worauf jedoch das Thieröl mit bitteren und anderen stärkenden Arzneien durch einige Zeit anhaltend gebraucht werden muss. Wal-dinger1 schreibt z.B. hierzu für Pferde folgende, etwas complicirte Formel vor: N. pulv. Euziainvurzel, Baldrianwurzel von jedem 2 Loth, pulv. Ofenruss 4 Loth, Hirschhornöl ^ Loth, Stahlschwefel und Ter-penthinöl von jedem 1li Loth, mit Mehl zur Latwerge gemacht und täglich zu verbrauchen. #9632;— Gegen den Bandwurm der Hunde empfahl derselbe Pillen aus Farrenkraut u. a. Mitteln mit Hirschhornöl (siehe die Formel im sect;. 180).
Zum Einspritzen in die Blutadern ist das Hirschhornöl bisher nicht benutzt worden; es verdient aber auf diese Weise bei lebensgefähr­lichen asthenischen Kraukheitszuständen, z. B. bei Lähmungen, bei denen gleichzeitig die Respiration sehr schwach und unvollständig von statten geht, — bei sehr hohen Graden des Kollers, und vielleicht auch bei dem Lungenkrampf versucht zu werden, -— jedoch nur an den grossen Hausthieren. Bei dem Starrkrampf der Pferde fürchte ich die, durch diese Einspritzung erzeugte heftige Peizung der Lungen. Man kann Pferden und Rindern auf einmal 1—2 Drachmen von dem vorher erwärmten Oel entweder rein für sich, oder gut abgerieben mit 1 — 2 Unzen lauwarmen Wassers und filtrirt injiciren.
In Ciystiren wird das Mittel, indem man es zu aromatischen, bit­teren oder adstringirenden Flüssigkeiten setzt, mit gutem Erfolge bei nervösen und fauligen Fiebern, bei dem typhösen Milzbrande, bei an­haltenden Krämpfen und Lähmungen angewendet. Man nimmt hierzu bei den verschiedenen Thieren dieselbe Quantität wie zum innerlichen Gebrauch.
Wenn Oestruslarven in den Nasen- und Stirnhöhlen bei Schafen sitzen, und Schwindel oder andere Zufälle veranlassen, so kann man, nach Chabert1 ein Gemenge von 1 Theil stinkendem Thieröl und 4—6 Theilen Wasser oder eben so viel von einem aromatischen In-fusum in diese Höhlen spritzen, und zwar entweder durch die Nasen­löcher, oder durch eine mit dem Trepan in der Stirnwand gemachte Oeffnung. Diese Einspritzung #9632;wird am eisten Tage zwei - bis dreimal, jedoch immer erst nach einer Zwischenzeit wiederholt, weil die Thiere dabei etwas angegriffen werden; in den folgenden 2 oder 3 Tagen ist es hinreichend, sie täglich einmal zu machen. Bei jeder Einspritzung entsteht heftiges Niesen, wodurch einzelne Larven sogleich ausgewor­fen werden; die übrigen werden durch das Mittel getödtet und fallen später aus.
1 Traite des Maladies vennineuses daus les Animaux. Paris 1787. p. 174. — Deutsch: Chabert über die Wuraikraukheiten europäischer Hausthiere, übersetzt von F. A. A. Meier. Göttiug. 1789.
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Das Einreiben des Hiiseliliornöls in die Haut am Bauche bei Wind­kolik, oder in die. Haut des Kopfes bei der Drehkrankheit (wie dies Chabert u. A. empfohlen haben), nutzt nichts, indem hierbei die Wir­kung des Mittels nicht zu den Würmern reicht. Bei schleichenden Ent­zündungen unter der Haut, bei Verhärtungen, Krämpfen, Lähmun­gen u. s. w. sind zwar solche Einreibungen mehrentheil.-i recht wirksam, haben aber vor denen mit Tcrpcnthinöl oder mit Steinöl keinen Vor­zug, wohl aber muss das Thieröl den letzteren in manchen Füllen nach­stehen (z. B. bei Stubenhunden), weil seine äussere Anwendung durch den zu heftigen Gestank und durch die Besudelung der Hände u. s. w. sehr widerlich wird.
Dagegen ist im Sommer das Bestreichen eiternder Verletzungen, besonders bei dem Weidevieh, sehr zweckmässig, um Insekten abzu­halten, oder ihre Eier und Maden zu tödten. —^Bei zu geringer Thätig-keit kann es auch zur Verbesserung der Granulation und Eiterung in veralteten Wunden und Geschwüren benutzt werden. Besonders hat es v. Ehrenfels mit gutem Erfolge gegen das bösartige (sogenannte spanische) Klauenweh der Merinos auf die Weise angewendet, dass die zuerst durch das Messer gründlich von allem losen Horn befreiten und blossgelegten Geschwüre der Klauen und eben so der Klanenspalt, so weit derselbe feucht ist, mit rauchender Salpetersäure und gleich darauf mit Hirschhornöl bestrichen wurden. Die Klauen bleiben ohne weitem Verband; zeigen sich nach 2 Tagen noch weiche und feuchte Stellen, so wird das Verfahren wiederholt, und später auf dieselbe Weise bis zur Heilung fortgesetzt'. Ich habe den Theer hierzu als besser be­funden.
Gegen die Räude ist das Hirschhornöl bei allen Thicren ein ganz vorzügliches Mittel, dessen Wirkung und zweckmässigste Anwendung bei räudigen Schafen zuerst Walz2 gründlich erforscht hat. — Es tödtet die Käudenmilben schneller als irgend ein anderes Mittel (nämlich in einigen Minuten), reizt die Haut bis zur Entzündung, und bewirkt da­durch das Vertrocknen der Käudeknötchen und baldige Heilung der Geschwüre. Dennoch ist es für sich allein bei Schafen nicht gut zur Anwendung geeignet, theils weil es die Wolle sehr besudelt und schwarz­braune Flecke in derselben macht, die schwer wieder zu entfernen sind, theils weil es nicht ohne Gefahr für das Leben der Schafe auf eine grosse Fläche des Körpers angewendet werden kann. Denn wird ein geschornes Schaf mit Hirschhornöl an allen bewollten Hautstellen über­strichen, so erhält die Haut eine hochrothe Farbe, ihre Temperatur wird brennend heiss, die Augen verdrehen sich, aus dem Maule tritt Schaum und es stellen sich krampfhafte Bewegungen ein. Diese Zu­fälle gehen beim Aufenthalt des Thieres in freier, kühler Luft gewöhn­lich nach einigen Stunden vorüber; sie enden aber auch nicht selten mit dem Tode, wenn solche Thiere im warmen Stalle eingeschlossen, oder heisser Witterung ausgesetzt, oder kränklich sind (Walz a. a. 0.
1 Öekonom. Neuigkeiten und Verhandlungen. Jahr. 1819. Heft 9.
a Walz, Natur und Behandlung der Schafräude. Stuttgart 1812. S. 62 — 65.
15quot;
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S. 53). — Wird dieses Oel mit Fett oder fettem Oel im Verhältniss wie eins zu drei gemengt aufgetragen, so #9632;werden zwar die auf der Oberfläche vorliandeuen Milben getödtet, aber nicht die dem Aufbruch nahen Mil-bemiester zerstört. Uie Heizung- hierbei ist geringer, doch aber noch so stark, dass dadurch bei kränklichen Thieren der Tod erfolgen kann. W a 1 z glaubte auch die Erfahrung gemacht zu haben, dass Schafe, die mit diesem Gemenge vollkommen von der Räude geheilt wurden, bei anhaltendem Regen der Selbstbildung dieser Krankheit mehr ausgesetzt sind, als solche, die rein geblieben waren. — Das Befeuchten räudiger Schafe mit einer Ammoniak enthaltenden wässerigen Feuchtigkeit, z. 13. mit Riudsharn, und hierauf das Bestreichen mit llirschhornöl, tödtet nicht nur alle auf der Haut befindlichen Milben, sondern zerstört auch die meisten Nester derselben; allein auch hierbei tritt eine allgemeine Reizung ein, im Ver­hältniss nach der aufgetragenen Menge des brenzlichen Oels. Zur Heilung ist aber gewöhnlich nur die einmalige Anwendung dieser Mit­tel noting, und die geheilten Thiere sollen in Zukunft der Selbstent­wickelung der*Räude fast gar nicht ausgesetzt sein. Walz empfahl daher als die vortheilhafteste Zusammensetzung folgende, (die mau jetzt fast allgemein die „Walz'sehe Laugequot; nennt): man nimmt 4 Theile (z. B. 2 Pfund) frisch gebrannten Kalk (oder von gelöschtem Kalk das Dreifache), versetzt ihn durch allmäliges Wasserzugiessen in einen brei­artigen Zustand, verbindet damit sogleich entweder 5 Theile. (z. B. 2';^ Pfund) kohlensaures Kali (Potasehe), oder eine diesem Verhältniss entsprechende Menge Asche, wie z. B. 60 Theile Buchenasche, und so viel Riudsharn (Mistjauche), dass ein Brei daraus wird, mengt hierzu 6 Theile (z. B. 3 Pfd.) stinkendes Thieröl und 3 Theile (oder l1 ., Pfd.) Theer, verdünnt das Gemenge mit 200 Theilen (oder 100 Pfd.) Rinds-ham, und zuletzt mit 800 Theilen (oder 400 Pfd.) gewöhnlichen Was­sers1). — Die so bereitete Flüssigkeit ist eine unvollkommeae chemische Mischung, welche mildes (kohlensaures) Ammoniak mit brenzlichem Oel, Theerseife und brenzlichen Kalk enthält. Sie tödtet die Milben, zer­stört deren Nester, hat selbst bei ganz jungen Lämmern uud kränk­lichen Schafen keinen Nachtheil für den Organismus, schadet der Wolle gar nicht (denn die entstehende bräunliche Farbe verliert sich in 8—14 Tagen gänzlich), sondern sie bedingt sogar eine auffallend vermehrte Production derselben. Die Anwendung geschieht als Waschwasser oder als Bad; dabei müssen alle kranke Stellen zuerst durch Aufkratzen der Krusten mit einem stumpfen Messer oder mit einer alten Striegel zu­gänglich gemacht, dann recht gründlich durchnässt und die Augen der Thiere gegen die Einwirkung der Flüssigkeit geschützt werden. — Zur gründlichen Kur muss die Anwendung unter günstigen Umständen nach Zwischenzeit von 7 Tagen dreimal (d. i. den ersten, siebenten und fünfzehnten Tag), und wenn die Thiere dem Regen ausgesetzt sind, auch vier- bis fünfmal wiederholt werden, denn Regen ist der Heilung
1 Die eüigcklammcrten benannten.Grewichtstheile dienen als Beispiel zur 15e-reitong eines Waschwassers für 200—260 räudige Schale, indem lür 1 Schaf gegen 2 Pfund Flüssigkeit erforderlich sind.
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immer hinderlich und cliu Thiere müssen ilini deshalb möglichst ent­zogen werden.
Waldinger hat die Zusammensetzung- des Mittels in der Art ab­geändert, dass er die Menge dos Kalkes verdoppelte und dem Ganzen noch 4 Theile gepulverten Schwefel hinzusetzte '.
Departements-Thierarzt Erdt u. A. fanden die Walz'sehe. Lauge auch stets zu schwach, dagegen folgende Composition sehr wirksam: Man nimmt zur ersten Wäsche (für 300—(500 Schafe): frisch gebrann­ten Kalk 0 Pfund (in Ermangelung desselben 18 Pfund gelöschten Kalk), rohe Potasche 6 Pfund, pulveiisirten Schwefel und llirsch-iiornöl, von jedem 4 Pfund, und Mist jauche oder Pferdeurin 200 Quart, Der Kalk wird mit Wasser gelöscht und zum Brei gemacht, und diesem die übrigen Mittel zugemeng-t, während der Kali; noch heiss ist. Das Gemenge bleibt 12 Stunden zugedeckt stehen und wird vor; Zeit zu Zeit mit Jauche mehr verdünnt. Dann wird ein Theil der Jauche kochend gemacht, in die Wanne gethan und von dem Gemenge so viel hinzugethan, dass das Ganze eine Temperatur von 45—#9632;500ß. erhält. In dieser Temperatur erhält man die Flüssigkeit bei der Anwendung durch wiederholtes Hinzuthun von heisser Jauche und von dem- Ge­menge. — Das zweite Bad macht man nach 4 Tagen aus Kalk und Potasche von jedem 4 Pfund, Schwefel und Theer von jedem 2 Pfund und 140 Quart Jauche. Das dritte Bad wieder nach 4 Tagen aus Kalk und Potasche von jedem 3 Pfund, Schwefel und Theer von jedem 2 Pfund, Jauche 140 Quart. Die vom ersten und zweiten Bade übrig­bleibende Lauge kann zu den folgenden Bädern benutzt werden; da aber die Lauge vermöge des Schwefels kupferne Gefässe angreifen würde, muss ihr Erwärmen entweder in irdenen Gefässcu oder in der Wanne mittelst heisser Feldsteine geschehen. (01. anbaale foetid. 1 Unze 8 Pfg.)
Anmerkunff 1. Das ätherische ThierS1, rectificirte Hirschhornöl, oder sogenannte Dippel'sche Oel {OZSum animaZe aetlicremn. s. Oleinraquo;. cornti Cervl rectlßcatum, s. GL anhnalc Dippelii), i.sr dor durch wiodcrliolre Destillation erhaltene reine ätherische Bestandtheil des gemeinen Hirschhornöls. Seine Wirkung ist tilieh-tiger und stärker auf das ßeliini gerichtet; es wird aber in der Thierheilkunde nicht gebraucht, weil es zu theuer und bei Thieren durch das gemeine Hirschbornöl oder durch das Chabert sehe Oel zu ersetzen ist, {1 Drachme 3 Sffr. 10 Pfff.)
Anmerkung 2. Das Chabert'sche Oel (Oleum anthelminthicum s. Oleiim contra taenium Chaberti) wird erhalten, wenn man 1 Theil Hirschhomöl und 3 Theile Terpenthinöl durch 3 Tage zusammen digerirt und dann hiervon den vierten Theil abdestillirt. Es ist dem Dippel'schen Oel sehr ähnlich, wird aber für noch wirk­samer gehalten und ist wohlfeiler. Es kann innerlich in allen, in sect;. 2fi6 u, 2(;7 an­gezeigten Krankheiten wie das gemeine Hirschhomöl gebraucht werden, wenn man dieses nicht anwenden will. Chabert hat es besonders gegen alle sogenannte Wurm­krankheiten sehr empfohlen, weil es die Würmer viel schneller als irgend ein an­deres Arzneimittel tödtet'-'; er verordnete es erwachsenen Pferden von '/j—2 Unzen, Ochsen und Kühen in etwas stärkeren Gaben. Füllen und Kälbern von 30 — 60 Tropfen. — Schweinen und Schafen eben so viel, — Hunden von 2 Gran bis 1
1 Waldinger, Wahrnehmungen an Schafen. S, 108 n. S. 232, - Chabert. a. a. O. p. 106 — 109.
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Drachme1. Es wird am besten mit der dreifachen Menge einer schleimigen Flüssig­keit gegeben. (1 Unze 4 Sgr. 4 Pfg.)
Anmerkung 3. Der Rauch von Hornspahnen, Klauen, Haaren und Federn, welche auf glühenden Kohlen verbrannt werden, enthält brenzliches Thlerül im dnnstartigen Zustande. Wird derselbe eingeathmet, so wirkt er auf die Lungen und auf den ganzen Organismus als ein massig starkes Reizmittel, welches bei der so­genannten Lungenwürmerseuche der Kälber und Lämmer, bei Oestruslarven in den Nasen- und Stirnhöhlen, bei Verschleimung der Luftröhre, bei veralteter Druse und bei ähnlichen asthenischen Krankheitsznständen der Schleimhäute vortreffliche Dienste leistet. Die Anwendung kann täglich zweimal durch '/^—' Vs Stunde geschehen, wobei aber die S. 165 in der Anmerkung angedeutete Vorsicht zu beachten ist.
(Von dem Hirschhorngeist und Hirschhornsalz siehe XI. Klasse, „kohlensaures brenzlich-öliges Ammoniak.quot;)
2) Russ, filaiizruss, glänzender Ofeimiss, Fitligo Ligni s. I'uliyo splendens (0).
sect;. 268.
Er enthält vegetaLilisch-brenzliches Oel im dxydirten Zustande, mit Kohlenstoff, brenzlieher Essigsäure, brenzlichem Ammoniak, Kreo­sot u. s. w. verbunden. Diese Bestandtheile sind je nach der Art des verbrannten Holzes, nach dem Orte und der Art ihrer Verbrennung etwas verschieden, aber der Kohlenstoff ist stets sehr vorherrschend.
Der Russ wirkt ähnlich wie das Hirschhoruöl, jedoch viel weniger stark auf das gauze Nervensystem, weniger flüchtig, sondern mehr an­haltend erreg-end, vorzüglich auf die Verdanungscingeweide, auf die Lymphdrüsen, die Schleimhäute, und im geringeren Grade auch auf die Haut; er bessert bei zu geringer Thätigkeit die Verdauung und Assimilation, ist theils hierdurch, theils auch direct den Würmern zu­wider, befördert die Resorption, vermehrt auf gelinde Weise die Ab­sonderung in den Schleimhäuten, in den Nieren und in der Haut; die grossen Blutgefässe reizt er sehr wenig. Der Russ leistet daher bei asthenischen und eacliectischen Krankheiten, vorzüglich bei schlechter Fresslust, die ihren Grund in Unthätigkeit der Verdauungseingeweidc selbst hat, bei langwierigem Durchftill, bei Eingeweidewürmern, bei der Egelkrankheit und Fäule der Schafe, bei Versclileimung, bei Ab­magerung aus gestörter Assimilation, bei chronischer Druse, bei Haut­wassersucht, bei veralteten Flechten und dgl. gute Dienste.
Die Gabe ist für die grossen Thiere 1/2 — 1'/o Unze, für Schafe und Schweine 1—3 Drachmen, für Hunde 10 Gran bis 1 Drachme, täglich ein- bis zweimal. Die Anwendung kann in Pillen, Latwergen, in flüssiger Form, und selbst im Pulver als Lecke geschehen, doch ist letzteres wohl selten zweckmässig, da sein Geruch und Geschmack den Thieren zuwider ist. Man giebt ihn mit bittern und aromatischen Mit­teln, mit Kochsalz, Spiessglanz, Schwefel und dgl. verbunden. Vitet lobt besonders eine Verbindung mit Aloe (2 Th. Russ und 1 Th. Aloe) als ein wirksames Mittel zur Vertreibung der sogenannten weissen Würmer und des Bandwurms bei Schafen2. Waldinger gab ihn mit Hirschhornöl, Baldrian u. s. w. (siehe den vorigen sect;. S. 226).
1 Chabcrt a. a. O. p. 168 — 175. 3 Vitet, l'nterriclit, Bd. 5. S. 250.
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In Wunden und Geschwüren wirkt er erregend, bessert die Bil-dungstliätigkeit, trocknet aus und reiniget. Er ist deshalb bei schlaffer, üppiger Granulation, bei schlechter Eiterung und bei vorhandenen Maden nützlich, und wird bald für sich allein, bald mit bittern, aromatischen oder adstringirenden Mitteln, mit Kampher, Kupfervitriol und dgl. ge­mengt, als Pulver eiugcstreuet. — Mit gleichen Theilen grüner Seife und Terpcnthinöls zur Salbe gemacht, oder als Zusatz zu einem Decoct von Taback ist er bei Elechten und Räude ein sehr wirksames Mittel.
Um den Pferden das Koppen abzugewöhnen, soll man nach Vitet's Angabe * 2 Unzen Ofenruss und 1 Unze Coloquintenmark mit faulen­dem Urin zu einer salbenartigen Masse recht genau zusammenmengen, und dajnit die Stellen der Krippe u. s. w. bestreichen, wo das Pferd beim Koppen das Maul aufzusetzen pflegt. Die Untugend soll in 8—14 Tagen gehoben sein, was aber die Erfahrung selten bestätiget.
Als Präparat .hat man noch die Kusstinctur (TmriKrlaquo; fuliginis, 1 Unze in 8 Unzen Weingeist gelöst); sie ist aber in der Thierheil-kunde nicht im Gebrauch.
Da der lluss als Heilmittel überall leicht und wohlfeil zu haben ist, so verdient er von den Thierärzten häufiger als bisher angewendet zu werden. (1 Unze 1 Sgr. 3 Pfg., fein pulv. 2 Sgr.)
3) Theer, Fix liquida, s. Cedria, s. Eesina liguida cnipyreximatica.
sect;. 269.
Der Theer wird als Nebenproduct bei dem Kohlenbrennen aus
verschiedenen Bäumen, besonders aus den Eichten, gewonnen und stellt eine zähe dicke Elüssigkeit dar, die schwerer als Wasser und von schwarzbrauner Earbe ist. Sein Geruch ist empyreumatisch, der Geschmack scharf-bitter, anhaltend empyreumatisch. Er ist aus ver­schiedenen Substanzen zusammengesetzt, von denen man das Kreo­sot, Pikamar, Parafin, Eupiou und Essig deutlich erkannt hat; andere kennt man nicht genügend. Kienholztheer enthält ausserdem noch stets etwas Kien- oder Terpenthinöl; dagegen lässt sich das Kreosot aus dieser Theerart wenig oder oft gar nicht darstellen, sondern blos aus dem von Buchholz gewonnenen Theer {P'rx liquida Fagi).
Der Theer wirkt eiuigermaassen dem Russ ähnlich', aber stärker reizend auf das Gefässsystem, auf die Lungen und deren Schleimhaut und auf die Nieren, so dass er sich hierin den balsamischen Mitteln sehr nähert; er unterscheidet sich aber von ihnen darin, dass er viel mehr erregend, als sie, auf die Nerven der Eingeweide wirkt und des­halb bei grosser Schwäche der letzteren gewöhnlich weit besser er­tragen wird, als der Terpenthin und als das Fichtenharz. Auf das Ge­hirn und die Sinnesorgane äussert er selbst in grossen Gaben keine besondere Wirkung.
Er kann nach den im sect;. 266 angegebenen Indicationen angewen­det werden; wegen seiner eben bezeichneten starkem Wirkung auf die
' Vitei, Unterricht, Bd. 6. S. 261 u. 852.
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Blutgefässe, die L'uugeu u. s. w., wird er aber iauorlicli, besonders bei Erschlaffung der Seldeimliilute mit andauernd vermehrter Secretion (sogenannte Verschleimungen) besonders der Respirationsorgane, bei atonischem Katarrh, bei veralteter Druse, bei vernachlässigten Luu-genentzündung-en und deren Ausgängen, auch bei der sogenannten Lungenseuche des Rindviehes, wenn sie entweder ursprünglich einen asthenischen Character besitzt, oder denselben im vorgerückten Ver­laute angenommen hat; ferner, bei eiternden Lnngenknoten, wenn kein gereizter Zustand damit verbunden ist; — bei atonischer Brust- und Bauchwassersucht, bei ödematöseu Anschwellungen; bei chronischer Druse; bei dergleichen Rheumatismus; bei dem Wurm der Pferde; bei veralteter Mauke und Räude, bei Eingeweidewürmern, bei der Lun-genwürmerkrankheit sowohl zur Kur, wie auch zur Vorbeugung, und bei dem Aufblähen der Wiederkäuer benutzt.
Die C4abc ist für Pferde und Rinder 2 Drachmen bis 1 Unze, für Schafe und Schweine '/a—2 Drachmen, für Hunde 5 Gr. bis 1 Drachme, täglich zwei- bis viermal. — Die Anwendung kann in Latwergen, Pillen, oder iu flüssiger Porin geschehen, und es gilt hierüber Alles, was von der Anwendung des Fichtenharzes und des Terpenthins (sect;. 250 u. 254) angegeben worden ist. Man verbindet den Theer nach Bedürfniss der verschiedenen Krankheitszustände mit bittern und aromatischen Mit­teln, mit Schwefel, Spiessglanz, selbst mit Salzen, namentlich mit Salmiak.
Man wendet den Theer auch in Perm von Dämpfen an, welche man am leichtesten entwickelt, indem man entweder ein heisses Stück Eisen iu einen mit Theer gefüllten Topf steckt, oder indem man Theer auf ein heisses Eisen, z. B. auf eine Kohlenschaufel oder auf beisse Steine tröpfelt. Diese Theertöpfe, in denen fast alle Bestandtheile des Theers, besonders aber das ätherische Oel und das Kreosot enthalten sind, wirken auf die von ihnen betroffenen Theile des Thierkörpers stark reizend, und dies um so mehr, je stärker die zu ihrer Erzeugung benutzte Hitze war, und je mehr der Theer hierbei wirklich verbrannt worden ist. Im letztern Falle bestehen die Dämpfe grösstentheils aus Rauch, der eine grosse, widrige Schärfe besitzt. Sollen sie möglichst mild wirken, so bereitet man sie auf die Weise, dass man entweder den Theer auf ein nur bis auf etwa 25—40 raquo;R. erhitztes Eisen tröpfelt oder dass man ein flaches Gefäss mit dem Theer in recht heissen Sand stellt. Die zu starke Erhitzung ist weder nöthig noch nützlich, denn das äthe­rische Oel des Theers wird hierbei gänzlich zerstört. — Die Anwen­dung der Theerdämpfe ist bei Erschlaffung und Torpidität der Lungen, bei Erschlaffung der Schleimhaut in der Käse, in der Luftröhre und in den Lungen, daher bei chronischer Druse, bei langwierigem Schleim-ausfluss, bei chronischem, kraftlosem, dumpfem Husten, bei der Lun-genwürmerkrankheit der Schafe und bei üestrnslarven in den Stirn­höhlen angezeigt, und ich habe sie bei einem gelinden Grade dieser Zustände, dieselben mochten fieberhaft oder fieberlos sein, mit mehr­mals ausgezeichnetstem Erfolge benutzt, jedoch stets bei gleichzeitiger Anwendung der dem Zustande entsprechenden innern Mittel, namentlich
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bitter-aromatischen Terpenthinöls u. s. w. und etner guten l)i;ir. Auf die Würmer in der Luftröhre wirken die Dämpfe nicht tödteiul. Bei dem höhereu Grade der Cachexie leisten die Dämpfe wie alle die Mittel ausseist wenig-. — Auch können diese Dämpfe als Präservativmittel gegen asthenische Krankheiten, namentlich gegen dergleichen katarrha­lische Krankheiten, besonders bei feuchter Witterung, ähnlich wie die Räucherungon von Wachholderheeren (S. 164), mit Nutzen gebraucht werden.
Bei Yollblntigkeit, und bei Jedem mit erhöhter .Reizbarkeit ver­bundenen Zustande, besonders bei Augen-, Hals- oder Lungenentzün­dungen müssen sie streng vermieden werden. — Man kann sie täglich zwei- bis dreimal entwickeln, so dass die Luft des Stalles beständig mit ihnen geschwängert ist. Die Menge des jedesmal zu verbrauchenden Theers lässt sich nicht genau bestimmen, da sie hauptsächlich von der Grosse des Stalles abhängig ist. Um einen gut geschlossenen Stall von 10—12 Imiss Höhe, Länge und Breite mit Theerdämpfen vollständig zu erfüllen, ist 1 Unze Theers erforderlich.
Aeusserlich kann der Theer als ein sehr wirksames und wohlfeiles Digestivmittel bei Wunden und Geschwüren, in denen zu geringe Thä-tigkeit besteht, oder wo Maden sich entwickelt haben, benutzt werden; man wendet ihn hierbei ähnlich wie den Terpenthin, entweder für sich allein, oder mit Eigelb und Wasser abgerieben, als Digestivmittel an. Bei oberflächlichen Verletzungen dient er als schützendes Bedeckungs­mittel, und besonders wird er hierzu bei Hufschäden, z. B. bei Horn-spalten, bei ausgeschnittenen Steingallen, bei faulem Strahl und dgl. benutzt. Gegen Strahlkrebs hat er vortreffliche Dienste geleistet. —
3nbsp; Theile Theer, 2 Theile gelbes Wachs und 24 Theile Talg zusam­mengeschmolzen, bilden eine sehr gute llornsalbe, durch deren Anwen­dung das Wachsthum des Hufes befördert und das Sprödewerden ver­mindert wird. Gegen das gutartige und bösartige Klauenweh des Rindviehes und der Schafe ist der Theer, auf die Klauen reichlich aufgestrichen, ein Schutzmittel, und sowohl für sich allein, wie auch in Verbindung mit andern Mitteln (siehe Kupfervitriol) ist er als Heil­mittel nützlich gewesen. — Eben so leistet er bei Bände und Flechten gute Dienste, obgleich er die Räudemilben viel weniger schnell tödtet als das Hirschhornöl; man benutzt ihn hierbei entweder allein, oder besser mit Fett, oder mit grüner Seife zur Salbe gemacht, oder mit pas­senden Flüssigkeiten verbunden als Waschmittel, z. B. in der soge­nannten Wal z'sehen Lauge (sect;. 276). Wandel empfahl eine Räude­salbe, die aus 8 Tbeileu Theer, 4 Theilen gesalzener Butter und
4nbsp; Tbeileu Potasche durch Zusammensetzung in einem Mörser bereitet wird; Viborg machte sie einfacher, indem er Theer und grüne Seife zu gleichen Theilen in einem Topfe zusammenschmelzen lies. — Durch Zusatz von Hirschhornöl, Terpenthinöl, weisser Niesewurz und dgl. ist die Wirksamkeit dieser Salben sehr zu verstärken, wie z. B. fol­gende eine sehr bewährte Zusammensetzung g-egen atonische Flechten, Fetträude, und veraltete Mauke ist: lip. Picis liquidae ' 2 Unze, 01. terebinth., Hydrarg. praeeipitat. alb. aiia'2 Drachmen, Butyriinsuh-ipAßx
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Adipis siiill.) l1/^ Unze. M. IX S. Täglicli zweimal aufziistreichcn. — Auch wird der Theer zuweilen als Vehikel bei der Bereitung scharfer Salben benutzt (siehe Canthariden). (1 Unze 8 P%.)
Anmerkung. Das sogenannte Th eevwasser (Aqua picea) wirrt bereitet, in­dem man 1 Theil Theer mit 3—4 Theilen kalten Wassers Ubergiesst, beides recht oft umrührt und nach 1 — 2 Tagen die klare Flüssigkeit abgiesst. Das Theerwasser enthält brenzlicbe Essigsäure und etwas aufgelöstes brenzliches Oel, wirkt dem Theer ähnlich, aber viel milder, und befördert ziemlich stark die ITaruabsonderung. Es kann innerlich in denselben Fällen gebraucht werden, wo der Theer nützlich ist. Man giebt es Pferden und Rindern von 1 — ;i Pfund, Schafen und Schweinen 3 — 6 Unzen, Hunde ',2 — 3 Unzen auf einmal, täglich drei- bis viermal, und mehreutheils für sich allein, zuweilen auch mit bittern oder aromatischen Mitteln; Dieterichs1 gebrauchte es in Verbindung mit Torpeuthinöl bei der Lungenseuche des Rind­viehes. — Doch sind die Wirkungen dieses Mittels bei einzelnen Thierkrankheiten noch nicht durch hinreichende Erfahrungen nachgewiesen, und Vitet (a. a. 0. S. 203) behauptet sogar: ,,dass alle gepriesene Kräfte desselben erdichtet sind.quot; Dies ist zwar unrichtig, aber so viel ist sicher, dass 1 Unze Theer in Substanz mehr leistet, als 1 Pfund Theerwasser.
4) Kreosot, Crcosotum.
sect;. 270.
Das Kreosot oder mumificirende Princip ist ein Bestandtheil der meisten empyreumatischen Substanzen, des Holzessigs, des Ilolztheers, des Steinkohlenthcjers, der Braunkohlen, des Ilirschhomöls und des Rauchs und wird namentlich aus den beiden ersten Substanzen darge­stellt. Es erscheint im unreinen Zustande als eine bräunliche, an der Luft schwarz werdende, im rectificirten Zustande als eine farblose, durchsichtige Flüssigkeit von ölartiger Consistenz und hat einen stark empyreumatischen, durchdringenden Geruch, der sich an Alles fest an­hängt, und einen brennenden, ätzenden, etwas ins Süssliche neigenden Geschmack; im Wasser löst es sich schwer, dagegen in Alkohol, Aether und in Steiuöl leicht auf; mit fetten und ätherischen Oelen mischt es sich leicht, und das Eiweis coagulirt es sogleich.
Das Kreosot wirkt im concentrirten Zustande auf die lebenden thierischen Gebilde sehr stark reizend, umändernd und selbst ätzend. Auf die Haut eines Thieres gebracht, macht es nach 1—2 Minuten die betroffene Stelle weiss und gefühllos, und nach einis'en Tajjen stösst sich die abgestorbene Schicht in trockenen Schujipen ab. In Wunden macht es augenblicklich einen heftigen, brennenden Schmerz, der oft gegen eine halbe Stunde anhält, und wobei die Oberfläche zuerst weiss-lich wird, hierauf bald mehr, bald weniger trocken zusammenschrumpft, und zuletzt wieder eine dunkelrothe, reine, mit wenigem aber gutem Eiter versehene Fläche erzeugt; Schorfbildung findet dabei nicht Statt; schlaffe Granulation wird fester, dünne, jauchige Absonderung wird consistenter, die Exfoliation an Knochen, quot;Knorpeln und fibrösen Thei­len wird beschleunigt; Gelenkfeuchtigkeit und Blut coagulirt durch seine
1nbsp; nbsp;Abhandl. über die Lungenseuche. Berlin 1S21. S. 83.
2nbsp; Das aus Steinkohlen bereitete ist mehrentheils sogenannte Phenylsäure und von dem aus Buchenholztheer gewonnenen in manchen Eigenschaften sehr ver­schieden.
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Einwirkung sein- sclmell und Blutungen aus kleinen Gefiissen hören hiernach bald auf. — Innerlieh angewendet bringt es in einzelnen kleinen Gaben keine besondere Erscheinungen hervor; Pferde und Kinder ertrugen es bis zu 3 Drachmen, ohne dass andere Zufälle eintraten, als dass durch 1 — 2 Stunden der Athein nach Kreosot roch, das Maul heisser und etwas trockener, der Puls um einige Schlüge vermehrt wurde. Kleine Gaben durch einige Tage wiederholt, mindern die Secretion der Schleimhäute, oft auch die der Nieren. Hunde zeigten von '/a — 2 Drachmen Kreosot sogleich grosse Angst, stieren Blick, Schwäche, selbst Lähmung der Extremitäten, Schwindel, Erbrechen coa-gulirter, weisslicher Massen, zuweilen Auswurf von blutigem Schaum, röchelndes Athmen und Erstickungszufällc, unter denen der Tod er­folgte. In den Cadavern fand sich ein starker Kreosotgeruch in fast allen Eingeweiden, dunkle Röthe und Entzündung der Magen- und Darmschleimhaut, an einzelnen Stellen selbst Anätzung derselben, und Verdickung des Blutes. — Diese Wirkungen sähe man auch dann, wenn eine gleiche Gabe des Mittels mit der doppelten Quantität Wassers ver­dünnt eingegeben wurde, und nach einer in die Jugularvene geinachten Injection von ll3 Unze Kreosot mit eben so viel Wasser verdünnt, er­folgte der Tod unter sehr heftigen, krampfhaften Atliembeschwerden in wenigen Minuten, — wahrscheinlich durch Blutstockung in den Ca-pillarien der Lungen. Auch auf todte thierische Gebilde wirkt das Kreosot, indem es dieselben bräunlich färbt, sie zusammenschrumpft, ihnen den Kreosotgeruch mittheilt und sie gegen Fäulniss schützt. Diese Wirkung erfolgt sehr schnell, z. B. schon, wenn man Fleisch nur lla — 1 Stunde in eine Auflösung deifc Mittels legt. Man erklärt die sämmtlichen Wirkungen des Kreosots ausser der örtlichen Heizung, aus der von ihm verursachten schnellen Gerinnung des Erweises in den thierischen Gebilden.
Als Arzneimittel findet das Kreosot, den angedeuteten Wirkungen zufolge, seine Anwendung da, wo bei Erschlaffung, gesunkener Energie der Organe eine übennässige schlaffe Bildung oder zu reichliche Ab­sonderungen und Ausflüsse bestehen. Hauptsächlich hat man es ange­wendet: !•) innerlich als ein umstimmendes, die Sccrctionen besonders in den Schleimhäuten verminderndes Mittel, gegen chronischen Katarrh mit reichlichem Schleimfluss, gegen Lungengeschwüre und gegen Harn­ruhr; — 2) innerlich und äusserlich, als ein styptisches Mittel gegen Blu­tungen, sowohl aus Wunden wie auch aus innern Organen (jedoch nur gegen parenehymatöse Blutungen; denn verletzte grösserc Gefässe kann es nicht vcrschliessen); — 3) gegen Lungenwürmer und andere Einge­weidewürmer; und 4) äusserlich als umstimmendes, als reinigendes, die Eiterbildung besserndes, die Abb.lätterung in Knochen, Knorpeln und Sehnen beförderndes und der fauligen und brandigen Absterbung ent­gegenwirkendes Mittel bei unreinen, trägen, jauchenden Wunden und Geschwüren mit blasser, Ü2)piger Granulation oder mit Caries, bei der­gleichen Widerristschäden und Nackcufisteln, bei dem sogenannten Wurm an der Ohrmuschel der Hunde, bei Strahlfäule, Strahlkrcbs, bei bösartigem Klanenweh, bei Huf knoqjelfisteln, bei Gelenk- und Sehnen-
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#9632;wunden mit reichlichem Ansfluss der Synovia, bei weichen Warzen, bei dem kalten Brande, auch gegen Läuse und anderes Ungeziefer.
Gegenaazeigen sind: ein gereizter Zustand der Verdauunffsor^ane, der Lungen oder der Nieren, und active Entzündung der Stellen, wo das Mittel angewendet werden soll.
Die Gabe zum innerlielien Gebrauch ist für Pferde und Rinder 'j., — 2 Drachmen, für Schafe, Ziegen und Schweine 15 Grau bis ^2 Drachme, für Hunde 1—10 Gran täglich dreimal, bei Blutungen öfter wiederholt. Man giebt das Kreosot, stets vorher mit Branntwein oder mit Wasser zwanzigfach oder noch mehr verdünnt, entweder in flüs­siger Form fblosse Auflösung oder Emulsion), oder in Pillen und Lat­wergen, mit Zusatz von schleimigen, adstringirendeu oder aromatischen Mitteln. — Dagegen dürfen Chlor, Salpeter- und Schwefelsäure, ätzende Alkalien, Quecksilber und QuecksilbersaLze, Harze und Eiweis mit dem Kreosot nicht zusammengebracht werden.
Aeusserlich wird das Mittel im concentrirteu Znstande selten, etwa nur bei Warzen und bei dem Strahlkrebs, angewendet; in allen übrigen Fällen benutzt man eine Auflösung von 1 Theil Kreosot in 5 —100 Theileu wässerigem Weingeist oder Holzessig, je nach dem Grade der Erschlafiung und Reizlosigkeit. Man streicht die Flüssigkeit täglich zuerst zweimal, späterhin seltener, mit einem Pinsel oder mit einer Feder auf, oder man spritzt sie in die Fisteln ein. — Mit 4—^8 Theileu Fett zusammongerieben ist das Kreosot auch in Salbenform anzuwen­den. Gegen Läuse streicht mau eine Mischung- von Kreosot 1 Drachme und gemeinem Wasser o Pfd. mittelst einer Bürste auf alle von den Parasiten bewohnte Stellen uniL wiederholt dies nach einigen Tagen. (1 Drachme 8 Pfg.j
5) Steiniil, Bcrgiil, Petroleum laquo;. Oluion Fgtrae. sect;. 271.
Es ist ein Naturerzeugniss, einigermaassen dem Terpenthinöl ähn­lich, aber durch seinen speeifischen Geruch von ihm verschieden. Es enthält auch im rohen Zustande weniger kohlige und lirenzliche Stoffe, als die vorher genannten Mittel.
In seinen Wirkungen zeigt das Steinöl innerlich und äusserlich ebenfalls eine grosse Aehnlichkeit mit dem Terpenthinöl; es wirkt jedoch bei innerlicher Anwendung mehr anhaltend erregend auf die Baucheingeweide, und äusserlich etwas weniger fh'iclitig und weniger scharf reizend auf die Haut, als dieses Mittel.
Die Anwendung kann in Ermangelung des Terpcnthinöls ganz bei denselben Krankheiten, wo dieses empfohlen ist (sect;. 255), in den­selben Gaben und sowohl innerlich wie äusserlich auf dieselbe Weise geschehen. — Einen besondern Vorzug vor dem Terpenthinöl hat es nur bei der Tympanitis, — in anderen Krankheiten aber nicht; es ist jedoch in den Apotheken noch einmal so theuer wie dieses. (1 L'nze 3 Sgr. 6 Pfg.)
Anmerkung. Das Petroleum rectfficatwm ist entbehrlich und \lel zraquo; thener. (1 Unze G Sgr. 8 Pfg,)
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Noch andere em])yrcuniatisclio Mittel, wie iicamei'tlich das Wachsöl [01. Cerae), das Franzoscnholzöl (0/. ligni Guajaci), das Steinkoh­len- oder Braunkohlenbl (01.pyrocarüonicum s. 01. lithantracis), das Judenpeohol (01. Äsphalti), das J3irkenöl, der Birkentheer oder der sogenannte schwarze Degen (01. hehdinuia s. 01. Rusci), das Ziegelsteinöl (01. Philosophorvun), und das liussöl (01. Fulig'mis) besitzen ähnliche Wirkungen und sind unter denselben l nistiinden zu benutzen, sonst aber grössteutheils entbehrlich, da ihre Wirkungen keine erwiesene Vorzüge vor denen der übrigen abgehandelten Mittel besitzen. Sie stellen aber hin und wieder bei den Landleuten in grossem Rufe. (01. Junip. Liyn. empyrewnat. siehe quot;Wachholderbeeren S. 165).
6) Das Uenziu laquo;der Benzol, Beminum.
Das Benzin ist eine in neuer Zeit entdeckte eigeuthümliche Flüs­sigkeit, welche zuerst aus der Benzoesäure dargestellt wurde (daher ihr Name), aber jetzt aus fetten und anderen Substanzen und ain gewöhn­lichsten aus dem Steinkohlentheer durch chemische Präparation ge­wonnen wird. Dasselbe besteht in seiner elementarischen Zusammen­setzung aus Kohlen- iindraquo;Wasserstofi' (Phenylwasserstofl'j, ist somit den sauerstofflosen ätherischen Oelen nahestehend und hinsichtlich seiner übrigen Eigenschaften sowohl diesen Oelen wie auch den ilüchtie:en ätherartigen Mitteln ähnlich; es ist leicht entzündbar, brennt mit heller Flamme, verdunstet in kurzer Zeit vollständig und verbreitet einen starken, unangenehmen, etwas brenzlichen Geruch; in Weingeist und Aether löst es sich auf, mit wässerigen Flüssigkeiten kann es durch Schleim, Eiweis, Mehl, Honig und dgl. Substanzen gemengt werden.
Auf die Haut gestrichen oder gerieben bringt das Benzin eine ganz geringe und in kurzer Zeit vorübergehende Beizung derselben hervor, welche weit hinter der Wirkung des Terpenthinöls zurückbleibt. Selbst von reichlicher Einreibung war nach 12 Stunden keine Spur einer Einwirkung an der Haut zu bemerken. Die Schleimhaut der Maul- und Bachenhöhle wird von der unmittelbaren Berührung des reinen Benzin heftig gereizt, dunkler gerottet und sie sondert viel zähen Schleim ab. — Innerlich angewendet hat das Benzin bei Pfer­den in der Gabe von 2—3 Drachmen nur die Beizung der Maulschleim-haut und Geruch des Athems nach Benzin zur Folge gehabt. — Von einer Unze sähe man nach 5 Minuten den Puls um 4 — ö Schläge und das Athmen um 2—3 Züge pr. Minute vermehrt. Nach 3 Stunden war diese Wirkung wieder vorüber. 2—4 Unzen wirkten ähnlich, aber stärker (Hertwig). — 5 Unzen mit 2 Pfund Wasser und etwas Honig gemengt, verursachte einem Pferde zuerst ebenfalls Aufregung im Puls und Athmen, Hitze im Maule, Geruch des Athems nach Benzin 1,Büthung der Bindehaut und Verstopfung des Leibes, später kleinen, harten, glän-
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Kben so in allen anders Versuchen.
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zenden, braunen Ivotli; und lt;ils das Mittel in dieser Gabe 5 Tage fort­gesetzt worden, verlor das Pferd den Appetit und wurde traurig; doch veränderten sich diese Zufälle wieder, als die Gabe auf 3 '/a Unzen ver­mindert wurde. Das Thier wurde getödtet; die Section ergab von den Verdauuiigseingeweideu niclits Abnormes. — 1 Pfund Benzin mit 4 Pfd. Wasser auf einmal gegeben, führte in kurzer Zeit schnelleren Puls, be­schleunigtes Athmeu, Abstumpfung der Empfindlichkeit, stieren Blick, Zittern, Kälte der Piisse herbei; aber nach 24 Stunden waren diese Sym­ptome wieder vorüber. — Von 11/2 Pfund Benzin mit 2 Pfund Wasser traten dieselben Erscheinungen in grösserer Heftigkeit ein und nach 3 Tagen starb das Thier. Die Section zeigte livide Färbung des gan­zen Verdauunjrskanals, ausgenommen den Blinddarm. — Hunde wur-den von 3 — G Drachmen reinen Benzins gleich nach dem Eingeben sehr krank; sie entleerten reichlich zähen Schleim aus dem Maule, letz­teres wurde dunkelroth, sie athmeten schnell, hatten schnellen Puls, grossc Schwäche, taumelten, legten sich nieder und bekamen Krämpfe, aber sie erholten sich nach etwa 8 Minuten wieder, wenn sie nur bis 3 Drachmen erhalten hatten; von grösseren Gaben wurden die Thiere nach jenen Symptomen von Zeit zu Zeit unbeweglich, wie bei Tetanus, doch konnte man ihre Glieder leicht beugen; etwas später war die Empfindlichkeit gänzlich verschwunden und unter Convulsionen er­folgte der Tod in etwa 10 Minuten. Die Section ergab Eeizung der Respirationsschleimhaut, dunkles, dickes Blut im Herzen, starken Geruch nach Benzin in allen Theilen. —• Auch durch das Einathmen der Ben­zindämpfe, die mittelst einer Lampe sehr schnell und concentrirt in einem engen Baume aus 3 Unzen Benzin entwickelt waren, wurden ähnliche Zufälle und der Tod herbeigeführt.
Die thierärztliche Benutzung des Benzins ist bisher auf wenige abnorme Zustände beschränkt. Man hat dasselbe innerlich gegen chro­nische Magen- und Darmentzündung der Pferde versticht, und nach der durch mehrere Tage fortgesetzten Anwendung die Zufälle verschwin­den, den Appetit und eine bessere Ernährung wieder eintreten sehen.
Die Hauptanwendung ist gegen alle Parasiten im Thierkörper und auf demselben. Eingeweidewürmer jeder Art werden durch das Benzin leicht und sicher abgetrieben. — Acusserlich tödtet es alles Ungeziefer, Läuse, Flöhe, Haarlinge, Zecken, Blutsauger, Milben und dgl. binnen wenigen Minuten sicherer als jedes andere Mittel und es heilt somit auch die von Parasiten entstandenen Krankheiten, z. B. Läusesucht, Baude, Hautjucken und dgl. Bei der Baude scheint es jedoch auf die in den Milbengängen der Haut verborgenen Milbeneier nicht immer eben so tödtend einzuwirken und es muss deshalb hier nach etwa 6—8 Tagen wiederholt werden.
Die Gabe ist für Pferde und Rindvieh 1 — 3 Unzen; für Schafe, Ziegen und Schweine '/a Drachme bis l'la Unze, für Hunde 1 Scrupel bis 1 Drachme, täglich zweimal. Die innerliche Anwendung kann in flüs­siger Form, mit Honig und Wasser, oder besser in etwas Mehltrank, — oder in Pillen, welche man bei dem Eingeben in Papier wickelt, ge­schehen. Zusätze von bittern Mitteln.
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Aeusserlich wird das Benzin gewöhnlich unvei-diinnt auf die mit Ungeziefer besetzten Hautstellen gestrichen und eingerieben; bei ganz jungen und andern zarten Tbieren kann es mit 3 — 4 Theilen eines fetten Oels oder mit eben so viel Weingeist gemengt augewendet wer­den. Es können hierzu die grossen Thiere 4—6 Unzen, die Schweine und Hunde ^ — - Unzen auf einmal ganz gut ertragen. Benzol­dämpfe tödteten das Ungeziefer nicht, sondern betäubten blos dasselbe1. (Preis hi den Droguerien: 1 Pfd. i) Sgr.)
FÜNFTE KLASSE.
Flüchtige, weingeistige (apirituöse) und ätherartige Arzneimittel. {Medicamina volalilia, spirituosa et aetherea.)
Bi'griir, Wirkung und AiMvendiing dieser Millel iui illgeineluen.
sect;• ^74.
Eine kleine Anzahl von Arzneistoffen zeichnet sich durch die Eigenschaften aus, dass sie selbst bei gewöhnlicher Temperatur der Atmosphäre schneller verdunsten (sich verflüchtigen) als die ätherischen Oele und der Kampher, und dass sie auch bei der Anwendung auf den Thierkörper ihre Wirkungen schneller entwickeln als fast alle andere Arzneimittel (ausgenommen Ammoniak und Blausäure). Diese Mittel verdienen daher in doppelter Hinsicht die Bezeichnung als „flüchtige; Mittelquot;. Es sind: der Weingeist (mit dem Branntwein und Wein), die verschiedenen Arten des Aethers und das Chloroform.
In ihrer chemischen elementaren Zusammensetzung sind diese Mittel darin übereinstimmend, dass sie keinen Stickstoff enthaltenquot;, son­dern nur aus Kohlenstoff, Wasserstoff und Sauerstoff gebildet sind. Im concentrirten Zustande coaguliren sie Eiweis schnell und bringen daher auch Blut und andere eiweißhaltige Säfte zum Gerinnen; aus wässe­rigen Lösungen schlagen sie das Eiweis in löslicher Gestalt nieder. Die schnelle Verdunstung dieser Mittel erzeugt Kälte.
sect;• 275.
Bei der Anwendung dieser Mittel im concentrirten Zustande auf den Thierkörper machen sich, neben den speeifischen Wirkungen derselben, auch örtlich die eben erwähnten jshysikalischen und che­mischen Eigenschaften geltend.
Auf die unverletzte Haut gebracht, erzeugen sie zuerst ein Gefühl von Kühlung, welches jedoch nur ganz kurze Zeit dauert; dann tritt .Reizung, Eöthung, vermehrte Wärme, etwas Zusammenschrumpfung,
1 Reyuai, de la benzine; de ses proprietes therapeutiejues et toxiques. ßecueil de med. veter. 1854. p. 257.
Rey, de ia benzine, etc. Ebendaselbst, 1861. p. 449.
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gelinde Anschwellung und stärkere Resorption ein. War die Anwen­dung mehrmals in kurzer Zeit wiederholt, so entsteht wohl selbst ein leichter Grad von Entzündung- und nachfolgende Abschüppung der Oberhaut. — Bei kleinen Thioren bemerkt man nach der reichlichen Anwendung dieser Mittel auf einer grössereu i'läche zuweilen auch die speeifischen Wirkungen auf das Nervensystem.
In Wunden bewirken die Mittel heftige Reizung und Zusaminen-schrumpfung der Fasern, Vermehrung der Schmerzen, Gerinnung der Flüssigkeiten, Stillung parenehymatöser Blutungen, Beschränkung der Eiterung und Granulation, Verdichtung derselben, oft aber auch Beför­derung der Exfoliation.
Bei der innerlichen Anwendung der concentrirten Mittel verur­sachen sie ebenfalls an den Berührungsstellen eine Zusammenschrum­pfung und bei Wiederholung eine Verdichtung der Schleimhaut, Ge-rinnung des Pepsins und hierdurch Verminderung des Appetites und Störung- der Verdauung; gleichzeitig entsteht aber auch Reizung der Magennerven und Uebergang der Mittel in das Blut und hierdurch werden die speeifischen Wirkungen derselben herbeigeführt.
Die Mittel äussern diese Wirkungen übereinstimmend so, dass sie (ausgenommen das Chloroform) zuerst (primär) die Thätigkeit u. s. w. des Nervensystems schnell zu einem höhern Grade aufregen und hier­durch auch den ganzen Lebensprocess erhöhen, darauf aber (seeundär) Abspannung, Mattigkeit, und nach sehr grosseu Gaben sogar Betäubung und Lähmung verursachen. Dieser Unterschied zwischen der primären und seeundären Wirkung tritt hei diesen Mitteln deutlicher hervor, als bei allen andern; aber die Stärke und die Dauer der Erscheinungen, sowohl der aufgeregten als der verminderten Lebensthätigkeit, sind nach der Grosse der Gabe, nach der Concentration des angewendeten Mittels nach der kürzeren oder längereu Zeit der Wiederholung, und nach der Individualität der Thiere sehr verschieden. Bei Hunden, Katzen und Schweinen wirken diese Mittel verhältnissmässig am stärksten, bei Pfer­den viel schwächer und bei den Wiederkäuern am schwächsten. Massige Gaben nur einmal oder in langen Zwischenzeiten angewendet, veran­lassen nur eine geringe Aufregung, die sich durch lebhafteren Blick, grössere Aufmerksamkeit und Munterkeit, schnellere Verdauung und durch reichliche Urinentleerung zu erkennen giebt. Bei sehr empfind­lichen Thieren wird zuweilen auch die Zahl der Pulse etwas vermeint, und die Farbe der Schleimhaut im Maule und in der Nase etwas dunkler. Nach kurzer Zeit gehen alle diese Erscheinungen wieder vorüber, ohne dass deutlich bemerkbare Nachwirkungen folgen. Grosse Gaben er­zeugen stärkere Aufregung, unruhiges Benehmen, Hin- und Herlaufen ohne Zweck, Kratzen mit den Fassen, Wälzen auf dem Fussboden, stieren Blick, wobei die Pupille zuerst verengert, später erweitert ist; manche Thiere geben in der ersten Zeit freundliche, später ängstliche, widrige Laute von sich; bei Hunden, Katzen und Schweinen findet sich Neigung zum Erbrechen oder wirkliches Erbrechen (Vitet bemerkte dieses auch bei Wiederkäuern); der Stand wird nnregelmässig, der Gang schwankend. Nach kurzer Dauer dieser Zufälle zeigen sieh die Thiere
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matt, sie stehen mit gesenktem Kopfe oder liegen gern, und sind gegen alle äussere ^Einwirkungen bald mehr, bald weniger stark abgestumpft; Puls und Athem sind dabei normal oder nur sehr wenig vom jjesunden Zustande abweichend. In diesem Zustande, oft nach hinzugetretenem Schlaf, verbleiben die Thiere durch 3--G Stunden, worauf die ganze Wirkung wieder vorüber zu sein pflegt. Zuweilen bleibt aber noch etwas Mattigkeit zurück. — Durch sehr grOsse Gaben wird die Auf­regung fast augenblicklich nach dem Eingeben in einem hohen Grade hervorgerufen, aber schon nach wenigen Minuten treten Schwindel, schwankender Gang, Unvermögen zu gehen, und Erbrechen hinzu, worauf Erweiterimg der Pupille, Verlust der Sinnesthätigkeit, schnelles, beschwerliches Athmen, Zuckungen, Betäubung. Lähmung und zu­weilen selbst der Tod folgen. Tritt der letztere nicht ein, so erholen sich die Thiere erst nach mehreren Stunden. In manchen Fällen wird durch die starke örtliche Reizung Magen- und Darmentzündung er­zeugt, und die Thiere genesen oder sterben dann erst nach 24 Stun­den. — Bei der Section der schnell gestorbenen Thiere findet sich Ge­ruch nach Weingeist in den Eingeweiden und Anhäufung von schwar­zem Blute in den Gefässen desquot; Gehirns, im Herzen und in der Leber; oft ist das Blut im Herzen gleich nach dem Tode geronnen. — Bei den langsamer gestorbenen Thieren sieht man aussei- der Anhäufung von schwarzem Blut in allen Organen, mehrentheils noch Entzündung im Magen oder Darmkanal, oder Verdickung der Häute dieser Theile. Die Lungen und alle andere Organe erscheinen unverändert.
Wenn diese Mittel verdunstet, als Dämpfe möglichst rein, in ange­messener Menge eingeathmet werden, führen sie dieselben Zufälle, welche von grossen Gaben innerlich verabreicht entstehen, nämlich zuerst schnell vorübergehende Aufregung, dann Betäubung, Gefühllosigkeit, Lähmung und selbst den Tod herbei. Die Wirkungen erfolgen auf diesem Wege der Anwendung sehr schnell und leicht, da die duustförmigen Stoffe in den Lungen mit dem Blute in fast unmittelbare Berührung kommen.
Direct in die Venen gespritzt, bringen diese Mittel ähnliche Wir­kungen hervor; dieselben erreichen aber hier leicht einen zu hohen Grad, besonders bei kleinen Thieren und wenn die Mittel sehr concen-trirt sind. Es erfolgt zuweilen der Tod sehr schnell durch Gerinnung des Blutes in der rechten Hälfte des Herzens und in der Lungen­arterie.
sect;. 276.
Die Vermittlung der allgemeinen Wirkungen der Spirituosen und ätherhaltigen Mittel erklärte man durch die blosse Berührung der Ner­venenden an den Stellen der Einwirkung, weil die Wirkungen eine wesentliche Beziehung zum Nervensystem haben. Da aber nach jeder Art der etwas reichlichen Anwendung dieser Mittel die ausgealhmete Luft den eigenthümlichen Geruch derselben annimmt, dieser Geruch auch im Blute wahrzunehmen ist, welches bald nach dem Eingeben einer grossen Gabe von Weingeist, Aether oder Chloroform durch einen Aderlass entleert wird, so ergiebt sich, dass diese Stoife eben so wie
Hf.rtwig, Arznohnittellehre.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; lo
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alle andere, einen grossen Tlieil ihrer Wirkung durch den üebergang in das Blut vermitteln.
Das Blut seihst erleidet durch die Mittel Veränderungen, durch welche die Wirkung vervollständiget wird. Zuerst entstellt eine durch die gasartige Flüchtigkeit der Mittel, besonders in der Wärme des Thier-körpers beförderte, grössere Expansion des Blutes; dann wird sein Eiweisstoff mehr zum Gerinnen geneigt und hierdurch das Blut mehr dickflüssig; zugleich erhält dasselbe, da diese Mittel sehr reich an Koh­lenstoff und leicht zersetzbar sind, in kurzer Zeit einen grossen Gehalt an diesem Stoft'e, und wird dunkler gefärbt, und selbst in den Arterien zuweilen dem Venenblute ähnlich. Sowohl in Folge dieser Veränderun­gen des Bluts, wie auch bei der durch die primäre, flüchtig reizende Wirkung erzeugten Aufregung der Lebeusthätigkeit entstehen (Jonge­stionen zu dem Gehirn, Bückenmark, zur Lunge oder zur Leber, im zweiten Stadium venöse Anhäufungen in diesen Organen, und durch Beides Betäubung und Lähmung. Ein grosser Theil der in den Körper gebrachten Spirituosen Mittel wird unzersetzt durch die Lungen, die Nieren, die Leber und die Haut, je nach Nebenumständen hier oder dort mehr, wieder ausgeschieden1, ein Theil aber geht in das Gewebe des Gehirns, in die Hirnhöhlen u. s. w. über-.
sect;• 277.
Lie Spirituosen und ätherischen Arzneimittel sind in der flüchtig erregenden Wirkung den ätherisch-öligen Mitteln (besonders dem Kam­pher) ähnlich; sie unterscheiden sich aber von denselben dadurch, dass sie a) noch weit flüchtiger wirken; — 6) dass ihre Wirkung viel mehr deprimirend auf das Nervensystem, bei grossen Gaben specifisch auf die Thätigkeit des Gehirns gerichtet zu sein scheint, und c) dass sie blos die Nervenkraft aufregen, niemals aber (wie die ätherisch-öligen Mit­tel) zugleich die Irritabilität vermehren und dass sie nicht die Mischung des Blutes verbessern, sondern im Gegentheil dasselbe durch Ueber-ladung mit Kohlenstoft' und durch zu grosse Neigung zum Gerinnen verschlechtern, und d) dass von den allermeisten ätherisch - öligen Mit­teln keine solche secundäre Zufälle entstehen, wie von den Spirituosen.
Eben so sind diese Mittel dem Opium und dem Ammoniak in der Wirkung ähnlich. Das letztere seheint aber (abgesehen von seinen alkalischen Eigenschaften) mehr die Nerven des Rückenmarks und die grossen Eingeweidenerven als das Gehirn zu erregen, und es fehlen ihm die deprimirenden Nachwirkungen. Das Opium wirkt dagegen in grossen Gaben specifisch auf das grosse Gehirn, macht örtlich nur sehr geringe
1nbsp; nbsp;Vergleiche hiermit v. Po mm er, über die künstliche Berauschung pflanzen-und fleischfressender Säugethiere. In der Schweizer Zeitschrift für Natur- und Heil­kunde. 1. Bd. 1. Heft. Zürich 1834.
2nbsp; nbsp;Nach Liebig gehören die flüchtigen Mittel zu den wichtigsten ßespirafions-stQfl'en, indem sie sich mit dem Sauerstofl' der eingcathmeten Luft verbinden , ver­brennen, Kohlensäure bilden und hierdurch die Wärmeerzeugung sehr fördern. In neuester Zeit haben Lallemand u. A. diese Ansicht bestritten. — aber wohl mit Unrecht.
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Erregung, fast niemals Entzündung, beschränkt *ast alle Ab- und Aus-sonderungen, und es fehlt ihm die Flüchtigkeit.
sect;. 278.
Die-innerliche Anwendung der Spirituosen und ätherhaltigen Mit­tel ist nur bei solchen Krankheitszuständen angezeigt, welche im Allge­meinen in sehr verminderter und unregelinässiger Nerventhätigkeit be­gründet sind, und sie findet daher namentlich Statt: o) bei allgemeiner Lebensschwäehe, welche sowohl durch Krankheiten, wie auch durch übermässige Anstrengungen verursacht ist, z. B. durch Arbeiten, bei und nach schweren Geburten; — ferner, bei asthenisehcn Fiebern, be­sonders bei Nerveutiehem, wo die Kräfte, sehr gesunken, wo grosse Ab­stumpfung, Krämpfe und dergleichen Nervenzußtlle zugegen sind, z. B. bei der Staupe mit Zuckungen; — ö) bei Schwache und bei qualitativ abnormer Nerventhätigkeit in verschiedenen Gebilden, namentlich in den Verdauungs- und Harnorganen, z. B. bei Krampf- und Windkolik, bei der Trommelsucht der Wiederkäuer, bei krampfhaften Harnver­haltungen und ähnlichen Zufällen.
Sie sind bei diesen Zufallen nur so lange nützlich, wie dieselben im hohen Grade bestehen und bis die Kräfte so weit gehoben sind, dass andere, mehr andauernd wirkende Erregungs- und Stärkungsmittel vom Organismus ertragen werden; denn niemals sind sie für sich allein im Stande, wirklich zu stärken und somit die innere Ursache jener Zufälle zu beseitigen. Deshalb pflegt man sie auch gewöhnlich mit aroma­tischen, mit bittern und andern Mitteln verbunden anzuwenden.
Das Einathmen der coucentrirten Dämpfe dieser Mittel findet bei und vor schmerzhaften Operationen Statt, um die Thiere zu betäuben und ihnen die Schmerzen zu verhindern.
sect;• 279. Die Gabe und die Wiederholung muss bei diesen Mitteln sowohl nach ihrer Concentration, wie auch nach dem Grade der vorhandenen Schwäche und Abstumpfung, oder nach der Heftigkeit der Krämpfe, und ebenso nach der Stärke und Dauer der, von der ersten Gabe ent­standenen Aufregung möglichst genau abgemessen werden. Doch sind stets nur massige Gaben zu therapeutischen Zwecken zu benutzen, weil durch die heftige Erregung von grossen Gaben die vorhandene geringe Nervenkraft sehr leicht völlig erschöpft, und hierdurch der Schwäche­zustand zu einem noch hohem Grade gebracht wird. Da es aber schwer ist, gleich im Anfange des Gebrauchs dieser Mittel die genaue passende Gabe zu treffen, so ist es zweckmässig, mit kleinen Gaben zu beginnen, ihre Wirkung zu beobachten und die folgenden Gaben nach derselben ein­zurichten. Die Wiederholung muss, solange die Krankheitszufälle sie er­fordern, in kurzen Zwischenzeiten und sogleich als die erregende Wir­kung der vorher gereichten Gabe vorüber ist, Statt finden. — Als die schicklichste Form zur innerlichen Anwendung erscheint die flüssige, weil in andern Formen die Verdunstung zu sehr begünstigt wird, wenn man die Arznei nicht gleich nach ihrer Bereitung verbraucht. Pillen und
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Latwergen mit solchen Mitteln soll man daher in grossen Quantitäten nicht bereiten lassen. — Verbindungen kann man fast mit allen andern Arzneisubstanzen machen.
sect;. -280.
Die äusserliche Anwendung dieser Mittel ist, nach ihrer, im sect;. quot;275 angedeuteten Wirkungsweise da angezeigt, wo man flüchtig erregen, gelind zusammenziehen und stärken muss, daher namentlich bei Läh-niuugeu; bei ErschlaffungP Auflockerung und zu starker Ausdehnung oberflächlich liegender Theile, dalier auch nach Verrenkungen und nach Verstauchungen; bei und nach Quetschungen, wenn dieselben mit keiner sthenischen Entzündung begleitet sind; ferner: bei Blutunterlaufungen und ödematösen Anschwellungen, bei parenchymatösen Blutungen; bei asthenischen, torpiden Entzündungen; bei üppiger Granulation, beson­ders wenn sie sehr weich und blass ist; bei zu langsamer Abblätterung angegriffener Theile an Knochen, Knorpeln und Bändern; bei dem kalten Brande; bei dem kalten und chronischen Rheumatismus, und bei dem sogenannten Schwund.
sect;. 281.
Dagegen ist der Gebrauch dieser Mittel überall nachtheilig, wo ein Zustand von entzündlicher Aufregung besteht, wie namentlich bei Congestionen zum Gehirn, bei Entzüiulnngsfiebern, bei allen sthenischen und bei schmerzhaften Entzündungen, bei frischen Wunden; oder, wo Callositäten und durch Gerinnung des Eiweisstofl'es (Faserstotfes) be­dingte Verhärtungen bestehen, z. B. bei verhärteten Geschwülsten.
1) Wfingeisf, Spiritus vini.
sect;. 282.
Der Weingeist wird aus Substanzen, welche Zucker oder Stärke­mehl enthalten, durch die sogenannte Spiritus- oder Weingährung er­zeugt und dann durch Destillation von den übrigen Substanzen und dem Wasser abgetrieben. Er ist eine Flüssigkeit, in welcher er bald an mehr, bald an weniger Wasser gebunden ist. Möglichst frei von Wasser heisst er: Alkohol {Alcohol s. Alcohol vini ab.solutum), —dagegen höchst rectificirter Weingeist {Spiritus vini rectißcätissimus) wenn er 80 — 90 Proc. Alkohol, — rectificirter Weingeist {Spiritus vini rectißcatus), wenn die Flüssigkeit 55- 80 Proc. Alkohol, — und Branntwein oder verdünnter Weingeist (Spiritus frumentis. Alcohol dilutum), wenn sie weniger als 55 Proc. Alkohol enthält.
sect;. 283.
Der Weingeist erzeugt die, von den Spirituosen Mitteln im Allge­meinen angegebenen Wirkungen (sect;. 275 u. 276) und dieselben erfolgen um so schneller und heftiger, je reicher er an Alkohol ist. Der reine Alkohol und der höchst rectificirte Weingeist gehören zu den flüch­tigsten Erregungsmitteln; ihre erregende Wirkung verbreitet sich zwar über das ganze Nervensystem, äussert sich aber specifisch und am
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stärksten an Jen Vemehtungeu des kleinen und grossen Gehirns; doch bewirkt er auch schnell üeberreizung, grosso Erschöpfung, Betäubung und alle, mit der seeundären Wirkung verbundene Zufälle, concentrirt und in sehr grossen Gaben selbst den Tod. An den Stellen der unrait tclbaren Einwirkung verursacht der Alkohol und der höchst rectilicirte Weingeist überall heftige Reizung und selbst Entzündung. Bei inner­licher Anwendung, noch mehr aber beim Einspritzen in die Blutadern wirken diese Flüssigkeiten am heftigsten, und auf letztere Weise am gefährlichsten, weil dadurch, aussei' der starken Reizung auch schnelles Gerinnen und Zersetzung des Blutes und hierdurch Störung des Lungen­kreislaufes entsteht.
Anmerkung. Ein altes, aber gesundes Pferd, dem 8 Unzen Alkohol einge­geben worden, erschien plötzlich höchst aufgeregt, wurde anruhig, baurate sieb, taumelte, Hei nach kaum 2 Minuten nieder, schlug heftig mit den Fräsen und mit dem Kopfe, verdrebete die Augen, wurde ganz unempfindlich und bewisstlos, und starb nach 10 Minuten. Der Herzschlag war wenig schneller als vor den. Eingeben, und dauerte noch über 10 Minuten nach dem Tode fort. Beim Oefinen fand sieli an den Eingeweiden die, im sect;. 275 angeführte Beschaffenheit. — Von 4 — G ilnzeu er­folgten dieselben Zufälle; die Pferde blieben aber am Leben. Hunde starben unter ähnlichen Zufallen ' 4 — ' 3 Stunde nach dem Eingeben von 1 — 2 Unzen Alkohol; von 1—2 Drachmen zeigten sie sogleich heftige Aufregung, welche schnell in Taumel und Betäubung überging; nach ' .., — 1 Stunde waren sie aber wieder gesund; — 4 — fi Drachmen verursachten ähnliche Wirkungen, die aber heftiger, länger anhal­tend und mebrentheils mit Erbrechen verbunden waren. Wo letzteres nicht eintrat oder wo es durch das Zubinden des Schlundes verhindert war, starben die Hunde nach einigen Stunden, und bei der Section zeigte sich fast jedesmal Entzündung des Magens und Darmkanals.
Das Einspritzen von l — 2 Unzen des reinen Alkohols in die Drosselvene eines Pferdes, oder von 2—4 Drachmen in die Drosselvene eines Hundes, bewirkt sogleich Schwindel, Betäubung. Convulsionen und gewöhnlich in Zeit von 1 — 3 Minuten den Tod. Dagegen ertrugen einige Pferde eine vorsichtige Einspritzung von 4—fi Unzen des ree ti ficirten Weingeistes, ohne dass heftige Zufälle entstanden.— Durch das Einspritzen von 8 —10 Drachmen Alkohols in das Zellgewebe am Schenkel eines Hundes sähe Orfila bald die gewöhnlichen Symptome der allgemeinen Wirkung und nach etwa 3 Stunden den Tod erfolgen.
Die Wirkungen des rectificirten Weingeistes und des Brannt­weins sind im Wesentlichen denen des Alkohols ähnlich, aber in dem­selben Vcrhältniss milder und langsamer eintretend, je mehr der letz­tere durch Wasser verdünnt ist. Im sehr verdünnten Zustande wird selbst das Doppelte von einer Gabe des Alkohols, welche im coaeeu-trirten Zustande desselben tödtlich zu'sein pflegt, ohne Nachtheil er­tragen. Ich gab Pferden und Kühen von dem rectificirten Weingeist 10—15 Unzen, Schafen 3 — 4 Unzen, Hunden 1 —2 Unzen, und be­merkte, zwar zuweilen starke Erregung und Berauschung, aber nur massige Betäubung. Ziegen und Schafe gewöhnen sich (wie ich mehr­mals beobachtet habe) sehr leicht an den Genuss des gewöhnlichen Branntweins, so dass sie denselben, wenn er ihnen vorgesetzt wird, in bedeutender Menge (zu fi—10 Unzen) saufen und ertragen.
Anmerkung. Viborg' spritzte in die Drosselvene eines Pferdes 2 Unzen und 2 Drachmen Kornbrauntwein, worauf dasselbe nach 2 Minuten ein munteres
1 Samml. B. 3. S. 113.
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Ansehen, erhöhte Wärme, und hervorstehende, starre und glänzende Augen zeigte, und viel mit den Ohren spielte; der Puls wurde voll, sank aber von 52 Schlägen zu 33 in 1 Minute h'erab. Diese Zufälle dauerten 3 •, Stunden, aber im abnehmenden Grade, worauf sich Zittern, besonders an den Schultern, den Flanken und an den Hinterfussen einfand; der Puls wurde jetzt klein und bis 76 Schlägen in der Minute vermehrt. Der Rücken wurde durch eingetretene Krämpfe in einen Bogen nach unten zu gekrümmt, das Pferd streckte öfter den Kopf, gähnte, legte die Ohren zu­rück und verdrehte die Augen. Diese Zufälle hielten ' 2 Stunde lang an, nahmen dann wieder ab und endeten mit einem Zittern der Muskeln. Nach 4 Stunden be­fand sich das Pferd dem Ansehen nach wieder wie vorhin; am folgenden Tage liess es öfter als gewöhnlich Harn; der Koth ging mit Beschwerde ab und war hart, trocken, auswendig mit Schleim überzogen.
sect;• 284.
Der Weingeist kann innerlich ganz nach den im sect;, 277 und 278 enthaltenen Andeutungen benutzt weiden, jedoch nicht im reinen Zu­stande als Alkohol oder als höchst rectificirter Weingeist, sondern nur verdünnt als gewöhnlicher Branntwein oder als rectificirter Weingeist. — Von dem letztern giebt man zum innerlichen Gebrauch für Pferde und Rinder 2 — 4 Unzen, für Schafe und Ziegen 1 — 2 Unzen, für Schweine 3 Drachmen bis 1 Unze, für Hnnde ^g — 2 Drachmen, — und von dem Branntwein, nach Verhältniss seiner Stärke, bis zur dop­pelten Menge dieser Gaben.
In der Kegel wird der Weingeist und Branntwein bei der inner­lichen Anwendung noch mit Wasser verdünnt, oder zu Infusionen von aromatischen, oder zu Decocten von bittern und adstringirenden Mitteln gesetzt; zuweilen giebt man ihn in Verbindung mit Kamjdier, mitHirsch-hornöl, mit Terpenthinöl oder auch mit Mineralsäuren; z. B. bei der Lungenwürmerkrankheit der Schafe wird Weingeist und Terpenthinöl gleiche Theile zusammengemengt, und hiervon den älteren und stär­keren Thieren 1 Esslöffel, den jüngeren 1 Theelöffel voll auf einmal, jeden dritten Tag wiederholt, gegeben, und während 2—3 Wochen da­mit fortgefahren. — Die zweckmässigste Form für die innerliche An­wendung ist die flüssige.
Aeusserlich wird der Weingeist zum Waschen, Bähen, zu Ein­reibungen u. s. w. sehr häufig gebraucht und besonders bei den, im sect;. 280 genannten Krankheitszuständen. Seine Anwendung geschieht bald rein, wie z. B. bei Blutungen, bei üppiger Granulation u. s. w., bald in Verbindung mit Aufgüssen und Abkochungen von aromatischen und zusammenziehenden Pflanzen, z. B. bei Quetschungen, bei astheni-schen Entzündungen; bald in Verbindung mit Terpenthinöl, mit Kam­pher oder Seife (als Kampher- und Seifengeist), z. B. bei grosser Er­schlaffung, nach Verstauchungen, bei Rheumatismus; auch in Verbindung mit Essig, Wasser und Salmiak oder Kochsalz (als sogenanntes Oxykrat, siehe Essig), z. B. bei Quetschung mit Blutunterlaufimg.
Ausserdem dient der Weingeist noch zur Bereitung der verschie­denen Tincturen und anderer Präparate, welche bei den betreffenden Mitteln genannt werden.
A umcvkmig 1. Der Franzbranntwein (Spirit, tini f/allirns). — der Rum (Spirit. Sacckari), — die Taffia (Spirit, sued Sacchari), — der Arrak (Spirit.
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Oryzae), — das K irsclnvasser (Spirit. Cernsvrum), — der Pflaumeubrauut-wein (SUnovitza), — Wachholderbranntwein (Geuerer) und andere, im Han­del vorkommende Arten von Weingeist und Branntwein, weichen in der Wirkung von dem gewohnlieheu Weingeist im Wesentlichen nicht ab und können daher, wo sie wohlfeil oder als Hausmittel zu haben sind, wie dieser benutzt werden. (Preis in den Apotheken: Spirit, vini alcoholisat. 1 Unze 2 Sgr. 6 Pfg., — Spirit, vini recti-ßcatissiuins 1 Unze 1 Sgr., — Spirit, vini rcctißcaius 1 Unze 10 Pfg.)
Anmerkung 2. Der, nach der Destillation dos Weingeistes verbleibende Rück­st and , die sogenannte Schlempe. ISranntweinschlempe, oder das Brannt­weinspülicht (liesidunm post dcstillationem Spiritus vini) ist eine gegohrne Flüssig­keit, welche ausser Wasser die sämmtlichen PHanzentheile des Getreides oder der Kartoffeln, welche durch die Gährung nicht in Alkohol verwandelt worden sind, enthält, namentlich Pflanzenleim, Eiweis, Pflanzenfaser, Extractivst )ff, verschiedene Salze und Erden nebst einem Ueberrest von Stärkemehl und Gummi, der bei dem bisher besten Verfahren zurückbleibt. Ausserdem enthält sie oft noch Essigsäure (zuweilen in 12 Unzen der Flüssigkeit 1 — 2 Unzen), Fuselöl, und auch etwas Wein­geist'. Sie wirkt, in reichlicher Menge den Thieren innerlich gegeben, nährend und erregend, macht schnell vollblütig und befördert bei Milchkühen die Miichsecretion; äusserlieh wirkt sie erregend, gelind zusammenziehend, daher zertheilend und stär­kend. Dieser Wirkungen wegen wird sie innerlich zum Füttern und Mästen, be­sonders des Kindviehes, der Schweine und Schafe. — äusserlieh aber als ein sehr wohlfeiles und kräftiges Heilmittel bei Erschlaffung und Ausdehnung der Muskeln. Sehnen und Bänder, bei Steifigkeit der Gliedmaassen von zu starker Anstrengung, b^i Quetschungen, bei ödematösen und andern astheniseben Geschwülsten, bei dem Schwinden u. s. w. benutzt. Die änsSerliche Anwendung geschieht in Form von Fussbädern, Waschungen und Bähungen, am besten warm. Als Nahrungsmittel ist die Schlempe in ökonomischer Hinsicht sehr schätzbar, in diätetischer Hinsicht aber zuweilen nachtheilig; sie erschlafft die Eingeweide, bewirkt starke Neigung zum Schwitzen, begünstiget daher das Entstehen der Unverdaulichkeiten, der Koliken, der Rheumatismen, der rheumatischen und katarrhalischen Entzündungen und dgl. Auch soll sie besonders das Entstehen der Lungenseuche bei dem Rindvieh be­günstigen; dies ist jedoch nicht sicher nachgewiesen. Wenn man: a) die Thiere an ihren Genuas allmälig gewöhnt, — b) sie ihnen in entsprechender Menge und neben ihr eine angemessene Quantität Heu oder Stroh giebt, — c) die Schlempe weder zu heiss noch concentrirt, sondern quot;3 oder bis zur Hälfte mit Wasser ver­dünnt reicht, und d) sie nicht sauer und faulig werden lässt, und um dies zu ver­hüten, ihre Aufbewahrungsorte (gewöhnlich Gruben . Schlempekuhlen genannt) von Zeit zu Zeit reiniget, so entstehen selbst von ganz anhaltender Schlempefütterung nicht leicht üble Folgen.
2) Wohl, J'itimn.
sect;. 286. Im Wein ist der Weingeist innig verbunden mit Schleim, Zucker, Kleber, Harz, Weinstein, Säuren (Weinstein-, Essig- und Apfelsäure), gewürzhaften Stoffen und Wasser, und bei den rothen Weinen auch
' Spiritus iindet sich nach regelmässiger Gährung und nach vollständigem Ab-breunen in der Schlempe äusserst wenig, wohl aber nach unvollständiger Gährung und übereiltem Brennen zuweilen in solcher Menge, dass die Thiere von ihrem Ge-nuss berauscht und in diesem Zustande für krank gehalten werden. Die Diagnosis (ludet sich leicht aus den Symptomen, aus dem plötzlichen Erkranken nach dein Ge-nuss der Schlempe und aus der Untersuchung derselben. Ein Brechmittel und das Begiessen des Kopfes mit kaltem Wasser beseitiget die Zufälle bald. Wo fortgesetzt spiritushaltige Schlempe gefüttert wird, soll hierdurch das Verkalben der Kühe bewirkt worden sein (König, im Magaz. f. Tbierheilk. Bd. XXV. S. 201). — Essig­säure ist in ganz frischer Schlempe nicht vorhanden, sie entwickelt sich aber schnell hei der Aufbewahrung (Analyse von Trommer, Magaz. f. Th. Bd. XIV. S. 345).
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mit rotheni Färbestoff und Gerbsäure. Diese Bestandtheile finden sich in den Weinen von verschiedenen Eebeusorten, aus verschiedenen Ge­genden, von verschiedenem Boden, Alter u. s. w. in sehr mannigfaltigen Verhältnissen, und bedingen hierdurch eine grosse Verschiedenheit ihrer Eigenschaften.
sect;#9632; 287. Die Wirkungen des Weines hängen zwar grösstentheils von seinem Gehalt an Weingeist, zum Theil aber auch von seinen übrigen Bestand-theileu ab, und erscheinen deshalb bei den einzelnen Weinsorten etwas verschieden. Im Wesentlichen stimmt daher wohl die Wirkung mit der des Weingeistes (sect;. 283) nberein, besonders wenn man den Wein in grossen Gaben reicht, bei welchen die Wirkung des in ihm enthal­tenen Weingeistes vorherrschend wird1; allein vom Wein ist sowohl die örtliche wie die allgemeine Erregung milder, und bei letzterer nicht blos auf das Nervensystem beschränkt, sondern auf die Blutgefässe, Muskeln und Bänder verbreitet und mehrentheils mit einem stärkeren Zusainmenziehungsvermögen dieser Theile begleitet. Der Wein wirkt daher nicht allein erregend, sondern auch stärkend, obgleich die erstere Wirkung die vorherrschende ist. — Süsse Weine wirken ziemlich gleich-massig erregend auf die Nerven und Gefässe, reizen und stärken aber örtlich am wenigsten. — Saure Weine erhitzen, nach Verhältniss ihres Gehaltes an aromatischen Stoffen und an Weingeist, sie erheben die gesunkene Irritabilität, und befördern die Uriuabsouderung. Sehr saurer Wein stört die Verdauung und bewirkt in grossen Gaben bei Pferden Kolikzufällc. — Die rothen Weine erregen am meisten die Irritabilität der Muskelfaser, vermehren die organische Cohäsion und beschränken die Ab- und Aussonderungen, sowohl an den Schleimhäuten wie auch in Wunden und Geschwüren.
sect;. 288. Die innerliche Anwendung des Weines kann, wo derselbe wohl­feil zu haben ist, bei jeder Krankheit Statt finden, die mit einem hohen Grade von wirklicher Schwäche verbunden ist und vorzüglich bei den irn sect;. 278 genannten Zuständen. — Er verdient, weil er a.isser der be­wirkten Beizung auch stärkt, in den meisten Fällen den Vorzug vor­dem Weingeist. — Die Gabe kann für Pferde und Rinder 8 —16 Un­zen; für Schafe 3—6 Unzen; für Schweine 1—3 Unzen und für Hunde
1 Vitet (a. a. O. S. 417) sagt über den Wein: ,,Das Pferd widersetzt sieh dem Gemisse desselben nicht so sehr als der Oelis, und letzterer wird nicht so sehr von ihm angegriffen als das Schaf (V). Wenn das Pferd ihn in zu grosser Menge trinkt, so wird es betäubt, kann nicht auf den Füssen stehen, und wenn es auch aufsteht, so fällt es doch gleich wieder nieder. Der Ochse wird nach dem Ge-nnsse des Weines müde, Hörner und Haut werden heiss, er wird ganz dumm, harnt viel, taumelt im Gehen, fällt oft nieder und kann nur mit grosser Mühe wieder auf­stehen. Anfä'nglich macht er alle Bewegungen zum Erbrechen. Das Schaf ver­tragt verhältnissmässig zu seiner Grosse d cn Wein besser, aber 3 Pfund des­selben machen ihm Neigung zum Erbrechen und der Bauch wird aufgetrieben, doch ohne dass die Muskeln, die zum Fortschreiten dienen, geschwächt werden. Sechs Pfunde Weines greifen ein Schaf sehr heftig an und tödteu es zuweilen.quot;
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V-i — 2 Unzen Hein, richtet sich aber in jedem Falle nach den gege­benen allgemeinen Andeutungen.
sect;. 280.
Aeusserlich kann der Wein bei den im sect;. 28lt;gt; bezeichneten Krank­heiten angewendet werden. Am zweckmässigsten sind hierzu die sauren und rothen Weine, die man zum Waschen und zu Urnschlägen, kalt oder warm, und zuweilen in Verbindung mit aromatischen Kräutern, mit Kamjiher, mit Kochsalz, mit adstringirenden und andern Mitteln benutzt.
Anmerkung-, a) Die Wein t res tern {Vhiaceti). oder die ausgepreisten Hül­sen und Stiele der Weinbeeren und Trauben, und h) die Weinhefen*, das We hi­lft ger [Faeces viiii s, mater vi.ni), oder der naeb laquo;lern ersten Abziehen des Weins zu­rückbleibende Bodensatz, enthalten beide Gerbsäure und Kohlensäure, besonders letzterer im t'risehen Zustande sehr reichlich. Sie wirken daher zusammenziehend, erregend und fäulnisswidrig und können zu ümselilägen und Bähungen g 'gen astlie-iiische, torpide Entzündungen, gegen Quetschungen, vorzüglich aber gegen brandige, unreine und stinkende Geschwüre angewendet werden.
3) Schwefelätber, Vili'ioliilt;i|ihtliii, Aether sidphuricus, Naphtha vitrioli.
sect;. 290.
Die verschiedenen Acthcrarten sind unter allen Arzneimitteln die flüchtigsten; denn sie verdunsten schon bei gewöhnlicher Lufttem­peratur, und im lebenden Körper geschieht dies noch mehr, da der Aether schon bei der Temperatur des Blutes kocht. Auch die Wir­kungen erfolgen schneller als von andern Mitteln, gehen aber von mas­sigen Gaben auch schnell wieder vorüber. Bei innerlicher Anwendung der Aetherarten und bei dem Einathmen ihres Dunstes zeigen sie, sich zuerst durchdringend erregend, belebend, krampf'stillend, aber später tritt von grossen Gaben Berauschung und Betäubung ein, und zwar letztere vorwaltend in der Sensibilität, so dass bei höhern Graden das Bewusstseiii ganz aufhört. Die Wirkungen sind also denen des Alko­hols sehr ähnlich, aber von diesen durch grössere Flüchtigkeit und durch geringere zurückbleibende Schwäche verschieden. Der Aether geht in das Blut über und wirkt umändernd auf dasselbe wie der Weingeist. — Diese Eigenschaften aussein sich bei dem Schwefeläther am stärksten, zugleich ist er der wohlfeilste und wird deshalb gewöhnlich den übrigen Aetherarten vorgezogen.
sect;. 291.
Die Anzeigen zur innerlichen Anwendung des Aethers sind die­selben, welche für die Anwendung der Spirituosen Mittel überhaupt gelten (sect;. 278J. Ausserdem ist er bei dem Aufblähen der Wiederkäuer und bei der Windkolik der Pferde ein sehr schnell wirksames Mittel. Er scheint hier durch Zersetzung der Gase, und zum Theil wohl auch durch Erregung einer grösseren Contractilität des Pansen zu wirken. — Bei heftigen Krämpfen, bei grosser Nervenschwäche leistet er schnell gute Dienste. In grossen Gaben oder andauernd gebraucht, hat er das Unangenehme, dass das Fleisch nach ihm riecht und schmeckt, wenn
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die Thioic kurz nach scinur Anwendung geschlachtet worden sind. Auch die Milch nimmt den Geruch und Geschmack nach ihm an.
Man giebt Pferden und Rindern 2 Drachmen bis 2 Unzen, Schafen und Schweinen 1—4 Drachmen, Hunden 10 Tropfen his 1 Drachme, — nach Bedtirfniss in Zwischenzeiten von 1j.,—-1 Stunde wiederholt, in Ver­bindung mit Wein, Bier oder aromatischen Kräuter-Infusionen, immer kalt, bei dem Aufblähen blos mit kaltem Wasser (gleiche Thcile) zusam-meugeschüttelt. Das beste Vehikel ist ein fettes üel (1 — 3 Theile), mit welchem man den Aether in einer Flasche tüchtig zusammenschüttelt.
sect;. 292.
Das Einathmcn der Aetherdämpfe (das sogenannte Aetherisire n) geschieht für den Zweck: die Thiere bei chirurgischen Operationen so zu betäuben, dass sie die Schmerzen von denselben nicht empfinden, wie auch, dass sie nicht durch Unruhe und heftige Muskel-Contrac-tioneu hinderlich sein sollen, z. B. bei Operationen an den Augen, bei eingeklemmten und nicht eingeklemmten Brüchen, Bauchwunden mit Vorfall der Eingeweide. Dieser Betäubungszustand (die Anästhesie) tritt bei einzelnen Thieren, selbst von derselben Gattung, leichter und schneller ein als bei anderen, und zuweilen ist die Empfänglichkeit für dasselbe ausserordentlich gering; doch ist die Schnelligkeit und der Grad der Wirkung auch von der Concentration des Aethers und davon abhängig, dass derselbe in einem engen Baume reichlich verdampft und eben so reichlich eingeathmet wird. Man hat hierzu verschiedene künst­liche Apparate erfunden, die jedoch überflüssig sind, da man den Zweck auch sehr gut erreicht, wenn man bei Pferden und Rindvieh entweder einen vorher durch waxmesWasser erweichten (und wieder ausgedrücktenj Badeschwamm mit Aether reichlich begiesst und in ein Nasenloch des Thieres steckt, oder indem man bei sämmtlichen Thieren den Aether auf einen Schwamm oder ein Stück Leinwand reichlich giesst, diese Gegenstände in ein dem Kopfe des Thieres entsprechend grosses Ge-fäss, z. B. für Pferde in einen Eimer oder grossen Topf, für Hunde in einen kleinen Topf oder ein Trinkglas legt, die Nase des Thieres in dies Gefäss steckt und so die Dämpfe einathmen lässt.
sect;. 293.
Bei dem Einathmen des Aethers tritt die erregende Wirkung sehr schnell ein, aber sie geht eben so schnell in die Betäubung über, die von Stufe zu Stufe steigend, bei Vögeln und Hunden oft schon nach der durch 1 Minute fortgesetzten Einathmung den höchsten Grad er­reicht, so dass man die Thiere stechen und schneiden kann, ohne dass sie Empfindung hiervon zeigen. Bei grösseren Thieren, und besonders beim Pferde, muss das Einathmen der Actherdämpfe stets längere Zeit (quot;gewöhnlich 5—15 Minuten) fortgesetzt werden, ehe dieser lK)he Grad der Wirkung erreicht wird. Die Thiere zeigen die eingetretene Wir­kung durch Hängenlassen der Ohren, langsameres Athmen, Erwei-lerung der Pupille, Sinken in die Knie, Niederlegen, und zuletzl Mangel an Empfindung bei Nadelstichen. Vor dem Wahrnehmen der
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letztem Erscheinung darf das Einathmen der Aetherdämpfe nicht auf­hören, dann aber unterbricht man dasselbe und verrichtet die vor­habende Operation; und wenn dieselbe durch einige Zeit dauert und die Thiere wieder anfangen Empfindlichkeit zu zeigen, lässt man das Einathmen wieder Statt finden, und in dieser Weise fortgesetzt, bis zur Beendigung der Operation.
Die gleichmässige zu lange Fortsetzung des Einathmens nach schon eingetretener Betäubung hat in einzelnen Fällen eine zu starke Wirkung, — wirkliche Lähmung der Nervencentraltheile, Aufhören des Athmens und den Tod zur Folge gehabt. Es ist deshalb immer darauf zu achten: ob und wie die Respiration und die Herzthätigkeit, während der Betäubung des Thieres noch fortbesteht; Verlangsamung dieser Functionen tritt jedesmal ein und ist also kein Gefahr drohendes Symptom, so lange beide noch deutlich wahrzunehmen sind; aber das Aufhören derselben zeigt Gefahr an, und es ist dann nöthig: sogleich die Einathmung der Aetherdämpfe aufhören zu lassen, den Kopf mit kaltem Wasser wiederholt zu begiessen, ein künstliches Athmen durch regelmässig abwechselndes Drücken der Kippenwände und des Bauchs zu bewirken, das ganze Thier und namentlich die Gliedmaassen tüchtig zu reiben und am Halse eine Einreibung von Salmiakgeist, oder von Terpenthinöl, zu machen.
sect;#9632; 294.
Die Menge des zu einer Betäubung erforderlichen Aethers ist theils nach der Art, Grosse und Empfindlichkeit des Thieres, theils nach der Concentration des Mittels und nach der Art der Anwendung, in den einzelnen Fällen sehr verschieden. Ich sähe manche Pferde schon nach dem Einathmen einer Unze des Mittels die Augen halb schliessen und in die Knie sinken u. s. w., während andere diese Wirkung von 2 Un­zen nur schwer zeigten. Nach vielen Versuchen sind als mittlere Dosis für Pferde und Rinder D/g —4 Unzen, für Schafe und Ziegen 3 — 6 Drachmen, für Schweine 1—5 Drachmen, und für Hunde 1—3 Drach­men erforderlich, — also im Ganzen mehr als bei dem innerlichen Ge­brauch als krampfstillendes Mittel-
Es ist jedoch stets nöthig, für den Zweck des Anästhesirens wenig­stens zwei Gaben von der angegebenen Grosse für ein Thier zu be­sitzen, damit die vollständige und andauernde Wirkung erzeugt werden könne, wenn hierzu die erste Portion nicht ausreichend ist.
sect;. 295.
Man hat den Schwefeläther mit anderen Mitteln auch zu Olystiren benutzt, bei Krämpfen im Magen, im Darmkanal, in den Haruwerk-zeugen u. s. w. Die Gabe ist dann stets nur die Hälfte der oben zum inneren Gebrauch angegebenen.
Auch hat man ihn äusserlich auf eingeklemmte Brüche und auf ent­zündete Theile gebraucht, wo er durch seine Verdunstung Kälte er­zeugt und nützlich sein kann. Diese Anwendung findet aber sehr selten Statt. (1 Unze 2 Sgr.)
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A vimc rkuug 1. Der Sell wcl'e lä therwei ugeis t, Hoffmann's schmerz-stillende Tropfen, versttsste Schwefelsäure (Spiritus sulphurieo-aethereus, liiqaor anodynus inineralis Iloß'iiucnni, Spiritus vitriuli dulris), durch Auflösung des Seliweieläthers in 3 Theilen höchst rectificirten Weingeistes bereitet, hat ganz die Wirkungen des Schwefeläthers, jedoch in etwas goringerm Grade. Er kann daher, als wohlfeiler, den Aether ersetzen und in noch einmal so grossen Gaben laquo;'ie dieser angewendet werden.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;n
Anmerkung 2. Der Essigäther (Aether nceticns), der Phosphoräther U-i. photsphoratus)t Salpeter- und Salzäther (A, ititricus u, A, muriaticus), der S a 1 z ä th er w e i ng eis t oder versus st er S a I z g e i s t (Spirit, muriatico- aethereus s. Spirit, salts dulcis) und der S alp e t er äth er Weingeist (Spirit, nitrifo - aethereus s. Spirit, iiitri dulcis) sind in der Thierarzneiknndc zu entbehren und durch Schwefel­ätherweingeist zu ersetzen.
4) ( iiIIoiIiimii. Collodium, Spirilus mlphnrieo-aethereus conatringens^quot;).
%. 29laquo;.
Diese, dureb Auflösimg der Scliiessbaumwolle in Schwefeläther bereitete, t'arlilose, dickflüssige, stark nach Schwefejäther riechende
Flüssigkeit bat die Eigenschaft: auf dor Haut eine massige Reizung und dann beim Verdunsten des Aethers cine Zusaminenschrumpfuiig der Haut zu erzeugen und eine klebende Decke auf derselben zu hin­terlassen.
Dieser Wirkung entsprechend wird das Collodhun nur als kleben­des, deckendes Mittel bei oberflächlichen Wunden und bei Gelenkwun­den, — zuweilen auch als entziindungswidriges Mittel, besonders beiKnt-zündungen schlaffer und drüsiger Gebilde benutzt; im Ganzen ist aber die Anwendung sehr beschränkt. Dieselbe geschieht durch Aufstreichen des Mittels mit einem Federbart, einem Pinsel odquot;r selbst mit den Fin­gern auf die vorher ganz trocken gemachte Körperstelle. Will man die künstlich erzeugte Decke etwas dick haben, so geschieht die Anwendung-nach dem Trocknen der ersten Aufstreichung zwei- bis dreimal wieder­holt. Die entstandene Decke ist mchrcutheils spröde und blättert sich zuweilen schnell ab; um sie mehr zähe zu erhalten, ist der Zusatz von etwa 10- 12 Tropfen Ricinuscil zu 1 Unze des Collodiutns sehr zweck-mässig. (Droguerie - Preis: 1 Pfd. 15 Sgr.)
ö) Das Chlurofunu, Furtiij'lchlurid, Chloroformium, Formylum chloratttm.
I
sect;• 297.
Das Chloroform ist eine farblose, süsslich und stark ätherartig riechende, süsslich und etwas brennend schmeckende Flüssigkeit, die an der Luft schnell verdampft, bei 60nK. siedet, sich leicht mit Aether, Alkohol und fetten Oelen iniseht und aus 1 Aequivalent Formyl (dem Radical der Ameisensäure) und 3 Aequivalenten Sauerstoff besteht.
1 gt;as Chloroform wirkt zuerst flüchtig reizend und dann schnell be­täubend, ganz analog dem Aether, aber etwas stärker als dieser. Es wird daher auch wie dieser als krampf- und schmerzstillendes Mittel (Anaesthetiann) benutzt. Innerlich ist es gegen Krämpfe überhaupt, besonders aber gegen Krampfkolik, Blasenkrampf, Eiuklemmung der
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Brüche, krampfhaftes Drängen bei Vorfall der Gebärmutter und dgl., und gegen Eingeweidewürmer mit gutem Erfolge g-egcben worden.
Die Gabe ist für Pferde und Rinder 2 Drachmen bis 1 Unze, für Schafe, Ziegen und Schweine '/j—2 Drachmen, für Hunde und Katzen 10 Tropfen bis 1 Drachme; — je nach Umständen in Zwischenzeit von einer halben bis ganzen Stunde wiederholt.
Gewöhnlich giebt man das Mittel flüssig, mit 3—4 Tl.eilen kalten Wassers, oder Kamillen-Infusum, Leinöl und dgl. gemengt, selten in Bissen, welche immer sogleich angewendet werden müssen.
Seine schnellste und kräftigste anästhesirende Wirkung zeiet das Chloroform bei dem Einathmen seiner Dämpfe, bei dem sogenannten Chlorofonniren. In dieser Weise wird es ganz so wie der Aether angewendet, jetzt aber trotz des hohen Preises demselben fast allge­mein vorgezogen, weil es die Betäubung schneller und sicherer be­wirkt und nach derselben weniger Eingenommenheit des Kopfes hin-terlässt.
Ueber die Art der Anwendung, die hierbei zu beobachtende Vor­sicht, die zur Betäubung erforderliche Gahe u. s. w. gilt Alles, was hierüber bei dem Aether (sect;. 292—295) gesagt worden ist. (1 Drachme SPfg.)
Anmerkung. Es giebt noch mehrere Flüssigkeiten von Slinlicher chemischer Zusammensetzung und von ähnlicher betäubender Wirksamkeit wie der Aether und das Chloroform, z. B. der Aether chloricua oder das Elayl ehloriir. das Aldehid, das Kohlenwasserstoffe lilori d, das Amylen (Ami/lemim) und dgl., dieselben sind jedoch nicht im Gebrauch und auch durch Aether und Chloroform völlig ent­behrlich.
SECHSTE KLASSE.
Scharfe Mittel. {Mediccmenta acria.)
BegrilT, Wirkung und Annendinig dieser llillcl im Allgemeinen.
sect;. 298.
Als scharfe Arzneimittel bezeichnet man im Allgemeinen die­jenigen, welche im Maule einen scharfen, d. h. brennenden, beissenden, stechenden oder kratzenden Geschmack erregen, und überhaupt bei der Einwirkung auf den lebenden Thierkörper an den Stellen der Be­rührung eine heftige Reizung bewirken. — Diesen Eigenschaften ge-mäss, könnte man im weitesten Sinne: a) die reinen (ätzenden) Kalien, 6) die concentriiten Säuren, c) viele Metallsalze, d) die meisten äthe­rischen Oele und mehrere Substanzen, welche ein scharfes, ätherisches Oel enthalten, e) den Alkohol, und /) viele Pflanzen und einige Thiere, in denen ein eigenthümlicher scharfer Stoff [Prin-cipium acre) enthalten ist, zu den scharfen Mitteln rechnen; im engern und hier gültigen Sinne versteht mau jedoch unter dieser Be­zeichnung nur die Mittel der letzteren Art (/), weil die übrigen
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(sub a bis e) theils ausser der scharten örtlichen Reizung- noch andere, ihnen eigenthüniliche und wichtigere Wirkungen erzeugen, vorzüglich aber, weil sie nach ihren bekannten eigenthiimlichen Bestandtheilen in andern Klassen der Arzneimittellehre einen mehr passenden Stand er­halten haben.
sect;. 299. Die Wirksamkeit der scharfen Mittel ist an sehr verschiedene nähere Bestandtheile gebunden, namentlich an Alkaloide, an Säuren, Harz, Schleimharz, grünes Wachs, bittern, kratzenden Extractivstoft' und dgl. — Bei den meisten Mitteln ist das scharfe Princip fix, bei einigen aber grüsstentheils flüchtig; bei mehreren findet sich dasselbe in dem einen oder dem andern der genannten Bestandtheile höchst con-centrirt, so dass man durch ihn die eigenthümliche Wirkung des ganzen Mittels in einem hohen Grade erzeugen kann; bei andern ist es dagegen in mehreren Bestandtheilen zusammen enthalten.
300.
Die scharfen Mittel erreg-en bei der Anwendung auf den lebenden Thierkörper nicht allein örtliche, sondern auch allgemeine Wirkungen; beide sind jedoch in der Art und in dem Grade der Erscheinungen ver­schieden, nach der Eigenthümlichkeit der einzelnen Mittel und nach dem Orte und der Dauer ihrer Einwirkung.
a. Bei der Anwendung auf die unverletzte äussere Haut erregen einige dieser Mittel (besonders die spanischen Fliegen und das Grotonöl) örtlich eine deutlich bemerkbare Wirkung, die sich in gelinderm Grade durch vermehrte Empfindlichkeit und Röthung der Haut (letztere nur an weisser Haut), — im stärkeren Grade durch brennende Empfindung, dunkle Röthe, Geschwulst, vermehrte Wärme, Ausschwitznng und Bil­dung von Bläschen, und im stärksten Grade durch brandige Entzündung und Zerstörung der Haut oder auch der tiefern Theile, zu erkennen giebt. — Erscheinungen von allgemeiner Wirkung- erfolgen bei der Anwendung auf die unverletzte Haut nur von einigen scharfen Mitteln (Canthai'iden, Nieswurz, Groton), und nur in einem geringen Grade; sie bestehen in massiger Vermehrung der Pulse, in Trockenheit des Mauls, bei Hunden auch in Ekel, Erbrechen, schnellerem Athmen, Un­ruhe und darauf folgender Mattigkeit.
h. An der Schleimhaut der Nase, im Maule und an der Bindehaut der Augen äussert sich die örtliche Wirkung in gelinderm Grade durch dunklere Röthung, verstärkte Absonderung der Thränen, des Speichels, des Schleims, durch Niesen und dgl., im höhern Grade aber durch Ent­zündung, Erzeugung von Bläschen, zuweilen selbst durch Brand. — Eine allgemeine Wirkung entsteht hierbei fast in noch geringerem Grade und noch seltener als bei der Anwendung auf die Haut.
c. In Wunden und Geschwüre, oder in das Zellgewebe unter die Haut gebracht, erzeugen die meisten scharfen Mittel heftige Reizung, Auflockerung, rothlaufartige Entzündung, Verjauchung und oft Brand. Diese örtliche Wirkung ist sehr oft mit starkem Fieber, mit beschwer­lichem Athmen, mit Angst, Zittern, mit Zuckungen, Erbrechen, Pur-
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gireu, mit grosser Mattigkeit und selbst mit Lähmung begleitet, und wenn ein scharfes Mittel in grosser Menge auf einer grossen Wund-Häche angewendet war, erfolgt nicht selten der Tod.
d.nbsp; nbsp;Bei der innerlichen Anwendung entstehen von kleinen Gaben der meisten scharfen Mittel auch nur geringe reizende Wirkungen, stär­kerer Appetit, bessere Verdauung, vermehrte wurmförmige Bewegung mit stärkerer Zusammenziehung der Därme und mit verstärkter lie-sorption, daher der Koth mehr trocken, bei Pferden klein geballt ab­geht. Einige Mittel verursachen bei den Thieren, die sich erbrechen können, auch in kleinen GJaben Ekel und Erbrechen. Grössere Gaben bringen immer eine starke Heizung des Magens und Darmkai.als, Ver­lust des Appetits, Erbrechen, Purgiren, zuweilen Kolikschmerzen, ver­mehrte Urinsecretion, Durst, verstärkte Resorption hervor: und von übermässig grossen Gaben entsteht Entzündung, Anätzung, selbst Brand der Schleimhaut im Magen und Darmkanal, heftiges Fieber, zuletzt kaum fühlbarer, sehr kleiner Puls, durch einige Zeit auch blutiger Durchfall, sehr grossc Mattigkeit, Schwindel, Lähmung und Tod. Von manchen Mitteln tritt auch heftige Reizung und Entzündung der Nieren und der Harnblase, blutiges und sehr schmerzhaftes Uriniren ein.
e.nbsp; nbsp;Von Injectioneu der scharfen Mittel in die Blutadern entstehen sehr schnell, selbst von kleinen Gaben, Ekel, Erbrechen, Drang zur Kothentleerung, Zittern, Zuckungen, krampfhaftes, beschwerliches Athmen, — in grossen Gaben aber fast augenblicklich heftige Krämpfe, Sehwindel, Lähmung und der Tod.
sect;• 301.
Die angedeuteten allgemeinen Zufälle erscheinen bei einigen der scharfen Mittel in einer ziemlich gleichmässigen Zeitfolge und mehren-theils (ausgenommen bei der Injection in die Venen) erst nachdem die örtliche Wirkung vollständig entwickelt ist; ihre Stärke ist, selbst bei gleich grossen Gaben und bei Thieren von derselben Gattung sehr- ver­schieden und theils von der Empfindlichkeit der einzelnen Thiere über­haupt, theils von der Empfindlichkeit und Reizbarkeit der betroffenen Organe abhängig; sie entspricht auch nicht immer dem Grade der ört­lichen Zufälle. Eben so verschieden ist auch die Dauer der Zufälle; diejenigen, welche schnell eintreten, wie Erbrechen, Schwindel, Zuckun-geu und Krämpfe, bestehen mehrentheils nur durch kurze Zeit, aber die Zufälle der örtlichen Reizung, die Entzündung und ihre Folgen durch mehrere Tage. — Werden die scharfen Mittel durch längere Zeit in etwas grossen Gaben angewendet, so stören sie den gesammten Bil-dungsprocess, bewirken Appetitlosigkeit, schlechte Verdauung, Nei­gung zur Zersetzung der Säfte, grosse Abmagerung, Mattigkeit, und im höchsten Grade selbst Faulfieber. Diese Wirkungen und Folgen treten nur langsam ein, sind aber gewöhnlich sehr anhaltend.
• sect;. 302. In den Cadavern von Thieren, welche durch übermässige Gaben von scharfen Mitteln getödtet worden sind, findet man gewöhnlich an dem Orte der Einwirkung, sowohl äusserlich wie im Magen oder im
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Darmkanal, Entzündung in verschiedenem Grude, Extravasate von Blut und sulzigem Faserstofif, Erosionen, aber selten einen festen Schorf. Eigenthümlich ist es, dass der Magen und der Dickdarm, und an dem letztem speciell der Mastdarm mehrentheils stärker nfficirt sind, als der übrige Darmkanal. Oft sind diese Theile, und eben so (aber seltener) die Harnwerkzeuge auf die angegebene Weise verändert, wenn auch die scharfen Mittel dem Körper an andern Stellen einverleibt waren. Das Blut ist überall ganz dunkel, selbst in der linken Höhle des Her­zens; die Venen des Gekröses und der übrigen Baucheingeweide sind mehrentheils mit solchem Blut sehr angefüllt; wenn aber heftiges Pur-ffiren durch einige Zeit anhaltend bestand, findet man sie zuweilen auch ganz leer, selbst im ganzen Körper Blutmangel. Die Lungen und das Gehirn /.eigen keine bestimmte Veränderung; aber am hintern Ende des Rückenmarkes linden sich sehr oft blaue Flecke, und zwischen den Kückenmarkshäuten Extravasate von Blut.
sect;. 303.
Alle die verschiedenen Wirkungen der scharfen Mittel bestehen primär in einer Aufregung der Lebensthätigkeit, die sie bald an der Stelle der Anwendung, bald mittelbar an entfernteren Organen, und besonders an denen des Hinterleibes in verschiedenem Grade hervor­gerufen, und worauf stärkerer Zufluss der Säfte, Ueberffillung der Ge-fässe, besonders der Venen, vermehrte Absonderung und selbst Bluter-giessung, so wie an andern Stellen des Körpers Verminderung der Säfte, vermehrte Aufsaugung u. s. w. erfolgt. Obgleich bei jener primären Aufregung zuerst immer die Empfindlichkeit und Reizbarkeit erhöhet wird, so ist dies doch keine wirkliche Stärkung der betroffenen Theile, sondern nur eine vorübergehende Reizung, welche bgi sehr hohen Graden der Wirkung zuweilen durch Ueberreizung sogar eine Vernichtung jener organischen Grundkräfte herbeiführt. In dieser Eigenthürnlichkeit be­ruht ein wesentlicher Unterschied zwischen der reizenden Wirkung der scharfen und der ätherisch-öligen Mittel, so wie auch in ihr die Ursache des eigenthümlichen (rothlaufartigen) Characters der Entzündung, des so häufigen Entstehens der Extravasate, der grossen Mattigkeit und selbst der Lähmung und des Brandes zu finden ist.
Die örtliche Reizung erfolgt nur durch chemisch-dynamische Einwirkung der scharfen Stoffe auf die lebenden Gebilde, und nicht (wie Manche glauben) auf chemische Weise allein; denn wenn das Letztere geschähe, so müsste die Wirkung auch am todten Körper er­folgen, — was aber nicht der Fall ist. Die allgemeine Wirkung ent­steht zum Theil a) durch dynamische Fortpflanzung der örtlichen Rei­zung mittelst der Nerven auf andere Organe, namentlich auf die grossen sympathischen Nerven, auf die Lungen - Magemierven, auf die Bauch­eingeweide und auf das Rückenmark; zum Theil aber auch h) durch den materiellen Uebergang der scharfen Stoffe in das Blut, und durch ihre wahrscheinliche Wiederausscheidung aus demselben in den Nieren, an den Schleimhäuten und andern Organen, an denen sich eben eine veränderte Secretion zeigt. Die meisten scharfen Mittel zeigen hierbei
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eine speciüsche Richtung ihrer Wirkung auf einzelne Reproductions-orgaue, z. B. auf den Magen, auf die Leber, auf den Dickdarm uud auf die Harnwerkzeuge, und sie wirken daher bald vorzüglich als Brechmittel, bald als Purginnittel, als urintreibende, oder als Auswurf befördernde Mittel. In dieser eigenthümlichen Richtung der Wirkung auf die Beproductionsorgane und in der, durch die Reizung erzeugten stärkeren Absonderung und Aufsaugung ist es begründet, dass die scharfen Mittel vorzüglich den Bildungsprocess im Organismus ver­ändern.
sect;. 304.
Nach ihren verschiedenartigen Wirkungen können die scharfen Mit­tel bei verschiedener Anwendung- mehrerlei Heilzwecken entsprechen. Bei äussei'licher Anwendung dienen sie hauptsächlich: a) zur Er­weckung eines höhern Grades der Lebensthätigkeit, sowohl bei ört­lichen Krankheiten der Haut (z. R. bei Räude), wie auch bei zu ge­ringer Ernährung oder bei beginnender. Lähmung in tiefer liegenden Gebilden (z. B. beim sogenannten Schwund), b) zur Verstärkung- der Resorption und zur Zertheilung bei asthenischen torpiden Entzündvin-gen, besonders fibröser und seröser Theile, bei Ausschwitzungen, Ver­dickungen und bei Verhärtungen, bei Extravasaten, bei Ötollbeulen, Leberbeinen, Gallen, Sehnenklapp, Lyinphgefäss- und Venenentzün­dung (Aderfistel) xmd dgl., oder c) zur Ableitung der Reizung und des Säfteandranges bei Entzündungen des Gehirns, der Augen, des Kehl­kopfes, der Lungen u. s. w.
Innerlich angewendet dienen sie zur Erregung der abnorm ver­minderten, torpiden Eunctionen der Veidauungseingeweidc, zur Er­zeugung des Erbrechens, des Purgirens, und schädliche Stoffe schnell aus dem Körper zu entleeren, oder um von andern Organen das Blut abzuleiten und um eine stärkere Resorption anzuregen; — eben so ein­zelne zur Erregung einer reichlichen Urinsecretion, um Krankheitsstoffe aus dem Blute zu entfernen oder auch um ergossene Elüssigkeiten schnell zu resorbiren.
sect;. 305.
Hiernach linden die scharfen Mittel innerlich bei mannigfaltigen Kraukheitszuständen eine nützliche Anwendung, und zwar: 1) bei tor-pide'r Schwäche der Verdauungseingeweide, bei Appetitlosigkeit, bei Verschleimung, bei Anhäufung unverdaulicher Futterstoffe im Magen und Darmkanal, bei Eingeweidewurmern, Neigung zur Leibesver­stopfung; 2) bei Congestionen zum Gehirn, zu den Augen, dem Rücken­mark und dgl., so wie bei Entzündungen dieser Theile uud der Kno­chen, Muskeln, Sehnen, und der Weichgebilde in den Hufen, bei acutem und chronischem Rheumatismus; 3) bei Ansammlung von Elüssigkeiten in den Höhlen und im Zellgewebe (Wassersüchten, Dunnnkoller); 4) bei Lähmungen; 5) bei Flechten, bei Wucherungen und dgl.
sect;. 306. Dagegen ist der innerliche Gebrauch dieser Mittel nachtheilig bei synochösen Entzündungen der Verdauuugseiugeweide (zum Theil auch
Hbbtwio, Arzneimittellehre.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 17
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der Harnwerkzeuge, x. li. Canthaiiden), auch bei jeder andern heftigen Aufregung der Empfindlichkeit in den Organen der Bauch- und Becken-hohle, — und hei (Jachexie mit grosser Schwäche.
Aeusserlich ist die Anwendung der meisten scharten Mittel bei sthenischen, erethischen und erjsipelatöseu Entzündungen der Haut nicht passend, weil leicht Verjauchung und Brand entsteht.
sect;. 307. Ueber die Gabe und Form der Anwendung gestatten diese Mittel, wegen ihrer sehr grossen Verschiedenheit von einander, keine allge­meine Bestimmung.
1) Spanische Fliegen, Cantharideil, Cmiharides, Zyttae vesicatoriae.
sect;#9632;
308.
4
Diese Insekten enthalten als hauptsächlich wirksamen Bestand-theil, neben einem flüchtigen, riechenden, einem fetten Uel u. s. w. einen specifischon Stoff', das Cantharidin, (Canthariden-Kampher), welches sich in Aether, ätherischen und fetten Oelen, heissem Alkohol leicht löst, in Wasser unlöslich ist. Es bewirkt schon in der geringen Menge von xl\w Gran, mit einem Tropfen Oel gemengt und auf die Haut gebracht, binnen wenigen Minuten heftige Reizung, dann Aus-sclnvitüung einer gelblichen, serös-lymphatischen Flüssigkeit unter der Oberhaut, Blasenbildung, und später, durch Vertrocknen der ausge­schwitzten Flüssigkeit, Schorfe, Ablösung der Oberhaut und zuweilen auch Ausfallen der Ilaare. Die Letztern wachsen aber immer bald wieder. Die Ausschwitzung erfolgt auf dünner Haut, bei kleinen und jungen Thieren, bei sehr reizbaren, vollsaftigen Thiereu oft schon nach einer halben bis ganzen Stunde, entgegengesetzt aber tritt sie bei alten, torpiden Thieren, auf dicker Haut und bei Krankheiten, bei denen ent­weder die Lebensthätigkeit sehr gesunken ist oder wo eine übermässige Blutströmung zu innern Organen besteht, oft erst nach 12—24 Stun­den ein und sie ist unter den letzteren Verhältnissen gewöhnlich auch schwächer als unter den erstcren. — Bei recht concentrirter Anwendung und besonders nach mehrmaliger Wiederholung des Mittels auf eine Stelle entsteht heftige Entzündung der Cutis, Ulceration, selbst Brand. Dies ist auch zuweilen da der Fall, wo eine Disposition zu Bothlauf oder Faulfieber besteht. Es bleiben nach so tief greifender Wirkung gewöhnlich haarlose Flecke, zurück.
Ganz so wie das Cantharidin wirken auch die Canthariden selbst, wenn sie in einer passenden Form mit der Haut oder mit einer Schleim­haut in dauernde Berührung gebracht werden; ihre Wirkung ist aber eine viel schwächere (man nimmt an, dass sie sich wie 1 zu 50 verhält). Am stärksten erscheint die blasenziehende Wirkung bei Pferden, etwas schwächer bei Schafen und Hunden, und noch schwächer bei Bindern und Schweinen.
In Wunden und Geschwüren erregen die Canthariden heftige Ent­zündung, darauf vermehrte Absonderung, aber nicht auffallende Um­änderung oder Besserung des Secrets.
;il;
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sect;. 309.
Die äusserliche Anwendung der Cauthariden ist häufig aiuh mit allgemeiner Wirkung begleitet. Hauche Thiere werden unruhig-, suchen sich an der gereizten Stelle zu reiben, zu lecken oder auch zu beissen, und kratzen mit den Filssen; sind sie sehr empfindlich, so werden auch die Pulse schneller, die Wärme vermehrt, das Maul trocken, der Appe­tit unterdrückt, der Durst gross. Oft, besonders hei Anwendung auf grosse Flächen, entsteht eine Keizung der Harnwerkzeuge, die sich durch anhaltenden Drang zum Uriniren, wobei aber nur wenig Barn entleert wird, zu erkennen giebt; — und in einzelnen Fällen tritt selbst Entzündung dieser Orgaue oder Blutharnen, oder ein lähmungsartiger Zustand im Hintertheil ein (siehe: Brandes, Beitrag zur Kenntniss der Wirkung der Cauthariden gegen Krankheiten der Hausthiere, im Magazin für Thierheilkunde, Bd. 3. S. 855 u. f.). Diese Zufälle sind jedoch nicht constant, und sie bleiben nicht selten ganz aus, wenn auch die äussere Wirkung im Umfange und in der Stärke sehr bedeutend erfolgt; sie werden aber fast immer sehr heftig, wenn eine bedeutende Quantität des Cantharidenpulvers auf eine wunde Fläche gebracht ist. Eine Drachme auf diese Weise bei einem Hunde angewendet, verur­sachte Unruhe, Angst, Appetitlosigkeit, mehrmals wiederholtes Erbre­chen einer gelben, dicklichen Flüssigkeit, Schmerzen, Fieber, beschwer­liches Athmen, Mattigkeit und den Tod. Letzterer trat bei einem Hunde nach 14, bei einem zweiten nach 32 Stunden ein. (Orfila, Toxikologie, Bd. 2. S. 82). — 10 — 20 Gran in eine Wunde gebracht, hatten keine nachtheiligen Folgen.
sect;. 310.
Von der innerlichen Anwendung der Cauthariden in einzelnen kleinen Gaben (d. h. bei Pferden zu 4 —10 Gran, bei Rindern zu 6—20 Gran, bei Schafen und Schweinen zu 1 — 3 Gran, bei Hunden zu 1II—1 Gran), und an gesunden Thieren bemerkt man meistens keine bestimmten Erscheinungen; bei öfterer Wiederholung solcher Gaben und bei Thieren, die au asthenischen Krankheiten leiden, zeigt sich dasresren eine massige Reizung, welche von der Schleimhaut des Verdauungs­kanals beginnt, sich über den ganzen Körper verbreitet, am stärk­sten gewöhnlich an den Harnwerkzeugen hervortritt und eine Stei­gerung fast aller Functionen zur Folge hat. Man sieht daher vermehr­ten Appetit, regelmässige Verdauung, grössere Munterkeit, munteren Blick, höheres Aufrichten des Kopfes und glatteres Haar entstehen; der kleine, schwache Puls wird voller, das Blut mehr gerinnbar, die sonst blassen Schleimhäute werden röther, der zu klebrige Schleim wird dünnflüssiger, der Urin reichlicher abgesondert, Anschwellungen der Lymphgefässe und Oedeme an den Füssen u. s. w. verlieren sich, Wurm und andere Geschwüre erhalten ein reines Ansehen und neigen zur Heilung. In einigen Fällen sähe ich an gesunden Pferden bei fort­gesetzter Anwendung kleine Bläschen und Geschwürchen auf der Haut entstehen.
Einzelne. Gaben von massiger Grosse (bei Pferden von 1/2 bis
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1 Drachme, bei Rindern bis zu 3 Drachmen, bei Hunden von 3 bis 10 Gran) bewirken eine massige Aufregung- des Pulses, etwas beschleu­nigtes Athmeu, und bei Hunden fast immer Erbrechen einer gelbliehen Materie; manche Tbicre werden nacb einiger Zeit unruhig und uriniveu oft, setzen jedoch mehreutheils nur kleine Portionen Harn ab; die Pferde wedeln dabei mit dem Schweif, Hunde rutschen auf dem Hintern, und zeigen aufgeregten Geschlechtstrieb. Der Urin ist im Anfange immer weisslich, späterhin mehr gelblich und bei einem höhern Grade der Wirkung röt'nlich, selbst mit Blut gemengt. Doch wird derselbe nicht immer in vermehrter, sondern auch oft in geringerer Menge abgesetzt; aber die Reizung zur Entleerung ist sehr andauernd. — Der Urin wird oft eiweishaltig. Zuweilen hat man bei Pferden auch Anschwellung des Schlauches und der Eichel hierbei entstehen sehen. Manche Hunde werden traurig, matt, zittern, die Wärme nimmt ab, es tritt Lähmung ein, Convulsionen und nach 1^ — 36 Stunden der Tod. Giebt mau Hunden die Canthariden mit Wasser, so können 2 — 3 Gran schon tödtlich werden, und zwar ohne dass Irritation eintritt, sondern es zeigt sich gleich Adynamie. Der Tod erfolgt nach (i —18 Stunden. Die Section zeigt nur Blässe der Schleimhaut. - - Nach grossen Gaben (bei
Pferden und Rindvieh über Hunden über '^ Drachme)
'/a Unze, bei Schafen über 1 Drachme, bei entsteht gewöhnlich eine Entzündung der
bezeichneten Organe, die selbst tödtlich werden kann. Muyschel sag zwar hierüber: dass die so sehr gefürchteten Wirkungen der Canthariden auf die Harnwerkzcugo gar nicht existiren, eben so auch nicht die Wir­kungen auf die Geschlechtsorgane (Magazin für Thierheilkuude Bd. IX. S. 407); aber, abgesehen von den vielen Beobachtungen Anderer über diese Wirkungen, — ich muss nach meinen Versuchen und Beobachtungen bestätigen: dass bei sämmtlichen Hausthieren von grossen und wieder­holten Gaben der Canthariden eine Entzündung der Nieren, der Blase und der Harnröhre, ansserdem aber auch zuweilen eine Entzündung des Magens und Darmkanals eintritt, zuweilen aber auch ganz aus­bleibt. — Von 30 bis zu 00 Gran des Pulvers, starben Hunde schon nach 4—5 Stunden und Pferde von 1 Unze nach 18 Stunden. Morton sähe eine Pferd sogar schon von 1 Drachme des Mittels sterben, ein anderes aber 4 Drachmen, ohne üble Zufälle ertragen [Abstract of the Proceedings of the veterinari medical association, p. 42 u. 60). Bei den Cadavern findet man die Blase klein, ihre Schleimhaut oft geröthet oder mit blutigen Streifen bedeckt. — Ueber Sections-Data und über Vermittelung der Wirkung siehe sect;. 302 — 303.
sect;• 311.
Die Anzeigen zur innerlichen Anwendung der Canthariden sind bis jetzt von den Thierärzten noch nicht gehörig festgestellt worden, wahrscheinlich aus dem Grunde, weil diese Anwendung als mit Gefahr verbunden betrachtet und daher nur von Wenigen versucht worden ist. Seinen eigenthümlichen Wirkungen zufolge ist das Mittel passend, wo Schwäche, sehr verminderte Reizbarkeit und gesunkene Thätigkeit im Darmkanal oder in den Harnwerkzeugen besteht, dynamische Störungen
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vorhanden sind, und wo als Folgen der mangelhaften Verdauung und Assimilation, Verschleimung, Cachexie, Wassersucht, Abzehrung, allge­meine Schwäche oder wo Lähmungen entstanden sind; daher haupt­sächlich: gegen veraltete Schlcimflüsse (besonders aus der Nase, der Lunge und den Geschlechtstheilen), gegen atonisches Bluthainen, ge­gen atonische Harnruhr, gegen ödematöse Anschwellungen der Füsse und dgl., wenn dieselben blos aus allgemeiner Schwäche oder in Folge von katarrhalischen Krankheiten entstanden sind; gegen Wassersuchten, gegen bösartige Druse, gegen Rotz, Wurm, veraltete hartnäckige Mauke, und anders hartnäckige Hautkrankheiten; — eben so gegen Lähmung des Blasenhalses und gegen das hiervon entstandene Unvermögen den Urin zu halten. Einige englische Thierärzte haben in neuerer Zeit die Canthariden als eins der kräftigsten tonischen Mittel betrachtet und gegen mehrere der genannten Krankheiten mit gutem Erfolge ange­wendet (siehe: Abstract, etc. im vor. sect;., und The. Veterinarien 18^0 u. f.); besonders hat K. Vines sie als das wirksamste stärkende und umstim­mende Mittel bei abgematteten, durch Entkräftung in einen .'iache-ctischen Zustand versetzten, an bösartiger Druse, an Rotz und Wurm leidenden Pferden empfohlen (siehe: R. Vines, practical Treatise on glanders and farcy in the Hone, etc. London 1830. Aus dem Engl. übersetzt von L. Wag'enfeld, unter dem Titel: R. Vines, prakt. Ab-handl. über die Rotzkrankheit und den Hautwurm der Pferde. Dan­zig, 1833). Muyschel hat von Gaben zu 15 Gran bis zu 21/a Drachme, täglich zweimal gereicht, bei mehreren rotzkranken Pferden einen guten Erfolg gesehen. Es wurde aber mit den Canthariden zugleich Terpen-thin, Terpenthinöl, Schwefel, Schwefelleber, Autimonium und dgl. ge-sreben. In andern Fällen bewährte sich das Mittel nicht. Ich habe sie auch häufig, und gegen jene erstere Krankheiten oft mit dem grössten Nutzen gegeben, aber bei ausgebildetem Rotz und bei dem echten Wurm stets ohne Erfolg. Kersting hatte sie auch schon gegen diese Krankheiten angewendet, jedoch ebenfalls ohne Erfolg (dessen „Nach­gelassene Manuscripte,quot; 2. Aufl. S. 103 u. 104, und in Schreber, cameralistische Samml. 4. Th. S. 365). Dagegen habe ich bei dem so­genannten unechten Wurm, eigentlich eine Entzündung der Lymph-gefässe der Haut, mit nachfolgender Eiterung in kleinen, oft und schnell sich wiederholenden Abscessen, sehr günstige Wirkung des Mit­tels beobachtet.
Auch sind die Canthariden als prophylaktisches Mittel gegen die Wuthkrankheit nach dem Bisse wnth kranker Thiere gebraucht worden; ihr Nutzen hierbei ist aber noch zweifelhaft.
Ausserdem werden sie noch hin und wieder zur Erregung des Ge­schlechtstriebes, besonders bei Kühen, wenn die Thiere zur gehörigen Zeit nicht brünstig werden, angewendet. Bei Beobachtung der nöthigen Vorsicht wird der Zweck gewöhnlich ohne üble Folgen erreicht; oft wird aber hierbei Unfug getrieben und Schaden angerichtet.
Als Gegenanzeigen sind die im sect;. 306 bezeichneten Krankheits-zustände zu betrachten.
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•2amp;2
11 n I
sect;.312.
l)ic Cauthariden dürfen inuorlicli nur in kleinen oder mittelmäs-sigen Gaben und stets nur in längern Zwischenzeiten angewendet wer­den, nämlich bei Pferden von 4-—20 Gran, bei Eindvieb von 1 bis 2 Scrupel, bei Schafen und Schweinen von 2—8 Gran, bei Hunden von '/a — 2 Gran, täglich ein- bis zweimal. Man beginnt immer mit den kleinen Gaben, setzt nach 2 Tagen einen Tag aus, setzt das Mit­tel in jenen Gaben (i — 8 Tage fort und verstärkt dann die Dosis um 2 Gran; nach zwölf- bis vierzehntägigem Gebrauch setzt man das Mit-teLdnrch 2 — 4 Tage ganz aus und giebt es dann wieder in kleineu Gaben. Immer muss man die Wirkungen genau beobachten. Man giebt sie am besten in Verbindung mit bittern, aromatischen Mitteln in Pillen, in Latwerge, zuweilen auch in flüssiger Form. Die Pillen kann man in Papier wickeln und eingeben, ohne dass sie von den Thieren ge­kauet werden, und dass hierbei die Einwirkung des Mittels auf die Theile im Maule und in der Kachenhöhle vermieden wird; durch die flüssige Form wird dagegen die schnelle und gleichmässige Wirkung sehr begünstiget. Ratzeburg empfahl (Zoo-Pharmacologic, 2. Th. S. 7) 2 Unzen spanischer Fliegen mit einem Nösel (ca. ^ Quart oder 1'/ä Pfd.) weissen Weins durch 48 Stunden zu digeriren, und von der durchgeseiheten Flüssigkeit den Pferden 1 Unzemit einem schleimigen Absud als Trank oder auch als Clystir zu geben. Eben so kann die gewöhnliche Cauthariden-Tinctur (sect;. 315, d), die mit Weingeist bereitet und ziemlich von demselben Gehalt an spanischen Fliegen ist, angewendet werden; man darf sie aber nicht in so grossen Gaben, sondern für Pferde und Eindvieb nur von 1—2 Drachmen, für Schafe und Schweine von '/a Scrupel bis '/a Drachme, und für Hunde von 1—4 Tropfen reichen.
Bei der innerlichen Anwendung der Canthariden setzt mau ihnen zuweilen den Kampher hinzu, um durch ihn ihre heftig reizende Wir­kung auf die Nieren zu mindern (sect;. 240).
Bei Vergiftungszufällen nach zu grossen Gaben von Canthariden sind bei Thieren, welche sich erbrechen können, in der ersten halben Stunde Brechmittel, nach vorausgegangener Anwendung von Schleim, Eiweis oder Mehltrank, — sonst aber innerlich schleimige- Flüssig­keiten mit kleinen Gaben von Salpeter, Kampher, Bleizucker, Bilsen­kraut, Kampher, ein Aderlass, Einspritzungen schleimiger Mittel in den Mastdarm und in die Geschlechtstheile, und das Bedecken der Nieren­gegend mit einem schleimigen Brei oder mit einem Schaffell am nütz­lichsten. Nach Dr. Dien aber alkoholische Flüssigkeiten innerlich in jedem Stadium der Vergiftung1.
sect;. ^13. Zum äusserlichen Gebrauch sind die spanischen Fliegen ein un­schätzbares Mittel, dessen genauere Kenntniss und zweckmässige An­wendung gegen sehr viele Thierkrankheiteu einer der wichtigsten Fort-
1
1 Annal. de Therap. 1847. Fevr.
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schritte in der praktischen Tliierarzneikunde der neuem Zeit ist. Sie sind äusserlich hauptsächlich für folgende Zwecke indicirt:
I.nbsp; Zur Ableitung; 1) bei Entzündungen wichtiger, besonders in­nerlicher Organe (mit Ausnahme von Entziindungnu der Nieren und der Harnblase), eben so auch bei Verwundungen der Gelenke, der Knochen, Knorpel und Sehnen, und bei zu heftiger Entzündung nach chirurgischen Operationen (z. B. nach dem Ausschälen grosser Stoll­beulen und dgl.); 2) bei acutem und bei chronischem Rheumatismus und bei hierdurch bedingten Lahmheiten; 3) bei zurückgetretenen odor zu schnell unterdrückten Hautausschlägen und bei Metastasen nach innern Theilen.
II.nbsp; nbsp;Um eine kräftige Erregung, Belebung, Resorption, Zertheilung, schnelle und feste Verwachsung glatter und beweglicher Wundtheile, auch um stärkere Contraction zu bewirken: 1) bei Nervenfiebem mit grossem Torpor; 2) bei Lähmungen; 3) bei dem Schwinden einzelner Theile, besonders nach vorausgegangenen Verletzungen und andern örtlichen schmerzhaften Krankheitszuständen; 4) bei asthenischer, chro­nischer Entzündung, namentlich wenn sie mit plastischen oder serösen Ausschwitzungen, oder mit TJlceration verbunden ist, bei den meisten Fisteln, z.B. bei den sogenannten Aderfisteln'; 5) bei Ergiessungen von Blut und Serum in Folge von Quetschungen und Zcrreissungen, z. B. dergleichen Genickbeulen, Widerristschäden-), Brust- und Stoll­beulen u. s. w.; 6) bei harten Geschwülsten, die als Folgen plastischer Ausschwitzungen entstanden sind, z. 13. Stollbeulen, Kniebeulen, Pip-hacken, Sehnenklapp, bei Uebeibeinen; 7) bei Anhäufung von Serum in den Hirnhöhlen (z. B. bei dem Dummkoller) so wie bei Anhäufung von Iflüssigkeiten in den Sehnenscheiden und Kapselbändern (d. i. bei Gallen); 8j bei grosser Ausdehnung und Erschlaffung der Bänder und Sehnen, z. B. nach vorausgegangenen Verrenkungen und Verstauchun­gen;-9) zur Unterhaltung und Verstärkung der Eiterung in künstlichen Geschwüren, und in Wunden, welche durch den Biss von tollen Thieren entstanden sind; 10) bei Räude, besonders wenn sie veraltet und hart­näckig ist.
sect;• 314.
In mehreren hier genannten Krankheiten sind die Cantliariden
durch Fontanelle, durch Haarseile, durch das glühende Eisen und
durch andere Reizmittel zu ersetzen; allein diese Mittel sind nicht gut
auf einer so grossen Fläche anzuwenden wie die Canthariden, sie hin-
1nbsp; nbsp;Die Behandlung derselben mit Cantharirtensalbe ist namentlich zuerst von Böther (Busch, teutschc Zeitschr. für die gesammte Thierheilk. Bd. II. 1832. Heft 4, S. 3) und Spinola (Vix und Nebel, Zeitschrift für Thierheilk. etc. 1836) empfohlen , nachdem sie von einigen andern Thierärzten und auch von mir vielfach mit dem besten Erfolge angewendet worden war. Es wird dadurch die Unterbindung der Vene fast immer entbehrlieh gemacht.
2nbsp; nbsp;G. W. Sehrader in Hamburg hat das Verdienst, dieses ausserordentlich nütz­liche Heilverfahren, mittelst welches man bei frischen, und selbst bei schon fluc-tuirenden Widerristsehiiden noch oft die Zertheilung bewirken, sonst aber die Eite­rung vermindern und die Heilung sehr beschleunigen kann, zuerst empfohlen zu halien (Busch, teutsche Zeitschr. Bd. I. S. 19.)
II
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terlassen bemerkbare, zum Theil auch haarlose Narben, und sie be­sitzen auch nicht die specifische Eeizkraft der Canthariden auf die Nieren, durch welche oft eine Harnkrise herbeigeführt wird. Doch kann diese Keizung auch zu früh eintreten und hierdurch die wirkliche Krisis stören.
Bei iunern Entzündungen, bei Rheumatismus und Metastasen er­folgt die Anwendung der Canthariden nahe dem leidenden Theile, und in allen übrigen Fällen an dem letztern selbst. — Bei heftigen Entzün­dungen müssen ihnen Blutentziehungen und innerlich angewendete ent-ziindungswidrige Mittel vorausgehen, weil sie sonst das Fieber und selbst die Entzündung sehr verstärken. Bei Faulfieber, bei ßothlauf und bei starken ödeinatösen Anschwellungen ist die Anwendung dieses Mittels unzweckmässig, weil es unter diesen Umständen oft Hautbrand und zerstörende Verjauchung erzeugt.
sect;. 315.
Zur äusserlichen Anwendung werden die Canthariden a) in Pul­verform, b) in Salben, Linimcnten und als Gel, c) als Pflaster und Collo-dium, und rf) als Tinctur benutzt.
laquo;. Das Pulver dient nur zum Einstreuen in Bisswunden von wuth-krauken Thieren, und in torpide, so wie in künstliche Geschwüre, auch zum Bestreuen der Senfbreic, um deren Wirkung zu verstärken.
b. Die Canthariden - Salbe {ünffuentum Cantharidnm), das Cantb.-Linime n t {Linimenfum Cantharidum) und das Canth.-Gel sind die gebräuchlichsten Formen, weil ihre Anwendung leicht ist und weil durch die Verbindung mit Fett und fettem Gel, wegen der Auf-löslichkeit des Cantharidin in diesen Substanzen, die Wirkung sehr befördert wird.
Zu den Spanischfliegensalben giebt es eine Merge von Vor­schriften; z. B. nach der Pharmacopöe: man nimmt Baumöl (oder ein anderes fettes Gel) 8 Unzen , erhitzt es über Feuer und rührt 3—4 Un­zen' gepulverte Canthariden hinzu; das Gemenge wird durch 12 Stun­den warm gehalten, und dann mit 4 Unzen frisch geschmolzenen Wach­ses unter fleissigem Umrühren verbunden. Noch zweckmässiger ist es, dass man 3 Theile Cantharid.-Pulver in 8 Th. ßiiböl durch 48 Stun­den digerirt, dann 4 Th. dicken Terpenthin und 2 Th. geschmolzenes Wachs hinzusetzt. — Oder, nach der in der Thierarzneischule zu Lon­don gebräuchlichen Vorschrift, nimm: fein pulverisirte Canthariden und gemeinen Terpenthin, von jedem 1 Theil, Schweineschmalz 4 Theile; schmelze das Fett und den Terpenthin im Wasserbade zusammen, setze dann die Canthariden hinzu und rühre bis zum Erkalten der Masse fortwährend um. — Gder, man nimmt: Colophonium, gemeinen Ter­penthin, von jedem 8 Th., gelbes Wachs 1 Th., Schweinefett 60 Th.,
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1 Nach der neuesten (6.) Ausgabe der Preuss. Pharmacopoe werden auf die an­gegebene Menge von Oel und Wachs nur 2 Unzen Canthariden genommen, — was aber zum thierärztlichen Gebrauch eine zu schwache Salbe giebt, welche man für die meisten Fälle durch Hinzuthun von 1—2 Drachmen Cantharidenpulver zu 1 Unze Salbe verstärken muss.
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gepulverte Cantliariden 16 Th. und nieiigt nach vorherigem Schmelzen der erstem Substanzen Alles zusammen. Diese Salben können nöthigen-falls durch Zusatz von Lorbeeröl, oder von TerpentLinöl mehr flüssig gemacht werden. — Ehemals pflegte man die Oamharidensalbe ge­wöhnlich mit gepulvertem Euphorbium, mit Schwefelsäure, mit Sub­limat und selbst mit Au'ripigment (siehe diese Mittel) zu verstärken; durch diese Zusätze wird sie aber wirklich ätzend, und es bleiben dann von ihrer Anwendung mehrentheils haarlose Narben zurück. Durch blosses Zusammenmengen von 1 Th. spanischen Fliegen mit 2—-1 Th. Schweinefett oder grüner Seife kann man augenblicklich eine Salbe bereiten, welche jedoch bei etwas reichlichem Aufstreichon auf die Haut leichter zerfliesst, und dann eher über die Grenze der Anwen­dungsstelle hinauswirkt als eine solche Salbe, die etwas Wachs enthält. — Auch mit Theer bereitet mau, durch blosses Zusainmenmei:geu von etwa 4 Th. desselben mit 1 Th. Cautharideupulvers, eine Art scharfer Salbe, welche sich zwar nicht so gut. einreiben lässt wie die mit Fett zusammengesetzten Salben, aber auch nicht so leicht wie diese zer­fliesst. Dass die Wirksamkeit der Cantliariden durch den Theer ver­stärkt würde, wie Manche behaupten, habe ich niemals gesehen.
Um die Anwendimg der scharfen Salben zu erleichtern und üire Wirkung zu befördern, ist es noting, die an der Applicatiousstelle vor­handenen Haare recht nahe an der Haut abzuscheeren. Bei Schafen soll aber, nach der Angabe von Favre (Journ. de med. ve'ter. theorique et pratique, Sept. 1831. p. 516), die blasenziehende Wirkung viel kräf­tiger erfolgen, wenn die Wolle nicht abgeschoren, sondern ausge­rissen wird. Auch ist es bei allen Thieren zweckmässig, die Haut mit warmem Seifenwasser zu reinigen, oder warm zu bähen und dann mit wollenen Lappen oder mit einer Bürste während einiger Minuten tüch­tig zu reiben. Hierauf wird die Salbe an der bestimmten Stelle überall gleichmässig gegen 1I2—1 Linie dick auf die Haut gestrichen, massig stark eingerieben, und, wenn die letztere sehr dick oder wenig empfind lieh ist, nach etwa einer Stunde noch einmal eingerieben.
Der Umfang, in welchem die Salbe angewendet wird, richtet sich theils nach der Art, dem Grade und Sitze der Krankheit, theils nach der Thiergattung; z. B. bei Augeneutzündungen der Pferde kann man einen gegen i1^ Quadratzoll grosseu Fleck an der Wange, — bei Lungenentzündungen dieser Thiere einen etwa 6—10 Quadratzoll grossen Fleck an jeder Seite der Brust einreiben; bei Aderfisteln wen­det man die Salbe gegen 2 Querfinger breit in der ganzen Länge der entarteten Vene, — und bei Stollbeulen, Galleu und dgl. auf der gan­zen äussern Fläche der Geschwulst an, bestreicht aber die nächste Um­gegend mit Fett oder mit einfacher Wachssalbe, um diese Theile gegen die Salbe zu schützen.
Ob und wann die Einreibung wiederholt werden soll, ist von der Art und von der Hartnäckigkeit der vorhandenen Krankheit, so wie von der Wirkung der ersten Einreibung abhängig; die Wiederholung kann bei acuten Krankheiten und bei zu geringer Wirkung mit etwa 16 — 24 Stunden, in allen andern Fällen aber am besten erst nach
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dem Abheilen clei' von der frülieren Einreibung- entstandenen Schorfe geschehen.
Das Einreiben oder eigentlich das Anfstreichcn der einfachen Spanischfliegensalbe wird in der Regel mit der blossen Hand bewirkt, ohne dass hierdurch ein Nachtheil für die Person entstellt, die dasselbe verrichtet; will man aber recht vorsichtig sein, so kann hierbei die Hand mit einem alten Lederbandsclmh oder mit einem Stück Blase bedeckt werden. Diese Vorsicht ist jederzeit nöthig, wenn die Salbe noch andere scharfe, besonders metallische scharfe Bestandtheile enthält, oder wenn die Hand des Einreibenden nicht frei von Verletzungen ist.
Bei dem Eintritt der reizenden Wirkung suchen die meisten Thiere sich an der Einreibnngsstelle zu lecken, zu beissen oder zu reiben; sie verletzen sich hierbei zuweilen an dieser Stelle bedeutend, und ausser-dem entsteht gewöhnlich, wenn sie die Salbe mit den Lippen, mit der Zunge u. s. w. abwischen, eine heftige Entzündung dieser Theile. — Es ist daher stets nöthig, solche Thiere in der ersten Zeit unter Auf­sicht zli lassen, sie kurz anzubinden, nöthigenfalls mit einem Maulkorb zu versehen, und wenn eine Einreibung an der innern Fläche eines Fusses geschehen, den andern Fuss mit Leinwand oder Stroh zu um­wickeln, oder an der innern Fläche mit Lehmbrei zu bestreichen.
In Form eines Liniments können die Canthariden ganz auf die­selbe Weise wie in Salbenform angewendet werden. Da aber das Lini­ment selbst bei etwas langen Haaren leichter gründlich einzureiben ist, auch gewöhnlich etwas schneller, obgleich weniger anhaltend wirkt als die Salbe, so benutzt man es gern in solchen Fällen, wo man die Haare nicht abscheren will, oder wo eine kräftige Wirkung- schnell erzeugt werden soll.
Die Zusammensetzung eines solchen Liniments kann mit verschie­denen Stuften geschehen, je nachdem es weniger oder mehr heftig reizend sein soll. Von massiger Wirkung ist es z. B., wenn man Baumöl 6—8 Unzen, und fein gepulverte Canthariden 1 Unze zusam­menmengt in massiger Wärme (am besten in einem Wasser- oder Sand­bade) bei oftmaligem Umrühren so lange digerirt, bis '/g des Ganzen verdampft: ist. Giesst man das Gel ab, so erhält man das Canth.-Oel, aber in Verbindung mit dem Bodensatz das C anth.-L inim ent. Stärker reizend und augenblicklieh fertig ist ein Gemenge aus: Terpenthinöl 2 Unzen, Lorbeeröl 1 Unze und Cantharidenpulver 0 Dj-acbmen bis 1 Unze. — Zuweilen wird auch Euphorbium, Schwefelsäure und dgl. zugesetzt (siehe bei Schwefelsäure). — Das Canthariden-Liniment ist nicht officinell.
c. Canthariden-Pflaster (Emplastmm Ccmtharidum s. vesica-lorium). Sie sind in der Thierheilkunst wenig gebräuchlich, weil die Anwendung schwieriger und oft auch weniger wirksam ist, als die An­wendung der andern Präparate. Denn die, nach den Vorschriften der Pharmacopöe bereiteten Cantharidenpflaster (1. Einplaslr. Cantharid. ordinarium und 2. Empl. Cantharid. perpefw.an) kleben nicht fest ge­nug an der Haut, und fallen bei einer Erschütterung derselben durch den Hautmuskel, bei heftiger Bewegung der Thiere u. s. w. leicht ab;
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und festhaltende Bandagen sind nur an sehr wenigen Stellen des Thier-körpers gut anzubringen. Man ist daher genöthiget, das Cautharidon-pflaster zum thierärztlichen Gebrauch durch Zusatz von vielem Harz oder Pech recht stark klebend zu machen; hierdurch wird aber dasselbe hart und spröde, und muss deshalb vor-der Anwendung jedesmal erst durch Erwärmen am Feuer flüssig gemacht werden, wobei aber durch einen zu hohen Grad der Hitze sehr leicht die Wirksamkeit der Can-thariden leiden kann.
Ein vorzügliches Pflaster dieser Art ist dasjenige, weiches unter dem Xamen: Scharfes Pfaster {Empl. acre), englisches scharfes Pflaster oder schwarzes Pflaster bekannt ist, und welches nach seiner ursprünglichen Vorschrift aus folgenden Ingredienzien besteht: man nimmt Spanischfliegenpulver 13 L'nzen, Burgunderharz 11 Unzen, Euphorbium 3 Unzen, Mastbc, Colophonitun, Safranpflaster, gerneinen Terpenthin, schwarzes Pech, pulverisirten armen. Bolus, von jedem G Unzen, und macht daraus nach den Regeln der Apothekertunst ein Pflaster'.
Bei der Anwendung dieses Pflasters wird die nöthige Menge in einem irdenen Gefäss über gelindem Feuer flüssig gemacht, dann mit einem Span oder mit einem Spatel auf den kranken, vorher von Haaren entblössten Theil gegen 2 Linien dick aufgestrichen, sogleich mit ganz kurz zerschnittenem Werg bestreuet, und letzteres mit der flachen Hand gut angedrückt. Durch das Bestreuen mit Werg verhütet man am besten das Aufbersten und das theilweise zu frühe Abfallen des Pflasters.
Die Wirkung des letztern tritt gewöhnlich etwas langsamer als von der Cantharidensalbe ein, ist aber mehr andauernd und gleichmäs-siger, als bei dieser; denn die von ihm bewirkte Ausschwitzung dauert zuweilen durch 14 Tage fort; hierbei erzeugt sich eine dicke Kruste, welche mit dem Pflaster zugleich in etwa 12—20 Tagen abfallt. Die ausgefallenen Haare wachsen bald wieder.
Das auf diese Weise angewendete Pflaster wird als ein sehr wirksames Mittel gegen Ueberbeine, verhärteten Sehnenklapp, Schale und dgl. chronische Leiden, recht vortheilhaft benutzt, steht aber bei acuten Krankheiten der Cantharidensalbe nach.
Statt Pflaster und Salben ist das in neuerer Zeit bekannt gewor­dene Collodium cantharidatum'* bei sämmtlichen Haussäugethieren in allen Fällen, wo jene Präparate gebraucht werden, mit dem besten Er­folge angewendet worden. Da dieses Mittel eben so schnell und fest antrocknet wie das einfache Collodium (sect;. 296), so gewährt es die Vor-theile, dass man es auf sehr begrenzte Stellen, z. B. wie das Strich­feuer, und statt desselben, appliciren kann, ohne dass es über die be-
1nbsp; nbsp;Diese Zusammensetzung scheint zu complicirt und ist deshalb vielfaltig abge­ändert und vereinfacht worden; sie besitzt aber die beiden Eigenschaften, kraftig zu reizen und stark zu kleben, im vorzüglichem Grade, als alle mir bekannten und von mir selbst versuchten einfacheren Compnsitionen dieses Pflasters.
2nbsp; Ist in den Apotheken fast überall vorräthig. Es wird bereitet, indem man Schiessbaumwolle in Cantharidin-Aether (einem Auszuge des Cantharidin in Schwe-Celäther) auflöst.
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stimmten Grenzen sich verbreitet und auch, dass es von den Thieren nicht abgeleckt und ihr Maul u. s. w. nicht beschädiget werden kann.
Vor der Anwendung des Collod. cantharid. müssen die Haare von der Hautstelle möglichst kurz abgeschoren, bei Eindern am besten ab-rasirt und die Haut selbst ganz trocken sein. Die Ajjplication geschieht am besten so, dass man das geöft'nete IVIedicinglas mit seiner Mündung auf die betreuende Hautstelle hält und es langsam auf derselben hin und herführt, bis alle Punkte oder Streifen gehörig feucht geworden sind. Man kann aber auch das Mittel mit einem Federbart aufstreichen. Dasselbe trocknet in wenigen Minuten fest an, während welcher Zeit der Theil ruhig gehalten und vor Berührung' geschützt sein muss. Die Wirkung (Heizung, Entzündung, Blasenbildung) tritt gewöhnlich inner­halb 3—4 Stunden ein, und später, bis zu 8 Tagen erfolgt Schorf­bildung.
Zu einer Application ist fast immer nur die Hälfte der Gewichts­menge, welche von der Cantharidensalbe erforderlich sein würde, aus­reichend. Hierdurch wird dieses Präparat das wohlfeilste Canthariden-mittel.
d. Cauthariden-Tinctur (Tinctura Cantharkluin) ist eine Auf­lösung und ein Auszug des Cautharidin in rectificirtem Weingeist. Sie wird nach den Vorschriften der verschiedenen Pharmacopöen in ver­schiedener Stärke, bereitet, aber zum thierärztlichen Gebrauch am besten so, dass 1 Unze Cautharidenpulvers mit 1 Pfd. Weingeist durch 3 Tage in der Wärme digerirt und dann filtrirt wird. Die Tinctur ist flüchtiger und durchdringender reizend, als die übrigen Präparate, aber sie ver­ursacht bei nur einmaliger Anwendung auf dicker Haut gewöhnlich keine Blasen, wohl aber bei Wiederholung; sie eignet sieb daher mehr zum Reizmittel bei Lähmungen, bei Rheumatismus, bei den-chronischen Folgen der Verrenkungen, bei frischen Gallen und dgl., als zur Ab­leitung bei Entzündungen. Sie wird in die kranken Theile eingerieben, und zwar nach der Art und nach dem Grade der Krankheit, ein- bis zweimal in einem Tage, bald für sich allein, bald im verschiedenen Verhältnis.laquo; mit Kampheröl, mit Ammoniak-Liniment, mit grüner Seife, mit Kampherspiritus, Terpenthinöl und dgl. Reizmitteln verbunden. (Cantharides in Substanz 1 Unze 5 Sgr., grob pulv. 1 Unze 6 Sgr. 4 Pfg., fein pulv. 1 Drachme 10 Pfg.; Ung. Cantharidum 1 Unze fi Sgr. 4 Pfg.; Collodium Cantharidat. 1 Unze 7 Sgr.; Tinct. Cantharid. 1 Unze 5 Sgr.)
2) IHaiwGnner, IHaiwiinokäfer, üfWolaquo; laquo;iic/afes s. Vermesmajalesif).
sect;. 316.
Unter diesen Namen sind zwei einander ähnliche Insekten (der schwarzblaue Maiwurm, Meloe proscarahaeus, und der kupfer-rothe Maiwurm, ü/efoe wo/aamp;) bekannt, welche beide einen scharfen Stoff von ähnlicher, aber etwas schwächerer Wirksamkeit wie die Cau-thariden besitzen.
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Nach Vitet (a. a. O. p. 42;5) bringt eine, aus den zerquetschten Käfern und Fett bestehende, Salbe auf die innere Seite des üickbeins eines Pferdes gelegt, in 12 Stunden eine schmerzhafte Entzündungs-geschwulst, und in iHgt;—48 Stunden Blasen hervor. — Innerlich in grossen Gaben oder anhaltend augewendet, wirken diese Insekten auf die Schleimhaut des Magens, des Dannkanals und auf die Harn Werk­zeuge fast eben so reizend, wie die Cantharidcn, und veranlassen Knt-zündungeu dieser Theile, Drang zum Uriniren und Blutharnen.
Mau kann sie innerlich und äusserlich wie die Cantharideufttber in etwas stärkeren Gaben und mehr concentrirt, anwenden; sie sind ein wohlfeiles Ersatzmittel der Oanthariden, stehen alier, wie eesaet, demselben in der Stärke der reizenden Wirkung nach.
Anmerkung. Ehemals wurden sie als ein Specificum gegen die Wasserscheu sehr gei-ühmt, und als solches seit der Mitte des vorigen Jaiirlimulerts unter dem Xamen der Maiwurm-La tvverge oder des Preussi sehen Mittels1, in einer eigenthiimlich zusammengesetzten Latwerge augewendet. Jetzt ist dieselbe veraltet und vergessen. Als einfacher und eben so wirksam empfiehlt Ratzeburg (Zoophar-macologie Bd. 2. S. G) folgende Zusammensetzung: Mair nimmt 24 Maiwitrmer (welche in Honig aufbewahrt gewesen), zerreibt sie in einem steinernen Morser so fein als mciglieh und mischt 2 Unzen Theriak, l1/2 Unze Baldrianwurzelpulver, nebst so viel Honig dazu, dass eine Latwerge daraus wird, von der man einem vom tollen Hunde gebissenen Pferde und Kinde täglich einmal i) Quentchen, Schafen, Schweinen, Hun­den und dgl. 1 Quentchen giebt und damit fortfahrt, bis sich Reizung der Harnor­gane zeigt; nun wird das Mittel, bis diese Beizung vorüber ist, ausgesetzt und dann wieder fortgebraucht, und so bis zum vierzigsten Tage fortgefahren. — Die zweek-tuässige Behandlung der Bisswunden (Beinigung derselben, Aetzen mit Kali canst., Unterhaltung der Eiterung durch 6 Wochen) darf dabei nicht unterbleiben.
3) Ameisen, Formicae {quot;).
sect;. 317.
Ihr wirksamer Bestandtheil ist ein eigenthümlicher scharfer Stoff, der mit einer, der Essigsäure ähnlichen Säure verbunden ist, und durch welchen sie sowohl bei innerlicher wie äusserlicher Anwendung reizend, aber nicht blasenziehend wirken. — Durch Auspressen der Ameisen erhält man einen bräunlichen Saft, in welchem jener scharfe Stoff zum grössten Theil enthalten ist.
Giebt man einem ausgewachsenen Pferde 2 Loth dieses Ameisen­saftes mit 1 Pfund Wasser verdünnt auf einmal, so bemerkt man eine Viertelstunde darauf Unruhe des Pferdes, vollen, etwas vermehrten Puls, vermehrte Wärme am ganzen Körper, angestrengteres Athmen; das Thier sieht manchmal nach den Planken und stampft mit den Füssen. Nach einer Stunde sind alle diese Erscheinungen wieder ver­schwunden, das Pferd ist vollkommen ruhig, setzt Harn ab, und ver­zehrt das ihm gereichte Futter mit dem grössten Appetit. — Ganz ähn­lich wirkt die nämliche Gabe bei einem ausgewachsenen Ochsen (Eysz, Arzneimittellehre S. 22).
Man (besonders Vitet und Kysz) hat die Ameisen innerlich als
1 Deshalb so genannt, weil Friedrich der Grosse es von dem Besitzer des Mittels erkaufen und zum allgemeinen Besten öffentlich bekannt machen liess.
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reizendes, nervenstärkendes, kranipfstillendes, sclnveiss- und uriutrei-bendes Mittel gegen alle Krankheiten empfohlen, welche aus Schwäche und Keizlosigkeit, und von Stockungen in den Eingeweiden entstanden sind oder den asthenischeu Character an sich tragen, namentlich gegen Nervenlieber, Lähmungen, Starrkrampf, Wassersucht, Fäule und Egel­krankheit der Schafe und dgl.
Aeusserlich sind sie gleichfalls als reizendes, stärkendes und zer-theilendes Mittel gegen Lähmungen, kalte Geschwülste, gegen öde-maüjse Anschwellungen, und gegen das Schwinden der Theile recht
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Die innerliche Anwendung ist jetzt fast ganz in Verg-essenheit ge­kommen. Man kann hierzu die Ameisen entweder a) frisch zerquetscht, oder (j) getrocknet und pulverisirt, oder c) den ausgepressten Saft, oder d) den Ameisenspiritus benutzen. — Von den frischen Ameisen nimmt man für Pferde und Kinder eine starke Hand voll (gegen 1 '/j Unze), für Schafe '/.; Unze, für Hunde 1 Scrupel bis 1 Drachme, zerreibt sie in einein Mörser, versetzt sie mit aromatischen und andern passenden Mitteln, und wendet sie als Latwerge oder in flüssiger Form täglich drei- bis viermal an. — Um die Ameisen pulverisiren zu können, lässt man sie zuerst in einem feuchten Sacke in einem Backofen bei massiger Hitze trocknen, worauf man sie im Mörser zerstösst. Sie lassen sich in einem gut verschlossenen Gefass leicht aufbewahren. Nach Vitet's Vorschrift soll man von ihnen den Ochsen und Pferden 3 Unzen bis zu '/g Pfund, den Schafen 2—-4 Unzen, mit Hafer, mit Salz oder mit Kleien gemengt geben. — Der ausgepresste Ameisensaft ist zum Aufbewahren nicht gut geeignet, weil er leicht in Gährung übergeht; liysz empfiehlt ihn für Pferde zu 1 Loth bis (j Drachmen und für Rin­der zu 2- 3 Loth. Der Ameisenspiritus (Spiritus Pormicarum), bereitet durch Destillation oder durch blosses Digeriren von 2 Theilen frischer Ameisen mit 4 Theilen Weingeistes und eben so viel Wasser, ist ein flüchtig reizendes, sehr wirksames Mittel, welches man Pferden und Rindern bei den vorhin genannten Krankheiten zu 1—3 Unzen, Schafen und Schweinen zu 3 Drachmen bis 1 Unze, Hunden zu 1 Scrupel bis 2 Drachmen in Verbindung mit aromatischen Mitteln giebt. Aeusserlich wird der Ameisenspiritus einfach, oder mit Kam­pherspiritus, Terpenthinöl und dgl. eingerieben.
Anmerkung. Zuweilen benutzt man die Ameisen auch so, daslaquo; man sie mit iln-en Haufen (um zugleich die sogenannten Eier, d. h. die Puppen, /u erhalten), in einem Kimer oder Kübel mit kochendem Wasser übergiesst und dam. die Flüssig­keit lauwarm als Bad oder zu Bähungen anwendet. Durch Zusatz von zerquetschten Wachholderbeeren und andern aromatischen Mitteln, lässt sich die Wirksamkeit eines solchen Aufgusses noch sehr verstärken.
4) (iuiidiheilkrlt;iul (rothrr Gauchbril, llülnicrdariii, lulhe Kliere), Herba Anaijaüidis ßore phoenieeo (0).
sect;. 318.
Diese kleine Pflanze lässt kaum durch ihren schwachen, bitterlich­scharfen Geschmack einen scharfen Stoff vermuthen, verursacht aber
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in etwas grossen Gaben dennoch schart' reizenJe Wirkungen, und in sehr grossen Gaben selbst den Tod. Im getrockneten Zustande wirkt sie heftiger als im frischen. Grognier sah von einem concentrirten Absud, und eben so von massig grossen Gaben des getrockneten Krautes bei Pferden fast jedesmal Zittern der Muskeln an den hintern Glied-maassen, krampfhafte Zusammenziehungen des Halses, und vermehrtes Urinireu erfolgen, und nach sehr grossen Gaben trat der Tod sicherer ein, als von Schierling und von andern Pflanzengiften. Bei der Section fand sich die Schleimhaut des Magens entzündet. (Campte renchi den travaux de la Soc. de med. de Lyon. 181(1. p. 16 und Annal. d'Agricult. frcniq. Ton: 40 u. 44). — Ein kräftiger Hund zeigte von 3 Drachmen des Extracves nach 10 Stunden Mattigkeit, nach 15 Stunden vermin­derte Empttudlicheit und eine halbe Stunde später erfolgte der Tod. — 2 Drachmen dieses Extractes auf das Schenkelzellgewebe eines kleinen Hundes applicirt, bewirkten den Tod unter denselben Zufällen binnen 11 Stunden (Orfila, Toxikol. 2 Bd. S. 35G).
Der Gauchheil wird jetzt fast gar nicht therapeutisch benutzt, und verdient nur des grossen Hufes wegen, den er als Specificum gegen die Wasserscheu ehemals erhalten hatte, erwähnt zu werden. Er wurde be­sonders von Bourgelat und von Ghabert sehr empfohlen {Almanac, veter. 1782, p. 129). Man gab das Pulver für Pferde und Kindvieh zu 1—2 Drachmen (passender zu ^ Unze), für Schafe und Schweine die Hälfte, für Hunde den vierten Theil davon, täglich ein- bis zweimal und durch wenigstens 8 Tage , es wurde mit etwas Salz und rohem Alaun gemengt, auf Brot gestreuet, oder auch in einem Infusum den Thieren eingegeben. Mit dem Infusum sollte zugleich die vorher ge­brannte Bisswunde oft wiederholt ausgewaschen weiden.
Das Mittel war auch gegen die Drehkrankheit der Schafe und gegen Wassersucht empfohlen, hat sich aber gegen diese Krankheiten eben so wenig wie gegen die Wuth bewährt.
5) Gnadenkraut, Gotles-Gnadenkraut, Purgirkraut, Erdgalle, wilder Aiirin, Serba Braiiolae.
sect;. 319.
Das Kraut und die Wurzel dieser Pflanze enthalten einen bitter­scharfen Stoff (wahrscheinlich scharfes Harz), vermöge dessen sie beide stark reizend wirken, und besonders den Magen und Darmkanal affi-ziren. — Wenn Pferde von diesem Kraut auf Wiesen oder im Heu viel fressen, so purgiren sie darnach anhaltend und werden sehr mager. Das Hornvieh rührt die Pflanze gewöhnlich nicht an, purgirt aber eben­falls, wenn man ihm 2—;{ Unzen des trockenen Krautes eingiebt. Bei Hunden und Schweinen verursacht das trockene Kraut in der Gabe von 1/2—1 Drachme Erbrechen und gelindes Purgiren, in grösseren Gaben heftiges Erbrechen, zuweilen mit Ausleerung blutiger Stoffe, dann Magen- und Darmentzündung und den Tod. — Orfila gab einem Hunde S1^ Drachmen des Extractes; der Tod trat nach 24 Stunden, bei einem andern Hunde von .'! Drachmen des Extractes aber schon nach
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12 Stunden ein, und bei der Anwendung' derselben Quantität auf eine Wunde am Schenkel starb ein Hund nach 23 Stunden. — 20 Gran des Extractes in 5 Drachmen Wasser gelöst und in die Drosselvene eines Hundes gespritzt, erregten nach 6 Minuten Anstrengung zum Erbrechen und nach 28 Minuten 2 Darmausleerungen. Das Thier erholte sich am folgenden Tage. — 28 Gran in 4 Drachmen Wassers gelöst und auf dieselbe Weise angewendet, bewirkten nach einer Stunde eine Darment­leerung, Schwindel,.Unempfindlichkeit und nach 2 Stunden den Tod.
Die Gratiola ist in kleinen Gaben als ein schleimauflösendes, urin-und wurmtreibendes Mittel, in grossen Gaben aber als Purgir- und Brechmittel, — gegen schlechte Verdauung, Verschleimung j Würmer, Gelbsucht, Wassersucht, veraltete Druse, und gegen die Bräune der Schweine empfohlen. — Sie wird jedoch selten angewendet, obgleich sie als inländisches und sehr kräftiges Mittel häufiger versucht zu wei­den verdiente.
Als auflösendes und urintreibendes Mittel kann man das trockene Kraut und die Wurzel für Pferde und Kindvieh zu 2 Drachmen bis '/.-, Unze, für Schafe und Schweine zu 1—2 Scrupel, für Hunde zu 5—10 Gran, täglich zweimal, — als Purgir- oder Brechmittel aber in der vier- bis seclisfachen Menge geben. Vom frischen Kraute kann die Gabe um die Hälfte stärker sein.
Die Anwendung (namentlich grosser Gaben) geschieht am besten im Decoct, und Schweinen gicbt man das Pulver in Buttermilch oder in saure Milch gerührt.
In unreinen, torpiden Geschwüren erregt das Mittel stärkere Thä-tigkeiit, und kann daher in dieselben als Pulver eingestreuet oder als Decoct zum Waschen benutzt werden. — Das Extract ist (mit Un­recht; nicht gebräuchlich. (1 Unze 1 Sgr. 6 Pfg., fein pulv. 2 Sgr.)
C) Ramala (raquo;).
Dieses, aus den Samenkapseln der liottlera tinctoria1 bereitete rothe Pulver enthält: 47,60 harzige Materie, 10,72 durch Extractiv-mittel aufgelöste Stoße (Citrousäure, Gerbsäure, Stärkemehl, Gummi und dgl-.), 7,(18 Faserstoff, 25,00 unlösliche Stoffe, Spuren von äthe­rischem Oel und Farbstoff.
Die Kamala ist in neuerer Zeit als das sicherste und am wenigsten die Tliiere angreifende Anthelminthicum bekannt geworden, insbeson­dere gegen die Bandwürmer der Lämmer und der Hunde. E. Hart­mann2 sähe bei den ersteren von 1 Drachme des in blossem Wasser suspeiidirten Mittels stets nach 2 Stunden Durchfall eintreten und in der dritten Stunde ganze Convolute der Bandwürmer abgehen. Dabei waren die Lämmer munter und frassen den ihnen gereichten Hafer
1 Der Baum gebort zur Familie der Enphorbiaceen.
8 Magaz. d. Thieihcilk. von Gurlt und Hertwig, 28. Jahrg. S. 123
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gern; Todesfälle kamen nicht vor. Bei den grosseu Uansthieien ist das Mittel noch nicht angewendet.
Die Gabe für Lämmer ist, wie oben angegeben, für Schweine und Hunde, je nach der Grosse, 1/2—2 Drachmen, in der zwölf- bis zwan­zigfachen Menge Wassers, gut umgeschüttelt. Die Anwendung ge­schieht am besten des Morgens bei nüchternem Magen. (1 Lth. 3 Sgr., 1 Pfd. 2 Thlr.)
7) Schüllkraul-Blätter und Wurzel, Herta et Badix Vhclidonii mujoris (quot;).
sect;. 321.
Der scharfe Stoif dieser Pflanze ist nur in ihrem frischen Zustande vorhanden-, und vorzüglich an den gelben Milchsatt gebunden; getrock­net besitzt sie blos einen gelinden Bitterstoff. Daher sind auch die Wirkungen des frischen und getrockneten Schöllkrautes sehr verschie­den von einander. — Pferde, liindvieh und Schafe erfragen dasselbe auch im frischen Zustande in ziemlicher Menge; von den letzte;! sah ich oft, dass sie 3—5 Hand voll des Krautes mit Appetit und ohne Nachtheil, überhaupt ohne bemerkbar eintretende Wirkung verzehrten; den ersteren aber gab ich es bis zu einem Pfunde, und sah blos ver­mehrtes Uriniren darnach erfolgen. Bei Hunden sind jedoch die Wir­kungen sehr heftig; Orfila brachte in den Magen eines schwächlichen Hundes 3 Drachmen wässeriges Extract, wodurch nach 6 Minuten starker Keiz zum Erbrechen, nach 4 Stunden sehr verminderte Sen-, sibilität, vermindertes Bewegungsvermögen, Verlust des Gesichts und des Gehörs und der Tod herbeigeführt wurden. — 4 Unzen des aus den Blättern gepressten Saftes wirkten eben so und verursachten nach 10 Stunden den Tod. — Von 2 Drachmen des Extractes in Wasser gelöst und in eine Wunde am Schenkel eines Hundes gebracht, wurde derselbe nach 15 Stunden ganz gefühllos und starb bald darauf. Die Wunde war sehr entzündet, geschwollen und mit Blut und Serum infiltrirt.
In massigen Gaben innerlich angewendet wirkt das frische Schöll­kraut und seine Wurzel erregend, mit speeifischer Beziehung auf die Leber, die Gallensecretion befördernd, Stockungen auflösend, urin­treibend, und ist daher gegen Gelbsucht, Wassersucht, schlechte Er­nährung, Drüsenverhärtungen und veraltetes Blutharnen empfohlen. Das trockene Schöllkraut wirkt dagegen sehr wenig reizend, sondern gelind tonisch, wie ein gelind bitteres Mittel, es ist deshalb in diesem Zustande nicht zu empfehlen.
Den grasfressenden Thieren kann man das frische Kraut unter das Futter geben, und zwar Pferden und Bindern jedesmal gegen 1l2 bis 1 Pfund, Schafen gegen •/^—^ Pfd., Schweinen '/e—^U Pfd.; oder man giebt den ausgepressten Saft Pferden zu 1—4 Unzen, Kind­vieh 2—4 Unzen, Schafen 1—3 Unzen, Schweinen l/s—2 Unzen und Hunden '^ Drachme bis 1 Drachme täglich ein- bis zweimal.
Der Saft, kann mit bittern und andern passenden Mitteln in Lat­wergen, in Pillen oder auch verdünnt mit einem aromatischen Infusum,
Hertwig, Arzneimittellehre.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;18
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in flüssiger Form angewendet werden. Eben so benutzt man die Scholl-kraut-Tinctur.
Aeusserlieb wirkt das Schöllkraut bei Verhärtungen, chronischen Entzündungen, bei Hautausschlägen, und bei atonischen Geschwüren reizend, die Resorption und die Zertheilung befördernd, und kann daher zu Breiumschlägen, oder auch infundirt oder gelind gekocht zum Waschen und Bähen benutzt werden, wie es eben der Krankheitszu­stand erfordert. (K er sting's Waschwasser gegen die Käude oder den Grind, siehe unter Grindwurzel, S. 117). Gegen Warzen der Pferde habe ich den Schöllkrautsaft stets ohne Erfolg angewendet. (In Dro-gueriehandlungen 1 Pfd. trocken 5 Sgr., pulv. 13 Sgr., 1 Loth ^ Sgr.)
S) Sennesbliitter, Folia Semtae. sect;. 322.
Als ihren hauptsächlich wirksamen Bestandtheil betrachtet man einen eigenthümlichen, in Wasser und Weingeist auflöslichen, harzigen Extractivstoff, den die Chemiker Sennastoff oder auch (Purgirstoff) Cathartin genannt haben. Derselbe ist nicht in allen Arten der Sen-nesblätter gleichmässig vorhanden und das Mittel ist, wie es scheint, deshalb nicht immer von gleicher Wirksamkeit.
Für den Menschen und für die kleinen Hausthiere sind die Sen­nesblätter ein ziemlich kräftiges, reizendes Purgirmittel, für die grossen Hausthiere aber nicht. Vitet behauptet zwar (a. a. O. S. 160), dass Schafe von dem Aufguss auf 1—21/2 Unzen, Pferde und Ochsen aber von l1/2 bis zu 3, zuweilen auch erst von 4 Unzen laxiren; allein J. White1 gab Pferden ein Infusum von 3 Unzen der Blätter mit 4 Unzen Glaubersalz versetzt, auf einmal, ohne dass hiernach die min­deste Affection des Darmkanals zu bemerken war. Bei einer sieben­jährigen Kuh sah Gilbert2 nach dem Eingeben eines Senaa-Infusums, das von 4 Unzen der Blätter bereitet und noch mit 6 Unzen Aloe ver­setzt war, nicht die geringste Veränderung erfolgen: das Thier fuhr fort zu fressen und zu saufen wie gewöhnlich. Bei einem dreijährigen Schaf erfolgte von 4 Unzen Sennesblätter mit 1 Pfund Wasser einge­geben, kein Purgiren, aber nach 14 Tagen der Tod. Der Labmagen und die Gedärme waren heftig entzündet. — Bei Schweinen wirken, nach Viborg's Angaben3 und nach meinen eigenen Versuchen, 4 Drach­men Sennesblätter als abführendes Mittel, ohne dass widrige Zufälle davon entstehen; bei Hunden tritt die abführende Wirkung von 1 bis 4 Drachmen und bei Katzen von 1/2—2 Drachmen der Blätter ein.
Drei Unzen einer Abkochung von 2 Drachmen der Blätter in die Vene eines starken Hundes gespritzt, verursachten erst nach Verlauf einer Stunde geschwindere Respiration, Kollern im Leibe, heftige An­strengung zum Erbrechen, Ausbrechen vieler Galle (binnen l1^ Stunde
*nbsp; Treatise on vetcr. med. Vol. II. p. 288.; deutsch von Müller p. 438.
*nbsp; Annal. d'agricult. frani;. Tom. III. p. 333. etc.
3 Anleitung z. Erzieh, u. Benutzung des Schweines. S. 80
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viermal), Mattigkeit und Verlust des Appetits. Am dritten Tage kein te Esslust und die vorige Munterkeit wieder zurück '.
Von der Anwendung der Sennesblätter als Purginnittel für Pferde und Wiederkäuer kann, nach den oben erwähnten Wirkungen des Mittels hei diesen Tliieren, keine Rede sein; dagegen kann sie bei Schweinen, Hunden und Katzen mit gutem Erfolge gegen diejenige Verstopfung des Leibes Statt finden, welche in Erschlaffung und Keiz-losigkeit des Darmkanals begründet ist, und die bei verschiedenen Krankheiten vorkommt.
Man giebt die Sennesblätter für diese Thiere in den oben bezeich­neten Gaben, am besten mit der zwölffachen Menge kochenden Was­sers infundirt, oder gepulvert und mit Honig oder Syrup zur Pille ge­macht. Gewöhnlich versetzt mau die Sennesblätter mit andern Purgir-oder Laxirmitteln, weil man glaubt, hierdurch die purgirende Wirkung /.u vermehren, zugleich aber weniger reizend zu machen. Helabere Blaine empfiehlt z. B. für einen kleinen Hund: Sennesblätter, Manna, von jedem il2 Quentchen, mit 2—3 Unzen kochendem Wasser über­gössen, nach dem Erkalten und Abgiessen in der Flüssigkeit 1 Scrupel englisches Salz aufgelöst und dieselbe auf einmal zu geben. Bei Ent-zündnngskrankheiten sind die Sennesblätter schädlich, und im Ganzen betrachtet, sind sie entbehrlich. {Folia 1 Unze 2 Sgr. 0 Pfg., geschnitt. und grob pulv. 3 Sgr. 4 Pfg., fein pulv. 4 Sgr. 2 Pfg.)
9) Wohlverleih- oder Ariiika-Rliiiiii'ii, Wurzel und Bliitter,
Floras, Radix et Herba Arnicae.
sect;. 323.
Die genannten Theile der Wohlverleihpflanze besitzen eine einan­der ähnliche, aber nicht ganz gleichartige Wirksamkeit.
Die Arnikablumen enthalten einen sogenannten scharfen Sei­fenstoff (kratzenden Extractivstoff), scharfes Harz, Bitterstoff, Salze, ein wenig ätherisches Oel u. s. w. In der Wurzel ist adstringiren-der Seifenstoff vorherrschend (gegen ^s des Ganzen), aber eben­falls mit scharfem Harz und mit etwas ätherischein Oel verbunden; doch sind letztere beide Bcstandtheile in geringerer Menge vorhanden, als in den Blumen. — Das Kraut ist der Wurzel ähnlich, seine wirk­samen Bcstandtheile sind aber in geringerer Menge vorhanden.
Die Wirkung auf den thierischen Organismus erscheint von den sämmtlichen Theilen der Arnika als eine eigenthümliche Reizung, welche vorzüglich die Verdauungs- und Respirationsorgaue und deren Nerven betrifft; aber bei den Arnikablumen tritt diese Wirkung schnel­ler ein und verbreitet sich (ähnlich wie von den aromatischen Mitteln) über die bezeichneten Organe hinaus, auf das ganze Gefäss- und Ner­vensystem , daher auch auf das Rückenmark und selbst auf das Ge­hirn, — obgleich sie am letztern verhältnissmässig am wenigsten, an den Verdauungseingeweideii und an den Respirationsorganen aber stets
Scheele, die Transfusion des Blutes. Th. I. S. 191.
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.•an meisten sichtbar wird. Dagegen ist die reizende Wirkung der Arnikawnrzel fast allein auf die Reprodnctionsorgaue beschränkt, weniger Hilchtig- in der Entwickelung, aber mehr tonisch, Ulndich den adstringirenden Mitteln. — Die Wirkungen des Woldverleihkrautes nähern sicli denen der Blumen, sind aber sehr viel sclnväcber als diese.
sect;#9632;
324.
laquo;. Die Erscheinungen nach dem Eingeben von 1—o Unzen der Ariiikablianen sind bei gesunden Pferden mcbrentbeils unbedeutend und bestehen in etwas erhöhter Temperatur der Haut und im Maule, in einer geringen Vcimehrung der Pulse, in etwas vermehrter Speichel­absonderung und reichlicherer Urinentleerung-; zuweilen findet sich auch Zittern der Muskeln, Aussetzen des Pulses, Poltern im Leibe. Die Wir­kung wird 10—15 Minuten nach dem Eingeben bemerkbar und dauert 2—-1 Stunden; die Thiere behalten dabei ihr munteres Ansehen, fressen und saufen wie vorher. — Nach einer Gabe von 4 Unzen bis zu 1 Pfd. der Blumen treten dieselben Zufalle ein, jedoch im stärkern Grade; das Haar wird gesträubt, der Puls voll und vermehrt; die Thiere zittern stark, gähnen oft, manche speicheln aus dem Maule, bekommen auch etwas Ausfluss aus der Nase, entleeren öfters Koth und Urin, und sehen sich zuweilen nach dem Leibe um; das Athmen wird auch oft, aber nicht immer, etwas beschleunigt; zuletzt erscheinen die Pferde matt. Diese Wirkung dauert gegen 6—8 Stunden. Ich gab einem ge­sunden Pferde, und eben so einer Kuh auf einmal 2 Pfund Arnika-blumen im Infusum und sähe nur dieselben Erscheinungen. Viborg bemerkte ', dass bei dämpfigen Pferden das Athmen nach dem Ein­geben der Arnika sehr beschleunigt und angestrengt wurde; ich kann dies aus mehreren Versuchen bestätigen. — Bei Hunden sind die Er­scheinungen nach einer Gabe von '/j—1 Drachme dieses Mittels ähn­lich wie bei Pferden von 1—3 Unzenquot;; von grössern Gaben tritt aber fast immer Erbrechen ein.
Weit kräftiger und sogar ausgezeichnet heftig wirkt die Arnika, wenn sie als Infusum oder als Tinctur in die Venen gespritzt wird. Viborg2 machte hierüber die ersten Versuche, und benutzte da­bei ein Infusum, aus 1 Drachme Arnikablumen mit 2 Unzen Wasser, durch zwölfstündiges Digeriren bei 600H. bereitet, — oder eine aus 2 Drachmen Arnikablumen mit Ji1/^ Unzen Branntwein, ebenfalls durch Digestion bereitete Tinctur. — 1 Drachme des Infusums, mit 2 Unzen Wasser verdünnt in die Drosselvene eines alten, magern Pferdes ge­spritzt, verursachte gleich darauf etwas schnelleren Puls; das Pferd sah sich zuweilen nach dem Leibe um, kauete, und bekam ein feuch­teres Maul, nach 10 Minuten Eieberzufällc, starkes Zittern, Sträuben der Haare, Aufheben bald des einen, bald des andern Hinterbeines, etwas beschwerliches Athmen; der Puls wurde voller, blieb aber nicht so schnell als vorher. Darauf erschien das Pferd träge und matt,
1 Samml. von Abhandl. 4. Bd. S. 107 u. f. 4. bis 7. Versuch. - Ebendaselbst S. 116 n. f.
IL.
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stand mit herabhängendem Kopfe und halbgeschlosseneu Augen und konnte sich kaum auf den Beinen erhalten; nach etwa einer .Stunde seit Anfang des Versuchs fiel es um und streckte die Beine nach vorn und hinten aus; es konnte nicht aufstehen, sondern blieb matt und be­täubt, mit allen Vieren gestreckt liegen und war gegen Nadelstiche ganz unempfindlich (ausgenommen im Nacken); die Zunge hing schlafi' aus dem Maule, die Lippen waren ohne Muskelkraft, und die Beine behielten die Stellung, die man ihnen gab; die Augen matt, doch ohne Veränderung der Pupille; das Athmen langsam, beschwerlich, der Puls unmerklich, der Herzschlag nicht fühlbar. Nach einer Dauer von 15 Minuten verschwanden diese Zufälle so weit, dass das Pferd auf­stehen konnte; es blieb aber noch Schwindel und taumelnder Gang, und mühsame Bewegung der Beine zurück. Entleerungen waren bis­her nicht erfolgt. Presslust zeigte sich sogleich, als das Thier sein l!e-wusstsein wieder erhalten hatte. Zwei Stunden nach gemachter Ein­spritzung bemerkte man keine Wirkung mehr von derselben.
Bei andern Pferden war gleich nach der Einspritzimg von 2 Drach­men bis 1 Unze des Aufgusses (eben so der Tinctur) eine vermehrte Munterkeit zu bemerken, die jedoch nur kurze Zeit dauerte, und worauf die angegebenen Zufälle eintraten. Die StärRe und Dauer der letztern war sehr verschieden und nicht immer im Verhältniss zur Grosso der Gabe; denn einzelne Pferde starben unter krampfhaften Zufällen von '2—4 Drachmen des verdünnten Aufgusses, in Zeit von wenigen Minuten, während andere 6—8 Drachmen ohne lebensgefährliche Zufälle ertrugen. Besonders wurde bei dämpfigen Pferden das Athmen sehr beschwerlich und vermehrt (zuweilen durch V4 Stunden anhaltend), und bei rotzigen wurde stets die Absonderung der Schleimhäute vermehrt. Das Blut gerinnt dabei schneller und bildet eine dünnere Speckhaut — Einzelne Pferde sali ich stark aus dem Maule schäumen, andere ganz steif in den Gliedern werden. — Bei Kühen entstehen nach der Injection von 1—-2 Drachmen und bei Schafen von 6—10 Gran des verdünnten Auf­gusses ganz ähnliche Wirkungen wie bei Pferden. Bei Hunden findet sich aber (von 6—10 Gran) noch ausserdem Erbrechen, und von '/o Drachme bis 2 Scrupel erfolgt gewöhnlich der Tod.
In den Cadavern findet man die Gefasse der Bauch- und Brustein­geweide, des Gehirns und Kückenmarks strotzend voll von Blut, ohne sonstige organische Veränderungen.
Bei der Anwendung auf die äussere Haut wirkt die Arnika stark erregend, die Resorption und die Zertheilung uxtravasirter Flüssig­keiten und torpider Geschwülste befördernd.
sect;. 325.
Nach den vorstehenden Versuchen und nacli praktischen Erfah­rungen gehören die Arnikablumen zu den kräftigsten ßeizmitteln. Wirklich angezeigt erscheint ihre Anwendung nur da: wo torpide Asthenie, mit sehr gesunkener Thätigkeit der Nerven und Blutgefässe besteht; wo der Puls klein, weich, leicht zu unter­drücken, die Respiration langsam oder etwas beschwerlich, die Tem
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peratur ungleich verbreitet und das Auge matt ist, wo die Schleimhäute schmierig, die Kräfte sehr gesunken, und Zufälle von örtlicher oder allgemeiner Lähmung zugegen sind. Dagegen ist das Mittel überall schädlich, wo erhöhte lieizbarkeit, grosse Empfindlichkeit und Con-gestionen zu innern Organen bestehen. — Man wendet es daher mit Nutzen an, innerlich: bei torpiden Nerven- und Faulfiebern; — bei Lähmungen, wenn sie den rein nervösen oder den rheumatisch-asthe-nischen Character an sich tragen und wenn das Uebel nicht in einer mechanischen Verletzung des Eückenmarks oder der Nerven begrün­det ist; ferner bei Krämpfen, bei dem Dummkoller der Pferde, bei veralteter Druse mit starkem Schleimfluss, überhaupt bei veraltetem Katarrh, bei Durchfall, wenn derselbe in Erschla£fung und Reizlosig­keit des Darmkanals begründet ist; bei veraltetem Rheumatismus, und besonders, wenn die Thierc in Folge desselben einen gespannten Gang behalten. Audi bei acutem Rheumatismus habe ich von der Arnika guten Erfolg gesehen; ich liess jedoch vorher durch Aderlässe die In­tensität des Uebels mindern, und immer liess ich andere Diaphoretica (Fliederblumen, Tart. stihiatus, Opium oder Opiumtinctur) damit ver­binden. Man hat auch die Arnika bei asthenischen Entzündungen (be­sonders bei solchen LungdRentzündungen), und bei heftigen Quetschun­gen , und hierbei entstandenen Erschütterungen und Blutaustretungen häufig angewendet, hier aber oft mehr geschadet als genutzt, indem die Anwendung auch dann geschähe, wenn der oben bezeichnete torpide Character schon wieder beseitigt war, und daher die fernere Rei­zung nur nachtheilig sein konnte.
Aeusserlich werden die Arnikablumen (und die aus ihr bereitete Tinctur) als zertheilendcs Mittel bei Quetschungen, Stockungen, Blut-extravasaten, ödematösen Anschwellungen, Verdickungen des Zellge­webes, torpiden Wunden, bei asthenischen, torpiden Entzündungen, nach Verrenkungen und Verstauchungen und dgl. Zufällen sehr häufig benutzt. Die Tinctur muss man sieb aber selbst bereiten, weil dieselbe in den Apntheken unverbältnissmässig theuer ist.
sect;. 326.
Die Gabe ist für Pferde und Rinder von 1—2 Unzen, für Schafe und Schweine 2 Drachmen bis xl2 Unze, für Hunde 5 Gran bis 1 Scru-pel, — alle 2—3 Stunden, bei gefährlichen Zuständen auch alle Stun­den wiederholt, — am wirksamsten in einem Aufguss mit heissein Wasser (1 Pfund zu 1 Unze der Blumen), weniger wirksam in Lat­wergen und in Pillen. Nach Erfordern der Umstände setzt man Kam­pher, Weingeist, Terpenthinöl, aromatische Mittel und dgl. hinzu.
Aeusserlich werden die Blumen entweder im Aufguss (1 Unze zu 12 Unzen kochenden Wassers), oder als Tinctur, zum Waschen und Bähen der kranken Theile, zuweilen aber auch als Breiumschlag an­gewendet, und zu dem Aufguss zuweilen, je nach den Krankheitszu-fällen, etwas Essig, oder Weingeist, Potasche oder Salmiak zugesetzt. Die Tinctur bereitet man aus 1 Theil Arnikablumen mit 12 Theilen rectiiieirtem Weingeist, durch 8 Tage dauerndes Digeriron. Fast allge-
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mein wird dieselbe mit Wasser in verschiedenem Verhältniss verdünnt (etwa '/g Unze zu 6—12 Unzen Wasser) auf die leidenden Theile alle 1 —2 Stunden einmal applicirt.
Die Injection in die Venen kann bei ähnlichen Kranklieitszustäu-den, wo der innerliche Gebrauch der Arnika angezeigt ist, Statt finden. Vi borg bat sie namentlich gegen Kheumatismen und LUhmungen ver­sucht, und ich habe sie in mehreren Fällen gegen üuminkoller, wenn derselbe mit grossem Torpor bestand, mit gutem Erfolge, angewendet. Man kann zu dieser Anwendung die oben (sect;. 324) bezeichnete schwä­chere Tinctur oder den wässerigen Aufguss für Pferde und Rinder in Gaben von ^ Drachme bis i/o Unze, für Schafe 6 Tropfen mit oder ohne Verdünnung durch Wasser, gebrauchen. Es ist aber dabei grosse Vorsicht nöthig, und besonders dürfen die grösseren Gaben nur dann angewendet werden, wenn die Einspritzung kleinerer Quantitäten mit zu geringem^Erfolge schon versucht worden ist.
sect;. 327.
b.nbsp; nbsp;Die Arnikawurzel wirkt bei innerlicher Anwendung (wie be­reits im sect;. 323 angedeutet), tonisch und erregend, vorzüglich auf die Verdauungseingeweide, aber viel weniger allgemein erregend als die Blumen. Bei Injectinnen eines, von der Wurzel bereiteten wässerigen Aufgusses oder einer weingeistigen Tinctur in die Venen treten aber dieselben Erscheinungen ein, wie von Injectionen des Aufgusses der Amikablumen.
Man benutzt die Arnikawurzel innerlich als stärkendes, zusam-sammenziehendes und erregendes Mittel bei solchen Krankheiten, bei denen Schwäche, Erschlaffung, Reizlosigkeit und zu sehr vermehrte Ab-und Aussonderungen und Neigung zur Zersetzung der Säfte, den wesent­lichen Zustand bilden, wie namentlich bei nervösen, fauligen und gastri­schen Fiebern mit dem Character der Atonie, bei schlechter Verdauung und bei chronischem Durchfall aus torpider Schwäche der Eingeweide, bei dem feuchten, schleimigen Dampf, bei veralteter Druse und dgl. — Aeusserlich pflegt man die Wurzel nicht zu benutzen, sie kann aber ähnlich wie die Blumen angewendet werden; und namentlich hat Böhm in Hohenheim die aus ihr bereitete Tinctur (1 Unze der Wurzel mit 12 Unzen rectificirtem Weingeist, durch 8 Tage fortgesetztes Digeriren) gegen dieselben Uebel, bei welchen die Arnikablumen-Tinctur gebraucht wird, und eben so wie diese angewendet (sect;. 325) als ein vortreffliches Heilmittel nachgewiesen (Hering, Repertor. Bd. 1, S. 61).
Gabe und Anwendung ist wie bei den Blumen; doch eignet sich die, Wurzel auch recht gut zur Anwendung in Pillen und Latwergen, und die Wiederholung der einzelnen Gaben kann nach grössern Zwi­schenzeiten geschehen, als bei den Aruikablumen.
sect;. 328.
c.nbsp; nbsp;Das Arnikakraut wirkt viel schwächer als die Blumen, und ist deshalb fast ganz aus dem Gebrauch gekommen. Soll es im Nothfall statt der Blumen innerlich angewendet werden, so muss die Gabe
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wenigstens noch einmal so gross wie von diesen sein. Die Pflanze soll von den Schafen sehr gern gefressen, von Kindvieh aber nicht ange­rührt werden {Linn. flor. Suec. p. 295). (Flor. Arnic. 1 Unze 1 Sgr. 4 Pfg., geschnitt. und grob pulv. 1 Sgr. 10 Pfg., fein pulv. 2 Sgr. 6 Pfg.; Radix Arn. 1 Unze 1 Sgr., grob pnlv. 1 Sgr. 6 Pfg., fein pulv. 1 Sgr. 10 Pfg.; Tinct. Arn. 1 Unze 3 Sgr. 4 Pfg.)
9) Brrchwnrzel, R\i\i\\t\i\z?\, Rndix Ipecacnanhae.
sect;. 329.
Sie enthält Gummi, Wachs, Stärkemehl u. s. w., auch ein eigen-thiimliches Alkaloid, Emetiu genannt, weil es bei Menschen, so wie bei Tliieren, die sich erbrechen können, selbst in sehr kleinen Gaben (zu J/.i Gran) starkes Erbrechen bewirkt. In grossen Gaben (d. h. zu 6—10 Gran, und von dem gereinigten schon zu 2—3 Gran bei Hun­den) verursacht das Emetin auch Entzündung der Schleimhaut des Magens, des ganzen Darmkanals und in den Lungen, und hierdurch den Tod. Es wird in der Thierhcilkunde nicht benutzt.
Die Brechwurzel selbst, in gehörig starken Gaben, d. h. bei Schweinen und Hunden zu 12—40 Gran, bei Katzen zu 5—10 Gran innerlich angewendet, verursacht leicht Erbrechen, mit allen Erschei-nungen und Eolgen, die mit demselben gewöhnlich verbunden sind (sect;. 34). Bei Pferden entstellt, Vitet's Versuchen zufolge1, nach einer Gabe von 1-—1 '/o Unzen dieser Wurzel eine massige Spannung der Bauchmuskeln, Flankenschlagen, schnellerer Puls, Unruhe, zuweilen Neignng zum Erbrechen. Nach 4—5 Stunden verschwinden diese Zu­fälle wieder. — Aber 3 Unzen beunruhigen das Pferd sehr; es wirft sich nieder, stöhnt, schlägt mit den Flanken und bekommt Zuckungen. Zuletzt findet sich Purgiren, aber nicht so stark, wie von der Aloe. Wenn es hiernach stirbt, findet man den Magen stark aufgeblähet, am Pförtner entzündet und die Blutgefässe strotzend voll. Nach Bracy-Clark sind 3 Unzen stets tödtend2. Bei Rindvieh soll die Wurzel ähnliche Zufälle und ausserdem auch Neigung zum Erbrechen verur­sachen. — Wenn die bezeichneten Zufälle vorüber sind, geht gewöhn­lich der Mist nach 24 Stunden etwas trockener und sparsamer ab, als vorher. — Bei Schafen entsteht von 1/ä Unze der Wurzel fast dieselbe Wirkung, wie beim Rindvieh.
Ganz kleine Gaben wirken als ein speeifisches tonisches und um­stimmendes Mittel, welches bei kranken Tliieren Krämpfe, Zuckungen, krampfhaftes Erbrechen, Ruhr und chronischen Durchfall beseitiget.
sect;. 330.
Die Brechwurzel wird fast nur bei Schweinen, Hunden und Katzen als Heilmittel angewendet, und zwar gewöhnlich:
a. in grossen Gaben, als Brechmittel in Krankheiten, wo Brechmittel überhaupt angezeigt sind, namentlich bei im Magen vorhandenen unver-
1nbsp; nbsp;Vitet a. a. O. S. 138, 140 u. 372.
2nbsp; nbsp;Pharmacopoea veterinaria p. .'i8.
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daulichen oder giftigen Substanzen, bei Anliäufung von Selileim im Magen oder in der Luftröhre-und ihren Zweigen in der Lunge, bei röchelndem Husten,bei gastrischem Fieber, bei der Staupe der Hunde, bei im Schlünde sitzenden fremden Körpern, bei asthenischer Bräune n. s. w.; oder
b. in kleinen Gaben, sowohl als krampfstillendcs wie auch als an­haltendes, stopfendes Mittel bei den vorher (sect;. 329) angedeuteten Krank-heitszuständen. Sie wird jedoch hierzu mehrentheils nur bei den Thieren von mittlerer und geringerer Grosse benutzt, da ihr Gebrauch bei den grossen Thieren durch die erforderliche Grosse der Gabon zu theucr, sie auch durch andere Mittel zu ersetzen ist. Selbst als Brechmittel bei Schweinen, Hunden und Katzen wird die Ipecacuanha in den meisten Fällen durch den Brechweinstein, den Zinkvitriol, die weisse Nieswurz und die Gratiola ersetzt. Die Brechwurzel verdient vor diesen Mitteln nur dann den Vorzug, wenn man die von ihnen manchmal entstehende zu heftige lieizung- und das vom Brechweiustein fast immer zugleich erfolgende Laxiren vermeiden will.
Als Brechmittel benutzt man sie bei Schweinen zu 20—30 Gran, bei Hunden 10 Gran bis 2 Scrupel, für Katzen -1—12 Gran. — Man giebt am besten das Pulver der Wurzel mit '/^—1 Unze lauwarmen Wassers gemengt, häufig auch, um ihre Wirkung zu verstärken, mit 2, 3—5 Gran Brechweinstein verbunden.
Als krampfstillendes und anhaltendes Mittel giebt man sie für Schweine zu 3—8 Gran, für Hunde und Katzen zu '^—3 Gran, alle 2—4 Stunden einmal, in jeder beliebigen Form und in Verbindung mit andern passenden Mitteln, besonders mit Opium, mit Kampher, mil Baldrian, Kamillenblumen und dgl. (1 Drachme zerschnitten 1 Sgr., fein pulv. 1 Sgr. 2 Pfg.)
10) Jalapenwnrzel, Purgirnuizel, Jiadiz Jalapae s. Gialapae. sect;. 331..
Ihre Bcstaudtheile sind scharfes Harz, und zwar: Hartharz (Khodeorctin oder Jalapin, 7,8 Proc), und Weich harz (3,2 Proc), in Verbindung mit Gummi, kratzendem Extractivstoft' (17,9 Proc), mit Stärkemehl, Ehveis, Farbestoff u. s. w. Das Hartharz, der wirksamste Bestandthcil, ist in Alkohol leicht löslich, aber nicht in Aether und in Wasser; das Weichharz ist im Aether löslich.
Bei den fleischfressenden Thieren und Schweinen bewirkt diese Wurzel, in hinreichender Gabe angewendet, ziemlich starkes Purgiren, ohne üble Zufalle, bei Pferden und Wiederkäuern verhält sich aber die Wirkung anders. Flormann1 sähe von '/a Unze Jalapcnwurzcl bei einem dreijährigen Pferde, und Viteta von einer ganzen Unze keine merkliche Wirkung; aber 2 Unzen gepulverte Jalape mit 2 Pfund Kleienwasser gemengt, erregten (nach Vitet) Flankenschlagen, Unruhe, Kolik, Zuckungen und den Tod. Beim Ocffnen fand sich der Magen
1 Viborg, Samml. ]!d. 3. S. 182. #9632; Vitet, Unterricht, Bd. 5. S. UO.
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sehr aufgetrieben und im Innern um den Pförtner entzündet. Ich habe Pferden 3—4 Unzen der Wurzel gegeben, darauf Kolik, Verlust des Appetits, gelindes Fieber, kein Purgiren, aber auch nicht den Tod er­folgen sehen. Viborg1 bemerkte bei einem siebenjährigen Wallach nach einer Gabe von 2 Unzen keine andere Wirkung, als dass der Urin n-clblicli wurde; allein bei der am dritten Tage gemachten Oeffnung des getödteten Thieres fanden sich der Magen und Dünndarm entzün­det und mit wässeriger Feuchtigkeit angefüllt, aber der Dickdarm und die in ihm enthaltenen Excremente unverändert. — Derselbe sähe auch von 6 Unzen, und J. White2 sogar von 8 Unzen Jalape bei Pferden kein Purgiren entstehen. Bei dem Hornvieh soll aber, nach Viborg's Angabe, von 2 Unzen Jalape mit 4 Unzen Glaubersalz, — und bei Schafen (nach Dauben ton's Versuchen3), von 5 Drachmen blosser Jalape Purgiren erfolgen. Die Wirkung tritt bei den letztern nach 8—9 Stunden ein, und ist so gelinde, dass sie nichts dabei zu leiden seheinen, und selbst den Appetit nicht verlieren. Diese Beobachtungen stehen aber mit denen von Vitet und von Gilbert im Widerspruch; Ersterer (a. a. O.) sähe bei einem jungen Schafe von einer Unze Jalape, mit Milch und Salz eingegeben, durch 12 Stunden Auftreibung des Leibes, schnellen Puls und Hitze im Maule entstehen, aber den Mist weder feuchter werden noch häufiger abgehen, und bei Gilbert4 starb ein Schaf binnen 15 Stunden nach dem Eingeben von 2 Unzen Jalape mit 1 Pfund Wasser. Purgiren war nicht erfolgt. Die Section zeigte heftige Entzündung des zweiten, dritten und vierten Magens.
sect;. 332.
Aus dem Vorstehenden ergiebt sich: dass die Jalapenwurzel bei Pferden und Wiederkäuern als Purgirmittel nicht anzuwenden ist. Selbst wenn sie bei Wiederkäuern so wirkte, wie Viborg und Dau­be nt on es angeben, so würde doch ihr sehr hoher Preis den Gebrauch bei diesen Thieren verbieten. Letzteres ist auch der Fall hinsichtlich ihres Gebrauchs für Schweine. Doch kann man sie bei Schweinen, Hunden und Katzen als ein kräftiges, drastisches Abführungsmhtel be­nutzen, wenn die Thätigkeit des Verdauungskanals kräftig erregt, Ent­leerungen durch den After befördert oder Ableitungen bewirkt werden sollen, z. B. gegen Leibesverstopfung aus Schwäche und Trägheit des Darmkanals, gegen Verschleimung desselben, gegen Würmer, gegen hartnäckige, auf Stockungen in der Pfortader beruhende Gelbsucht und Wassersucht, gegen veraltete Hautkrankheiten und dgl.
Die Gabe ist für Schweine 2—6 Drachmen, für Katzen und Hunde 10 Gran bis 1 Drachme. Die Anwendung geschieht meistens in Pillen
1 Dessen Samml. Bd. 4. S. 276.
3 Dessen Handbuch der Pferdearzneik. 2. Th. S. 269.
3 In den; Memoires de la Soc. Eoyale de Medecin. An. 1780 und 1T81. — Deutsch in den auserlesenen Beiträgen zur Thierarzneikunde. Leipzig, 1786. 1. Stück. S. 184.
' Memoires sur tes effets des Medicamens dans les animaux ruminans. In den Annal. d'Agricu^t. fran^. 1. Ser. Tom. 3. p. 333.
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oder Bissen, welche mau aus dein Pulver der Wurzel mit der nöthigen Menge von Syrup, Honig oder Seife bereitet; auch kann das Pulver mit warmem Wasser den Thieren eingeschüttet, oder, weniger zweck-massig, ihnen unter das Futter gemengt werden. — Zuweilen verbindet man die Jalape mit der Aloe, mit der Rhabarber, dem Kalomel und andern Purgirmitteln.
Anmerkung. Als Präparate hat man 1) das J alapcnharz (ßesiva Jalapoe), es wirkt wie die Jalapenwurzel, aber schneller und zugleich viel heftiger den Ver­dauungskanal örtlich reizend; von 30 Gran entstellt bei Hunden gewöhnlich schon innerhalb 15 Minuten starkes Purgiren , blutiger Durchfall, Darmentziind'ing und der Tod. Man darf es daher nur mit grösster Vorsicht, und nur in Gaben von IGran bis zu 5 Gran bei Katzen und Hunden gebrauchen. Am besten in Pillen mit Seife.
2)nbsp; nbsp;Die Jal apen-S e if e (Sapo Jalapinus) , aus gleichen Theilen Jalapenharz und reiner Seife durch Auflösen in Weingeist und Wiederabdai.npfen des let/.tern bereitet, ist ein wirksames Präparat, welches man wie die Jalapenwurzel und in Gaben von t Drachme bei Schweinen und von 2—10 Gran bei Hunden und Katzen anwenden kann.
3)nbsp; nbsp;Die J al ap en-Tinc tur {Tifictnra Jalapac) (0), entweder durch Digeriren der Wurzel (1 Theil) mit Weingeist (4—6 Theile), oder durch Auflösen des Harzes im Weingeist (1 Theil zu 8 Theilen) bereitet, ist wenig gebräuchlich; Thierarzt Sörensen hat sie bei Pferden zu 1/2—2 Drachmen in die Venen gespritzt und hier­durch starkes Purgiren bewirkt. Bei Kühen trat aber selbst nach dem Einspritzen so grosser Gaben, dass die Thiere taumlig wurden, kein Abführen ein. Viborg hat diese Einspritzungen bei Pferden gegen Anhäufung des Kothes im Grimm-und Blinddarm vergeblich angewendet, dabei aber gefunden: dass 30 Gran von der aus dem Jalapenharz bereiteten Tiuctur ein Pferd tödten (Veter. Selskab. Skrift. 3. Deel. p. 505). (Die Wurzel grob pnlv. 1 Unze 8 Sgr. 8 Pfg., fein pulv. 1 Drachme 1 Sgr 2 Pfg. — Das Harz 1 Scrupel 5 Sgr. — Jalapen - Seife 1 Drachme 8 Sgr. 2 Pfg.)
11) Mferzwiebel, Radix Seillae s. Squillac.
sect;. 333.
Ihre wirksamsten Bestandtljeile sind zwei, in chemischer Hin­sicht noch nicht fest bestimmte Stoffe, das Scillitin und das Scul-lein. Ausserdem enthält, sie noch Gerbstoff, Gummi, phosphorsauren Kalk u. s. w.1.
In massigen Gaben wirkt die Meerzwiebel bei allen Thieren als ein kräftiges Reizmittel speeifisch auf die Schleimhaut der Respirationsor-gane und auf die Nieren, und vermehrt an diesen Organen die Abson­derung sehr bedeutend, besonders aber die Urinsecretion. Massig grosse Gaben (bei Hunden von 10—20 Gran) bringen bei Schweinen, Hun­den und Katzen Erbrechen, zuweilen auch Purgiren hervor. In zu grossen Gaben verursacht die Wurzel Convulsionen, Betäubung, und zuweilen in kurzer Zeit den Tod, und wenn dieser nicht sehr schnell erfolgt, entsteht auch Entzündung der Darmschleimhaut und der Nieren.
1 Das Scillitin und das Scullein sind vonTabourin mehrfältig an Thieren durch Infusion in die Blutadern versucht worden, wobei sich herausstellte, dass das Letztere eine zehnfach stärkere Wirksamkeit besitzt als das Krstere nnd dass beide in ähnlicher Weise aber viel heftiger wirken als die Meerzwiebel selbst Journ. de Mcdec. veter. public ä l'ecole de Lyon. 1861. p. 5, 161, 412.
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Anm e rk nn g. Pferde und Kiilio urinivten von '/j—1 Un/.o sehr stark | 2 Pferde starben nach einer Gabe von 2 Unzen am vierten Tage, ein anderes ertrug 3 Unzen ohne zu sterben; Hunde urinirten von S Grau ziemlich stark, und erbrachen sieh heftig von 20 Gran.
Ehemals wurde die Meerzwiebel häufig, theils als ein Schleim auf­lösendes und den Auswurf beförderndes Brustmittel, theils auch als urintreibendes Mittel angewendet; jetzt wird sie wohl mit Unrecht, sehr wenig, etwa nur noch bei kleinen Thieren benutzt. Sie kann in ersterer Hinsicht bei Lungenentzündung, Bronchitis und Katarrhen, überall jedoch nur im Stadium der schon eingetretenen reichlichen Abson­derung, und in anderer Hinsicht bei fast allen Wassersuchten ange­wendet werden.
Die Gabe ist für Pferde und Rinder 2 Drachmen bis iU Unze, für Schafe und Schweine 10 Gran bis ^ Drachme, für Katzen und Hunde i—5 Grau. Man wendet sie in Zwischenzeiten von 6—8 Stunden, in Latwergen- oder Pillenform an, und setzt ihr als Brustmittel Salmiak, Spiessglanz, Brechweinstein, Alant und dgl., — als urintreibendes Mit­tel aber Weinstein, Essig, Wachholderbeeren und andere Mittel zu.
Die von der Meerzwiebel in den Apotheken bereiteten Präparate, wie der Meerzwiebelhonig, Meerzwiebelessig, Meerzwiebol-sauerhonig u. s. w. werden kaum benutzt. Delafond sähe von der Einreibung des Meerzwiebelessigs um das kranke Auge bei Mondblind­heit guten Erfolg. {Rad. Scillae 1 Unze 1 Sgr., fein pulv. 2 Sgr.)
12) Die Samen und die Wurzel der Herbslzelllose) Semina et Madix Colchici nutumnalis,
sect;. 334.
Beide Thcile dieser Pflanze enthalten als wirksamsten Bestand-Uieil ein Alkaloid, das Colchicin, ausserdem eine flüchtige Säure, fette Substanz, Gummi u. s. w.
Samen und Wurzel der Zeitlose haben im Wesentlichen gleiche Wirksamkeit. Letztere äussert sich nach massigen Gaben des Mittels durch Reizung des Verdauungskanals und der Leber, durch speeifische und starke Reizung der Nieren, so wie auch einigermassen des Gehirns, und durch Herabstimmung der Hcrzthätigkeit. Die Wirkung auf den Verdauungsapparat äussert sich bei Thieren, welche sich erbrechen kön­nen, durch Ekel, Erbrechen und oft auch durch Purgiren; bei Pferden und Rindern entsteht Letzteres von massig grossen Gaben ebenfalls; sehr grosse Gaben erzeugen bei allen Thieren reichliches Speicheln aus dem Maule, Appetitlosigkeit (bei Wiederkäuern Aufhören der Rumina­tion), Leibschmerzen, aussetzender, langsamer Puls, Auftreibung der Flanken, Erbrechen, Diarrhöe mit blutigen, stinkenden Ausleerungen, Thränen der Augen, öfteres Uriniren oder Drängen hierzu, Blutharnen, bei Kühen zuweilen blutige Milch, Krämpfe, Zuckungen, beständiges Aufziehen der Hinterfüsse, schwankender Gang und zuletzt Lähmung und den Tod.
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In Gegenden, wo die Pflanze zahlreich wächst, kommen Vergif­tungen durch ihren Gemiss (auch von den im Heu enthalieiien trockenen Blättern) oft vor.
Die Section zeigt hald mehr bald weniger Entzündung der Schleim­haut des Magens, des Darmkauais, der Niereu und der Harnblase, oft auch Ueberfüllung der Biutgef'ässe des Gehirns.
Die in medicinischer Hinsicht wichtigste Wirkung des Oolchicums ist die auf die Urin Werkzeuge; denn viele Beobachtungen und chemische Untersuchungen haben gezeigt, dass dasselbe nicht nur die Urir.secretion vermehrt, sondern auch qualitativ in der Art verändert, dass im Urin der Harnstoff um l/4—^g, und die Harnsäure um die Hälfte vermehrt wird.
Die Indicationen für die thierarzneiliche Anwendung dieses Mit­tels sind noch nicht gehörig festgestellt. Im Allgemeinen dürfte es da passend sein, wo die Meerzwiebel nützlich ist, namentlich bei Wasser­süchten, im Besonderen aber verdient es Beobachtung beiacutem Kheu-matismus und bei allen rheumatischen Entzündungen, weil es die Piilse an Zahl und Heftigkeit vermindert und die Harnkrise auffallend be­fördert. Ich habe mehrmals bei diesen Kraukheitszuständen sowohl von der Wurzel wie auch von den Samen des Oolchicums baldige Besserung gesehen, wenn zuerst durch Aderlass und Nitrum die Heftigkeit der Entzündung gebrochen war, aber der volle, schnelle Puls unverändert fortbestand. Murray, H. Bouley und lienal haben das Mittel mit sehr gutem Erfolg gegen periodische und andere heftige Augenentzün-dungen mit dem besten Erfolg angewendet1. — Ausserdem ist dasselbe bei Tympanitis sehr wirksam befunden worden.
Die Gabe von der gepulverten Wurzel oder Samen ist für Pferde und Kinder 1—2 Drachmen, für Schafe und Schweine 5—20 Gran, für Hunde und Katzen 1—5 Gran, in Latwergen oder Infusum, letz­tereraquo; mit der sechszig- bis hundertfachen Menge kochenden Wassers, — für sich allein oder auch in Verbindung mit Nitrum, Brechweinstein, Fliederblumen, Süssholz und dgl.
Von den Präparaten ist die aus den Samen mit rectificirtem Wein­geist (1 Th. und 6 Th.) durch dreitägiges Digeriren bei 300K. bereitete Tinct. sein. Colchici am gebräuchlichsten und wird besonders bei der Tympanitis der Wiederkäuer angewendet. Die Gabe von ihr ist fast, homöopathisch klein; für Pferde und Rinder 5—25 Tropfen, für Schafe und Schweine 5—10 Tropfen, für Hunde 2—10 Tropfen. — Vinum radio, oder semin. Colchici ist theurer und deshalb nicht gebräuchlich. (Die Wurzel zerschnitt. 1 Unze 1 Sgr. 6 Pfg.; Samen 1 Unze 1 Sgr. 4 Pfg.; Tinctur 1 Unze 3 Sgr. 8 Pfg. Vm. Colchic. 1 Unze 5 Sgr. 6 Pfg.)
13) Schwarze Nieswurz, Christraquo;lirz, Hadix Ildlcbori nigri s. Mclampodü.
sect;. 335.
Die Bestandtheile sind : ein scharfes Harz [Helleborinf), eine eigen-thümliche scharfe Pflanzensäure (der Krotonsäure ähnlich), ein scharfes,
1 Kecueil de Med. vutcr. 1850, p. 7fi0, 952, 953.
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fettes und ein flüchtiges üel, einen bitteren Stoff, Wachs, Schleim, Eiweis und einige Salze als Bestandtheile nachgewiesen. Dieselben lösen sich im Wasser und fast eben so leicht in Weingeist auf.
Die schwarze Nieswurz bringt (wenn sie echt und nicht zu sehr ver­altet ist) bei allen Thieren und bei jeder Art der Anwendung sehr hef­tige und selbst in kleinen Gaben zuweilen tödtliche Wirkungen hervor. Bei Pferden entstehen nach dem Eingeben von 1IS Drachme bis 1 Unze der gepulverten Wurzel, in Zeit von 2—4 Stunden eine geringe Aengst-lichkeit, die sich mehr durch den Blick als durch Unruhe zu erkennen giebt; dann ungleiche, zuweilen etwas angestrengte Athemzüge, worauf nach 10—15 Stunden der Puls schneller und kleiner wird, und Pur-giren erfolgt. Letzteres ist bei manchen Pferden nicht sehr, bei andern aber ausserordentlich heftig, durch 4, 8—12 Stunden anhaltend; zu­weilen wird der Koth ganz dünnflüssig, selbst blutig und stets sehr stin­kend; später wird bei dem fortbestehenden Drängen blos etwas wäs­serige oder schleimige Flüssigkeit entleert. Hierzu finden sich oft Zuckungen an den Bauchmuskeln und am Halse, Zittern des Schwan­zes und grosse Mattigkeit. Die Thiere verlieren den Appetit, werden im weitern Verlaufe unruhig, werfen sich nieder, schlagen mit den Beinen; die Schleimhäute werden bleifarbig, kalt, der Puls unfühlbar, die Haut ganz kalt, und unter diesen Zufällen erfolgt gewöhnlich in 40—50 Stunden, selten später, der Tod. — Einzelne überstehen die Wirkung; bei andern sah ich dieselbe schon von 2—3 Drachmen mit dem Tode enden. — Von 2—3 Unzen in einer Gabe treten die be­zeichneten Zufälle mit grosser Heftigkeit ein; die Excremente werden jedesmal blutig; die Thiere geifern aus dem Maule, zeigen krampfhafte Zusammenziehungen des Halses, wie Anstrengungen zum Erbrechen; sie harnen viel, und sterben last ohne Ausnahme. — Bei dem Eindvieh erfolgt von ähnlichen Gaben ganz dieselbe Wirkung, und hei Schafen und Ziegen tritt dieselbe von 1—3 Drachmen in grösster Hefdgkeit ein. — Schweine und Hunde erbrechen sich von 5—15 Gran der Wurzel ohne weitere üble Folgen, und ertragen sogar-, wenn sie sich erbrechen können, das Mittel in der Gabe von 1—2 Drachmen ohne Lebensge­fahr; sie erleiden blos starkes Erbrechen und Purgiren, zuweilen mit Entleerung blutiger Excremente und mit gelinden Krampfzufällen; ist aber das Erbrechen durch irgend einen Umstand gehindert, und da­durch die längere Einwirkung der Wurzel auf den Verdautngskanal bedingt, so entstehen aussei- der heftigen Anstrengung zum Erbrechen noch grosse Angst, Krämpfe, Schwindel, Lähmung, und in 30 bis 48 Stunden der Tod. Eine halbe bis 1 Unze der Wurzel im Decoct einem Hunde eingegeben, verursacht nach wenigen Minuten Erbrechen, Krämpfe am ganzen Körper, ruckweis eintretende Erstarrung und Un-beweglichkeit, abwechselnde Unterdrückung des Athems, der Herz- und Arterienbewegung, Erbrechen, Lähmung, und nach 20—30 Minuten den Tod.
Ein lufusum von 15 Gran der Wurzel mit 2 Drachmen heissen Wassers bereitet, einem Pferde in die Drosselvene gespritzt, brachte fast augenblicklich beschwerliches, krampfhaftes Athmen, heftiges Zit-
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tern am ganzen Körper, Drängen zur Kothentlecrung, Krämpfe lim Schlünde, Anstrengung zum Erbrechen, Schäumen und Greifern aus dem Maule und grosse Mattigkeit hervor. Diese Zufalle dauerten über 3 Stunden, worauf das Thier wieder ganz munter wurde. — Ein In-fusum von einer Drachme der Wurzel mit 1 Unze Wassei bereitet und in die Vene gespritzt, tödtete ein starkes Pferd unter heftigen Kräm­pfen binnen 10 Minuten. — Bei einer gesunden Kuh erfolgte nach der Einspritzung des vierten Theils dieses Aufgusses Zittern, krampfhaftes Zucken der Muskeln am Halse, an der Brust und am Bauche. Rülpsen, und nach 4 Minuten wirkliches Erbrechen. Nach 2 Stunden war das Thier wieder im normalen Zustande.
Eine weingeistige Tinctur in gleicher Stärke wie der Aufguss be­reitet, wirkt ganz wie dieser.
Auf die unverletzte Haut als Waschmittel im Decoct, oder mit Fett zur Salbe gemacht, angewendet, bewirkt sie starke Reizung, Ent­zündung, und bei Hunden und Katzen zuweilen auch Erbrechen. Es ist aber zweifelhaft, ob Letzteres entsteht, ohne dass die Tliiere s^ch beleckt haben.
Zwei Drachmen des Pulvers in eine Wunde am Schenkel eine:; starken Hundes gebracht, erregten nach G Minuten heftiges Erbre­chen, nach 45 Minuten Schwindel, Angst, Lähmung des Hintertheiles, worauf in 2 '^ Stunde der Tod eintrat. Ein kleiner Hund starb sogar von 6 Gran der Wurzel, welche ihm in eine Wunde gestreuet waren (Orfila).
Wird die Wurzel in Substanz zu 10—20 Gran in Wunden unter die Haut gebracht, so verursacht sie binnen 2—10 Stunden eine ziem­lich heftige Entzündung mit sehr starker Ergiessung einer serösen Flüs­sigkeit ins Zellgewebe, und daher mit grosser Geschwulst. Hunde, und bei grüner Fütterung auch Wiederkäuer, zeigen dabei zuweilen Er­brechen. Blieb die Wurzel durch mehrere Tage liegen, so entstand Ab­sterbung der Haut und des Zellgewebes, so dass von dem letztern ganze Stücke im verdickten und entarteten Zustande abgestossen wurden.
In den Cadavern der schnell gestorbenen Thiere findet man die Lungen, das Herz, die Leber und das Gehirn mit schwarzem Blut über­füllt; wo aber der Tod langsamer eintrat, ist die Schleimhaut des Magens und Darmkanals, vorzüglich des Dickdarms, an einzelnen Stollen ent­zündet und mit Blut unterlaufen; auch am Gekröse finden sich zu­weilen Extravasate von Blut. Die Entzündung ist jedoch nicht immer so heftig oder so ausgebreitet, dass man sie allein als Ursache des Todes betrachten könnte. —
sect;. 336.
Die schwarze Nieswurz ist trotz ihrer heftigen Wirkung seit alten Zeiten gegen Thierkrankheiten benutzt worden, und zwar innerlich und äusserlich.
Grosse Torpidität in den Baucheingeweiden, asthenische Stockun­gen in den Blutgefässen daselbst, davon entstandene Wassersüchten und ödematöse Anschwellungen, Trägheit im Darmkanal und hierin beruhende Verstopfung; Koller und Schwindel, welche mit ähnlichen
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Zuständen der Verdauungseingeweide verbunden sind; Bräune der Schweine, Anhäufung von unverdaulichen Stofl'en, von Schleim und von Würmern im Magen und Darmkanal; besonders bei Schweinen und Hunden — sind die vorzüglichsten Krankheiten, gegen welche man den Innern Gebrauch dieser Wurzel empfohlen hat. Derselbe darf jedoch stets nur mit grösster Vorsicht in massigen oder in kleinen Gaben, und mit Berücksichtigung der im sect;. 306 angedeuteten (Jcgenanzcigju geschehen.
In kleinen Gaben, nämlich für Pferde und Kinder von 15 bis .quot;50 Gran, für Schafe und Ziegen von 5—10 Gran, für Schweine von 2—5 Gran, für Hunde von '^—5 Gran, und in Zwischenzeiten von 12 Stunden angewendet, wird das Mittel zur kräftigen Erregung der Nerventhätigkeit in den Maucheingeweiden, zur Beförderung der Ab­sonderungen und der Kesorption, zur Auflösung von Stockungen, zur Erregung des Appetits und einer bessern Verdauung, — in grössern Gaben aber als Brech- und Purgirmittel angewendet. Für letztere Zwecke sollte man für Pferde und Kindvieh 1—l1/raquo; Drachme, für Schafe und Schweine 20-—30 Gran, und für Hunde 2—10 Gran nicht überschreiten, um keine zu heftigen Zufälle zu erregen, die man zwar nicht so leicht bei Schweinen und Huirden, desto mehr aber bei Pfer­den und Wiederkäuern von grossen Gaben zu fürchten hat. Die Wie­derholung darf deshalb erst nach 24 Stunden Statt linden.
Die Anwendung geschieht in Pulver, in Pillen, Latwergen und in flüssiger Form. Zu letzterer kann man einen Aufguss mit heissem Was­ser (1/2 Unze zu 1 Pfund) benutzen, oder (besonders bei Hunden und Sehweinen) die gepulverte Wurzel blos mit Milch, Wasser oder Kleien-tiank zusammenmengen. Nur als Brechmittel giebt man die Nieswurz zuweilen in Pulverform (doch nicht bei Schweinen) und für sich allein; als Purgirmittel verbindet man sie mit Aloe und selbst mit Salzen, und für die übrigen Zwecke mit bittern, aromatischen und andern passen­den Mitteln.
Gegen die zu heftige Wirkung von grossen Gaben der Nieswurz gab ich bei einigen Pferden das essigsaure Blei mit sehr gutem Ei folge.
sect;. 337.
Aeusserlich benutzt man diese Wurzel:
a. um in künstlichen Geschwüren eine starke Keizung, grosse Ge­schwulst und reichliche Ergiessung von Säften schnell zu erzeugen. Sie übertrifft in dieser Wirkung fast alle anderen Keizmittel, und wird daher bei grosser Schwäche oder bei einem hohen Grade von Torpi-dität, besonders bei dem Rindvieh, mit ganz vorzüglichem Erfolge an­gewendet. Die Indicationen hierzu sind die gewöhnlichen (sect;. 300, c). Man legt entweder einige Wurzelfasern (25—30 Gran) in eine kleine Wunde unter die Haut (das sogenannte Nieswurz- oder Christ-wurz st ecken) und erzeugt somit eine Fontanelle, — oder man nähet die Wurzel auf ein Band und applicirt dasselbe wie ein gewöhnliches Haarseil. Man sollte jedoch die Wurzel nicht über 2 Tage unter der Haut lassen (sect;..335). — Die frische Nieswurz wirkt hierbei -siel schneller
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als die getrocknete, und mau pflegt deshalb die letztere vor der An-weudung durch etwa 1j,i Stunde in Wasser einzuweichen. Das ehemals gebräuchliche Einweichen der Wurzel in Essig ist unzWeckmässig, weil der letztere die wirksamen Bestandtheile auszieht.
b. Als Heilmittel der Baude, und zum Tödten der Läuse. Für diese Zwecke wird sie sowohl im Decoct mit Wasser oder Essig (1 Unze zu 1 Pfund Colatur), wie auch in Salben (aus 2 Drachmen der gepul­verten Wurzel und 1 Unze Fett, Butter oder grüner Seile, zuweilen auch mit Zink oder Cuprum sulphuric. (2 Drachmen) verstärkt, zusam mengesetzt) mit gutem Erfolge jeden zweiten, dritten Tag einmal an­gewendet.
Zu Injectionen in die Blutadern ist.bisher die schwarze Nieswurz fast gar nicht benutzt worden; icli habe sie bei sechs dommkollerigen Pferden melufältig, und zum Theil mit grossem Nutzen gebraucht, und glaube daher, dass sie auf dieselbe Weise und gegen dieselben Krank­heiten wie die weisse Nieswurz (siehe die folgenden sect;sect;.) angewendet werden kann. Doch ist letztere milder und deshalb mehreutheils brauchbarer.
Anmerkung. Die Wurzel der iiliriyeu Nieswurz arten, namentlich von der grünen Nieswurz (ilflh'honia viridis) und von der stinkenden Nieswurz {HeUeborus foetidus) besitzen ähnliche Kräfte wie die schwarze Nieswurz. Von alien sind die Blätter den Tliieren sehr schädlich, und beim reichlichen Genuss selbst tüdtlich.
14) Veisse Nieswurz, weisser Ccruicr, Radix Veratn dtbi s. SeUeiori atii.
Ihre wichtigsten Bestandtheile sind: ein Alkaloid, das Veratrin, welches mit Gallussäure verbunden ist, ferner Gummi, Extractivstofl', eine fette Materie und etwas Stärkemehl. Das Veratrin ist der haupt­sächlich wirksame Bestandtheil; ein Atom von ihm in die Nase gebracht erzeugt heftiges Niesen; bei Hunden verursacht es in Gaben von '/g bis '/.i Gran Erbrochen, Diarrhöe, aussetzenden Puls, — in grösscren Gaben Tetanus und den Tod. Dieselben Wirkungen entstehen nach Infusionen sehr kleiner Gaben dieses Stoffes in die Venen. Aeusserlich macht es heftiges Jucken, Brennen, Schmerz, welche Zufälle periodisch sehr plötzlich, gleichsam in electrischen Schlägen, heftiger hervortreten.
Die Wirkungen der weissen Nieswurz sind denen der schwarzen Nieswurz sehr ähnlich, aber darin von denselben verschieden, dass die weisse Nieswurz a) bei innerlicher Anwendung in massigen Gaben nicht so leicht, und selbst in grossen Gaben nicht so heftige Entzündung er­regt; b) dass sie dagegen bei jeder Art der Anwendung das Nerven­system , und vorzüglich den grossen sympathischen und den Lungen-Magennerv schneller und heftiger afficirt, und c) dass sie im hohen Grade brechenerregend, höchst selten aber bei innerlicher Anwendung purgirend wirkt.
Pferden gab ich versuchsweise 1 Drachme bis i/2 Unze der ge­pulverten weissen Nieswurz, mit Mehl und Wasser zur Pille gemacht,
TiF.itTwiu, Arzneimittellehre.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;iy
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und sail darauf in mehreren Fällen blos etwas Geifern aus dem Manie, nach 2—.'i Stunden Verlust des Appetits, ganz geringe Zuckungen an den Halsmuskeln in der Nähe des Schlundes, zuerst eine Vermehrung der Pulse um 4—G in jeder IMiuute, und etwas angestrengteres Athmen, späterhin aber in mehreren Fällen eine Verminderung der Pulse ent­stehen. Bei fortgesetzter Anwendung ging der Urin häufiger ah. — Nach einer Unze des Mittels auf dieselbe Weise augewendet, traten dieselben Zufälle ein, verschwanden aber nach 10—15 Stunden wieder gänzlich. — J. AVhite (a. a. O. S. 360) sah von l/ä Unze bei einem Pferde gar keine Wirkung, und von 1 Unze etwas Uebelbelinden und starken Speicheltiuss entstehen. Viborg (Samml. Bd. V. S. 25.'!) hat bei mehreren Versuchen gefunden, dass man Pferden 2 Loth Nieswurz eingeben kann, ohne dass sie die geringsten Zufälle danach zeigen. #9632;— Waldinger (über Nahrung und Heilmittel der Pferde. S. 221) sagt: dass sie selbst zu 4 Loth gegeben, das Pferd nicht purgirt, sondern blos Kolikschmerzen erregt, die aber nach 3—4 Stunden wieder verschwin­den; dass das Thier viel speichelt, sich zum Erbrechen anstrengt, sein Mist fester und kleiner geballt wird. — Fast allen andern Beobach­tungen entgegen ist die von Kysz (Arzneimittellehre S. 103), welcher von 1 Unze bei einem Pferde nach 1j., Stunde Kolik, Zeichen von Darmentzündung, starkes Speicheln, öfteres Misten mit heftigem Drän­gen, und nach 8 Stunden den Tod erfolgen sah. Die Section zeigte heftige Darmentzündung. — Bei Kühen bemerkte ich von 2 Drachmen bis i/o Unze der Wurzel fast gar keine Wirkung, von 5 Drachmen'bis 1 Unze aber ähnliche Zufälle, wie von derselben Gabe bei Pferden; ausserdem wurden die Thiere noch traurig, zeigten Schmerz im Hin­terleibe und ihr Koth hatte eine weit blassere Farbe. Diese Zufälle dauerten 48 Stunden, gingen aber dann wieder in vollkommene Ge­sundheit über. E. Viborg (a. a. O. 254) sähe nach 2 Drachmen bei einer Kuh nicht die geringste Wirkung. Nach 3 Drachmen am ersten Tage eben so, nur der Mist schien etwas härter zu sein; am folgenden Tage der Appetit zu Futter und Getränk vermindert, Harnentleerung oft, aber in kleiner Menge. — 4 Drachmen, welche ihr Jetzt gegeben wurden, hatten dieselben Wirkungen und einen kleinen Puls zur Folge. — Ithcn sähe bei einer Kuh, welche eine Abkochung ven 1/4 Pfund weisscr Nieswurz in 1 Maass Wasser erhalten hatte, Kolikschmerzen, Kecken, unruhiges, ängstliches Geberden, wie hei Käserei, entstehen. Das Thier genas bei einer Behandlung mit Schleim, Oel und Milch. — In der Thierarzneischule zu Lyon gab man einer Kuh 3 Unzen auf einmal; es entstanden davon zwar beschwerliche Zufälle, jedoch kein Purgiren; aber durch die enorme Gabe von 6 Unzen wurden bei der­selben Kuh Erbrechen, mit wirklichem Ausstossen von Futter, Durch­fall mit Entleerung einer schwarzen, stinkenden Materie, und nach 3 Tagen der Tod herbeigeführt. Bei der Section fand sich heftige Ent­zündnno- des vierten Magens und der Därme '.
1 Compte renda dos travaux de l^Ecole vt'h'r. do Lyon, anm'e 1317. lt;1o l'agricnlt. franc. Tom. LXX. p. 202.
Aimal.
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Bei Schafen und Ziegen sähe ich von 1 Scrupel bis 1 Drachme der pulverisirten Wurzel, mit Wasser (2 Lüizcn) eiMegeben, öfteres Auf-stossen, Schäumen und Speicheln, — in ehiem Falle auch Aufbläliung erfolgen. Diese Zufälle gingen nach 10—!;'gt; Stunden wieder vorüber. 2 Drachmen bis 1 Loth bewirkten zuerst dieselben Zufälle, aber nacii 2 Stunden starkes Würgen, Erbrechen mit Auswurf von Putter, und späterhin auch Abgang von weichem Koth.
Schweine erbrechen sich von 5—15 Gran der Wurzel ziemlich stark, werden aber doch zuweilen davon so angegriffen, dass sie danach eine kurze Zeit wie todt liegen bleiben; indessen erholen sie sich bald wieder; bei Hunden und Katzen tritt das Erbrechen schon von 1I2 bis 1 Gran ein. Grössere Gaben von 1—2 Drachmen greifen zwar die Tbiere sehr heftig an, verursachen aber selten Lebensgefahr, wenn nur das Erbrechen frei und bald Statt findet; ist dies aber nicht der Fall, so sterben sie oft schon von 10 Gran und nach 6—12 Stunden unter heftigen Anstrengungen zum Erbrechen, unter Krämpfen und Läh­mung. Dass schon 5—10 Gran selbst für grosse Hunde tödtlich seien, wie Waldinger angegeben hat (Abhandl. über die Krankheiten der Hunde. S. 2G), habe ich bei einer Menge von Versuchen niemals ge­sehen, wenn nicht das Erbrechen durch Zubinden des Schlundes ge­hindert war. Dagegen kann ich seine Angabe bestätigen: dass ein Auf-guss von 1/o Drachme Nieswurz und 1 '/g Unze siedenden Wassers be­reitet, nach dein Erkalten einem Hunde in den Mastdarm gespritzt, binnen wenigen Minuten Angst, beftiges Erbrechen, dann Purgireu mit Entleerung blutiger Exciemente, und grosse Mattigkeit für mehrere Stunden verursachen kann.
Injectionen von '/o Drachme bis ^ Unze Tinctur der weissen Nieswurz (oder eben so von einem Decoct) in die Drosselvene eines Pferdes verursachen (nach Viborg's zuerst hierüber angestellten1 und von mir vielfältig wiederholten Versuchen) oft augenblicklich, zuweilen erst nach Verlauf von 2 — 3 Minuten schnelleres und beschwerliches Atbmen; bisweilen stockt dasselbe periodisch auf einige Augenblicke; der Puls wird klein, oft unrcgelmässig und schnell, letzteres jedoch gewöhnlich nicht im Verhältniss zum Atbmen; nach 2—-7 Minuten ent­leert das Pferd Mist, oft mehrmals nach einander und später noch wie­derholt; es sieht sich ängstlich nach dem Leibe um, scharrt mit den Efissen, zittert und legt sich zuweilen auch nieder; es erfolgen Zufälle, des Erbrechens, krampfhafte Zusammenziehungen des Schlundes, der Hals- und Bauchmuskeln, zuweilen verbunden mit Rülpsen oder mit lautem Quiken oder Schluchzen; eben so Kauen, starkes Speicheln, Auswurf von Schleim, und selbst von Futterstoffen; es findet sich Schweiss, zuweilen von gelber Farbe und oft so heftig, dass er förmlich von den Thieren herabHiesst; bei manchen zeigt sich auch Thräneu-fluss und öfteres Uriniren, und alle stehen während der Wirkung traurig und mit berabgesenktem Kopfe. — Die Stärke dieser Zufälle ist nach der individuellen Empfindlichkeit der betreffenden Thiere sehr
1 Viborg, Samml. Bd. 3. S SS u. f.
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Stunde Kis 12 Stnnden aus-
verschieden, iukI die Dauer ist von gedehntnbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;
Xacli [njectionen von 1 Unze Nieswurz-Tinctur erfolgt sogleich Schwindel, Niederstürzen, sehr beschwerliches, schnelles Atfamen mit krampfhaftem Oeffinen and Verschliessen Jos Maules, Convulsionen und uacli einigen Minuten der Tod. liei einem Pferde trat der letztere schon nach der Injection einer halben Unze der Tinctur ein.
Bei Kühen ist die Wirkung von der Einspritzung kleiner Gaben im Wesentlichen wie bei Pferden; aber von massig-grossen Gaben sah ich, wie auch schon E. Vihorg, aussei- den übrigen .Erscheinungen fast jedesmal wirkliches Erbrechen eintreten, besonders wenn die Thiere grünes Futter erhielten. — Hunde starben von der Injection sehr klei­ner Quantitäten (von 15—2U Tropfen) der Tinctur sehr schnell.
Bringt man einem Pferde ein Stück Nieswurz, etwa 1 Quadrat­zoll laug- und ljA Zoll dick, in eine Wunde oder in das Zellgewebe unter' die Haut, so entsteht in den meisten Fällen bald darauf Zittern der Muskeln, zuerst um die Luftröhre, später am ganzen Körper; nach 1 —2 Stunden erfolgt angestrengtes unregelmässiges Athmen, Würgen, Neigung- zum Erbrechen, Speicheln aus dem Munde, Poltern im Leibe, Entleerung- von Koth und Urin. An der Wunde bildet sich binnen weniger Stunden Geschwulst, die beim Druck knistert und am ersten und zweiten Tage eine schäumende, seröse Flüssigkeit, und hierauf Eiter aussickert. Bei Grünfutter ist auch hier die Wirkung stets viel heftiger als bei trockenem Futter.
Das Waschen mit einer Abkochung-, bereitet von 2 Drachmen der Wurzel mit 2 Pfund Wasser, verursachte bei Hunden und Katzen sehr häufig Angst, schnelles Athmen, Geifern aus dem Maule, Erbrechen; letzteres trat zuweilen fünf- bis zehnmal in einer Stunde ein. Diese Zufälle treten besonders dann heftig ein, wenn die Thiere sich lecken; sie dauern 1—5 Stunden und sind bei wiederholter Waschung geringer als bei der ersten. — Bei einem Schaf bemerkte mau von dem Waschen mit einem etwas schwächeren Decoct keine Spur einer Wirkung, und eben so war es bei Pferden nach der Anwendung- einer sehr concen-trirteu Abkochung-. Aber die Haut wird durch solche Waschungen bei allen Tbieren sehr s'ereizt und selbst entzündet.
sect;. 339.
Als Heilmittel benutzt man die weisse Nieswurz: a. Innerlich bei Thieren, welche sich erbrechen können, haupt­sächlich als Emeticum, und sie verdient als solches in den meisten Fällen den Vorzug vor andern, da sie kräftiger wirkt und wohlfeiler ist als Ipecacuanha und Breclnveinstein, und da sie nicht, wie die Gra-tiola, Purgiren erregt. — Sie ist angezeigt in allen Fällen, wo Brech­mittel überhaupt uöthig sind; vorzüglich aber bei im Magen befind­lichen anverdaulichen oder giftigen Stoffen, bei Verschleimung-, sowohl im Magen wie in der Bacbenhöhle und in der Luftröhre, bei Unver-daulichkeit und zu geringem Appetit, bei gastrischem, kat irrhalischem Fieber, bei der Staupe der Ilimde, bei der krankhaften I'ickleibiakeit
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29:1.
der Scliweiue, wenu der Appetil mangelt, bei der Bräune dieser Thiere, bei unregelmässigem Ausbruch der Pocken und dgl. Gegen die Bräune der Schweine wird die weisso Nieswurz von Vielen als ein Specificum betrachtet, und sowohl zur Verhütung, wie auch zur Heilung angewen­det. Eben so mIs Prophylacticum gegen Anthrax-Rieumonie. Sie leistet auch wirklich für beide Zwecke viel, wenn sie früh genug, d. h. vor der völligen Ausbildung der Entzündung-, gegeben wird. Den grössten Nutzen sali ich von ihr beim Beginnen der Anthrax-Bräune und der rheumatischen ilalseutzündiing.
Die Giilie als Brechmittel ist für Katzen und Hunde l/2m2 Grau, für Schweine 5—15 Gran, und die Anwendung geschieht als Pulver, als Lecksaft, oder in flüssiger Form, mehrentheils für sieb allein, zu­weilen auch mit Zusatz von Brechweinstein. Giebt man sie als Pulver, so ist es (besonders bei den kleinen Gaben für Katzen und Hunde) zweckmässig, etw'as Zucker, als ein leicht auflösliches Vehikel, zuzu­setzen; z. B. gepulv. weisse Nieswurz 1—2 Gran, pulverisirtenZucker 20 Gran, gut zusämmengerieben und hiervon die Hälfte auf einmal ge­geben; erfolgt binnen lji Stunde kein Erbrechen, so wendet man nie zweite Portion an, worauf gewöhnlich die Wirkung bald eintritt. Zum Eingeben tupft man das Pulver auf einen feuchten Finger und streicht es iiri Maul. Den Lecksaft bereitet man mit etwa 2 Drachmen Honig oiler Syrup. In die flüssige Form bringt man das Pulver mit. etwas Wasser oder Mileli (für Schweine auch in Buttermilch oder saurer Milch) durch blosses Zusammenrühren. Ein solches Gemenge kann zu­weilen unter Umständen den Tliiereu zum eigenen Genuss überlassen werden, z. B. bei der prophylaktischen Behandlung quot;einer grossen An­zahl von Schweinen, welche noch grosse Fresslust haben, und hei denen durch Verzug- keine Gefahr entstellt. Doch muss man stets darauf sehen, dass jedes Thier seine Portion allein und ganz bekommt. 2) Als ein, die Häufigkeit der Herzbewegnngenbeschränkendes Mittel. Einige englische Thierärzte haben sie mit gutem Erfolge bei asthenischen Ent­zündungen, welche andauernd mit grosser Frequenz der Pulse begleitet sind, zur Minderung derselben angewendet (wie es gewöhnlich für diesen Zweck mit der Digitalis geschieht). — 3) Heim Rindvieh hat Kreis-Thieraxzt Rehrs sie in hartnäckigen Fällen der chronischen Un-verdaulichkeit mit fast augenblicklich gutem Erfolg- angewendet; er gab 4 Scrupel mit 6 Unzen auf einmal. Es trat hiernach Geifern, und nach 1 Stunde Erbrechen mit sehr reichlicher Ausleerung von Holz­stengeln und dgl. ein, begleitet mit Zittern, Mattigkeit, kaltem Schweiss und sehr unregelmässig aussetzendem Pulse und dann Genesung (Maga­zin für Tbierheilkunde, Jahrg. VI. S. 73). Kr.-Thierarzt Schrader hat bei dieser Krankheit denselben Erfolg gesehen, jedoch '/o Unze der Wurzel in 2 Gaben getheilt, in Zwischenzeit von 2 Stunden gegeben. Eben so Kr.-Thierarzt Lindenberg, welcher jedoch pro dosi D/o bis
2nbsp; Unzen von der Wurzel, täglich einmal, in einem aromatischen In-fusum anwendete. Kr.-Thierarzt Bielefeld sähe bei einer Kuh von
3nbsp;Drachmen in 2 Gaben, davon die zweite nach '/z, Stunde gereicht, Un­ruhe, Angst und nach 28 Minuten Erbrechen entstehen. — In früherer
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Zoit stand die Wurzel im Rufe eines Schutzmittels gegen die Rinderpest und wurde den Tliiereu zu '/^ Drachme mit einer Hand voll Kocbsalz gemengt, gegeben, — aber olme Nutzen. — Der Landwirth Berlin hat dasselbe Gemenge von Nieswurz und Salz als Heil- und Präser­vativmittel gegen die Lungenseuche des Rindviehes (in einer Schrift, Berlin 1815) mit grosser Zuversicht empfohlen. Mau soll täglich ein-nial 1ji Unze Nieswurzelpulver mit eben so viel Kochsalz, durch 3 Tage fortgesetzt, geben. Versuche, von Thicrärztcn unternommen, zeigten zweifelhaften Erfolg. — Kuers empfahl die Wurzel als Heil- und Prä­servativmittel gegen den Blutschlag der Schafe, zu 10 Gran pro dosi zum innerlichen Gebrauch, wo das Mittel weniger heftig wirkt als die­selbe Quantität äusserlich applicirt (Kuers, Magazin von Beobachtun­gen u. s. w. 2. Jahrg. 1. Heft).
b. lujectionen der Nieswurz-Tinctur in die Venen sind nützlich: bei allgemein abgestumpfter Sensibilität, bei Torpor, Unthätigkcit und Stockungen in den Verdauungseingeweiden, bei Unterdrückung der llautausdünstung und bei den chronischen Folgen hiervon, bei Rheu­matismus und dgl. Man kann sie daher, nach Viborg's Empfehlung, bei Pferden gegen den Uummkoller, gegen chronische Appetitlosigkeit, chronischen Rheumatismus, veraltete rheumatische Lahmheit, rheuma­tischen Starrkrampf, gegen zurückgetretene (sogenannte wandernde) Druse, — und bei Rindern gegen fieberlose Unverdaulichkeit, beson­ders wenn sie von Körnerfutter entstanden ist, mit Nutzen gebrauchen. Greve1 heilte durch solche Einspritzungen von 28 kollerigen Pferden 7 gänzlich, und 3 wurden gebessert; ich selbst habe sie in vielen Eällen mit dem besten Erfolge gegen Koller, gegen chronischen Rheumatis­mus und gegen die bezeichneten gastrischen Beschwerden angewendet, oft aber auch keinen heilsamen Erfolg davon gesehen. Man darf sie daher weder als ein unfehlbares Heilmittel betrachten noch ganz ver­werfen. Es scheint, dass sie bei dem Koller dann am meisten nützlich seien, wenn derselbe ursprünglich aus Fehlern der Verdauungseinge­weide entstanden oder auch mit solchen Fehlern verbunden ist; wo aber organische Veränderungen im Gehirn bestehen, kann die Einspritzung der Nieswurz-Tinctur so wenig helfen, wie irgend ein anderes Mittel. Ueberhaupt muss man aber diese Einspritzungen nur als Reizmittel, zur Einleitung und Unterstützung für die übrige Behandlung betrach­ten. — Bei dem Starrkrampf habe ich von ihnen niemals Nutzen, wohl aber durch die heftige Aufregung und durch die Congestionen zur Lunge und zum Gehirn oft sichtbare Verschlimmerung und selbst den Tod erfolgen sehen. E. Viborg empfahl die Injection auch bei dem Kalbefieber, bei welchem sie eben so ein zweifelhaftes Mittel ist.
Die zu diesen lujectionen zu benutzende Tinctur {Tinctura Ve-ratri alhi) wird am besten nach Viborg's Vorschrift (a, a. 0. p. 93) so bereitet: dass man 1 Drachme Nieswurz, von der äussern schwarzen Rinde befreiet und in kleine Stücke zerschnitten, in einer Flasche mit
1 Erfahrungen und Beobachtungen über die Krankheiten der Hausthiere, 1. Bändchen._Oldenburg 1818. S. 117 u. f.
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einer Unze Kombranntwein übergössen, auf einem wannen Ofen (lurch 3—4 Stunden digerirt, hierauf noch durch 21 Stunden stelieü läs.st und dann die Flüssigkeit durch Löschpapier filtrirt. — Hiervon ninmit inaji zu einer Einspritzung- für ein ausgewachsenes Pferd oder Kind '/s;—4 Drachmen, und wendet sie entweder rein, oder verdünnt mit lauwarmem Wasser an. Eine ganz genaue Bestimmung der Gabe lässt sich niemals im Voraus machen, sondern es ist noting, die Injection mit kleinen Gahei. zu beginnen, und erst nach dem Grade der hiernach ent­standenen Wirkung die ferneren Gaben einzurichten. Sehr selten wird es noting sein, die bezeichnete grosso Gabe von 4 Drachmen anzuwenden oder gar sie zu überschreiten. Statt der Tinctur kann eiiilnfiis:iin, be­reitet aus 16—20 Gran der jnilverisirten Wurzel mit 1 Unze kochenden Wassers, und gut filtrirt, mit gleichem Erfolge benutzt werden.
c. Aeusserlich wird die weisse Nieswurz für dieselben Zwecke und auf gleiche Weise wie die schwarze Nieswurz gehraucht (sect;. S.'iT). Gegen die Staupe der Hunde hat Busse die ehemals von Jägern ge­wöhnlich angewendeten Waschungen des ganzen Körpers mit Nieswurz-Decoct (2 Unzen mit Bier 3 Pfund bis auf die Hälfte eingekocht) wieder empfohlen. Kuers hat sie in Eontanellen, wie innerlich, als das kräf­tigste Präservativ- und Heilmittel gegen Blutschlag der Schafe cm-pfohlen. Es soll hier das Veratrin schnell dem Blute mitgetheilt wer­den und sehr erregend auf die Nerven wirken, so dass die beginnende Lähmung und Stockung beseitiget, und die Seuche von Stund an in der Heerde getilgt wird. 15—20 Gran sind zu einem Eontauell an der Vorderfläche der Brust hinreichend (Kuers, Magazin von Beobach­tungen, Bd. 2. Heft 1.). Bei der Anwendung als Eontauell muss man jedoch beachten, dass sie oft heftige Nervenzufälle erregt, und deshalb nicht unter allen Umständen wie das zuletzt genannte Mittel benutzt werden darf. Besonders muss man bei hochträchtigen Thieren sehr vor­sichtig sein, da Beobachtungen lehren, dass zuweilen bei weissen Kies-wurz-Fontauellen das Verwerfen erfolgt ist.
Gegen die Baude ist bei sämmtlichen Thieren diese Wurzel ein seit alten Zeiten gebräuchliches und wirksames Mittel. Mau wendet sie hierbei entweder im Decoct mit Wasser oder Bier (1 Unze zu 1 Pfund Colatur), oder in Salbenform au (sect;. 337, ft), und setzt ihr zuweilen noch Schwefel, Spiessglanzleber, weissen Vitriol, Taback, Terpenthinöl u. dgl. zu, z. B. Sapon. viridls, 01. Lauri ana 1 Unze, Pulv. rad. Vcralr. alhi ^2 Unze, Pulv. nur. crudi 2 Drachmen. M. ad ung. DS. Wählend 3 Tagen täglich einmal einzureiben, dann 5 Tage auszusetzen und hierauf wieder 2 Tage anzuwenden. (Zerschnitt. Wurzel 1 Unze 1 Sgr. 2 Pfg, fein pulv. 1 Sgr. 10 Pfg.)
Anmerkung. Die Blätter der weissen Nieswurz sind allen Thieren sehr schäd­lich. Sie verursachen Entzündnng des Magens und des Darn^kanals, heftige Diarrhöe, Blutahgang mit dem Koth, heftige Leibschmerzen, Entkräftung und seihst den Tod '. — Die stinkende Nieswurz wirkt eben so2.
1nbsp; Monatsschrift für Rindviehheilk. von Michel u. Ithen. 2. Halbjahrg. 182t. 71. u. 79.
2nbsp; Caudel im Eepert. f. Thierheilk. 1845. S. 115.
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15) ZiiiiiM'ühe raquo;der (iiclitriihc, Radix Bryoniae albae (quot;). sect;. 340.
Von den verschiedenen Bestandtheilen dieser Wurzel ist das Bryonin der wichtigste, jedoch für sich nicht gebräuchlich. Die Wur­zel wirkt bei innerlicher und änsserlicher Anwendung- als reizendes Mittel, besonders auf die Verdauungseingeweide und auf die Nieren.
Die Zaunrübe stand seit alten Zeiten in dem Kufe, ein kräftiges Purgirmittel für alle Thiere zu sein, und ßatzeburg (Zoopharma­kologie Bd. quot;2. S. .#9632;)ll]j empfiehlt sie noch als solches für die grossen Thiere und im frischen Zustande in der Gabe von 2—8 Unzen, go-trocknet aber nur zum achten Theil dieser Gabe; aber E. Viborg, (Samml. Bd. 4. S. 280) gab verschiedenen Pferden die frische Wurzel pftindweis in Latwergenform, ohne darnach eine abführende Wirkmig zu bemerken; ich habe sie frisch ebenfalls zu 2 Pfund, und getrocknet zu 6—8 Unzen auf einmal, in Latwergenform und als Decoct, mehr­mals angewendet, und ebenfalls kein Purgiren erfolgen sehen, sondern es traten Leibschmerzen, beschleunigtes Athmen, Verlust des Appetits, Fieber, grosso Mattigkeit und vermehrtes Uriniren ein. Bei einer Kuh wirkten 2 Pfand der frischen Wurzel, in einer Abkochung mit Was­ser gegeben, fast ganz auf dieselbe Weise (Anna/, de VAgric. franq. Tome LXX. p. 200). — Hunde zeigten von '^ Unze blos grosso Mat­tigkeit , und ohne weitere Zufalle erfolgte der Tod innerhalb 24 Stun­den. Bei der Section fand man die Schleimhaut des Verdauungskanals an verschiedenen Stellen stark geröthet und mit einigen schwarzen Flecken besetzt (Orfila)!.
Hieraus ergiebt sich: dass diese Wurzel als Purgirmittel nicht zu gebrauchen ist. In kleinen Gaben (d. h. bei Pferden und Rindern zu 2 Drachmen bis 1/2 Unze, bei Schweinen zu 1/2 Drachme, bei Hunden zu 5—20 Gran) wirkt sie erregend-zertbeilend, die Resorption beför­dernd, und kann daher kei Verschleimu'ng, bei Stockungen in den Ein­geweiden , bei chronischer Druse und bei ödematösen Anschwellungen benutzt werden; Kerstingquot;2 hat sie auch fund eben so das Zaunrüben­kraut) selbst gegen Rotz und Wurm, gegen epileptische Zufälle u. s. w. angewendet; sie leistet aber hierbei so wenig wie andere Mittel. Los-son a bat sie gegen die Bremsenlarven im Magen der Pferde empfohlen; 4 — 6 Drachmen mit 1 Pfund lauwarmen Wassers und 2—3 Tropfen Mekonsäure pro dosi.
I !
16) Coloquinten, ColdqiiintonäpM, Colocynthides s. Poihh Colocjinthidnm.
sect;. 341. Diese Früchte verdanken ihre Wirksamkeit einein eigenthümlichen scharfen und ausscrordentlich bittern Stoffe, den man Coloquinten-
1nbsp; nbsp;Nach laquo;lein Aufstreuen von 2 Drachmen und 48 Gran fein gepulverter Zaun-rübenwnrzel auf das Zellgewebe am Schenkel eiires Hundes, zeigte sj-cli blos heftiger Srhmerz, aber der Tod erfolgte naeb GO Stunden (Orfila).
2nbsp; Manuscripte über die Pferdearzneiwissenschaft. S. 100 u. f.
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bitter (Colncy ntlii n) genannt hat, und von welchem das miter der Schale befindliche Mark (Coloquintenmark, Pulpa Colocyntkidum) das meiste (gegen 14,4Proc.) enthält. — Ausserdein linden sieli in dem Mark nccli bitteres Harz, Extractivstoff, Oel, Gummi, Pektinsäure, Salze und Pflanzenfaserstoff.
Die Coloquinten sind ein stark drastisches Purgirmittel, jedoch nicht für alle Thiere; denn Versuche (Viborg a. a. O. Bd. 4. S. 282) haben erwiesen: dass Pferde von 2—12 Loth der Coloquintenäpfel niemals Durchlauf bekommen. Nach einer Gabe von 12 Loth bemerkte man nach 24 Stunden nur stärkern Abgang eines loser geballten Mistes. Das Mittel erweckte die Fresslust, aber der Puls wurde kleiner und langsamer. Von 11 Loth des in den Früchten enthaltenen Markes oder des Coloquintenmuses, zeigte ein Pferd bald sehr starken Appetit.
Ein Schaf äussertc von 1 Loth der Coloquintenäpfel nicht die geringste Wirkung. Dagegen verursachte ein, von 4 Loth des Colo-q u i nteumarkes mit 2 Pfund Wasser bereiteter und gut ausgedrückter Anfguss bei einem dreijährigen Widder 1 2 Stunden nach dem Eingeben einen heftigen Durchlauf, der 2 Tage währte, dem Thiere alle Fress­lust raubte, und starkes Flankenschlagen und allgemeine Schwäche erzeugte. Erst nach '.gt; Tagen fand sich Fresslust und Wohlbefinden wieder ein. Nach dem Eingeben von 4 Loth Coloquintcnkernen setzte ein anderes Schaf härteren Mist ab als vorher.
Schweine purgiren von 2 Drachmen, Katzen und Hunde von 10—HO Gran des Goloquintenmarkes. Bei diesen Thieren tritt zu­weilen auch starkes Erbrechen ein, und wenn dasselbe durch Unterbin­dung des Schlundes gebindert ist, so erfolgt nach grossen Gaben, z. B. von 2—3 Drachmen des Mittels gewöhnlich der Tod. Bei dor Section findet sich der Grund des Magens schwarzroth, und der Dickdarm, zu­weilen auch der Dünndarm entzündet.
Die Coloquinten können entweder in kleinen Gaben, als ein bit­teres, erregendes Mittel bei Schwäche und Unthätigkeit der Verdauungs-eingeweide, — oder in grossen Gaben für Schweine, Hunde und Katzen als Purgirmittel gegen atonischc Hartleibigkeit, gegen Verschleimnng, Würmer und Wassersucht angewendet werden; sie sind aber für beide Zwecke entbehrlich und durch andere Mittel zu ersetzen. Sollen sie aber als Purgirmittel gebraucht, werden, so benutzt man am besten das Mark (Pulpa Colocynthidis) in den vorhin bezeichneten Gaben; man kann dasselbe fein gepulvert in Pillen und Latwergen, oder auch im Anfguss mit heissem Wasser oder mit Bier (zu 1 Drachme Coloquinten­mark 6—8 Unzen Flüssigkeit) eingeben.
DieColoquinten-Tinctur, die verschiedenenExtracte und die übrigen Präparate von diesem Mittel sind völlig entbehrlich. (Colocynthis 1 Unze 2 Sgr. 10 Pfg., präpar. 1 Drachme 1 Sgr. 8 Pfg.)
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2! raquo;8
17) a. KrotonsSure, Krutoiisunicii, kleine Purgirkirner, Ornuu a. Semina Crotonis
Tiglii s. Tillii, s. Grmm Molnecu (quot;), und b. hnilmiiil. Oleum Crotonis.
sect;• 342.
a. Die Krotonsamen bestehen aus einem eiweisartigeu Kern, der mit einer vcisslichen Samenliant und äusserlich mit einer gelbUchen oder dunkelbraunen oder schwärzlichen, zerbrechlichen Sclialc über­zogen ist. Die Schalen und Samenhäute betragen gegen 36 Proc. und enthalten wenig oder gar keine Schärfe. Letztere findet sieh nur im Kern. Dieser enthält als hauptsächlich wirksamen Bestandtheil die Krotousäure (gegen 27,5 Proc.), welche sehr scharf und giftig wirkt; ausserdem Krotonin (eine alkalische Basis), fettes Oel (32,5), Stearin, Eiweis, Wachs, Harz, Gummi, Stärke u. s. w. —
h. Das fette Oel, Krotonöl (Olenm Crotonis), wird entweder durch Auspressen aus den Samen oder durch Extraction mit Aether aus den­selben, und durch nachheriges Abdestilliren des letztern, gewonnen. Es enthält in 100 Theilen 45 Theile jenes scharfen laxirenden Stoffes, und 55 Theile reines, fettes Oel, dem Olivenöl ähnlich und nicht pur-girend. Die wirksamen Bestandtheile im Krotonöl verhalten sich so­mit zu denen der Samen ziemlich wie 9 zu ö1/raquo;- — Zwei Tropfen des Krotonöls wiegen reichlich 1 Grau.
sect;. 343.
a. Die Krotonkörner wirken bei jeder Art der Anwendung auf den Thicrkörper scharf reizend, besonders und spoeifisch aber auf den Darmkanal, so dass sie schon in massiger Gabe ein ziemlich starkes Purgiren, gewöhnlich auch etwas Eicber, Appetitlosigkeit, Trockenheit im Maule und Mattigkeit, — in etwas grosser Gabe aber leicht Darm­entzündung, übermässig heftiges und andauerndes Purgiren und den Tod verursachen. Sie übertreffen in diesen Wirkungen alle andere; Mittel und können unbedingt sowohl als das stärkste drastische Purgirraittel, wie auch überhaupt als das schärfste unter allen vegetabilischen Arzneimitteln betrachtet weiden.
Schon von 10 Gran der pulverisirten Körner mit '/a Unze Althee-wurzelpulver und mit Wasser zur Pille gemacht, entstand bei Pferden fast immer in 3—4 Stunden nach dem Eingeben etwas Traurigkeit, kleiner, harter, vermehrter Puls (bis 55 in einer Minute) und schnelleres Athmen; aber nach Verlauf von 10—12 Stunden waren diese Zufälle. wieder vorüber. — 20 Gran auf dieselbe Weise angewendet, verur­sachten binnen einigen Stunden nach dem Eingeben eine höhere Tem­peratur am ganzen Körper, Vermehrung der Pulse von 36 auf 50—65, und der Athemzüge von 9 auf 15—20 in 1 Minute; letztere geschehen mit stärkerer Anstrengung der Bauchmuskeln; nach 7 Stunden war die Zahl der Pulse in jeder Minute über 100 und die der Athemzüge über 45, die Schleimhäute dunkel geröthet, der Appetit vermindert, das Thior matt, es sah oft nach dem Leibe, und entleerte in Zwischenzeiten von 1 Stunde zweimal gut verdaueten und fest geballten Mist. — Nach
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18 Stunden minderte sich die Zald der Pulse in kurzer Zeit bedeutend, und nach 25 Stunden erfolgte Purgiren, welches gegen 8 Stunden an­hielt, und wobei sechs- bis siebenmal sehr dünner Mist entleert wurde. Nach Verlauf von 48 Stunden befand siel; das Pferd wieder im nor­malen Zustande. — Andere Pferde zeigten von einer eben so grossen Gabe zwar die angedeuteten Symptome der entzündlichen Heizung, aber es erfolgte nicht immer wirkliches Purgiren; dasselbe trat jedoch nach einer Gabe von 30—40 Gran bei jedem Pferde ein, and zwar oft schon nach 20 Stunden; die Excremente wurden hiernach oft ganz wässerig', graugrün, ein wenig' übelriechend und dauerten sehr reich­lich durch 1 — 2 Tage fort, während welcher Zeit die Pferde immer schnellen, kleineu Puls, verminderten Appetit, oft aber Durst, Hitze im Maule und dunkelrothe, zuweilen mit gelblicher Schattirang ver­sehene Plecke an der Maulschleimhaut zeigten. Gewöhnlich verloren sich nach 2—3 Tagen diese Zufälle wieder. — 1 Drachne wirkte ähn­lich, aber weit heftiger; das Purgiren dauerte 4—5 Tage und binter-liess eine grosso Schwäche des Darmkanals. Einzelne Pferde starben nach dieser Quantität nach 5—6 Tagen. — 2 Drachmen führten stets sehr heftiges Fieber, Kolikzufälle, grosse Schwäche, nach 6, lo bis 15 Stunden übermässiges Purgiren, unfiihlbaren Puls, kalten Schwoiss, und in 20 bis 40 Stunden den Tod herbei. Bei schwachen Thieren erfolgte der letztere zuweilen schon nach 10 Stunden.
Pgt;ei Kühen ist von denselben Gaben die Wirkung etwas schwä­cher als bei Pferden; ich sah von 30 bis CO Gran der gepulverten Kör­ner , mit 1 Pfund Wasser eingegeben, eine geringe Vermehrung der Pulse, und nach 8 bis 10 Stunden ein massiges Purgiren erfolgen; l'/ä Drachmen bewirkten in derselben Zeit sehr heftiges Purgiren, heftiges Fieber, gänzliche Unterdrückung des Appetites und dos Wieder­kauens durch 3 Tage und grosse Mattigkeit; doch blieb das Thier am Leben.
Hunde bekamen von 5 Gran des Mittels, in Pillenform eingegeben, nach 5 bis 6 Minuten Erbrechen, durch welches die Pille wieder aus­geleert wurde; aber dennoch trat schon nach einer Stunde ziemlich starkes Purgiren ein;— 10 bis 20 Gran bewirkten Erbrechen und sehr heftiges Purgiren, und wenn das Erstere durch Unterbindung des Schlundes gehindert war, so erfolgten auf die vergeblichen Anstren­gungen hierzu, Lähmung und nach 4 bis 7 Stunden der Tod1.
Bei der Section der, durch innerliche Anwendung der Krotou-körner getödteten Pferde und Hunde findet man, wenn der Tod schnell, d. i. bald nach den ersten 24 Stunden eintrat, gewöhnlich heftige Ent­zündung des Magens und Darmkanals, zuweilen Erosionen der Schleim­haut und Blutergiessungen in den Gedärmen; — in einzelnen Fällen schien auch die Lunge entzündet zu sein. Alle übrigen Organe waren normal. Erfolgte aber der Tod nach länger dauerndem Purgiren, fand sich mehrentheils mir eine geringe, stellenweise entzündliche Köthung
1 Es iist nicht nöthig, um dou Tod herbeizuführen , dass man Ilundon 3 Drach­men Krotonkörncr giebt, wie Orfila es gethan. A. a. O. Bd. 2. S. 40.
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der Därme, die Schleimhaut mehr ius Graue spielend, der ganze Darm-kanal schlaff, zusammengefallen, leer wie ausgewaschen, überall Blut­mangel und das vorhandene Blut sein- flüssig: überall beginnende Auf­lösung, selbst Luftblasen in der Leber.
Eine Drachme Krotonpulver auf das Zellgewebe am Schenkel eines Ilundes gebracht, verursachte nach 28StundenUnempfindlichkeit und UnbewegKchkeit, und nach SO Stunden den Tod. Es fand sich äusserlich eine heftige, bis zur Brust ausgebreitete Entzündung, aber der Darmkanal war gesund (Orfila).
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sect;. 344.
Die Krotonkörner sind, trotz ihrer heftigen Wirkung, in der neuern Zeit von englischen Thierärzten als ein sicheres Purgirmittel, besonders für Pferde, und anstatt der Aloe, empfohlen worden und ich habe sie häufig angewendet; allein, obgleich diese beiden Mittel purgirend wir­ken, so sind sie doch in andern Eigenschaften von einander verschieden, und die Krotonkörner können daher auch nicht unter allen Umständen die Aloe ersetzen; ich inöcbtc ihre purgirende Wirkung eher mit der der schwarzen Nieswurz vergleichen. Aber die Krotousamen haben ihre Vorzüge vor diesen Mitteln, denn sie wirken schneller und kräf­tiger als die Aloe, und sicherer, weniger tückisch als die Nieswurz. Sie können daher überall gebraucht werden, wo drastische Purgirmittel angezeigt sind, namentlich aber passen sie da, wo man eine reichliche Absonderung und Ausleerung wässeriger Säfte durch den Darmkanal bezweckt, wo jedoch die Aloe nicht wirksam genug ist, z. B. bei sehr phlegmatischen, torpiden Thieren, besonders Rindvieh, bei .Dummkoller, bei grosser Trägheit und geringer Reizbarkeit des Verdauungskanals, bei Ansammlung grosser Futtermassen in demselben und bei Ver­stopfung, bei L'eberfütterungs- und Verstopfungskolik ohne Entzün­dung, gegen Würmer, namentlich gegen den Bandwurm, gegen Augen­entzündungen, Flechten und andere Hautleiden und geg^n Wasser­suchten. Ausserdem verdienen diese Samen noch deshalb unter geeigneten Umständen den Vorzug vor der Aloe, weil sie bedeutend wohlfeiler, und überhaupt das wohlfeilste Purgirmittel sftid.
Krankheiten, bei denen die im sect;. o06 angedeuteten Verhältnisse bestehen, verbieten den Gebrauch dieses Mittels ohne Ausnahme, und überhaupt ist die grösste Vorsicht mit ihm nöthig.
Die Gabe von den fein pulverisirten Samen ist für Pferde ^5 bis 40 Gran, für Binder 40 bis 60 Gran (Hilmer hat bei hartnäckiger Unthätigkeit des Magens 1 Unze in Pillen mit gutem Erfolg gegeben1), für Hunde 3 bis 6 Gran, — für Schafe und Schweine ist sie auf 6 bis 10 Gran anzunehmen. Die Anwendung der pulverisirten Körner ge­schieht für Pferde, Hunde und Schweine zweckmässig in Pillen , zu deren Bereitung man Altheewurzelpulver, arabisches Gummi oder Mehl und Seife nimmt — oder in einer schleimigen Flüssigkeit, z. B. in
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') Vix, Zeitschr. f. d. gesammte Thierheilk. Bd. XIV. S. 255.
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einem Decoct von Leinsamen mid dergl. Bei dem Eingeben ist stets genau darauf zu sehen, dass das Thier die (am besten in Papier ge­wickelte) Pille ganz und vollständig- verschlucke; auch kann man ihm nach dem Eingeben das Maul sogleich mit Wasser oder Mehltrank ausspülen, was besonders nützlieh ist, wenn die Pille zerbissen sein sollte. Die Wirkung- wird, wie bei andern Abführung-smitteln, sehr befördert, wenn man den Thieren vorher ein Putter entzieht und ihnen nach dem Eingeben reichlich Getränk und massige Bewegung giebt.
sect;. 345.
b) Das Krotonöl wirkt ebenfalls, aber noch heftiger, scharf rei­zend und drastisch purgireud, als die Krotonkömer. Eeibt man Jas selbe einem Thiere an irgend einer gt;Stelle. in die äussere Haut, so ent­steht schon nach 2 bis 3 Stunden starke Eutzündungsgeschwulst, es bilden sich Bläschen, die Oberhaut stirbt nach 80 bis 48 Stunden ab und vertrocknet zu Schorfen, welche nach ihrem Abgehen haarlose Flecke hinterlassen. Ein Theil des Oels wird absorbirt, und wirkt, wenn es iu grosser Quantität in die Haut am Bauche eingerieben war, nach 26 bis iiG Stunden massig purgireud. Bei Pferden war diese Wirkung nach einer Einreibung von GO Tropfen, bei Schafen von 80 Tropfen und bei Hunden von 15 bis 20 Tropfen zu bemerken. Die Thiere zeigten dabei Fieber, und durch 1 bis 2 Tage verminderten Appetit.
Innerlich angewendet verursacht das Oel, bei Pferden in der Gabe zu 12 bis 20, beim Rindvieh von 20 bis 30 Tropfen nach 7 bis 12 Stunden etwas beschleunigten Puls, Traurigkeit, Durst, Hitze im Maule, Verminderung des Appetits, zuweilen auch etwas beschleunigtes Ath-men, nach 18 bis 24 Stunden eine bald mehr bald weniger heftige Diarrhöe. Letztere trat selten vor 18, und eben so selten nach 24 Stunden ein, und dauerte 24 bis 60 Stunden lang fort; die Excremente gehen dabei zuerst und zuletzt breiartig, in der mittleren Zeit aber wässerig- ab. Die bezeichneten Störungen im Puls , Appetit u. s. w. mindern sich beim Eintritt des Purgirens und verlieren sich bis zum 3. oder 4. Tage wieder gänzlich. — Bei Hunden tritt dieselbe Wirkung von ö bis 10 Tropfen oft schon nach 1/4 Stunde ein; von 10 bis 20 Tropfen ist das Purgiren sehr heftig und durch 2 bis 8 Tage anhaltend, aber der Tod erfolgt hiervon nicht; von weniger als 5 Tropfen sah ich bei diesen Thieren niemals Purgiren entstehen; Andere behaupten, dass dasselbe schon nach einer Gabe von 2 Tropfen erfolge1.
In die Vene gespritzt verursachen 8 Tropfen bei einem Pferde, und 2 Tropfen bei einem Hunde sehr heftige Krampfzufälle, und in kurzer Zeit den Tod.
Das Krotonöl wird innerlich als ableitendes und als Purgirmittel bei denselben Krankheiten angewendet, bei welchen auch die Kroton­kömer benutzt werden. Pfannenstie] will es auch bei complicirten
1 #9632;/.. B. Fope (Proriep's Notizen a. d. Geb. d. Nsit. u. Heilk, April u. Deebr. 1822, April 1824. Nr. 208, 244. 251, 257).
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Koliken und selbst bei Dunnentzüiiduns'en mit saitem Erfolare ü'ce'eben baben, und zwar mit Krotonöl 1 Scrupel, mit Calomel 2 Drachmen; Hess es dabei auch iiusserlich mit Terpenthinöl verbunden in die Banch-decken einreiben (Vix, Zeitschr. Bd. XIll. 8. 160).
Die Gabe ist wenn man es für sieb allein giebt, für Pferde 12 bis 25, für Kindvieh 15—30, für Schafe 8—12, für Schweine und Hunde 3—10 Tropfen1. Man wendet es in Pillen oder in einer schleimigen Flüssigkeit an, ganz so und mit derselben Versiebt wie die Kroton-samen. Als Zusatz zu Aloii oder zu Natr. sulphuric, sind für Pferde und Rindvieh 5—G Tropfen genügend.
Aeusserlich ist das JIrotonöl als ein schnell wirkendes, sehr hef­tiges lieizmittel bei Lähmungen, bei Rheumatismen und Entzündungen zur Ableitung, z. B. bei heftiger Bräune, Darmentzündung u. s. w. angewendet worden. Es zerstört aber, für sich allein angewendet, zu sehr die Haut, daher ein Gemenge mit 01. Therchinth. C1^-o Tropfen zu 1 Drachme) oder mit Weingeist (ebenso), oder mit grüner Seife oder mit Cantharidensalbe (zu 1 Unze 20—60 Tropfen) den Vorzug verdient.
Anmerkung 1. Der, nach dem Auspressen lies Ools aus den Krotonkörnera verbleibende Rückstand, der sogenannte Krotonölkuehen (Placenta granonm Oi-otoiiis), enthält noch sehr viel scharfen Steift' und wirkt ganz wie die Kroton-körner, aber bei gleichen Gaben schwächer als diese. Man rechnet von ihm 5 Gran, von den Körnern aber schon 3 Gran einer Drachme Aloe in der Wirkung gleich, und die gewöhnliche Gabe für Pferde ist daher 35—45 Gran, Allein das Mittel ist oft verdorben, iiberhanpt von sehr ungleicher Wirksamkeit, und steht daher, ob­gleich es wohlfeiler ist, den Krotonkörnem nach. Die Anwendung geschieht wie bei diesen.
Anmerkung 2. Eine aus dem Krotonsamen mit Weingeist oder noch besser mit Aether bereitete Tinctnr (}fs Unze zu 4 Unzen), zeigte sich in der Gabe von 1 Unze bei einem Pferde innerlich angewendet, fast eben so wirksam wie '/o Drachme der Körner in Pulverform; 2 Unzen erregten starkes Purgiren, Darmeictzündnug und den Tod in 12 Stunden, — 1 Drachme mit Althceschleim 1 Unze einem starken Hunde gegeben, brachte nach 8 Stunden starkes Purgiren hervor, welches durch IG Stunden dauerte, ohne dass andere Zufälle eintraten. — Nach einer halben Unze starb ein Hund unter sehr heftigen Zufällen (starkem, blutigem Erbrechen, reich­lichem Purgiren, zuletzt mit Abgang von ]{lut, Lähmung der hintern Extremitäten) 8 Stunden nach dem Eingeben. 1 Drachme dieser Tinctur in die Drosselvene eines Pferdes gespritzt, tödtete dasselbe innerhalb 12 Minuten, nachdem Convulsionen, Erstickungszufällc und Lähmung sogleich nach der Injection eingetreten waren. — Man macht bis jetzt von diesen Tinctnren fast gar keinen Gebrauch obgleich sie noch wohlfeiler als das Krotonöl und von fast vielfacher Wirksamkeit desselben sind, (Die Samen in Drogucrien das Pfund gegen 12 Sgr.; 01. Croton. 1 Scrupel C Pfg.)
18) Aloe, Aloe s. Gummi-reswaAlocs.
sect;. 346. Die Bestandtheile der Aloe sind, je nach der Güte derselben etwas verschieden. Die guten Sorten (die Socotrinische, Aloe socotrina,
') Dittweiler schliesst. ans einigen ungenauen Versuchen, dass das Krotonöl unsicherer wirkt als die Samen und dass man von ihm zu einer Gabe für das Pferd 30 — 60 Gran, oder C0 —100 Tropfen bedürfe (Fuchs thierärztl. Zeitung, 1844. Nr. 32). Siehe darüber: Sommer, im Magazin für Thicrheilkuiide XII, 45C.
J'ä
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die Cap-Aloe, A. capensis, — die Barbeidos-Aloe und die, Jetzt selten vorkommende glänzende, A. lucida) bestehen blos aus einem eigeutbümlielien, früher für Gummi gehaltenen, sehr bittern Extrac-tivstoff' (gegen 70—80 Proc.) und aus einem bitteni Harz (gegen 20 bis 30 Proc); in den geringeren Sorten (in der Leber-Aloe, Aloi: hepatica., noch mehr aber in die Ross-Aloe, A. caballina) sind ausser-dein noch: Ehveissstoff und andere fremdartige Bestandtheile in ver­schiedener Menge enthalten, durch welche die Wirksamkeit dieses Arzneimittels geschwächt und modificirt wird; namentlich bewirken die schlechteren Sorten durch ihren reicheren Gehalt an Harz eine weit stärkere Eeizung der Eingeweide u. s. w. als die guten.
Wenn die Aloii innerlich in kleinen Gaben angewendet wird, wirkt sie einigeimasscn den bittern Mitteln ähnlich, auf den Magen und Darm­kanal gelind reizend, den Tonus vermehrend, und hierdurch den Appetit erregend, die Verdauung und die Resorption befördernd, die aus Schlaff­heit entstandene übermässige Schleimsecretion des Dannkanals und eben so die Erzeugung der Eingeweidewürmer beschränkend. #9632;—#9632; In grossen Gaben verursacht sie in den sämmtlichen Baucheingeweiden und deren .Blutgefässen, besonders aber im Dickdarm eine heftige, mit Wallung und Congestion dos Blutes verbundene Keizung, und hierauf Purgiren; — und in zu grosser Gabe führt sie nicht selten auch Ent­zündung der Verdauungseingeweide und selbst den Tod herbei.
Die purgirende Wirkung der Aloö tritt bei den Thieren von ver­schiedener Gattung-, und selbst bei Thieren von einer Gattung, nicht immer in gleicher Zeit und in gleicher Stärke ein; bei Pferden erfolgt sie nach einer Gabe von 8—12 Drachmen dieses Mittels, in Zeit von 18, 24—oö Stunden fast ganz sicher, und nachdem während dieser Zeit gewöhnlich etwas schnellerer Puls, Trockenheit und vermehrte Wärme im Maule, und Kollern im Leibe zu bemerken war. Manche Pferde versagen auch das Putter, zeigen vermehrten Durst, Kolikzu­fälle (Kratzen mit den Fassen, Umsehen nach dem Leibe, öfteres Nie­derlegen und Wiederaufstehen), und reichliche Urinentleerung. Vor dem Eintritt des wirklichen Purgirens wird der Koth lockerer geballt und weicher, dann ganz breiartig und selbst wässerig; er nimmt jedes­mal einen eigenthümlichen Geruch an, den man nach andern Purgir-mitteln nicht wahrnehmen kann. Der Grad und die Dauer der aus­leerenden Wirkung ist aber sehr verschieden; letztere bei manchen Pferden auf 2—3 Stunden beschränkt, bei andern über 24 Stunden ausgedehnt; die Individualität, der Kraukheitszustand und das diäte­tische Verhalten der Thiere, so wie die Beschaffenheit und Gabe der Aloe sind hierbei von sehr grossem Einflnss. — Nachdem das Purgiren wieder aufgehört hat, geht in den nächsten 24—48 Stunden der Koth seltener ab als im gesunden Zustande.
Fellonberg gal) oinom Pferde 40 Tropfen olinc Wirkung. Dagegen starb ein Pferd von '^j Drachme oder ca. GO Tropfen. Sehr wahrscheinlicli ist die angleiche Wirksamkeit darin begründet, -dass das Oel oft mit anderen fetten Oelen ver­fälscht ist.
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V.
Bei Wiederkäuern wirkt die Aloe viel schwächer puigirenJ als Lei Pferden und sehr oft bleibt diese Wirkung' selbst nach recht grossen Graben ganz aus; ich sah zwar von 1—2 Unzen des Mittels, in '/^ Quart wannen Wassers gelöst und in kleineu abgetheilten Portionen (weil nur solche unmittelbar in den vierten Magen gelangen) eingegeben, fast jederzeit nach 18—24 Stunden, und oft unter ähnlichen Zufällen wie bei Pferden, den Koth weicher und öfter als vorher entleeren, aber niemals einen wässerigen Durchfall entstellen. Kysz (Arzneimittel­lehre, S. 14) giebt an: dass bei einem gesunden Ochsen von einer, aus 4 Loth Aloe mit Seife bereiteten Pille zuerst Traurigkeit, schneller, voller Puls, geschwindes Athmen, Verlust des Appetites und des Wie­derkauens, Auftieibung des Hinterleibes, Kolikschmerzen, und endlich nach 15, '20, 24 und zuweilen erst nach 36 Stunden häutigeres dünnes Misten entsteht. Während des Purgirens zeigt das Thier heftigen Durst und die Fresslust kehrt nur allmälig wieder. — Viborg (a. a. O. Bd. 4. S. 274) gab 3 Loth des sogenannten gummösen Bestandtheils der Aloe in 3 Pfund Wasser gelöst, einem dreijährigen inländischen Widder; es entstand nach 12 Stunden Purgiretl, welches 36 Stunden anhielt, so dass das Thier in 2 Tagen 9 Pfund Koth entleerte. — Ein anderer Widder, dem Viborg '/;, Loth des gummichten Theils der Aloe, in
1nbsp;^ Pfd. Wasser aufgelöst, eingab, entleerte nach 12 Stunden weichen Koth, der seine birnförmige Gestalt verloren hatte und dieselbe erst nach 12 Stunden wieder erhielt. — Dagegen sah Viborg bei einem zweijährigen Büff'elochsen nach dem Eingeben von 3 Loth des gum­michten Theils der Aloe' in 3 Pfund Wasser, keine Abführung, sondern eine grössere Fressbegierde entstehen. In der Thierarzneischule zu Lyon gab man einer Kuh die Aloe bis zu 6 Unzen auf einmal, sowohl in Auflösung mit Wasser als auch in Latwergenform, worauf etwas Fieber, Beängstigung und Appetitlosigkeit, aber kein Purgiren erfolgte, (C'ompte rendu in d. Arm. de l'Ayric. Tom. 70). Gilbert hatte gleich­falls einer Kuh 6 Unzen dieses Mittels, noch verstärkt durch ein In-fusum von 4 Unzen Sennesblätter, desgl. 2 Schafen, jedem l1/., Unzen Aloe eingegeben, ohne irgend eine Wirkung hiervon zu sehen; von
2nbsp; Unzen Aloe, mit Mehlteig zu Pillen gemacht, starb ein Schaf nach 27 Tagen, aber Purgiren war nicht erfolgt. [Annal. de VAgrie, fr. Tome 3).
Schweine purgiren von J/, Unze Aloe in Zeit von 20—24 Stun­den, — Hunde von 1—-3 Drachmen in 6—10 Stunden.
Eine Auflösung von 1—4 Drachmen Aloe in 2—6 Unzen Wassers oder sehwachen Branntweins in die Drosselvene bei Pferden und Kühen gespritzt, verursachte nur massige Vermehrung des Pulses, etwas schnel­leres Athmen, Traurigkeit und zuweilen nach einer halben Stunde Drang zu Kothentleerung; Purgiren erfolgte niemals. Dieselben Erscheinungen sähe auch Dupuy nach Injectionen von 1 — 2 Unzen in wässerigem Weingeist gelöster Aloe an einein Esel entstehen (Journ. de me'd. vcte'r. 1886. p. 177).
J. Turner infuiidirte einem 15 Jahr alten Pferde 5 Drachmen von der Aloe barhad. in 24 Unzen Wasser gelöst, in die Drosselvene,
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und zwar zuerst 6 Unzen, und als nach •/g Stunde keine Wirkung-walirgenommen wurde, eben so viel, worauf ein leschleunigtes, un-regelmässiges Atbmen eintrat. Als er später dieselbe Menge infundirte, wurde das Atbmen sehr geräuschvoll. Als nach 15 Minuten diese Er­scheinung wieder vorüber war, infundirte er den Ee.st, worauf sich Ekel, Angst, angestrengte Respiration, Unruhe und Schweiss ein­stellten; 2 Stunden nach der Infusion zeigte das Thier Kolik. Blut, welches zwischen der dritten und vierten Stunde aus der Vene der an­dern Seite abgelassen wurde, schmeckte ganz bitter. Das Schwitzen liess nach, aber es trat Mistabgang reichlich, zum Theil unwillkührlich ein. Nach 12 Stunden erfolgte Laxiren ohne Schmerzen, welches am folgenden Tage fortdauerte. Nach 3—4 Tagen befand sich das Pferd wieder wohl.
Aeusserlich, auf Wunden und Geschwüre applicirt, bewirkt die Aloe, sowohl in Pulverform, wie auch im Weingeist aufgelöst (Aloe-Tinctur), eine gelinde Reizung, vermehrte Resorption, Zusammen-nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;.*#9632;
Schrumpfung und Verdichtung der Granulation, — Verbesserung, aber zugleich Verminderung des Eiters, und oft gänzliches Austrocknen einer eiternden Fläche. Zu anhaltend angewendet macht sie schwielige Verdickung und Verhärtung der Theile.
sect;. 347.
Die Aloe wird innerlich in kleinen Gaben, als gelind erregendes tonisches, die Secretionen der Schleimhäute, namentlich im Darmka-nale, verbesserndes Mittel, in grossen Gaben aber als Purgirmittel benutzt, und zuweilen für beide Zwecke zugleich in gebrochener grosser Gabe.
Zu erstercm Zwecke dient sie gegen Schwäche und Erschlaffung der Verdauungseingeweide, wenn die Reizbarkeit derselben weder zu sehr gesunken noch krankhaft erhöht ist. Unter diesen Umständen ist sie besonders bei Verschleimung, bei zu geringem Appetit, bei schlech­ter Verdauung, wenn der Koth zu locker, zu weich und mit Schleim umhüllt, abgeht, bei Diarrhöe mit reichlichem Abgange schleimiger Excremente, aber auch bei Leibesverstopfung in Folge von Torpidie, und bei Würmern eine ganz vortreffliche Arznei, welche nicht immer durch die gewöhnlichen bittern Mittel ersetzt werden kann, wie Manche glauben.
Seit alten Zeiten schreibt man ihr auch eine speeifisch reizende, die Gallensecretion befördernde und verbessernde Wirkung auf die Leber zu, und wendet sie deshalb bei Stockungen in derselben, bei chronischer Gelbsucht, bei Leberegeln, bei Dummkoller mit gleich­zeitiger Leberaifection, bei der weissen Ruhr der jungen Thiere und dgl. asthenischen Krankheiten mit Nutzen an.
Man giebt sie in allen solchen Fällen für Pferde zu lls—1 Drachme, für Rindvieh zu 1 — 2 Drachmen, für Schafe und Schweine zu i[s bis 2 Scrupel, für Hunde zu 1^—6 Gran, täglich drei- bis viermal, in Ver­bindung mit aromatischen oder adstringirenden Mitteln, mit Ofenruss, Stinkasant und dgl.
Heutwig. Arzneimittellelire.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;20
#9632;H
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sect;. 348.
Als Purgirmittel wird die Aloe am häufigsten angewendet und zu diesem Zwecke für Pferde in den meisten Fällen allen andern Mitteln vorgezogen, weil bei richtiger Anwendung ihre Wirkung ziemlich sicher und veriiältnissinässig mit der wenigsten Gefahr begleitet ist. Doch wird die Aloe vom Krotonsamen und vom Krotonöl an Schnelligkeit, .Sicherheit, und Stärke des Erfolges übertroffen, und deshalb zieht man bei grössem Torpor des Darmkanals die letztern Mittel ihr vor. Bei Wiederkäuern ist allerdings (wie sect;. 346 gezeigt) diese Wirkung von der Aloe allein nicht so sicher und daher das Mittel weniger brauchbar, in Verbindung mit andern Mitteln aber oft sehr nützlich. Bei Hunden wirkt Jalappe, Gummi Gutta und Calomel viel sicherer purgirend.
Die Anzeigen zur Anwendung der Aloe in purgirender Gabe sind: Verstopfung des Leibes, entstanden aus Erschlaffung und aus Mangel an gehöriger Thätigkeit im Dickdarm, daher auch bei der sogenannten Verstopfungskolik der Pferde, wo sich im Grimmdarm und zuweilen auch im Mastdarm grosse Kothmassen anhäufen, welche durch Salze und andere Laxirmittel nicht, wohl aber durch die Aloe gut zu beseitigen
sind. Wird dieselbe hierbei früh genu ihre gute Wirkun
angewendet, so kann man sich auf i der chronischen Unverdaulichkeit
;
des Kindviehes, wo die Gruudkrankheit auf denselben Verhältnissen beruht, soll das Mittel (nach Cambran, Journ. ve'ter. et agric. de Del-gique, 1844:, p. 317) in Verbindung mit Glaubersalz ganz zuverlässig wirken. — Unter gleichen Umständen ist dies Mittel auch zur Ent­leerung von Eingeweidewürmern und von Darmsteinen am besten ge­eignet. Eben so dient es auch häufig, um eine Ableitung von andern Organen auf den Darmkanal zu bewirken, oder um die Resorption in andern Theilen zu verstärken; daher bei Rheumatismen, bei asthe-nischen Augenentzündungen, bei Gehirnentzündungen und Dumm­koller mit Ergiessung von vielem Wasser im Gehirn, bei ödematösen Anschwellungen am Bauche und an den Schenkeln, bei Metastasen, bei chronischen Hautausschlägen und dgl.
Ausserdem wird die Aloe sehr oft theils als ein prophylaktisches Mittel gegen verschiedene Krankheiten, die aus Vollblütigkeit ent­stehen könnten, z. B. bei Pferden, die viel Ruhe und gutes Eutter er­halten, die zu Augenentzündungen, Dummkoller und dgl. eine Anlage haben, — theils auch gegen die zu grosse Fettigkeit benatzt. In letz­terer Absicht auch bei dem Trainiren der Rennpferde.
Die Pnrgirgabe ist für ausgewachsene Pferde auf einmal und wenn man die Aloe allein giebt, 6 Drachmen bis l^/a Unzen1, für Rindvieh
1 Traeger (siehe dessen: Füllenkrankheiten S. 42) hat öfters beobachtet, dass tragende Stuten leichter purgiren und deshalb kleinerer Gaben bedürfen als andere Pferde. —Für Füllen hat dersellie die Aloe im mittlern Durchschnitt, nachdem Alter ungefähr zu 5 Gran auf die Woche gerechnet, als brauchbare Gabe gefunden; so dass ein Füllen von 1 Woche S Gran, — von 2 Wochen 10 Gr., — von 3 Wochen 15 Gran, — von 1 Monat ein Scrupel, — von 2 Monat 2 Scrupel, — von 6 Monat
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1—2 Unzen, für Schafe ^—l1/., Unzen, für Schweine ^2 Unze, für Hunde 1 Scrupel his 1 Drachme1.
Die Anwendung geschieht bei Pferden und Schweinen am zweck-mässigsten in Pillen, weil das Eingeben der bestimmten Gabe ohne Verlust auf einmal sicher geschehen kann. Auch glaubt man, dass bei der Anwendung in dieser Form weniger leicht Kolikzufälle entstehen, als nach der Anwendung in flüssiger Form. Dagegen ist die letztere bei Wiederkäuern fast allein brauchbar.
Die Aloe wird als Purgirmittel häufig mit andern Mitteln ver­bunden, theils um sie, und namentlich ihren harzigen Bestandtheil, besser auf löslich zu machen, und hierdurch ihre eigene Wirksamkeit zu vermehren, — theils auch um die Wirkung durch jene Mittel, deren Eigenschaften gemäss, zu modificiren. Zu den Mitteln ersterer Art ge­hören das kohlensaure Kali (Potaschc), weisse und grüne Seife, Seifen­wasser und schwacher Branntwein; — zu den Mitteln der zweiten Art abar das Kalomel (von Manchem zugesetzt, wenn Würmer ausgeführt werden sollen), —#9632; die schwarze Nieswurz, Krotonsamen, Krotonöl (bei grosser Keizlosigkeit, bei Wassersüchten), — die schwefelsauren Salze (bei Entzündungen, acuten Rheumatismen und bei Verstopfung, wenn der Koth vorher sehr trocken abging, und sehr zweckmässig a'ich in jedem Falle bei wiederkäuenden Thieren), — die Jalape, Jalapenharz (nur für Hunde), und die Enzianwurzel. Diese Wurzel in gleichen Theilen mit der Aloe verbunden, verstärkt (nach den Mittheilungen von Hur ford2, Ho well3, Westen4), die purgirende Wirkung der Aloe so ausserordentlich, dass 3—4 Drachmen von jedem dieser Mittel in einer Pille so viel leisten, wie 1 Unze Aloe für sich allein, und die Wirkung tritt oft schon nach 10 Stunden ein; ich fand sie aber un­sicher. In England, wo bei kranken und gesunden Thieren die Aloii-purgirpille (Physik) als das gewöhnlichste Arzneimittel und oft bis zum Missbrauch angewendet wird, setzt man ihr auch gern eine kleine Quantität Ingwer (rarf. Zmgiberis, etwa 1 Drachme zu einer Pille für Pferde), oder ätherisches Oel (namentlich Kümmelöl oder Pfefferminzöl, zu, in der Absicht, um die zu grosse Schwächung des Darmkanals) Kolikzufälle und die zuweilen sehr reichliche Entwickelung der Blähun­gen zu verhüten.
Die Seife dient nicht allein zur Auflösung der Aloe, sondern zu­gleich auch als ein zweckmässiges Bindemittel, besonders bei der Be­reitung der Pillen; z. B. man nimmt:
2 Drachmen, — und von 1 Jahr Va Unze erhält. Man kann aber den älteren Füllen fast immer grössere Gaben reichen und zwar den 1—2 Jahr alten 5—6 Drachmen und den dreijährigen die obigen Gaben der ausgewachsenen Pferde.
1nbsp; nbsp;Morton (Manual of Pharmacie of veterin. med. p. 73) sagt: dass ein Hund so viel Aloe verträgt, als hinreichend sein würde, zwei erwachsene Menschen zu tödten. Bei dem kleinsten Hunde sei '/j Drachme selten zu viel; 1 Drachme ist die gewöhnliche Gabe, und grosse Hunde ertragen oft 2—8 Drachmen.
2nbsp; nbsp;The Veterinarian, 1851 p. 598. und 1853 p. 361.
3nbsp; nbsp;Daselbst 1852 p. 520, 522.
4nbsp; nbsp;Daselbst 1853 p. 61.
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pulverisirte gute Aloe ' 6—10 Drachmen, geschabte weisse Seife 3 Drachmen bis ^ Unze, lauwarmes Wasser 1 Drachme, oder so viel wie nöthig ist; — reibt alles in einem Mörser zu einer gleichförmigen Masse zusammen und macht daraus eine Pille, die man einem Pferde auf einmal giebt.
Die grüne Seife scheint die Wirkung der Aloe noch mehr zu be­fördern als es die weisse Seife thut.
Zu der angegebenen einfachen Pillenmasse kann man nach Be-dürfniss der Umstände noch Kalomel 1—2 Drachmen, — oder schwarze Nieswurz 20—30 Gran, — oder Krotonsamen oder Krotonöl 10 Gran hinzusetzen.
Als sehr wirksam hat man auch die auf folgende Weise bereiteten Purgirpillen befunden: man nimmt: pulv. Aloe 1 Pfund,
flüssiges kohlensaures Kali (d. i. eine concentr. Aufl. der gereinigten Potasche) 9 Unzen.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; *
Diese Ingredienzien werden in einem Topfe zusammengerührt, dann im sogenannten Wasserbade zu einer gleichförmigen Masse zusammen­geschmolzen, worauf man von letzterer 1 Loth schwere Pillen macht,, und diese in Papier gewickelt aufbewahrt. Man giebt davon Pferden und Kühen 2—3, Schweinen 1 Stück, und Hunden nach Verhältniss ihrer Grosse 1/t, '/ä — 1 Pille.
Will man die Aloe in flüssiger Form anwenden, so ist blos nöthig die bestimmte Gabe der pulverisirten Aloe mit 16 — 20 Theilen lau­warmen Seifenwassers zusammen zu reiben, oder auch mit letzterem in einer Flasche gut zusammen zu schütteln, oder man löset eine etwa vorhandene Aloepille in warmem Wasser auf. Auch kann man, wie Viborg bei den oben angegebenen Versuchen, recht zweckmässig eine Auflösung der Aloe in warmem Wasser (auf 1 Theil 8—10 Theile) machen, nach dem Erkalten die Flüssigkeit von dem harzigen Boden­satz abseihen und erstere für sich allein anwenden; dieselbe enthält den Extractivstoff (den sogenannten gummichten Bestandtheil) der Aloe aufgelöst, und dieser wirkt, allen Versuchen zufolge, nur allein pur-girend, während der harzige Bestandtheil blos eine schmerzhafte Eei-zung der Gedärme verursacht. Die Wirkung von einer solchen Auf­lösung ist daher stets milder, aber deshalb nicht schwächer als von der ganzen Aloe. Cambran empfiehlt bei der chronischen Unverdaulich-keit folgende Mixtur: Ep. Aloes socotr. 1 Unze, Natri sulphuric. 12 Unzen, Liquor. Anunon. caust '^ Unze, Aquae comm. 48 Unzen. Die Aloe wird zuerst in der Aetz-Ammoniakflüssigkeit gelöst, dann mit der Auflösung des Glaubersalzes verbunden, und hiernach die Flüssig­keit auf zweimal, in Zwischenzeiten von 2 Stunden, gegeben. Cam­bran versichert, dass selten eine Wiederholung nöthig sei.
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1 Die beste Aloe ist stets diejenige, welche den meisten Extractivstoff besitzt, und da man diesen in der Leber-Aloe eben so reichlich wie in dersokotri-nischen findet, so ist es wohl unrichtig, wenn die letztere unbedingt als die beste bezeichnet wird.
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Bei dem Gebrauch der Aloe als Purgirmittel ist bei allen Thieren, vorzüglich aber bei den Pferden, ein passendes diätetisches Verhalten nöthig, um die purgirende Wirkung zu erleichtern, so wie Kolik, Darm­entzündung und andere widrige Zufälle zu verhüten. Erlaubt es die Zeit, so giebt man schon am Tage vor der Anwendung der Aloe den Thieren nur weiche, milde Nahrung (Pferden etwas Heu und Kleie, aber kein Körnerfutter), und auch nur in geringer Menge; dabei lässt man sie nach ihrem Belieben Kleienwasser saufen. In jedem Falle ent­zieht man ihnen wenigstens 6 —12 Stunden vor dein Eingeben der Purgauz das Futter gänzlich; nach dem Eingeben tränkt man sie von Zeit zu Zeit mit überschlageuem Kleienwasser, bedeckt sie mit einer warmen Decke und giebt ihnen bei der nächsten Futterzeit wieder nur wenig Heu und Kleie. 6 — 8 Stunden nach dem Eingeben kann man bei milder Witterung die Pferde durch eine viertel- bis halbe Stunde herumführen oder massig reiten lassen; bei kalter, unfreundlicher Wit­terung behält man sie lieber im Stalle. Diese Diät wird fortgesetzt, bis das Purgiren vorüber ist, wo man den Thieren nach und nach wie­der ihre gewöhnliche Nahrung giebt.
sect;. 349.
Aeusserlich dient die Aloe a) als gelind reizendes austrocknendes Digestivmittel, bei schlaffen, unreinen, schlecht eiternden, mit lockerer Granulation oder mit Maden versehenen Wunden und Geschwüren, namentlich wenn Sehnen, Knochen und Knorpel mit ergriffen sind, wie z. B. bei Widerristschäden, bei Nackenfisteln, bei Knorpelfisteln, bei ausfallender Mauke, bei schlaffen Hufgeschwüren und dgl. Rysz und Grevo behaupten zwar, dass die Aloe hierbei nichts leiste, dass sie die Abstossung der abgestorbenen Theile sogar hindere und die Heilung übereile; — allein diese Nachtheile hat sie nur dann, wenn sie zur Unzeit, zu früh und ohne Berücksichtigung des in den Wunden und Geschwüren bestehenden Characters der Lebensthätigkeit auge­wendet wird. Zur rechten Zeit gebraucht, ist sie ein sehr wirksames Heilmittel. Ausserdem dient sie b) als gelind erregendes, tonisches, Resorption beförderndes Mittel zur Zcrtheilung asthenischcr Augenent­zündungen, welche mit Erschlaffung der Bindehaut, mit übermässiger Absonderung von Schleim und Thränen verbunden sind; eben so auch bei Flecken und Verdunkelungen der Hornhaut.
Die äusserlicho Anwendung geschieht zuweilen 1) in Pulverform, indem man sie entweder für sich allein, oder mit Kohle, Arsenik (z. B. in dem Oesterreichschen Krebsmittel), Kalmus, Eichenrinde und dgl. Mitteln versetzt, in Geschwüre eingestreuet; 2) in Salben, z. B. als Zu­satz zur Terpenthinsalbe, oder als Augensalbe z. B. gegen Hornhaut­flecke (Honig oder Fett 2 Drachmen, fein pulverisirte Aloe 8 Gran); — 3) am häufigsten in Auflösung mit Weingeist als Aloe-Tinctur {2m-ctura Aloes), (nach Vorschrift der Preuss. Pharmacopöe 2 Unzen Aloe zu 1 Pfd. Weingeist), welche in torpide, unreine oder dem Vernarben nahe gekommene Wunden und Geschwüre, und eben so auf Hornhaut-flecke gestrichen, — zuweilen auch zu Salben und aromatischen Augen
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wässern (1—2 Drachmen zu 3—4 Unzen) gesetzt wird. In Verbindung mit Myrrhen-Tinctur, Stinkasant-Tinctur und Terpenthinöl, bildet die Aloe-Tinctur den sogenannten Wundbalsam (S. 214).
sect;. 350.
Die Aloe darf bei Entzündungen des Magens und Darmkanals innerlicli nicht angewendet werden, und auch äusserlich ist bei noch bestehender synochöser Entzündung, bei grosser Empfindlichkeit und Trockenheit in quot;Wunden u. s \v., ihre Anwendung schädlich.
Anmerkung. Das -wäfserige Aloe-Ex trae t lE.rtrnctnm Aloes ngtiosum s. gumniosum), — bereitet durch Auflösung der pulverisirten Aloe in 4 Theilen Wasser vermittelst Digeriren, iann Filtriren und Abdampfen ins zu einem trockenen Extract, — enthält nur den Ej tractivstoff und in demselben das sogenannte Aloin in zwei Modificationen. Es wirkt milder und gleichmässiger als die Aloe in Sub­stanz. Englische Thierärzte haben deshalb diesen Extract statt der Aloe in fast allen Fällen als Purganz empfohlen , und zwar für Pferde in der Gabe von 6 bis 7 Drachmen, für Kühe zu 1 Un/.e, für grosse Hunde zu 20 — 30 Gran1. In der Ber­liner Thierarzneischule wird es in kleineren Gaben (2—3 Drachmen) jetzt vorzugs­weise gegen sogenannte Verstopfungskolik angewendet. (Aloe 1 Unze 1 Sgr. 8 Pfg., grob. pulv. 2 Sgr. G Pfg., fein pulv. 2 Sgr. 10 Pfg.; Droguerieprcis 1 Pfd. 7 Sgr.; Tinct. Aloiis 1 Unze 2 Sgr. 4 Pfg.; Extract. Alois 1 Drachme 1 Sgr. 10 Pfg.)
19) Guiuiui Gulti, Gutti s. Gummi Gtittae.
sect;. 351.
Es besteht grösstenthcils (gegen ^/j) aus einem scharfen Harz, (Cambogiasäure), welches mit Gummi innigst verbunden ist. Es löst sich aber in Weingeist fast ganz, im Wasser zum grössten Theil auf, bildet aber mit dem letztern eine emulsionartige gelbe Flüssigkeit.
Innerlich gegeben erregt es bei allen Thieren starkes Purgiren, bei Hunden, Katzen und Schweinen auch Erbrechen. Das Purgiren erfolgt von etwas geringeren Gaben und etwas früher als von der Aloe, ist aber öfter als bei diesem Mittel mit heftigen Zufällen begleitet. — Einem Füllen im zweiten Jahre gab Flormann2 15 Gran Gummi-Gutti in 2 Nössel (etwa 2 Pfund) Wasser aufgelöst, durch die Nasen­löcher3 ein, damit nichts verschüttet werden sollte. Eine Stunde darauf befand es sich unwohl, hatte schnelleren Puls, zog mit den Flanken, hob bisweilen den Schweif, kratzte mit den Fassen und bekam bis­weilen kleine Zuckungen der Muskeln. Nach 3 Stunden schien der Bauch aufgedunsen, und die Zufälle verstärkten sich; nachdem es aber mehrere dünne Kothentleerungen gehabt, bekam es 5 Stunden nach dem Eingeben heftigen Frostschauer am ganzen Körper. Mit Verlauf von 7 Stunden zeigte es Fresslust und befand sich nachdem wieder wohl. — Dasselbe Füllen bekam von 30 Gran des Mittels die näm-
1nbsp; nbsp;The Farrier and Naturalist. 1828. p. 21 u. f.
2nbsp; Viborg, Samml. Bd. 3. S. 182.
3nbsp; nbsp;Stets ein gefährlicher Weg, auf welchem man kein Medicament beibringen sollte, am wenigsten aber dann, wenn man durch Versuche erst dia Wirkung der Mittel kennen lernen will.
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lichen Zufälle, und innerhalb 5 Stunden mehrere Ausleerungen eines dünnen Kothes; es erholte sich aber erst 12 Stunden nach dem Ein­geben wieder. — Ein fünfjähriges Reitpferd erhielt 2 Drachmen G.-tr. in Pillen; es wurde darauf unruhig, wollte weder fressen noch saufen, hatte schnelleren Puls und entleerte nach 12 Stunden einmal, und dann noch ein paarmal Mist, der lockerer als gewöhnlich und heller von Farbe war. — Viborg (a. a. O. Bd. 4. S. 275) sah bei einem acht­jährigen Pferde von 1 Unze im Wasser aufgelösten G.-G. keine merk­liche Wirkung, — dagegen von derselben Gabe bei einem dreiviertel­jährigen Füllen innerhalb der ersten 5 Stunden elfinaliges Laxiren erfolgen. — Braey-Clark1 und Moirand2 sahen von 6—12 Drach­men nur die Erscheinungen eintreten, welche die starken Purgirmittel nebenbei hervorrufen, aber keine weichen Ausleerungen.
Bei einer Kuh brachten 21/2 Unzen dieses Mittels in Wasser auf­gelöst, fast gar keine Wirkung hervor; als man ihr aber die doppelte Quantität gab, traten augenblicklich Vergiftungszufälle ein, und am fol­genden Tage entstand blutiger Durchfall, welcher 17 Tage dauerte. Nachdem alle Zufalle vorüber waren und das Thier sich wieder erholt hatte, gab man ihm 6 Unzen G.-G. in 12 Pfd. Wasser gelöst. Schon nach Verlauf von 2 Stunden trat starker, stinkender aber nicht blutiger, , Durchfall, massiges Fieber, Beängstigung und Mattigkeit ein; das Fieber verschwand bald, aber der Durchfall dauerte durch 13 Tage3.
Einem gesunden Schafe gab Daubenton4 1 Gran G.-G. in einer Pille; nach 24 Stunden erfolgte weiches Misten, ohne Zeichen von Schmerz. Dieselbe Gabe in Wasser aufgelöst wirkte auf dieselbe Weise bei einem andern Schafe in 28 Stunden. Es ist daher merkwürdig, dass nach seiner Angabe 2 Scrupel dieses Mittels bei Schafen zuweilen gar nicht wirken. Von 1 Drachme hat derselbe das Purgiren niemals fehlen, aber auch keine widrigen Zufälle entstehen sehen; von 2 Drach­men mit Honig eingegeben, starb dagegen ein Schaf in 9 Stunden. Viborg sah von 20 Gran G.-G. in S1^ Unzen Wasser aufgelöst, ein Schaf nach 48 Stunden purgiren. — Bei Schweinen wirkt 1 Drachme G.-G. abführend, aber zuweilen auch brechenerregend. Viborg riith deshalb, es in mehreren kleinen Portionen einzugeben5.
Diese ungleiche Wirkung ist, nach den Versuchen von Daras-niewiez6 hauptsächlich von der Menge Fett und Galle im Darmkanal abhängig. Bei fettarmer Kost waren 20 Gran Cambogiasäure ohne Wirkung, wogegen 2 —3 Gran in fettem Oel gelöst, heftig purgirten.
Ich sah bei zahlreichen, hierüber gemachten Versuchen Pferde von i/sj—1 Unze, Kühe von 1—ll/2 Unze, Schafe von 10—20 Gran, Schweine von i/g—1 Drachme und Hunde von 3—20 Gran fast jedes-
1nbsp; nbsp;Pliarmacop. veter. p. 30.
2nbsp; Matiere medioale p. 267.
3nbsp; nbsp;Comptc rendu des travaux de i'ecolc vet. de Lyon. Arm. 1817. Annal. de ragrieiilt. fraii?. Tome 70. p. 2C.
4nbsp; nbsp;Auseil. Beitr. #9632;/.. Xhierarzneik. 1. Stück. Leipzig 178G. S. 184.
5nbsp; Viborg-, Anleit. •/.. Erzieliung u. Benutzung des Sclnveins. S. 80.
0 Ucber Gummi-Gutt und Cambogiasäure. Dissert, inaugur. Dorpat. 1858.
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mal pargiren, Schweine und Hunde aber auch häufig sich erbrechen. Letztere ertrugen (wie bei Orfila's Versuchen) 1—2 Drachmen Gr.-G. ohne Nachtheil, wenn das Erbrechen nicht gehindert war; bei unter­bundenem Schlünde starben sie aber von 2 Drachmen in Zeit von 12 bis 20 Stunden. Die Section zeigte dann Entzündung des Dickdarms.
Auf Wunden gebracht wirkt das Gr.-Gr. stark reizend. Ein Hund starb nach der Anwendung von 2 Drachmen des Mittels auf eine frische Wunde, die nur bis auf das Zellgewebe des Schenkels ging, binnen einigen Stunden.
sect;• 352.
Das Gummi-Gutti kann als Purgirmittel und zum Theil als Diure-ticum dienen, ist aber bisher nur bei wenigen Thierkrankheiten ver­sucht worden; es ist theurer als die Aloe, reizt mehr als diese, und bei Pferden ist die purgirende Wirkung unsicher, — bei Hunden dagegen sehr sicher. Das Mittel kann in allen Fällen, wo bei atonischeu Zu­ständen vermehrte Ausleerungen, oder Ableitungen von andern Organen nützlich sind, gebraucht werden. Besonders hat man es gegen Einge­weidewürmer und gegen wassersüchtige Zustände, daher auch gegen die Fäule und Egelkrankheit der Schafe (Daubenton) empfohlen. Ich habe es bei Pferden gegen Dummkoller, bei Hunden gegen Band­wurm, auch bei Leibesverstopfung, übermässiger Fettbildung, Flechten^ u. s. w. mit Erfolg gegeben. Bei gastrischen Krankheiten verdient aber die Aloe den Vorzug; entzündliche Reizung des Verdauungskanals verbietet den Gebrauch des G.-G. gänzlich.
Die Gabe ist nach den Andeutungen des sect;. 351 zu bestimmen. Anwendung in Pillen, Latwergen und in Auflösungen mit Wasser, besser mit Seifenwasser, vielleicht auch in einem bittern Decoct. Hun­den gebe ich in der Regel eine Pille aus 3—6 Gran G.-G. mit eben so viel Kalomel, und mit Honig q. s. zubereitet, und halte eine zweite solche Pille für den Fall, dass die erste ausgebrochen wird, in Bereitschaft. (1 Unze 4 Sgr., grob pulv. 5 Sgr. 2 Pfg., fein pulv. 1 Drachme 8 Pfg.)
20) Rirlniisöl, 01. Eicini, 01. Palmac Christi {CnsUmA).
sect;. 353.
Die Ricinussameu enthalten in ihrer äussern Schale ein geschmack­loses Harz, Extractivstoff, Gummi und Holzfaser, — im Innern einen eiweis- und stärkemehlhaltigen Kern und ein fettes Oel. Letzteres ist dickflüssig, zuerst süsslich, dann scharf schmeckend und zersetzt sich durch Alkalien in Ricinsäure, Ricinölsäure, Ricintalgsäure und Gly­cerin. Diese drei Säuren sind sehr scharf, aber durch Fett- und Oel-stoif in dem Oel eingehüllt und dadurch dasselbe gemildert. Auch soll dasselbe noch ein scharfes Princip, dem in den Krotonsamen ähnlich, aber nur in geringer Menge enthalten.
Das Ricinusöl wirkt auf die Schleimhaut des Verdauungskanals, insbesondere des Dickdarms speeifisch reizend und hierdurch gelind purgirend, bei Hunden auch oft Erbrechen erregend. Die Wirkung ist jedoch bei den grossen Thieren unsicher und tritt nur nach grossen Gaben ein. Percivall gab einem Pferde des Morgens um 10 Uhr
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• l1/raquo; Pfd. dieses Mittels und setzte es dann zweimal in verschiedenen Zeiten in Bewegung. Hierauf trat nach 7 Stunden Laxireu ein, wel­ches den folgenden Tag fortdauerte und dann ohne weitere Folgen vorüberging. Bei zwei andern Pferden trat diese Wirkung nicht ein, wohl aber entstand bei dem einen davon Kolik {The Veterinarian 1845). — Bei dem Rindvieh verhält es sich eben so. Schafe und Ziegen pur-giren von 3—4 Unzen, Sehweine von 2—3 Unzen, Hunde sicher von '/g—2 Unzen. Das Mittel ist wegen diesen grossen Gaben und mit Eiicksicht auf seinen Apothekenpreis, fast nur bei den letzten beiden Thiergattungen brauchbar; es muss aber frisch und rein, unverfälscht sein, was es jedoch häufig nicht ist.
Die Anzeigen zu seinem Gebrauch sind da vorhanden, wo ir; Folge von Trägheit und mangelhafter Absonderung in den Verdauungseinge­weiden Verstopfung des Leibes und Kolikschmerzen bestehen, daher auch bei Verstopfung des Lösers der Wiederkäuer, wo feste, trockene Kothballen, Darmsteine, Würmer ausgeleert werden sollen; — bei Ent­zündungen des Bauchfells, der Gebärmutter, der Nieren und Harn­blase, oder wo man das Entstehen dieser Entzündungen befürchtet und es verhüten will, wie z. B. bei eingeklemmten Brüchen, nach Bruch­operationen und bei andern Bruchwunden und dgl. Moiroud und Chambert haben das Oel auch bei dem sogenannten Magenkoller der Pferde mit Nutzen angewendet'.
Die Gabe ist für Pferde und Rinder 1/2 — 1 Pfd.; einem Füllen mit hartnäckiger Verstopfung gab Schaak 4 Unzen mit gutem Erfolg2. Für die übrigen Thiere gelten die oben bezeichneten Gaben.
Man giebt das Oel für sich allein oder auch in einem schleimigen Decoct, oder, kleinen Thieren, in einer Emulsion aus Gummi arabicum (1 Drachme) und Wasser (2 Unzen) zu 1 Unze Oel, ip 24 Stunden ein­mal, höchstens zweimal.
Anmerkung. Die Ricinussamen (Wund er bäum Samen, gross e Pur-girkörner, Semina Tiiciui s. Cataputiae majorex) besitzen die purgirende uml vomirende Wirkung des Rieinusöls in einem fast zehnfach höhern Grade und mit heftiger Reizung, hit zur Darmentzündung, so dass man sie zu den scharfen (drasti­schen) Purgirmitteln zählen muss. — Mehrere Pferde starben von 175 Grammen (fast 11 Unzen) dieser Samen, welche sie mit ihrem Hafer verzehrt hatten3, und bei Hunden waren 6—12 Grammen (1:V5—374 Drachmen) tödtlich4.
Man kann dennoch bei grossem Torpor der Verdauungseingeweide diese Samen zu ungefähr 1% Unzen für Pferde und Rinder, 2 — 3 Drachmen für Schweine und zu 20—30 Gran für Hunde benutzen, jedoch nur in einer Emulsion mit der zwanzig­fachen Menge Wasser und colirt.
21) Euphorbien- raquo;der raquo;olfsniilrli-Harz, Euphorbium.
sect;. 354. Dieser erhärtete Milchsaft besitzt als wirksame Bestandtheile ein scharfes Harz (über die Hälfte des Gewichts) und etwas ätherisches,
1nbsp; Tabourih, Matiere medicale, p. 617.
2nbsp; Ebendaselbst.
3nbsp; Pelletier, in den Annal. de la soc. veter. du Finistere, 1841. p. 48.
4nbsp; Orfila, Toxicologie, Tom. II. p. 117. 5. Edit.
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scharfes Oel, in Verbindung mit Wachs, mit Kali- und Kalksalzen, mit Pflanzcnschleim und andern, weniger wichtigen Stoffen.
Es verursacht bei jeder Art der Anwendung an den betroffenen Stellen des Thierkörpers sehr heftige Reizung, jedoch ohne Blasen­bildung, sondern mit papnlösem Ausschlag, Entzündung, Ausschwitzung und Verschwärung; — bei innerlicher Anwendung auch heftiges Er­brechen, Purgiren, Leibschmerzen, und, nach etwas starken Gaben (d. i. bei Pferden nach 1—2 Unzen, bei Hunden nach 1—3 Drachmen) selbst den Tod. Ein Hund starb auch 39 Stunden nach dein Auf­streuen von 2 Drachmen des pulverisirten Euphorbium auf eine Wunde am Schenkel. Bei der Section fand man die Entzündung von dem operirten Gliede bis zur fünften Brustrippe derselben Seite verbreitet-, an der Wunde war kein Schorf entstanden und die innern Organe waren nicht entzündet (Orfila, Toxicologie, Tom. II. p. 102, 103).
Dieser heftigen Wirkung wegen wird das Euphorbium nur äus-serlich, und zwar bei denselben Krankheitszuständen und für dieselben Zwecke angewendet wie die Canthariden. Da es jedoch tiefer in die Haiit einwirkt, die Haarzwiebeln mehr zerstört, und daher eher kahle Eleckc hinterlässt als die Canthariden, so verdienen die letztern fast immer, besonders aber bei feinen Pferden, den Vorzug vor ihm. Man benutzt es jetzt nur selten, nur bei sehr hartnäckigen Hebeln, bei Thieren von gemeiner Ea9e, und wo die Haut sehr dick und wenig empfindlich ist.
Die Anwendung geschieht mehrentheils in Salben, indem man das Euphorbium mit Eett oder mit einer Harzsalbe mengt, besonders aber als Zusatz zur Cantharidensalbe (1—2 Drachmen fein pulverisirtes Euphorbium zu 1 Unze), um die reizende Wirkung derselben zu ver­stärken. Zu demselben Zwecke dient es auch als Bestandthcil in dem scharfen Pflaster (S. 267). Zuweilen benutzt man auch die aus 1 Unze Euphorbiumpulver und 1 Pfund Weingeist bereitete Euphorbium-Tinctur {Tinctura Evphorhü) zur Anwendung auf cariöse Geschwüre, oder zur Einreibung gegen Lähmung und Schwund, theils für sich allein, theils in Verbindung mit Canthariden-Tinctur, mit Terpenthinöl und dgl. — Ehemals wurde auch das pulverisirte Euphorbium zur Zerstörung der wuchernden Granulation und um die Abblätterimg cariöser Knochen zu befördern, in Wunden und Geschwüre eingestreut; da aber hierbei oft sehr heftige Entzündung in den nahe liegenden ge­sunden Theileu entsteht, und da man zur Erreichung der bezeichneten Heilzwecke bessere Mittel hat, so wird es jetzt nicht mehr auf diese Weise gebraucht. (Grob pulv. 1 Unze 2 Sgr. 8 Pfg.; fein pulv. 1 Unze 3 Sgr. 2 Pfg.)
Anmerkung. Fast alle, und auch die in Deutschland wild wachsenden Species der Wolfsmilch (mit Ausnahme der süssen Wolfsmilch, Euphorbia dulcü) be­sitzen einen scharfen Stoff, der besonders in dem Safte enthalten ist und der auf den Thierkörper ähnlich wirkt, wie das Euphorbiumharz. Diese Pflanzen werden von den Thieren höchst selten gefressen; sie erzeugen Aufblähen. Unrtihe, Leibschmer­zen, Diarrhöe und führen selbst den Tod herbei. — Orfii a gab einem starken Hunde 8 Unzen ausgepressten Saft von der kreuzblätterigen Wol fsm i 1 eh {Enphorbta Lnthyris) und unterband den Schlund; nach 3/4 Stunden waren Neigung zum Er-
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brechen, 3 Darmentleerungen, Mattigkeit, — nach 27 Stunden convulsivlsche JJe-wegungen und nach 28 Stunden der Tod eingetreten. Beim Oeflnen fand man die Lungen livid, derb, mit Blut angefüllt, den Mastdarm hin und wieder gerothet, den übrigen Darm gesund. Ganz ähnlich wirkten bei einem andern Hunde 5 Unzen des Saftes von der Cypr essen-Wolf sini 1c b {Euphorb. ÖypaHsstas). Miguel sähe von Stückchen der Wolismilchpflanzen jeder Species, wenn er sie in kleine Wun­den unter die Haut legte, binnen wenigen Stunden heftige Anschwellung und dann Eiterung entstehen. Er benutzt daher die Stengel, nachdem die Haut abgeschabt, als Reizmittel in Fontar.ellen und Haarseiion ganz so, wie die schwarze Nieswurz. Die Stückchen dürfen nur 1 — 2 Tage liegen bleiben (Journ. de med. veterin. de Lyon. Tome XIV. p. 16).
Ehemals wurden die Samen der kreuzblätterigen Wolfsmilch unter dem Namen : Sprin gkorner, FurgirkÖruer {Semina Cataputii minoris) als Purgirmittel be­nutzt, sind aber jetzt ganz aus dem Gebrauch gekommen.
sect;. 355.
Zu den scharfen, aber jetzt nicht mehr gebräuchlichen und grössten-theils veralteten Arzneimitteln gehören noch folgende:
a) Die Kell er es el, Asseln, Kellerasseln [Millepedes), ehe­dem als urintreibendes Mittel (60 —100 Stück für ein Pferd) benutzt, auch äusserlich in die Vorhaut gebracht. — b) Die Eselsgurke, Eselskiirbis (Momardica Elaterium), von den alten griechischen und römischen und spätem Thieriirzten als Purgirmittel gebraucht, aber nach Viborg's Versuchen (an Pferden) zu 1—1 '/o Pfd. gegeben, ganz ohne Wirksamkeit. — c) Die. Haselwurzel (Radix Äsarr), bitterlich-scharf, im frischen Zustande brechenerregend und purgirend, aber ge­trocknet und alt meistens wenig wirksam, ehemals (z. B. von Ker-sting) gegen Verschleimung und dgl. benutzt. In einem Falle, wo eine Kuh 3 Unzen in 2 Gaben erhalten hatte, war heftige Entzündung der Eingeweide eingetreten1. — d) Zwergholunder, Attichkraut, Wurzel und Beeren {Herta, Radix et Baccac Ebuti), ekelhaft bitter­scharf, brechenerregend, purgirend, urintreibend, daher gegen Wasser­sucht empfohlen. Auch der eingedickte Saft der Beeren (Extract. Bacc. Ebuli) ist hierzu empfohlen, in Gaben von 1—2 Unzen für die grossen Thiere. — e) Johanneskraut nebst Blumen (Hcrba et FIores Hypo-rici), bitterlich balsamisch und etwas scharf, ehemals ein sehr gerühm­tes Wundheilmittel, ulquot;l eben so das von ihm bereitete gekochte Johannesöl (Oleum Hyperici coctimi). — /) Kreuzdornbeeren {ßaccae Rkamni caihartici s. Spinae cervinae), als Purgirmittel (z. B. bei Hunden zu '/^ Unze der frischen Beeren) ziemlich wirksam. In England ist auch der eingedickte Saft (das sogenannte Saftgrün) für diesen Zweck noch gebräuchlich. — g) Küchenschelle, das Kraut (Herba Pulsatillae nigricantis), speeifisch die Gangliennervcn der Bauch-und Beckenhöhle erregend, scharf reizend, Entzündung, Erbrechen und Purgiren erregend, besonders gegen Augenkrankheiten (schwarzen Staar) und asthenischc Entzündungen, von den Homöopathen gegen stinkende Durchfälle, chronische und unregelmässige Druse, chronischen Husten, katarrhalische Lungenentzündung, Entzündung der Gebär­mutter, Zurückbleiben der Nachgeburt, Verhärtung der Hoden, Harn-
1 Arch. Schweiz. Thicrärzte, Bd. 4. S. 3G9.
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verhaltungen, Oedeme, hartnäckige Geschwüre und dgl. benutzt. — h) Mauerpfefferkraut, kleine Hauswurz {Herta Sedi minoris), sehr reizend, brechenerregend, jourgirend, uriutreibend. — i) Saba-dillsame (Semen Sabadillae), vermöge eines eigenthümlichen Alkaloids (Sabadülin) scharf reizend, sehr ähnlich der weissen Nieswurz, früher zur Vertreibung des Ungeziefers benutzt, — wirkt speeifisch gegen dasselbe und gegen Milben, daher gegen Eäude, '#9632;— in Abkochungen (Sem. Sabad). 2 Drachmen zu 5 Unzen Colat. oder Pulv. S. Sab. 2 Drachmen zu 2 Unzen Sopo virid. in Salben). — Tc) Seifenkraut, die Wurzel und das Kraut (Radix et Herba Saponariae) schleimig, bitterlich - scharf, ehedem als auflösendes, speichelerregendes, urintreibendes Mittel be­nutzt. — /) Skammoniura (lt;Sfcflraquo;UHom'M)raquo;), drastisch purgirend, jedoch nur in grössern Gaben als man gewöhnlich vorschreibt. —m) Stephans­körner, Läusesamen (Semen Staphisagriae), bitter, brennend-scharf, brechenerregend, ehemals gegen Ungeziefer häufig benutzt *
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SIEBENTE KLASSE.
Betäubende oder narkotische Mittel. (Medicamenta narcotica.) Degrifl', Wirkung und Anweiidniig dieser Mitiel im Allgemeinen.
sect;. 356.
Betäubende oder narkotische Mittel nennt man diejenigen, welche, bei der Anwendung in gehörig grosser Gabe, im thierischen Organis­mus die Functionen des Nervensystems, vorzüglich die Sensibilität ver­mindern, stören, selbst Betäubung (/) raqy.rj. Narcosis) und Lähmung verursachen.
Die hierher gehörigen Mittel kommen jedoch nur im Allgemeinen iu dieser die Thätigkeit des Nervensystems vermindernden und stören­den Wirkung fiberein, denn im Einzelnen zeigen sie hinsichtlich ihrer Bestandtheile und der besondern Art, der liiehtung und Ausdehnung ihrer Wirksamkeit eine grosse Verschiedenheit.
sect;. 357.
Hinsichtlich der Bestandtheile ist zuerst zu bemerken: dass es einen gemeinschaftlichen, d. h. einen in allen narkotischen Mitteln gleichartigen betäubenden Stoff nicht giebt, und dass selbst die in den narkotischen Pflanzen enthaltenen Alkaloide, von denen der grösste Theil der Wirksamkeit abhängig ist, in jeder Pflanze specielle Eigen­schaften besitzen. Da ausserdem die Alkaloide von fixer Natur sind.
1 Siehe: Michel und Ithen Monatsschrift der Rindviehkunde, 2. Halbjahr, S. 97.; — Arch. d. Schweiz. Thierärzte. B. V. S. 166; — Oekon. Neuigkeiten 1836. S. 209—216. — Henke, Zeitschr. d. Staatsarzneik. Bd. 28. S. 283. Lindenberg, Magaz. f. Th. 1845. S. 449.
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das narkotische Princip sich aber auch durch den betäubenden Geruch der meisten dieser Mittel, besonders in ihrem frischen Zustande, zu er­kennen giebt, — so ist es sehr wahrscheinlich, dass neben den Alka-loiden auch noch andere Bestandtheile zur Erzeugung der narkotischen Wirkung wesentlich beitragen.
sect;. 358. Hinsichtlich der Verschiedenheit in der Art der Wirkung lehrt die genaue Beobachtung: dass nicht ein narkotisches Mittel dem andern völlig gleich wirkt, sondern dass jedes von ihnen eine speeifische Wirkung erzeugt. Diese Eigenthiimlichkeit in der Wirkung der einzelnen narkotischen Mittel wird vorzüglich da­durch bedingt, dass nicht ein jedes das ganze Xervensystem in einem gleichen Umfange afficirt, sondern dass die einzelnen Mittel zu einem begrenzten Theil dieses Systems eine besondere Beziehung haben und daselbst die Thätigkeit zuerst oder vorherrschend in speeifischer Weise umstimmen, vermindern u. s. w.; so z. B. wirkt das Opium vorherr­schend auf das grosse Gehirn und auf die Sinnesorgane, — die Toll­kirsche auf die sogenannten Vierhügel und auf die Sehnerven und dann erst auf das Gehirn, #9632;— die Blausäure auf das verlängerte Mark, die liespirationsnerven und dann erst auf das ganze Gehirn und Rücken­mark, — die Brechnuss auf das Rückenmark, — Digitalis auf die Herznerven, das verlängerte Mark und Gehirn u. s. w. Dabei erscheint die Wirkung bei manchen narkotischen Mitteln vorwaltend als Herab-stimmung, selbst Lähmung der Thätigkeit, bei andern aber als Krampf, als specielle Erregung und Verstimmung der Gehirn- und Sinnesthätig-keit. Ausserdem wird aber die Wirkung noch dadurch modificirt, dass sie bei mehreren narkotischen Mitteln rein auf das Nervensystem ge­richtet, bei andern aber zugleich mit örtlicher Reizung verschiedener Organe (namentlich der Lungen, des Herzens und des Verdauungs­kauais) verbunden ist. Nach den letztern Eigenschaften unterscheidet man die Mittel in rein narkotische, und in scharfe narkotische.
—nbsp;Es ist bemerkenswerth, dass bei den grosseu Hausthieren die meisten narkotischen Mittel, wenn sie in grossen Gaben angewendet werden, auf die letztere Weise wirken, und dass sogar bei diesen Thieren die örtliche Reizung oft deutlicher hervortritt, als die narkotische Wirkung.
—nbsp; Auch örtlich wirken einige dieser Mittel wie z. B. Blausäure, Bella-donnaj Bilsenkraut, Akonit, die Sensibilität herabstimmend, andere aber, wie Taback, Digitalis bringen Reizung hervor.
Die Verschiedenheit im Grade und in der Dauer der Wirkung der narkotischen Mittel, ist besonders von der Empfänglichkeit der ein­zelnen Thiere für diese Mittel, von der Grosse der Gabe und von dem Orte und der Art der Anwendung abhängig. — 1) Der Grad der Empfänglichkeit der Thiere hat fast bei keinen andern Mitteln einen so grossen Einfluss auf die Wirkung, als gerade bei den narkotischen; denn man sieht hier von einem und demselben Mittel, nach Verschie­denheit der Thieigattung, des Alters, der Gewohnheit, des Gesundheits­zustandes u. s. w. die grössten Abweichungen erfolgen. Thiere von einer Gattung ertragen ein Mittel in sehr grossen Gaben, ohne bemerk-.
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bare Wirkung-, wälirend dasselbe Mittel bei Tliieren von anderer Gat­tuno- sein- heftige Zufälle erregt (so z. B. soll das Bilsenkraut dem Schweine, Schierling den Ziegen unschädlich sein, den übrigen Tliieren sind aber diese Mittel in g-rossen Gaben sehr nachtheilig). Doch sind über diesen Gegenstand noch nicht hinreichend sicheie Beobachtungen gemacht, und man kann nur im Allgemeinen annehmen, dass die Wir­kung der meisten narkotischen Mittel bei Pferden und bei Wiederkäuern verhältnissmässig schwächer, als bei Hunden und Katzen erfolge. — Junge und sehr reizbare Individuen werden von diesen Mitteln stets viel heftiger ergriffen, als nlte und torpide, und je öfter ein narkotisches Mittel bei einem Thiere angewendet worden ist, um desto mehr wird die Empfänglichkeit für dasselbe gemindert, und um desto schwächer erscheint nach und nach die Wirkung. — 2) Kleine Gaben der nar­kotischen Mittel verursachen gewöhnlich bei gesunden Tliieren kaum wahrnehmbare Erscheinungen in den Functionen der Gentralorgane des Nervensystems; ist aber die Sensibilität krankhaft erhöht, so zeigen sie durch die erfolgende Herabstimmung derselben oft eine unverkenn­bare Wirksamkeit. — Selbst von mittelmässigen Gaben scheint bei ge­sunden Tliieren die Thätigkeit des Nervensystems nicht viel zu leiden, und man bemerkt von ihnen gewöhnlich nur eine abnorme Erweiterung oder Unbeweglichkeit der Pupille, etw-as Abstumpfung der Empfind­lichkeit, zuweilen auch Trägheit oder Unregclinässigkeit bei der Be­wegung. — Von grossen Gaben werden aber die Verrichtungen des Nervensystems sehr bemerkbar gestört, und zwar zuerst nach der Eigen-thümlichkeit der einzelnen Mittel (wie oben angedeutet); im weiteren Verlaufe verbreitet sich die Störung über einen grössern Theil, oder über das ganze Nervensystem, so dass oft der specitische Character der Wirkung verschwindet, namentlich wenn die Gabe übermässig gross war. Man bemerkt hiernach Erweiterung der Pupille, immer mehr zunehmende Abstumpfung der Sinne, Verlust der Empfindlichkeit, Zuckungen, Schwindel, Unvermögen zu gehen und zu stehen, zuweilen auch Käserei, Bewusstlosigkeit, Schlafsucht, Lähmung, und nach sehr grossen Gaben erfolgt auch der Tod, entweder schnell durch Schlag-fluss oder auch langsam durch eine typhöse Entzündung innerer Organe. — 3) Unter gleichen übrigen Umständen erfolgt die Wirkung der nar­kotischen Mittel am schwächsten bei der Anwendung derselben auf die äussere Haut, stärker bei der Anwendung auf Wunden und in den Mastdarm, noch stärker und schneller bei der innerlichen Anwendung in dem Magen und Darmkanal, und am stärksten und schnellsten bei der Injection in die Blutadern. Von einigen Mitteln kann man bei den grossen Hausthieren fast nur auf die letztere Weise eine vollständige narkotische Wirkung erzeugen.
sect;. 359.
Die Wirkung der innerlich gegebenen narkotischen Mittel äussert sich bei den meisten nicht sogleich durch Symptome von verminderter Nerventhätigkeit, sondern es entstellt vielmehr nach der Anwendung zuerst eine Aufregung in dem Blutgefässsystem, nämlich schnellerer,
I #9632;
u.
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oft auch härterer und mehr voller Puls, dunklere Böthung der Schleim­häute und Congestionen des Blutes zu verschiedenen Organen, beson­ders auch zu denjenigen Theilen des Nervensystems, zu welchen die einzelnen Mittel eine speciüsehe Beziehung haben. Diese Erregung im Blutgef'ässsystem ist hinsichtlich des Characters, der Stärke und der Dauer nicht immer gleich; sie dauert gewöhnlich nur kurze Zeit, und vermindert sich bei oder nach dem Eintritte der Nervenzufalle wieder, so dass dann die Arterien selbst langsamer pulsiren und kleiner und weicher werden, als im normalen Zustande. — Nach kleineu und mit-telmässigen Gaben der narkotischen Mittel ist die Wirkung auf die Blutgefässe oft nur allein, oder wenigstens ohne auffallende Störungen im Nervensystem, zu bemerken. — Aussei- diesen Wirkungen bringen die narkotischen Mittel auch eine Veränderung des Blutes hervor; das­selbe wird dunkler und dünnflüssiger (nur bei Blausäure, heller); und durch kleine Gaben von einigen dieser Mittel wird bei kranken Thieren die Verdauung erregt, und von den meisten werden die Absonderungen vermindert (ausgenommen von Digitalis und Taback).
sect;. 360. Bei der Section der Thiere, welche nach zu grossen Gabei; nar­kotischer Mittel gestorben sind, findet man zwar nicht immer constante pathologische Veränderungen, aber mehrenthcils sind doch das grosse und kleine Gehirn, das liückenmark und selbst die Nervenscheiden blutreicher, als im normalen Zustande; besonders sind die Venen sehr voll von Blut; das letztere ist (ausgenommen bei Blausäure) dunkel, oft selbst in den Arterien schwarz, und mehrentheils dünnflüssig, nach manchen Mitteln mehrentheils ungleichmässig geronnen. An den Brust-und Baucheingeweiden findet sich nach schnell eingetretenem Tode gewöhnlich keine bedeutende Veränderung; aber nach langsamem Ver­lauf der tödtlichen Wirkung sieht man, besonders von den scharfen narkotischen Mitteln, an diesen Organen fast immer Spuren von Ent­zündung und Blutextravasate, — ähnlich wie von der Wirkung der scharfen Mittel.
sect;. 361. Eine gründliche Erklärung über das Entstehen der narkotischen Wirkung ist nicht zu geben. Jedoch geht aus dem Gange und aus der Art der Erscheinungen an lebenden, und aus den pathologischen Ver­änderungen in den Cadavern der nach zu grossen Gaben der narkoti­schen Mittel gestorbenen Thiere hervor: a) dass die wirksamen Bestand-theile resorbirt werden und mit dem Blut1 zu den Centraltheilen des Ner­vensystems und zu den einzelnen Nerven gelangen und hier grösstentheils durch diiecte Einwirkung der narkotischen Stoße ihre Wirkung erzeu-zen2; b) dass aber auch von den narkotischen Mitteln das Blut und die Herzthätigkeit aufgeregt, hierbei, besonders in den ihnen entsprechenden
1nbsp; Man hat im Blute Blausäure, in der Leber Nicotin und Coniin, im Urin auch Coniin wieder erkannt.
2nbsp; Strychnin auf das entblösste Rückenmark eines Frosches gebracht, erzeugt Tetanus ganz so wie bei der innerlichen Anwendung.
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Theilen des Nervensystems, starke Anfüllung, selbst Ueberfüllung der Blutgefeisse (Orgasmus des Blutes) bewirkt und hierdurch ein zu starker, ungewohnter und ungleicher Druck auf das Gehirn, oder auf dasEücken-mark u. s. w. verursacht wird: c) dass das Blut auch chemisch umge­wandelt, mit Kohlenstoff' überladen wird, und dadurch umändernd und betäubend auf das Gehirn und die übrigen Theile des Nervensystems wirkt, — und d) dass dann in Folge dieses Druckes die freien Aeus-serungen der Nervenkraft noch mehr vermindert, die Zufälle der Be­täubung, der Lähmung u. s. w. aber stärker und anhaltender werden.
In dem letztern Umstände verhält sich die Entstehung der nar­kotischen quot;Wirkung sehr ähnlich der Entstehung der Betäubung von zu grossen Gaben des Kamphers und der Spirituosen Mittel (sect;. 235, 277) und besonders dem Aether und Chloroform (sect;. 290, 297); aber der primäre Zustand der Wirkung bedingt bei diesen verschiedenen Mitteln doch einen grossen Unterschied.
sect;. 362.
Die Anwendung der narkotischen Mittel ist in der Praxis eine vielseitige, wenngleich nicht immer eine rationelle, sondern oft ganz empirische; und sie sind häufig nur Palliativmittel. Indicirt sind sie im Allgemeinen bei denjenigen Krankheiten, bei welchen die Nerven-thätigkeit einseitig, d. h. über die Thätigkeit im Blutgefässsystem zu sehr erhöhet ist, und besonders wo übermässige Empfindlich­keit (Schmerz), und Unregelmässigkeiten in der Bewegung (Zuckun­gen, Krämpfe, Schwindel) bestehen. Wo Schmerzen oder Krämpfe in Congestionen oder in activer (synochöser) Entzündung des Gehirns, des Rückenmarkes und anderer nervenreichen Gebilde, oder in chroni­schen Reizungen und in Verletzungen derselben begründet sind, passen diese Hittel nicht. Dagegen benutzt man sie häufig mit dem besten Erfolge bei den sogenannten erethischen Entzündungen, wenn die­selben übrigens einen asthenischen Character haben, und kein Orgas­mus im Blute besteht. Einzelne dieser Mittel werden auch bei den Uebergängen und Folgen von heftigen Entzündungen (z. B. die Digi­talis bei acuter Brustwassersucht, Bauchwassersucht, Dummkoller u. dgl.) — andere auch bei Krankheiten der Verdauungseingeweide, der Ab-und Aussonderungsorgane, angewendet (z. B. Opium, Krähenaugen bei Durchfall, bei Milchfehlern die Belladonna). — Bei der Anwendung dieser Mittel müssen jedoch stets die verschiedenen speeifischen Eigen­schaften derselben berücksichtiget werden.
sect;. 363.
Bei acuten Entzündungen, bei heftigem Entzündungsfieber, über­haupt bei Orgasmus und bei Congestionen des Blutes zu innern Organen, bei der wahren Erschöpfungsschwäche, bei Typhus und fauliger Zer­setzung der Säfte, dürfen diese Mittel nicht angewendet werden.
sect;. 364.
Die Gabe und die Art der Anwendung ist bei den einzelnen nar­kotischen Mitteln nach ihren Eigenschaften, nach Verschiedenheit des
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Heilzweckes u. s. w. sehr verschieden, und es lässt sich daher im Allge­meinen nur bemerken: 1) dass in der Regel massige Gaben zur Er­reichung des Heilzweckes hinreichend sind, und dass man daher inner­lich niemals solche Gaben reicht, welche Betäubung und die höhern Grade der Wirkung herbeiführen; — 2) dass man, wenn der Gebrauch dieser Mittel durch längere Zeit nöthig ist, allmälig die Gaben ver­stärkt und dann zuweilen durch einen oder durch mehrere Tage die Anwendung aussetzt, weil sich bei dem anhaltenden Gebrauch eines narkotischen Mittels die Empfänglichkeit des Organismus für dasselbe sehr vermindert.
1) Mohiisafl, Opiimi, Opium s. Meconium.
sect;. 365.
Das Opium ist der aus unreifen Mohnköpfen gewonnene und an der Luft getrocknete Saft. Die chemische Analyse hat in demselben folgende zahlreiche Bestandtheile ergeben1: Morphium oder Mor­phin ungefäiir 3— -IS1/, Proc, Narcotin 61/., — 91/., Proc, Codein Vi—9/io Proc, Narcei'n 62/g—IS1/laquo; Proc, Meconin 3/,o—8/io Proc-, Meconsäure 4 — T4/6 Proc, Fett l1/,—A1^ Proc, Caoutchouc 31/5 — 6 Proc, Harz l*/5—^l1/,,, Proc, Extractivstoff 21*/6 bis SI1/, Proc, Gummi 7/10—3 Proc, Pflanzenschleim 17—21 Proc, Wasser 10— 14 Proc (manche Chemiker haben auch noch ein Papa-verin, Thebain, Pseudomorphin u. s. w. augegeben).
Die verschiedene Quantität dieser Bestandtheile ist abhängig von dem Lande und der Bodenbeschaffenheil, wo der Mohn gewachsen, von der Zeit, in welcher das Opium gewonnen ist u. s. w., und von ihnen ist die Güte und der Grad der Wirksamkeit desselben abhängig; denn die einzelnen Bestandtheile haben bei den mit ihnen gemachten Ver­suchen sehr verschiedene Wirksamkeit gezeigt. Die oben genannten sechs ersten Substanzen sind mehr oder weniger aus Kohlenwasserstoff bestehend und daher wohl die Grundlage der Wirksamkeit des Opiums, doch sind dieselben noch nicht vollständig geprüft; nur das Morphium ist genau untersucht und entschieden als der Bestandtheil erkannt, wel­cher die Hauptwirkungen des Opiums hervorbringt. Je reicher das Opium an Morphin, um desto wirksamer ist es. Aus der grossen Ver­schiedenheit des Gehalts an dieser Substanz erklärt es sich zum grössten Theil, warum die Angaben über die Wirkung des Opiums oft so ver­schieden sind und dass das Letztere ein unsicheres Medicament ist (siehe übrigens sect;. 368, Anmerkung 2).
Das Opium löst sich vollständig weder im reinen Weingeist noch im Wasser, grösstentheils aber im verdünnten Weingeist und im süssen Wein auf.
sect;. 366.
Das Opium ist ein seit alten Zeiten in der Thierheilkunde benutz­tes Arzneimittel, welches, nach Vegetius, schon von Chiron ange-
1 Hauptsächlich nach M.u Ider (Pharmac. Centr.-Blatt 1837. Nr. 3G), zum Theü nach Wiggers, Merk u. A.
Hertwig, Arzneimittellehre.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 21
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wendet worden sein soll 1. Dasselbe wirkt als ein rein narkotiselies Mittel speeifiseh auf das grosse Gehirn , und durch dieses auf die Siu-nesorgane, — auf die Bewegungen, auf den Kreislauf des Blutes, auf tue Verdauung und auf die verschiedenen Absonderungen, besonders auf die Hautausdünstung; die Wirkungen sind jedoch verschieden, nach Verschiedenheit der Thiergattung, der Grosse der Gabe, der Art der Anwendung u. s. w.
Das Opium erzeugt auf der unverletzten Haut keine deutlich er­kennbare Wirkung; in Wunden und Geschwüren macht es zuerst etwas Erregung (Gefühl von Jucken, Eöthuug und vermehrte Wärme); aber nach kurzer Zeit zeigt sich die Emptindlichkeit ein wenig vermindert, ein etwa vorhandener Schmerz etwas gemildert. Diese Wirkungen sind jedoch von massigen Gaben nur in einem sehr geringen Grade bemerk­bar. Sehr grosso Gaben erzeugen aber ausserdem noch Schwäche der Muskeln, selbst Convulsionen und den Tod. Letzterer erfolgte bei einem Hunde von '2ll.2 Drachmen Opium-Extract, welches in Wasser gelöst in eine Wunde am Schenkel applicirt worden war, nach 45 Minu­ten, und in einem anderen Falle von ähnlicher Application einer halben Drachme nach ö1/.. Stunden (Orfila, Toxicologie). Diese Länge der Zeit beweiset: dass die Wirkungen des Opiums hauptsächlich mittelbar durch dessen Resorption und nur wenig durch directe Einwirkung auf die Nerven erfolgen.
Innerlich gegeben, hat mau bei gesunden Pferden von 1 Drachme Opium oft gar keine Wirkung, zuweilen aber Trockenheit im Maule, volleren, härteren Puls, und vermehrten Appetit wahrgenommen. Nach 2—4 Drachmen des Mittels fand mau diese Erscheinungen deutlicher; auch wurden die Thiere etwa 1 Stunde nach dem Eingeben munterer, der Blick zuweilen wild und stier; die Pulse wurden bei manchen Pfer­den in dieser Zeit um 3—10 in einer Minute vermehrt und voller, daun aber wieder vermindert, später auch klein und schwach; nach 2 bis 3 Stunden wurde die Pupille etwas erweitert; die erhöhete Munterkeit verlor sich nach 4—6 Stunden, und es traten später keine andern Zu­fälle ein, als dass in den nächsten 24—36 Stunden der Koth härter und der Urin reichlicher als sonst abging. Bei manchen Pferden wurde auch die Hautausdünstung vermehrt. — Vitet (a. a. O. S. 133) will selbst von Gaben bis zu 2 Unzen keine anderen Wirkungen gesehen haben; ich habe jedoch bei 2 Pferden nach dem Eingeben einer Unze Opium in 1 Pfund heissem Wasser aufgelöst, aussei- den und nach den Zufällen der Erregung, welche schon nach ^ Stunde eintraten und nur gegen l1^ Stunde dauerten, auch noch sehr verminderte Empfindlich­keit, grosse Erweiterung der Pupille, tiefes Herabhängen des Kopfes, Verlust des Appetites, schwankenden, stolpernden Gang, Drängen nach vorwärts, langsameren Puls als vor dem Versuch, und Verzögerung der Darmexcretionen erfolgen sehen. Diese Wirkung dauerte über 12 Stun­den und die Pferde zeigten sich selbst am folgenden Tage noch etwas matt. Von 21U Unzen starb ein Pferd, nachdem ganz dieselben Zu-
Vegetius, de JluUnrieJicina, Cap. 13. Buch 4.
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fälle vorausgegangen waren, 20 Stunden nach dem Eingeben, und unter heftigen Krämpfen. Dagegen ertrugen allerdings mehrere Pferde ^2 bis
1nbsp; ganze Unze dieses Mittels, ohne dass diese starke Wirkung eintrat.
Bei Wiederkäuern zeigt das Opium noch geringere narkotische Wirksamkeit als bei Pferden. Ich gab es Kühen bis zu 1 Unze, Schafen bis zu 1/2 Unze, und bemerkte darauf blos Trockenheit des Maules, volleren, nicht schnelleren Puls, grössere Wärme der Haut, Auftreibung des Leibes, grössere Consistenz des Mistes, träge Ausleerung desselben, und massige Verminderung der Milch erfolgen. Gilbert (Anna/, de PÄgric. frang. Tome 70) gab einer dreijährigen Kuh 1 Unze Opium in
2nbsp;Pinten Wasser, und bemerkte nur geringe Wirkung; aber ein zwei­jähriges Schaf, dem er 4 Drachmen Opium in einer Latwerge einge­geben hatte, starb nach 17 Tagen und nachdem das Thier blos etwas Ekel gezeigt hatte. Vitet gab dagegen einem Hammel 1 Unze Opium in Wein aufgelöst mit dem unbedeutenden Erfolge, dass das Thier mehr Heu frass, als es in gesunden Tagen zu fressen pflegte.
Schweine werden, wenn man ihnen das Opium zu 1—2 Drachmen eingiebt, zuerst inunterer, nachher matt und schläfrig; ihre Augen wer­den röther, die Haut heiss, der Koth geht seltener und trockener ab (Viborg, Anleit. z. Erzieh, u. Benutz, d. Schweins).
Bei Hunden ist es oft schwer, zu bestimmten Eesultaten über die Wirksamknit dieses Mittels zu gelangen, weil ihr Magen eine ausser-ordentliche Empfindlichkeit gegen dasselbe zeigt, und es gewöhnlich bald nach dorn Eingeben wieder ausgebrochen wird; giebt man aber bald nach dem Erbrechen eine zweite Gabe, so wird diese mehrentheils ertragen. Manche Hunde erbrechen sich fast augenblicklich, andere erst 1—5 Stunden nach dem Eingeben des Opiums. Von 5—10 Oran dieses Mittels, in Pillen eingegeben, sah ich sehr selten eine deutliche Wirkung; Charvct' hat dagegen von 5 Gran Opiumextract, nach Verlauf von 30 Minuten, Traurigkeit, Mattigkeit, Zittern der Glieder, häufige Herzschläge, — nach 2 Stunden Zittern des ganzen Körpers, schwankenden Gang, — später starke und langsame Herzschläge, lang­same Respiration, Steifheit der Gliedmaassen und Betäubung, aus wel­cher aber der Hund durch das mindeste Geräusch erweckt werden konnte, entstehen sehen. Die Wirkung dauerte gegen 10 Stunden, worauf das Thier wieder völlig munter wurde. Selbst von 20 Gran bis zu 1 Drachme Opium in einer Gabe sah ich (mit Schubarth-' überein­stimmend) bei manchen Hunden nur sehr geringe, bei andern aber ziem­lich starke Wirkung, deren Zufälle den eben beschriebenen ganz ähn­lich waren, erfolgen; bei mehrern verlor sich auch durch 2—4 Stunden das Gefühl gänzlich, so dass die Thiere von Nadelstichen nicht die ge­ringste Empfindung zeigten; die Pupillen wurden erweitert, der Gang taumelnd, und die Hinterfüsse fast immer, aber bald mehr, bald weniger
1nbsp; Die Wirkung des Opiums und seiner constituireuden Bestandtheile auf die thier. Oekonomie. A. d. Franz. Leipzig 1827. S. 42.
2nbsp; Beitrage zur nähern Kenntniss der Wirkungsart der Arzneimittel und Gifte. — in Horn's Archiv 1823.
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gelähmt; die meisten Hunde lagen während der Wirkung viel auf dem Bauche und hatten Neigung zu schlafen; völlige Betäubung war damit nicht verbunden, denn man konnte die Thiere ohne grosse Mühe aus dem Schlaf enveckeu. — 2—3 Drachmen Opium oder wässeriges Opiumextract erregten ähnliche Zufälle im hohen Grade, Couvulsionen, auch wirkliche Betäubung, Lähmung des Hintertheils und den Tod. — Die Zeit, in welcher die Symptome eintraten, war bei den einzelnen Versuchen sehr verschieden; zuweilen bemerkte man nach 5 Minuten schon die beginnende Wirkung (besonders wenn die Anwendung in flüssiger Form geschah), in andern Fällen gingen '2— 3 Stunden vorüber, ohne class eine deutliche Spür der Wirkung sich zeigte. Eben so war die Dauer der letzteren sehr verschieden, von 3 —15 Stunden aus­gedehnt.
Die durch 1—'2 Tage fortgesetzte Anwendung massiger Gaben des Mittels erzeugt bei allen Thiereu Trockenheit im Maule, etwas Auftreibung des Leibes und Verstopfung desselben. Dies deutet eine auffallende Verminderung in der Absonderung der Schleimhäute und in der peristaltisclien Bewegung an. In die Ausscheidungssäfte geht das Opium (und Morphium) wenig über. In dem Harn konnte man Morphium erst nach langem Gebrauch des Mittels entdecken; die Milch von Ziegen zeigte nach dreiwöchentlicher Fütterung mit Opium und Morphium keine Wirkung auf Kaninchen (Lewaid).
Eine wässerige Auflösung- von 1 Drachme des Opiums in deu Mastdarm gespritzt, scheint, nach Orfila's Versuchen1 an Hunden viel kräftiger zu wirken, als bei innerlicher Anwendung; Pferden brachte ich auf diese Weise eine halbe bis ganze Unze des Mittels bei, ohne dass hierauf eine merkliche Wirkung entstand.
Einspritzungen einer Auflösung von '/j,—2 Drachmen Opium oder Opiumextract in 1—4 Unzen Wasser in die Drosselvene eines Pferdes, verursachen nach wenigen Minuten härteren, vollen, schnellen Puls, munteren Blick, dunklere Rüthung der Schleimhäute, öfteres Wichern mit heller Stimme, Scharren mit den Füssen, angestrengteres Athmeu, grössere Wärme der Haut; nach 8—12 Minuten Verminderung der Zahl der Pulse und der Athemzüge, Erweiterung der Pupille, stieren, selbst etwas wilden Blick, schwankenden Gang, Taumeln, Niederstürzen; zuweilen verschwindet nach 20—40 Minuten das Vermögen zu seilen, und die Thiere laufen mit dem Kopfe gegen Wände und dgL; auch drängen sie dann beständig vorwärts und benehmen sich ähnlich wie bei dem Dummkoller; manche Pferde sind durch 1 — 2 Stunden völlig unempfindlich und bewusstlos, bei andern zeigt sich aber die Wirkung nicht in diesem hohen Grade. Die Excretioncn des Kothes und des Urins erfolgen in der ersten Zeit seltener als sonst, aber später, d. h. nach 4—8 Stunden tritt oft sehr reichliches Uriniren ein und zuweilen folgt auch Schweiss. Die Dauer der ganzen Wirkung ist sehr ver­schieden, von 4 bis auf 12 und mehrere Stunden ausgedehnt, und in einigen Fällen bemerkte man noch am zweiten Tage eine Schwäche der
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Toxieologie, Bd. 2. S. 150.
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Gliedmaassen. — Taburin sähe nach wiederholter Injeetioi' einer Auf­lösung- des Opinmextractes bei einem Pferde eine tödtlielic Indigestion entstellen.
Bei Hunden entstehen naeh der Infusion von ;i—5 Gran Opium, welches in eben so viel Drachmen Wasser gelöst ist, ganz ähnliche, aber mehrentheils stärkere Zufälle wie bei Pferden; besonders ist die Abgestumpftheit, die Neigung zu schlafen, und die lähmungsartige Schwäche der Hinterfüsse immer sehr deutlich wahrzunehmen. Die Wirkung tritt fast augenblicklich ein, dauert 2 —(i Stunden und geht mehrentheils in völlige Gesundheit über; nach einer Infusion von 8 bis 10 Gran Opium erfolgt aber gewöhnlich der Tod, jedoch zuweilen erst nach 24 Stunden (bei Orfila's Versuchen einmal sogar erst nach 8 Tagen).
Im Cadaver der, von zu grossen Gaben des Opiums gestorbenen Thiere ündet man die Blutleiter, die Venen der weichen Hirnhaut, des Gehirns und des Rückenmarkes voll von schwarzem Blut, — die Lun­gen blassroth und knisternd, aber mit schwarzen, derben Flecken ver­sehen, — das Herz mit schwarzem Blut erfüllt, — den Magen oft mit Futter angefüllt, oft leer, oder eine bräunhehe, nach Opium riechende Flüssigkeit enthaltend, an seiner innern Fläche gewöhnlich blass, oft mit einer Schicht von grauem Schleim bedeckt, den Uaimkanal ohne Entzündung, die Harnblase mit Urin erfüllt.
sect;. 367.
Die Anwendung- Aes Opiums als Heilmittel gegen Krankheiten der Thiere ist durch gültige Erfahrungen noch nicht so begründet, dass man durchaus bestimmte Kegeln dafür angeben könnte, und man wird sieh daher in der Hauptsache hierbei an die, im sect;. 363 im Allgemeinen bezeichneten Anzeigen und Gegenanzeigen halten müssen, mit Rück­sicht auf die Eig-cnthüinlichkeiten der Wirkung dieses Mittels. Manche Thierärzte haben das Opium für unwirksam in Thierkrankheiten er­klärt, weil es von gesunden Thieren in so grossen Gaben ertragen wird, ohne dass es Schlaf macht; sie sind aber im grossen Irrthum. Denn Beobachtungen an kranken Thieren, die ich selbst in grosser Zahl ge­sammelt habe, beweisen: dass hier das Opium in viel geringerer Dosis wirkt und dass es bei rein nervös-erethischen Krankheiten, wo also e-e-steigerte Empfindlichkeit, Reizbarkeit und Beweglichkeit ohne primäre Aufregung des Gefasssystcms besteht, namentlich bei Schmerz und bei Krämpfen mit diesem Character, bei nervösen-, nicht mit Congestion i-dcr Orgasmus verbundener Unruhe, Aufregung- und Schlaflosigkeit, bei örtlicher nervöser Reizbarkeit in den Augen, in den Schleim­häuten u. s. w., besonders wenn sie mit beständigem Reiz zum linsten, mit zu reichlichen, wässerigen und andern Absonderungen und mit zu schneller peristaltischer Bewegung, dalier mit Diarrhöe, mit starkem Drängen zur Koth- und Urinentleerung-, mit Erbrechen und dgl. ver­bunden ist, ein ganz vortreffliches Beruhiguugs-, Liudernngs- und Heil­mittel. Eben so ist es, vermöge seiner Eigenschaft: die Blutthätigkeit
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zu erhöhen, zu erhitzen, Hautkrampf zu beseitigen, ein diaphoretisches Mittel, welches bei frisch entstandenen Ivheumatismen sich oft sehr nütz­lich gezeigt hat. Im Besondern ist über die Krankheiten, in denen es angewendet wurde. Folgendes zu bemerken:
1)nbsp; nbsp;Bei Schmerzen. Schmerz ist Symptom sehr verschiedener Krankheitszustiinde, im Allgemeinen aber dadurch bedingt, dass a) die Empfindlichkeit eines Theils allein bis zum Uebermaass erhöht ist, oder b) dass zugleich eine, Blutreizung oder Entzündung in ihm Statt findet, — oder e) dass zugleich mechanische Missverhältnisse, die reizend wir­ken, bestehen. Nur bei Schmerzen der erstem Art vermag das Opium etwas zu leisten; bei denen der zweiten ist es oft zweifelhaft und bei denen der dritten Art bleibt es ohne günstigen Erfolg und zuweilen wirkt es sogar entgegengesetzt, mehr reizend.
2)nbsp; nbsp;Bei dem Starrkrampf der Pferde, Schweine und Hunde habe ich das Opium oft versucht, aber nur dann nützlich befunden, wenn die Krankheit als reines Nervenleiden bestand, und wenn noch kein Fieber und kein Schweiss eingetreten war. Laubender1 empfahl es hierbei nach der vom Dr. Schütz angegebenen Methode, abwechselnd mit Kali carbon, zu gebrauchen, und zwar so, dass man einem Pferde zu­erst 1 Scrupel kohlensaures Kali, in der folgenden Stunde 1 Scrupel Opiumtinctur, in der dritten Stunde l1 4 Scrupel Kali, in der vierten Stunde eben so viel Opiumtinctur, in der fünften Stunde 1'/ä Scrupel Kali und in der sechsten Stunde eben so viel Opiumtinctur giebt, — die folgenden Gaben aber in demselben Verhältniss vermindert und also in der zehnten Stunde wieder nur 1 Scrupel von der Tinctur, mit Kamillen-Infusum anwendet. Dabei müssen Bäder oder wenigstens Waschungen von warmer Kalilauge gemacht werden. — Die bezeich­neten Gaben sind zu klein; ich habe aber von dieser Methode, selbst wenn ich die Gaben verdoppelte, keinen so ausgezeichneten Erfolg ge­sehen, wie Laubender. Dagegen schien die Verbindung des Opium­pulvers mit Stinkasant, mit Hirschhornöl und bei Verstopfung des Leibes auch mit Glaubersalz oft nützlich zu sein.
3)nbsp; nbsp; Bei clonischen Krämpfen mit zu grosser Empfindlichkeit, namentlich bei heftiger Krampfkolik (besonders wenn sie aus Erkäl­tung entstanden ist), bei krampfhafter Harnverhaltung, bei Zuckungen und Convulsionen, z. B. bei der Staupe der Hunde und dgl. Bei der bezeichneten Kolik der Pferde habe ich die heilsame Wirkung des Opiums sehr oft, wo die Heftigkeit der Zufälle allen andern Mitteln hartnäckig widerstand, ganz unverkennbar eintreten sehen. Bei Darm­entzündung, bei Ueberfütterungs- und bei Verstopfungskolik ist aber von dem Ojnum kein Nutzen zu erwarten. Ich gebe es bei jenen krampf­haften Zuständen mehrentheils mit aromatischen Mitteln, namentlich bei Krampf kolik, mit Kamillen brühe, oder auch, wenn die Ausleerun­gen anhaltend unterdrückt sind, in einer schleimigen oder schleimig-fetten Flüssigkeit.
4)nbsp; nbsp;Gegen den Schwindel und die Epilepsie der Pferde. Hier ist
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1 Theoret. parkt. Handb. d. Thierheilk. 1. Bd.
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Opium (auch Hyoscynmus und Belladonna) von specifisclicr Wirksam­keit, wenn das üebel nicht offenbar mit Blutandrang zum Gehirn ver­bunden ist. Die Stärke und das volle Aussehen des Körpers entscheidet hierüber nichts, sondern nur die Beschaffenheit des Pulses, die Fülle oder die Leere der Venen am Kopfe und die Farbe der Schleimhäute an demselben zur Zeit des Paroxysmus. Man giebt hier das Opium am besten mit Baldrian, Hirschhornöl, Hirschhornsalz, Kampher u. a. erregenden Mitteln.
5)nbsp; nbsp;Gegen asthenische, sehr schmerzhafte Lungencntzündurigen. Das Opium scheint hier besonders dann nützlich zu sein, wenn durch vorausgegangene Elutentziehungen und kühlende Salze die eigentliche Phlogosis des Blutes in der Hauptsache beseitiget ist, die zu grosse Reizbarkeit, der kranken Theile aber noch fortbesteht. Es wird hier­bei, je nach den übrigen Zufällen, mit Bleizucker, Digitalis, Brechwein-stein. Calomel und dgl. angewendet.
6)nbsp; nbsp;Bei schmerzhaftem und krampfhaftem Husten, welcher nicht durch Entzündung bedingt ist. Hier leistet es gute Dienste in Verbin­dung mit Schleim, Erechwcinstein, Salmiak, Schwefel und dgl. Mitteln.
7)nbsp; nbsp;Bei Euhr und andern heftigen Durchfällen, auch wenn die­selben durch zu grosse Gaben von Abführungsmitteln entstanden sind, hauptsächlich aber, wenn hierbei der oben bezeichnete Character der nervösen Reizbarkeit besteht, ist das Opium eins der wirksamsten Mittel, und wird theils für sich allein, theils in Verbindung mit schlei­migen, oder mit bittern, selbst mit aromatischen Mitteln, mit Phabarber und dgl., je nachdem der Grad der Beizbarkeit und der Schwäche es verlangt, innerlich und in Clystiren angewendet.
8)nbsp; Bei geschwächten Verdauungseingeweiden und bei daher ver­minderter Fresslust hat es Eysz empfohlen; •— hier leisten aber an­dere Mittel stets bessere Dienste.
9)nbsp; nbsp;Bei der Gelbsucht der Schweine empfiehlt Viborg1 das Opium in Verbindung mit Salmiak, mit bittern Mitteln und mit weisser Seife in einer Mehlpille; — es ist aber hier durch Salze (Weinstein, Glauber­salz), mit bittern Mitteln, und vorzüglich durch die Aloe zu ersetzen.
10)nbsp; Beim Vorfall des Mastdarms der Schweine, wenn der heraus­getretene Theil sehr roth und schmerzhaft ist, soll man, ebenfalls nach Viborg, 1 Drachme Opium in ]/.2 Pfund Oel aufgelöst, auf einmal ein­geben. Auch hier giebt es bessere Mittel zur Heilung des Vorfalls, aber das Opium vermindert den Keiz zum Drängen und wird dadurch nützlich.
11)nbsp; nbsp;Gegen das Verwerfen der trächtigen Sauen, wenn dieselben sehr mager und schwächlich sind, empfahl Viborg bei den ersten Er-scheimmgen 1/ä Drachme Opium auf solches Futter zu geben, welches sie gerne fressen (damit die mit dem Eingeben verbundene Anstrengung vermieden werde).
12)nbsp; nbsp;Gegen den Milzbrand wollen es Ithen2, Laubender u. A.
1nbsp; Erzieh, und Benute. d. Schweins. S. 125. 139. 141. 154.
2nbsp; Teufel's Magaz. S. 284.
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mit Nutzen gebraucht haben; ich finde es hier ganz unpassend, und ge-wiss ist es durch bessere Mittel zu ersetzen. Aeusserlich wendet man das Opium an:
1)nbsp; Bei dem Wundstarrkrampf, zum Verbinden der quot;Wunden, — entweder eine concentrirte wässerige Auflösung (1 Drachme Opium auf
1nbsp;—11/2 Unze lauwarmes Wasser), oder eine Verbindung mit einem milden Oel (in denselben Verhältnissen), — seltener die Tinctur. Die Erfahrungen über den Xutzen stehen noch nicht fest.
2)nbsp; nbsp;Gegen schmerzhafte (erethische) Augenentzüudungen asthe-uisoher Art, besonders wenn schmerzhafte Geschwüre auf der Horn­haut bestehen. Desgleichen bei innern Augenentzündungen der be­zeichneten Art, und wenn Blut oder ausgeschwitzter Faserstoff in die vordere Augenkammer ergossen ist. — Man wendet bei diesen Zustän­den in der ersten Zeit mehrentheils das Opium in Verbindung mit schleimigen Flüssigkeiten an, indem man z. B. 1 Pfund einer Malven-krautabkochung mit 1/2—1 Drachme Opiumpulvers gut abreibt; später benutzt man es in Verbindung mit Aufgüssen von aromatischen Kräu­tern, und dann auch wohl die einfache Opium tinctur, von welcher man
2nbsp; Drachmen bis '/j Unze zu 1 Pfund Colatur setzt.
3)nbsp; nbsp;Bei Verdunklung und bei Flecken der Hornhaut, wenn sie noch nicht zu sehr veraltet, nicht ganz weiss und glänzend sind, ist das Opium ein sehr wirksames, die Eesorption beförderndes Mittel; es wird hier bald als Pulver zu Salben gesetzt, z. B. zur grauen Mercurialsalbe, zur rothen Präcipitatsalbe ('/^—1 Drachme zu 1 Unze Salbe), bald als Tinctur, entweder diese für sich allein, oder in Verbindung mit Auf­lösungen von Zinkvitriol, von Sublimat und dgk angewendet.
Als Clystir bei schmerzhaftem Durchfall, besonders wenn die Thiere anhaltend heftig auf dein Mastdarm drängen und wo dieser selbst sehr gereizt oder vorgefallen ist, bei Vorfall der Gebärmutter, bei Blasenkrampf und dgl. benutzt man das Opium mit schleimigen Mitteln; z. B. für 1 Pferd 20 Gran Opiumpulver, abgerieben mit 6—8 Unzen Leinsamenschleim.
sect;. 368.
Die Gabe von dem Opium in Substanz und zur innerlichen An­wendung ist für Pferde 1 Scrupel bis l1/2 Drachme, fürEindvieh !/, bis 2 Drachmen, für Schafe 1 Scrupel bis 1 Drachme, für Schweine 5 bis 20 Gran, für Hunde 1 —10 Gran. Bei jungen Thieren darf die Gabe stets nur sein- klein sein. Die Wiederholung richtet sich nach der Stärke und Dauer der Zufälle und kann z. B. bei heftiger Kolik in Zwischen­zeiten von einer Stunde, bei dem Starrkrampf, bei Husten, bei Diarrhöe und dgl. anhaltenden Krankheiten, in Zwischenzeiten von 3—4 Stun­den geschehen. — Die flüssige Form ist die zweckmässigste. Ueber die Verbindung mit andern Mitteln, so wie über die äusserliche Anwen­dung ist das Nöthige im vorigen sect;. angegeben.
Anmerkung. 1. Das Opium ist ein theurcs Medicament, deshalb bei Thieren von geringem Werth nicht allgemein anzuwenden, und mehrentheils durch andere Mittel, z. B. durch Mohnköpfe, zu ersetzen. (1 Scrupel kostet 1 Sgr. 10 Pfg.)
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Anmerkung 2. Das Morphium, der Hauptbestandtbeil lies Opinms, ist ein Alkaloid, im kalten Wasser fast ganz unlöslich, in 400 Theilen kochenden Wassers, so wie in 40 Th. kalten oder IS Th. kochenden Alkohols, auch in fetten und ätherischen Oelen löslieh. — ist geruchlos, schmeckt anhaltend bitter und bildet mit Säuren leichter aufKisliehe Salze, namentlich das essigsaure, schwe­felsaure und das salzsaure Morphium (JUorph. aoetimm, snlfurioim und Morph. hijdrochlomttim). Wie bereits oben (sect;. 305) erwähnt, wirkt das Morphium dem Opium sehr ähnlich, aber etwas mehr örtlich reizend, im Darmkanal weniger Ver­stopfung- erregend und, bei Menschen einen mehr unruhigen, durch Träume ge­störten Schlaf; bei Thieren ist Letzteres noch nicht gehörig festgestellt und eben so ist die Grosse der zur Erzeugung der verschiedeneu Wirkungsgrade bei den ein­zelnen Thieren erforderliehen Gaben noch nicht gehörig ermittelt. Nach einigen von mir gemachten Versuchen wirkt es ungefähr dreimal stärker, als Opium; daher sollte die Gabe etwa ein Drittbeil von diesem sein. Eben so zeigten sich die ge­nannten Morphiumsalze; doch trat von ihnen die Wirkung schneller ein, — was wohl in ihrer grösseren Auflöslichkeit beruhet.
Das Morphium und seine Salze sind sehr theuer (1 Gran 8 Pfg) und deshalb in der Thierheilkunde äusserst wenig gebraucht. Die innere Anwendung kann in Pillen, Latwergen, in schleimigen Flüssigkeiten, oder auch ä'usserlich geschehen. Bei einem an Tetanus leidenden Pferde, welchem das Maul bereits gänzlich ver­schlossen war, wurden in zwei Haarseilwnnden, in jede derselben 12 Grnn Jforplihim acetiemu gebracht, worauf bald deutliche Besserung und nach 9 Tagen Heilung er­folgte.
Die übrigen Bestandtheile des Opiums sind nicht gebräuchlich. Narcotin soll, nach Magendie und Brera, das aufregende Princip im Opium sein. 30 Gran brachten bei Hunden heftige Gehirn- und Riickenmarksaffection und in einzelnen Fällen den Tod. — Code'in ist der Wirkung des Morphium sehr ähnlich; erst nach 2 Grammen (circa 30 Gran) erfolgte bei einem Hunde der Tod. — Narc ei'n hat sich bei Menschen in Gaben von 2—8 Grau unwirksam gezeigt; Hunden 1;4 Gran in die Vene injicirt-, erzeugte es Zittern, erschwertes Athmen, Unempfindlichkeit im Hin-terlheil, aber keine Betäubung, und die Hunde erholten sieb schnell wieder. — Meconin war an Hunden innerlich zu 3—5 Gran, und bei der Injection eines ganzen Grans in die Vene, ohne Wirkung. — Meconsäure eben so. — Das über Opium destillirte Wasser, welches die flüchtigen Riechstoffe des Opiums enthält, brachte in der Gabe von 21'., Unzen bei Hunden keine Wirkung hervor.
Anmerkung 3. Als pharmaceuiische Präparate des Opiums sind gebräuchlich:
a. Wässeriges O pinm-Kxtract (Brtrnctum Opii eupiosum). Sein Gehalt an Morphium ist nicht bekannt, seine Wirkung der des Opiums ähnlich. Man giebt es wie dieses, aber nur hei kleinen Thieren, und weil es im Wasser auf löslich ist, wird es zuweilen als Zusatz zu Augennässern gebraucht. Für allgemeine Anwen­dung ist es zu theuer. (1 Serupel 3 Sgr. 10 Pfg.)
/gt;. Einfache Opium-Tinetur (Tinclnra Opä simplex s. Tinct. Thcbaica), (4 Th. Opium in 19 Th. rectificirten Weingeist und 19 Th. Wasser 8 Tage macerirt, dann ausgepresst und filtrirt). Sechszehn Tropfen wiegen 10 Gran und enthalten die auflösliehen Bestandtheile von circa 1 Gran Opium: da sich aber nicht Alles auflöst, so ist die Wirkung gewiss mehr als zehnmal schwächer wie die des Opiums. Hiernach müssen die Gaben sehr gross genommen werden. Deshalb ist dieses Mittel bei grossen Thieren wenig benutzt; es kann aber überall wie Opium selbst gebraucht werden; insbesondere hat sie sich (1 Th. zu 4 Th. ) Tinct. ßhei gegen Durchfall oder Absatzkälber nützlich gezeigt (1 Drachme 1 Sgr.)
c.nbsp; nbsp; Safranhaltige Opium - Tinct ur, Sydenham's flüssiges Lau­danum (Tinctm-a Opä croc.uta s. Laudanvm liqiddnm Rydcnhami), (IC Th. Opium. II Th. Safran, 1 Th. Gewürznelken, eben so viel Zimmt mit 152 Th. Madeirawein 8 Tage macerirt u. s. w.). Der Gehalt an Opium und die Stärke der Wirkung ist wie bei der einfachen Tinetur. Das Mittel ist theurer, noch weniger im Gebrauch als das vorige. (1 Drachme 2 Sgr.)
d.nbsp; nbsp; Dowersches Pulver (Palvü Dmrrri, $. Ipeeacwanhae npiatus), besteht aus 8 Th. gepulvertem schwefelsaurem Kali, 1 Th. gepulverter Brecbwurzel und 1 Th. Opium. Es enthält also von dein letztern '/lui wirkt beruhigend, krampf­stillend, diaphoretisch, leis'tet bei heftigen rheumatischen Aflectionen und Krämpfen
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iler Hunde gute Dienste und wird bei denselben in Gaben zu 5 — 20 Gran ange­wendet. (1 Drachme 1 Sgr.)
Anmerkung 4. Die in unscrn Gegenden gebaueten Mobnpflanzen enthalten in den grünen Stengeln, in den Blättern, und vorzüglich in den unreifen Samenkapseln (den Mobiiliiiipi'eii), einen Saft, der in seinen Bestandtbeilen und Wirkungen dem orientalischen Opium sehr ähnlich, aber viel schwächer ist. und aus welchen man auch ivirkliches Opium gewonnen hat. Man kann daher die Blätter und die unreifen Mohnköpfe {Capita Papaveris wmiatura) entweder frisch, oder vorsichtig getrocknet, in allen Fallen, woman Schmerz, Krämpfe, heftige Reizung oder erethische Ent­zündung beseitigen will, innerlich und äusserlich als ein wohlfeiles Ersatzmittel des Opiums benutzen. Pferden und Kindern gieht man von den frischen Mohnköpfen 8 —10, von den getrockneten 10 —12 Stück in einer concentrirten Abkochung mit Ya Quart Wasser; für grosse Hunde sind von den irischen Köpfen Ya—1 ganzer, von den trockenen 1— 2 Stück zu 3 Unzen Colatur und für eine Gabe hinreichend. — Aeusserlich gebraucht man die zerschnittenen und gekochten Mohnköpfe zu Clystiren, zu Breiumschlägen, zu Bähungen und dgl.
Anmerkung 5. Der wil de Mo hn oder die sogenannte Klatschrose (Papa-ve?- Bkoens) besitzt ähnliche narkotische, aber mehr aufregende Wirkungen, wird aber als thieriirztliches Heilmittel nicht benutzt. Die Pflanze hat sich im frischen Zustande mehrfältig, besonders für Rindvieh, sehr giftig gezeigt. Ks waren nach dem Genuss von Grünfutter, in welchem sie sich in Menge befand, zuerst Unruhe, Brüllen, selbst Tobsucht, stierer Blick, grosse Erweiterung der Pupille, harter voller Puls, gänzliche Appetitlosigkeit. Aufblähung, späterhin Betäubung, schlafsüchtige Zufälle, trockenes, kaltes Flotzmaul, Kälte der Ohren und Küsse und dgl. einge­treten. Die Section zeigte Entzündung der Schleimhaut im ersten und zweiten Magen, der Nieren u. s. w. Als Gegenmittel hierbei dienen: in der ersten Periode Essig, Neutral- und Mittelsalze in grossen Gaben, Sturzbäder von kaltem Wasser, bei sehr heftigen Zufällen selbst Aderlässe; späterhin schwarzer Kaffee und eben­falls Sturzbäder. Siehe: Magaz. f. Thierheilk. v. Gnrlt und Hertwig, Bd. 4. S. 518; Bd. 25. S. 461. — liecueil de. med. vctiir. \i. 99.; — und Archiv Schweiz. Thierärzte, 1844).
2) Schwarzes Bilsenkraut und dessen Samen, Hcrba et Semen Hyoseyaminigri.
sect;. 369.
Die Wirksamkeit dieses Mittels ist hauptsächlich von einem eigen-thümlichen Alkaloid, dem Hyoscyamin abhängig1, welches sich in Verbindung mit Aepfelsäure, neben Harz, Schleim und Extractivstoff in den Blättern und Samen vorfindet. Es besteht auch in dem Bilsen-krautextract, und da es leicht auf löslich in Wasser, Weingeist, Aether und fetten Oelen ist, ist es auch in den Präparaten wirksam. Es wird nicht benutzt.
Die Kenntniss der Wirkungen des Bilsenkrautes auf gesunde und kranke Thiere ist zum Theil noch unsicher. Manche behaupten, dass junge Gänse und andere Vögel hauptsächlich vom Hühnergcschlecht, von dieser Pflanze getödtet, wilde Schweine aber gelähmt werden; nach andern soll es dagegen Kühen, Ziegen, Schafen und Schweinen un-
1 Heu singer fand, dass eine grosse Erweiterung der Pupille entstand, welche bis zum siebenten Tage dauerte, wenn man 1 Gran Hyoscyamin in 1 Drachme Wasser gelöst, und hiervon einige Tropfen ins Auge gebracht hatte. Diese Wirkung ist übereinstimmend mit der von Atropin und Daturin, aber schneller eintretend, stärker und dauernder.
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schädlich sein, und die Schafe sollen es gern fressen'. Gohier2 be­merkte bei den Pferden, denen er 3—4 Unzen Bilsenkraut im Decoct gegeben, blos eine grosse Erweiterung- der Pupille, Zuckungen an den Lippen, unregelmässigen, vermehrten Puls (von 35 Schlägen bis auf 60, selbst 72 in der Minute) zuweilen auch Zuckungen am Halse. Diese Zufälle dauerten 3 — 5 Stunden, und die Pferde waren darauf völlig munter. — Rafn und Viborg (Samml. Bd. 3. S. 143) gaben einem Pferde von der frischen Wurzel 2 Pfund; das Thier zeigte darauf Widerwillen gegen Putter, wurde aufgetrieben und in der folgenden Nacht unruhig. Der Puls war nicht verändert, und am folgenden Tage zeigte sich das Pferd wieder ganz wohl. — Von 1 '/a Pfund des aus-gepressten Saftes entstand bei einem Eselhengst am ersten Tage keine Veränderung, aussei- dass die Fresslust vermehrt wurde; am folgenden Tage war der Puls von :-!4 bis auf 60 und 70 Schläge in einer Minute vermehrt, das Athmen schneller und angestrengter. Am dritten Tage bestand derselbe Zustand, am vierten war das Thier wieder wohl. — Ein 16 Jahr alter Wallach, dem man 1 Pfund des halbreifen Samens gegeben, zeigte schon nach einer halben Stunde eine Vermehrung der Pulse von 34 bis auf 60 in einer Minute, heftiges Flankenschlagen und ausserordentlich grosse Fresslust. Am folgenden Morgen war der Puls natürlich, aber gegen Mittag wurde das Thier plötzlich rasend, warf sich nieder, sprang umher und hatte starkes Flankenschlagen; nach einer Stunde wurde es wieder ruhig, hatte aber 60 Pulse und zeigte grossen Appetit zu Futter und Getränk. Der Puls blieb noch bis zum sechsten Tage vermehrt, am siebenten war aber der normale Zustand völlig wieder eingetreten. —#9632;
Bei mehrern andern Pferden sah Viborg von gleichen Gaben der Bilsenkrautsamen blos vermehrten Appetit, schnellere Pulse und etwas Aufgetriebenheit des Leibes entstehen; ich habe bei Pferden und Kühen das frische und trockene Kraut, die Wurzel und den Samen in Gaben von 6—12 Unzen, und das Extract von 2—8 Drachmen versuchsweise angewendet und hiernach nur dieselbe Wirkung, wie Viborg bei seinen Versuchen, entstehen sehen.
Eine Kuh, welche eine unbestimmte Quantität frisches Bilsenkraut im Anfange des Frühjahres gefressen hatte, fiel hierauf nach 2 Stunden plötzlich nieder und machte verschiedene unregelmässige Bewegungen; die Pupille war sehr erweitert, die Conjunctiva wie injicirt und blau-roth gefärbt, die Carotiden pulsirten so heftig, dass man es sehen konnte. Als man das Thier am Vordertheile unterstützte, machte es heftige Anstrengungen zum Aufstehen, was aber nur sehr schwer ge­lang. Bei dem Versuch, einige Schritte zu gehen, stürzte sie sogleich wieder nieder, indem sie mit dem Kopfe gegen die Erde stiess. Es traten Convulsionen ein, das Athmen ward krampfhaft und laut röchelnd, vor das Maul trat dicker Schaum, Darmansleerungen fanden fast in jedem Augenblicke Statt. Das aus der Schwanzarterie gelassene
1nbsp; Viborg, Samml. Bd. 2. S. 304.
2nbsp; Observations etExperienc. sur le Pain moisi, et sur quelques Poissons etc.p. 42.
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Blut floss zuerst in einem sehr dünnen Strahl und hatte die Farbe der Mistjauclie, es wurde aber bald heller, der Strahl dicker, dabei die Pupille enger, und alle Zufälle minderten sich (siebe Cruzel, im Journ. pr. de me'd. vcte'r. 1828. j). 44).
Ein kleiner Hund ertrug 2 Unzen des frischen, aus den Blättern gepressten Bilsenkrautsaftes ohne bemerkbare Folgen. Das Extract verursachte in der Gabe von 1I.) 1 Drachme bei einigen Hunden gar keine Wirkung, aber ein Hund bekam nach dem Eingeben von 45 Gran desselben Erbrechen und Mattigkeit, nach G Stunden aber sehr aufge­regten Geschlechtstrieb und sehr reichliches üriniren. Diese Zufälle gingen bald wieder vorüber. 2 Drachmen Extract verursachten bei einem Hunde, dem nach dem Eingeben der Schlund zugebunden wurde, zuerst nach i//, Stunde Unruhe, Neigung zum Erbrechen, nnrcgelniäs-sigen, schnellen Herzschlag, Erweiterung der Pupille. Diese Symptome nahmen binnen 5 Stunden zu, minderten sich dann und waren nach 8 Stunden fast ganz verschwunden (Schnbarth a. a. 0.). — Ein Decoct von 1'/s Unzen der Wurzel mit 3 Unzen Wasser bereitet, be­wirkte bei einem Hunde Winseln, Anstrengung zum Erbrechen, Un-empfindlichkeit, Convulsionen und den Tod (Orfila).
Injectionen von 2—4 Drachmen einer Bilsenkiauttinctur (aus 2 Drachmen trockenen Krautes mit l1/^ Drachme rectificirtem Wein­geist, durch Digestion, wie die Nieswurztinctur bereitet) in die Drossel­vene, verursachen bei Pferden sogleich Unruhe, ängstliches Trippeln mit den Eiissen, schnellen, vollen, harten, zuweilen aussetzenden Puls, schnelles, tiefes Athmen; dann Zittern am ganzen Körper, stieren Blick, Erweiterung der Pupille, Mattigkeit, verminderte Empfindlichkeit, Sen­ken des Kopfes, Taumeln, unregelmässige Stellung. Oft wechselt der Zustand mit mehrmaligem Nachlassen und mit Wiederkehr der Sym­ptome; zuweilen tritt momentan Käserei ein; Koth und Urin werden mehrmals und mit vieler Anstrengung entleert. Die Wirkung ist 5 bis 20 Stunden bemerkbar, und am längsten dauert die Erweiterung der Pupille. — 1 Unze dieser Tiuctur einem Pferde in die Venen gespritzt, verursachte schreckliches Toben, völlige Bewusstlosigkeit, profusen Schweiss, Convulsionen und nach 2 Stunden den Tod. — Ein Hund zeigte nach Injection einer Auflösung von 10 Gran des Extractes in 2 Drachmen Wasser, sogleich Taumel, sehr grosse Erweiterung der Pupille, Uneinpfindlichkeit, Schlaf, nach 21/i Stunden Erbrechen und Kothentleerung; nach 4 Stunden war er wieder völlig munter. — 18 Gran des Extractes erzeugten die nämlichen Zufälle; aber die In­jection von 45 Gran desselben führte (bei Orfila's Versuchen) den Tod binnen .'S Minuten herbei. — Die Application von 2—4 Drachmen des Extractes auf Wunden, verursachte ganz ähnliche Erscheinungen wie bei der innerlichen Anwendung, und nach 4 — 5 Stunden erfolgte der Tod.
Die Section der, auf eine oder die andere Weise durch Bilsenkraut getödteten Thiere zeigt: Ueberfüllung der Hirnvenen mit schwarzem Blut, die Lungen bald ganz normal, bald mit schwärzlichen Flecken be­setzt, die rechte Hälfte des Herzens mit schwarzem, die linke Kammer
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aber mit hellrotliem Blut angefüllt; Magen und Darmkanal ganz ge­sund, und besonders niemals entzündet.
sect;. 370. Aus diesen Tliatsaclicn ergiebt sieb: dass das Bilsenkraut auf ge­sunde Thiere bei mnerlicher Anwendung in massigen, selbst in ziemlich starken Gaben fast allein eigeiitbümlich erregend auf die Lebensthätig-keit des Blutes wirkt, namentlich in kleinen Gaben die Zahl der Pulse vermindert, in sehr grosseu Gaben aber dieselbe bald darauf wieder abnorm steigert, rein narkotische Wirkungen eigenthümlicher Art er­zeugt, besonders die Vorstellungen und das Bewusstsein der Thiere verwirrt, und die Sensibilität im hohen Grade vermindert. — Das letz­tere findet schon nach massigen Gaben Statt, wenn die Empfindlichkeit krankhaft zu sehr aufgeregt ist. Das Bilsenkraut erscheint fast als das reinste Narkoticum, weil es keine Spur einer Entzündung, weder an den Stellen der unmittelbaren Einwirkung noch au andern Organen erzeugt.
sect;#9632; 371. Als innerliches Arzneimittel ist das Bilsenkraut bisher nur sehr wenig von den Thierärzten angewendet worden, und specielle Indi-cationen für seinen Gebrauch sind in den thierärztlichen Lehrbüchern nicht enthalten. Selbst die meisten Schriftsteller über thierärztliche Arzneimittellehre gehen schnell oder verachtend über dieses Heilmittel weg. Moirond meint, dass es wie die übrigen narkotischen Mittel an­gewendet werden könne, dass es aber vor der Belladonna und dem Opium keinen Vorzug verdiene. Am rechten Orte gebraucht, hat es aber wohl einen Vorzug vor diesen Mitteln; denn es erregt stark die Blutthiitigkeit ohne örtlich zu reizen, und hierauf gründet sich die Haupt-Indication für seineu Gebrauch, nämlich: dass man es da an­wendet, wo die Blutthätigkeit zu sehr vermindert und dabei die Ner-venthätigkeit einseitig über sie erhöhet, namentlich aber, wo die Sen­sibilität der Theile zu überwiegend ist. Greve1 empfahl es gegen das Blutharnen des Rindviehes, im Zustande der wahren Schwäche als das beste und am schnellsten wirkende Mittel; aber bei dem Blutharnen im Entzündungszustandc vermehrt es das Uebel. Auch benutzte er das Kraut und das Extract in kleinen Gaben beim Nerven- und Paulfieber und in der Windkolik. Er hat jedoch die Art des Nervenfiebers nicht näher bezeichnet; aber das Mittel passt hier gewiss nicht unter allen Umständen. — Ich habe es bei dem atonischeu Blutharnen, bei der Harnruhr mit demselben Character, bei sehr schmerzhaften asthenischen Entzündungen, besonders bei solchen Lungen- und Brustfellentzündun­gen, bei dem sogenannten feuchten Dampf, bei schmerzhaftem Husten und bei dem Dummkoller, wenn derselbe mit keinen Congestioneu be­gleitet war, sehr oft mit dem grössten Nutzen angewendet.
Aeusserlich dient es bei allen schmerzhaften asthenischen Entzün­dungen, bei dergleichen Verhärtungsgeschwülsten, und bei schmerz-
1 Wahrnehmungen am Rindvieh. S. 65.
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haften Wunden, besonders sehniger Gebilde, beim eingetretenen Wund­starrkrampf, bei schmerzhafter Mauke und dgl.
sect;. 372.
Die Gabe von dem getrockneten Kraut' ist für Pferde und Einder von '/o — 3 Unzen, für Schafe, Ziegen und Schweine 2 Drachmen bis
1nbsp; nbsp;Unze, für Hunde 10 Gran bis 1 Drachme, — täglich zwei- bis dreimal.
Die Anwendung geschieht in Latwergen, Pillen, oder im gelinden Decoct; äusserlich entweder gleichfalls im Decoct zu Waschungen und Bähungen, oder auch in Form von Breiumschlägen.
Man giebt das Mittel für sich allein, oder nach Pedürfniss mit andern versetzt. Als ganz vortrefflich habe ich bei dem Blutharnen und bei der Harnruhr die Verbindung des Bilsenkrautes mit dem Bleizucker kennen gelernt.
Anmerkung. Die Wurzel des Bilsenkrautes ist von einigen Thierärzten gegen dieselben Krankheiten, wo das Kraut gebriiuchlicli ist, angewendet worden. Sie soll stärker wirkend sein als dieses und wird deshalb nur in der Hälfte der Gabe desselben gegeben. Entscheidende Versuche hierüber fehlen.
Die B ilsenkrautsa men sollen vortretllich umstimmend auf den ganzen Er-nähi;ungs- und Bildungsprocess wirken und werden deshalb den Pferden zu 4 bis 6 Drachmen, Rindern zu '/a—t Unze. Schafen zu 2 Drachmen, Hunden zu 1 bis
2nbsp; Scrupel pro dosi täglich dreimal, durch 14 Tage fortgesetzt, bei alten Geschwüren, veralteter Druse u. s. w. gereicht.
Das Bilsenkraut-Extra et {Extractnm Hyoscyami) wird Hunden zu 1 bis
3nbsp; Gran, täglich drei- bis viermal in Pillen, Latwergen und Auflösungen gegeben, äusserlich 1—2 Gran zu l Unze Flüssigkeit oder 1 Scrupel zu '/j Unze Fett und dgl. in Salbenform bei erethischen Augenentzündungen angewendet.
Die Tinctur (durch Digeriren von 10 Unzen Bilsenkraut in 8 Unzen und 10 Unzen Wasser bereitet) ist bisher nur versuchsweise bei dem Dummkoller der Pferde in Gaben von 1—3 Drachmen zu Injectionen benutzt worden.
Das Bilsenkr au t ö 1 {Oleum Hyoscyami infusmn s. coctuvi), ist als ein reizmil­derndes Mittel innerlich bei schmerzhaftem Husten, bei Kolik und dgl. (für Pferde zu 3 — 4 Unzen, für Hunde 2 Drachmen bis '/s Unze), und äusserlich bei schmerz­haften Wunden, bei Ohrenzwang der Hunde u. s. w. zu benutzen, — aber auch recht gut zu entbehren. — Das aus dem Samen gepresste Oel wirkt blos wie jedes andere fette Oel. (JFol. Hyoscyami conc. 1 Unze 1 Sgr. 6 Pfg., gr. pulv. 1 Sgr. 10 Pfg., fein pulv. 2 Sgr. 10 Pfg.; Extract 1 Drachme 6 Sgr.)
3) Tollkirscbe, Wolfskirsche, Tollkraut, Waldimchtschaüen (Kraut und Wurzel),
Folia, Hcrba et Radix Beltadomiae.
sect;. 373.
Alle Theile der Pflanze Atropa Belladonna enthalten als wirk­samen Bestandtheil ein Alkaloid, das Atropin (Atropinum); doch sind nur die Blätter und die Wurzel im arzneilichen Gebrauch.
Das Atropin ist in den Blättern als äpfelsaures Salz etwa 1 lji Proc. und in der Wurzel ein wenig mehr enthalten. Im reinen Zustande löst
1 Im ersten Jahre ihres Wachsthums ist die Pflanze fast ganz unwirksam, und auch im zweiten Jahre leistet sie nicht viel, wenn sie vor der Blüthe gesammelt wird; erst mit der Blüthe wird sie vollkommen wirksam, daher das Kraut am besten von der zweijährigen Pflanze gesammelt wird.
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es sich in 300 Th. kalten, in 54 Th. lieissen Wassers, auch leiclit in Weingeist auf; mit Säuren bildet es neutrale Atropiu-Säure, die i.i Wasser und Säuren leicht löslich sind und daher auch im Thierkörper leicht absorbirt werden und so zu ihrer specifischen Wirkung kommen. Am schnellsten zeigt sich dieselbe an der Pupille, welche binnen 15 bis 20 Minuten sehr erweitert wird, wenn ein Tropfen einer Lösung von 1 Gr. Atropiu in 500 Tropfen Wasser oder 1 Th. schwefelsauren Atropin in 1000 Th. Wasser auf das Auge gebracht worden ist. Das Mittel durchdringt hierbei die Cornea und kommt in Berührung mit den 'Ciliarnerven, welche momentan gelähmt werden und daher Er­schlaffung der Kreisfasern der Iris zur Tolge haben, während die Radial­fasem, die vom n. sympathkus Zweige erhalten, durch das Mittel in einen gereizten Zustand versetzt sind. Auch bei innerlicher Anwen­dung dieses Stoffes tritt die Erweiterung der Pupille, so wie Er schlaffung aller Kreisfasern in Muskeln, daher besonders aller Schliess-miiskeln, auch im Darmkanal und in den Arterien, als eine wesent­liche Wirkungserscheinung ein; jedoch nicht im Auge der Vögel, weil die Iris hier nur animalische Pasern enthält.
Die örtliche Einwirkung des Atropin ist zuerst eine reizende; am Auge, noch mehr in Wunden macht es Brennen, selbst Schmerz, der aber allmälig wieder verschwindet und wonach eine Verminderung der Sensibilität in verschiedenem Grade folgt.
Belladonnablätter, Wurzel u. s. w. wirken ganz ähnlich; es sind jedoch über die Wirksamkeit der einzelnen Theile der Belladonna bei den verschiedenen Hausthieren noch nicht genügend erforscht. Viborg1 gab einem 8 Jahr alten Wallach 1 Pfund der frischen Blätter ohne merkliche Wirkung. Greve2 versichert, dass ein Pferd, dem er in einem Tage 2 Pfund frisch gepulvertes Kraut, in zwei Gaben vertheilt gegeben, blos ein wenig mehr Munterkeit zeigte, als sonst. Gohier3 gab ohne üble Folgen einem Pferde ein Decoct von 3 Kilogrammen (mehr als 6 Pfd.) frischer Belladonna; und in der Thierarzneischule zu Alfort hat man bis 5 Unzen der trockenen Blätter gegeben ohne die Pferde zu vergiften. Von ;,/4 Pfund der frischen Beeren wurde ein Pferd blos etwas aufgetrieben, ein anderes, welches über 1 Pfd. Beeren, mit Mehl zu Pillen gemacht, erhalten hatte, wurde in 2 Stunden nach dem Eingeben ebenfalls aufgetrieben, der Puls unordentlich und die Fresslust geringer. Am folgenden Tage war von dieser Wirkung nichts mehr zu spüren. — Die Wurzel gab Pilger4 Pferden bis zu 4 Unzen ohne Nachtheil. Münch sagt5: dass Ziegen die Wurzel dieser Pflanze pfundweis und dass Schafe die Blätter mit Begierde fressen. — An
1nbsp; nbsp;Samml. III. S. 14G.
2nbsp; Erfahr, u. Beobacht. Bd. I. S. 163.
3nbsp; Mcm. sur la med. et la chirurg. vetor. T. II.
4nbsp; nbsp;Versuche, durch den Galvanismus die Wirkung verschiedener Gifte und Arz­neimittel auf die erhöhete oder verminderte Reizbarkeit der Nerven zu prüfen. Giessen 1801.
5nbsp; J. II. MUncli, prakt. Änlcit. wie Beiladonna bei den Tlüereu anzuwenden ist. Stendal 1787.
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einem Sunde sah Viborg von 3 Loth frischer Wurzel keine Wirkung, von 4 (i Loth aber Erbrechen, Unruhe, trübe, tliränende Augen, Er­weiterung der Pupille. Diese Zufälle waren nach 3 — 4 Tagen wieder verschwunden.
Mit diesen Angaben über die geringe Wirksamkeit so sehr grosser Graben vom Kraut und von der Wurzel der Belladonna, stimmen meine Beobachtungen nicht überein1; denn ich bemerkte bei mehr als 20 ver-schiedenen Pferden, denen ich 4— 6 Unzen des trockenen, pulverisirten Krautes, mit Mehl und Wasser zur Latwerge gemacht, in 4 Gaben ge-tbeilt, binnen 4—8 Stunden eingegeben hatte, zuerst eine Erweiterung der Pupillen und etwas langsameren Puls, dann aber zuweilen schon 'nach 5 — (3 Stunden, mehrentheils Jedoch erst am tolgeuden Tage Traurigkeit, Mattigkeit, Erweiterung der Pupille, starren, sehr ängst­lichen Blick, vermehrte Wärme im Maule, dunkle Köthung und Trockenheit der Schleimhaut der Nase und des Mauls, sehr grosse tympanitische Auftreibung des Bauches, pochende, schnelle, bis gegen 90 in einer Minute vermehrte Herzschläge, eben so viele kleine, harte und kaum fühlbare Pulse der Arterien, beschleunigtes, kurzes Athmen, mit starkem Spiel der Nasenläppchen, Appetitlosigkeit, Abgang ein­zelner harter Kothballen, später gänzliche Verstopfung des Leibes. Bei einzelnen Pferden fanden sich ausserdem noch gelinde Kolik-schmerzen, bei andern sehr grosse Schwäche der hintern Extremitäten hinzu. Diese Zufälle wurden mehrentheils durch 8—20 Stunden nach ihrer Entstellung immer heftiger, und endeten in mehreren Fällen mit dem Tode, der etwa 30 — 50 Stunden nach dem ersten Eingeben er­folgte; in den übrigen Fällen minderten sie sich allmälig, nachdem Leibesöffnung eingetreten war, und die Thiere erschienen nach 36 bis 48 Stunden wieder gesund.
Die trockene Wurzel verursachte ganz dieselben Zufälle wie das Kraut; sie waren aber von gleichen Gaben viel heftiger und zeigten sich mehrentheils schon von 2 — 3 Unzen, welche in Gaben von einer Unze und in Zwischenzeit von je einer Stunde gereicht wurden. 6 Un­zen der Wurzel waren bei meinen Versuchen den meisten Pferden tödtlich.
Bei Kühen verhielt sich die Wirksamkeit des Krautes und der Wurzel in der Art der Erscheinungen ganz wie bei Pferden, und ausser­dem wurde die Milch sehr wässerig; — aber dem Grade nach war die Wirkung stets viel heftiger als bei den letztern. Ich sah schon von 1 Unze der Wurzel und von 2 Unzen der Blätter in 2 Gaben getheilt und in Zwischenzeiten von 3 Stunden mit 1 Pfund Wasser eingegeben. Auftreibung dos Leibes, schnelleren Puls, Kälte der Ohren, der Hörner und des Flotzmauls entstehen. Von 2 — 4 Unzen der Wurzel waren die Wirkungen sehr stark und dauerten fast immer 48 Stunden, bei
1 Die verscliiedene Wirksamkeit hängt grösstentheils von der Zeit des Ein-sammelns der Blätter und der Wurzel ab. Schroff hat durch Versuche nachge­wiesen, dass beide Theile im Juli ihre grösste Wirksamkeit besitzen und fast doppelt so stark wirken wie im Mai und October (Zeitschr. d. Gesellsch. d. Aerzte zu Wien. 8. Jahrg. S. 211 u. f.).
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einigen Versuchen auch bis zum dritten Tage. Mehr als l Unzen der Wurzel habe ich keiner Kuh gegeben, weil die Zufälle von dieser Gabe schon mit Lebensgefahr verbunden zu sein schienen. Hierbei muss ich gegen Grevel ausdrücklich bemerken, dass der Koth stets trockener als im gesunden Zustande war, und dass niemals Purgiren eintrat.
Sowohl bei Pferden wie bei Kühen erschien zur Zeit des höchsten Grades der Wirkung die Empfindlichkeit etwas vermindert, aber wirk­liche Betäubung und Bewusstlosigkeit sah icli in keinem Falle, selbst kurz vor dem Tode nicht entstehen. — Das zur Zeit der Wirkung ab­gelassene Blut gerinnt sehr schnell zu einer festen Masse; -'.
Bei Hunden bemerkte ich nach dein Eingeben von 30—50 Gran des trockenen Krautes oder der Wurzel schon nach Vorlauf von 15 bis 20 Minuten Unruhe, Winseln, nach SO Minuten Erweiterung der Pu­pille, fast immer in einem solchen Grade, dass von der Iris keine Spur mehr zu sehen war, und dieselbe auch bei dem hellsten Licht un­empfindlich blieb. Zuweilen trat Erbrechen ein. Das ängstlich klin­gende Winseln dauerte fast anhaltend fort, es fand sich dazu Trocken­heit und grosse Hitze der Nase, schwankender Gang, später (nach 50 — 70 Minuten) wirkliche Lähmung des Hinterthei'ls; die Sehkraft war oft gänzlich verschwunden, aber das Gehör und die Empfindlich­keit nicht; manche Hunde waren sogar sehr aufgeregt. — Nach 11/., bis 21/g Stunden nahmen die Zufälle wieder ab, die Hunde zeigten jetzt Neigung zu schlafen, und nach 12—15 Minuten waren sie recht munter; aber etwas Erweiterung der Pupille und verminderte Eeizbar-keit der Iris bestand noch nach 24 Stunden. 40 - 60 Gran des Extracts wirkten stets auf dieselbe Weise. Bei Orfila's Versuchen starb ein Hund von 4 Drachmen des Extracts unter ähnlichen Zufällen nach li'/a Stunden, ein anderer erst nach 31 Stunden.
Einspritzungen in den Mastdarm von einem Decoet des Krautes ('/a zu 6 Unzen Colatur) täglich drei- bis viermal wiederholt, führten bei einigen Pferden, ausser einem massigen Grade der bei der inner­lichen Anwendung des Mittels entstehenden Zufalle, auch einen läh­mungsartigen Zustand des Mastdarms herbei, so dass der After bestän­dig often stand. Diese; Wirkung dauerte 1, auch 2 Tage hindurch fort.
Nach Injectionen von 2—4 Drachmen einer Tinctul- (bereitet durch Digestion von 2 Drachmen des trockenen Krautes mit 1 '/j Unze Wein­geist) in die Drosselvene an Pferden, entstellt sogleich Unruhe, kleiner, sehr beschleunigter Puls (100 Schläge und mehr in einer Minute), ängstliches, beschwerliches Athmen, grosse Erweiterung der Pupille, stierer Blick, Zittern, Zuckungen am ganzen Körper, Betäubung mit
1 Wahrnehmungen am Rindvieh, S. 94. Wahrnehmung 521.
- Zur liesoitigung dor zu heftigen Wirkungen dient, bei Thieren, welche sich ferbrechen können, zuerst ein Brechmittel, oder sogleich eine Lösung von Jod C3 Tli ) und Jod-Kali (C Tli.) in 2000 Tli. Wasser, um das Atropin unlöslich zu binden; und dann Aderlassen, innerlich schleimige BBttel mit grossen Gaben von Mittelsalzen, oder auch ZiTicvm sulphuricum in Gaben von '/;,—1 Drachme für Pferde, schleimige Clystire, Reiben des Leibes und Bewegen des Thieres. Reichlicher Abgang von Ivolli und von Blähungen ist das ZeichÄ der eintretenden Besserung. llr.KTwio, Arzneimittellebre.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;22
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Verlust aller Sinne; dann unregelmässige Stellung, Neigung nach vorwärts zu fallen. Zuweilen scheinen die Thiere wie aus dem Schlaf zu erwachen, erschrecken, taumeln, sehen nach dem Leibe, schlagen mit den Füssen gegen denselben, entleeren mit Stöhnen und unter starker Anstrengung Urin und Koth; im liiichsten Grade der Wirkung fangen manche an zu toben, gehen wie blind gegen quot;Wände, bekommen stärkere Zuckungen und stürzen nieder. Die Dauer dieser Zufälle er­streckt sich bei einzelnen Thieren von 8 bis gegen 10 Stunden, und nach Injection von 6 Drachmen der Tinctur endeten sie bei dem Pferde gegen l'hide der aweiten Stunde mit dem Tode.
Bei Hunden wirkte das Einspritzen von oO Tropfen dieser Tinctur, oder einer Auflösung von G Gran des E.xtractes ganz ähnlich, wie die innerliche Anwendung einer zehn- bis zwölffachen Menge des letztern; die Wirkung zeigte sich mchreutheiis schon nach 2—5 Minuten, zuerst durch grosse Erweiterung der Pupille u. s. w., und ging nach 5 bis 7 Stunden wieder vorüber. Orfila sah nach Injection von 40-—45 Gr. des Extractes Hunde sterben.
Ein Tropfen von einer Auflösung des Extractes oder des Decoctes auf den Augapfel gebracht, verursacht nach 2 — i'gt; Minuten eine sehr grosse Erweiterung der Pupille; dieselbe Wirkung sieht mau nach 10—12 Minuten entstellen, wenn mau 20 — 30 Gran des Extractes mit Wasser aufgelöst, oder das Decoct von 1 Drachme des Krautes in den Mastdarm oder iu eine frische Wunde bei Hunden applicirt. —
8- 374.
Am Cadaver der durch Belladonna getödteten Thiere findet man das Gehirn und seine Häute selu- blutreich, besonders in der Gegend der Vierhügel; oft sogar Blutextravasate; die Hirnkammern oft ganz ohne Serum; die Lungen derb, an manchen Stellen Extravasatc von schwarzem Blut; im Herzen und in den grossen Gefässen viel zer­setztes Blut, ähnlich wie bei dem Typhus; die Schleimhaut des Ma­gens (bei Pferden nicht immer) dunkel geröthet, oder mit duukelrothen Blecken besetzt; den Dannkanal bei Hunden ganz, bei Pferden bis über die Hälfte des Leerdarms gesund, aber bei letztern den übrigen Dünndarm und den ganzen Dickdarm übermässig stark von Luft auf­getrieben und an vielen Stellen dunkelroth oder blauroth und sehr mürb; die Blutgufässe der Baucheingeweide .strotzend voll von schwar­zem Blut; selbst das Netz, das Gekröse und das Bauchfell oft an mehrern Stellen dunkelroth und sehr mürb.
sect;. 375.
Nach den vorliegenden Beobachtungen wirkt Belladonna {Atropiri) weniger schlafmachend als das Opium und Bilsenkraut, sie stumpft aber die Sensibilität mehr ab, erzeugt lähmungsartige Schwäche und Er­schlaffung in allen kreisförmigen Muskelfasern und sie verändert in eigenthtimlicher Weise die Beschaffenheit des Blutes und der Secre-tionen in den drüsigen Organen und in den Schleimhäuten. Diese
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Wirkungen beginnen mit einer Irritation, welche au der Stelle der Application sehr bald verschwindet, aber im Gehirn (besonders in dei. Vierhügeln) und am grossen sympathischen Nerven über 24 Stunden dauert und woraus die anderweitigen Wirkuugsersclieinungen hervor­gehen.
sect;• 376. Die Anwendung der Belladonna bei kranken Thieren kann mit Beachtung der, für die Anwendung der narkotischen Mittel im Allge­meinen gültigen Indicationen und Contra-Indicationen (sect;. 302 u. #9632;gt;6o) geschehen; die besondern Krankheitsyerhältnisse, für welche sie vor andern Mitteln angezeigt ist, sind jedoch noch nicht gehörig ermittelt. Man hat sie innerlich gebraucht:
1)nbsp; nbsp;Gegen den Koller der Pferde. Münch hat hier das trockene Kraut innerlich, und Greve1 bei 2 Pferden die Tinctur als Injection in die Venen mit gutem Erfolge angewendet; ich habe das trockene Kraut und die Wurzel sehr oft mit gutem Erfolge gegeben. Letzterer zeigte sich am meisten dann, wenn die kollerkranken Pferde vermehrte Empfindlichkeit, Schreckhaftigkeit und Drehen nach einer Seite zeigten, In vielen Eällen wurde aber keine Besserung erreicht.
2)nbsp; nbsp;Gegen den Schwindel (sogenannter Sonuenkoller) der Pferde habe ich bei längere Zeit fortgesetztem Gebrauch des Mittels sehr guten Erfolg gesehen.
.quot;!) Gegen Epilepsie. Bei diesem, auf verschiedenen pathologischen Verhältnissen beruhenden l'ebel ist sie zuweilen nützlich. Eben so bei der soffeuannten Dummkrankheit der Schweine und bei Vergiftung mit Heringslake.
4)nbsp; nbsp;Gegen den Starrkrampf ist das Mittel vielfältig versucht und in neuerer Zeit von Falke (Nebel und Vix Zeitschr. f. Thierheilk. Bd. 4. S. 309) als hilfreich gerühmt worden. Ich habe es hier inner­lich (so lange dies der Grad des Trismus gestattete) und in Clystiren sehr oft angewendet und im Ganzen ein ziemlich günstiges Resultat erhalten.
5)nbsp; nbsp;Gegen die Staupe der Hunde. Die Belladonna ist hier, beson­ders wenn Nervenzufälle (zu grosse Eeizbarkeit, epileptische Anfälle und Zuckungen) eintreten, ein recht wirksames Mittel.
(3) Bei der Dreh- und Gnubberkrankheit der Schafe soll sie im Anfange sich (nach Fink) nützlich gezeigt haben (wahrscheinlich wohl nur bei Gehirnreizung).
7)nbsp; Gegen katarrhalisch-nervöse Bräune, gegen Schlingbeschwerde, gegen Giehmen und krampfhaften Husten, wenn diese Zufälle auf zu grosser Eeizbarkeit der Organe beruhen, z. B. nach Strengel und Bräune, bei und nach der chronischen Lungenseuche des Rindviehes; ich habe das Mittel gegen diese Zufälle bei Pferden, bei Kühen und Hunden recht oft sehr wirksam befunden.
8)nbsp; nbsp;Gegen Krampfkolik, selbst wenn schon Symptome von Darm-
Erfahrungen nnd Beobachtungen. 1. Theil. S. 112.
22raquo;
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cntzündung hinzugetreten sind, ist die Belladonna ein sehr hilfreiches Mittel.
9)nbsp; nbsp;Eben so bei krampfartiger Bi-ucheiuklemnuiug, bei krampf­hafter Verschliessnng des Afters, des Blasenhalses, und bei derselben Verengerung oder Verschliessong des Muttermundes bei manchen schweren Geburten.
10)nbsp; nbsp;Gegen den Rotz der Pferde ist die Belladonna ein altes Mittel, und von Sander (Ilannöv. Malaquo;;-. 1770. S. 714), von Miinch u. A. als ein Specificum angepriesen. Viborg (Samml. Bd. 2. S. 417) fand aber die heilsamen Wirkunffen nicht bestätigt, und ich muss ihm darin völlig beistimmen; denn obgleich bei mehreren Pferden durch einige. Zeit iine Verminderung aller Symptome eintrat, so erfolgte doch nie­mals eine wirkliche Heilung.
11)nbsp; nbsp;Bei fehlerhafter Absonderung der Milch, wenn dieselbe bei sonst gesunden Kühen, blau, klümprig, schleimig oder zäh abgesondert w'rd; — eben so bei dem sogenannten Blutmelken ist die Belladonna eins der wirksamsten Mittel. Es ist aber noch eine nähere Bestimmung der Zustände noting.
12)nbsp; Bei innern Augeuentzündungen und bei den Folgen derselben, bei Ausschwitzungen an der Iris, bei zurückgebliebener zu grosser Beiz-barkeit u. s. w., hat man gute Wirkungen von der innerlichen Anwen­dung der Belladonna gesehen.
13)nbsp; Bei Verdichtung, sogenannter Verhärtung der Drüsen, selbst
bei Scirrhus und Krebs ist von dieser Anwenduu
Nutzen gesehen
worden.
14)nbsp; nbsp;Gegen die Hundswuth ist die Belladonna zur Verhütung und zur Heilung dieser Krankheit bei Menschen und Thicren im nörd­lichen Deutschland schon lange, vorzüglich aber von Münch' häufig angewendet worden, und ihr Gebrauch wurde selbst von den Landes­regierungen vorgeschrieben2. Das Mittel hat aber oft auch gar nichts geleistet. Bei seiner Anwendung darf die örtliche Behandlung der Bisswunde niemals unterlassen werden.
15)nbsp; nbsp;Auch will man sie als Vorbeugungsmittel und als Heilmittel gegen die Rinderpest, gegen die Schafpocken und andere ansteckende und seuchenartige Krankheiten mit Nutzen angewendet haben; aber viele Beobachtungen zeigen, dass man sich bei diesen Krankheiten gar nicht auf das Mittel verlassen darf3; bei der sogenannten Mondblind-heit, und wo sonst die Iris sehr verengert, oder wenn starke Aus-schwitzungen und Blutextravasate im Innern des Auges zugegen sind. Eben so habe ich dieses Mittel mit Kutzen bei Krampf des Blasenhalses und bei der hierdurch erzeugten Harnverhaltung auf das Mittelfleisch und in den After, — und gegen krampfhafte Verengerung des Mutter­mundes bei schweren Geburten, an den Muttermund selbst ajiplicirt. — Auch kann die Belladonna an die Augen gebracht werden, um die Pu-
1 S. dessen in S. .'iT.'i angeführte Silirift.
quot; 'A. B. im Prenss, Viehseuche-Patent v. 2. April 1803.
:l Ilannöv. Magaz. 1J70. No. 25, SO. 81, 82.
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jtillo zu erweitern, hierdurch Adhäsionen der Iris zu trennen, oder wenn man die hintere Augenkammer im hellen Licht untersuchen, oder wenn man Operationen im Auge unternehmen will.
sect;. 377.
Die Gabe von dem getrockneten Kraut ist für Pferde und Rinder ;5 Drachmen bis 1 Unze, für Schafe und Schweine 1 Drachme bis '/ä Unze, für Hunde 5 Gran bis 1 Scrupel; — von dem frischen Kraut jriebt man die drei- bis vierfache Menge, — aber von der trockenen Wurzel '/s weniger als von dem trockenen Kraut. Das Extract eignet sich zum innerlichen Gebrauch nur bei Hunden und Katzen, und kann hier in Gaben von 1—5 Gran angewendet werden. Wegen der langen Dauer der Wirkung reicht man die Belladonna und ihre Präparate täglich nur in 2—.'3 Gaben, nach Zwischenzeiten von 5—8 Stunden.
Die innerliche Anwendung des Krautes und der Wurzel geschieht in Latwergen, in Pillen odor im Aufguss mit kochendem Wässer (1 Unze zu 1 Pfund Colatur) oder eben so im Decoct, entweder für sich allein oder in Verbindung mit bittern, mit aromatischen u. a. Mit­teln; besonders habe ich bei Pferden oft das Glaubersalz hinzugesetzt, um die so leicht entstehende Verstopfung des Leibes zu verhüten. Metallsalze und adstriugirende Mittel schwächen die Wirksamkeit der Belladonna; vom Calomel, das ich oft mit ihr zugleich anwendete, habe ich diesen Nachtheil nicht gesehen.
Acusserlich ist das Belladonnakraut wie das Pilsenkraut zu be­nutzen. An den Augen, am After, Mittelfieisch, Muttermunde und Unter gebraucht mau auch das'Extract, in Verbindung mit Oel, mit Calomel oder mit grauer Merkuriälsalbe ('/g—1 Drachme zu 1/ä Unze der letztern).
Anmerkung. Das reine Atropin und das A. snlphvric. wirken innerlich unge­fähr gleich 1 Gran zu 80 Gran der Belladonnahlätter; beide werden i)is jetzt nur bei den sect;. 376 bezeichneten Augenleiden gebraucht, in Solution von 1 Gran in 2 Unzen destillirtem Wasser, einfach oder mit Zusatz von 2 Drachmen Glycerin oder V2 — 1 Drachme arabischen Gummi. Hiervon wird täglich ein- bis zweimal ein Tropfen zwischen die Augenlider gebracht. {Fol. concis. 1 Unze 1 Sgr. 8 IM'g., fein pulv. 2 Sgr. 4 Pfg.; Badia 1 Sgr. 2 Pfg., pulv. 2 Sgr.; Extract i Drachme 4 Sgr. 8 Pfg.)
4) Stecliapfel-Bliitler und Samen, Folia s. Scrba et Semen Stramonü (0).
sect;• 378.
Der wirksame Bestandtheil in der Stechapfelpflanze ist ein eigen-thümliches Alkaloid, das Daturin. Dieses Alkaloid ist in seinen che­mischen Eigenschaften und in seinen Wirkungen als identisch mit dem Atropin befunden worden; es soll aber dem Grade nach fast noch ein­mal so stark wirken wie das Atropin.
Die Wirkungen des Stechapfels sind mit denen der Belladonna fast übereinstimmend, jedoch noch nicht genügend erforscht. — Viborg (Samml. Bd. 3. S. 140) bemerkte an einem fünfjährigen kleinen Pferde, dem er 1 Pfund der frischen Blätter in Mehlpillen eingegeben hatte.
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nach quot;o Stunde 1j1o.s etwas schnelleren Puls und Erweiterung der Pu­pille. Diese Zufälle verloren sich aber bald wieder. — Ein altes aus­gehungertes Pferd zeigte sich nach dem Fressen von 2 Pfund der abgeblühten Pflanze etwas aufgetrieben, die vorher schon bestandenen Fieberzufalle nahmen zu, und es schien oft stallen zu wollen. Als mau es 2 Tage darauf tödtete, fand man Entzündung- in den Gedärmen, so weit wie die Pflanze gekommen war. — ^ Pfund frisches Kraut mit 3 Pfund kochenden Wassers infundirt, verursachte bei einem sieben­jährigen Pferde aussei- öfterem Uriniren keine Zufälle. — Von :1/2 Pott (circa Ifi'/g Unze) ausgepressten Saftes bekam ein einjähriges Füllen nach 1 Stunde schnelleren Puls und Erweiterung der Pupille; am fol-g-enden Tage zeigte es sich krank, war unruhig, wollte nicht fressen; am dritten Tage waren diese Zufälle wieder vorüber. — 21/4 Pfund des reifen Samens verursachten bei einem neunjährigen Pferde sogleich schnellem und kleinem Puls, Verlust des Appetits, Auftreibung des Leibes. Diese Zufälle nahmen durch 24 Stunden zu, und am folgen­den Tage zeigte das Pferd grosse Unruhe, Niederwerfen, Zusammen­stellen der vier Füsse unter dem Leibe, Hervordrängen des Mastdarms, ilerabhäugeu des Kopfes, heftiges Athmen; am dritten Tage dieselben Zufälle; während dieser Zeit erfolgte nur eine Kotheutleerung. 52 Stun­den nach dem Eingeben warf sich das Pferd rücklings über und starb unter Zuckungen. Bei der Section war das Wichtigste: Ergiessung von röthlichem Wasser in die Bauchhöhle, Ausdehnung des Magens und der Gedärme von Luft, und einige Theile des Darmkanals entzündet.
Eine Ziege ertrug 1 Pegel (circa S'/g Unze) des ausgepressten Saftes ohne merkliche Wirkung; ein Widder zeigte nach derselben Gabe schnelleres Athmen und häufiges Uriniren.
Ein '/'j Jahr alter Pudel wurde ,/2 Stunde nach dem Eingeben von 4 Unzen des Saftes unruhig und winselte sehr; nach einer Stunde erbrach er sich dreimal, zitterte stark, und fuhr fort zu winseln bis zum Verlauf von 4 Stunden, wo er wieder munter wurde und Appetit zeigte. — Ein Loth der Samen und '/^ Loth der frischen Wurzel blieben bei zwei andern Hunden ganz ohne Wirkung. — Von '/a Unze des Extrac-tes bekam (bei Orfila) ein Hund ähnliche Zufälle wie von einer glei­chen Gabe dos Belladonnaextractcs, aber die Sinne blieben frei; der Tod erfolgte nach 7 Stunden.
Pferden spritzte ich in die Drossclvene ein Infusum, welches für die verschiedenen Versuche von 1/.2—2 Drachmen des trockenen Krau­tes, oder von oben so viel Samen mit 2 — 3 Unzen kochenden Wassers bereitet war und bemerkte darauf: Vermehrung und Härte der Pulse, beschleunigtes Athemholen, Zittern der Muskeln, Erweiterung der Pu­pille, zuerst muntern, nach 20—30 Minuten aber sehr stieren Blick, eine geringe Abstumpfung der Sinne, schleichenden Gang, zuweilen Schweiss, ungestörte, aber auch nicht vermehrte Koth- und Urinent­leerung. — Injectionen von 2—-4 Drachmen einer Stechapfeltinctur (bereitet wie Bilsenkrauttinctur) erregten dieselben Zufälle, aber in etwas stärkerem Grade; besonders war die Abgestumpftheit grosser und das Athmen viel beschwerlicher als nach Injection einer gleichen
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Quantität von dem Infusum; manche Pferde zeigten Schwindel, Krämpfe in den Halsmuskeln, sein- starkes Geifern aus dem Maule, Gähnen. Grevc1 sah auch starken Durchfall entstehen; ich bemerkte! diesen niemals. — Hunde ertrugen von dem Infusum fast eben so viel wie die Pferde, und verhielten sich im Wesentlichen wie diese. Die Wirkung trat in 4 — 5 Minuten nach der Injection ein und dauerte 2 — G Stunden.
sect;. 379.
Specielle Indicationen zur Anwendung des Stechapfels gegen be­stimmte Krankheiten der Thiere lassen sich nicht augeben, weil das Mittel bis jetzt von den Tliiorärztcn nur selten angewendet worden ist. Man hat vom Kraut, noch mehr aber von den Samen schmerzlindernde, beruhigende Wirkungen gesehen und diese Mittel mit. gutem Erfolge •reffen schmerzhafte Uebel, namentlich gegen schmerzhaften Rheumatis-mus, auch gegen Krämpfe u. dgl. gebraucht; — ich habe das getrock­nete Stechapfelkraut innerlich bei Pferden gegen Dummkoller und Starrkrampf, in Gaben bis zu 2 Unzen täglich viermal ohne beson­dern Erfolg angewendet. Die Injection der Stechapfeltinctur habe ich gegen Koller und Rheumatismus in vielen Fällen ohne Erfolg, aber in mehreren Fällen mit Erleichterung der Zufälle gemacht, und bei einigen Pferden den Koller und den Rheumatismus geheilt. — Bei dem Starr­krampf der Pferde habe ich das wässerige Infusum der Stechapfel­blätter und des Samens, und eben so die Tinctur oft zu Injectionen in die Venen benutzt, jedoch niehrentbeils vergeblich; denn unter acht so behandelten Patienten wurde nur einer geheilt.
Aeusserlich habe ich bei schmerzhaften rheumatischen Augenent­zündungen und bei der sogenannten Mondblindheit einen Aufguss der Blätter und auch der Samen ('/o zu 6 Unzen Colatur) zum Waschen, bei schmerzhaften Entzündungen anderer Theile aber die Blätter mit kochendem Wasser zum Breiumschlag gemacht, mit Nutzen gebraucht.
5) Strydiuos-Samen, Brechimss, Krühenaugen, Semina Stryehni s. Ktices vomicue.
sect;. 380.
Der wesentliche Bestandtheil dieser Samen ist das Strychnin, ein Alkaloid, welches in ihnen mit dem Brucin, mit der Igasur-Säure, mit viel Extractivstoff, mit Fett- und Pflanzensäuren verbun­den ist. Es löst sich im wasserhaltigen Alkohol am meisten (5 Proc.) auf, im heissen Wasser weniger, im kalten noch weniger, im Alkohol gar nicht; mit Säuren bildet es leicht auf lösliche Salze; ist intensiv bitter.
Die Wirkungen des Strychnin und der Kräheuaugon sind durch eine grosse Anzahl von Versuchen als ganz gleichartig erkannt. Sie bestehen bei der Anwendung gehörig grosser Gaben in einem plötzlich, und zuweilen mit einem Ruck oder Stoss nach vorwärts eintretenden
1 Erfahr, u. Beobacht. Bd. I. S. 121.
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lict'tiyen Krampf aller willkürlichen Muskeln, wobei der Rumpf, der llals, die Ohren, die Grliedmaasscn und der Schwanz ganz starr und steif weiden [Tetanus toxicus), so dass man nicht im Staude ist, während dieses Krampfes den Thieren ein Gelenk zu beugen. Oft wird dabei der Körper nach vorwärts1, zuweilen auch etwas nach rückwärts ge­krümmt. iMs Maul ist fest verschlossen (Trismus), der Augapfel ganz schief verzogen, die Pupille ist oft, aber nicht immer erweitert, und zu­weilen tritt Zittern au verschiedenen Theilen des Körpers ein. Der Krampf ist jedoch nicht wie bei dem wirklichen Starrkrampf gleich-massig fortdauernd, sondern er lässt nach 1—o Minuten entweder ganz oder grösstentheils nach, kehrt aber nach kurzer Zeit wieder, und so wechselt der Zustand bis zum gänzlichen Verschwinden der Wirkung oder bis zum erfolgenden Tod. Die wiederkehrenden Krampfanfälle treten immer zuerst mit einem kurzen Euck oder Stoss ein, der sich mehrmals wiederholt, ganz ähnlich wie von elcctrischen Schlägen. — Gleich beim Eintritt der Wirkung wird das Athmen kurz, angestrengt, und ängstlich; während des Krampfes setzt es zuweilen durch einige Secnnden ganz aus, und es ist wahrscheinlich, dass bei dem höhern Grade der Wirkung auf diese Art der Tod durch Erstickung erfolgt. Die Pulse werden schneller und härter; die Schleimhaut der Nase und des Maids erscheint bläulich; der Urin geht zuweilen unwillkürlich ab, aber Darmentleerangen finden selten Statt, und höchst selten erfolgt bei Thieren, die sich erbrechen können, eine Neigung hierzu; wirk­liches Erbrechen sah ich niemals eintreten. — Die Empfindlichkeit ist während der ganzen Wirkung nicht vermindert, sondern in der Pegel sehr vermehrt; denn die Thiere sehen es wenn man ihnen drohet, sie hören auf leises Anrufen, erschrecken vor Geräusch und fühlen jode Berührung ihres Körpers. Durch solche Einwirkungen, so wie durch festes Auftreten auf den Eussboden, — zuweilen sogar durch blosses Anhauchen der Thiere, können die Krampfanfälle neu hervorgerufen werden. Merkwürdig ist es, dass die Zufalle fast gauz gleichartig durch eine kurze Zeit fortdauern, nachdem den Thieren der Kopf ab­geschnitten ist.
Gaben von mittlerer Grosso erzeugen nach einer viertel bis nach einer halben Stunde zuerst Zuckungen in den Muskeln des Gesichts, des Halses und der Schenkel, dann einen massigen Grad von Steifig-keit, wobei die Thiere noch gehen können, — grosse Empfindlichkeit, etwas kürzeres Athmen, aber keine Störung in der Circulation, im Appetit, in den Secrctionen, und keine Erweiterung der Pupille.
Von sehr kleinen Gaben bemerkt mau bei gesunden Thieren kaum eine narkotische Wirkung, sondern nur, dass der Appetit mehr erregt, der Koth härter, in kleineren Massen und in manchen Fällen auch öfter entleert wird; hei kranken Thieren sieht mau quot;die Verdauung ge­bessert und Durchfälle gestillt werden.
sect;. 381.
Diese Wirkungen der Brechnuss erfolgen hei Thieren aus ver­schiedenen Klassen und von verschiedener Gattung, und eben so bei
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jeder Art der Anwendung' im Wesentlichen gleichartig, sie sind aber unter diesen verseliiedeneu Umstünden etwas modificirt in der Stärke, in der Zeit ihres Eintrittes und iu ihrer Dauer. Vögel'ertragen ver-hältnissmässig die grössten Gaben, wie dies Desportes Versuch zeigt, in welchem einein einjährigen Huhn innerhalb 20 Tagen 1114 Gran zcrstiiekcltc Krähenaugen in steigender Dosis, aber in den ersten 12 Tagen fast ganz ohne Wirkung gegeben wurden. Erst durch die letz­ten sehr grossen Gaben (1G4 Gr. auf einmal) wurden heftige Krämpfe und der Tod verursacht (Orfila 2. Bd. S. 372). — Auch bei Wieder­käuern ist die Brechnuss innerlich gegeben schwächer als bei Pfer­den; und auch Schweine sollen grosso Gaben des Mittels ohne Nach­theil ertragen1. Ein 5 Monat altes Schwein zeigte von Gaben bis zu 3 Drachmen kaum bemerkbare Wirkung, von 31/2 Drachmen aber sehr heftige Zufälle -. Am heftigsten wirkt Brechnuss auf Hunde und Katzen.
Das Mittel wirkt nur nach TJebergang ins Blut durch Absorption, daher bei innerlicher Anwendung in Form eines groben Pulvers, oder in Pillen und Latwergen viel schwächer und langsamer, als bei An­wendung einer gleichen Gabe ia flüssiger Form. Ich gab einem Pferde i/o Unze des Mittels, in einer Mehlpille und sah erst nach einer Stunde massigen Krampf eintreten, der durch 6 Stunden bestand, und mit Genesung endete; als ich aber nach 4 Tagen demselben Pferde eine gleiche Gabe mit 1 Pfund Wasser gekocht eingab, zeigten sich schon nach 15 Minuten sehr heftige Krämpfe, die ebenfalls 6 Stunden an­hielten. Ein anderes Pferd überstand die Wirkung von 10 Drachmen Krähenaugen, in einer Pille gegeben, aber es starb innerhalb 2 Stun­den, als später dieselbe Gabe im Dccoct angewendet wurde. — Ein Schaf starb von 1 Unze eine halbe Stunde nach dem Eingeben3. Eine zweijährige Ziege erhielt in 11 Tagen nach einander folgende Quantitäten von Krähenaugenpulver mit Brot zusammengeknetet. Am ersten Tage 8 Gran; am zweiten Tage 10 Gr.; am dritten Tage 16 Gr.; am vierten Tage 1 Scrupel; am fünften Tage 24 Gr.; am sechsten Tage ^2 Drachme; am siebenten Tage 2 Scrupel; am achten Tage 50 Gr.; am neunten Tage 1 Drachme; am zehnten Tage 4 Scrupel; am elften Tage 5 Scrupel; — in Summa 440 Gran, — ohne dass eine Wirkung zu spüren war4; und in Lyon hatte man einer Ziege 250 Grammen (über 8 Unzen) geben müssen, um Vergiftungszufälle zu erzeugen. — Bei Hunden erfolgt mehrentheils in der ersten halben Stunde keine bemerkbare Wirkung, wenn man ihnen 10 — 20 Gran Krähenaugen mit Fleisch gemengt oder in einer Pille giebt; erst nach dieser Zeit treten Krämpfe ein und die Thiere sterben nach 2—3 Stunden; giebt man ihnen aber dieselbe in Menge im Decoct, so erfolgt schon
Inbsp; nbsp;Lossius, de nuce vomica. sect;. 24.
IInbsp; Tabourin, Matii're medic. Paris 1853, p. 452.
8 Compte rendu de iV'Cole voter, de Lyon 1812, p. 12 u. 13. 4 Gcnzken, iu der Zooiasis von Lux. 2. Bd. 1. lieft, S. 30.
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nach 5 — 6 MiuuU'U sehr heftige Wirkung und in 15—25 Minuten der Todraquo;.
Bei Injectionen in die Blutadern tritt an Thieren jeder Art die Wirkung fast augenblicklich in grösster Heftigkeit ein, und von 1 Gr. des aufgelösten Extractes oder von 2 Gran Krähenaugen im Decoct, erfolgt bei Hunden der Tod schon in 1 Minute.
Fast eben so schnell wirkt das Mittel, wenn man es in die Brust­höhle, etwas weniger schnell, wenn man es in die Bauchhöhle, und noch etwas langsamer, wenn man es in eine äussere Wunde applicirt; doch tritt auch hier der Tod in 15 — 20 Minuten unter Tetanus ein.
sect;. 382.
In den Cadavern der durch Brechmiss getödteten Thiere findet man die Venen in den Häuten des Gehirns und des Rückenmarkes sehr voll von Blut, Magen und Darmkanal innerlich geröthet, aber ohne; wirkliche Entzündung, zuweilen die Schleimhaut des erstem an ein­zelnen Stellen selbst etwas corrodirt, — alle übrige Organe aber ge­sund. — Waren die Krähenaugen in Substanz, gepulvert oder in Pillen eingegeben worden, so findet man igewöhnlich die ganze Gabe im Magen wieder.
sect;. 383.
Die Erscheinungen nach grossen Gaben der Brechnuss zeigen, dass dieses Mittel vorherrschend und eigenthümlich die Functionen des Rückenmarks und der von ihm entstehenden Nerven in sehr hohem Grade aufregt, eine erhöheto Eeflexthätigkeit und zuletzt Lähmung erzeugt, — in kleinen Gaben aber als ein erregendes und tonisches Mittel auf den Verdauungskanal (wahrscheinlich zuerst auf die Gan­glionnerven in der Bauchhöhle) und hierdurch auch stärkend auf den ganzen Organismus wirkt.
Diesen Eigenschaften gemäss ist die Anwendung der Brechnuss angezeigt: laquo;) bei solchen Krankheiten des Rückenmarkes (und der mit ihm in Verbindung stehenden Nerven), welche in torpider Schwäche, Unrcgehnässigkeit oder Unterdrückung des Wirkungsvermögens dieser Theile begründet sind, wie namentlich bei Lähmungen (Paraplegien und Hemiplegien), bei Lähmung des Blasenhalses und Incontinentia urinae, bei dem Kalbefieber (nach Köhne2), bei Krämpfen, bei der Epilepsie und bei dem Starrkrampf; und V) bei Schwäche, bei ge­störtem Appetit, bei Krampf, bei Krampfkolik, und bei unregelmäs-siger, zu reichlicher Absonderung in den Verdauungseingeweiden.
Dagegen ist das Mittel zu vermeiden, wenn in den genannten Theilen krankhaft erhöhete Lebensthätigkeit, und besonders zu grosse Empfindlichkeit und Eeizbarkeit, oder wenn Congestion zu denselben
1 Sichere Gegengifte gegen Strychninvergiftung giebt es bis jetzt nicht. Zu versuchen ist bei Thieren, die erbrechen können, ein möglichst schnell gegebenes Brechmittel, dann Tannin, nach Paljute die Tracheotomic, und das Einathmen des Chloroforms, des Aethers, auch innerlich, so wie das Eingeben des Chlorwassers, der Opiumtinctur, Morphium aecticum.
- Magaz. f. Thierheilk. v. Gurlt u. Hertwig. Jahrg. XXI. S. 34, 35.
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besteht; es ist daher auch nicht passend, wenn die Lähmungen als un­mittelbare Folge von mechanischen Verletzungen des Rückenmarkes entstanden sind, oder wenn der Starrkrampf mit synochöscm Fieber oder mit Congestionen zur Lunge begleitet ist.
Bei der lähmungsartigen Schwäche, bei den Zuckungen und Läh­mungen, welche so häufig nach der Staupe der Hunde am Hintertheil zurückbleiben, habe ich die Brechuuss recht oft mit gutem Erfolge an­gewendet; eben so mehrfaltig bei rein nervösen Kreuzlähmungen und bei dem Starrkrampf der Pferde, oft aber auch ohne Erfolg.
Gegen zu geringen Appetit, mangelhafte Verdauung, zu viel Säurebildung, Koliken, chronischen Durchfall, selbst gegen Ruhr u. dgl. Krankheiten der Vcrdauungseingeweide in Folge von Torpor und Er­schlaffung, gegen Würmer und Gastruslarvcn in den Gedärmen, ist Nux vomica (auch homöopathisch) ein vortreffliches Heilmittel und eben so ein gutes Prophylactikum. — Gegen Eotz und Wurm, wo das Mittel gleichfalls gerühmt wird, habe ich es ganz ohne Nutzen durch längere Zeit angewendet. —^ Eck hat es auch zur Besserung des Heilprocesses in Widerristfisteln, und äusserlich gegen Läuse '.
sect;. 384.
Die Brechuuss -wird in allmälig steigenden Gaben, bei Pferden von '/o—3 Drachmen, beim ßindvieh von 1/i Drachme bis ^ Unze, bei Schafen, Ziegen und Schweinen von 1 Scrupel bis 1 Drachme, bei Hunden von 1 —10 Gran, — jode Gabe in Zwischenzeiten von 6 bis 8 Stunden gegeben. — Da die Wirkung bei einzelnen Thiercu in sehr ungleichem Grade eintritt, so darf man stets nur mit kleinen Gaben anfangen, und nur allmälig zu grössern Gaben übergehen, jedoch höchstens nur bis gelinde Zuckungen entstehen.
Die Anwendung der pulverisirten Krähenangen kann in Lat­wergen, in Pillen oder im Decoct (1 zu 16 Tb. Wasser), für sich allein oder mit bittern und aromatischen Mitteln geschehen. Köhne empfiehlt bei Kalbefieber: Pulv. nuc. vomic. 1 Unze, Tart. stihiat. J/a Unze, Natr. sulphuric. 1 Pfund, Natr. muriatic. 4 Unzen, mit 4 Quart Wasser '^ Stunde gekocht, hiervon stündlich ^ Weinflasche eingegeben. Bei Trockenheit des Mistes wird der ersten Gabe 30 Tropfen Crotonöl zugesetzt. Es ist stets zu beachten (wie bereits im sect;. 381 angegeben), dass das Mittel im Decoct viel schneller und stärker wirkt, als in andern Formen. —• Acusserlich gegen Läuse, 1 Unze fein pulverisirt in ^ Pfd Thran gerührt, mit einer Bürste auf die Haut applicirt. (Grob. pulv. 1 Unze 1 Sgr. 4 Pfg., fein pulv. 1 Unze 1 Sgr. 8 Pfg.)
Präparate. 1. Das weingeistigo Brechnussexti-act (Ertract. semin. Slrychni s. Xnc. vomic. spirituosmm wirkt fast zehnfach stärker als die Samen und kann in allen Fällen, wo diese empfohlen sind, in verschiedenen Formern gebraucht werden. Pferden und Rindvieh 4 —10 Gran, Hunden Vio — V-J Gran. Ein ganzer Gran ist für letztere meist tödtlich. (1 Scrupel 5 Sgr. 4 Pfg.)
1 Magaz. f. Tliierheilk. v. Gurlt u. Hertwig. Jahrg. XVII. S. 305, 308.|
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2.nbsp; nbsp;D;is wüsserige Extract (-S. arm, St-rychui s. Njac, voniic, miaus.) i.st kaum halb so stark wie this vorige, und .eignet sicli für mildere Falle, zur Anwendung in entsprechend grösseren Gaben, il Drachme 1 Sgr. 8 Pfg-)
3.nbsp; nbsp;Die BrechnusS'Tinctur i^Thiet, scrii. Strychni s, N/wis vomicac), bereitet durch Ktaceration von 5 Tli. Brechnuss in 24 Th. reetilieirtem Weingeist, kann wie ilas wässerige Extract gebraucht werden.
4.nbsp; nbsp;Das reine Strychnin (Strychnmm pumm) und seine Salze, von denen das Salpetersäure Strychnin (StrycJiniwn nitrlcmu) am meisten gebräuchlich ist, wirken sämmtlich äusserst heftig und werden daher leicht giftig, tödtend. Beim Pferde treten von 7—S Gran Krämpfe ein, 13—15 Or. tödten es; — ins Zellgewehe gebracht, wird es schnell absorbirt, schon 2 Or. erzeugen Krämpfe. 4—5 Gr. tödten ; und in die, Venen injicirt. führt 1 Gr. augenblicklich Lebensgefahr herbei. Bei einer Kuh sähe Tabourin1 von IVa Grammen (circa 24 Grau) des salzsauren Strych-nins innerlich gegeben, keine Wirkung, während ins Zellgewebe gebracht, 10 Cen-ttgrammen (circa l1^ Gran) schon sehr heftitr, und 20 Centigr. hinnen 6 Minuten tödtlich wirkten. Hunde sterben sicher von V4 Gr. Strychnin, ja ich sähe in ein­zelneu Fällen bei kleinen und jungen Hunden den Tod von '/so Gr. erfolgen. Thera­peutisch kann das Strychnimn nitric, in allen Fällen statt Brechnuss gegeben werden, und zwar: Pferden 2 — 4 Gr., Rindvieh 3 — 6 Gr., Schafen und Ziegen 1U — 1 Gr., Schweinen 1ji — '/ä Gr., Hunden '/eo—'/an Gr. täglich zweimal, am besten in Auf­lösung; z. B. Rcc. Strychn. nitric, granum mmm, Aq. dest. ij.1 Unze. Solv. Dct. in vitro hene dam. Hiervon enthalten 12 Tropfen '/oo Gran. (1 Gran. 8 Pfg.)
5.nbsp; Das arsenigsaure Strychnin iStryclmiinn arsenicosnm) ist neuerlich von der Profess. Ercolani und Bas li angeblich mit ausgezeichnetem Erfolg gegen die Kotz- und Wurmkrankheit angewendet worden-. Die in Lyon, Paris, Wien, Kerlin u. s. w. gemachten Versuche haben aber diese gute Wirkung nicht bestätigt'1. Das Mittel, welches eben so heftig wirkt wie Strychn. nitric, wurde in steigender Gabe von 10 — 40 Centigrammen, täglich zweimal, auf einem Stückchen lirot gegeben.
6.nbsp; nbsp;Die Vorsicht gebietet, alle Stryclaiiu-Medicamonte als ,,Giftquot; zu bezeichnen und sicher aufzubewahren.
ü) Rothes Fingerhutkraut, Digitalis, Folia s. Ilcrbn Digitalis purpureae.
sect;. 385.
Unter den Bestandtheilcn dieser Pflanze ist das Digitalin, ein cigentliümliclies Alkaloid, der •wiclitigste, indem es gleielie Wirkung wie die Blätter zeigt und nach den Versuchen von Bouchardat, Sau­drat u. A. örtlich eine Beizung und innerlich in sehr kleinen Gaben, z. B. bfci Kaninchen zu #9632;1/ao Gran, eine Verlang'sainerung- der Pulse, also eine Veränderung der Herzthätigkeit erzeugt, in etwas grössern Gaben aber eine Hemmung der Circulation und den Tod durch Lähmung des Herzens herbeiführt. Die Substanz wird thierärztlich nicht benutzt.
Die Digitalis ist ein narkotisch-scharfes Mittel von ausgezeichneter Wirksamkeit, welche letztere jedoch fast nur allein an Pferden und Hunden einigermaassen erforscht ist. — Für Pferde kann man die Digi­talis hinsichtlich der Intensität ihrer Wirksamkeit, aussei' den Krähen­augen, als das heftigste unter den narkotischen, und neben den Kroton-samen und der schwarzen Nieswurz als das heftigste unter den vege­tabilischen Mitteln Überhaupt betrachten; denn 1 Uuze (in einzelnen
1 Maticre medieale etc. veterin. 452.
- II medico veterinario. Giomale della reg. Seuola veter. di Torino. Oct. bis Dccbr. 1860. Jan. u. Febr. I8GI.
3 Journ. de medic, veterin. de Lyon, 1861, .'105, u. a. a. O.
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-__nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;J^L
Fällen sogar nur G Ltraclinieu) dor pulverisirten trockenen Blätter, in einer Mehlpille einem noch kräftigen Pferde gegeben, verursachte bei meinen vielen Versuchen fast jedesmal nach Verlauf von 3—10 Stun­den Appetitlosigkeit, zuweilen in der ersten Zeit etwas vermehrten vollen Puls, öfteres Uriniren, zuweilen auch dünneres Misten, bald Trockenheit, bald vermehrte Schleimabsonderung im Maule; späterhin einen kleinen, langsameren, ungleichen, zuweilen auch aussetzenden Puls, starken, unregelmässigen Herzschlag, Eingenommenheit des Kopfes, Verminderung der Sinnesthätigkeit, unregelmässigen raquo;Stand, grosse Mattigkeit, Verminderung der Temjieratur, Verengerung, zu­weilen aber auch Erweiterung der Pupille, Kälte der Ohren u. s. w. und nach 12 — lö Stunden den Tod. Bracy Clark1 sah einen Esel schon nach 12 Stunden von einer halben Unze des trockenen Krautes sterben, ohne dass andere Zufälle dabei eingetreten waren, als eine Viertelstunde vor dem Tode grosse Schwäche und etwas AUsäuss von dickem Schleim aus dem Maule. — Dagegen ertrug ein Pferd 4 Unzen von grünen Plättern ohne die geringste darauf erfolgende Wirkung; — aber 1 Pfund dieser frischen Blätter verursachten demselben Pferde etliche Stunden nach dem Eingeben kalte Ohren, kalte Beine, sehr starke Verengerung der Pupille, sehr langsamen Puls, kalten Schweiss, worauf Kälte am ganzen Körper, Lähmung der Hinterlippe und der Tod unter heftigen Convulsionen eintrat. — Bei Dupuy's Versuchen starb ein Pferd unter ähnliehen Erscheinungen nach einer Gabe von 7 Unzen binnen einigen Stunden; und bei einem andern Pferde, dem er die sehr grosse Gabe von etwas über 6 Pfund von dem Mittel ge­geben hatte, erfolgte der Tod noch schneller, unter Zufällen von grösster Erschöpfung der Kräfte und von Lähmung2.
Fast auf ganz gleiche quot;Weise, aber langsamer, wirkt die Digitalis bei Pferden, wenn man ihnen dieselbe in kleineren Gaben etwas an­haltend reicht. Ich gab mehreren kräftigen Pferden täglich dreimal 1 — l'/a Drachmen durch 4 Tage nach einander, und bemerkte dabei oft schon am zweiten Tage den Puls unregelmässig, aussetzend, und um 3—C Schläge in der Minute verringert, auch die Munterkeit und den Appetit zum Futter und Getränke vermindert werden. Am dritten und vierten Tage, nahmen diese Zufälle zu, die Thiere zeigten sich sehr abgestumpft, die Pupille verengert, der Gang schwankend, die Respi­ration beschwerlich; zuweilen trat Durchfall ein; das aus der Ader ge­lassene Blut war schwarz und wenig gerinnbar; bei rotzigen Pferden wurde der Ausfluss aus der Nase sehr vermehrt und die ausgeathmete Luft höchst widrig riechend; mehrentheils wurde jetzt der Puls be­deutend schneller (in manchen Fällen bis 140 Schläge in einer Minute), die Temperatur wechselte oft und verringerte sich immer mehr, bis der Tod, stets unter heftigen Convulsionen, erfolgte.
Hunde ertragen das Mittel verhältnissmässig in viel grössern Gaben, und zeigen von zehn und zwanzig Gran auf einmal gegeben.
1 Pharmacopoea Eqnina. I.oml. 182.'). 4. \gt;p.lt;i. 10.
#9632;J Dnpuy, Journ. pratique lt;lo möd. vötör. 18.'JO. p. 440 u. f.
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nielirenthcils kaum eine wahrnehmbare Wirkung. Orfila (a. a. 0. Bd. •gt;. S. 325) hat bei einem Hunde selbst von l1^ Drachmen des pulverisirten Krautes bis zum folgenden Tage keine auffallende Wir­kung bemerkt; — ich habe aber von solchen Gaben in Zeit von 3/4 bis l1/2 Stunden nach dem Eingeben heftiges Erbrechen, Unruhe, Winseln, Verengerung der Pupille, Verminderung der Zahl der Pulse von 95 auf 8U, selbst bis 70 in einer Minute, Mattigkeit, zuweilen wirkliche Betäubung, anhaltendes Liegen auf dem Bauche, dann Diarrhöe, und durch 2—3 Tage sehr auffallende Schwäche entstehen sehen. Von 2 Drachmen, und noch mehr von 3 Drachmen des Mittels traten diese Zufälle jedesmal ein und endeten gewöhnlich mit dem Tode, wenn den Thieren durch Zubinden des Schlundes das Ausbrechen des Mittel^ un­möglich gemacht worden war. — 2 Drachmen wässeriges Extract erzeug­ten bei einem Hunde nach T'/a Stunden nur Abgeschlagenheit; der Puls blieb wie vorher 125, und gleichmässig; nach M1/., Stunden zeigte sich leichter Schwindel, der Puls wie früher, und 2 Stunden darauf der Tod. — Dieselbe Gabe harziges Extract einein Hunde beigebracht und ihm der Schlund unterbunden, verursachte nach lü Minuten Drang zum Erbrechen, irreguläre, langsame Pulse; nach 10 Minuten noch Drang zum Brechen, Verminderung der Pulse von 90 auf 50 in 1 Minute; nach 2^2 Stunden dieselbe Wirkung, nach 5 Stunden den Tod.
Von 3 Drachmen des Pulvers auf eine wunde Stelle am Schenkel eines kleinen Hundes applicirt, entstand nach 3 Stunden Erbrechen, Schaum vor dem Maule, nach S'/a Stunden Schwindel, und eine Stunde darauf erfolgte der Tod (Orfila).
In die Venen gespritzt, wirkt die Digitalis verhältnissmässig schwächer als andere narkotische Mittel. Ein luf'usum, bereitet aus 2 Drachmen des Pulvers mit 4 Unzen kochenden Wassers, und in Gaben von 1ji-—2 Unzen verschiedenen Pferden in die Drosselvene injicirt, verursachte nach 10—12 Minuten etwas schnelleren, zugleich aber aussetzenden, unregelmässigen Puls, stieren Blick, dunklere Pöthung der Schleimhaut in der Nase und im Maule, geringe Mattig­keit bei der Bewegung. Nach 5 — 7 Stunden waren die Wirkungen vorüber. —#9632; Hunde zeigten nach der Injection von '/a Drachme dieser Elüssigkeit ähnliche Symptome im massigen Grade, starben aber von 1 Drachme unter hinzugetretenen Convulsioneu. — Injection eines In-fusums von 3 Drachmen Digitalis in die Jugularis eines Hundes brachte nach 5 Secunden einen Stillstand des Herzens bei Portdauer der lie-spiration und bald darauf den Tod1. — Von der nach der Prcussischeu Pharmacopöe bereiteten einfachen Pin ge rhu t kraut - Tinctur (Tinctura Digitalis simplex) spritzte ich Pferden 2 Drachm, bis Va Unze in die Vene, ohne dass hiernach eine deutlich wahrnehmbare Wirkung erfolgte; von 6 Drachmen bis 1 Unze zeigte sich die letztere fast ganz so wie nach der Injection von 1 Unze des wässerigen Aufgusses.
Bei Wiederkäuern und Schweinen ist die Wirkung des Pingcr-hutkrautes noch wenig erforscht. Kühen gab ich dasselbe von ] Scrupel
1 liliikc, in Edinb. med. Jouru 1839 p. 342.
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bis 2 Drachmen täglich zweimal mit 1I2 Pfund heissem Wasser, aber stets nur durch einen Tag, und bemerkte hierauf 2 — 3 Stunden nach dem Eingeben eine Minderung der Stärke und der Schnelligkeit der Pulse und der Herzschläge (von 60 oder 56 auf 55 bis 50 in der Minute), Trockenheit des Nasenspiegels, keine Veränderung der Pu­pille, und auch keine andere Zufälle. Jene quot;Wirkung dauerte gewöhn­lich bis zum zweiten Tage fort.
Auf das Haus-Federvieh soll die Digitalis, nach Bonjeans vielen Versuchen, keine giftige Wirkung äussern. Er gab die fnscheu Blätter oft bis 4 Unzen, ohne class eine Wirkung eintrat (Journ. de Pharmacie, Juli 1843). —Auch Bladig fand, dass das Mittel den Hühnern keinen Nachtheil brachte (Oester. med. Wochenschrift 1844, 1. Quart. S. 121) Ich sähe dagegen, dass 10 junge Puten nach dem Genuss der blühen­den Pflanze betäubt wurden, Schwindel, Lähmung und Krämpfe be­kamen. Essig minderte diese Zufälle und stellte in 16 Stunden die Thiere wieder her.
sect;. 386. #9632;
Am Cadaver der durch die Digitalis getödteten Pferde findet man fast immer den Bauch stark aufgetrieben, den Magen eben so, zugleich änsserlich seine Gefässe sehr mit schwarzem, dünnflüssigem Blute an­gefüllt, im Innern an verschiedenen Stellen entzündet, die Schleimhaut dunkel geröthet, leicht trennbar; am Dünndarm nur starke Anfüllung der Venen, den Dickdarm entzündet, bald g-leichmässig in einem weiten Umfange, bald an vielen kleinen Stellen oft auch Extravasate von Blut in Gestalt kleiner schwarzer Flecken unter der serösen Haut und inner­lich unter der Schleimhaut; Netz, Gekröse und Bauchfell ebenfalls an verschiedenen Stellen entzündet; die Blutgcfässc injicirt; die Lungen massig mit Blut erfüllt, an ihrer Oberfläche oft mit einigen schwarzen Flecken versehen; in den Bronchien blutiger Schaum; das Herz zeigt hald nach dem Tode sehr wenig Reizbarkeit, hat änsserlich an mehrern Stellen, vorzüglich im Verlaufe der Kranzgefässe schwarze Extravasate von verschiedener Grosse, die Fasern dunkelroth, sehr mürb, die Höhlen leer, oder mit flüssigem Wasser erfüllt. Letzteres ist, wenn der Tod langsam erfolgte, in der Eegel schwärzlich, aber nach schnell erfolgtem Tode (daher nach sehr grossen Gaben) ist gewöhnlich die eine oder die andere Herzkammer mit hochrothem Blute erfüllt. Gehirn, Rücken­mark und die Häute dieser Organe sind sehr blutreich.
sect;. 387. Aus den angegebenen Erscheinungen ist zu erkennen: a) dass die Digitalis zuerst örtlich auf die von ihr betroffenen Theile, und daher bei innerlicher Anwendung auf die Verdauungseingeweide, scharf rei­zend wirkt; b) dass der wirksame Stoff resorbirt wird, hiernach nar­kotische Wirkungen auf das Gehirn, das verlängerte Mark und auf den von dem letzteren entspringenden Nerv, vagus ausübt, welche eben­falls oft zuerst mit Reizung beginnen, dann aber speeifisch mit Vermin­derung der Schnelligkeit und der Stärke der Herzbewegung begleitet sind; und c) dass sehr grosse Gaben des Mittels selbst eine vollständige
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Läbmung der Qerzuerven, daher einen Stillstand der Herzbewegnng,
in kurzer Zeit herbeiführen können. Ob diese Verminderung- und Läliinung der Herzthatigkeit direct oder als Folge einer üeberreizung eintritt, — ist nocli nicht entschieden festgestellt.
sect;. 388.
Die Indicationen zur therapeiitischcu Benutzung der Digitalis sind hauptsftcblicb auf die, die Schnelligkeit und Stärke der Herzbewegung herabstininiende Wirkung, — ausserdem auch auf die diuretische Wir­kung des Mittels gegründet. In ersterer Hinsicht wird dasselbe als beruhigendes Mittel, als Antiphlogisticum oder (nach Rasori) als Contrastimulans überall angewendet, wo eine iibermiissige Erregung des Herzens und der Blutgefasse mit erethischem Character besteht, wo die Herzschläge schnell, kurz, die Arterienpulse massig schnell, kräftig, die Schleimhäute geröthet, die Temperatur erhöhet sind; da­gegen coutraindicirt ist Digitalis überall, wo die Lebensthätigkeit im Allgemeinen, besonders aber im Blutgefässsystem sehr gesunken ist, wo grosse Blässe der Schleimhäute, verminderte Wärme, sehr klei­ner, langsamer Puls, pochender, langsamer Herzschlag, dünnflüssiges Blut, (Jachexie besteht. Ebenso ist das Mittel unpassend bei Ent­zündungen und Fiebern, deren Grund in einer Reizung der Bauch­eingeweide liegt oder wenn bei Entzündungen bedeutende gastrische Oomplicationen bestehen. Seine vorzüglichste Anwendung findet Digi­talis bei Entzündungen des Herzens, des Herzbeutels, der Lungen und des Brustfells; daher auch bei Influenza der Pferde in dieser Form (und ohne Typhus), und bei plastischen und serösen Exsudaten dieser Entzündungen, wenn und so lange der Erethismus im Blutgefässsystem besteht. Bei heftigen Entzündungen mit sehr hartem Pulse und mit Trockenheit der Schleimhäute muss stets dieser hohe Grad erst durch Blutentziehungen gemindert sein. Unter diesen Umständen habe ich von der Digitalis, allerdings mehrentheils neben anderen Mitteln, bei jenen Entzündungen sehr häufig den besten Erfolg gesehen, selbst bei der Lungensenche des Rindviehes; seltener war dies der Fall bei hef­tigen rheumatischen mit Fieber begleiteten Angenentzündnngen, bei rheumatischen Gelenk- und Hufentzündungen. — Gegen Gehirnent­zündung ist das Mittel auch versucht worden, jedoch mit keinem be­sondern Erfolge, — was sich wohl aus dem, mit der narkotischen Wir­kung verbundenen Blutandrange zu dem Gtfhirn, erklären lässt.
Aussor den Entzündungen des Herzens ist Digitalis auch bei an­deren, mit Erethismus verbundenen Aifectionen dieses Organs, besonders bei dem sogenannten Herzpochen, bei Hypertrophie und bei Fehlern der Herzklappen angewendet worden. Bei dem ersteren Zustande, dessen Sitz und Ursache noch unbekannt, ist, erscheint die Digitalis als ein zweifelhaftes Mittel, und bei den letzteren Zuständen kann natürlich ihre Hilfe nur eine, vorübergehende Minderung der Zu­fälle sein.
Als diuretisches Mittel ist die Digitalis fast allgemein gegen Was­sersüchten im Gebrauch; ich habe jedoch nur bei frisch entstandenen
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acuten Brust- und Bauchwassersüchten, bei denen GefässeiTCguug be­stand, eine wirkliche Besserung von ihr gesehen, dagegen bei chro­nischen, torpiden, sogenannten kalten Wassersüchten nutzte sie wenig dauernd, oft auch gar nichts, obgleich sie, auch hier in den meisten Fällen eine vermehrte Urinabsonderung verursachte. — Gegen die Wasseransammlung in den Ilirnhöhleu bei dem Dummkoller der Pferde, versuchte ich das Mittel sehr oft vergeblich; bei einzelnen Pferden wurde zwar nach seinem Gebrauch (auch durch denselben?) die Ab­stumpfung etwas geringer und das Drehen nach einer Seite hörte auf, aber bei keinem wurde der Koller gänzlich geheilt, und in mehreren Fällen musste das Mittel wegen schnell eingetretener Appetitlosigkeit und wegen sichtbar vermehrter Schwäche sehr bald wieder ausgesetzt werden. — Gegen diejenige Drehkrankheit der Schafe, welche von einer geringen, in der Regel asthenischen Hirnentzündung entstanden ist, war Digitalis in Verbindung mit Calomel, Aloe und dgl. Mitteln mehrmals nützlich. — Gegen ödematöse Anschwellung der Füsse habe ich sie bei mehreren Pferden ganz vergeblich angewendet.
sect;. 389. Man darf die Digitalis nur in kleinen Gaben, nämlich bei Pferden und Rindvieh von 1 Scrupel bis 1 Drachme, höchstens 2 Drachmen; bei Schafen und Schweinen 4—10 Gran, bei Hunden von 2—10 Gran und nur in Zwischenzeiten von 5 — 7 Stunden anwenden. Auch ge­bietet es die Vorsicht, das Mittel nur durch etwa 2 Tage anhaltend zu gebrauchen und es dann durch 24 Stunden wieder auszusetzen, um die Wirkung zu beobachten (welche oft erst am folgenden Tage bemerkbar wird) und um die, von dem länger fortgesetzten Gebrauch zuweilen ent­stehenden üblen Zufälle zu verhüten. Diese Vorsicht ist am meisten bei Pferden nöthig; und wenn bei diesen Thieren während des Gebrauchs der Digitalis der Appetit verschwindet, so halte ich es stets für zweck-mässig, den fernem Gebrauch sogleich zu unterhissen.
sect;. 390. Die innerliche Anwendung des Fingerhutkrautes findet in Latwer­gen, Pillen oder in einem, mit kochendem Wasser gemachten Aufguss Statt. Selten giebt mau es allein, sondern gewöhnlich mit andern Mitteln, welche dem kranken Zustande entsprechen, versetzt, wie namentlich mit Salpeter, mit Glaubersalz, Doppelsalz, Weinstein, Ca­lomel, Brechweinstein, Salmiak, kohlensaurem Kali und dgl. Um für grosse Thiere die nöthige Masse, besonders bei der Anwendung der Digitalis in Pillen und Latwergen zu erhalten, und um ihre nach­theilige örtliche Einwirkung auf die Verdauungseingeweide zu ver­hüten, ist in den meisten Fällen der Zusatz von schleimigen Mitteln, von Süssholzwurzel oder auch von Fnzlanwurzel am zweckmässigsten. Gewürzhafte und geistige Mittel schwächen die herabstimmende Wir­kung der Digitalis auf die Blutgefässe und passen daher nicht, wenn eben nur diese Wirkung bezweckt wird; ihr Zusatz kann aber ge­schehen, wenn die Resorption und die Harnahsonderung befördert werden soll, wie z. B. bei veralteten Wassersüchten. Bei hartnäckigen
QqrtwiG, ArzneimitUillelire.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;23
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rhomii;iti.sclK'ii Affectioneii scLien die Verbindung der Digitalis mit Kaiii|)licr oder mit Sublimat gute Dienste zu leisten. — Aeusserlich ist von Morton ein Infusum gegen heftige Augenentzündungen em-
pfolilen.
Anmerkung 1. Die Präparate, das Extract and die Tinctur, sind in der Thier-arzueiknnde nicht gebräuchlich. (Die Blätter zerschnitten, 1 Unze 1 Sgr. G Pfg., fein pulv. 2 Sgr.)
Anmerkungü. Qegengifte gegen Digitalis sind nicht bekannt. Mau sucht die allgemeinen Zulalle durch erregende Mittel zu beseitigen.
7) 'l'aback, Taimcksliliittcr, Tabackskraut, Folia s. Serba Nicoüanae s. Tabuci.
sect;. 391.
Die Bestandtbeile des Tabacks sind: Nicotin, Nicotianin, bitterer Extractivstoff, Gummi, Satzmehl, Eiweis u. s. av. — Das Nicotin ist eine farblose, durchsiebtige Flüssigkeit, welche alkalisch reagirt, mit Säuren Salze bildet, nach Taback riecht, scharf schmeckt und sehr giftig wirkt. Vier Tropfen tödteten einen Hund in 1—4 Minuten, 1 Drachme in oü Secunden unter heftigen Krämpfen und Lähmung, Erweiterung der Pupille. Das Nicotianin wirkt schwächer und macht keine Er­weiterung der Pupille.
Der TViback gebort zu den scharfen narkotischen Arzneistoffen iiud ist der Digitalis darin ähnlieh, dass er wie diese (sehr oft, aber nicht immer) die Bewegungen des Herzens und der Blutgefässe langsamer macht und zugleich die Resorption befördert; aber der Taback scheint mehr die Empfindlicbkeit in sympathischen Nerven zu vermindern und umzustimmen. Beide Mittel sind sowohl in einigen Nebenwirkungen wie auch im Grade der Stärke von einander unterschieden; denn der Taback macht eine schwächere örtliche Einwirkung und wird, wenig­stens von Pferden, in viel stärkeren Gaben ertragen als die Digitalis.
Ich habe sehr oft gesunden Pferden 1 — 2 Drachmen pulverisirtcu Taback in einer Pille täglich drei- bis sechsmal und durch 2—3 Tage nach einander gegeben, aber niemals irgend eine Wirkung hiernach gesehen; von ^a—1 Unze in einer Gabe erfolgte zuweilen schon nach 1 — 2 Stunden eine Verminderung der Pulse um 3 —10 Schläge pro Minute; wurde solche Gabe nach Zwischenzeiten von einer Stunde zwei- bis viermal wiederholt, so trat diese Verminderung der Pulse um desto sicherer nach der zweiten Gabe ein. Gewöhnlich wird der Puls zuerst iiuregehnässig, aussetzend, dann gleiclimässig langsamer. Die Wirkung dauert 6, 8—12 Stunden und verschwindet dann wieder gänzlich; an der Pupille1 und am Athmcn konnte ich dabei keine Ver­änderung wahrnehmen; zuweilen schien die Munterkeit der Pferde etwas vermindert zu sein, aber der Appetit stand gut fort, der Koth ging etwas reichlicher, aber gut verdaut ab, und eben so wurde der Urin etwas reichlicher entleert. — Von 6 Unzen des trockenen pul-
1 Zuweilen war bei den stärkern Graden der Wirkung die Pupille enger als im gesunden Zustande; eine Eigontliüinliehkeit, wie sie bei keinem andern narko­tischen Mittel vorkommt.
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verisirten Krautes auf einmal, und täglich zwei- Lis dreimal (also bis l1^ Pfund) gegeben sah ich im Wesentlichen nur dieselbe quot;Wirkung; bei einem Pferde wurde jedoch nicht allein die Zahl der Pulse von 38 auf 27, sondern auch die der Athemzüge von t) auf 5 vermindert, und die 'Wirkung dauerte gegen 40 Stunden. — Von den frischen Blättern der Nicotiana Tabacum und eben so von der JNicotiana rustica vor der Blttthe und während derselben, gab ich verschiedenen Pferden 2 bis 6 Pfund auf einmal, in Pillen und Latwergen, und bemerkte hiernach die angegebenen Wirkungen in einem sehr geringen Grade, zugleich aber durch einige raquo;Stunden Verlust des Appetits und reichlichen Ab­gang des Urins. — Von dem aus Nicotiana rustica gepressten Saft wurde 1 Pfund einem 9 Jahr alten Pferde eingegeben, worauf inner­halb einer Stunde eine Vermehrung der Pulse um 3 Schläge pro Minute, und innerhalb 2^2 Stunden viermaliges Misten und öfteres Harnen erfolgte. Die Wirkung war damit vorüber. 2 Pfund dieses Saftes am folgenden Tage demselben Pferde eingegeben, wirkten auf ganz gleiche Weise und nur eben so stark. —#9632; Ein Aufguss und eben so ein Decoct von 1—Ü Unzen trockenen Tabackskrautes zu 1—2 Pfd. Colatur, als Glystir bei Pferden in den Mastdarm gespritzt, erregte immer in kurzer Zeit mehrmalige Koth- und Urinentleerung, ohne dass weitere Zufälle eintraten.
Das Einspritzen einer halben Unze Tabacks-Infusum (bereitet aus 1/2 Unze trockenen Krautes und G Unzen heisscu Wassers) in die Dros-selveno eines kräftigen Pferdes, verursachte sogleich schnelleres, be­schwerliches Athmen, sehr schnellen Puls, Fieberschauer am ganzen Körper, dunklere Röthung der Schleimhaut in der Xase und Mattig­keit. Diese Symptome minderten sich nach einer Stunde und ver­schwanden nach o Stunden gänzlich. — Die Injection von 1 Unze dieses Aufgusses in die Vene desselben Pferdes, aber 4 Tage später gemacht, war mit ganz gleichen, aber viel heftigeren Zufällen begleitet, welche jedoch ebenfalls nur kurze Zeit bestanden. Das Pferd zeigte bald darauf guten Appetit und die Entleerungen des Mistes und des Urins waren normal. — Als wieder 4 Tage später 2 Unzen dieses Auf­gusses iujicirt wurden, entstand sogleich höchst angestrengtes, ängst­liches Athmen, das Thier schien ersticken zu wollen, taumelte, fiel nieder, versuchte unter grosser Angst wieder aufzukommen, konnte sich aber nicht auf den lieineu erhalten, sondern stürzte wieder nieder; der l'uls sehr schnell, deutlich fühlbar, der Herzschlag stark pochend, krampfhafte Zusammcnziehungen der Bauchmuskeln, Neigung zum Erbrechen, Umsehen nach dem Leibe. Nach 10 Minuten Hessen diese Zufälle sehr nach, das Pferd stand auf, ging aber schwankend; Puls und Athem blieben noch sresen 5 Stunden beschleuniirt und die Fress-lust durch 2 Tage vermindert, dann war Alles wieder normal. — Die Pupille erschien fortwährend unverändert und eben so die Entleerung des Kothes und Urins.
Einer gesunden Kuh von mittlerer Grosse wurden 3 Unzen pul-verisirten Tabacks mit l1/., Pfund warmen Wassers gemengt, in Zwi­schenzeit von 2 Stunden eingegeben. Schon nach der zweiten, noch
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molii aber nach der dritten Gabe entstand bedeutend erliöhte Tem-pei-atur der Haut, Vermehrung der Pulse von G5 auf 70, beschleunigtes, etwas angestrengtes Athmen, dann Kälte der Homer, der Obren und Fiisse, massige Erweiterung- der Pupille, und heftiger Schweiss, der bis in die Nacht fortdauerte. Am folgenden Tage trass das Thier schlechter und war etwas traurig, am dritten Tage war es ganz wolil. — Bei Wiederholungen dieses Versuchs, auch mit nur 2 Unzen Taback trat ganz dieselbe Wirkung ein, aber Lei einer andern Kuh blieb sie selbst nach 4 Unzen aus. — L)as durchgeseihete Infusupi (.'i Pfund) von 4 Unzen Taback brachte auch bei der ersten Kuh keine Wirkung her­vor, aber der Rückstand von diesem Aufguss verursachte erhöhte Tem­peratur des ganzen Körpers.
Zwei trächtige Kühe frassen auf der Heimkehr einige Maulvoll trockener Tabacksblätter und dann noch im Stalle eine Schnurvoll dieses Krautes. Einige Stunden später zeigten sie kolikartige Zufälle, trippelten hin und her, und stampften mit den luisscn furchtbar. Dann trieb der Hinterleib auf; die Thiere wurden betäubt, hatten hervor­stehende Augen, wilden Blick, bewegten den Kopf viel und hoben ihn merkwürdig hoch auf; später zitterten sie, fielen zur Erde, lagen be­täubt mit ausgestreckten Küssen und aufgestütztem Kopfe; die Zunge hing; hervor und Geifer floss aus dem Maule. Alle Mühe, die Thiere aufzurichten, war vergeblich. Sie wurden geschlachtet, wonach blos etwas Entzündung der Magen und des Darmkanals und die Blase mit Urin erfüllt gefunden wurde. Letzteres deutet darauf: dass die Aus­leerung der Blase während jenes ZuStandes aufgehört hatte (Schma-ger, in d. thierärztl. Ztg. 1844, No. 21, S. 81). — Ein Ochse ver­zehrte gegen 4 Pfund trockene Blätter von Landtaback. Bald darauf zeigte er grosse Unruhe, Zähueknirschcn, Stöhnen, Auftreibung des Leibes, legte sich mit ausgestreckten Beinen, bekam stinkende Diarrhöe, der Nasenspiegel wurde kalt, das Maul aber war heiss und schleimig, der Körper wurde kalt und es traten Zuckungen ein; von Zeit zu Zeit stand das Thier auf, trippelte mit den Beinen, und stöhnte; Appetit und Wiederkauen waren gänzlich verschwunden. Unter Convulsioncn trat nach 11 Stunden der Tod ein. Section: Im Wanst noch die be­zeichnete Menge Tabacksblätter, seine Schleimhaut dunkelroth und da, wo die Blätter gelegen, mit kleinen Erosionen versehen, im Leerdarm eben so, die übrige Schleimhaut sehr blass, das Blut sehr dunkel, sonst nichts Abnormes (sehr ähnliche Beobachtungen von S-'cbiller, Magaz. f. Thierbeilk. XV. 254).
Ziegen fressen gern Taback, auch Schnnpftaback. Einer gesun­den Ziege wurde l/2 Unze pulverisirten Tabacks in Latwergenform, in 3 Theile getheilt, innerhalb •'! Stunden eingegeben. Bei der dritten Gabe erschienen die Pulse um G und die Athemzüge um 2 in der Mi­nute vermindert, dass Thier etwas aufgetrieben, aber munter. Die Wir­kung dauerte gegen 7 Stunden. — Von einer Unze des Mittels, auf die­selbe Weise angewendet, entstand eine enorme Aufblähung des Leibes, blaurothe Färbung der Schleimhaute, ein geringer Grad von Betäubung und Krämpfe. Nach einem Aderlass minderten sich die Zufälle und
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am folgenden Tage zeigte sicli das Thier wieder munter. — Eine Unze Taback auf einmal gegeben, tiidtete die Ziege unter ähnlicben Zufällen, welche gegen 10 Stunden dauerten. — Bei einer zweiten Ziege trat diese tödtlieho Wirkung nach 2 Unzen Taback ein.
üeber die Wirkungen dieses Mittels an Schafen und Schweinen sind sichere Beobachtungen nicht bekannt; Schweine sollen sicdi von ihm erbrechen.
Einem kräftigen Hunde gab mau 1 Drachme pulverisirtcu Taback, mit Mehl und Wasser zur Pille gemacht; nach 5 Minuten wurde die Pille wieder ausgebrochen, dennoch erfolgte nach 50 Minuten eine Ver­minderung der Pulse von 87 auf 49; die Arterie war weich und voll; das Athmen, die Pupille, die Bewegung dor Glieder und die Aus­leerungen blieben unverändert und nach 5 Stunden zeigten sich auch die Pulse wieder in normaler Zahl. Orfila (a. a. O. S. t-gt;V2) brachte, mittelst der Oesophagotomie in den Magen eines starken Hundes ö'/o Drachmen pulverisirten Taback. Nach einigen Minuten bemerkte man Drang zum Erbrechen, nach (i1/^, Stunde Schwindel, langsamen Gang, Zittern der hintern Extremitäten; — die Sinnesorgane schienen gesund, das Athmen etwas beschleunigt. Nach 8 Stunden lag das Thier auf der Seite und konnte sich nicht mehr auf den Eüssen erhalten, ob­gleich es bisweilen Versuche dazu machte; der Kopf zitterte beständig, die Physiognomie drückte Abstumpfung aus; es folgten Zuckungen der Nackeumuskeln, Schlaffheit der Glieder, schnelle, beschwerliche Respi­ration, schnelle, starke Herzschläge, und mit 9 Stunden der Tod. — 2 Drachmen des Pulvers mit eben so viel Wasser auf das Zellgewebe am Schenkel eines Hundes applicirt, verursachten ganz ähnliche Zu­fälle und schon nach 80 Minuten den Tod. Dieselbe Wirkung sah Orf ila sogar von 16 Grau pulverisirten Tabacks, welche auf gleiche Weise angewendet wurden, erfolgen, aber der Tod trat erst nach eini­gen Stunden ein. —#9632; Ein Decoct, bereitet von ^ Drachme Taback zu '/a Unze Colatur, welches ich einem kräftigen Hunde in den After spritzte, verursachte sogleich Aeusserungen von Schmerzen im Leibe und Drang zur Kothentleerung, wobei der grösste Theil dos Decocts wieder ansgestossen wurde. Dennoch wurde bald darauf der Gang schwankend, der Herzschlag aussetzend, das Athmen angestrengt, und der Hund fiel nach 6 Minuten betäubt nieder; nun folgte heftiges Er­brechen, das binnen einer halben Stunde mehrmals wiederkehrte, und worauf die übrigen Zufälle nach 3 Stunden wieder verschwanden. — Ein anderer Hund, dem die doppelte Menge eines solchen Decoctes in den After gespritzt worden war, starb binnen 10 Minuten unter Zu­fällen von Lähmung.
Waschungen mit einer starken Abkochung von Taback bei 20 Kühen wegen Läusen unternommen, verursachten bei i Stücken den Tod noch an demselben Tage; die übrigen kränkelten, 1 Stück starb nachträglich noch. Bei der Section soll sich nichts Krankhaftes gezeigt haben (Albrecht, im Mag. f. d. gesammte Thierheilk. Bd. XL S. 108).
Seh mager beobachtete bei einer sehr zurückgekommenen Kuh. die ebenfalls wegen Läusen mit einer sogenannten Tabackssauce aus
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einer Tabacksfabrik gewaschen worden, 2 Stunden später ein Zittern am ganzen Körper, Kalte der Hörner, der Ohren und Xasc, Verlust des Appetits und des Wiederkauens, Auftreibung des Leibes, stieren IJlick, Angst, Unruhe, sehr beschleunigten, dabei aber öfters ganz aus­setzenden Puls und Herzschlag. Als das Thier mit quot;Wasser abge­waschen worden und innerlich zuerst alle Stunden, später alle 2 Stun­den l1/2 Schoppen schwarzen Kaffee mit '/a Schoppen Oel erhalten hatte, verloren sich die Zufälle bald wieder, aber Fresslust und Wie­derkauen stellten sich erst am zweiten Tage wieder ein (thierärztl. Ztj;'. 1845. No. 21). — Bei einer Kuh verursachte eine solche, aus der­selben Ursache unternommene Waschung die fürchterlichsten Zufälle; deshalb schlachtete man das Thier. Man fand in ihm die Schleimhaut des Pansen mit Brandflecken, die des Laab mit Erosionen versehen, die Blutgefässe der Lungen, das Herz und die Aorta mit geronnenem Faserstoff erfüllt (Eppele, in Herings Bepertor. 3. Jahrg. S. 43. — Von derselben Wirkung an 4 Kühen s. Bartcl's Organ, S. 556).
Waschungen mit einem Decoct von 2 Unzen Taback zu 2 Pfund Colatur, verursachten bei mehreren Hunden etwas Mattigkeit und Traurigkeit, aber keine anderen Zufälle.
Bei der Section der Thiere, welche durch innerliche Anwendung des Tabacks getödtet sind, findet sich die Schleimhaut dos Magens mehr als gewöhnlich geröthet, der Darmkanal gesund, und Überhaupt im ganzen Körper wenig verändert.
sect;. 392.
Der Taback ist sowohl innerlich, wie auch zu Clystiron und äus-sorlich gegen verschiedene Krankheiton der Thiere mit Nutzen ange­wendet worden, jedoch grösstentbeils nur empirisch und ohne solche ludicationen, die sich auf seine speeifischen Wirkungen gründen.
laquo;. Bei seiner innerlichen Anwendung muss wohl die doppelte Wirksamkeit des Tabacks als scharfes und als narkotisches Mittel in Betracht kommen. In ersterer Hinsicht kann er besonders bei mangel­haften Sccretionen, bei Verstimmung und Verlust des Appetits, bei Leibes Verstopfung, bei den torpiden Wassersüchten und bei Unthätig-keit der Lymphdrüsen nützlich gebraucht werden. — In der zweiten Eigenschaft erscheint die umstimmende, die Lebensthätigkeit vermin­dernde (selbst lähmende) Wirkung-, welche er auf das ganze Nerven­system, speeifisch aber auf den Nervus sympathicus zeigt, fast noch wichtiger, und der innerliche Gebrauch des Tabacks ist hiernach an­gezeigt: gegen krankhaft erhöhte und unregelmässige Nerventhätig-keit überhaupt, speciell aber gegen krankhaft gesteigerte Sensibilität, namentlich in den Brust- und Baucheingeweiden und gegen die hiermit verbundenen Störungen; daher z. B. gegen den Dummkoller mit er­höhter Empfindlichkeitl, gegen Krämpfe und Starrkrampf unter ähn-
1 Ein Krankheitszustand, der bisher nieht gehörig beachtet wurde, dessen Beachtung aber in diagnostischer und therapeutischer Hinsicht von Wichtigkeit ist. Siehe: Encyclopäd. Wörterb. d. mcd. Wissenschaften. Herausgegeben von den Professoren der med. Facnlt. zu Berlin. 20. Bd. Artikel: „Koller der Pferdequot;.
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lichen Verhältnissen, gegen anhaltenden Reizhusteu und nervöse Däm­pfigkeit, gegen Krampf- und Windkolik, Trommelsucht, krampfhafte Harnverhaltung und dgl.; — ferner gegen Erethismus der Blutge-fiisse bei und nach Entzündungen, wenn dieselben entweder durch die Dauer oder durch antiphlcgistische Mittel den syuochösen Character verloren haben.
sect;. 393.
b. Zu den Clystiren benutzt man das Mittel auf zwiefache Weise, nämlich entweder: 1) mit Wasser gekocht in flüssiger Form, oder 2) den Hauch vom brennenden Tahack. — Die Wirkung der Ab-kochung ist im Clystir ganz wie bei innerlicher Anwendung und nur dem Grade nach bei Pferden und Rindvieh etwas schwächer; in den Tabacksrauchclystiren erhält sie aber durch den Bauch und durch das bei dem Verbrennen des Tabacks erzeugte empyreumatische Oel' eine stärker reizende Nebenwirkung, welche jedoch grösstentheils örtlich auf den hintern Theil des Darmkanals beschränkt zu bleiben scheint. Zugleich dehnt der Tabacksrauch den Mastdarm mehr und gleichmäs-siger aus, als eine eingespritzte Flüssigkeit dies thut.
Die Clystire von Tahacksdecoct sind bei Krämpfen, bei dem Teta­nus, vorzüglich aber bei krampfhaften Reizungen des Hinterleibes wie bei Krampfkolik, bei krampfhafter Harnverhaltung, bei eingeklemmten Brüchen und bei ähnlichen Zuständen .sehr nützlich; die Tabacks-rauchclystire können bei denselben Krankheiten gebraucht werden, passen aber mehr da, wo neben dem Krampf zugleich Schwäche der Fasern besteht: daher vorzüglich bei Windkolik, bei Tympanitis, bei der ächten atonischen Verstopfungskolik, auch bei hartnäckiger ato­nischer Verstopfung ohne Kolik und dgl. Selbst bei Entzündnngs-kolik, besonders wenn dieselbe (wie fast immer) mit hartnäckiger Ver­stopfung verbunden ist, hat man sowohl das Decoct, wie auch den Rauch vom Taback als Clystir mit gutem Erfolg angewendet, und ich kann aus eigener Erfahrung diesen Erfolg bestätigen. Andere Thier-ärzte haben das Mittel nicht so nützlich gefunden. Bei Entzündungen des Mastdarms oder selbst nur bei zu grosser Trockenheit in demselben ist aber der Tabacksrauch durch seine örtlich reizende Einwirkung mehr schädlich als nützlich.
sect;. 394.
Die Gabe zum innerlichen Gebrauch ist für Pferde und für Rind­vieh 1—3 Unzen, für Ziegen und Schafe '/o—2 Drachmen, für Schweine l/2—1 Drachme, für Hunde 10 Gran bis 1I2 Drachme, täglich drei- bis viermal. —Man giebt den Taback in Latwergen, Pillen, oder im Decoct, und setzt ihm zuweilen noch andere Mittel zu, z. B. bei schmerzhaftem Husten das Calomel, bei krampfhafter Verstopfung des Leibes das Glau­bersalz, bei Wassersucht den Weingeist, Essig und dgl. entsprechende Mittel. — Zu flüssigen Clystiren dient dieselbe Quantität wie zum
1 Im Tabacksrauch ist Nieotin, Nicotianin, Kolile, Kolilcnoxydgas, Kohlen­säure n. s. w. entlialtcn: und das Oel enthält ebenfalls Nieotin, Nicotianin in einem sehr stark riechenden Oel, mit Ammoniak, Buttersäure und dgl.
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iunerlidien GcLiaucli; bei Hunden darf man jedoch nicht mein' als 20 Grau trockenen Taback mit 1 Unze Wasser gekocht, zu einem Clystir nehmen. Man wiederholt solche Clystire nach Bedürfniss der Zufalle alle halbe bis ganze Standen! Die Kauchclystire können, so lange die heftigen Zufälle dauern, ziemlich anhaltend fortgebraucht werden, und es lässt sich daher die Menge des hierzu erforderlichen Tabacks für jeden Fall nicht genau bestimmen; indessen sind doch für die grossen Hausthierc 1 — 2 Unzen, für die kleinen 1li—1 Unze ge­wöhnlich hinreichend1.
sect;. 395. c. Aeusserlich dient der Taback im Decoct als Waschmittel gegen juckende Hautausschläge, Flechten, Bände, den sogenannten Batzen­schweif der Pferde, und gegen Läuse und anderes Ungeziefer. Ich habe ihn gegen diese Uebel bei allen Hausthieren stets mit gutem Er­folge-' angewendet, jedoch auch gefunden, dass er oft gegen Bände weniger leistet als die schwarze und weisse Nieswurz. Bei Hautaus­schlägen ist eine Abkochung in Wasser (1 Th. zu 8—10 Th. des letz­tern), bald für sich allein, bald mit Zusatz von Schwefelsäure oder von Schwefelleber oder Kochsalz, Kupfervitriol, Fotasche, Sublimat, Glanz-russ und dgl. reizenden, austrocknenden Mitteln, — oder eine Ab­kochung in Ascheulauge (in dem vorigen Verhältniss) zu benutzen; dagegen ist zum Tödten der Läuse eine Abkochung mit Essig von aus­gezeichneter Wirksamkeit. — Die Schäfer pflegen in manchen Gegen­den den Taback zu Kauen und den auf diese Weise imprägnirten Spei­chel, unter dem Namen Gose gegen liäude u. s. -w. zu benutzen; das Decoct verdient jedoch den Vorzug.
Anmerkung. Der sogenannte Tabackssafi orter Tabackssabber, rtcr sich in den Abzügen der Tiibackspt'eifen sammelt und das empyreumatische Oel mit etwas Speichel enthält, wirkt sowohl bei innerlicher Amvenrtung, wie auch bei dem Ein­spritzen in den Mastdarm und bei dem Aufstreichen auf wunde Stellen an Hunden und andern kleinen Thieren sehr giftig und oft in wenigen Minuten törttend. Die hierzu erforderliche Quantität ist jedoch nicht immer gleichmässig, weil das Prä­parat oft von sehr verschiedener Stärke ist. Bei mehrern Versuchen starben Hunde von 1 Loth, innerlich gegeben oder in den Mastdarm gespritzt, und Tauben oft von 2—4 Tropfen. (Zerschnitt. Blätter 1 Unze 2 Sgr. 4 Pfg.)
8) Schlerlingskraul (Erdschierling, gefleckter Schierling), Siwia Conii m-aculafi a. Cicutae terrestris.
sect;. 396.
Der wirksame Bestandtheil dieser Pflanze ist das Coniin, ein eigenthümlicher Stoff, der in Verbindung mit Wasser alkalisch reagirt.
1nbsp; nbsp;Das Einbringen des Tabacksrauchs in den Mastdarm geschieht am besten vermittelst einer besondern Tabacksrauchclystir-Maschine, im Nothfalle aber ver­mittelst einer Tabackspfeife, von der das Rohr, nachdem sie mit Taback gestopft und angezündet ist, in den After gesteckt wird. Gewöhnlich raucht die Pfeife von selbst aus; zuweilen muss man dies aber durch Blasen von aussen her befördern.
2nbsp; Bourgelat (mat. medieale) will hiervon Zurücktreten der Räude und tödt-liche Metastasen auf die Baucheingeweide haben entstehen sehen, was aber sehr zu bezweifeln ist.
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Das Coniin ist cine ftirblose Flüssigkeit von heftiger, giftiger Wirksam­keit, und in den Samen etwa zum hundertsten Theil ihres Gewichts, im Kraute etwas weniger, enthalten. Viele Versuche haben gezeigt, dass mittelgrosse Hunde von 12 Tropfen in 5 Minuten, von 24 Tropfen Coniin in 2 Minuten gestorben sind (Orfila, Toxikolog. 1837). Kanin­chen starben von 1 Tropfen, den man ihnen ins Auge gebracht hatte. Immer entstanden tonische und clonische Krämpfe und das Athmcn hörte auf, während die Herzbewegung noch einige Zeit fortdauerte, also der Digitaliswirkung entgegengesetzt.
Die Wirkungen des Schierlings selbst auf die verschiedenen Haus-thiere sind noch nicht genügend erforscht. — Die meisten Schriftsteller haben blos die Angabe des Lucretius nachgeschrieben1, und selbst Linne2 sagt von der Pflanze: „Schafe und Eindvieh lassen sie auf der Weide stehen, doch schadet sie den Kühen nicht, wenn sie dieselbe ge­trocknet mit anderem Heu unter dem Futter erhalten; die Ziegen fressen sie gern und ohne Schaden; Wölfe, Füchse und Maulesel können sie ohne merklichen Nachtheil ertragen; Hunden, Gänsen, Schweinen und Kaninchen aber ist sie tödtlich und die Pferde werden davon taumlig oder schwindlig.quot; — An diese Angaben schliessen sich folgende Ver­suche: Mehrern Pferden gab ich das frische Kraut von 6 Unzen bis l'/o Pfund, und das trockene von 2—6 Unzen auf einmal, konnte aber keine sichtbare Veränderung hiernach wahrnehmen. Viborg (Samml. Bd. 2. S. 420) hat sogar einem Pferde 1 Pfund Schierlingsblätter und Samen, mit 1 Pfund Saft von der Pflanze zu Pillen gemacht, einge­geben, ohne dass man hierauf eine Störung an diesem Pferde bemerkte. Moiroud (Arzneimittellehre, S. 400) gab einem jungen, starken Zug­pferde gegen S1^ Pfund des Krautes auf einmal zu fressen und be­merkte an ihm keine sonderliche Beschwerde. — In mehreren Fällen, wo ich bei gesunden und bei, mit verschiedenen Krankheiten behaf­teten Pferden das (trockene) Kraut täglich zweimal zu 1 — lI/2 Unze, Hunden zu 2 Drachmen durch mehrere Tage nach einander gab, fand sich um den dritten, vierten Tag Abgang von weichen, breiartigen Ex-crementen, wobei die Thiere übrigens munter blieben. —Ich gab einer Kuh bei verschiedenen Versuchen 6 Unzen bis 3 Pfund des frischen, zweijährigen Krautes vor dem Abblühen3 abgeschnitten, zerquetscht und mit Mehl zur Latwerge gemacht, und sah hierbei nur von den be­zeichneten grossen Gaben eine massige Auftreibung des Bauches ent­stehen. Das Decoct von 3 Pfund des frischen Krautes wirkte auf gleiche Weise. Von dem gut getrockneten und sehr kräftig riechenden Kraut gab ich einer andern Kuh zu verschiedenen Zeiten, 2, 4, 6 bis 8 Unzen, sowohl mit Wasser infundirt wie auch gekocht, und bemerkte
1nbsp; Quippe videre licet pingnescere saepe cicuta barbigeras peeudes, homini est acre venennm.
2nbsp; Linnc, Pflanzensystem , 6. Theil S. 59. Nürnberg 1780, 8; —und dessen: Westgöta resa. p. 150.
3nbsp; Nach mehreren Keobachtnngen ist das zu einer andern Zeit gesammelte und besonders das jüngere Kraut fast gaai unwirksam; Standort, Klima, u. s. w. sind vielleicht ebenfalls von Einäuss.
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von Gaben bis zu 4 Uiizcu f.ist gar keine Wirkung, von 6 — 8 Unzen aber eine starke Aufbläbung des Leibes, welches 2 — ;i Stunden nach dem Eingeben entstand und gegen 12 Stunden fortdauerte. Die Pu­pille, der Puls, die Schleimhaut in der Nase und im Maule, die Aus­leerungen des Kothes und des Urins waren dabei nicht verändert und das Wiederkäuen bestand gleichmässig fort; nur das Athmen war er­schwert und das Thier stöhnte oft ganz laut. — Hol ford hat aber beobachtet, dass 25 Kühe auf einer Weide erkrankten und wahrschein­lich sich durch Genuss von Schierling vergiftet hatten. Die Erschei­nungen waren: langsamer Puls, Betäubung, Erweiterung der Pupille, Unempfindlichkeit der Iris gegen Licht, Schlafsucht u. s. w. Nach Tränken mit Zusatz von Amman, carbon, und Spirit, nitor. aeth. genasen sie wieder'. — Ein vierjähriger Schafbock frass durch fünf Tage gleich-massig frisches Schicrlingskraiit (wie viel'r1), ohne dadurch zu leiden; er ging jedoch an dieses Futter nur vom Hunger getrieben und zeigte weni­ger Widerwillen gegen die Stengel als gegen die Blätter2. Dagegen vergiftete Dr. Pöhlmann in Erlangen 1838 einen Bock mit Schierling. — Nach Harder vertrugen Hunde den Saft der Pflanze bis zu 3 Unzen, ein Fuchs 6—8 Unzenlaquo;. -- Orfila (Bd. 2. S. 233) licss einem Hunde 14 Unzen frisch ansgepressten Saft eingeben und den Schlund unterbin­den. Nach 1/4 Stunde erfolgte Würgen zum Erbrechen, Schwindel, Zit­tern der hintern Extremitäten, •— nach 3 Stunden der Tod. — Ein an­derer Hund starb schon nach 8 Unzen dieses Saftes. Ein Hund von mittlerer Grosse zeigte in '^ Stunde nach dem Eingeben einer Drachme Schierlingsextract einen traurigen Blick, legte sich nieder, hörte nicht auf den Zuruf, und sah beständig starr auf einen Gegenstand; wenn er auf­stand, blieb er mit gesenktem Kopfe längere Zeit auf einer Stelle stehen. Nach 2I/o Stunden nahmen diese Symptome wieder ab und nach 3 Stun­den waren sie völlig verschwunden (Schub arth, in Horn's Arch., 1824). Von 71/2 Drachmen des Extracts traten bei einem Hunde ähnliche Zufälle, zugleich aber noch flüssige Darmeutleerungen ein; nach 30 Minuten war das Thier sinnenlos und nach 41 Minuten erfolgte der Tod (Orfila). Galen hatte behauptet: die Staarc fressen das Kraut und den Samen ohne Schaden; Dr. Rossi tödtete aber einen solchen Vogel durch ^a Tropfen Coniin in '/o Minute (Dissert, inaug. de Effectu Conii. Marburg 1844).
Bei der Anwendung des Schierlings durch Injection in die Blut­adern wirkt er verhältnissmässig viel heftiger als innerlich; ich spritzte einem starken, mit Rotz behafteten Pferde ein Infusum, bereitet von 1/2 Drachme des trockenen Krautes und 1/2 Unze kochenden Wassers, in die Drosselvene, und bemerkte augenblicklich Schwindel, Blässe der Schleimhaut in der Nase und im Maule, sehr beschwerliches Athmen, Zittern der Muskeln, Zuckungen an den Lippen und sehr kleinen Puls. Nach 15 Minuten waren diese Zufälle vorüber. Von einer doppelten
1 The Veterinarian, 1841 Oct., und Magaz. f. Thierheilk. 1843. S. 379. - Compte rendu des travanx de l'Ecole vet. de Lyon aim. 1817. Annal. de l'agricult. frajn;. Tom. 70. p. 2'i%.
' v. Haller, Materia medica. Aus d. Franz. Leipzig 1782. 1. Theil, S. 234.
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Portion (1 Unze) desselben erfolgte bei einem sehr munteren Pferde ganz dieselbe Wirkung, aber in solcher Heftigkeit, dass das Thier nach kaum 8 Minuten starb. — 1 Drachme des wässerigen Extractes in l1/2 Unze Wasser aufgelöst und einem kräftigen Pferde injicirt, wirkte. ähnlich; aussei- den genannten Zufällen fand sich aber noch Schwanken im Gehen, Taumeln, so dass das Pferd niederstürzte, dann ganz ruhig lag und gelähmt zu sein schien; die Zunge hing wie abgestorben aus dem Maule; die Herzschläge waren von 35 bis über 100, die Athcm-züge über 60 in einer Minute vermehrt. Xach 15 Minuten fingen diese Zufälle an sich zu mindern, aber erst nach 12 Stunden waren sie ganz vorüber. — Hunde zeigten nach Injection von 4 — 8 Gran des Extrac­tes, in 2 — 3 Drachmen Wasser gelöst, dieselben Symptome, und die Wirkung dauerte 16—20 Stunden. — Bei Orfila starb ein Hund nach der Injection von 28 Gran des Extractes binnen 2 Minuten.
Im Cadaver der durch Schierling getödteten Thiero, finden sich zuweilen die Sehleimhaut im Magen und Darmkanal an einzelnen Stellen roth gefleckt, das Blut im Herzen bald geronnen, bald flüssig, und überhaupt wenig ausgezeichnete pathologische Veränderungen.
sect;. 397. Die im Vorstehenden angegebenen Versuche zeigen: dass das Schier­lingskraut innerlich bei den pflanzenfressenden gesunden Thieren an­gewendet , selbst in grossen Gaben nur schwach auf das Nervensystem wirkt, dass es aber bei Hunden (wahrscheinlich bei allen Eleischfrcssern) narkotische Zufälle erzeugt. Wenn es durch längere Zeit in massigen Gaben angewendet wird, soll es die Assimilation und Reproduction auf eigenthümlichc Weise umstimmen, namentlich das Blut sehr verdünnen, die Thätigkeit der Venen, der Lympbgefässe und Lymphdrüsen ver­mehren, nnd daher auch die Resorption verstärken. Man hat deshalb den Schierling fast nur allein als ein auflösendes, zertheilendes und umstimmendes Mittel innerlich gegen Rotz und Wurm, gegen bösartige Druse, gegen Lungenknoten, gegen Verhärtungen, besonders in drüsigen Organen, deshalb hauptsächlich gegen Scirrhus, Krebs, Wassersuchten und ödematöse Anschwellungen in Eolgo der zu geringen Thätigkeit der Venen und Lymphgefässe und dgl. benutzt, — und äusserlich ihn bei verhärteten schmerzhaften Geschwülsten, besonders in drüsigen Ge­bilden, bei Scirrhus und Krebs, bei Flecken und Verdunkelungen der Hornhaut, und selbst gegen Ausschwitzungen und Verdunkelungen im Innern des Auges gebraucht. Es ist leicht einzusehen, dass er bei diesen hartnäckigen, und mchrentheils allen andern Mitteln wider­stehenden Krankheiten nicht in jedem Falle die Genesung herbeiführen kann; indessen habe ich doch mehrmals, besonders bei dem Hautwurm der Pferde und bei Verhärtungen im Euter der Kühe, ganz vortreff­liche Wirkung von ihm gesehen.
sect;. 398. Das trockene Kraut kann den grossen Hausthieren zu 1—3 Unzen, Schafen und Ziegen zu l'/o Unze, Hunden zu 1 Scrupcl bis 1 Drachme in einer Gabe (das frische Kraut oder der ausgepresstc Saft in der dop-
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pelteu Menge), und täglich zweimal gegeben werden. Die Anwendung gescliieht in Pillen, in Latwergen oder im Det-oct, und inclirenthcils in Verbindung mit andern entsprechenden Mitteln, besonders mit Spiess-glanzj Quecksilber, Thierkohle und dgl.
Acusserlicli benutzt man sowohl das trockene wie das frisclie Kraut zu Breiumschlägen und das Decoct zum Bähen der verhärteten oder schwärenden Theile, ähnlich wie das Bilsenkraut.
Anmerkung 1. Das aus dem Erdschierling bereitete Extract (JExtr, Conü maatlatij ist in der Tliierarzneikimcle nicht gobnuiuhlieh, kann aber bei den oben genannten Augcnfcblcrn roclit gut, sowolil für sich allein (in Auflögungen, 1 Scrupel zu 1 Unze destillirten Wassers) oder als Zusatz zur rothen und grauen Merkuriai-salbe u. s. w. benutzt werden.
Anmerkung 2. Der Wasserschierling {Cicuta rirosn s. aguatica) ist als Arzneimittel nicht gebräuchlich, wirkt weit kräftiger und giftiger als der Erdschier-ling auf alle Haustbiere, so dass 1 Pfund dieser Pflanze hinreichend igt zum Tödteu eines Pferdes. Die Zufalle hierbei waren: Unruhe. Krämpfe, stierer Blick, Erwei­terung der Pupille, unwillkührlicbes Kauen. Unvermögen zu stehen, bläuliche Fär­bung der Schleimhaut und dgl.; (siehe Krause in Gurlt und Hertwig Magaz. d. Thierbeilk. Bd. 3. S. 338; und Viborg, Samml. Bd. 3. S. 153).
9) Die Blausäure, Cjanwasserstoflsäiire, PrenssiscliP Sfiure, Aciäuih hydro-cyanaium 8. hydvoeyanicum, s. eooiieum, s. horussiemn (0).
sect;. 399.
Die Blausäure ist eine aus Cyan und Wasserstoff bestehende farb­lose, durchsichtige Flüssigkeit, von starkem Bittermandelgeruch, höchst flüchtig, daher leicht verdunstend, in Wasser und in Weingeist leicht löslich, durch andere Substanzen (besonders Mctallsalze und Schwefel­alkalien, auch durch das Licht) leicht zersetzbar. Dieselbe findet sich vorbereitet in einzelnen Theilen der Pflanzen aus den Familien der Amygdaleen und Pomaceen (den Blüthcn und Kernen der bittern Man­deln, Aprikosen, Pfirsichen, Pflaumen, Kirschen, den Blüthcn und Blättern der Traubenkirsche, den Blättern und der Rinde des Kirsch-lorbeers) und wird aus denselben durch Destillation mit Wasser ge­wonnen !, oder sie wird mittelst verschiedener chemischer Processe aus stickstoffhaltigen thierischen Substanzen erzeugt. Je nach der Berei­tungsart ist die Blausäure entweder rein (concentrirt) oder wasserhaltig (verdünnt) und sowohl hiernach wie auch nach der Art der Aufbe­wahrung und nach dem Alter ist sie mehr oder weniger wirksam.
Im wasserfreien Zustande (z. B. nach G-ay-Lussac bereitet) be­sitzt die Blausäure eine äusserst schnelle imd heftige, giftige Wirksam­keit, so dass selbst von ausserordentlich kleinen Gaben augenblicklich die heftigsten Zufälle und selbst der Tod entstehen. Ein Tropfen dieser Blausäure einem Hunde auf die Zunge gebracht, verursacht sogleich einige tiefe, schnelle und röchelnde Athemzüge und den Tod. Dieselbe geringe Menge ins Auge, oder auf die Nasenschlcimhaut, oder auf eine
1 In diesen Pflanzen besteht die Blausäure nicht fertig, sondern sie bildet sich erst aus dem in ihnen enthaltenen Amygdalin bei der Einwirkung des Emulsin und des Wassers.
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frische Wunde apiDÜcirt, tödtet einen Hund binnen 1 Minute unter den­selben Zufällen. Von einem Tropfen, der mit 4 Tropfen Weingeist verdünnt in die Vene gespritzt wurde, starb ein Hund äugen blicklieb, wie vom Blitz getrofl'en (Magendie, Vorschriften über die Bereitung und Anwendung einiger neuen Arzneimittel, S. 59). Bei Pferden er­folgte der Tod durch innerliche Anwendung von 12—20 Tropfen dieser Säure ebenfalls so schnell und unter gleichen Zufällen.
In diesem concentrirten Zustande ist die Blausäure als Arznei­mittel nicht zu gebrauchen, weil sie ausserordeutlich flüchtig und leicht zersetzbar ist, — und weil ihre Anwendung sowohl für die kranken Thiere, wie auch für die Personen, die das Eingeben bewirken, mit Vergiftungsgefahr verbunden ist. — Man benutzt deshalb zum arznei­lichen Gebrauch eine verdünnte Blausäure, welche aber in den ver­schiedenen Ländern nach verschiedenen Vorschriften bereitet wird, und daher von sehr abweichender Stärke ist. Von der nach Ittner's Methode bereiteten (von welcher o Tropfen einen Gran wiegen und 10Ü Theile, mit Keagentien behandelt, 3 Theile Berliuerblau geben]' entstand bei mehreren Pferden von 20 Tropfen dieser Säure, mit 2 bis 3 Unzen kalten Wassers verdünnt eingegeben, keine bemerkbare Wir­kung. — 30 Tropfen ohne Wasser verursachten bei denselben Pferden binnen einer Minute ein gering beschleunigtes Athmen, der Puls blieb unverändert; nach wenigen Minuten war die Wirkung vorüber. — Von 50 Tropfen ohne Wasser wurden sogleich die Arhemzügc etwas be-scliwerlicher, schneller und tiefer, der Puls etwas beschleunigt, die Pupille erweitert. Nach 5 Minuten war Alles wieder vorüber — Von 80 Tropfen dieselben Symptome, aber das Athmen wurde stöhnend, fünfzehn- bis sechszehnmal in einer Minute in besonderer Anstrengung der Bauchmuskeln ausgeübt, der Puls auf 52 Schläge vermehrt, anfangs voll und weich, dann klein und unregelmässig; Zittern der Glied-maassen, Unsicherheit im Stehen. Die Wh'kung dauerte 15 Minuten. — 100 Tropfen (33 Gran) verursachten dieselben Zufälle im höhein Grade, und namentlich war die Unruhe, die Aeugstlichkeit und das Zittern deutlicher ausgesprochen (Schubarth a. a. 0.). — 1 Drachme (180 Tropfen) bewirkte sogleich beschwerliches, fast röchelndes und bis auf 25 Züge in einer Minute vermehrtes Athmen, Sträuben der Haare am ganzen Körper, sehr rothe Färbung der Bindehaut der Augen und der Schleimhaut in der Xase und im Maule2, Er­weiterung der Pupille, Vermehrung der Pulse von 37 bis auf 60, wobei die Arterie voll und gespannt, der Herzschlag stark fühlbar war; Zit-
1nbsp; nbsp;Die Blansänre, ivclche iiiieh der bisher in der Preuss. Pbarmacopöe enthalten gewesenen Vorschrift bereitet wird, ist etwas stärker und giebt aus 100 Theilen 4 Theile Berlinerblau uder 9 — 10 Gran Cyansilber, oder 2 Theile wasserfreie Ulan-saure. — Wegen der Unsicherheit und Gefährlichkeit des Mittels soll dasselbe nicht mehr oflicinell sein.
2nbsp; nbsp;Ich habe diese Eöthe der Sehleimhäuto ganz constant nach kleineren und grosseren Gaben und bei allen Thieren beobachtet; sie zeigt, dass die Blausäure, so wie andere narkotische Mittel, auch besonders umändernd auf das Blut und auf das Gofässsystein wirkt, aber in anderer Art als die übrigen narkotischen Mittel.
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tern der Gliedmaassen, Taumeln. Der Atliein roeli stark iiacli Blau­säure. Nach 2U Minuten seliieu die Wirkung' vorüber zu sein; nur der Puls war etwas schneller, zugleich aber kleiner und weicher als vorher. — 2 Drachmen erzeugten dieselben Zufälle in einem so Lohen Grade, dass die Pferde unter sehr ängstlichem röchelndem Athmen nach kaum 1 — 2 Minuten niederstürzten, die Augen verdrehten und Zuckungen bekamen; aber nach 0—10 Minuten erholten sie sich wieder, standen auf, und nach 1 Stunde waren sie wieder ganz munter. — Von 1/;, Unze trat die Wirkung fast augenblicklich mit denselben Zufällen ein; das Pferd stürzte nach einer Minute, sehr kurz und angestrengt athmend und taumelnd, nieder, bekam Krämpfe in allen Muskeln, so dass die Augen verdreht, das Maul aufgezogen, der Hals nach rückwärts ge­krümmt, die Bauchmuskeln stark gegen den liücken gezogen, und die lieine convulsivisch bewegt wurden; nach 15 Minuten trat Kühe ein, die Beine und die Zunge waren ganz schlaif, die Empfindlichkeit zeigte sich bei angebrachten Stichen u. s. w. ganz erloschen; die, bis 120 in einer Minute vermehrten Herzschläge wurden so stark pochend, dass mau sie hören konnte; dagegen nahm das früher heftige Athmen immer mehr ab, so dass nach Verlauf von 18 Minuten nur zweimal in einer Minute und nach 22 Minuten nur einmal in einer Minute mit aufge­sperrtem Maule tief eingeathmet wurde. Mit 25 Minuten erfolgte der Tod ganz ruhig. Das Herz schlug noch durch 3 — 6 Minuten, die Schläge wurden aber immer langsamer, unregelmässiger und schwächer, und mit 28 Minuten blieben sie ganz aus. Die Arterien pulsirten kaum fühlbar, aber dennoch spritzte, als mau sie zerschnitt, das Blut stoss-weise aus ihnen, und zwar in mehreren Fällen noch 8—12 Minuten nach dem Aufhören des Athmcns.
Manche Pferde wieherten etwa 1/2—1 Minute nach dein Eingeben der Blausäure ganz laut; und wenn die Wirkung tödtlich wurde, so ging zuerst immer der Urin unwillkührlich ab. Zuweilen erfolgte vor dem Tode eine Art Starrkrampf, wobei der ganze Körper stark nach rückwärts gestreckt wurde. — Macht man während der Wirkung einen Aderlass, so erscheint das Venenblut stets viel heller roth, dem Arterien­blut sehr ähnlich, und es gerinnt schnell und gleichmässig; später wird es dunkler und zersetzt sich leicht. Das Arterienblut zeigt im Anfange der Wirkung keine Abweichung von seiner normalen Beschaffenheit, späterhin wird es aber etwas dunkler gefärbt, — wie es scheint, in Folge der mangelhaften Respiration.
An Schafen und Ziegen hat 0. Viborg1 mit Blausäure ß Ver­suche angestellt, aus denen sich ergiebt: dass bei diesen Thieren die Erscheinungen der Wirkung im Wesentlichen dieselben sind, wie bei Pferden und Hunden; — dass 25—30 Tropfen einem 9 Monate alten Ziegenbock durch ein Clystir beigebracht, oder dieselbe Gabe einem 6 Monat alten Schafe durch das Maul eingegossen, den Tod nicht ver­ursachten; — dass 40 Tropfen einem 2 Monat alten Lamme in die Mutterscheide gespritzt, heftige Zufälle hervorbrachten, die aber nach
1 Acta nova Soe. mod. lluvn. Vol. VI. Eopenli. 1821.
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und nach wieder verschwanden, und dass jenes Scbaf durcli 1 Drachme, der Ziegenbock aber durch 2 Drachmen getödtet wurden. —
An Hunden ist die Ittner'.sche Blausäure vielfältig versucht worden. 2 — G Tropfen innerlich gegeben verursachen gewöhnlich nur etwas dunklere Röthang der Schleimhaut, Husten, zuweilen auch kurzes, schnelleres Athmen, — doch nur für wenige Minuten; — vor; 10—15 Tropfen entsteht nach etwa •/g Minute schnelles, krampfhaftes, ängstliches Athmen, Zittern der Glieder, Böthung der Schleimhäute, manchmal Neigung zum Erbrechen, oder wirkliebes Erbrechen, Tau­meln, selbst Niederstürzen, schnellerer Puls, Erweiterung der Pupille, Krampf in allen Muskeln. Diese Symptome bestehen durch 3 bis 5 Minuten, nehmen dann allmälig ab und verschwinden mit 6 bis 10 Minuten gänzlich. Je früher das Erbrechen eintritt, um desto ge­linder sind die Zufälle und um desto kürzer ist ihre Dauer. — 20 bis 30 Tropfen wirken auf gleiche Weise, führen aber sehr oft den Tod schnell herbei, und von 40 — 60 Tropfen erfolgt der letztere jederzeit nach etwa i/, Minute. Bei der Einspritzung von 10—15 Tropfen dieser Blausäure in den Mastdarm oder in frische Wunden tritt die Wirkung mit ganz ähnlichen Zufällen, jedoch ein wenig langsamer als bei inner­licher Anwendung ein.
Noch heftiger und schneller wirkt aber das Mittel, wenn es in die Vene gespritzt wird. Pferde werden hierbei von 20—30 Tropfen schon nach '/.j Minute schwindlig und fallen nieder, die Schleimhaut im Maul und in der Nase wird hierbei zuerst für kurze Zeit etwas dunkler rotb, dann aber ganz blass, das Athmen sehr angestrengt, die Pupille er­weitert, es tritt Starrkrampf, Lähmung und der Tod ein.
Eben so schnell wirkt die Blausäure, wenn man sie durch eine gemachte Oeffnung in die Luftröhre giesst. Selbst durch blosses Ein-atlimeu der verdunstenden Blausäure, z. B. wenn man ein mit ihr ge­fülltes Gläschen einem Thiere in die Nasenlöcher hält, ist der Tod unter obigen Zufällen bald zu bewirken.
sect;. 400.
An den Cadavem der durch Blausäure getödteten Thiere bemerkt man: dass sie in kurzer Zeit nach dem Tode ganz steif werden, — dass der Glanz der Hornhaut ziemlich lange besteht, — dass die Nerven und Muskeln noch durch 15 — 2.0 Minuten für den Galvanismus sehr empfänglich sind1, — dass die wurmförmige Bewegung des Darm­kanals eben so lange besteht, — das Gehirn und oft das Rücken­mark sehr blutreich ist, #9632;— das Blut schwarzbraun, zuweilen bläulich, schmierig erscheint und dass zuweilen bald im Magen und Darmkanal (bei Wiederkäuern vorzüglich im vierten Magen), bald im Herzen oder im Gehirn und Rückenmark ein Geruch nach Blausäure (jedoch in der Pegel nur für kurze Zeit) wahrzunehmen ist, woraus sich ergiebt: dass Blausäure in das Blut übergeht. Andere pathologische Folgen, z. B.
1 Wenn ich über diesen Punkt fast idlcn (mdcvn Angalien widerspreche, so gc-seliicht dies nur auf den Grund meiner sehr zahlreichen Untersuchungen.
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Röthung der Schleiuihaut des Magens u. s. w., welche sich in einzelnen Cadavern finden, sind nur zufällige Erscheinungen; und selbst der Blau-säuregeruch ist von zufälligen Umständen, z. B. von dem Liegen des Cadavers während kurzer oder längerer Zeit an trockenen oder feuchten, an hellen oder dunklen Orten und dgl. abhängig.
sect;• 401. Aus den angegebenen Wirkungserscheinuugen geht hervor: dass die Blausäure auf die Centraltheile des Nervensystems zuerst, auf das Gehirn und verlängerte Mark und unmittelbar hiernach auf das ganze Rückenmark wirkt und in grösster Schnelligkeit das Bewusstsein, das Empfindungs- und Bewegnngsvermögen vermindert, lähmt, zerstört. East specilisch ist diese quot;Wirkung auf den Theil des verlängerten Marks, in welchem die Eespirationsnerven wurzeln; denn immer sieht man als erste und als heftigste Erscheinung die Störung der Eespi-ration, und bei tödtlicher Wirkung hat die letztere längst aufgehört, während die Herzbewegung noch fortbesteht. Sehr wahrscheinlich ist die bei der Blausäurewirkung gefundene Veränderung des Blutes giösstentheils die Eolge des gestörten Athmeus.
sect;. 402.
Die Anzeige zum Gebrauch der Blausäure gegen Krankheiten der Thiere ist da, wo erhöhte Sensibilität die Haupterscheinung der Krankheit ist, aber das Wirkungsvermögen noch fort­besteht, wo also bei grosser Empfindlichkeit (Schmerz) wohl noch Krämpfe, oder abnorme Secretionen bestehen. Hiernach hat man die Blausäure gegen erethische Entzündungen, besonders der ßespirations-organe, des Rückenmarks und der Baucheingeweide, gegen Krämpfe und Schmerzen, Eeizhusten, Brustkrampf, Koliken, Erbrechen und zu grosse Sensibilität des Magens, wo andere Mittel stets sogleich wieder weggebrochen werden, gegen Epilepsie, Starrkrampf, gegen Stockungen im Pfortadersystem, bei Anschwellungen und Verhärtungen drüsiger Gebilde und dgl. bald mit mehr, bald mit weniger heilsamem Erfolge angewendet.
Ich habe das Mittel bei dem sogenannten nervösen Dampf der Pferde, wo das'beschwerliche Athmen ohne vorausgegangene Entzün­dung in kurzer Zeit entstanden, und bei jedem Athemzuge mit krampf­hafter Zusammenziehung der Stimmritze und mit einem lauten, melnen-theils pfeifenden Tone verbunden war, mit sehr gutein Erfolge oft gebraucht. — Bei dem chronischen lleizhusten der Hunde, der meistens die Thiere Tag und Nacht quält, habe ich von keinem andern Mittel so schnell Erleichterung und in manchen Fällen selbst wirkliche Hei­lung erfolgen sehen, wie von der Blausäure. — Gegen Epilepsie und gegen die Convulsionen bei und nach der Staupe der Hunde hat es in den meisten Eällen nichts geleistet'. — Bei der Wuthkrankheit der
1 Levrat theilt mit (Eecueil vet. 1841, p. 686): dass ein Hund, der mit Epi­lepsie behaftet war, durch eine grosse Gabe Blausäure getödtel werden solke, zwar hiervon betäubt und niederstürzte, sieli aber wieder erholte und dann von der Krank­heit befreit blieb.
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Hunde auch nicht. Bei dem Starrkrampf der Pferde hat es zwar in einigen Fällen nach jedesmaliger Anwendung ein fast augenblickliches Nachlas­sen des Krampfes, jedoch nur vorübergehend erzeugt, selbst wenn mit der Application des Mitiels bei dem Wiedereintritt des Krampfes fleis-sig fortgefahren wurde; kein Pferd wurde damit geheilt; in den mei­sten Fällen schien es, selbst bei vorsichtiger Anwendung die, ohne­dies durch den anhaltenden Krampf so sehr in Anspruch genommenen, Kräfte zu schnell zu vermindern. — Gegen den Dummkoller, selbst wenn er mit Erethismus verbunden war, habe ich das Mittel vergeblich angewendet. — Gegen Darmentzündung versuchte ich es bei einigen Pferden mit gutem Erfolge; es wurden aber zugleich Blutentziehuugen und schleimige Mittel benutzt. — Bei der sogenannten Lungenseuche des Rindviehes habe ich es sehr oft und in verschiedenen Gaben ganz ohne Nutzen angewendet. Dass, wie Ritter behauptet1, die Blausäure bei activen Entzündungen und acuten Rheumatismen der Thiere wirk­lich das beste Mittel, und dem Salpeter und andern Salzen vorzuziehen sei, kann ich nicht bestätigen. Gegen veraltete rheumatische Läh­mungen wendete sie C. Viborg (a. a. 0.) vergeblich an. Aeusserlich angewendet hat die verdünnte Blausäure bei juckenden und schmerz­haften Zuständen der verschiedensten Arten, besonders aber bei dem Hautjucken und schmerzhaften Flechten, augenblickliche Linderung verschafft.
Die Gegenanzeigen gegen die Anwendung der Blausäure sind im Wesentlichen die im sect;. 363 angedeuteten krankhaften Zustände.
sect;. 403.
Die richtige Bestimmung der, bei den verschiedenen Thieren für jeden Fall angemessenen Gabe ist bei der Blausäure schwieriger, als bei andern Mitteln, theils, weil das Präparat häufig von sehr verschie­dener Stärke ist (sect;. 399), theils auch, weil die individuelle Empfäng­lichkeit für die Blausäure bei den einzelnen Thieren (selbst bei denen von gleicher Gattung, von gleichem Alter u. s. w.) sich in sein- ver­schiedenen Abstufungen zeigt. Der in dieser Beziehung durch die ver­schiedenen Krankheiten bedingte Unterschied ist noch gar nicht be­kannt. Die mittlere Gabe ist von der, nach der Preuss. Pharmacopöe bereiteten Blausäure (S. 365, Anmerk. 1) für Pferche und Rinder lio bis 1 Drachme oder 90—180 Tropfen, für Schafe 5—8 Gran oder 15 bis 24 Tropfen, für kleine Hunde 1—2, für grosse 4 Tropfen. — Diese Gabe darf nur mit Vorsicht verstärkt werden. Die Wiederholung findet bei acuten Krankheiten in Zwischenzeiten von 2—4 Stunden, bei chro­nischen Krankheiten nach 8— 12 Stunden Statt.
Die innerliche Anwendung geschieht am besten in flüssiger Form, mit 20 — 40 Theilen kalten destillirten Wassers (auch Flusswasser oder Regenwasser) verdünnt, oder mit eben so viel von einer einfach schleimigen Flüssigkeit versetzt; z. B. man macht eine Auflösung von pulverisirtem arabischen Gummi '/g Drachme, mit gemeinem
1 Vom Verkaufe und Kaufe iler nütztlichsten Hausthiere. Mannheim 1821. IlF.RTWic. Arzneimittellehre.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 24
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destillirten Wasser 1/2 Unze und setzt hinzu: Blausäure 6 bis 10 Tropfen. Davon giebt man einem mittelgrossen Hunde alle 4 Stun­den den vierten Theil, das ist gegen 60—70 Tropfen auf einmal und verbraucht das Ganze in einem Tage, weil das Mittel bei längerer Auf­bewahrung leicht zersetzt und unwirksam gemacht wird. Für die grossen muss man die bestimmte einzelne Gabe der Blausäure unmittelbar vor dem Eingeben zu dem Vehikel setzen1. Je grosser die Menge des letz­tern ist, um desto schwächer ist die Wirkung von einer bestimmteu Gabe, im Vergleich zu derselben Gabe, wenn das Mittel rein, d. h. für sich allein gegeben wird. — Zur Anwendung in Pillen und Latwergen ist die Blausäure nicht geeignet, weil sie bei der Zubereitung dieser Arzneiformen grösstentheils verdunsten würde.
Auch eignet sie sich nur sehr wenig zu Verbindungen mit andern Arzneimitteln, weil sie durch viele Stoife theils leicht zersetzt, theils in ihren Wirkungen sehr modificirt wird; am meisten nachtheilig sind die Zusätze von Metalloxyden, von geschwefelten Kalien und Erden, von Säuren und von Brechweinstein2.
Zu Clystiren wendet man dieselbe Menge eben so verdünnt an. Aeusserlich 1—l1^ Drachmen auf 1 Pfund Wasser, täglich zwei- bis dreimal zum Befeuchten der schmerzhaften Stellen. (1 Drachme 10 Pf.)
Anmerkung 1. Das Mausaure Kali, Cyankalium {Kalium cyanntum s. Kali hydroeynnicum) (0) ist im Wasser leicht, im Weingeist wenig, im Alkohol fast gar nicht löslich, zerfliesst an der Luft und wird durch die Kohlensäure derselben, unter Entwickelung von Blausäure, zersetzt. — Dieses Salz wirkt ganz wie ziemlich concentrirte Blausäure, örtlich aber etwas mehr reizend. Pferde starben von 1 bis 2 Drachmen gewöhnlich in etwa 20 Minuten, Hunde von 4 — 5 Gran in derselben Zeit. Man kann das Cyankali statt der Blausäure in allen Fällen benutzen, wo diese empfohlen ist; es ist wohlfeil, von mehr gleichartiger Wirksamkeit und in allen Formen anzuwenden. Gabe für Pferde und Rinder 10 — 20 Gran, für Schafe 1—3 Gr., für Hunde Vi—1 Gr. Die Anwendung am besten in 10—20 Tli. destillirtem Wasser gelöst. Aeusserlich eben so, oder als Salbe, 1 Theil mit 20 Th. Fett. (1 Unze 3 Sgr.)
Anmerkung 2. Die bitte rnMandeln {Amygdalae amarae) enthalten Gummi, Zucker, fettes Oel, Amygdalin, Emulsin oder Synaptas und dgl. Sie entwickeln bei Zutritt von Wasser aus dem Amygdalin und Emulsin zusammen Blausäure und wir­ken hierdurch, wenn sie in grosser Menge genossen werden, giftig, während diese Stoffe einzeln nur wie schleimige Mittel wirken. Auf die grossen Thiere ist aller­dings die Wirkung nur schwach. Ein Pferd zeigte nach dem Eingeben von V-i Pfd. bitterer Mandeln einen kleinen, schnellen Puls, heftiges Flankenziehen, Stöhnen, Aechzen, öfteres Misten. Diese Zufälle dauerten gegen '/a Stunde. Dieselbe Gabe
1nbsp; Das Eingeben der Blausäure bei den grossen Thieren muss immer vom Thier-arzt selbst geschehen und der letztere darf die für ein Pferd oder Eind zu einer voll­ständigen Gabe erforderliche Menge dieses heftigen Mittels Niemandem anvertrauen. Dieser Umstand, die Ungleichheit in der Stärke des Mittels, die leichte Zersetzbar-keit und grosse Flüchtigkeit desselben, die hierdurch erschwerte Anwendung in an­derer als in flüssiger Form. — Alles dieses wird stets die Benutzung der Blausäure in der Thierarzneikunde sehr beschränken. Man kann aber auch bei den aller­meisten Krankheitszuständen ohne dieses heroische Mittel auskommen.
2nbsp; In diesen Mitteln, so wie im Salmiakgeist (eingegeben und eingeathmet), im Chlorwasser und im Einathmen von Chlordämpfen, im Terpenthinöl u. s. w. hat man Gegenmittel gegen die Wirkungen der Blausäure finden wollen; die Erfahrung hat jedoch gelehrt, dass diese Wirkungen, einmal entstanden, kaum durch ein Mittel ?.u beseitigen sind. Am meisten nützlich waren kalte Begiessungen.
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bald darauf wiederholt, wirkte ähnlich, aber schwächer, und als sie nach Verlauf von 6 Stunden dem nämlichen Pferde nochmals gegeben wurde, konnte mtn blos Mattigkeit und einen kleinen Puls bemerken (Viborg, Samml. Bd.I. S. 317). Ich gab einem starken Hunde 10 Stück bittere Mandeln in Pillen; nach 2 Minuten wurde das Athmen beschwerlich, schnell, das Thier lief ängstlich herum, zitterte, taumelte, fiel nach 5 Minuten nieder, bekam Erbrechen, wobei die sämmtliciien Pillen wieder ausgeleert wurden; er erholte sich aber nach 10 Minuten wieder so, dass er a.if-stand und nach einer halben Stunde ganz wohl war. — Orfila sähe einen Hur.d von 20 bittern Mandeln nach 6 Stunden sterben; und bei einem andern erfolgte der Tod von 6 zerquetschten ME,ndeln, die man ihm in eine Wunde gelegt hatte.
Man kann die bittern Mandeln bei schmerzhaftem Husten, bei Krampf- und Entzündungskolik, bei Ruhr und dgl. benutzen; für Pferde und Rinder zu 1 bis 2 Unzen, für Schafe '/j—1 Drachme, für Hunde zu 20—40 Gran auf einmal, — am besten, indem man sie durch Zerreiben mit 12 Theilen Wasser zur Emulsion macht.
Anmerkung 3. Das ätherische Bittermandelöl (Oleuni amygdalarum amararum aethereum) enthält im rohen Zustande 8 —14 Proc. Blausäure, wirkt wie diese, aber sehr ungleich, ist sehr theuer (1 Scrupel 10 Sgr.) und wird in der Thier-arzneikuude nicht gebraucht.
Anmerkung 4. Das Bi t termandel wasser (Aqiia amygdalariim amaratitm)#9632; 24 Tropfen von ihm sollen einen Tropfen Ittner'scher Blausäure enthalten; es kann daher in verhältnissmässig verstärkter Gabe gebraucht werden, ist jedoch seines Preises wegen nur bei kleinen Thieren zu benutzen, übrigens aber durch die Blau­säure zu ersetzen. (1 Unze 3 Sgr.)
Anmerkung 5. Die Kirschlorbeer blatter {Folia. Lauro-Cerasi) (0) zeigen nach Verschiedenheit ihres Alters, der Zeit des Einsammelns u. s. w. einen sehr verschiedenen Gehalt an Blausäure und daher sowohl in Substanz wie auch in den aus ihnen dargestellten Präparaten einen verschiedenen Grad der Wirksamkeit; am stärksten scheint letztere zu sein, wenn die Blätter nach ihrer völligen Aus­bildung im Spätsommer gesammelt und noch frisch sind. In grossen Gaben erzeu­gen sie ganz ähnliche Zufälle wie die Blausäure. Ein thierärztlichcr Gebrauch ist bisher von ihnen nicht gemacht, worden.
Anmerkung 6. Das aus diesen Blättern bereitete ätherische Kirschlor-hveröl {Oleum Lauro-Cerasi aethereum) stimmt im Wesentlichen mit dem Bitter­mandelöl überein, ist aber etwas reicher an Blausäure; es wird nicht angewendet.— Das destillirte Kirschlorbeerwasser {Aqua Lauro-Cerasi destillata) ist dem Bittermandelwasser ähnlich, doch mehrentheils etwas stärker als dieses, und wird durch das letztere ersetzt.
sect;. 404.
Zu den narkotischen Mitteln rechnet man auch noch folgende: 1) Aconiti radix (Eisenhut, Sturmhut). Alle Species dieser Pflanze haben scharf - narkotische Bestandtheile, am meisten Aconit. Lycoctonum, A. Ferox unA A. Napellus. Es besteht jedoch über die Wirksamkeit der verschiedenen Species in den Angaben der Autoren keine gehörige Sicherheit. Die besonders wirksamen Bestandtheile bind das Aconitin und die Aconitsäure; ^ Gran des ersteren tödtete einen 20 Pfund schweren Hund in 65 Minuten; doch sind die Resultate der mit diesen Stoffen gemachten Versuche wenig übereinstimmend. Man hält sich deshalb hauptsächlich an die Beobachtungen über die Wirksamkeit der Wurzel. Viborg (Samml. Bd. 3. S. 296) sah bei einem Pferde von 16 Loth der frischen Wurzel und der im Frühjahr hervorsprossenden Wurzelblätter des wahren Eisenhutes [Aconit. Napellus) sogleich Aufstossen, beständiges Bewegen der Zunge, und nach li/g Stunde Speichelfluss und schnelles, starkes Athmen entstehen, worauf das Thier niederfiel, beständig nach dem Leibe sah, sich zum
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Erbrechen anstrengte, mit den Zähnen knirschte, schnellen krampf­haften Puls hatte, nach 3 Stunden dünnen, mit Schleim gemengten ilist häutig entleerte, dann besser zu werden schien, nach 6 Stunden wieder aufstand, aber noch schwach und taumelnd war und keinen Appetit zeigte. Am folgenden Tage war es wieder ganz wohl. Man gab ihm nun 3/4 Pfund des Mittels; es traten dieselben Zufälle und nach 14 Stunden der Tod ein. Uer Magen und Dünndarm fand sich entzündet. Viborg sagt auch, dass Schweine von dem Eiseuhutkraut sterben (dess. Anleit. z. Erzieh, und Benutzung des Schweins, S. 7t5j. Bei Ziegen sah ich nach dem Genuss dieser Pflanze schmerzhafte Auf­blähung des Leibes, Krämpfe, stieren Blick und den Tod erfolgen. Bei dem Rindvieh wirkt sie eben so nacbtheilig. Für Hunde, Füchse, Wölfe, Katzen u. s. w. ist der Eisenhut eins der heftigsten Gifte; erstere sterben schon von 1—2 Drachmen der Wurzel. Kach allen Beobachtungen mindert das Mittel die Energie des Herzens. In der homöopathischen Medicin gilt Aconit als Hauptmittel gegen Entzün­dungen mit acutem Character und im Anfange; allopathisch wird es wenig benutzt. Schenk empfahl es gegen Krampf des Zwerchfells; Stahl gegen den Wurm der Pferde, — es hat sich aber nicht bewährt. Collaine1 versuchte gegen diese Krankheit das Eisenhut-Extract täglich zu fi/o Unzen, welches sie aber ohne vortheilhaftcn Erfolg sehr abgemattet. Die Gabe der Wurzel für Pferde und Kinder ist 1 bis 2 Drachmen, für Hunde 2 — 5 Gran. Aeusserlich vertreibt eine Ab­kochung die Läuse.
2)nbsp; Aethusa ajnapium (Hundsjietersilie, Gartengleisse) und
3)nbsp; nbsp;Chaerophyllum sylvestre, tamp;nulum et hulbosum (Kälberkropf) sind dem gefleckten Schierling (sect;. 39G) verwandt, beide jedoch weniger wirksam als der Wasserschierling. Als Heilmittel werden sie nicht benutzt.
4)nbsp; nbsp;Cocculi s. Cocculi indict semina (Kockelskörner) wirken auf alle Thicre stark betäubend; sowohl sie, wie auch die Ignatiusbohne stammen aus südlichen Ländern und sind als thierärztliches Heilmittel nicht gebräuchlich.
5)nbsp; nbsp;Crocus (Safran) wirkt gelind narkotisch, zugleich erregend, ist aber grösstentheils noch nicht genügend in seinen Wirkungen er­forscht. Bei der Staupe der Hunde, bei Mangel an Wehen zur Zeit der Geburt und dgl. ist der Safran als Arzneimittel empfohlen, aber viel zu theuer und durch andere Mittel zu ersetzen. (1 Drachme 9 Sgr. 4 Pfg.)
6)nbsp; Faba St. Ignatti (Ignatiusbohne) ist in der Art und im Grade der Wirksamkeit fast ganz mit der Brechnuss (sect;. 380) überein­stimmend.
7)nbsp; Lactuca virosa (Giftlattich) wirkt auf Menschen und Hunde stark betäubend, in grossen Gaben (z. B. 3 Drachmen des Extractes) die letztern auch tödtend; bei Pferden und den übrigen Thieren ist die
1 Gliickliclier Versuch, den Rotz und Wurm der Pferde zu heiler. A. d. Franz. v. G-erike. Braunschweig 1811. S. 19 u. 20.
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Wirkung nicht ermittelt. Als Arzneimittel dient der Lattich in der Thicrhcilkunst nicht.
8) Ledum palustre (Forsch, Sumpfporsch, Porst, wilder liosmarin) wirkt erregend-betäubend. Ziegen sollen das Kraut ohne Nachtheil fressen. In manchen Gegenden steht es im ßuf, ein kraf­tiges Heilmittel gegen bösartige Druse und selbst gegen Kotz zu seiii; ich gab es sowohl frisch als getrocknet den rotzigen Pferden zu '2 bis 6 Unzen, täglich zweimal und durch 4 Wochen, und bemerkte wohl eine Verminderung der Symptome, aber keine völlige Heilung. Da­gegen ist das Waschen der Thiere mit einer Abkochung dieses Krautes (m2 Unzen zu 1 Pfund Colatur) ein sehr sicheres Mittel zum Tödten uud Vertreiben der Läuse.
d) Paris quadrifolia (Einbeere), Kraut und Beeren sollen scharf narkotisch wirken und den Hühnern giftig sein; Hunde zeigten von 15 Beeren gar keine Wirkung, von 20 Stück aber Anstrengung zum Erbrechen (Sehubart a. a. 0.).
10) S'ecale cornutum (Mutterkorn), ein in den Aehren des Rog­gens, des Mais und anderer Grasarten wachsender Schwamm (Sclero-tium claims s. Sphacelia segetian) enthält eine eigenthümliche Substanz, das Ergotin, etwas Fett, Schwammzucker und dgl. Dem Ergotin wird hauptsächlich die Wirkung des Mutterkorns zugeschrieben, es wird jedoch nicht thierärztlieh benutzt. — Das Mutterkorn in gehörig grossen Gaben angewendet, wirkt im Allgemeinen wie ein scharf-nar­kotisches Mittel, jedoch in ganz sjjecifisclie?; Weise; es erzeugt zuerst Ekel, selbst Erbrechen (wo dies möglich ist), bei fortgesetzter Anwen­dung auch immer mehr zunehmende Mattigkeit, Auflösung des Blutes, und als Eigenthümlichkeit findet sich Lähmung der vom Herzen ent­fernt liegenden Theile, oder oft sogar Absterbung derselben, wie der Endglieder der Extremitäten, des Schwanzes, der Ohren, bei Hühnern auch des Kammes (bei Menschen die sogenannte Kriebelkrankheit). Von sehr grossen Gaben erfolgt der Tod zuweilen durch Darmentzün­dung in kurzerZeit, ehe jene anderweitigen Wirkungen sich entwickeln1. Ebenfalls als speeifisehe Wirkung hat man beobachtet, dass das Mittel starke Contractionen des Uterus und seiMr Gefässe hervorruft, beson­ders bei trächtigen Thieren. Dieser Wirkung wegen wird es 1) als Hilfsmittel zur Beförderung der Geburt in solchen Fällen angewendet, in denen bei gehöriger Geburtszeit die Wehen zu schwach sind oder ganz ausbleiben,'wo aber ein mechanisches Hinderniss nicht besteht; 2) bei dem Zurückbleiben der Nachgeburt in Folge von Eeizlosigkeit und Schwäche der Gebärmutter; und 3) als Blutstillungsmittel bei ato­nischen Blutungen und Schleimflüssen aus dem Uterus, besonders nach dem Gebären. — Die Gabe ist für Pferde und Rinder l/2—l'/j Unzen, für Schafe, Ziegen und Schweine 1 — 3 Drachmen, für Hunde und Katzen 10 Gran bis 1 Drachme. Die Wirkung auf den Uterus tritt schnell, d.i. gewöhnlich mit etwa 20 Minuten ein und dauert gegen
1 Lorinser, Vers. u. Beobacht. über die Wirkung des Mutterkorns. Berlin. 1824. Revue medic. 1831, Juillet.
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1 Stunde. Hiernach ist nöthigenfalls die Wiederholung zu hestimmen. Bei zu schneller Wiederholung hat man zuweilen bemerkt, dass die Zusammenziehungen des Uterus nicht wehenartig, abwechselnd mit ruhigen Pausen, sondern andauernd und zu heftig waren und dass die Geburt hierbei nicht befördert wurde. — Man giebt das Mutterkorn frisch pulverisirt am besten mit warmem Bier oder einer aromatischen Müssigkeit gemengt. (1 TJnze 4 Sgr. 10 Pfg.)
11)nbsp; nbsp;Sotamm Dulcamara (Bittersüss, Alpranken, gebräuchlich die Stengel, Stipites Dulcamarac); sie wirken schwach betäubend, jedoch nur in grossen Gaben; bei Pferden sah ich von 8—12 Unzen der frischen so wie der trockenen Stengel — und Viborg (Samml. Bd. 3. S. 148) von 16 — 80 Beeren bei Hunden, und von 12 Beeren bei einem Haus­hahn keine deutliche Wirkung. Dänische Thierärzte wollen die Stengel gegen den trockenen Dampf, täglich zu 6 —12 Unzen mit Nutzen an­gewendet haben {Veter. Selsk. Skriß. Deel 1. S. 312. Ded 3. S. 500).
12)nbsp; nbsp;Solanum nigrum (Nachtschatten), die ganze Pflanze wirkt betäubend und zugleich etwas scharf. Nach Viborg's Versuchen (Viborg Samml. Bd. 3. S. 149) sind weder die Blätter noch die Beeren dieser Pflanze für Pferde, Esel, Hunde und Hühner so giftig, wie man geglaubt hat. Dagegen ist die Pflanze den Schweinen und Kühen schädlich, verursacht bei letztern Unruhe, Schmerz, Auftrei­bung des Leibes, stieren Blick, harten, vollen Puls und selbst den Tod; andere Kühe, die auf diese Weise litten, wurden durch Aderlassen und schleimige Mittel gerettet [Vet. Sell: Skriß. Deel 2. S. 420). Das Kraut ist äusserlich als schmerzlinderndes Mittel benutzt worden.
13)nbsp; nbsp;Taxus baccata (Eibenbauin, Taxus); die Blätter (Nadeln) und Zweige wirken scharf narkotisch und sind, Viborg's Versuchen zufolge (Samml. Bd. 2. S. 49), für alle Hausthiere ein heftiges Gift. Pferde zeigen Widerwillen dagegen, und sterben, wenn sie 7—12 Un­zen der Blätter ohne Zumischung von anderm Futter fressen, gewöhn­lich in Zeit von einer Stunde, sehr plötzlich und ohne vorausgehende andere Zufälle; sie ertragen aber noch grössere Gaben ohne Nachtheil, wenn sie das Mittel mit Hafer geme.igt verzehren, oder wenn sie all-mälig an dasselbe gewöhnt werden. Kin Widder zeigte nach dem Ge-nuss von 16 Loth der Blätter in den ersten 4 Stunden keine Wirkung, dann aber Betäubung, kleinen Puls, geschwinderes Athmen, Drang zum Erbrechen, liülp^en, Auftreibung des Leibes. Endlich fiel er nieder und starb unter Zuckungen, 12 Stunden nach dem Verschlucken des Giftes. Eine Ziege ertrug 8 Loth ohne Schaden; aber sie starb von 24 Loth unter ähnlichen Symptomen wie jener Widder. Ein halb­jähriger Eber wurde von 5 Loth zerstossener Blätter getödtet, ohner-achtet er vorher 4 Pfund Fleisch gefressen hatte. — Hunde und Katzen erbrachen sich von 2—3 Loth der Blätter sehr heftig, blieben aber am Leben. — Die Taxus-Beeren wirken ähnlich, aber weit schwächer. Als Arzneimittel wird vom Taxus für Thiere kein Gebrauch gemacht.
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ACHTE KLASSE. Chemiseh-einfache Arzneistoffe.
sect;. 405.
Die wenigen Arzneimittel, die man mit einigem Grunde als chemisch-einfache Stoffe betrachten kann und die sich nach unserer Eintheilung der Arzneimittel unter keine andere Klasse bringen lassen, sind: der Schwefel, der Phosphor, das Chlor, das Jod und eiuiger-maassen auch (als Vehikel des Kohlenstoffes) die Kohle.
Diese Stoffe sind sich in mehreren Eigenschaften einander ähnlich, und in ihren Wirkungen auf den Thierkörper kommen sie mit einan­der darin überein, dass sie vorherrschend die Bildungsthätigkeit und die Mischung der Säfte verändern; aber in der Art, wie sie dieses thun und überhaupt in der Art ihrer quot;Wirkung weichen sie doch wieder be­deutend von einander ab, so dass sich in pharmako-dynamischer und in therapeutischer Hinsicht etwas Näheres im Allgemeinen nicht an­geben lässt.
1) Schwefel, Sulphur, (Stangen- oder Rossschwefel, Sulplmr erudum s. vttlgarc s. eabaßinum, Fior. mlphuris etc.).
sect;. 406.
Wird der Schwefel in kleinen Gaben und mir einmal einem Thiere eingegeben, so verursacht er gewöhnlich keine bemerkbare Wirkung wird aber seine Anwendung in massig starken Gaben durch einige Zeit fortgesetzt, so nimmt die Hautausdünstung nach 2 — 3 Tagen bei Thicren von jeder Art einen eigenthümlichen Geruch nach Schwefel an; doch ist dieser Geruch nicht immer dem reinen Schwefel, sondern häutig mehr dem der schwefeligen Säure, oder auch dem des Schwefel­wasserstoffgases ähnlich. Nach dem letztern riechen dann auch die abgehenden Blähungen und der Koth, und nicht selten auch die aus-geathmete Luft. Die Beschaffenheit des Pulses, die Schleimhäute, die Schlcimabsonderung und die Urinsecretion lassen hierbei an gesunden Thicren keine Veränderung erkennen; und die Hautausdünstung wird nicht (wie Manche glauben) bis zum Schweiss gesteigert, sondern es scheint vielmehr, dass nur die sogenannte unmerkliche Ausdünstung verstärkt von statten geht. Dabei sieht man nach massigen Gaben oft (natnentlich bei Pflanzenfressern) die Verdauung besser werden: der Koth erscheint kleiner, fester und weniger reichhaltig an Säure. — Grosse Gaben des Schwefels vermehren die Absonderung der Darm­säfte, vorzüglich des Schleims, und verursachen Laxiren, stören aber den Appetit nicht. — Von sehr grossen Gaben entstellt zuweilen auch eine Entzündung der Schleimhaut des Magens und Darmkanals, die jedoch mehrentheils nur obeifiächlich bleibt und sehr schleichend, ohne heftige Zufälle verläuft. Ein mit Rotz behaftetes, massig starkes
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Pferd, 1) Jahr alt, erhielt am ersten Tage 1 Uuze, am zweiten Tage 2 Unzen u. s. w. in demselhen Verhältniss steigend, so dass es am 16. Tage IG Unzen, also im Ganzen 136 Unzen bekam; der Durchfall stellte sich am siebenten Tage ein und dauerte bis zum siebzehnten Tage fort; die Fresslust wurde niemals getrübt, die Urinsecretion nie verändert; die Hautausdünstung roch am dritten Tage sehr deutlich nach Schwefel, wurde aber während der ganzen Zeit nicht bis zum Schweiss vermehrt; ein ihm aufgelegtes, mit Bleiessig bestrichenes weisses Papier erschien am vierten Tage grau; die Absonderung des Schleims und Eiters in der Nase vermehrte sich täglich, während die früher sehr stark angeschwollenen Lymphdrüsen im Kehlgange immer kleiner wurden; das Pferd magerte bei gutem Putter sichtbar ab, wurde täglich kraftloser, so dass es am sechszehuten Tage nicht mehr allein von der Streu aufstehen konnte; die Färbung der Schleimhaut in der Nase und im Maule erschien in der ersten Zeit gar nicht verändert, später mehr blass; Puls und Athem war bis zum letzten Tage normal; Kolikschmerzen traten nicht ein; vom zehnten Tage an wurde das Blut immer dunkler, und zuletzt selbst in den Arterien ganz schwarz; dabei war es sehr dünnflüssig und langsam gerinnend. Als am siebzehnten Tage das Pferd getödtet und secirt wurde, fand sich die Schleimhaut in der rechten Hälfte des Magens und im Blind- und Grimmdarme bläulichroth gefärbt, aufgelockert und sehr mürbe; eine Menge Schwefel fand sich noch im Darmkanal; letzterer, und eben so die übrigen Baucheingeweide und selbst die Lungen und zum Theil auch die Muskeln rochen nach Schwefelwasserstoff, aber das ganz schwarze und dünnflüssige Blut hatte diesen Geruch nicht. — Ausserdem waren die pathologischen Veränderungen nur wie sie bei dem Kotz gewöhnlich sind. In andern Fällen war der Urin stets reicher an schwefelsauren Salzen geworden, wenn man Schwefel durch einige Tage gegeben hatte. — Waldinger1) fand bei Schafen, die bis zum Missbrauch wöchentlich 3 mal eine mit Schwefel versetzte Lecke er­halten hatten, das Fleisch so stark nach diesem Stoffe riechend, dass es für den Genuss ekelhaft war.
Bei der Anwendung des Schwefels auf die Haut entsteht nach kurzer Zeit ebenfalls ein Schwefelgeruch, weisse Haut wird etwas ge-röthet, ihre Empfindlichkeit bleibt unverändert und der übrige Körper scheint gar nicht dabei zu leiden.
sect;• 407.
Aus dem Vorstehenden lässt sich annehmen: dass der Schwefel als ein eigenthümliches Umändcrungsmittel des Vcgetationsprocesses auf den thierischen Organismus wirke, indem er nur die kleineren, ab­sondernden und aufsaugenden Gcfässe, speciell die Lymphgefässe und Venen, die Lymphdrüsen, die Schleimhäute und die äussere Haut zu vermehrter und veränderter Thätigkeit anregt, hauptsächlich die Secrc-
1 Abhandlung über den Schwefel und seine Verbindungen u. s. w. Wien und Triest 1820. S. 36.
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tiouen dieser Gebilde vermehrt und verändert, aber auf die Thiitigkeit der grossen G-efässe und des Nervensystems keinen unmittelbaren Ein-fluss zeigt. Auch ergiebt sich als,sehr wahrscheinlich, dass er theils unverändert in die Materie des Körpers übergeht, theils aber durch die, im Verdauungskanal (besonders bei pflanzenfressenden Thieren) stets vorhandenen Säuren, durch alkalische Substanzen u. s. w. in scliwefe-lige Säure und in Schwefelwasserstoff (oder doch in etwas Aelmliches) umgewandelt wird, und in dieser veränderten Beschaffenheit auch an­ders auf den Thierkörper wirkt, besonders die arterielle Biutbildung, die Plasticität der Säfte und den Reproductionsprocess sehr beschränkt, und dass er, wenn die Einwirkung sehr reichlich Statt findet, sehr ver­mehrte Absonderung im Darmkanal und liierdurch Laxiren, bei anhal­tender Anwendung aber eine abnorme Verflüssigung der thierischen Materie erzeugt. Wahrscheinlich wirkt er auch nur in diesem chemisch veränderten Zustande in grossen Gaben so reizend auf die Schleimhaut des Verdauungskanals, dass eine asthenische Entzündung derselben entsteht. — Ausserdem ergiebt sich auch aus dem vorigen sect;., dass die Wirkungen des Schwefels nur langsam erfolgen, dass derjenige Theil von ihm, der in die Materie des Körpers eingegangen ist, grössten-theils durch vermehrte Haut- und Lungenausdünstung wieder ausge­schieden wird, dass aber der Schwefel kein eigentlich schweisstreibendcs Mittel ist.
sect;. 408.
Der Schwefel wird sowohl innerlich wie auch äusserlich als Heil­mittel benutzt.
a) Die innerliche Anwendung ist im Allgemeinen angezeigt: bei Krankheitszuständen, die in gehemmten Ab- und Aussonderungen, be­sonders aus der Haut, aus den Lungen oder aus dem Darmkanal und der Pfortader, — in zu reichlicher Biutbildung, — in venösen Oonge-stionen, — und in zu geringer Tbätigkeit der Venen und Lymjihgefässe begründet, oder mit Stockungen in diesen Gefässen und in den Lymph­drüsen verbunden sind. — Dagegen erscheint diese Anwendung überall als unzweckmässig, wenn heftige, active Entzündung, oder wenn schon weit vorgeschrittene Entmischung der Säfte zugegen ist. Die beson­dern Krankheitszustände, bei denen der Schwefel angewendet wird, sind:
1) asthenische Entzündungen, besonders der Brust- und Bauch­eingeweide. Ein wahres antiphlogistisches Mittel ist der Schwefel wohl nicht, und seine entzündungswidrige Heilkraft ist, so wie auch die Art der Entzündungen, bei der er nützlich ist, noch näher zu unter­suchen. Skelett1) empfiehlt ihn beim Kindvieh gegen eine äussere Brustentzündung, die er als Anticor bezeichnet, und gegen Entzün­dung des dritten Magens und der Gedärme, neben dem Aderlass als das Hauptmittel, besonders wenn Verstopfung des Leibes zugegen ist.
1 A practical Treatise on the parturation of the cow. Lond. 1822. p. 22G, 227, 23C, 241 u. f.
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Ich habe diese, in Deutschland nicht gewöhnliche Behandlungsweise der Entziindungskrankheiten mehrmals bei rheumatischen Lungenentzün­dungen, jedoch immer erst nachdem die Heftigkeit der Entzündung durch einen gemachten Aderlass gemildert war, bei Pferden und Rin­dern mit gutem Erfolge versucht. Nach gehobener Entzündung, wenn Husten mit zu geringem Auswurf besteht, ist der Schwefel ein vor-, treffliches Mittel.
'2) Milzbrand. Gegen diesen ist der Schwefel von mehreren Thier-ärzten, namentlich von Rysz (Arzneimittellehre) gegen das sogenannte Rücken- und Lendeublut des Rindviehes und der Schafe, als nützlich befunden worden; es fehlt jedoch die genauere Bezeichnung der Um­stände, unter denen die Anwendung geschah, und bei der bekannten Verschiedenheit derselben ist das Mittel gewiss nicht überall passend; besonders ist wohl bei einem schnellen Verlaufe des Anthrax nicht viel von ihm zu erwarten.
3)nbsp; nbsp;Katarrhalische und rheumatische Krankheiten, sowohl im frischen, wie auch im chronischen Zustande, #9632;— Druse, Strengel, Bräune, Husten, Lungenkatarrh, selbst Lungenknoten, Rehe und andere rheu­matische Lahmheiten. Der Schwefel ist bei diesen Krankheiten meh-rentheils nützlich, aber es ist ebenfalls noch nicht gehörig ermittelt, wo er nöthig ist, wo er entbehrt werden kann und wo nichts von ihm zu erwarten ist.
4)nbsp; Hautkrankheiten, besonders Flechten, Räude, Nesselsucht und Mauke; sie sind die vorzüglichsten Uebel, bei denen das Mittel ange­wendet wird und wo es vielleicht noch am meisten nützlich ist. Bei der Mauke (wo es Rysz empfiehlt), und eben so bei frisch entstandener Räude ist es jedoch fast immer zu entbehren.
5)nbsp; Rotz und Wurm. Collaine1) wollte gegen diese Krankheit vom Schwefel ganz ausserordentlich günstigen Erfolg gesehen haben; bei meinen zahlreichen Versuchen hierüber ist es mir nicht gelungen, nur ein rotziges Pferd zu heilen, und gegen Wurm schien das Mittel nur dann etwas zu leisten, wenn wenige Wurmbculen zugegen waren und wenn dieselben zugleich örtlich zweckmässig behandelt wurden. Schwefelspiessglanz, Terpenthinöl u. dgl. zeigten sich viel wirksamer.
6)nbsp; nbsp;Ausserdem wird der Schwefel noch von Manchen als Präser­vativmittel, bei Schafen gegen die Fäule, gegen Räude und gegen die nachtheiligen Folgen der Waldhutung, namentlich gegen milzbrand­artige Uebel, besonders das Rückenblut, und gegen eine eigenthihnliche venöse und typhöse Entzündung der Gebärmutter, die bei Schafen uach dem Lammen eintritt und oft in 24 bis 30 Stunden tödtet, — und bei Hunden gegen die Staupe und andere Krankheiten angewendet. Ob­gleich er zur Verhütung dieser Krankheiten unter günstigen Umständen etwas beitragen kann,'so ist doch jetzt sein Nutzen nicht erwiesen.
b) Aensserlich wird der Schwefel gegen Räude und Flechten,
1 Compte rendu dune experience tentee eontre la morve et le farcin. Paris 1811. — Glücklicher Versuch, den Kotz und Wurm der Pferde zu heilen. Aus d. Franz. von Gorike. Braunschweig 1811.
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gegen das sogenannte Teigmal oder Teigmaul der Kälber und Lämmer, und gegen Mauke angewendet; er ist jedoch hierbei von sehr geringer Wirksamkeit und entbehrlich. — Bei der Eäude wird er jetzt von den deutschen Thierärzten mehrentheils durch wirksamere Mittel ersetzt.
sect;. 409.
Die Gabe und Verbindung zum innerlichen Gebrauch sind nach Verschiedenheit des Heilzweckes etwas verschieden; als abführendes Mittel bei Entzündungen und bei dem Milzbrande u. s. w. soll man den Schwefel immer in grossen Gaben, nämlich für Pferde zu 8—10 Unzen, für Eindvieh zu 10—13 Unzen, für Schafe zu 1 — 3 Unzen, für Schweine '/g — 1 Unze, für Hunde 1—6 .Drachmen in einer Gabe und nur einmal, in Verbindung mit Salpeter, oder Glaubersalz, oder Wein­stein und dergl. anwenden. — Soll aber der Schwefel eine allmälige Umstimmung im Blute und im Lyniphgefässsystem bewirken, die Haut­ausdünstung, den Lungenauswurf und die Kcsorption befördern, z. B. bei katarrhalischen Krankheiten, bei Räude und chronischen Krank­heiten, so giebt man ihn immer nur in massigen Gaben, nämlich Pferden und Kindvieh zu lji—2 Unzen, Schafen 2 Drachmen bis '/j Unze, Schweinen zu Vs—1 Drachme, Hunden zu 5 Gran bis 1 Scrupel, täg­lich 1—2 mal, und durch längere Zeit anhaltend; man versetzt ihn hier mit aromatischen Mitteln, mit Kampher, Terpenthinöl, Ofenruss, Schier­ling und dergl., aber nicht mit Metallpräparaten, weil er fast ohne Aus­nahme deren Wirkung sehr schwächt. — Gegen Kotz und Wurm gab Collaine das Mittel in steigender Gube, indem er gewöhnlich mit 4 Unzen pro Tag anfing und bei einzelnen Pferden bis zu 24 Unzen da­mit stieg, ohne dass heftige Wirkungen eintraten (a. a. O. S. 23.); manche Perde wurden jedoch hierdurch so geschwächt, dass sie durch 3 bis 4 Tage, ohne aufstehen zu können, auf der Erde lagen.
sect;. 410.
Die Anwendung kann in Pulverform, als Zusatz zu sogenannten Drüsenpulvern, zu Lecken (für Schafe), oder besser in Pillen oder Lat­wergen geschehen; auch kann man den pulveiisirten Schwefel, mit einer schleimigen Flüssigkeit gemengt und gut umgeschüttelt geben; aber unzweckmässig ist es, den Thieren ganze Stücke des Schwefels in das Trinkwasser zu legen; denn er löst sich bekanntlich im Wasser nicht auf und kann daher demselben auch keine Heilkraft mittheilen.
Aeusserlich wird der Schwefel am zweekmässigsten in Form einer Salbe oder eines Linimentes angewendet. Die erstere bereifet man gewöhnlich durch blosses Zusammenreiben von 1 Theil pulverisirtem Schwefel mit 2 Theilen Schweineschmalz oder Butter (einfache Schwefelsalbe, Ungucntum sulpkuratum simplex), oder nocli besser statt des blossen Fettes mit eben so viel grüner Seife; um die Wirk­samkeit zu erhöhen, setzt man oft noch 1 Theil pulverisirten Salmiak oder Zinkvitriol (z. B. in der zusammengesetzten Schwefelsalbe, Unguentum sulpliuratnm compositum, derpreuss. Pharmacopöc, 2 Theile Schwefel, eben so viel Zinkvitriol und 8 Theile Fett), oder Terpenthinöl,
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Hirschhornöl, Theer, pulverisirte Lorbeeren, Kohle und dergl. Mittel hinzu.
Zum Liniment nimmt man 1 Theil pulverisirteu Schwefel und '2 Theile grüne Seife, und so viel heisses Wasser oder, bei grosser Reiz­losigkeit , Terpenthinöl, dass das Ganze eine halbflüssige Consisteuz er­hält. Man reibt die Salbe und eben so das Liniment täglich einmal, und durch 3 bis 4 Tage nach einander auf die kranken Stellen der Haut ein, reinigt dann letztere mit warmem Seifenwasser und setzt nach einer Pause von 2 Tagen das Mittel auf gleiche Weise bis zur Heilung fort. — Waldinger empfahl auch den Schwefel als Zusatz zu dem Walz sehen Waschwasser gegen Schafräude (S. 229.), — und Rysz ein Pulver von gleichen Theilen Schwefel und Kohle zum Ein­streuen in feuchte Maukegeschwüre. Im Ganzen ist jedoch die äusser-liche Anwendung des Schwefels jetzt nicht mehr sehr gebräuchlich. (Sulph. depurat. 1 Unze 1 Sgr. 8 Pf.)
Anmerkung 1. Zum thievärztlicheu Gebrauch ist überall der oben bezeich­nete Staugenschwefel, wenn derselbe nur nicht zu sehr durch andere Bestand-theile verunreinigt ist, vollkommen ausreichend, und der theurere gereinigte Schwefel oder die Schwefelblumen {Sulphur deguratum s. suhlimatum s. JPlores Sulplivrls), und eben so der Sc h wefel-Niedersc hl ag oder die Schwefel milch {Sulphur praecipüatum a. Lac Sulphnris) sind zii entbehren.
2. a^ Der sogenannte einfache Schwefelbalsam oder das gesellwefelte Leinöl [Bahamvs Sulphnris simplex s. Olevui Lini sulphumtum). durch Auflösen von 1 Theii Schwefel in 4 Theilen Leinöl bereitet — ist äusserlich als gelindes Digestiv­mittel bei atonischen Geschwüren und als auflösendes Mittel bei Verhärtungen, innerlieh bei Lungenknoten, bei trockenem Husten, beim Dlutharnen und bei Gries und Sand im Urin ehemals gebraucht worden, jetzt aber fast ganz vergessen. Gabe für grosse llausthiere 1 bis 3 Unzen, für kleinere im Verhiiltniss weniger. — b) Von dem terpenthinhal t igen Seh wef elb alsam ist bereits S. 214 das Nothige ge­sagt. (Schwefc lieb er s. bei Salzen, Sehwefelmetalle bei den Metallen.)
2) Phosphor. Fhosphmu. sect;. 411. Der gewöhnliche, ordinäre Phosphor, oder wegen seiner offi-cinellen Form in kleineu Stäben arch Stangen-Phosphor genannt1, ist ein in Tliieren, Pflanzen und Mineralien sehr häufig vorkommender Grundstoff, der an der Luft sich von selbst entzündet, dabei leuchtende, nach Knoblauch riechende Dämpfe ausstösst, sich im Wasser nicht, wohl aber im Aether, in fetten und ätherischen Oelen auflöst.
1 Von ihm unterscheidet mau den von Pr. Schrötter in Wien entdeckten amorphen oder rothen Phosphor, der durch Aussetzen des gewöhnlichen Phos­phors an das Licht oder an die Wärme entsteht, indem hierbei ganz einfach die Atome des Letzteren sich verändern und derselbe hierdurch seine giftigen uud feuer-gcfährlicheu Eigenschaften verliert. Lassaigne hat über die erstere Eigenschaft Versuche angestellt (BecueAl de Mid. veterin. 1854, p. 550 — 557), aus denen im Weseutliohen hervorgeht: 1) dass der amorphe Phosphor in Gaben bis zu 5 Grammen (circa '/j Drachme) auf Hunde nicht giftig wirkt: 2) dass bei Sperlingen circa 1 j Gran unwirksam ist; 3) dass er selbst auf die von ihm berührten Schleimhäute ohne Wirkung ist; 4) dass auch die aus diesem Phosphor fabricirteu Zündhölzchei-weder für Hunde noch für Vögel giftig sind, während der ordinäre Phosphor und die von ihm bereiteten Zündhölzchen sehr giftig wirken.
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Die Wirksamkeit dieses Grundstoifes auf deu Thierkörper ist qualitativ eiue ganz eigenthümliche, dabei quantitativ in kleinen Gaben eine schleichende, gleichsam tückische, in massig grosseu Gaben eine sehr acute, giftig-tödtliclie. Pferde ertrugen in der Kegel 8—12 Gran, Hunde Vo, 1 — 2 Gran, einzelne selbst 4 Gran Phosphor in Baumö! aufgelöst, ohne dass hiernach eine Veränderimg am Pulse und Herz­schlage u. s. w. wahrzunehmen war; wurden aber diese Gaben verdop-pelt oder noch mehr verstärkt, so erschien das Athmen etwas lebhafter, die ausgeathmete Luft und eben so die Haut wärmer, der Puls nach 30 bis 60 Minuteu etwas voller und um 5 bis 10 Schläge in einer Minute vermehrt, die Schleimhaut der Nase und des Maules dunkler geröthet; — diese Wirkung erfolgte jedoch weder ausgezeichnet schnell noch in besonderer Art. Aber es entstand von diesen grössoren Gaben immer eiue Vergiftung specifischer Art, die sich bei Pferden ohne auffallende Symptome äusserte, und wobei oft ganz unerwartet nach 10 bis 15 Stunden, zuweilen aber auch erst nach 48 Stunden der Tod erfolgte. Bei Lowag's Versuchen trat an einem rotzigen Pferde nach Anwen­dung von 8 Gran Phosphor mit 6 Unzen Leinöl pro Dosi, früh und Abends während 3 Tagen gereicht, am 4ten Tage der Tod plötzlich ein, nachdem blos der Appetit etwas vermehrt und der Nasenausfluss dünnflüssiger geworden war. Zwei andere Pferde ertrugen durch einige Tage grössere Quantitäten, starben aber, als sie 10 bis 12 Gran pro Dosi täglich zweimal erhalten hatten. (Magaz. für Thierheilk. Bd. VH. S. 443.) Ein Pferd, welches '/o Drachme Phosphor in einer gegen die Patten aufgestellten Latwerge gefressen, zeigte erst nach 3 '/o Tagen Bauchschmerzen, Fieber, Zuckungen, Verdrehen der Augen und Geifer; es stürzte nieder und starb nach 3 Stunden1. — Einige Hunde und Schweine starben schon nach Gaben von '/a bis 11J2 Gran in Zeit von 2 bis 5 Tagen; in dieser Zeit waren sie gewöhnlich etwas traurig, matt und ohne Appetit, einzelne zeigten auch Erbrechen, Unruhe und Win­seln. — Hühner und Enten starben nach dem Genuss von i/g Gran Phosphor, tmd nachdem sie blos Traurigkeit gezeigt hatten.
Bei der Section der durch Phosphor getödteten Thiere fand man die Schleimhaut des Magens bald nur an einzelnen Stellen, bald in einer grössem Ausdehnung abnorm geröthet, zuweilen auch so im Schlünde und im Darmkanal; wo das Mittel im ganzen Stückchen gegeben wor­den, fand sich auch oberflächliche Anätzung und um dieselbe etwas Auflockerung. War der Tod in kurzer Zeit erfolgt, so bemerkte man beim Aufschneiden des Magens phosphorige, nach Knoblauch riechende, im Dunkeln leuchtende Dämpfe, die Lungen zusammengefallen, oft ihre Oberfläche mit schwarzen Flecken besetzt; das Blut dunkel, dünn­flüssig, ganz ohne Gerinnbarkeit. In andern Fällen konnte man kaum die Spur einer krankhaften Veränderung finden.
Injectionen des in Gel aufgelösten Phosphors (4 Gran in 2 Drach­men) verursachen zuerst beschwerliches, schnelleres Athmen, Ausstossen
1 Hanbner, Bericht über d. Veterhiiirwesen hn Königr. Sachsen für d. Jahr 1S60. S. 117.
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phosphoriger im Dunkeln leuchtender Dämpfe durch Maul und Nase, grosse Angst, zuweilen Bluthusten, Erstickungszufälle und den Tod in sehr kurzer Zeit.
Wird in Baumöl aufgelöster Phosphor äusserlich in die Haut ein­gerieben, so erfolgt zum Theil seine unmittelbare Verdampfung; bald darauf wird auch die ausgeathmete Luft nach phosphoriger Säure knob­lauchartig riechend und im Dunkeln leuchtend; zuweilen wird die Zahl der Pulse um einige vermehrt, andere Symptome von allgemeiner Er­regung sind nicht zu bemerken; aber er verursacht an der Haut dunk­lere Röthung, vermehrte Wärme, grössere Empfindlichkeit, und bei wiederholter Anwendung auch Ausschwitzung einer serösen Flüssigkeit, sehr ähnlich wie es nach dem Einreiben des Kampherliniments der Fall ist. — In Wunden bewirkt er fast augenblicklich heftigen Schmerz und Anätzung, die Letztere dringt tief ein, erzeugt Verjauchung, keine gute Eiterung; ein Theil des Phosphors wird absorbirt, es entsteht Appetit­losigkeit, grosse Schwäche und nach 6—8 Tagen erfolgt der Tod.
sect;• 412.
Der Phosphor ist als ein flüchtig reizendes, belebendes Mittel em­pfohlen, bei solchen Krankheitszuständen, in denen die Lebensthätig-keit zu erlöschen drohet, und wo das Nerven- und das Gefässsystem gleichmässig an gesunkener Thätigkeit leidet, namentlich unter solchen Umständen gegen Starrkrampf, Nervenfieber mit grosser Abstumpfung, Lähmungen, heftigem Rheumatismus und dergl. Er ist jedoch, und ganz mit Recht, von den Thierärzten äussert selten angewendet wor­den, denn es finden sich (ausser einem Fall von Hutchinson, der ihn bei einem Pferde gegen Erschöpfung der Kräfte nach der Influenza an­wendete1, nirgends Beobachtungen über seinen Nutzen. Ich habe ihn in mehreren Fällen gegen Starrkrampf, Lähmung und Rheumatismus innerlich und äusserlich versucht, aber keinen besondern Erfolg davon gesehen.— Vielleicht könnte er aber wegen seiner, das Blut verdünnen­den Wirkung bei Krankheiten mit übermässiger Plasticität, wie z. B. bei Lungenseuche des Rindviehes, passend sein.
Ich muss bei diesem Mittel die grösste Vorsicht empfehlen, weil seine innerliche Anwendung mit Schwierigkeiten und mit Gefahr ver­bunden ist; denn es lässt sich zweckmässig nur in flüssiger Form, auf­gelöst in Aether, in Baumöl oder in Terpenthinöl geben und es verursacht (wie bereits angegeben) oft ganz plötzlich üble Zufälle, sehr leicht Ent­zündung der Eingeweide. — Will man es aber dennoch versuchen, so darf es niemals bei Zuständen, die mit Reizung verbunden sind, ge­schehen ; Pferden und Rindvieh gebe man nicht mehr als höchstens 4 bis 6 Gran, Schafen nur 1 bis l^/j Gran, Schweinen 1IS bis 1 Gran, Hunden 1li bis ^ Gran auf einmal und nur in Zwischenpausen von 8 bis 12 Stunden. #9632;— Vor der Anwendung muss der Phosphor in einem
1 The Veterinarian, 1837. p. 407.
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der vorhin genannten Mittel aufgelöst • und dann noch mit einer schlei­migen Flüssigkeit in dem Verhältniss gemengt werden, dass auf 1 Gran Phosphor wenigstens 1 Uuze von der letztern kommt Sind andere Arzneimittel nöthig, so werden diese am besten in den Zwischenzeiten gegeben, weil aus chemischen Gründen ihre Verbindung mit dem Phos­phor nicht zweckmässig erscheint.
Aeusserlich benutzt man zum Einreiben in die Haut das so ge­nannte Phosphoröl oder Phosphor-Liniment {01. s. Linimentwn phospltoratum), eine Auflösung von 10 bis 12 Gran Phosphor in 1 Unze warmem Baumöl (oder Mohnöl und dergl.). Zuweilen setzt man ihm noch 40 bis 60 Gran Kampher oder 2 Drachmen bis ^ Unze Terpen-thinöl zu.
Bei der Anwendung dieses Liniments (und eben so der übrigen Zusammensetzungen des Phosphors) muss man die Annäherung bren­nender Körper an die Thiere (und an die geöffneten Medicingläser) vermeiden, weil sonst Feuersgefahr entstehen könnte.
Anmerkung. In neuerer Zeit ist der Phosphor als ein Mittel zum Tödteu der Ratten und Mäuse vielfältig' benutzt und selbst obrigkeitlich empfohlen worden. Er eignet sich hierzu allerdings sehr gut, da er, wie es scheint, für diese Thiere einen angenehmen Geruch (Witterung) hat, lieber als der Arsenik von ihnen ge­fressen wird und sicherer noch als dieser tödtct. Man wendet ihn für diesen Zweck in der sogenannten Phosphor-Latwerge an, welche folgendermaassen bereitet wird: 2 Quentchen Phosphor werden in einem Mörser in 6 Loth warmem Wasser geschmol­zen, hierzu scbneli 9 Loth Weizjenmehls gerührt, und nach dem Erkalten noch 8 Loth geschmolzener Butter und 4 Loth pulverisirten Zuckers gerührt. — Mit dieser Latwerge bestreicht man Holzspäne, Papier- oder Leinwandlappcn und legt sie in die Mauselöcher u. s. w. — Ist in der Latwerge der Phosphor recht fein zertheilt, so hat man nicht zu fürchten, dass sie sich an der Luft entzündet, selbst wenn sie mit Stroh und andern brennbaren Substanzen in Berührung kommt, —#9632; wie ich dies durch Versuche ermittelt habe.
Gegengifte gegen den Phosphor sind bis jetzt nicht bekannt; Sal­petersäure, Eisen-, mangan chlorsaures Kali, Schwefel, Sehwefelleber, Magnesia usta, leisteten nichts, daher blos Schleim, Ehveis, Gallerte, rechtzeitig, und bei Brechvermögen ein Vomitiv. (1 Drachme 8 Pf.)
3) Chlor, Chlorine, Chloringas, Chlorum, Gas chloreum. sect;. 413.
Dieses eigenthümliche Gas wurde ehemals unrichtig für eine, an Sauerstoff überreiche Säure gehalten und oxydirte, oder oxygenirte, auch dephlogistisirte Salzsäure (Acidum oxymuriaticum s. Acidum muriaticum oxygenatum), oder oxydirt-salzsaures Gas [Gas oxymu­riaticum), und Halogen [Halogenhan) genannt. Es kommt in der Natur nicht rein vor, sondern in Verbindung mit andern Stoffen, na­mentlich mit Metallen und mit Wasserstoff, und muss daher künstlich
1 Die Auflösungen müssen so viel als möglich vollkommen sein und keinen Phosphor in StUckchen enthalten; 1 Unze Schwefel-Aether löst nur 5 bis C Gran, — 1 Unze Mohnöl gegen 10 Gran, — 1 Unze Terpenthinöl gegen 15 Gran Phos­phor auf.
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durch gegenseitige Zersetzung aus Kochsalz und andern sauerstoffreichen Körpern, z. B. Mangauüberoxyd und Schwefelsäure dargestellt werden. — Das Chlor hat zum Wasserstoff eine grosse chemische Verwandt­schaft , so dass es sich überall mit ihm vereinigt, hierdurch die meisten Verbindungen dieses Stoffes mit andern Stoffen zersetzt und deshalb sehr viele organische Substanzen, besonders Farben, Krankheitspro-ducte und dgl. auch ganz zerstört; dabei bildet es aber mit diesem Stoff die Chlorwasserstoff'säure oder Salzsäure (siehe IX. Klasse bei den Säuren). Mit den Metallen geht es ebenfalls innige Verbindungen ein und bildet dadurch mehrere sehr wichtige Arzneimittel, z. B. Chlor-Eisen, Chlor-Quecksilber in minimo und maximo, Cblor-Spiessglanz und Chlor-Zink (siehe XII. Klasse). — Das Wasser nimmt durch Absorp­tion mehr als sein eigenes Volumen beträgt, nämlich l1^ bis 2 Baum-theile vom gasförmigen Chlor auf, bildet so, wie es scheint, als blosses Geinenge die Chlorflüssigkeit oder das oxydirt-salzsaure Was­ser, welches im Wesentlichen dieselben physikalischen Eigenschaften wie das Chlorgas besitzt und aus dem sich auch das letztere ganz un­verändert sehr leicht wieder entbindet, besonders bei etwas erhöhter Temperatur. Mit den Alkalien und Erden verbindet sich das Chlor, wie es scheint, ebenfalls hauptsächlich durch blosse Absorption; denn die hierdurch entstandenen Präparate, von denen vorzüglich der Chlor-kalk und das Chlornatron als Arzneimittel dienen, #9632;— zeigen im Wesentlichen auch die Eigenschaften des Chlors unverändert und ent­binden dasselbe sehr leicht bei der Einwirkung von atmosphärischer Luft oder von anderen Gasarten , und noch mehr bei der Einwirkung von Säuren.
Da das Chlor alle Wasserstoffverbindungen zerstört und sich da­bei selbst in Chlor-Wasserstoffsäure umwandelt, so enthalten alle Zn-saininensetzungen desselben mit andern Arzneistoffen oder mit Vehikeln nicht mehr reines Chlor, sondern bald mehr, bald weniger verdünnte Salzsäure; und da auch selbst dann, wenn man das reine Chlor zur Anwendung bringt, durch die Berührung desselben mit den feuchten Schleimhäuten u. s. w. dieselbe Veränderung- erfolgt, so hat mau, hier­auf gestützt, behauptet: die innerliche Airwendung des Chlors als solches, sei unmöglich und dasselbe habe als innerliches Arzneimittel niemals Xutzen g-estiftet, sondern der ihm hierbei ertheilte Euhm ge­bühre eigentlich der Salzsäure. Allein, obgleich jene chemischen An­sichten richtig sind, so muss man doch auch zugeben, dass durch die Einwirkung des Chlors auf die organischen Säfte und Gebilde ganz andere Mischungsverhältnisse in denselben entstehen als von der Einwir­kung' der verdünnten Salzsäure, indem sowohl bei der schnellen Um­wandlung der organischen Säfte durch das Chlor, wie auch bei dem Freiwerden anderer Stoffe aus denselben, und bei seiner Zersetzung der Act der Erzeugung der Salzsäure selbst weitere wichtige Umstim-mungen in den Functioneu zur Folge haben muss. Auch zeigt die Er­fahrung, dass die Veränderungen im Thierkörper, besonders in den Sccretionen, nach Anwendung des Chlors von anderer Art sind als nach der Anwendung der Salzsäure.
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Da nun das wirksame Princip im Chlorwasser, im Chlorkalk, im Chloruatron u. s. w. dasselbe ist wie im Chlorgas, so ist es zweck-mässig, diese Arzneistoffe hier neben einander zu betrachten.
A. Chlorgas, Gas oxymuriaticum $. Chlori s. Gas AeuU mnriatici oxygenaM,
sect;. 414.
Das Chlorgas im reinen Zustande concentrirt und reichlich an­gewendet, wirkt zunächst und hauptsächlich auf die Respirationsorgane als ein sehr heftiges Reizmittel, und verursacht Husten, beschwerliches Athmcn und Erstickung binnen kurzer Zeit. Bei der Section findet man dann das Blut im ganzen Körper dünnflüssig und schwarzroth, selbst in den Arterien. Wenn aber das Gas, wie es bei seiner Ent-wickclung und bei der Anwendung fast immer geschieht, mit atmo­sphärischer Luft gemengt ist, so verursacht es zwar ebenfalls zuerst Reizung des Kehlkopfes und der Bronchien, trockenen Husten, ver­mehrte Absonderungen der Schleimhaut, der Xase und oft reichliches Thräuen der Augen, aber Erstickungszufällc treten nicht ein und das Athmen wird überhaupt nur wenig, oft auch gar nicht beschwerlicher. Auf die Haut wirkt das Gas ebenfalls, aber weniger heftig reizend; das Herz und die grossen Gefässe so wie das Gehirn scheinen gar nicht unmittelbar von ihm afficirt zu werden. Ich habe das Gas in engen Ställen anhaltend und sehr reichlich entwickelt und es so, mit atmo­sphärischer Luft gemengt, von Menschen, Pferden, Rindern, Schafen, Ziegen, Hunden, Katzen und Vögeln durch 16 bis 24 Stunden athmen lassen, aber keine anderen unmittelbaren Eolgen als die angegebenen hiervon entstehen seilen; bei länger fortgesetzter Einwirkung wird je­doch die gute Mischung des Blutes verändert, namentlich die Plasticität vermindert und die Farbe dunkler; auch wird dabei die Urinsecretion vermehrt, die Schleimhaut in der Nase und im Maule ganz blass und die Thicre magern binnen kurzer Zeit sehr ab. Wahrscheinlich wird also ein Theil des Gases beim Einatlimen von dem Blute absorbirt, und hier­durch eine chemische Zersetzung des letztem (und der organischen Materie überhaupt) bewirkt, indem das Chlor auf die. bereits erwähnte Weise (sect;. 413.) alle Wasserstoffverbindungen zersetzt. Zugleich wird aber auch die Thätigkeit der meisten Absmidcrungsorgane, der Lymjih-gefässo und Lymphdrüsen und der Schleimhaut, und eben so die Re­sorption vermehrt.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; ;
Auf Wunden und Geschwüre wirkt das Chlorgas stark reizend; die Empfindlichkeit wird grosser, die Färbung dunkler, die abgeson­derte Flüssigkeit consistenter und, wenn letztere irgend einen hervor­stechenden Geruch hatte, so wird derselbe bedeutend vermindert oder auch ganz beseitigt.
Injectionen des Gases in die Venen bewirken nach 2 bis 3 Minu­ten den Tod unter apoplektischen Zufällen.
sect;• 415. Das Chlor in Gasgestalt ist erst in der npuern Zeit als Heilmittel in Aufnahme gekommen, und es lassen sich daher bestimmte Indica-Hbrtwio, Arzneimittellehre.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;25
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tioneu für seine Anwendung nicht angeben; es scheint jedoch da nütz­lich zu sein, wo das Blut eine zu kohlenstoffreiche, brandige, vielleicht auch eine zu faserstofti-eiche, und eine dyskrasische Beschaffenheit hat. Es ist mit Nutzen bei dem sogenannten brandigen Strengel, bei Lungen­brand und Lungenverjanchung, und bei typhösen Fiebern angewendet worden. Bei Lungenverjauchung, sowohl wenn dieselbe, acut nach Entzündungen, wie auch besonders wenn sie als Eolge von erweichten Tuberkeln bestand, habe ich bei Pferden, Rindvieh und Hunden von dem Einathmen des Chlorgases vortreffliche Wirkung gesehen. Von Leblanc und einigen andern französischen Thierärzten ist es auch zur Heilung des Kotzes sehr gerühmt worden. Man soll mittelst einer eigenen Vorrichtung (s. Journ. theorique et prat. de medec. vete'r. 1831, Mars; 1834, Janvier; uaA. Recueil de med. vetir. 1831, Juillet) das Gas in die Xase leiten, was jedoch auch mittelst jeder Flasche geschehen kann. Andere haben von dieser Heilmethode den gerühm­ten Erfolg nicht gesehen, und ich habe dieselbe ebenfalls bei mehreren Pferden vergeblich angewendet. Als Gegengift bei Vergiftungen durch Blausäure ist Chlor (auch Chlorwasser und Chlorkalk) mehrfältig em­pfohlen worden; ich habe aber bei zahlreichen Versuchen hierüber weder mit dem Gas noch mit den andern Präparaten die Wirkungen der Blausäure sehr vermindern, und bei gehöriger Gabe der letztem niemals den Tod verhüten können.
Dagegen dient das Chloreras als das wirksamste Mittel zur Zer-Störung von Miasmen und Contagien, welche in der Luft oder an irgend einer andern Materie haften; zur Peinigung der Ställe, in denen Thiere mit ansteckenden Krankheiten sich befinden oder früher befun­den haben, oder, wo durch krankhafte Ab- und Aussonderungen, z. B. durch Jauche aus brandigen Geschwüren, durch die stinkende Ausdün­stung bei Faulfieber und Typhus, durch stinkende Excrements bei Diarrhöe u. s. w. die Luft verdorben ist; daher auch bei dem Blauwcr-den1 der Milch in solchen Fällen, wo dasselbe durch ein Miasma im Milchkeller oder in den Milchgefassen bedingt ist, welches der Erfah­rung zufolge in manchen Fällen ausserordentlich fest haftet und durch die gewöhnlichen Reinigungsmittel nicht zu zerstören ist. Gegen Schäd­lichheit dieser Art leistet das Chlorgas sehr viel, obgleich es nicht immer jenen fauligen Gestank ganz beseitigt; aber gegen diejenigen unbekannten Miasmen, welche in einer eigenthümlichen Beschaffenheil der Constitution der Atmosphäre begründet sind, wie es bei Epizootien häufig der Fall ist, scheint es weit weniger wirksam zu sein. — Die des-inficirende Wirkung- des Mittels ist wohl eine rein chemische, indem es die (ursprünglich organischen) der Luft u. s. w. anhängenden Krankheitsstoffe auf dieselbe Weise zersetzt wie andere organische Materien (sect;. 413).
sect;. 416. Für die zuletzt bezeichneten Zwecke, nämlich zur Zerstörung der Ansteckungsstoffe, zur Reinigung inficirter Ställe und dergl., kann man
1 Nicht zu verwechseln mit dem Blaumelken. welches vom Gemiss von Pflanzen mit blauen Säften oder von Krankheiten der Milchthiere herrührt.
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das Chlorgas auf melu-faclie Weise entwickeln, und zwar: 1) als soge­nannte oxydirt-salzsaure oder Morveausche ' Eäucherungeii (Fumigationes oxymuriaticae, Fumigationes cum Chloro s. Fumigationes chluratae secund. Guyton-Morveait), aus einer Mischung von 1 Tlieil fein pulv. Braunstein, mit 3 Theilen trockenem Kochsalz und mit #9632;J Theilen roher Schwefelsäure, welche letztere noch mit 2 Theilen Wasser verdünnt wird2. Nach Zengerle sind dies jedoch nach der chemischen Aequivalenten-Lehre nicht die richtigen Mengen der Be-standtheile, indem hiernach auf 4 Theile Kochsalz wenigstens 6 Theile Schwefelsäure und 3 Theile Braunstein genommen werden müssen. Man mengt diese Ingredienzien erst dann, wenn das Gas entwickelt werden soll, in einem irdenen, porzellanenen oder gläsernen flachen Gefässe, z. B. in einer Schüssel zusammen und stellt sie in den zu rei­nigenden Stall. Das Chlor entweicht sogleich sehr reichlich in Gestalt gelblicher Dämpfe, nach einiger Zeit aber immer schwächer, und man kann durch Umrühren mit einem hölzerneu oder gläsernen Stäbchen die Eutwickelung von neuem etwas befördern. Setzt mau die Schwefel­säure nach und nach zu dem Braunstein und Kochsalz, so erfolgt die Entbindung des Chlors auch verhältnissmässig langsamer und schwächer, was zvi beachten ist, wenn man die Eäucherungen in solchen Ställen unternimmt, in denen sich noch lebende Thiere befinden oder wo Men­schen sich beschäftigen. Durch massiges Erwärmen des Gefässes, in welchem die Ingredienzien zusammengemengt, sind, wird die Eutwicke­lung des Gases sehr befördert; will man aber das Erwärmen vermeiden, und doch binnen kurzer Zeit viel Gas erzeugen, so kann man die Schwefelsäure unverdünnt auf den Braunstein und das Kochsalz tröpfeln. — Ist der zu reinigende Stall ganz leer von Thieren, so lässt man das Gas reichlich in ihm entwickeln und verschliesst dabei durch 24 Stun­den alle seine OefFnungen; nach der Zeit aber lässt man ihn eben so lange ganz offen stehen und von der Luft durchströmen.
2) Die Eutwickelung des Chlorgases kann auch aus dem Chlor­kalk (eigentlich chlorichtsaurer Kalk) und aus dem Chlornatron geschehen. Beide Präparate lassen schon, wenn sie der Luft ausgesetzt sind, das Gas entweichen, was zwar langsam geschieht, aber auch nur sehr geringe Heizung der Respirafionsorgane verursacht; die Eutwicke­lung wird durch Befeuchten oder Auflösen der Mittel mit Wasser, noch mehr aber durch den Zusatz der verdünnten Schwefelsäure, oder besser, Salzsäure, oder auch durch das Zusammenmenquot;en des Chlorkalkes mit
1 Bourgclat hat, ohne das Chlor zu kennen (indem es erst sjiiitcr entdeckt wurde), schon im Jahre 17C5, also lange vor G uy ton-Morv eau (1798) ähnliche Käucheruugen, .aber in einer mehr zusaminengesetzten Formel empfohlen (Maticre medic. Formol Nr. 395), und Huzard, der dieses mit Recht zu den Verdiensten Uourgelat's rechnet, sagt darüber: „(jue Guytoii-Morveau na fait, sans rien chan­ger aux bases, que snnplitier la formule de Bourgelat et en entendre lapplication.quot; (Proccs-verbal de l'Ecole vet. de Lyon, ann. 1812; — Anual. de l'agricult. franc. Tom. 51. pag. 95.)
-' Für einen Stall, der 20 Fuss lang und eben so breit ist. sind ',2 Unze Braun­stein. I1 i Unze Kochsalz und 1 Unze Schwefelsäure hinreichend.
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gleichen Theileu des sauren schwefelsauren Kali sehr verstärkt. Die Entwickelung des Gases aus diesen Suhstanzeu ist etwas schwächer, auch etwas theurer, aber bei dem zuletzt bezeichneten Gemenge aus Chlorkalk und saurem schwefelsaurem Kali vermeidet man die üblen Folgen, welche bei den Morveau'schen Räucherungen bei dem nicht recht vorsichtigen Gebrauch der Schwefelsäure entstehen können. Des­halb verdient dasselbe besonders dann den Vorzug, wenn mau die In­gredienzien zu den Chlorräucherungen über Land verschicken oder unkundigen Personen anvertrauen muss. Die genannten beiden Sub­stanzen müssen fein gepulvert sein und dürfen erst zusammengemengt werden, wenn man eben das Gas entbinden will. Für einen 20 Fuss langen und eben so breiten Stall sind l1^ Unzen von jedem Theile zur Anfüllung mit Chlor hinreiclicud.
3) Auch aus dem flüssigen Chlor ist, wenn dasselbe im Stalle aus­gesprengt oder in weiten Gefässen der Luft ausgesetzt wird, das Gas zu entwickeln; dieses Verfahren ist jedoch verhältnissmässig am theuer-sten und am wenigsten wirksam.
It. Chlonvasscr. flüssiges Chlor, o;y dirt-salzsaures Wasser, oxjdirte Salzsäure, Liquor Chlori, Chlonim so/uium, Aeidiim muriaUcum uxygenatum, Aqua oxymuriatioa.
417.
Das flüssige Chlor besitzt, mit Ausnahme der veränderten Form, alle Eigenschaften des Chlorgascs, wirkt auch auf den lebenden Thicrkörper ganz wie dieses, aber bedeutend milder. Pferde und Kühe ertrugen es bei meinen Versuchen bis zu 3 Pfd., Hunde bis zu 3 Unzen auf Einmal, ohne dass besondere Zufälle entstanden. — 2 Unzen einem Pferde in die Vene gespritzt, verursachten sogleich Mattigkeit, ängst­lichen Blick, Senken des Kopfes, Zittern der Haut und der Füsse, häu­figes Bewegen des Kiefers und der Zunge, etwas schnelleres Athmen, volleren, aber nicht schnelleren Puls. Nach 2 Stunden war die Wir­kung vorüber. — Von 5 Unzen innerlich angewendeten flüssigen Chlors starb bei Orfila ein Hund nach einigen Stunden; es war ihm aber der Schlund unterbunden worden. — Durch seine Form eignet sich das flüssige Chlor zur innerlichen und äusserlichen therapeutischen Anwen­dung viel mehr als das Gas; es ist aber wenig gebräuchlich. #9632;— Ich habe es innerlich gegen brandige Entzündungen, namentlich gegen derglei­chen Lungenentzündungen, und eben so bei verschiedenen Formen des Anthrax, besonders auch bei dem Carbunkel an der Zunge der Pferde, mit dein besten Erfolge gegeben. Es scheint unter diesen Umständen eigenthümlich die Blutmischung zu verbessern und entgiftend auf das Blut zu wirken. Bei Rotz und Wurm und gegen eiternde Lungen­knoten bei Pferden habe ich es ziemlich häufig versucht und in einigen Fällen scheinbare Besserung, bei 1 rotzigen und 2 wurmigen Pferden aber auch wirkliche und bleibende Heilung hiernach erfolgen sehen; die Besserung des Zustandes zeigte sich immer erst nach 8 Tagen, die Hei­lung nach 4 Wochen, und während und nach der Kur magerten die Thierc bedeutend ab. — Chariot hat die alkalischen Chlor-Präparate
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(Chlornatron, Chlorkalk) als das beste Mittel zum Zersetzen, Neutrali-siren und Verdichten des Gases bei dem Aufblähen der wiederkäuenden Thiere empfohlen', das Chlorwasser dürfte für diesen Zweßk ebenfalls zu benutzen sein, ist aber viel theurer als diese Mittel. Dagegen ist es bei Hunden gegen den Vipernbiss sehr zu empfehlen; eben so bei Typhus. Die Gabe ist für Pferde 4 Unzen, später 6 bis 8 Unzen, für Kindvieh eben so; für Schafe, Ziegen und Schweine 2 bis.4 Unzen, für Hunde 2 Drachmen bis 1 Unze, täglich 2 bis 3 mal. Nach den ersten Gaben können die folgenden etwas vergrössert werden. — Aeusserlich habe ich es gegen kalten Brand, Milzbrand, Räude, Flech­ten, Mauke und andere Geschwüre, welche einen asthenischen, putriden Character hatten, zwar mit gutem, aber nicht mit besonders ausgezeich­netem Erfolge angewendet; denn die Heilung erfolgte überall nicht schneller als bei dem Gebrauche anderer passender Mittel. Dabei ist zu bemerken: dass das flüssige Chlor durch Licht und Luft sehr leicht zersetzt und in Salzsäure umgewandelt wird; dass auch alle Säuren, Salze und viele Vegetabilien es leicht zersetzen und dass es dalier für sich allein, für kleine Thiere nur mit destillirtem Wasser verdünnt, oder kurz vor der Anwendung mit etwas reinem Syrup oder mit Schleim versetzt werden darf. —#9632; Wegen dieser leichten Zersetzbarkeit wird das Mittel bei äusserlicher Anwendung gewöhnlich nicht viel anders als eine schwache Salzsäure wirken, und es kann deshalb zu dieser Anwen­dung rachrcntheils durch die letztere ersetzt werden. — Als desinfici-rendes Mittel ist es zum thierärztlicheu Gebrauch zu theuer (sect;. 416), und weit besser durch eine Auflösung von Chlorkalk zu ersetzen. (Mit destill. Wasser bereitet: 1 Unze 1 Sgr. — mit gem. Wasser 1 Unze 8 Pfg.)
C. Chlorichtsaurer Kalk laquo;der Chlorkalk, Calcaria hypoehlorosa s. chlorosa s, chlorata, Calcaria oxynmriatica; auch: Chloretum Calcariac, Chloris s. Suhchloris calcicus. Cal­caria chlorinien. Cklorum Calcariae s. calcareum.
sect;• 418. Der Chlorkalk wirkt zunächst ebenfalls durch seineu Gehalt an Chlor und daher ebenfalls im Wesentlichen wie das Gas; allein zu der Wirkung des letztern tritt noch die des Aetzkalkes, und deshalb ist wenigstens die örtliche Einwirkung an den vom Chlorkalk betroffenen Stellen mit viel stärkerer Reizung verbunden, als bei dem Chlorgas und bei dem flüssigen Chlor. Ich sähe oft, wenn Pferde den in Lat­wergen oder in Pillen eingegebenen Chlorkalk nicht verschluckten, sondern durch einige Zeit im Maule behielten, heftige Reizung, Ent­zündung und selbst Excoriationen der Maulschlcimhaut, Geschwulst
1 Kecueil de mcd. voter. IS.'il. p. 143. Er gründet seine Ansicht auf die Be-.schaffonheit des Gases im Magen der aufgehläheten Kinder; denn nach Thenard's Chemie (Tom. IV. p. 541.) besteht dasselbe aus 8 Theilcn Schwefchvasserstoft', 15 Thoilen Kohlcmvasserstoff und 5 Theilcn Kohlensäure. Hei chronischem Aufblühen ist mehr Schwefelwasserstoff vorhanden. Diese Gase werden allerdings durch das Chlor zersetzt und hierdurch in ein kleineres Volumen gebracht.
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der Zunge und der Lippen, Geifern aus dem Maule und Verhinderung im Fressen, -— bei äusserliclier Anwendung aber lebhaftere Eöthung, grössere Emptindlichkeit, verminderte und weniger stinkende Abson­derung an Gescbwürfläehen, und bei etwas starker Anwendung selbst Entzündung und Anätzung der gesunden Haut entstehen. Diese rei­zende örtliche Wirkung erfolgt aber am Magen und Darmkanal in viel geringerem Grade, und die Thiere ertragen, nach meinen vielfältig wie­derholten Versuchen, den Chlorkalk innerlich in sehr grossen Gaben, ohne uumittelbare üble Folgen hiervon zu erleiden; denn ich gab zum Versuch gesunden Pferden und Kühen das Mittel von 1 Unze bis zu 2 Pfund, Schafen und Ziegen von 1 Drachme bis 1 Unze, und Hunden von 1/2 Drachme bis 1 g Unze, — sowohl in Latwergen und Pillen (zu deren Bereitung auf eine Unze Chlorkalk 2 Drachmen Altheewurzel-pulver und das nöthige Wasser genommen wurde), als auch in wäs­serigen Auflösungen (zu 1 Unze Kalk 1 Pfund Wasser) — und be­merkte nach den kleinen Gaben sehr oft kaum eine Spur von Wir­kung, nach grossen Gaben aber etwas schnelleren Puls, beschwerlicheres Athmen, vermehrte Wärme im Maule, Thränen der Augen, sehr reich­liches Uriniren und zuweilen auch öfteres und reichliches Misten, wobei aber der Koth fast gar nicht von der normalen Beschaffenheit ab­weichend zu sein schien; der Urin machte stets einen starken, weissen Bodensatz und verbreitete oft einen eigenthünilichen Geruch, der dem des Chlors ähnlich war, zugleich aber dem der Blausäure sich etwas näherte. — Bei Pferden trat die angedeutete geringe Veränderung am Puls und Athmen nach 20 — 30 Minuten ein und dauerte durch 2 bis 4 Stunden; am Koth und Urin zeigte sich die Wirkung über 24 Stun­den. Wenn nicht das Maul durch das Eingeben des Mittels auf die oben bemerkte Weise litt, so wurde selbst durch sehr grosse Gaben des Chlorkalkes der Appetit nicht gestört, oft aber der Durst stark erregt. Hunde zeigten (wie so häutig auch nach andern Mitteln) Erbrechen, aber keine anderen Zufälle. Das Blut zeigte nach der Anwendung des Chlorkalkes bei keinem Thiere eine sehr bemerkbare Veränderung; alle magerten aber sehr ab, wenn man ihnen das Mittel durch einigt Zeit anhaltend in grossen Quantitäten eingab. —
Eine Auflösung von 2 Drachmen Chlorkalk in 2 Unzen Wasser bei gesunden Pferden in die Halsvenc injicirt, verursacht sogleich eine Vermehrung von 6 —10 Pulsen in der Minute und etwas schnelleres und beschwerlicheres Athmen, jedoch nur für die Zeit von 1 — 2 Stun­den ; alle übrigen Functioneu scheinen ungestört zu bleiben. — Von der Injection einer unvollständigen und nicht filtrirten Auflösung- aus 1 Unze Chlorkalk in 4 Unzen Wasser wurde der Puls sogleich sehr voll, langsam, unregelmässig, das Athmen ängstlich, sehr angestrengt, es entstand Schwindel, Niederstürzen, Erweiterung der Pupille, Blässe der Schleimhaut, der Nase und des Mauls, und in Zeit von 30 bis 50 Minuten der Tod. Bei der Section fand man das Blut auch in den Arterien schwarzroth und ganz flüssig.
In der Eigenschaft, der fauligen Zersetzung entgegen zu wirken und den Gestank in Geschwüren u. s. w. zu beseitigen, übertrifft der
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Chlorkalk die übrigen Chlorpräparate und alle anderen bis jetzt oe-kannten Mittel.
sect;• 419.
Der Chlorkalk ist erst in der neuern Zeit als Arzneimittel in Auf­nahme gekommen, und die Indicationen zu seiner Anwendung sind daher noch nicht für alle Fälle begründet. Er findet, wie das Chlor­wasser, seine Anwendung hauptsächlich bei zu geringer Thätigkeit und bei Stockungen in den Lymphgefässen, in den Lymphdrüsen und an­dern drüsigen Organen, bei Verschleimung, bei Verhärtungen, bei Tuberkeln, bei stinkenden Secretionen, bei Cachexien; zur chemischen Zersetzung und zur Einsaugung des Gases im Wanste der aufgebläheten Wiederkäuer (nach Chalot), zur Zerstörung contagiöser miasmatiseber Stoffe, und eben so zur Zerstörung des Gestanks von fauligen u. a. Effluvien. Er verdient aber in den meisten Fällen vor den übrigen chlorhaltigen Mitteln den Vorzug, weil er leichter und vielseitiger zu benutzen, auch wirksamer und wohlfeiler ist als sie. —
Französische Thierärzte versuchten ihn innerlich zuerst gegen Eotz und Wurm, und zwar angeblieh mit gutem Erfolge; ich habe ihn gegen diese Krankheiten ganz mit demselben Erfolge angewendet, wie das flüssige Chlor (sect;. 417). — Ich habe ihn, wie Mandt1, Ivart, Gerlach u. a. mit Nutzen gegen den Milzbrand, namentlich gegen die Blutseuche der Schafe als Heilmittel und als Präservativmittel mit dem besten Erfolge gegeben, selbst da, wo die Anthrax-Dyskrasie in den Heerden in dem Grade bestand, dass bei kaum bemerkbaren äussern Ursachen fortwährend fast täglich Sterbefällc eintraten. Der Chlor­kalk hat sich hierbei als das kräftigste Entgiftungsmittel gezeigt-. — Bei veralteter, hartnäckiger Druse und bei verjaucheuden Lungen­knoten war er in vielen Fällen nützlich; bei dem Aufblähen, beson­ders wenn dasselbe durch schlechtes, verdorbenes Futter entstanden war, leistete er auf der Stelle die besten Dienste. Arensberg gab ihn mit bittern Mitteln gegen das Wollfressen erwachsener Schafe, nach­dem er hiergegen schwefelsaure Salze vergebens gebraucht hatte (Veter. Sanit. Bericht der Königl. Kcgierung zu Königsberg, 1. Quart. 1841). — Bei einer Kuh, welche von einer Viper in die Zunge gebissen wor­den und darnach heftige Geschwulst und blaurothe Färbung dieses Organs, grosse Hitze, schnellen Puls, starken Herzschlag, trübe Augen, Geifern aus dem Maule, Kälte der Hörner und Ohren, und trockenes Flotzmanl zeigte, leistete der Chlorkalk, innerlich und örtlich ange­wendet, baldige Linderung und Heilung (Oesterreich. Mediz. Jahr­buch, Bd. 23, Stück 1, S. 11). Bei den Versuchen gegen die Lungen-seuche des Kindviehes, bei Faul- und Nervenfieber, und bei stinkender Diarrhöe nutzte er mehrentheils nichts. Dagegen soll es bei der Leck-sucht des Kindviehes und gegen das Wollfresseu der Schafe nützlich
1 Praktische Darstelhuig der wichtigsten ansteckenden Epidemien und Epizoo-tien in ihrer Bedeutung für die medicinische Polizei. Berlin 182C. S. 002.
- Magaz. für Thierheilk. Bd. XI. S. 42C. Auch bei Anthrax-Infectionen am Menschen hat sich der Chlorkalk und das Chlonvasser sehr nützlich gezeiet.
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sein. — Aeusserlicli hat das Mittel gegen Eäude und Flechten bei Pferden, Kühen und Hunden, und eben so gegen die stinkenden Ge­schwüre im äussern Gehörgange bei den letztern, — bei dem bösar­tigen Klauenweh und gegen die Mauke der Pferde gute Dienste ge­leistet; vorzüglich wirksam war es bei der sogenannten brandigen oder ausfallenden Mauke. Bei dem Strahlkrebs und Knorpelfisteln bewirkt der Chlorkalk in kurzer Zeit eine äusserliche Besserung der Geschwüre und schnelle Vernichtung des Gestanks, aber keine gründliche Hei­lung, — und auf gleiche Weise zeigte sich die Wirksamkeit bei cariösen Geschwüren. In neuerer Zeit hat jedoch Eichbaum den Strahlkrebs von diesem Mittel gründlich heilen sehen (Magaz. für Thierheilk. 12. S. 272). Gegen Verdunkelung der Hornhaut war das Mittel in einigen Fällen recht wirksam, in anderen leistete es nichts.
sect;• 420. Man giebt den Chlorkalk innerlich Pferden und Eindvieh von ^o—2 Unzen, Schafen, Ziegen und Schweinen ^—l1/^ Drachme, Hunden ^ Scrupel bis '^ Drachme auf einmal und täglich zwei- bis dreimal; die Anwendung kann in Pillen, Latwergen oder Auflösuugen, und in Verbindung mit bittern und aromatischen Mitteln geschehen. Latwergen sollten stets nur in geringer Quantität angefertigt und in einem Tage verbraucht werden, weil das Mittel schnell seine Wirksam­keit verliert. Als Bindemittel ist hier Mehl besser als Altheewurzel-pulver. Letzteres giebt eine bröckliche Masse. — Bei dem Aufblähen giebt man ihn nur in Auflösungen mit kaltem Wasser, ^ Unze Chlor­kalk zu 8 Unzen des letztern. Gerlach lässt ihn als Präservativmittel gegen die Blutseuche der Schafe folgendermaassen in Auflösung an­wenden: des Abends, wenn die Schafe von der Weide in den Stall kommen, wird ihnen etwas Viehsalz zum Lecken, aber kein Saufen ge­geben; am andern Morgen wird auf 100—125 Schafe 1 Pfund Chlor­kalk in so viel Wasser aufgelöst, als die Heerde ungefähr aussäuft. Dabei muss das Wasser fortwährend umgerührt werden. Das erste Mal wollen die Schafe das Getränk gewöhnlich nicht gern saufen, aber später thun sie es, und es ist dann auch nicht mehr nöthig, ihnen des Abends vorher noch Salz zu geben. Bei vorhandener Anthrax-Dys-krasic fahre man so 8 Tage lang fort; bis dahin hat sich die Krank­heit gewöhnlich vermindert, und man kann einige Tage aussetzen, dann aber wieder 2 — 3 Tage fortfahren u, s. w., bis keine Sterbefälle mehr erfolgen.
Aeusserlicli wendet man ihn in Pulverform, oder mit Wasser zum Brei gemacht, oder am häufigsten in Auflösungen mit Wasser, die man nach Verschiedenheit der Empfindlichkeit der betreffenden Theile, oder nacli Verschiedenheit des Grades der fauligen Zersetzung und des Ge­stanks mehr oder weniger concentrirt macht; zu einer sehr starken Auf­lösung nimmt man auf 1 Theil Chlorkalk 10—12 Theile, zu einer schwachen Auflösung 30—40 Theile des Wassers. Man benutzt solche Flüssigkeiten zum Waschen und Verbinden der kranken Theile, zu Einspritzungen und zu Fussbädern, täglich zwei- bis viermaj. Zur
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gründlichen Reinigung der Klauen bei dem bösartigen Klauenweh be­nutzt man, um die Anwendung des Mittels schnell und leicht bei der ganzen inficirten Heerde zu bewirken, eine Auflösung von 1—2 Pfund Chlorkalk mit 2 Eimern Wasser als Fussbad, und zwar auf die Weise, dass mit der Chlorkalk - Auf lösung eine wasserdichte Krippe gegen 4 Zoll tief angefüllt und die letztere vor die Stallthür, durch Horden von beiden Seiten begrenzt, so gestellt wird, dass die aus oder in der; Stall getriebenen Schafs auf einer Strecke von etwa 8 Puss lang durch die Flüssigkeit gehen, und ihre Klauen chemisch reinigen müssen. Ist die Zahl der durchgehenden Schafe sehr gross, so muss die Flüssigkeit von Zeit zu Zeit erneuert werden; eben so wenn sie schmutzig gewor­den ist. — Zum Verbinden der Klauengeschwiire nach gründlichem Ausschneiden der Klauen benutzt man einen Brei, der aus Chlorkalk und destillirtem oder Regenwasser durch Zusammenreiben in einem Mörser gebildet ist und mit einem Pinsel auf die ganze offene Fläche gestrichen wird. Dies geschieht täglich wiederholt, bis die Flächen trocken geworden sind (siehe: Günther, in d. Zeitsdlr. für Thier-heilk. und Viehzucht von Nebel u. Vix, Bd. 1. S. 85 u. f.). Eben­falls in Breifbrm soll man ihn nach Eichbaum bei dem sogenannten Strahlkrebs anwenden, nachdem man die überflüssigen Horn - und Weichgebilde, jedoch ohne Blutung zu erregen, mit dem Messer weg­genommen hat. Auf den Brei von Chlorkalk legt man eine Schicht von Aetzkalk und dann einen Ledersclmh auf den ganzen Huf. Bei sehr profuser Jaucheabsonderung verbindet man den Chlorkalk mit eben so viel Eichenrindenpulver, und wendet das Gemenge trocken an, so lange, bis die Menge der Jauche sich bedeutend vermindert hat, worauf man zu dem Verbinden mit dem Chlorkalkbrei übergeht. Zu­weilen habe ich den Chlorkalk auch in Pulverform, theils für sich allein, theils mit Kohlenpulver, mit Kalmuswuvzelpulver und dgl. ver­setzt, bei andern stark jauchenden Geschwüren mit recht gutem Er­folge eingestreuet; man darf jedoch nur kleine Quantitäten von solchen Pulvern zubereiten, weil sie an der Luft in kurzer Zeit unwirksam werden.
sect;. 421. Als desinficirendes Mittel wird der Chlorkalk auf verschiedene Weise benutzt, hauptsächlich aber, indem man entweder zur Reinigung der Luft und zum Durchräuchern von inficirten Ställen und Utensilien das Chlorgas auf die eine oder die andere, im sect;. 410 bezeichnete Weise ans ihm entwickelt; — oder indem man die Stallwände, die Krippen, Raufen u. s. w. mit starken Auflösungen von ihm übertüncht, und die Decken, das Lederzeug, das Putzzeug und andere Gegenstände, welche mit ansteckend kranken Thieren in Berührung gekommen sind, mit schwächeren Auflösungen wäscht. Zu dem Uebertünchen des Stalles macht man aus 1 Pfund Chlorkalk und etwa 12 Pfund (4 Quart) Wasser eine Art Kalkmilch, die man mittelst eines Mauerpinsels oder im Nothfalle mittelst eines an einen Stock befestigten Strohwisches gut aufträgt. Es entwickelt sich dabei sehr viel Chlor, durch welches die Augen und die Brust des Arbeiters für einige Minuten etwas belästiget,
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vorliaudene Austeckuugsstofl'e aber auch ganz sicher zerstört werden, so dass man nach dem völligen Austrocknen des Stalles gesunde Thiere ganz ohne Gefahr wieder in denselben hineinbringen kann. Will mau aber recht vorsichtig sein, so kann man Krippen und Haufen nach dem Uebertüncheu vorher noch einmal mit heissem Wasser abwaschen und dann den Stall mit Chlorgas durchräuchern (sect;. 417). — Zum Reinigen der Decken, des Lederzeuges u. s. w. ist eine Auflösung von 1 Unze Chlorkalk auf 12—'20 Unzen Wasser hinreichend stark. Dabei ist aber zu bemerken, dass gefärbte Decken und Chabraken mit einer Auflösung von Chlorkalk nicht gewaschen werden dürfen1, weil sie dadurch ihre Farbe verlieren, und dass alle andere Gegenstände nach dem Waschen in jener Auflösung sogleich in Wasser rein ausgespült werden müssen, nm die fressende Wirkung des Chlorkalkes zu ver­hüten; metallische Gegenstände müssen sogleich ganz trocken abge­rieben, und das Lederzeug, nachdem es halb trocken geworden, mit Fett oder Oel eingeschmiert werden.
Wenn in Ställen der Urin keinen gehörig freien Abfluss hat, und daher beständig ein scharfer ammoniakalischer Geruch besteht, so ist zur Unterdrückung des letztern das Befeuchten des Fussbodeus und der Abzugrinnen mit einer etwas starken Chlorkalkauflösung das beste Mittel.
I). Chlor-Natrum oder Chlor-Soda, CMortim Katri, Chlorurciiim Sodii s. Chlornretv.m de protoxydo Sod/'i {quot;).
sect;. 422.
Das Chlornatrou wirkt örtlich und allgemein fast ganz wie der Chlorkalk, in einer etwas concentrirten Auflösung aber örtlich stärker reizend als der letztere, so dass nach seiner Anwendung in Wunden und Geschwüren heftige Entzündung und selbst starke Ausschwitzung von plastischer Lymphe erfolgt. Dabei muss jedoch bemerkt werden, dass das Chlornatron auf verschiedene Weise bereitet wird, und sowohl in flüssiger als auch in fester Gestalt besteht; dass aber jene stärkere Heizung von dem festen oder krystallisirten weniger auffallend wahr­zunehmen als von dem flüssigen. — Das Chlornatron ist ebenfalls erst seit kurzer Zeit als Heilmittel benutzt und, besonders von französischen Thierärzten, gegen dieselben Krankheiten empfohlen worden, in denen der Chlorkalk für nützlich gehalten wird; namentlich will mau gegen den Kotz und Wurm der Pferde heilsame Wirkungen von ihm gesehen haben. Es leistet jedoch gegen diese und gegen andere cacheetische Krankheiten nichts mehr als der Chlorkalk und steht dem letztern noch darin nach, dass es viel theurer ist und fast nur allein in flüssiger Form angewendet werden kann. — Auch verlangt das Chlornatron seiner scharfem Wirkung wegen eine grössere Vorsicht, und darf nur in massigen Gaben, z. B. für Pferde und Kinder von 2 Drachmen allmälig steigend bis zu 1 Unze, für Schafe zu ila—1 Drachme, für Hunde von
1 DagegtMi schadet solchen Sachen das üurchviiuchern mit Chlorgas sehr wenig.
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5 Gran bis 1 Scrupel verordnet worden; auch darf die Anwendung nur täglich zweimal, nur in sechs- bis achtfacher Verdünnung mit Wasser, oder mit Zusatz eines schleimigen Mittels geschehen. Zusätze von an­dern Mitteln erträgt das Chlornatron nicht gut.
Aeusserlich ist dasselbe in flüssiger renn wie der Chlorkalk zu benutzen.
L)as Chloruatron ist auch als desinficireudes Mittel, im Wasser auf­gelöst zum Auswaschen von Krankenställen u. s. w. benutzt und von Labarraque1 sehr empfohlen worden; allein es hat für diesen Zweck ebenfalls keinen Vorzug vor dem Chlorkalk, sondern steht demselben des hohem Preises wegen sehr nach. — Ueberhaupt dürfte es wohl in der Thierarzneikunde zu entbehren sein.
A um er kling. Das Chlor-Kali (Cldorum Kalis. Kali chloricmn) wirkt ähu-lieli wie das Chloniatrum, wird aber fast gar nicht als Arzneimittel benutzt. Char­iot empfalil es vorzugsweise vor den übrigen Chlormitteln gegen Trommelsucht und Windkolik. Die Gabe ist für Pferde und Rinder 2 Esslöfl'el voll in einem Quart kalten Wasser. Es ist aber zu theuer (l Unze 4 Sgr.).
4) Das Jod tider die Jodine, Juclma s. Jodinn. und Jodkaliuni, Kali Jodaitim
s. hydrojodicum.
sect;. 423.
Diese eigenthümliche Substanz ist erst seit einigen Jahren als Arz­neimittel für Thierc benutzt, daher auch noch nicht genügend in ihren Wirkungen erforscht. — Im Allgemeinen zeigen die letztern, in so weit sie den lebenden Thierkörper betreffen, einige Aehnlichkeit mit denen des Chlors, des Quecksilbers und der Kalien, sie sind aber doch in der Hauptsache von ganz eigeuthümlicher Art. Bei der äusserlichen An­wendung auf die Haut verursacht das Jod und seine Präparate bei oberflächlicher Einwirkung nur eine gelbliche Färbung und massig starke Reizung, welche letztere aber zuweilen bis zur oberflächlichen Entzündung steigt, und mit vermehrter Resorption in den unter der Haut liegenden Theilen begleitet ist. An allen drüsigen Organen, be­sonders aber in den Schildrüseu und am Euter scheint auf eine speci-fische Weise selbst die Ernährung (die Vegetation) sehr beschränkt zu werden, denn sie verkleinern sich bei dem fortgesetzten Gebrauche des Jods sehr auffallend. — Innerlich in einzelnen massigen Gaben ange­wendet, wirkt dasselbe zunächst als ein Reiz auf die Schleimhaut der Verdauungseingeweide, und erregt etwas den Appetit, verursacht aber in solchen Gaben keine bemerkbaren allgemeinen Zufalle; wird aber die Anwendung solcher Gaben durch einige Zeit fortgesetzt, so zeigt sich nach und nach eine immer stärkere Abmagerung im ganzen Körper, aber vorherrschend in den vorhin bezeichneten drüsigen Organen. Veränderung an den Blutgefassen, am Athmen und in den Ab- und Aussonderungen bemerkt man dabei nicht; auch am Blute hat man bis-
1 Labarraque: De l'emploi des chlorures d'oxyde de sodium et deebaux: Paris 1825. — Recueil de medec. vetev. 1825. S. 255. 1829. S. 190. etc. — Fro-rieji's Notizen, ans dem Gebiete der Natur- und Heilkunde, Rd 11. S. 359.
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her einen Einfluss der Wirkung nicbt deutlich nachgewiesen, obgleich seine Beschaffenheit sich gewiss verändert. — In etwas grossen Gaben verursacht das Jod übermässige Keizung der Verdauungsschleimhaut, Störung des Appetites, Erbrechen (bei Thieren die erbrechen können), vermehrte Harnentleerung und sehr oft auch Diarrhöe; — von sehr grossen Gaben erfolgt Entzündung und Anätzung des Magens und der Tod in 4 — 7 Tagen. Letzterer erfolgt aber nicht jedesmal, sondern manche Thiere erholen sich noch, selbst wenn schon bedenkliche Zu­fälle eingetreten sind. Orfila (Toxicol., Bd. 1. S. 116) sah z. B. einen Hund wieder genesen, der nach dem Eingeben von 1 Drachme und 12 Gran Jod bereits an heftigem Erbrechen und Schluchzen litt. Ich machte dieselbe Beobachtung an einem Hunde nach dem Eingeben von l1^ Drachmen des Jodes. — Von 10—15 Gran sah ich bei mehreren Hunden, und von 40—60 Gran bei Pferden täglich zweimal und durch 14 Tage gegeben, blos schwachen Durchfall (mit Entleerung von schwärzlich gefärbten Excrementen), bei den erstem auch massiges Erbrechen und starke Abmagerung erfolgen; aber 2—3 Drachmen in einer Gabe tödteten jeden Hund.
Injectionen in die Drosselvene von 1 Drachme Jod in 2 Unzen schwachem Weingeist gelöst, brachten bei Pferden Taumeln, Betäu­bung, zuweilen selbst Niederstürzen, schnelles, kurzes Atlnnen, schmerz­haften Husten, schnellen, harten Puls, wilden Blick mit Erweiterung der Pupille, Auftreibung der Gefijsse am Kopfe, erhöhete Temperatur, dann Aengstlichkeit, Mattigkeit hervor. Nach l1/2 Stunden waren diese Zufalle verschwunden; der Appetit wurde sehr gut! — Bei mehreren Versuchen der Art variirten die Zufälle etwas, aber der Husten war bei allen Pferden constant. — Injectionen von 2 Drachmen Jod in 2 Unzen Branntwein gelöst, erzeugten ähnliche, aber weit stärkere Zu­fälle, die 4 Tage dauerten. — 1 Drachme Jod in 1 Unze Schwefel­äther gelöst und in die Drosselvene injicirt, verursachte sogleich Er­stickungszufälle und den Tod. Diese Wirkung ist jedoch mehr dem Aether als dem Jod zuzuschreiben (Observation von Patu, im .fourn. de med. veter. 1835. p. 229).
Aeusserlich angewendet bewirkt das Jod (eben so die Tinctur und das Jodkali) eine Reizung der Haut, selbst eine geringe Entzündung und zuweilen Ausgehen der Haare an der Anwendungsstelle. Dabei wird die Resorption in und unter der Haut sehr vermehrt.
Bei jeder Art der Anwendung des Jods fand sich stets eine Menge desselben in dem reichlich entleerten Urin.
sect;. 424.
Den angedeuteten Wirkungen und den an kranken Thieren ge­machten Beobachtungen zufolge ist das Jod ein sehr kräftiges, die resorbirendc Thätigkeit der Gefässe beförderndes, daher die Resorp­tion vermehrendes, die Ernährung beschränkendes Mittel. Als solches ist es in kleinen und massigen Gaben angezeigt: bei krankhafter, über-mässiger Ernährung, Vergrösserung und Verhärtung drüsiger Organe, besonders aber bei solchen Zuständen der Schilddrüsen (bei dem ächten
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Kropf, Struma), des Euters und der Hoden; eben so bei zu grosser Fettbildung in einzelnen Theilen oder im ganzen Körper und bei den hieraus entstehenden nachtheiligen Folgen, z. B. bei dem chronischen, ausseist hartnäckigen Husten, der die zu gut genährten Stubenhuude zuweilen befällt und in zu grosser Fettigkeit des Herzens begründet ist. Das Mittel hat sich bei diesen Krankheiten, nach den Beobach­tungen von Prevost u. A.l, so wie bei meinen Versuchen, sehr wirk­sam gezeigt. Ich habe es auch in der Ltingensouchekrankheit des liind-viehes, bei Wassersuchten und gegen chronische Druse in einigen Fällen nützlich befunden. Dagegen sähe ich es gegen Rotz und Wurm bei sehr vielen Pferden, obgleich ich es anhaltend und in einzelnen Fällen auf verschiedene Weise anwendete, ganz ohne günstigen Erfolg. Patu (siehe vorhergehenden sect;.) versuchte gegen den Wurm der Pferde Ein­spritzungen von Jod in die Drosselvene, jedoch ebenfalls ohne Nutzen, obgleich jedes Pferd 16—18 Injectionen in Zeit von 4 Wochen erhielt. Ich habe es auch gegen Füllenlähme, Rhachitis der Hunde, innerlich und äusserlich mit Erfolg gegeben.
Prof. Dick hält das Jod für ein vortreffliches Mittel in den meisten Fällen der Harnruhr und in der Brustwassersucht des Pferdes (The Veterinarian 1844. S. 412), und ich kann die gute Wirkung bei beiden Krankheitszuständen bestätigen.
Gegenanzeigen gegen den Gebrauch des Jods sind: active, frisch entstandene Entzündungen, Entzündungsfieber und Orgasmus des Blutes. Bei schleichenden, chronischen Entzündungen, bei jilastischen Aussehwitzungen und Verhärtungen nach Entzündungen wird aber das Jod örtlich oft sehr gut ertragen. Dies gilt jedoch nicht von Augen-ontzüudungen, und besonders'von der Mondblindheit, wo mir das Mittel zur Beförderung der Resorption ganz angezeigt zu sein schien, aber fast gar nichts leistete. Ueberliaupt erträgt das Auge nicht gut das Jod, sondern es wird selbst von kleinen Quantitäten immer sehr ge­reizt (z. B. von 2 Grau mit V? Unze Fett zur Salbe gemacht). — Bei Galleu, Piephacken, Sehuenklapp, Ueberbeinen, Drusenverhärtungen und dgl. Zuständen ist dagegen die äusserliche Anwendung oft recht nützlich; aber sie muss durch einige Zeit fortgesetzt geschehen.
sect;. 425.
Das Jod wird innerlich und äusserlich in verschiedenen Präparaten als Tinctur und als Jod-Kali angewendet. Das reine Jod wird selten benutzt, weil man es für schwächer wirkend hält als die Tinctur und das Jodkali; doch wendet man die aus ihm (1 Theil) mit Fett (12 bis 20 Thcile) bereitete Salbe als zertheilendes Mittel bei Verhärtung und Vergrösserung drüsiger Organe, namentlich des Euters, bei Verdickung der Haut, des Zellgewebes, bei Gallen, Piephacken und dgl. hyper­trophischen Bildungen mit Nutzen an, wenn die Haut massig emprind-
1 Journal prat. de med. vitir. 1827, p. 239. — Kecueil de mi':d. vet. 1829. p. 104. etc.
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lieh ist. Auch gegen Räude, besonders die Sembiotesräude an den Fiissen der Pferde hat sie sich sehr wirksam gezeigt. Zuweilen wird wenn die Salbe als Zertheilungsmittel dienen soll, Kampher, Terpen-thinöl oder auch Jodkali zugesetzt.
Die Jod-Tinctur (Ihictura Jodi) ist eine Auflösung von 1 Th. Jod in 10—12 Th. alkoholisirten quot;Weingeist, so dass 1 Unze der Tinctur 48 Gran Jod enthält. Sie w;iikt,wie das Jod, aber an den Berührungs­stellen etwas mehr reizend, bei reichlicher oder bei wiederholter An­wendung auf die Haut selbst Entzündung, Ausschwitzung und ober-tiäcliliche Schärfe erzeugend; auch färbt sie die Haut und Haare für lange Zeit braungelb'. Das Mittel wird innerlich bei denselben Zu­ständen, wie das Jod selbst empfohlen ist, gebraucht, und zwar ge­wöhnlich in etwas steigender Gabe, bei Pferden von 20—200 Tropfen, bei Schafen, Ziegen und Schweinen 5 —12 Tropfen, bei Hunden und Katzen 2—10 Tropfen, täglich ein- bis zweimal, stets mit 12—20 Th. destillirtem Wasser verdünnt, am besten ohne andere Zusätze. — Mehr als innerlich wird die Jod-Tinctur äusserlich überall da angewendet, wo das Jod gebraucht wird, wo man schleichende, besonders dyskra-tische Eutzündunsen, plastische und andere Entzündungen, krankhafte Neubildungen auflösen, zertheilen will; daher z. B. gegen Vergrösserung und Verhärtung der Lymphdrüsen bei chronischer Druse und bei Wurm, bei denselben Zuständen der Schilddrüsen (dem Kropf der Hunde), der Milchdrüsen, gegen Gallen, Piephacken, Sehnenverdickung und dgl. Auf haarlose oder feinbehaarte Theile kann man die Tinctur mit einem Federbart oder Pinsel aufstreichen, an dichthaarigen Theilcn wird sie eingerieben, zweckmässig nachdem die Haare abgeschoren sind. Die Anwendung geschieht auf zarter Haut täglich einmal, auf dicker Haut zwei- bis dreimal; gewöhnlich während 2 — 4 Tagen, bei hartnäckigen Uebeln nach einer Pause von etwa 6 — 8 Tagen wiederholt.
Eine besondere Art der äusserlichen Anwendung- ist die (nach dem Vorgange des berühmten Chirurgen Velpeau an Menschen) zu­erst von Leblanc an Hunden mit gutem Erfolge gemachte Einspritzung der Jod-Tinctur in die Balggeschwulstsäcke am Halse, und dann bei Pferden künstlich geöffneten Sehnen- und Gelenkgallen2. Die hier­nach in den französischen Thierarzneischulen3 und von vielen Prak­tikern wiederholten Versuche haben gelehrt (was man schon vorher sicher erwarten konnte), dass, wenngleich bei vielen Gallen die Ein­spritzungen der Jod-Tinctur mehr leisten als jede andere Kur, doch in manchen Fällen hierbei äusserst heftige Gelenk- und Selmenentzün-duug, Anschwellung des ganzen Schenkels, die grössten Schmerzen, Reizfieber und — zuweilen selbst der Tod herbeigeführt werden; und ferner, dass oft in den Fällen, welche günstig enden, die Kur gewöhn­lich über 14 Tage dauert und nicht selten doch eine Verdickung an
1nbsp; Eben so beim Henschen.
2nbsp; U. Leb laue. Cliniq. veter. 1844 u. f.
:! H. Bouley, Eecueil de mi'd. veter. 1847, 1849 u. s. w. Eey, Jonrn. de ed. veter. de Lyon 1847. — Liifossej Journ. des Veterin. du Midi 1849 u. f.
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den kranken Stellen zurückbleibt. Cambon1, Verrier3 und Poret3 haben in neuerer Zeit fast nur günstige Fälle mitgetheilt; dennoch be­schränken vorsichtige Thierärzte diese Injectionen nur auf die Selmen-scheidengallen. Die Anwendung geschieht, nachdem au dem niederge­legten Pferde die Galle mittelst eines dünnen Troikars geöffnet und ihr Inhalt ausgeflossen ist, mit einer kleinen Spritze. In der Eegel wird die Tinctur, je nach der Empfindlichkeit der Thiere, vorher mit 3,4 oder 2/;: oder mit gleichen Theilen Wassers verdünnt; in einzelnen Fällen bat mau sie auch rein angewendet, was aber nicht zu empfehlen ist.
Das Jodkali oder jodwasserstoffsaure Kali {Kalium jo datum s. Kali hyärojodicuni), oder Jodkalium {Jodetum Kalii, s. Jodetum kalicum). Es löst sich im Wasser und Weingeist auf, lässt sich auch mit Fett zur Salbe machen, wirkt wie das Jod, örtlich aber milder als die Tinctur. Doch können nach den Versuchen von Maillet beim Pferde 16 Grammen (reichlich 1la Unze) und bei Hunden 2 Grammen (! o Drachme) den Darmkanal heftig reizen und eine tödtliche Blutung aus demselben erzeugen4. In vielen anderen Versuchen hat sich aber diese heftige Wirkung nicht gezeigt. Man wendet das Jodkali bei den­selben Krankheiten an, wo das Jod und die Tinctur gebraucht wird, und giebt es laquo;) innerlich den grossen Hausthieren von i-U Drachme in steigender Gabe bis zu 2 Drachmen, Schafen von 6 — 20 Gran, Hunden von 1 — 5 Gran, täglich ein- bis zweimal und in der zwan­zig- bis dreissigfachen Menge Wassers (wozu nicht gerade destillirtes nöthig ist) aufgelöst. Auch kann man eine schleimige oder eine aro­matische Flüssigkeit zur Aufnahme des Jodkalium benutzen, mit an­dern Mitteln ist es aber aus chemischen und therapeutischen Gründen nicht gut zu verbinden. — b) Aeusserlich benutzt man das Jodkalium entweder 1) in Auflösung von gemeinem Wasser (20 — 30 Gran auf 1 Unze), oder 2) als Salbe, mit Fett (30 — 60 Gran mit 1 Unze des letztern) zusamraengerieben. Das Unguentum. Kali hydrojodici der Preuss. Pharmacopöe besteht aus Jodkalium 1 Drachme, kohlensaurer Magnesia 6 Gran, die mit einigen Tropfen destillirten Wassers abge­rieben und dann mit 1 Unze Schweinefett zusammengemengt werden. Sehr wirksam ist auch die Jodseife, welche man folgendermaassen bereitet: Bp. Sapon. dornest. 3 Unzen, Alcohol, vini 18 Unzen, Kali jodat. D/o Unze. Erstere wird mit Hilfe der Wärme im Alkohol ge­löst, und dann das Jodkali hiermit durch Zusammenreiben vereinigt. Sie kann bei harten Drüsengeschwülsten, Stollbeulen, Sehnenklapp, Ueberbeinen, Piejdiacken und dgl. Zuständen eingerieben werden. Wo noch mehr ein rein entzündlicher Character besteht, benutzt man besser das Jodkali in Verbindung mit der grauen Merkarialsalbe O/a—1 Drachme bis 1 Unze), wozu ich oft noch Kali carhonicum oder Sapo virid. setzt'. Sowohl die Salben, wie auch die Auflösungen wer-
1nbsp; Annal. veterin. helg. 1852, pag. 48. 1853, p. 57.
2nbsp; Eecueil de mecloe- veterin. 1857, p, 542 u. 598.
3nbsp; Daselbst 1859. p. 576.
4nbsp; Daselbst 183C, p. 520.
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den noch weit wirksamer, wenn man etwas reines Jod (1 Scrupel bis 1U Drachme zu 1 Unze) hinzufügt. Die einfache Auflösung hat sich gegen Milbenraude und gegen Flechten sehr wirksam gezeigt. — Sowohl die Salbe als auch die Auflösung des Jodkaliums werden täg­lich ein- bis zweimal angewendet.
Anmerkung. Im Allgemeinen ist noch zu bemerken: dass das Jod und seine Präparate theure Arzneimittel sind; — dass die Anwendung meistens durch einige Wochen fortgesetzt werden muss, ehe der Zweck erreicht wird; — dass man aber bei kleinen Thicreu, selbst mit massigen Gaben, nicht zu anhaltend fortfahren darf, sondern nach drei- bis viertägigem Gebrauch des Mittels wieder einen Tag dasselbe aussetzen muss, um üble Zufälle zu vermeiden; und — dass man bei änsserlicher Anwendung des Jods die Personen, welche dieselbe bewirken, auf die hierbei ent­stehende Gelbfärbung der Hände aufmerksam machen und zu deren Verhütung beim Einreiben der Jodsalbe oder der Jodtinctur ein Stück Schweinsblase oder einen alten Handschuh benutzen muss (Jodkupfer, Jod-Quecksilber, siehe Metalle). (1 Scrupel 8 Pfg.; Kali jod. 1 Drachme 3 Sgr. 4 Pfg.; Tinct. Jodi 1 Unze 4 Sgr.; Uny. Kali Jod. 1 Drachme 1 Sgr.)
5) Kohle, Carbo; und zwar: Pllanzenkohle oder Holzkohle, Garbo vegetabäü s^ ligni; und thierlsche Kohle, C'nrbo animalis.
sect;. 426.
Die verschiedenen Arten der Kohle enthalten als vorherrschenden Bestandtheil den Kohlenstoff; derselbe ist aber in ihnen niemals rein und allein vorhanden, sondern nach Verschiedenheit ihres Ursprunges, bald an thierlsche, bald an vegetabilische oder an mineralische Sub­stanzen gebunden und mit Salzen, Erden und metallischen Stoffen, auch mit Sauerstoffgas, Wasserstoffgas, Stickstoffgas und dgl. verun­reiniget. Von diesen fremden Bestandtheilen kann zwar die vegeta­bilische und die thierlsche Kohle durch Auskochen mit Wasser und darauf erfolgendes Ausglühen in einem bedeckten Schmelztiegel be­freiet und zur reinen Kohle {Carlo purus s. praeparatus) gemacht werden; aber dennoch bleibt einiger Unterschied zwischen thierischer und vegetabilischer Kohle und bei letzterer selbst zwischen der von verschiedenen Gewächsen bereiteten.
Die frisch ausgegliihete vegetabilische, und eben so die thierische Kohle besitzt zwei ausgezeichnete Eigenschaften, nämlich: 1) das Ver­mögen, in ihren Poren verschiedene Grasarten in bedeutender Menge einzusaugen und zu verdichten, und 2) verschiedene in Flüssigkeiten aufgelöste Substanzen, vorzüglich organische färbende, riechende und schmeckende Stoffe aus Flüssigkeiten auszuscheiden. — In diesen physi­kalischen Eigenschaften ist sicher der grösste Theil der Wirksamkeit der Kohle begründet, und auf ihnen beruhet auch hauptsächlich ihre Benutzung zu therapeutischen Zwecken. Doch ist es auch nicht zu ver­kennen, dass die Kohle im lebenden Tliierkörper noch auf eine andere, noch nicht genügend erklärte Weise wirken müsse, da sie nicht allein an den Stellen der unmittelbaren Berührung, z. B. an brandigen Wun­den und fauligen Geschwüren, oder im Magen- und Darmkanal, son­dern im ganzen Körper dem fauligen Zersetznngsprocesse entgegenwirkt, zugleich den Tonus der Gefässe allmälig vermehrt, diageschwächte Ver-
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flauung und Assimilation bessert, und krankhafte Absonderungen ver­mindert und ebenfalls verbessert. Innerlicb in zu grossen Gaben an­gewendet, verursacht jedoch die Kohle fast immer Störung der Ver­dauung und mehr weiche, zuweilen selbst flüssige Darmexcremente. Man schreibt dies der fast gänzlichen Unauflöslichkeit und '1er schweren Verdaulichkeit des Mittels, so wie der mechanischen Reizung der Ver­dauungseingeweide durch dasselbe zu. Doch habe ich bei meinen Ver­suchen hierüber niemals eine deutlich erkennbare Reizung, und noch weniger eine Entzündung der betroffenen Theile, weder innerlich noch äusserlich, selbst von sehr reichlicher Anwendung des Kohlenpulvcrs gesehen. — Wie und durch welche Kräfte jene Wirkungen entstehen, namentlich ob einige Theilchen des, sonst fast ganz unauflöslichen Kohlenpulvers in die Säfte übergehen (wie Oesterlen, Zeitschr. f. rat. Heilk. V. Bd. 3. Heft, will), oder, ob sich nicht vielmehr unter dem Einfluss der Körperwärme und der in den Verdauungseingeweiden vor­handenen Flüssigkeiten Kohlensäure erzeuge? und dgl. — ist bis jetzt nicht erforscht. — Durch die in der thierischen Kohle aussei- dem Kohlenstoff noch enthaltene kohlensaure und phosphorsaure Kalkerde und blausaure Salze, wird sicher eine grössore und mehrseitige Wirk­samkeit bedingt, als sie die Pflanzenkohle besitzt; und die Beobach­tungen der praktischen Aerzte und Thierärzte zeigen auch, dass die Thierkohle viel mehr den gestörten Bildungsprocess, namentlich in drüsigen Organen, günstig umstimmt und tiefer eindringt als die Pflan­zenkohle.
sect;. -127. Die Anwendung der Kohle als Medicament hat sich nützlich ge­zeigt: bei gestörter Verdauung, lymphatischen Cachexien, bei sehr stin­kender und reichlicher Jaucheabsonderung und bei fauliger Zersetzung der organischen Materie. — Innerlich habe ich das Kohlenjmlver bei beständig wechselndem, unregelmässigem Appetit, bei schlechter Ver­dauung und bei heftigen Durchfällen, wenn die Excremente aashaft stinkend waren, — bei jauchenden Lungenknoten, bei veralteter Druse und bei dem Hautwurm der Pferde, bei Scirrhus und Krebs, gegen die Finnen der Schweine, und bei Faulfieber mit Nutzen, — aber ganz vergeblich gegen den Rotz angewendet. Waldinger1 hatte früher schon den innerlichen Gebrauch der Kohle bei solchen Pferden, welche dem Anschein nach gesund sind, aber öfters in der Fresshist wechseln, sehr mager bleiben, einen aufgeschiirzten Bauch haben und nicht ge­hörig abhaaren, und bei denen man nach dem Tode, Anschwellungen der Lymphdrüsen im Netz und Gekröse findet, — desgleichen bei er­härteten Drüsen im Kehlgauge, und überhaupt in Krankheiten des Lymphsystems als nützlich empfohlen. Derselbe empfahl auch zuerst, bei dem sogenannten Strengel, bei gutartiger und verdächtiger Druse, und wo immer an Pferden ein Ausfluss aus der Nase sich zeigt, Kohlen­pulver entweder durch ein Rohr in die letztere einzublasen, oder noch besser, von den Pferden selbst einathmen zu lassen; es wird dadurch
1 lieber Nalmmgs- und Heilmitte] der Pferde. S. 290. Hkktwig, Arzneimittellehre.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 2G
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oft in kurzer Zeit der Ausfluss gebessert und vermindert, und die Zer-theilung der etwa vorhandenen Drüsenanschwellungen sehr befördert. Selbst bei dem frisch entstandenen Eotz hat man von der örtlichen Ein­wirkung des Kohlenpulvers diese günstige Wirkung und Heilung der Geschwüre erfolgen sehen'. —#9632; Gegen verjauchende Lungenknoten und gegen chronische Druse kann ich die heilsame Wirkung bestätigen. Waldinger hielt bei letzterer Krankheit das Einathmen des Kohlen­pulvers zugleich für ein Prüfungsmittel darüber, ob Heilung noch zu erwarten sei oder nicht; denn wenn nach 8—10 Tagen keine auffallend günstige Veränderung erfolgt, oder wenn auch der Ausfluss durch 1 oder 2 Tage vergeht, später jedoch wieder erscheint, so schwindet die Hoffnung zur Heilung. Die Erfahrung lehrt aber, dass solche Verän­derungen von verschiedeneu Umständen abhängig sind, und dass also diese Prüfung unsicher ist. —#9632; Dr. Garrod will gereinigte Thierkohle mit gutem Erfolge gegen vegetabilische Gifte angewendet haben, weil dieselbe das Strychnin, Morphium aus einer Auflösung der Salzsäure in gleicher Stärke wie sie im Magensaft besteht, niederschlägt. Auch Arsenik soll durch diese Kohle neutralisirt werden. Spätere Versuche haben diese Wirksamkeit nicht bestätiget.
Aeusserlich benutzt man sehr häufig das Kohlenpulver als absor-birendes und gelind erregendes Mittel bei unreinen, stark jauchenden, stinkenden Wuuden und Geschwüren, besonders bei dergleichen Wider­ristschäden, Satteldrücken, Wurmbeulen, Krebsgeschwüren, bei dem kalten Brande u. s. w.
sect;• 428.
Man giebt innerlich das Pulver der frisch ausgeglüheten Kohle für Pferde von Vä—1 Unze, für Kindvieh von 1 — 2 Unzen, für Schafe und Schweine von 1—3 Drachmen, und für Hunde von 10 Gran bis 1 Drachme, — in Zwischenzeiten von 2—4 Stunden. Die Anwendung geschieht in Pillen und Latwergen, bei Schafen auch in Lecken und bei Schweinen im Getränk. Nach Umständen setzt man der Kohle noch bittere, aromatische oder adstringireude Mittel, Schwefel, Koch­salz, narkotische und andere Mittel zu.
Um den Kohlenstaub einathmen zu lassen, schüttet man 6 bis 12 Unzen von frisch geglüheter und fein pulverisirter Kohle in einen nicht zu dichten Futtersack oder sogenannten Fressbeutel, und hängt denselben des Tages zwei- bis ch-eimal, jedesmal durch 1/2 — 1 Stunde lang so an den Koj)!' des Thieres, dass dieses sich mit der Nase und dem Maule in dem Sacke befindet und in demselben athmen muss. Obgleich das Kohlcnpulvcr schon durch den Luftstrom bei jedem Atheinzuge bewegt und der Luft mitgetheilt wird, so ist es doch gut, dasselbe von Zeit zu Zeit etwas in dem Beutel aufzulockern; auch muss es wenigstens an jedem Tage einmal erneuert werden.
Aeusserlich wird das Kohlenpulver entweder für sich allein, oder in Verbindung mit bittern, aromatischen und zusammenziehenden Mitteln,
1 Z. B. Giesker, in Veteriniir-Selskabets. Skrifter. 3 Dee!, S. 299.
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mit Kampher, Zinkvitriol, rothem Pracipitat und dgl. eingestreuet (siehe z. B. bei Eichenrinde sect;. 166).
Anmerkung 1. Alles hier über die Anwendung Gesagte gilt ziemlich gleich-massig auch von der thierischen Kohle; dieselbe wird jedoch zum innerlichen Oe-brauch bei Drüsenleiden u. s. w. für wirksamer als die vegetabilische Kohle be­trachtet.
Anmerkung 2. Die Schwammkohle oder der gebrannte Schwamm {Garbo Spougiae s. Spongia usta) unterscheidet sich von den übrigen Kohlenarten sehr wesentlich dadurch, dass sie ausser andern Bestandtheilen noch Jod in ver­schiedenen Verbindungen enthalt, und durch dasselbe auch ähnlich aber milder wirkt als das Jod selbst. Sie wurde ehemals gegen krankhafte Vergrössenmg der Schilddrüsen (gegen sogenannten wahren Kropf) angewendet, ist aber seit der Ent­deckung des Jod fast ganz ans dem Gebrauch gekommen.
Anmerkung 8. Mineralische Kohle (Curbo mineralis), zu welcher vor­züglich der Graphit oder das Reissblei (Graphites) gehört, ist in ihren Wir­kungen auf die Thiere nicht bekannt. Dieselbe scheint jedoch der Wirkung der Kohle überhaupt ähnlich zu sein. Als Heilmittel ist sie bisher wenig benutzt; man hat den fein gepulverten Graphit (1 Theil) mit Fett (4 Theile) zur Salbe gegen ver­altete Mauke empfohlen. {Carbo praeparatits 1 Unze 2 Sgr. 6 Pfg.; Carbo reyetab. subtiUss, pulv. 1 Unze 1 Sgr.)
NEUNTE KLASSE.
Säuren, saure Mittel. (Medicamenta aeida.) BegrllT, Wirkung und AiiHendung dieser Miltcl im Allgemeinen.
sect;• 429.
Als Säuren bezeichnete man sonst diejenigen Substanzen, welche sauer schmecken, blaue Pflanzensäfte roth färben, mit Alkalien und Metalloxyden Salze bilden, und zum Hauptbestandthoil den Sauerstoff enthalten. Die neuere Chemie hat jedoch den Begriff von Säure viel weiter ausgedehnt, indem sie die Verbindungen einer sogenannten säurefähigen Grundlage (z. B. des Kohlenstoffes, des Stick­stoffes, des Wasserstoffes, des Schwefels u. s. w.) mit einem elektro-negativen Stoffe (z. B. mit Sauerstoff, mit Chlor, Jod) als Säuren betrachtet und daher ausser den Sauerstoffsäuren (wie es z. B. die Schwefelsäure, Salpetersäure, Kohlensäure, Essigsäure ist) auch Wasserstoffsäuren, d. h. solche annimmt, in denen der Wasser­stoff durch Chlor, Jod u. dergl. und mehrentheils unter Zersetzung von vorhandenem Wasser gesäuert wird, wie es in der Salzsäure, Jod­wasserstoffsäure, Hydrothiousäure, Blausäure u. a. der Fall ist.
Die chemische Zusammensetzung der Säuren zeigt sich aber nicht allein in der Art ihrer Bcstandtheile, sondern auch in dem Menge-verhältniss derselben verschieden; denn 1) besitzen manche Säuren (z. B. Schwefelsäure, Salpetersäure, Salzsäure) nur eine einfache, — andere, aber (z. B. Essigsäure, Weinsteinsäure) eine mehrfache säure­fähige Grundlage, und 2) nehmen auch die Grundlagen von dem Sauerstoff, von dem Chlor u. s. w. unter verschiedenen Verhältnissen ein verschiedenes Quantum auf, so dass oft mit einer und derselben
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Grundlage mehrerlei Säuren von verschiedener Vollkommenheit ge-bildet werden, z. B. mit dem Schwefel die Schwefelsäure, schweflige Säure, Unterschwefelsäure und unterschweflige Säure.
Ausserdem wird noch eine für den Grad der Wirksamkeit wichtige Verschiedenheit der Säuren durch ihren Gehalt an Wasser (ihre Con­centration) bedingt, da sie von dieser Flüssigkeit bald nur sehr wenig oder gar nichts enthalten und somit im concentrirten Zu­stande bestehen, bald wieder durch sie in mannigfachen Verhältnissen verdünnt sein können.
sect;. 430.
Die Säuren werden thcils aus den, ihnen zum Grunde liegenden Elementarbestandtheileu künstlich zusammengesetzt, mehreutheils kom­men sie aber fertig gebildet (aber fast immer an verschiedene andere Substanzen gebunden) in den drei Eeichen der Natur vor. In letzterer Hinsicht werden sie im gewöhnlichen Sprachgebrauche nach ihrem häu­tigsten Vorkommen a) als thierlsche Säuren {Acida animalia), — b) als vegetabilische oder Pflanzensäuren {Acida vec/etabilia)', — und c) als Mincralsäuren {Acida mineralia) bezeichnet. Zu den beiden ersteren gehören fast alle Säuren mit mehrfacher, zu den Mi­neralsäuren aber diejenigen mit einfacher Grundlage. Es ist jedoch zu bemerken, dass diese Unterscheidung nicht durchaus fest begründet ist, da einige Säuren, z. B. die Phosphorsäure und die Kohlensäure, in 2 Naturreichen fast in gleicher Häuiigkeit gefunden werden.
sect;• 431. Von der grossen Anzahl der jetzt bekannten Säuren sind nur we­nige als Arzneimittel für Thiero gebräuchlich, und zwar von den Mi-aeralsäuren die Schwefelsäure, die Salpetersäure und die Salzsäure, #9632;— und von den vegetabilischen die Essigsäure (als Essig und Holzessig). — Thierische Säuren werden (mit Ausnahme der bereits bei den nar­kotischen Mitteln betrachteten und nicht hierher gehörenden Blausäure) gar nicht benutzt.
sect;. 432.
Die genannten Säuren zeigen in ihrer Wirkung auf den Thier-körper zum Theil grosso Aelmlichkeit unter einander; im Einzeln be­trachtet weichen sie aber nach den angedeuteten Verschiedenheiten ihrer Elementarbestandtheilc. und nach dem Grade der Concentration bedeutend von einander ab, und es ist deshalb noting, bei einer all­gemeinen Darstellung ihrer Wirkungen, wenigstens den gebräuchlichen Unterschied zwischen Mineralsäuren und vegetabilischen Säuren (oder vielmehr zwischen Säuren mit einfacher und mit mehrfacher Grund­lage), und die Concentration zu berücksichtigen.
A. Die Mi neralsäuren (mit Ausnahme der Kohlensäure).
1) Im concentrirten Zustande wirken sie zerstörend und ätzend auf alle Theile des Thierkörpers, so dass dieselben an den unmittelbar betroffenen Stellen zuerst etwas erweicht und dann in einen schwärz­lichen, sehr festsitzenden Schorf umgewandelt werden. — Diese Wir-
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kuug ist mit vielem Schmerz, mit Entzündung, mit starker Zusammen-schrumpfung und mit Verdichtung der Weichgebilde an dem berührten Theilc und unter denselben verbunden; — bei innerlicher Anwendung der Säuren endet sie sehr oft mit dem Tode, welcher bald nach 3U bis 60 Minuten, bald erst nach eben so viel Stunden erfolgt, je nachdem die in den Eingeweiden verursachten Störungen mehr oder minder gross sind. Bei der Section findet man schwarze, gelbe oder weisse Flecken im Maule, Schlünde, im Magen u. s. w., auch Anfressung und selbst Durchfressung des Schlundes und des Magens, schwarze Färbung und zähe Consisteuz des Blutes, und die Empfindlichkeit für den Gal-vanismus ist ganz vernichtet.
In die Blutadern injicirt verursachen die concentrirten Mineral­säuren augenblicklich schwarze Färbung, feste Gerinnung und Un-beweglichkeit des Blutes, zunächst in dem betreffenden Blutgefäss, oft aber auch bis zum Herzen, worauf der Tod schnell erfolgt, in den meisten Fällen ehe noch Entzündung sich bilden kann.
Die nach äusserlicher Anwendung dieser Säuren entstandene Entzündung geht langsamer als nach andern Ursachen in Eiterung über, und der Eiter selbst ist dünn, oft mehr jauchig, und die nach­folgende Granulation gewöhnlich etwas trag.
sect;. 433. 2) Im gehörig verdünnten Zustande und in massig grosser Gabe innerlich angewendet wirken die Mineralsäuren zuerst wirklich küh­lend, so dass eine Verminderung der Temperatur an der ausgeathmeten Luft und an der Haut (zuweilen bis um 3 Grad R.) zu bemerken ist; gleichzeitig mindern sie den Durst (besonders den krankhaften bei be­stehenden Fiebern, erregen eine vermehrte Absonderung von Schleim und Serum im Maule, im Schlünde, im Magen- und Darmkanal, und befördern somit das längere Feuchtbleiben dieser Organe; dabei ver­ursachen sie aber auch eine stärkere Zusammenziehuns: und grössere Spannung der Fasern in den unmittelbar berührten Thcilen, daher vermehrte wurmförmige Bewegung im Darmkanal und etwas lebhaftere Verdauung; aber der Puls wird kleiner, härter und etwas langsamer, der Herzschlag -weniger stark fühlbar; das aus der Ader gelassene Blut erseheint etwas dunkler1, mehr gerinnbar und etwas weniger warm, die Schleimhaut in der Nase und im Maule blässer, die Ausdünstung der Haut (und anscheinend auch die der Lunge) vermindert, aber die Urin-secretion zuweilen für eine kurze Zeit vermehrt. — Im Urin finden sich nicht selten deutliche Spuren von den eingegebenen Säuron, thcils frei, theils an Basen gebunden als Salze. — Nachdem die bezeichneten Er­scheinungen durch einige Zeit, bald mehr bald weniger detitlich be-
1 Die von Schriftstellern luiufijr ausgesprochene Behauptung: „dass die Säuren das 15Iut heller rothen,quot; — habe ich bei sehr zahlreichen Versuchen nur allein von der Salpetersäure und von der lilausäure bestätiget gesehen, besonders wenn ich dieselbe als Gas einathmen liess; alle übrige Säuren machen das Blut bei jeder Art der Anwendung dunkler, was auch geschiehet. wenn man dasselbe ausserhalb des Thierkorpers mit Säuren in irgend einem Verhältniss zusammen bringt.
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merkbar, gedauert haben, wird der Puls wieder voll, die Temperatur erhöhet, und die Rothung der Schleimhaut wieder lebhaft, ja zuweilen noch dunkler als im normalen Zustande.
Werden die verdünnten Mineralsäuren anhaltend durch längere Zeit eingegeben, so wird auch die arterielle Thätigkeit immer mehr vermindert; die Arterien erscheinen anhaltend zusammengezogen und klein, die Temperatur wechselnd, die Färbung der Schleimhaut blass, der Appetit und die Verdauung unregelmässig und geschwächt, und das Blut wird immer dunkler; es entsteht allgemeine Schwäche, be­deutende Abmagerung, schlechte Mischung der Säfte mit vorwaltender Säure im Chylus, im Magensaft und im Urin (bei Schwefelsäure bilden sich mehr schwefelsaure Salze), bei Milchkühen auch in der Milch. Zuletzt entsteht nicht selten ein heftiger Durchfall und der Tod erfolgt durch Entkräftung. — Bei der Section findet man die Muskeln und das Herz sehr blass, den Magen- und Darmkanal sehr zusammen­gezogen, die Häute dieser Organe verdickt, das Blut in geringer Menge vorhanden, schwarz, und von dickflüssiger Consistenz, die Keizbarkeit ganz erloschen.
Uebermässig grosse Gaben der verdünnten Mineralsäuren ver­ursachen Störung des Appetites und der Verdauung, oft Durchfall, Schmerz und Krampf in den Verdauungseingeweiden, zuweilen auch Entzündung derselben, Störung der Respiration, und zuweilen den Tod.
Nach Einspritzungen massiger Gaben von verdünnten Mineral­säuren in die Blutadern, entsteht kleiner, harter, zuweilen auch etwas langsamerer Puls, etwas schnelleres Athmen, matter, ängstlicher Blick, Mattigkeit, Unruhe, Trippeln mit den Füssen, Umsehen nach dem Leibe, blasse Färbung der Schleimhaut, Zittern, Verminderung der Wärme. Nach 15 bis 20 Minuten wird das Athemholen tiefer und langsamer, die Schleimhaut dunkler geröthet und die Wärme wieder zum normalen Grade erhöhet.
Alle diese Wirkungen bestehen bei den verschiedenen Hausthiercn ziemlich gleichartig, dem Grade nach aber bei den Pferden am heftig­sten, und es scheint, dass die Verdauungseingeweide dieser Thiere be­sonders für grosse Gaben der Säuren sehr empfindlich seien.
Aetissorlich angewendet wirken die verdünnten Mineralsäuren fast rein örtlich, kühlend, zusammenziehend, das Zellgewebe verdichtend, die Gefässe verengend, daher und zum Theil auch durch Gerinnung des Blutes blutstillend, die Absonderungen vermindernd und die Re­sorption befördernd.
sect;• 434.
B. Die vegetabilischen Säuren im concentrirten Zustande be­wirken keine schnelle und tiefe Zerstörung, sondern blos eine Zu­sammenschrumpfung und Reizung der betroffenen Weichgebildc, so dass nur zuweilen eine oberflächliche Entzündung und darauf folgende Abschilferung der Oberhaut oder des Epitheliums entsteht. Bei Ein­spritzungen in die Venen wirken sie in diesem Zustande auf das Blut fast ganz so wie die concentrirten Mineralsäuren.
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Im verdünnten Zustande innerlich eingegeben, wirken sie primär noch mehr als die letztern kühlend und den Durst mindernd, wobei der Puls weicher, schwächer und kleiner, das Athmen langsamer, die Schleimhaut mehr blass wird. Diese Erscheinungen sind von kleinen Gaben nur im geringen Grade wahrnehmbar, von ganz kurzer Dauer, und ohne weitere Folgen; von grossen Gaben bemerkt man aber, dass nach einiger Zeit das Athmen etwas schneller und angestrengter, die ausgeathmete Luft und die Haut etwas wärmer wird, so dass zuweilen selbst Schweiss eintritt; oft folgt auch vermehrtes Uriniren. — Das Blut wird verhältnissmassig noch dunkler, aber viel weniger consistent als von den Mineralsäuren. In den abgesonderten Säften, und na­mentlich im Urin, finden sich nur selten deutlich erkennbare Spuren von den angewendeten vegetabilischen Säuren, dagegen aber ein grös-serer Eeichthum an Kohlensäure. Das Letztere giebt einen ziemlich sichern Beweis, dass sie dem Verdauungs- und Assimilationsprocesse unterworfen sind, und hierbei umgewandelt werden.
Uebermässig grosse Gaben wirken auf die Verdauungswerkzeuge fast ganz so nachtheilig, wie zu grosse Gaben der Mineralsäuren, und eben so sind die Wirkungen bei zu lange fortgesetztem Gebrauche denen der letztern sehr ähnlich, aber mit weit schnellerem Eintreten und üeberhandnehmen der allgemeinen Schwäche und der schlechten Mischung der Säfte verbunden.
Aeusserlich, und überhaupt örtlich wirken die vegetabilischen Säuren mehr kühlend, aber weniger zusammenziehend und weniger die betreffenden Theile verdichtend als die mineralischen; sie regen daher weniger auf, schwächen aber die Irritabilität mehr, als die letzteren es thun.
sect;. 435.
Der generelle Unterschied zwischen den Wirkungen der Pflanzen-und Mineralsäuren besteht, den angegebenen Erscheinungen zufolge, hauptsächlich darin: dass die erstem milder und örtlich weniger ein­greifend sind; — dass sie die Contraction und die Spannung der Weich­gebilde an der Berührungsstelle nur wenig, durch allgemeine Wirkung aber fast gar nicht vermehren (was aber die Mineralsäurcn bei massi­gem Gebrauche thun), sondern im Gegentheil den Tonus und die Lri-tabilität der Muskeln und Gefässe sehr vermindern, und somit wirklich schwächend wirken; — dass sie verdauet und assimilirt werden, aber die Mineralsäurcn (mit Ausnahme der Salpetersäure) nicht; — dass sie das Blut mehr als die letzteren es thun, carbonisiren, aber weniger ver­dichten, — und dass sie durch alle diese Einwirkungen beim anhalten­den Gebrauche die Entmischung der Säfte schneller herbeiführen, als es die Mineralsäuren thun.
sect;. 436.
In ihren Wirkungen zeigen die Säuren einige Aehnlichkeit mit denen der adstringirenden Mittel, der Kälte und der Neutralsalze. Den ersteren scheinen sie in der zusammenziehenden und fäulnisswidrigen Wirkung verwandt zu sein; allein sie unterscheiden sich von einander
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darin, dass die adstrmg'iruudcii Mittel hauptsächlich und zuerst die Cou-tractilität und den Tonus der organischen Gebilde vermehren, die letz­tern verdichten, erst durch den Verdauungsprocess und verändert in die Säfte übergehen, deren Misclumg verbessern und das Blut heller röthen (sect;. 157, 158j; dass dagegen die Säuren vorherrschend auf das Blut wirken, dessen Geriunung befördern, dabei kühlen, und bei län-gerer Anwendung' zoletüt allgemeine Schwäche und Verderbniss der Säfte verursachen. — Die Kälte wirkt nur von aussen her durch Ent­ziehung der Körperwärme kühlend, zusammenzieliend, die Thätig-keit der Arterien beschränkend, zeigt aber wenig oder gar keinen Einfluss auf die Mischung des Blutes, während die Säuren diese Wirkungen von innen her, durch vermehrte Gerinnbarkeit und durch Verminderung der Expansion des Blutes erzeugen. — Die Neutralsalze sind nur in der kühlenden Wirkung, die einige von ihnen besitzen, den Säuren ähnlich, aber wieder darin von diesen abweichend, dass sie das Blut heller röthen, dasselbe nicht verdicken, sondern dünutiüssiger machen, überhaupt die Plasticität der Säfte mindern:, und dass ihre Wirkung vorherrschend auf die Arterien, bei den Säuren aber mehr auf die Venen gerichtet ist.
sect;• 437.
Die Anwendung der Säuren muss sich nach der, durch ihre Art und Concentration oder Stärke bedingten Verschiedenheit der Wir­kungen richten, und es lassen sich daher nur in Beziehung auf diese generellen Unterschiede allgemeine Indicationen angeben.
A. Die Mineralsäuren, und zwar:
1)nbsp; nbsp;im concentrirten Zustande können nur äusserlich zur Erregung einer heftigen Entzündung und Ausschwitzung, oder zur Zerstörung von Krankheitsgiften in Wunden und Geschwüren, und eben so zur Zerstörung krankhafter, wuchernder, sehr lockerer Gebilde, z. B. der zu üppigen Granulation in Geschwüren, der Polypen, Warzen, der Balggeschwülstn, Stollbeulcn und dgl., oder auch um eine Zusammen-schrumpfong sehr erschlaffter, ausgedehnter Theile zu bewirken, z. B. bei Nabel- und Flankenbrüchen angewendet werden; sie wirken hier, besonders bei den PseudoOrganisationen { nicht allein durch unmittel­bare Zerstörung nützlich, sondern auch durch eine eigenthümliche Um-stimmung der Bildungsthätigkeit in diesen Erzeugnissen, indem sie dieselbe allmälig so sehr vermindern oder selbst vernichten, dass das abnorme Gebilde zusammenschrumpft, abstirbt, und sicli von der um­gebenden gesunden Masse leicht trennen lässt. Bei blosscr üppiger Granulation verdienen jedoch die trockenen Aetzmittel den Vorzug vor den Säuren, weil letztere nicht gut zu handhaben sind, und weil sie sich leicht über die Grenze der Anwendung verbreiten. — Vegetabi­lische Säuren im concentrirten Zustande werden als Heilmittel nicht benutzt.
2)nbsp; Für die verdünnten Mineralsäuren kann man als allgemeine Anzeige zur innerlichen Anwendung betrachten: jeden putriden oder solchen Krankheitszustand, der mit vermehrter Ex­pansion des Blutes, mit Neigung zur Verflüssigung, mit
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Entmischung und fauliger Zersetzung- der organischen Ma­terie, mit übormässigen (prof'usen) Ab- und Aussonderungen, und gleichzeitig mit Atonie und Erschlaffung der festen Theile verbunden ist. Sie sind unter solchen Umstünden bei ästhe-nischen Fiebern (besonders in Eaul- und Nervenfiebern), bei Orgasmus des Blutes, bei Anthrax, bei venösen und passiven Congestionen, bei Blutflüssen, daher besonders auch bei dem Blutharnen, bei Gastricismus, und bei Dyskrasien und Cachexien nützlich, — und zwar um so mehr, je mehr diese Kranklieitszustände in vorwaltender Alkalescenz der Öäftemasse begründet sind.
Aeusserlich können sie bei ähnlichen krankhaften Verhältnissen, so wie bei heftigen Quetschungen, Zerrungen (Ausdehnungen), Brü­chen, Gallen, Blutungen, Extravasaten, asthenischen Entzündungen, und dgl. mit Nutzen angewendet werden.
Ausserdem werden die concentrirten oder die mit 5 —10 Theilen Wasser verdünnten Mineralsäuren als desinficirende Mittel bei und nach ansteckenden Krankheiten, zum Bestreichen des Holzwerkes, der Wände u. s. w. in den inficirten Ställen mit Nutzen gebraucht.
B. Die vegetabilischen Säuren sind im Allgemeinen bei denjenigen Krankheiten angezeigt, wo zwar ebenfalls die Expansion des Blutes, zugleich aber die Thätigkeit der Arterien vermehrt, der Puls voll und häufig, die Venen aufgetrieben, der Durst und die Hitze gross, die äusscre Haut und die Schleimhaut im Maule trocken, überhaupt die Absonderungen vermindert, das Blut dickflüssig, zähe, aber keine schon weit gediehene Entmischungen der Säfte zugegen sind.
Sie dienen daher bei und nach Entzünduugsfieberii, bei acuten Exanthemen, bei Faul- und Nervenfiebern mit entzündlichem, oder erethischem Character, bei Anthraxkrankheiten mit demselben Charac­ter, bei activen Congestionen, namentlich wenn dieselben zu dem Gehirn oder Rückenmark erfolgen, daher auch bei dem Koller mit Käserei, und bei narkotischen Vergiftungen und dgl. Aeusserlich sind sie theils bei denselben Krankheiten, vorzüglich aber bei Ausdehnung, Quetschung, Reizung und Entzündung, wenn üeberfüllung der Blutge-fasse, Ergiessung und Stockung zugegen sind, nützliche Heilmittel.
sect;. 438. Die Kranklieitszustände, bei denen die Anwendung der Säuren schädlich ist, sind noch nicht völlig genügend ermittelt; indessen lehrt doch die Erfahrung, dass diese Mittel bei sehr geschwächter Verdauung, bei grosser Empfindlichkeit und Reizbarkeit der Verdauungseingeweide, bei Verhärtungen innerer Organe, besonders in der Bauchhöhle, bei sehr hohen Graden synochöser Entzündungskrankheiten, besonders der Respiratiousorgane und zur Zeit der Krisis, — eben so bei chronischen, mit Husten verbundenen Krankheiten, der Respirationsorgane, mehr schaden als nützen.
sect;• ^39. Die Art der Anwendung der Säuren ist verschieden. 1) Bei den concentrirten Mineralsäuren geschieht sie am besten durch Aufstreichen
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mit einem Pinsel (am besten von Asbest), oder mit einem Glas- oder Holzstäbchen, weil man so die Grosse der Stelle, welche berührt wer­den soll, und die Menge der Säure, welche zu dem oberflächlichen oder tiefen Einwirken noting ist, noch am sichersten abmessen kann. Doch muss man stets darauf sehen, dass die angewendete Säure sich nicht auf gesunde Theile verbreite. Das Aufstreichen darf deshalb nur in einer dünnen Schicht geschehen., so dass sich nirgends Tropfen bilden; ausserdem schützt man die umliegenden Theile durch Bestreichen mit Fett oder mit Wachssalbe und lässt die Thiere festhalten, bis die Säure eingetrocknet ist.
2) Die verdünnten Säuren können iilnerlich in flüssiger Form (als Einguss oder im Getränk)1 und in Latwergen, äusserlich ebenfalls in flüssiger Form (als Clystir, als Einspritzung, als Waschmittel) oder als Zusatz zu Breiumschlägen, oder auch in Gas- oder Dampfgestalt an­gewendet werden. — Die Verdünnung muss immer in dem Grade ge­schehen, dass die Flüssigkeit angenehm sauer schmeckt und keine zu starke Zusammenschrumpfung der Haut erzeugt. Man benutzt sie ent­weder für sich allein, oder nach Bedürfniss der Umstände mit schlei­migen, bittern, aromatischen, adstringirenden und Spirituosen Mitteln in Verbindung, und zuweilen setzt man ihnen selbst metallische Stoffe zu (z. B. bei der eisenhaltigen Salzsäure); mit den letztern muss man aber sehr vorsichtig sein und ihre chemischen Eigenthümlichkeiten kennen. Reine Kalien und Erden, Schwefelkalien, kohlensaure Salze und Blausäure soll man aus Gründen der Chemie nicht mit Säuren verbinden, wenn nicht etwa ein besonderer Zweck dadurch erreicht werden soll.
Zum äusserlichen Gebrauch benutzt man die verdünnten Säuren entweder für sich allein, oder mit aromatischen Infusionen, mit adstrin­girenden Decocten, mit Weingeist, mit Kochsalz, Salmiak und dgl, Mitteln versetzt.
1) SchweCelsäure, yUnoW, Acidimt sulphuricttm s. Oletm vitrioli. sect;. 440.
Sie ist eine innige Verbindung des Schwefels mit dem Sauerstoff und wird auf verschiedene Weise gewonnen.
Die rohe Schwefelsäure {Add. sulphuric, crudum) enthält oft fremdartige Bestandtheile und ist von ungleicher Stärke, weshalb zum medicinischen Gebrauch die destillirte oder gereinigte Schwefel­säure (Acid, sulphuric, destillatum s. rectificatum) vorzüglicher ist. Letz­tere enthält 81 Proc. wasserfreie Säure.
In den Apotheken hält man vorschriftsmässig noch eine verdünnte Schwefelsäure (1 Theil mit 5 Theilen destillirten Wassers) Acid, sul­phuric, dilatum.
Im concentrirten Zustande wirkt diese Säure, wie es von den
1 Nur wenige Thiere saufen etwas stark gesäuertes Getränk von selbst, und ist dalier in der Regel nöthig, ihnen die bestimmte Menge Säure einzuschütten'.
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Mineralsäuren im Allgemeinen angegeben (sect;. 432), die thierischen Ge­bilde ätzend, zerstörend, wobei dieselben zuerst gelb, dann roth, braun, und zuletzt scharf gefärbt werden, je mehr sie aber mit destillirtem Wasser verdünnt ist, um desto mehr vermindert sich auch ihre ätzende Kraft, und bei hundertfältiger Verdünnung verschwindet dieselbe gänz­lich. In diesem verdünnten Zustande entwickelt sie die allgemeinen Wirkungen der Mineralsäuren (sect;. 433) am reinsten, und auf alle Theile am gleichmässigsten, und wird auch von den Verdauungseiugeweiden ziemlich gut ertragen; sie wirkt mehr zusammenziehend und anhalten­der als die Salzsäure, besitzt aber nicht die erregende Wirkung der erstem auf das Nervensystem und die der letztern auf die Blut- und Lymphgefässe.
sect;• 441.
Für die Anwendung der Schwefelsäure gelten die im sect;. 437 sub 1 und 2 für die Mineralsäuren im Allgemeinen angedeuteten Indicationen.
Die concentrirte Säure benutzt man bei bösartigen, fressenden, mit sehr üppiger Granulation versehenen oder einen Ansteckungsstoff erzeugenden Geschwüren, z. B. bei dem spanischen Klauenweh der Schafe, bei dem Strahlkrebs der Pferde (wo ich selbst ihre gute Wir­kung erfahren habe), auch bei Eeigwarzen, Warzen, Polypen und bei Gallen. Bei letztern kann man, wie beim Brennen derselben. Striche oder Punkte appliciren. . Die Anwendung hierbei geschieht entweder auf die im sect;. 439 bezeichnete Weise ein- oder mehrmal, in Zwischen­zeiten von 12 Stunden bis zu 3 Tagen, so lange bis ein fester Schorf gebildet ist oder bis nach dem Abfalle des Schorfes gute Granulation sich zeigt; —#9632; bei dem hartnäckigen epizootischen Klauenweh der Schafe wendet man die Säure (^g Unze) mit Terpenthinöl1 (2 Unzen) und starkem Branntwein (12 Unzen) gemengt, zum Einpinseln in die Geschwüre, täglich zweimal an. — Als ein kräftiges und schnell wir­kendes Ableitungsmittel bei der Bräune der Schweine hat man sie (3 Theile) mit Baumöl oder einem andern fetten Oel (4 Theile j ge­mengt, mittelst einer Bürste auf den Hals von einem Ohr bis zum an­dern aufgestrichen, in vielen gefahrdrohenden Fällen mit Nutzen ge­braucht. — Bei Nabelbrüchen an Füllen, Kälbern und andern Thieren hat man sie auf die Weise gebraucht, dass man in den ersten 2 bis 4 Tagen des Morgens und des Abends, dann aber in den nächsten 2 Tagen nur einmal täglich die vorher von den Haaren befreite äus-sere Fläche der ganzen Bruchgeschwulst damit bestreicht, bis eine ganz harte Kruste entstanden ist, den fünften Tag oder später diese Fläche mit einem Gemenge von Leinöl (2 Unzen) und Terpenthinöl ('^ bis 1 Unze) einreibt und dies, nach geschehener lieinigung mit lauwarmem
1 Worm Misehuiifrcti der concentrirten Schwefelsäure mit Terpenthinöl dureli plötzliches Zusiunmengiessen gemacht werden, erfolgt eine Erhitzung der Flüssig­keit his zum Brennen in heller Flamme. Man darf deshalh nur mit der gröbsten Vorsicht hei der Mischung zu Werke gehen und muss bei dem obigen Mittel zuerst die Säure mit dem Weingeist mengen.
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Wasser, täglich einmal, bis zum zehnten oder zwölften Tage wieder­holt. Die Heilung- des Braches erfolgt mit 16 — 20 Tagen ganz voll­ständig1. Gegen alte Stollbeulen, wenn sie in schwammigen (aber nicht in speckartigcn oder knorpeligen, verhärteten) Massen bestanden, hat sich dasselbe Verfahren als wirksam erwiesen, aber noch kräftiger und fast speciiisch wirksam gegen solche Stollboulen und verhärtete Brustbeulen ist folgendes Gemenge : man mengt Aetz-Sublimat 1 Dreh., pulverisirte Canthariden und Euphorbiumharz von jedem 2 Drachmen, in ein irdenes Gefäss, welches etwa den zehnfachen Kaum dazu hat. zusammen und giesst dann rauchende Salpetersäure 3 Drachmen, con-centrirte Schwefelsäure 6 Drachmen, welche beide zusammengemischt sind, tropfenweis zu den Pulvern, rührt das Ganze gut und streicht es mit einem Span auf die Beule, und wo es mit demselben gelind einge­rieben wird-. Vor der Anwendung müssen die benachbarten Theile mit Fett bestrichen, und die Thiere müssen am Lecken verhindert wer­den. Das Mittel wird auf der Haut binnen 1—2 Stunden ganz trocken. Es bildet sich hiernach nur geringe Ausschwitzung, ein trockener Haut-schorf, der sich vom Bande her nach 0—8 Tagen, bei fernerer schwacher Ausschwitzung zu lösen beginnt und allmälig ganz absondert. Bei recht grossen und hartnäckigen Beulen ist zuweilen eine Wiederholung nöthig; doch darf man sich hiermit nicht übereilen und sie, selbst bei anschei­nend schwacher Wirkung der ersten Application, vor 14 Tagen nicht unternehmen. Die Thiere können dabei fortwährend, und selbst schon einige Stunden nach der Anwendung des Mittels, arbeiten. Die Ver­kleinerung der Geschwulst erfolgt durch liesorption ganz allmälig, und es scheint, dass nach länger als 4 Wochen die Wirkung des Mittels noch fortdauert.
Die verdünnte Schwefelsäure ist im Faulfieber, im Nervenfieber, im Typhus, in den verschiedenen Formen des Milzbrandes bei allen Arten der Hausthiere, angeblich in der Lungenseuche des Rindviehes und anderen Krankheiten, wenn sie den im sect;. 437 sub 2 angedeuteter. Character an sich trugen, innerlich mit Nutzen angewendet worden. In neuerer Zeit hat v. Ehrenfels sie als Prophylacticum und als Heil­mittel gegen die Kinderpest empfohlen. Sie war bereits vor 70 bis 80 Jahren, und späterhin von Mitchel, Reich, Walz, Sauteru. A. hierbei nach theoretisch-chemischen Ansichten empfohlen und gebraucht worden, hat sich aber nicht bewährt.
Acusserlich ist die verdünnte Schwefelsäure als adstringirendes Mittel bei Erschlaffung und Ausdehnung der Weichgebilde, z. B. bei kleinen Brüchen, bei Gallen, auch als Blutstillungsmittel, ganz beson­ders aber als wohlfeiles Heilmittel der Baude, mit gutem Erfolge ge­braucht. Für letzteren Zweck sehr gut in einem Tabacksdecoct, '/j bis
1nbsp; In neuerer Zeit (1848) bat üayot zur Heilung der Brüche die Salpetersäure empfohlen.
2nbsp; Bei dem Znsammenrühren der Säuren mit den Pulvern erhitzt sieli die Masse. brauset stark auf und tritt aus kleinen Gefassen leicht ans denselben heraus; und es entweicht sfasförmig Chlor und salpetrige Säure. Das Gemenge ist chemisch un­passend, aber praktisch bewahrt.
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1 Unze concentrirte Säure (je nach der Empfindlichkeit der Haut) zu 1 Pfd. Decoct, täglich ein- bis zweimal durch 3 — 4 Tage angewendet.
sect;. 442.
Zum innerlichen Gehrauch giebt man von der concentrirten Schwe­felsäure für Pferde '^—1 Drachme, für Hinder 1 Drachme bis l/2 Unze, für Schafe, Ziegen und Schweine 1 Scrupel bis 1 Drachme, für Hunde 5 —12 Gran für eine Gabe, stets mit der nöthigen Menge Was­sers verdünnt, so dass die Flüssigkeit erträglich sauer schmeckt. Hier­zu ist gewöhnlich für 1 Drachme der Säure 1 Pfd. Wasser, und zuweilen noch etwas mehr, noting. Eine gehörige Verdünnung muss auch dann geschehen, wenn man die Säure in Latwergen anwendet. Letzteres ist aber wenig zweckmässig, weil man zur Bindung und Einhüllung der grossen Menge Flüssigkeit eine grösscre Quantität trockener Substanzen bedarf, als für eine Gabe passend ist. Die Wiederholung der Gaben richtet sich nach der Art und dem Grade der Krankheit und kann in Zwischenzeiten von 1 Stunde (namentlich so bei dem Milzbrände), bis zu 4 Stunden geschehen.
Bei grosser Empfindlichkeit des Darmkanals setzt man der verdünn­ten Säure etwas Mehl, Stärkemehl oder Altheewurzelpulver, Althee-oder Leinsamenschlcim zu; bei Neigung zu Durchfall giebt man sie mit bitteren oder aromatischen Mitteln, bei grosser Schwäche und bei Ner­venzufällen ebenfalls mit aromatischen Mitteln, mit Weingeist und an­dern erregenden Mitteln versetzt.
Anmerkung 1. Die Haller'sche saure Mixtur oder das saure Elixir ilfh'.tura sulphurico-aeida, Luptor aeidns llallcri, Elixir ucidttvi llalleri) bestand itrsprünglich aus gleichen Theilen concentrirter Schwefelsäure und rectificirtem Weingeist, wird aber nach der neuesten Preuss. Pharmacopiie aus 1 Theil Säure mit 3 Theilen höchst rectifieirten Weingeistes bereitet. — Eine ähnliche Mischung von 1 Theil Säure mit 5 Th. Weingeistes ist unter dem Namen Kabels Wasser {Aqua Hahdli) bekannt. Diese Flüssigkeiten enthalten den Weingeist und die Schwe­felsäure theils im unveränderten Zustande, theils ätherartig umgewandelt; sie sind einigermaassen dem Schwefeläthergeist ühnlieh, flüchtig erregend, zugleich aber stark zusammenziehend, und zwar letzteres um so mehr, je mehr sie Säure ent­halten. Sie können daher innerlich bei denselben Krankheiten, wlt;/die Schwefel­säure passend ist. angewendet werden, besonders wenn die Empfindlichkeit und Reizbarkeit sehr vermindert ist, wie z. li. Milzbrand. Kreisthierarzt Lehnhardt in Wittenberg gab das Elixir llalleri bei dem nervösen Kalbetieber. wo. die Kuh schon ganz erschöpft 3G Stunden flach auf der Seite gelegen hatte, mit so günstigem Erfolge, dass sich das Thier nach 10 Stunden wieder auf die Brust legen und noch etwas später wieder aufstehen konnte. Die Gabe ist von der nach der Preuss. Phar-macopSe bereiteten sauren Mixtur für Pferde und Rindvieh 2 Drachmen bis 1 Unze, für Schafe und Sehweine 1 — 3 Drachmen, für Hunde 10 Gran bis '/a Drachme mit Wasser bis zum erträglich sauren Geschmack verdünnt, und in Zwi­schenzeiten von 1—4 Stunden. Mau kann bittere und aromatische Mittel damit ver­binden. — Aeusserlich wurden diese sauren Mischungen, namentlich das RabeTsche Wasser als blutstillende Mittel, und bei Gelenkwunden um die Synovia zum Ge­rinnen zu bringen und ihren Ausfluss zu hemmen, ausserdem auch bei Gallen- und Sehnenklapp, und im verdünnten Zustande als austrocknendes und heilendes Mittel bei Flechten u. s. w. benutzt, sind aber jetzt kaum noch gebräuchlich.
Anmerkung 2. Die saure Wundmisch nug, oder Theden's Schuss­wasser, Th eden'sche Arquebusade (Mixtura vvlncraria aeida, Aqna vnlnc-raria Thedenü) wird nach der Preuss. Pharmacopös aus rohem Essig (3 Pfd.), reeti-
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ficirtem Weingeist (l'/a Pfd.), verdünnter Schwefelsaure (6 Unzen) und abgeschäum­tem Honig (l Pfd.) zusammengesetzt; sie wirkt zusammenziehend, reizend, daher die Resorption befördernd, zertheilend, blutstillend, und wurde äusserlich bei Quetschun­gen, Quetsch- und Schusswunden, bei Blutunterlaufungen, Blutungen und ähnlichen krankhaften Zuständen, ehemals mehr als jetzt, angewendet. Ich habe es bei frischen Quetschungen, namentlich bei dgl. Sehnenklapp, Piephacken, Stollbeulen, Druck­schäden, Verstauchungen, auch bei Gallen, sehr wirksam gefunden, indem ich es mit 2 — 3 Theilen Wassers verdünnt, täglich sechs- bis achtmal anwendete {Acid. aulphurio. crud. 1 Unze 8 Ffg.: rectificat. 1 Unze 2 Sgr.; dilnt. 1 Unze 8 Pfg.; Mirt. svlph. acid. 1 Unze 1 Sgr. 8 Pfg.; Sfüstur. vulnemr. acida 1 Unze 10 Pfg-)
2) Salpelersunre, Acidum nitricum ; saurer Salpelergeisf, Azotsäure, Scheidewasser,
Spiritus nitriacidns, auch wohl: Aqua fortis. Acidum zooiicum.
sect;• 443.
Es giebt in den Apotheken eine rohe und eine gereinigte Sal­petersäure. Letztere enthält nach der Preuss. Pharmacopöe 27 bis 28 Proc. wasserfreie Säure. Sie besteht aus Sauerstoff und Stickstoff, und enthält zugleich nach dem Grade ihrer Concentration mehr oder weniger Wasser. Der Sauerstoff ist der überwiegende Bestandtheil (beinahe 74 Proc.) und nur sehr locker mit dem Stickstoff verbunden, so dass er sich leicht von demselben trennt, worauf beide Bestandtheile mit anderen Stoffen Verbindungen eingehen. Die Salpetersäure ist daher leichter zersetzbar als die übrigen Mincralsänren; sie zersetzt aber auch andere, namentlich alle thierische Stoffe sehr leicht, und färbt bei gelinder Einwirkung die letzteren gelb, bei stärkerer Einwir­kung aber wandelt sie dieselben theils in eine weiche, breiige Masse, theils in einen Schorf um. Ihre Wirkungen im concentrirten Zustande; sind also mit denen der concentrirten Mineralsäuren überhaupt (sect;. 432) übereinstimmend.
Im verdünnten Zustande besitzt die Salpetersäure zwar zum Theil die, von den verdünnten Mineralsäuren im Allgemeinen angegebenen Wirkungen; sie zeichnet sich jedoch dadurch aus: a) dass sie örtlich viel stärker reizt als jede andere, mit einer gleichen Menge Wassers verdünnte Säure, und dass sie daher auch noch in einer solchen Ver­dünnung, in welcher andere Säuren ganz ohne Xachtheil ertragen wer­den, bei innerlicher Anwendung leicht zu heftige, schmerzhafte Irri­tation der Verdauungseingeweide, selbst Magen- und Darmentzündung erzeugen kann; — b) dass sie; weniger adstringirend, und noch weit weniger kühlend und durststillend als die Schwefelsäure und weniger speeifisch erregend auf die Gangliennerven wirkt, als die Salzsäure; dass sie aber c) in der ersten Zeit die Thätigkeit der Blutgefässe, der Lymphgefässe und fast aller drüsigen Organe vermehrt, und d) dass sie beim anhaltenden Gebrauehe schneller und stärker als die übrigen Säuren eine saure Beschaffenheit der Säfte (?), grosse Schwäche, Ab­magerung und die im Allgemeinen (sect;. 432) bezeichnete Uebelsäftigkeit erzeugt.
Diese Eigenthümlichkeiten der Salpetersäure werden höchst wahr­scheinlich durch deren reichlichen Gehalt an Sauerstoff, durch ihre
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leichte Zersetzbarkeit, durch dei; Uebergang des Sauerstoffes in die Säfte und durch die Assimilation des Stickstoffes bedingt.
sect;. 444.
Die concentrirte Salpetersäure kann äusserlich als ein sehr kräf­tiges Aetzmittel zur Zerstörung wuchernder Fleischauswüchse, eben so bei Warzen, bei unreinen, callösen Geschwüren, bei Bisswunden von wuthkranken Thieren und dgl. (sect;. 487) angewendet werden. Morel de Vinde und von Ehrenfels haben sie (nach gehörigem Beschnei­den der kranken Klaue) als das vorzüglichste Mittel gegen das bös­artige Klauenweh der Merinoschafe sehr empfohlen. Letzterer wendete zuerst diese Säure und gleich darauf das Hirschhornöl auf die Klauen­geschwüre an (S. 227). Dayot hat1 sie gegen Nabelbrüche als ein Specificum empfohlen, und zwar so, dass man die rohe Salpetersäure mittelst einer kleinen Kugel von Baumwolle, in einer Pincette gehal­ten, auf die von Ilaaren befreite Bruchgeschwulst aufstreicht, respective einreibt und dies nach einer Stunde noch einmal, selbst wohl noch ein­mal, wenn die Haut dick ist, wiederholt. Es tritt in 2—24 Stunden Entzündung, grosse Anschwellung, Absterbung der Haut, Schorfbil­dung, Eiterung und in circa vier Wochen die Heilung ein.
l)ie mit 4— 6 Theilen gemeinen Wassers verdünnte Salpetersäure ist bei der Räude aller Thiere, bei dem Teigmal der Kälber und Läm­mer und bei der veralteten Mauke der Pferde ein sehr wirksames und wohlfeiles Heilmittel, welches man mit einem Schwamm oder mit einem wollenen Lappen sanft in die schwärende Fläche einreibt, nachdem erst die vorhandenen Schorfe erweicht und entfernt sind. Die Wieder­holung kann nach 1—3 Tagen geschehen. — Bei dem bösartigen Klauen­weh hat man von der täglichen Anwendung der, mit 3—4 Theilen Wassers verdünnten Salpetersäure sehr gute Wirkung gesehen.
Innerlich wird die Salpetersäure mit Becht fast gar nicht benutzt, weil man ihre nachtlieiligen Wirkungen nicht immer ganz vermeiden kann. Auch sind die besonderen Indicationen für ihren innerliehen Gebrauch noch nicht gehörig festgestellt. Grzedziewski empfiehlt sie nach paracelsisch-chemisclier Ansicht bei sogenannter Oxalurie der Wiederkäuer, wo bei Unverdaulichkeit u. s. w. mit dem Urin eine Menge Erdphosphate abgehen und auf dem blassen Urin sich bald ein blauschillerndcs Häutchen bildet2. Manche wollen sie bei dem Potz und Wurm und bei ödematösen Anschwellungen mit gutem Erfolge gegeben haben; aber gewiss wird man die ersteren beiden Krankhei­ten, wenn sie vollkommen entwickelt sind, mit der Salpetersäure auch nicht heilen, und für die ödematösen Anschwellungen giebt es weniger gefährliche Mittel. Will man jedoch diese Säure versuchen, so kann man sie für Pferde und Rinder von 1 Drachme bis 3 Drachmen, für Schafe und Schweine von 1 Scrupel bis 1/2 Drachme, für Hunde von 1—5 Gran, und stets wenigstens mit der lOOfachen Menamp;re Wassers
1 Recuoil de imWlec. vlt;?ter. 1848, p. 778.
- Magaz. f. Tliierheilk. v. Ciurlt u. Hertwig, Jahrg. 27. S. 61 u. f.
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verdünnt, täglich zwei- bis dreimal eingeben. Zusätze von anderen Mitteln erträgt die Salpetersäure nicht gut; am besten noch den Weingeist.
sect;• 445.
Eine besondere Art der Anwendung der Salpetersäure ist die in Gas- oder Dampt'gesta'.t, als sogenannte Salpetersäure ßäuche-rungon, welche zuerst der Engländer Smith empfohlen hat und die deshalb auch nach ihm als Smith sehe liäucherungen {Fumigationes nitricae Smithianae) bezeichnet werden. Man bereitet sie, indem man nut' gereinigten, gröblich pulverisirten Salpeter in einem nicht erwänn-t en irdenen, gläsernen oder porzellanenen Gefässe nach und nach reine, aber mit der Hälfte des Wassers verdünnte Schwefelsäure (auf 1 Unze Salpeter 2 Drachmen der letztern) tröpfelt, und von Zeit zu Zeit die Mischung mit einem hölzernen oder gläsernen Stabe umrührt. Es ent­wickeln sicli dabei zuerst violette, dann weisslichc Dämpfe, in denen die aus dem Salpeter ausgetriebene Salpetersäure, jedoch im zersetzten Zustande, nämlich als Sauerstofifgas und Salpetergas oder salpetrige Säure enthalten ist. Letzteres ist um so mehr der Fall, wenn man zur Bereitung dieser Dämpfe die concentrirte Schwefelsäure benutzt; man darf dieselbe nur (wie es hier angegeben) mit Wasser verdünnt auf den Salpeter bringen; denn das Salpetergas wirkt, wenn es in Menge ein-geathmet wird, sehr nachtheilig anfalle Thiere, während das Sauer-stoifgas und die reine gasförmige Salpetersäure als ein kräftiges lieiz-mittel bei passenden (asthenischen) Zuständen recht wohlthätig wirken, den Kcspirationsprocess in beiden üichtungen, nämlich die Aufnahme äusserer Stoffe durch die Lungen in das Blut und die Ausscheidung verbrauchter Stoffe aus demselben befördern, das Blut heller rötheu und die Irritabilität vermehren.
Man hat die salpetersauren Dämpfe als Heilmittel gegen den Kotz, gegen die Binderpest, typhöse Fieber, Milzbrand u. a. Krank­heiten, — vorzüglich aber zur Keinigung der Luft in Krankeuställen, zur Zerstörung der Contagion, empfohlen, und ihnen selbst vor den (Jhlordämpfen einen Vorzug gegeben, weil sie weniger als diese die Ke-spiration belästigen sollen. Dieser Vorzug ist jedoch nicht gehörig er­wiesen, und überhaupt ihre therapeutische Benutzung noch nicht sicher begründet. — Bei dem Kotz habe ich von den salpetersauren Dämpfen keinen guten Erfolg, sondern in mehreren Fällen schnellere Ver-grösserung der chanerösen Geschwüre, oft Blutungen aus denselben und sogar Bluthusten entstehen sehen.
Anmerkung. Als ein nicht officibelles Arzneipräparat von der Salpetersäure hat man die oxygenirte Salbe {l'nyitent. oxyyeuat.i, -welche aus 8 Th. Schweine­schmalz und 1 Thcil Salpetersäure durch blosses Zusammenrühren bereitet wird. Sie wirkt gelind reizend, und ist bei der Räude, besonders bei der sogenannten trockenen, — bei Flechten, bei dem Maiilgrind der Kälber und Lämmer, bei der Mauke und bei verhärteten Drüsen ein wirksames Heilmittel, welches man täglich ein- bis zweimal anwenden kann. (Acid, nitric, crud. 1 Unze 1 Sgr.; dcpnrat. 2 Sgr. 10 Pfg.; Acid, nitric, fumans 1 Unze 4 Sgr. 10 Pfg.)
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It) Siiizsliure, Acidiim hydroehloratuw s. mtiriaticum, Sälzgetstj Spiritus satis acidus; Giilofwassersto'fl*säure, Addum hydi-ochloricmi).
sect;. 446.
Die Salzsäure ist eine Wasserstoffsäure (sect;. 429) und kann sowohl im gasförmigen, wie auch im fitissigen Zustande bestehen. Im ersteren ist sie blos aus gleichen Eanmtheilen Chlorgas und quot;Wasserstoffgas zusammengesetzt, und erseheint somit als Chlorwasserstof'fgas: dieses wird aber vom Wasser sehr begierig aufgenommen. und wenn dasselbe von ihm vollkommen gesättiget ist, stellt es die coneentrirte flüssige Salzsäure dar. Es giebt eine rohe und eine gereinigte Salz­säure. Letztere soll nach der Pharmacopöe in 100 Theileu 24 Theilc wasserfreie Säure enthalten.
Die Wirkung der letztem auf den Thierkörper ist ätzend. wie sect;. 432 von den concentrirten Mineralsäuren im Allgemeinen angegeben; sie steht jedoch an Intensität der Schwefel- und Salpetersäure etwas nach. — Gehörig verdünnt bringt die Salzsäure bei innerlicher An­wendung' solche Wirkungen hervor, welche denen der verdünnten Mineralsäuren überhaupt entsprechen (sect;. 4oi5), sieh aber dadurch von den übrigen unterscheiden: a; dass die Salzsäure mehr als jede andere Säure sowohl das Emptiudungsvermögeu wie auch die Secretionen und die Bewegungen in den Gangliennerven aufregt; — b) dass sie die Energie der Blntgefässe mehr als die übrigen Mineralsäuren verstärkt, aber das Blut nicht so stark verdichtet wie die Schwefelsäure, — und c) dass sie auch die Thätigkeit der Verdauungseingeweide eigenthüm-lich aufregt, und zwar sowohl die Energie in der Bewegung vermehrt, als auch die Empfindlichkeit erhöhet, und zugleich die Absonderungen befördert.
Alle diese erregende Wirkungen zeigt die Salzsäure jedoch nur bei einer nicht zu lange fortgesetzten Anwendung: denn wenn die letztere Statt findet, treten auch die nachtheiligen und schwächenden Folgen ganz so ein, wie von den übrigen Mineralsäuren (sect;. 437), und wie von dem Chlor (sect;. 413). Mit dem letztem muss die Salzsäure um so mehr eine Verwandtschaft in den Wirkungen zeigen, da sie ihm ihre Eigen­schaften und Kräfte verdankt.
sect;• 447.
Die coneentrirte Salzsäure kann ganz wie coneentrirte Salpeter­säure als Aetzmittel benutzt werden. Die Anwendung der verdünnten Salzsäure ist zwar bei den im sect;. -137 bezeichneten Krankheitszuständen angezeigt, es ist aber wold zn beachten: dass sie bei aouten Krank­heiten nicht für'alle Stadien derselben gleichmässig passend ist, sondern den grössten Nutzen zn der Zeit leistet, wenn die entzündliche Reizung in den fauligen o der faulig-nervösen Zustand über­geht. An diesem Scheidepunkte, der bei vielen Krankheiten sehr deutlich bemerkbar ist, ist die Salzsäure oft ein unübertreffliches Mittel, während sie dagegen in einem früheren Zeiträume zu sehr reizt, in den HERTWia, Arzneimittellehre.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;27
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späteren aber, wenn Cülliquationeu schon eingetreten sind, oft entweder nicht melir wirksam genug ist oder auch selbst nicht gut ertragen wird.
Ohne jene, im sect;. 437 2. angedeutete Krankheiten, bei denen die Salzsäure als Heilmittel dienen kann, sämmtlich hier wieder zu neuneu, muss ich doch bemerken: dass sie sich vorzüglich bei der Kinderpest und bei der chronischen Uuverdaulichkeit der Wiederkäuer einen gros-sen Ruf erworben hat.
Gegen die Einderpest ist die eisenhaltige Salzsäure von Pes-sina ' in Oesterreich und Ungarn mit ausgezeichnet glücklichem Erfolge angewendet worden; Hausmann- versichert ebenfalls, 1814 im Grossherzogthum Baden einen so günstigen Erfolg von ihr gesehen zu haben, und Bojanus8 empfiehlt sie als ein Mittel, durch welches im Durchschnitt gegen zwei Drittheile der Kranken gerettet werden sollen. Schmiederer' sah daeesen von 51 Kindern, welche mit dieser Säure behandelt wurden, nicht ein Stück genesen, und eben so wenig ein Stück gegen die Ansteckung geschützt werden; er behauptet, dass die in Pessina's Schrift angegebenen glücklichen Erfolge Uebertreibun-gen enthalten, und dass Pessina in allen Orten, wo nur ein Stück Vieh von der Pest ergriffen war, alle übrigen noch gesunden Thiere als gerettet augegeben habe, als ob sie nothwendig alle hätten erkran­ken müssen und als ob die Salzsäure wirklich alle präservirt hätte, — auch, dass er jedes Rind, welches zu jener Zeit nur im mindesten sich uuwohl gezeigt, als pestkrank und dann von der Pest geheilt betrachtet habe, wenn die letztere auch nicht vorhanden war. Da]ier erscheinen in den, der Schrift angehängten, Tabellen manche Rinder schon am folgenden Tage als genesen. —
Wenn man auch die Wahrheit von Pessina's Angaben nicht auf diese Weise bestreiten will, so muss man doch bekennen, dass die Salz­säure bei den meisten Einderpestseuchen, die in späterer Zeit vor­gekommen sind, das nicht geleistet hat, was Pessina von ihr rühmt. Zur Erklärung dieses Widerspruchs giebt Veith5 einen ganz richtigen Fingerzeig, indem er darauf deutet, dass theils jene, von Pessina be­obachtete Seuche eine gelinde Form hatte, noch mehr aber, dass es wahrscheinlich meistens ungarisches Schlachtvieh war, an welchem Pessina das Mittel zuerst versuchte, und bei welchem der Erfahrung zufolge, die Kinderpest stets einen mildern Verlauf macht, als bei dem einheimischen Vieh. Ausserdem bemerke ich noch, dass in manchen
1nbsp; Aoleitung zur Heilung der Rinderpest mit der eisenhaltigeD Salzsäure. 3. Aufl. Wien 1812. kl. 8.
Reich, richtige und gewissenhafte Belehrung für den Landmann über die Rind­viehseuche, Nürnberg 1797: und G. K. Frank, über die Rinderpest und über die Mittel, sie zuheilen und auszurotten, Berlin 1802, — waren Pessina vorausge­gangen; allein ersterer ohne praktische Beweise, und Frank hatte die oxygenirte Salzsäure, d. h. Chlorwasser, benutzt (S. 85 in Frank's Schrift).
2nbsp; Andre, Oekonom. Neuigkeiten, 1829. Nr. 12. S. 89.
8 Anleit. z. Erkenntniss u. liebandl. d. wichtigsten Seuchen. 2. Aufl.Wilna 1821. 4 Archiv für Thierlicilkunde, von einer Gesellschaft schweizerische Thierarzte. 1. Bd. 1. Heft. S. 59. Aarau 181G.
6 Handb. der Veterinarkunde, 3. Aufl. Wien 1831. 2. B. S. 442.
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Jahren die Seuche auch bei unserem inländischen Rindvieh einen sehr milden Character annimmt, so dass viele erkrankte Stücke ohne alle Kunsthilfe genesen. Dies scheint besonders dann sich zu ereignen, wenn die Krankheit durch mehrere Jahre in einer Gegend bestanden hat oder oft wiederholt in derselben aufgetreten ist.
Bei der chronischen Unverdaulichkeit des liindviches, wenn die­selbe in Schwäche und Unthätigkeit der Magen (wahrschein­lich in mangelhafter Absonderung des Magensaftes) begründet ist, ist die Salzsäure von schweizerischen Thierärzten und besonders von Meier1 mit ausgezeichnet heilsamem Erfolge selbst in solchen Fällen gegeben worden, wo die Thiere dem Tode anheimgefallen zu sein schienen, und wo alle übrige Mittel unzulänglich waren. Späterhin hat Rychner diese gute Wirkung bestritten, J. Wirth sie aber be­stätiget, obgleich das Mittel, wie Letzterer richtig bemerkt, kein Uni-versalmittcl bei der chronischen Unverdaulichkeit ist (Archiv für Thier-heilk, von d. Gesellsch.1 Schweiz. Thiorärzte. Neue Folge. Bd. VI. S. 225). Die Zufälle , welche die genannte Krankheit charaeterisiren und bei denen er das Mittel so nützlich fand, waren: völlige Appetit­losigkeit, Verlust der Milch, grosse Schwäche, matte Augen, Kälte der Ohren, der Hörner, des Mauls und der Gliedraaassen, langsames Ath-meu, weicher, kleiner, nicht zu geschwinder Puls, stark fühlbarer Herz­schlag, erhöhete Empfindlichkeit im Verlaufe der Wirbelsäule, voller, gespannter Bauch, gänzlich unfühlbare Bewegung des Pansens in der linken Hungergrube, stinkende Excremente. Er bemerkte, dass die Thiere gleich nach dem Eingeben der Salzsäure den Kopf schütteln, die Luft stark durch die Nase ausstossen, das Maul durch einige Zeit abwechselnd offen halten, und aus demselben geifern; beim Befühlen der linken Hungergrube zeigt sich statt der früheren Buhe eine deut­lich wahrnehmbare Bewegung, die Ab- und Aussonderungen werden regelmässiger, die Wärme gleichmässig erhöhet; nach dem dritten oder vierten Einguss der Säure findet sich das Wiederkäuen und auch bald darauf die Fresslust wieder ein, und die Thiere genesen schnell.— Bei derjenigen Unverdaulichkeit, welche in Folge von Entzündung der Verdauungseingeweide besteht, erscheint die Salzsäure als ein zweifel­haftes Mittel; in verschiedenen anderen asthenischen Leiden der Ver­dauungseingeweide bei den Wiederkäuern habe ich sie aber stets sehr wirksam gefunden.
sect;• 448.
Die Gabe von der Salzsäure kann grosser sein als von der Schwe­felsäure, und weit grosser als von der Salpetersäure, nämlich für Pferde 2 Drachmen bis ^ Unze, für ausgewachsene Rinder 1/ä bis 1 L'nze, für ein jähriges Kalb 1 bis 2 Drachmen, für ein Saugkalb lL bis 1 Drachme, —für Schafe, Ziegen und Schweine ^ bis l1/2 Drachmen, — für Hunde 5 Gran bis 1 Scrupcl. Es ist hier immer die concentrirte Salzsäure n-eraeint, welche vor dem Eingeben nothwendig mit so viel
1 Archiv für Thierheilkunde von einer Gesellschaft schweizerischer Thierärzte. 1. B. 4. lieft. S. 58.
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Wasser verdünnt werden muss, class die Flüssigkeit massig- sauer schmeckt. Hierzu sind gewöhnlich etwa 30 bis 40 Theile Wasser für 1 Theil der Säure hinreichend; aber Pessina benutzte eine viel grös-sere Verdünnung', nämlich 1 Loth Säure mit 1 Maass (d. i. 4 Pfund medie. Gewicht oder 1 Theil zu 96 Theilen) Wasser, und nur beiraquo;i höchsten Grade der Rinderpest 1 bis 11I3 Loth Säure auf ll„ Maass Wasser; und viele Thierärzte sind dieser Vorschrift gefolgt. Das zur Verdünnung benutzte Wasser soll weder warm noch ganz kalt sein. — Die Wiederholung der einzelnen Gaben richtet sich nach der Art, der Dauer und dem Grade der Zufalle: bei der chronischen Unvcrdaulich-keit und bei anderen gastrischen, so wie allen nicht schnell verlaufen­den Krankheiten ist alle 3 bis 4 Stunden eine Gabe hinreichend, wäh­rend dagegen bei der Rinderpest, nach Pe'ssina's Vorschrift, jungen Thieren 8 bis 12, alten aber 15 bis 20 Gaben in einem Tage, d. h. vom Morgen bis zum Abende, oder vom Mittage bis durch die Nacht (also jede Stunde wenigstens eine Gabe) beigebracht werden sollen, so dass in der angegebenen Zeit für ein ausgewachsenes liind 20 bis 30 Loth Säure verbraucht werden. Nach dieser Vorschrift soll man ferner in den nächsten 24 Stunden das Mittel aussetzen und blos Mehl­trank geben; wenn aber am 3ten Tage die Besserung der Thiere nicht deutlich eingetreten ist, soll man die Hälfte jener Gaben wiederholen.— Bei der Rinderpest und bei allen Krankheiten, welche mit ort­licher Reizung oder nur mit grosser Empfindlichkeit der Brust- und Baucheingeweide verbunden sind, ist die Anwendung der Salzsäure mit Wasser oder mit einer schleimigen Flüssigkeit am nützlichsten; wo aber Unthätigkeit oder Torpor in diesen Eingeweiden oder auch im ganzen Organismus besteht, ist der Zusatz von Weingeist, von aromatischen, bittern oder adstringirenden Mitteln zweckmässig; z. B. gegen die chro­nische Unverdanlichkeit nach [Meier's Vorschrift (a. a. O.): Salzsäure 4 Unzen, Weingeist 6 Unzen und Wasser 8 Unzen, wovon der 4te Theil mit einem Schoppen Wasser verdünnt Mio 3 bis 4 Stunden eingegeben wird. — Wenn Durchfall bei jenen Krankheiten zugegen ist, hat man die Salzsäure in Verbindung- mit Opium als nützlich befunden.
sect;• M9.
Aeusserlich kann die concontrirte Salzsäure als Actz- und Zer­störungsmittel dienen, wie dies von den übrigen coneentrirten Säuren angegeben ist. Die verdünnte Salzsäure wird als ein erregend-zerthei-lendes, zusammenziehendes, entzündungswidriges und austrocknendes Heilmittel, so wie auch als ein reinigendes, Krankheitsstoffe zerstören­des Mittel benutzt, und zwar: 1) zu Waschwässern gegen die ödema-tiisen und emphysematösen Geschwülste, welche sich bei asthenischen Krankheiten, z, B. bei der Rinderpest, bei FauMebern u. s, w. zu­weilen entwickeln; — 2) eben so gegen Rätide, Flechten, Mauke, Klauenweh, gegen bösartige, faulige Geschwüre; — 3) zu Maulwässern gegen asthenische Halsentzündungen, gegen das Maulweh, bei dem Lungenkrebs und bei stark jauchenden Wunden oder Geschwüren im Maule: — 4) bei Bisswunden von wuthkranken Thieren. und ffegen
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kalten Brand; und 5) nach Pessina auch zu ülystiren bei einem sehr liolieu Grade der Kinderpest. — Meier hat die verdünnte Salzsäure (aus chemischen Gründen) auch gegen Späth empfohlen; ich habe sie liier und bei anderen Kuoelienauftreibungen versucht, aber stets ohne Erfolg, selbst wenn diese L'ebel noch in der Entwickelung begriffen waren.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; v
Zu den Waschwässem nimmt man nach Verhältniss der Reizbarken der betreffenden Theüe 1 Unze der eoncentrirten Säure zu IG—2lt;i Un­zen Wasser, und macht die Waschung täglich zwei- bis sechsmal. — Als Maulwasser kann eine ähnliche Verdünnung' mit Wasser, entweder ganz einfach, öder mit Zusatz von 2 — 3 Unzen Honig und mit etwas #9632;Mehl dienen; zuweilen nimmt man auch statt des Wassers ein aroma­tisches Infusum, z. B. von Salbei, und setzt ihm aussei- der Säure gleich­falls Honig und Mehl bei. — Zu den Clystiren dient für Kinder 1/ä Unze Säure mit l'/o Pfund Wasser verdünnt. {Acidum hydrocklortc. crud. 1 Unze G Pfg.; depurat. 1 Unze 1 Sgr. 6 Pfg.)
Anmerkung 1. Die sogenannte eisenhaltige Salzsäure, derou Anwen­dung von Pessina und Bojanus als vorzüglich wirksam gegen die Rinderpest empfohlen ist. wird bereitet, wenn man 1 Quentchen Eisenfeiie. oder noch hesser, fein pulverisirtes Eisen in 4 Pfund Salzsäure hei offener oder nur locker verstopfter Flasche1 auflöst, dann aber die braungelb gewordene Flüssigkeit gut verwahrt. Gabe und Anwendung ist wie bei der gewöhnlichen Salzsäure.
Anmerkung 2. Die salzsauren Dampfe (durch Aufgiessen von Schwe­felsäure auf Kochsalz in einem warmen Gefässe entwickelt), wirken einigcrmaassen wie Chlordämpfe, heiästigen aber mehr als diese c'ic Respirationsorgane, und sind daher zur Zerstörung der Aiiäteckungsstoft'e u. s. w. hesser durch die Chlordämpfe zu ersetzen.
4) Essig, Acetmn (gewöhnlicher oder roher Essig, Aeetum commune s, Acciuui crudttm).
sect;. 450.
Der Essig enthält als wesentlichen Bestandtheil die Essigsäure (Acidum aceticum) mit Wasser verdünnt und häufig noch mit etwas Schleimzucker, oder mit Kleber, zuweilen auch mit Weingeist, mit Weinsteinsäure, Apfelsäure und dgi. verunreinigt. Er ist das Product der sauren Gährung, kann daher aus allen Substanzen bereutet werden, welche fähig sind, in diese Gährung überzugehen, und erhält gewöhn­lich nach derjenigen Substanz, aus welcher er dargestellt ist, einen Bei­namen, z. B. Weinessig, Bieressig, Fruchtessig, Obst- oder Cideressig u. s. w. Als der beste wurde bisher gewöhnlich der Wein­essig (Aeetum vini) betrachtet; indessen ist in der neueren Zeit die Essigbereifung so vervollkommnet worden, dass man ihn durch guten Fruchtessig vollkommen ersetzen kann. — Der Bieressig- {Aeetum cerevisiae) enthält gewöhnlich viel fremdartige Bestandtheile, und weni­ger Säure als Wein- und Fruchtessig, kann aber für die meisten Heil­zwecke, besonders äusserlich auch sranz brauchbar sein.
1 Die fest zugestopfte Flasche kann wegen Anhäufung des salzsauren Gases leicht zerspringen.
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Anmerkung. Der reine oder destillirte Essig oder die verdünnte Essigsäure (Acetumjnerum s. desdllafom, Acidum aceticnm dUntnm)1, — der ver­stärk te oder concentrirte E ssig, auch concen t rirt e Essigsäure {Acctum conccutratHhi. Acidnm aceticnm concentratum) genannt-, — und eben so die reine Essigsäure oder der höchst concentrirte Essig {Aciaum aceticnm imrum, Acetnvi conccutratissimnm)^ werden als Arzneimittel für Thicre nicht benutzt, theils, weil diese Präparate örtlich die zu starken Wirkungen der concentrirten Pflan-zensäuren erzeugen (sect;. 434), und deshalb nicht gut ertragen werden, hauptsäch­lich aber, weil sie zutheuer und durch den gemeinen Essig zu ersetzen sind.
sect;• 451.
Der Essig wirkt bei innerlicher und änsserlicher Anwendung so, wie es von den vegetabilischen Säuren im Allgemeinen (sect;. 434) ange­geben , und es gilt von ihm auch Alles, was über den Unterscliied zwi­schen Pflanzen- und Mineralsäuren (sect;. 435) und über die Vermittelung der Wirkungen (sect;. 43(3) in Beziehung auf die Pflanzensäuren gesagt ist. Bemerkenswert]! erscheint es aber, dass der concentrirte Essig den Faserstoff, und noch mehr das Eiweis (auch im Cliylus und im Blute) auflöst und deshalb auch die Eiterkügelchen in kleine Theile zertheilt.
Seine innerliche Anwendung kann bei den, im sect;. 437 sub 6 be­zeichneten Krankheitszufällen Statt finden, im Ganzen benutzt man ihn aber nicht häufig, besonders bei Pferden, weil man von ihm nachtheilige Wirkungen auf die Verdauungseingeweide furchtet5: ich habe Jedoch Essig von der Stärke, welche die Pharmacopöe vorschreibt, Pferden in Gaben von 6—12 Unzen, Kühen bis 3 Pfund, Schafen und Schweinen von Vo—-2 Unzen, Hunden 2 Drachmen bis 1 Unze auf einmal, und in Zwischenzeiten von 3 — 4 Stunden täglich dreimal eingegeben, ohne dass nachtheilige Folgen hiervon entstanden sind. Die Thiere zeigten blos nach dem Eingeben etwas vermehrte Schleimabsonderung im Maule und in der Nase, und dann die gewöhnlichen Wirkungen der Pflanzen-sauren. Grössere traben verursachten allerdings bei Pferden oft Kolik, Störung des Appetits und der Verdauung, und bei Hunden Unruhe, schmerzhaftes Gewinsel, Erbrechen und darauf grosse Traurigkeit; aber alle diese Zufalle gingen immer in etwa einer Stunde wieder vorüber.
Ausser den Entzündungsfiebem, den gastrischen (biliosen), ner­vösen und typhösen Fiebern mit entzündlichem Character, dem Milz­brande u. s. w. müssen noch drei Krankheitszustände, bei denen der innerliche Gebrauch dos Essigs nützlich ist, besonders erwähnt werden, nämlich die Aufblähung oder Trommelsneht bei den Wiederkäuern, die narkotischen Vergiftungen, und die Vergiftungen mit ätzenden Alkalien.
1nbsp; nbsp;Nacli der Prouss. Pharmacopöe sollen von dem rohen, und eben so von dem destillirten Essig 100 Theile ö Theile wasserfreier Essigsäure enthalten und IC Th. 1 Th. kohlensauren Kalis sättigen.
2nbsp; Enthalt in 100 Theilen 24 — 25 Theile wasserfreie Essigsiiure. 8 Mit 84 — 85 Proc. wasserfreier Essigsäure.
4 Daum, etwas iiher den innern Gebrauch des Essigs bei Pferden. In IJusch und Igt;aum's Archiv, 4. liändchen. S. 56. — Schon v. Sind hatte (im 3. Bd. seines Unterrichts S. 93) gesagt: den Essig darf man bei Pferden nicht wohl gebrauchen, weil er ihnen Angst zu machen pflegt.
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In der Trommelsucht habe ich den Essig als ein ganz vortreffliches Mittel kennen gelernt, wenn sie mehr einen chronischen als aeuten Character hatte, namentlich wenn sie durch nnverdaxiete, im Wanst liegende Substanzen, aus wirklicher Gährung derselben entstanden ist, und wenn durch letztere die Gasentwickcluug längere Zeit unterhalten, und das Aufblähen durch mehrere Tage dauernd wird, oder wenn das­selbe, nachdem es durch den Troikart und andere Mittel beseitigt ist, bald darauf wieder entstellt. Das Letztere verhindert der Essig ganz vorzüglich, indem er den Gährungsprocess unterdrückt; aber er ist nicht immer vermögend, die schon vorhandene, plötzlich zu einem hohen Grade entwickelte Aufblähung schnell genug zu beseitigen, um die avis ihr entstehenden, oft lebensgefährlichen Zufälle (Berstung der Einge­weide, Schlagfluss, Erstickung) zu verhüten, und er macht dalier in dringenden Fällen den Troikart auch nicht entbehrlich.
Gegen die üblen Wirkungen von zu grossen Gaben narkotischer Mittel oder nach dem zu reichlichen Genuss narkotischer Pflanzen, ist der Essig schon lange ais eins der wirksamsten Mittel anerkannt, ob­gleich man in neuerer Zeit behaupten wollte, dass er die Anflöslichkeit und die Wirksamkeit der narkotischen Alkaloide befördere, wenn die­selben noch im Verdauungskana] vorhanden seien, und dass er daher nm dann angewendet werden dürfe, nachdem diese Stoffe durch Er­brechen wieder entfernt worden oder wenn sie schon in das Blut über­gegangen sind. Da aber das Erbrechen nicht, bei allen Thieren mög­lieh, auch jene Behauptung über die Verstärkung der narkotischen Wirkungen nicht allgemein richtig ist, so verdient der Essig bei diesen Vergiftungen immerhin als Hauptmittel betrachtet, und allgemein ver­wendet zu werden, da er wohlfeil, fast überall zu haben ist, und die schon eingetretene narkotische Wirkung sehr sichtbar vermindert. Bei Hunden, Katzen und Schweinen schickt man jedoch seiner Anwendung recht zweckmässig ein Brechmittel voraus, wenn es wahrscheinlich ist, dass ein Theil des Giftes sich noch im Magen befindet.
Gegen die sehäiliiclie Wirkung der ätzenden Alkalien und Erden, des Aetzkalkes u. s. w. ist der Essig (innerlich und äusscrliehj eben­falls das wirksamste Mittel, wenn diese Stoffe noch im oder am Kör­per vorhanden sind, und wenn nicht schon zu heftige Entzündung und Aetzung entstanden sind.
sect;. 452.
Die Gabe vom Essig ist nach Verhältniss seiner grösseren und ge­ringeren Stärke, nach der Heftigkeit der Kraukheitszufälle u. s. w. für Pferde 4—8 Unzen, für Rindvieh 1—3 Pfund, für Schafe, Ziegen und Schweine 1 — I! Unzen, für Hunde 2 Drachmen bis ^ Unze, in Zwi­schenzeiten von 1/2 — 3 Stunden. Die bezeichneten grossen Gaben dienen besonders bei Vergiftungen mit narkotischen Stoffen oder mit ätzenden Alkalien, eben so bei Tromnielsucht. — Die Anwendung tre-schiebt am besten in flüssiger Form, entweder blos mit Wasser ver­dünnt, oder mit schleimigen Flüssigkeiten versetzt; letzteres besonders dann, wenn die Brust- oder Baucheingeweide sehr gereizt erscheinen.
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Ehemals empfahl mau auch zu solchen Flüssigkeiten den Honig zuzu­setzen; derselbe ist aber eutbehrlieh und etwa nur da zu benutzen, wo mau ihn als Hausmittel ohne Küsten erhalten kann, und wenn man Thieren den Essigtrank zum freiwilligen Genuss üherlässt. — Zusätze von erregenden Mitteln sind in der Kegel da nicht passend, wo der iu-nerliche Gebrauch des Essigs augezeigt ist, und mit Alkalien, Kalk­wasser und raquo;Seife darf er nicht zusammengebracht werden, weil er mit-diesen Stoffen chemische Verbindungen eingeht, und dabei seine Wirk­samkeit aufgehoben wird; Neutralsalze, besonders Kochsalz, Salmiak und Salpeter schwächen aber die letztere nicht.
sect;. 45o.
Aeusserlich benutzt man den Essig:
1)nbsp; nbsp;Am häufigsten als .kühlendes , aber auch zugleich gelind zu­sammenziehendes. zertheilendes Mittel gegen Enzündungen, welche nicht ganz rein als solche bestehen, sondern mit Quetschung, mit Aus­dehnung der Theile, mit Blutunterlanfnng oder mit grosser ödematöser Geschwulst verbunden sind: daher bei Quetschungen, bei frisch ent­standenen Genickbeulen, bei dergleichen Satteldrücken, Widerrist­schäden, Sehnenklapp, Piephacken, Gallen, bei und nach Verren­kungen, bei dem Verhallen und dgl. — Man wendet ihn hierbei auf sehr verschiedene Weise an, und zwar entweder a) blos mit Wasser verdünnt und kalt, zum Waschen oder zu Umschlägen, wenn die Zu­fälle noch einigermaasseli auf einen synochösen Character der Entzün­dung deuten; — oder b) mit Wasser verdünnt und mit Glaubersalz. Salmiak. Salpeter und dgl. versetzt, als sogenanntes einfaches Oxy-krat {Oxycratum simplex), das aus Salmiak 1 Unze, Essig und Wasser, von jedem l1/, Pfund, bereitet wird, und bei dem Zusätze von '2 Unzen Kampfergeist das zusammengesetzte Oxykrat {Oxycratum cofii-positum) giebt; — oder in Form der Sclnnucker'schen kalten L'm-schläge, die aus: Essig 1 U, Pfund. Wasser 4 Pfund, Salmiak und Salpeter von jedem 1 Unze gemacht werden. — c) Mit Lehm oder Thon zu einem dünnen Brei zusammengemengt, welchen man gegen I/o—3 4 Zoll dick auf die leidenden Theile gleichmässig aufstreicht, und entweder durch fleissiges Begiessen beständig feucht erhält oder so oft erneuert, als er anfängt trocken zu werden. Ein solcher Lehmbrei ist besonders nützlich, wenn bei den oben bezeichneten Zuständen grosse und hartnäckige Geschwulst besteht. — d) Als Zusatz zu Aufgüssen von aromatischen Kräutern, zu Waschungen, Umschlägen und Brei­umschlägen, welche mehrentheils warm und dann angewendet werden, wenn die Zufälle auf Torpidität deuten, oder wenn Eiterung oder Brand drohet.
2)nbsp; nbsp;Als blutstillendes Mittel, bei Blutflüssen aus der Xase, den Genitalien u. s. w., auch bei Verwundungen wird der Essig-unverdünnt angewendet; er kann aber nur gegen Blutungen aus kleinen Gefässen und gegen sogenannte parenehymatöse Blutung etwas leisten. Viborg rühmt gegen Lungenblutsturz bei Pferden Essigdämpfe, welche selbst dann noch wirksam waren, wenn die Thiere schon ausgestreckt lagen,
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nicht mehr aufstehen und kaum noch athmeu konnteu '. — Nach seiner Vorschrift entwickelt mau diese Dämpfe durch Aufgiessen des Essigs auf ein erwärmtes (nicht glühendes) .Stück Eisen, nahe unter der Nase des Pferdes, und so lange, bis der ganze Stall mit einem Nebel von essigsauren Dämpfen angefüllt ist. — Ich habe dieses Verfahren gege,ii den Lungehblutsturz in mehreren Fällen stets vergebens angeTvendet. Dagegen haben sich diese Dämpfe bei dem bösartigen Katarrh des Rindviehes (den ich für Typhus halte), vro ßychner sie empfohlen, mehrfältig bewährt.
o) Zu Mauhvässem, bei dem gutartigen Manlweh, bei Entzün­dungen und Verletzungen der Zunge u. s. w., ganz wie die Salzsäure.
4)nbsp; nbsp;Zu Clystiren bei narkotischen Vergiftungen, bei Entzündung und Vorfall des Mastdarms, bei Entzüudungs- und Verstopfungskolik. Mehrentheils benutzt man hierzu massig verdünnten Essig: bei der Kolik sollen aber nur einige Löffel voll Essig mit der nöthigen Menge recht kalten Wassers zu einem Clystire genommen werden -.
5)nbsp; nbsp;Gegen das Hautjucken, welches als krankhafte .Steigerung der Sensibilität, aber nicht als Folge von Unreinigkeit entstanden ist.
6)nbsp; Ausserdem dient der Essig noch gegen Ungeziefer als sehr wirksames Waschmittel, namentlich in Verbindung mit Tabacksdecoct.
7; Zur Bereitung der Senf breie, wo er aber entbehrt werden kann, da er die Wirksamkeit des Senfs nicht vermehrt (S. 161).
8) Zum Räuchern bei zu lange eingeschlossener oder durch stin­kende Effluvien verdorbener Luft. Zu letzterem Zwecke sind die Essig­dämpfe gewiss nicht unpassend. Das Chlor, welches sie in neuerer Zeit fast ganz verdrängt hat, kann den Essig in dieser Hinsicht nicht ganz entbehrlich machen. {Acet. crud. 1 Unze 4 1^-.; purum 1 Unze S Pfg.; Acid, acetic. 1 Drachme 2 Sgr.)
ö) llolzsiiiirf, llulzi'ssis. hrenzlidicr Holzessig, Aeidum s. Acetum pyro-lignosum.
Die rohe Holzsäure (Aeidum pyro-lignosum criiduui), ein sehr zu­sammengesetztos Product der trockenen Destillation des Holzes, besteht aus Wasser, viel F^ssigsäure, essigsaurem Ammoniak, brenzlichem Gel, Brandharz, aus einem stickstoffhaltigen Extractivstoff, aus brenzlichem iiolzessiggeist und aus Kreosot. Die Verhältnisse dieser Bestandtheile und daher auch die Wirksamkeit der Säure sind nach Verschiedenheit der, zu ihrer Bereitung benutzten Holzarten U. s. w. liäulig etwas ver­schieden, und die durch nochmalige gelinde Destillation von den gro­bem brenzlichen Bestandtheileu befreiete, sogenannte rectificirte Holzsäure {Aeidum pyro-lign. rectificatuia) ist weniger wirksam als die rohe, weshalb letztere den Vorzug verdient, — Nach diesen Be-
1 Vetor. Selskab, Skrifter. Deel. 1. raquo;. 2. S. 421. — Magaz. f. theoret. u. prakt. Thierheilk von Teut't'ol, 1 Bd. -1. Had. S. 253.
- Taschenbuch f. Hausthierärzte u. Oekonomen, von .). P. Niemann. 1. Bän3-
chen, S, 7G.
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starultlu'ilou lässt das Mittel eine eigeutluimliclie und grosse Wirksam­keit erwarten, und dasselbe verdient sowohl deshalb, wie auch seiner Wohlfeilheit wegen, die Aufmerksamkeit der Thierärzte recht sehr.
Die brenzliche Holzsäure ist bereits im grauen Alterthume bekannt gewesen1, aber erst in neuerer Zeit wieder beachtet, und hinsichtlich ihrer Wirkung auf lebende Thiere, so wie auf todte thierische Hub-stauzen mehrfältig- geprüft worden. — Berres2 gab einem Haushalm durch drei Tage nach einander täglich 4 mal klein geschnittenes Brot, jedesmal mit einem und '/, Loth Säure getränkt, ein; das Thior wurde gleich nach dem ersten Eingeben betäubt, wankte hin und her, schäumte aus dem Schnabel und die Federn wurden buschig aufgerichtet, später wurden letztere schmutzig gelb, der Kamm blauroth, der Kopf ange­schwollen, die Bespii'ation beschwerlich, röchelnd, und am vierten Tage erfolgte der Tod unter Hrstickungszutallen. — Andere Hühner, denen man 2 Quentchen der Säure für sich allein eingab, bekamen sogleich Zuckungen , Erbrechen, dunkelblaue Farbe des Kammes und schon nach 2 Minuten erfolgte der Tod. — 1 Loth des Mittels einem Hahn in den After gespritzt, verursachte ähnliche Zufälle, und in 2 Stunden den Tod. — Katzen stürzten augenblicklich nach dem Eingeben eines halben bis eines ganzen Quentchens der Säure zusammen, bekamen Convulsionen am ganzen Körper, schrieen, schäumten an dem Maule, erbrachen sich, die Augen wurden hervorgedrängt, die Pupille sehr erweitert, der Drin ging unwillkürlich ab, und der Tod erfolgte nach l1/,—2 Minuten. Selbst zehn Tropfen waren bei diesen Thieren hin­reichend, ähnliche Zufälle und den Tod zu veranlassen, welcher letztere jedoch erst amdritten Tage nach dem Eingüsse erfolgte (a. a. 0. S.4o). — 6 Quentchen in den Mastdarm gespritzt, tödteten eine Katze unter den­selben Zufällen in 6 Stunden. #9632;— Bei einem Hunde entstand von ;l Drachme innerlich gegebener Säure zuerst Drang zum Erbrechen, Austluss von Schaum aus Maul und Xase, nach 1 Stunde wirkliches Erbrechen mit Entleerung einer, nach llolzsäurc riechenden Substanz, dann Traurigkeit und Sträuben der Ilaare. Nach 10 Stunden waren alle Zufälle wieder verschwunden und der Hund völlig hergestellt. — Drei Drachmen einem grossen Hunde gegeben, verursachten binnen kurzer Zeit eine Mattigkeit in einem so hohen Grade, dass die Füsse das Thier nicht mehr ordentlich tragen konnten; nach 6 Stunden struppiges Haar, funkelnde Augen, Zittern, Ausfluss eines weissen Schaumes aus Maul und Xase, dumpfer Husten, gänzlicher Verlust des Appetites; nach 12 Stunden bemerkte man aussei- den genannten Zufällen noch Stumpf­heit der Sinne, beschwerliche Eespiration, heisereu Husten; nach 24 Stunden waren der Schaumausfluss geringer, der Husten sparsamer, übrigens dieselben Zufälle, jedoch im höheren Grade, und noch in den nächsten 24 Stunden steigend. Es waren alle Zeichen einer Lungen­entzündung zugegen; erst am siebenten Tage fand sich etwas lockerer Auswurf, Besserung und Apjietit, und am zwölften war das Thier völlig
Plinius, Hist. nat. p,ilt;r. 244. sect;. 2t.
Ueber die Qolzsäure und iliren Werth. Wien 1S23. S. 09 u. f.
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wieder hergestellt. — Ein anderer Hund starb von einem Loth Holz­säure am vierten Tage nach dem Eingeben, and nachdem ähnliche Zufälle entstanden waren, ganz ruhig.
Mit diesen Angaben stimmen auch die Erfolge der Versuche übev-ein, welche sowohl von Schubart1 wie auch von mir gemacht worden sind; nur muss ich bemerken: dass, wenn ich den Holzessig vermittelst der Oesophagotomie und durch eine Röhre in den Magen brachte, die Zufälle stets viel milder waren, als von einer gleichen Gabe, welche durch das Man] eingegeben wurde; mehrere Hunde ertrugen auf erstere Weise eine ganze Unze des Mittels ohne lebensgefährliche Folgen.
Bei Schafen sah icli nach Gaben von '^—1 Unze ähnliche Zufälle wie bei Hunden, besonders auch Lungenentzündung entstehen , und von 2 Unzen pro dosi den Tod erfolgen. — Kühe und Pferde er­trugen dagegen das Mittel bis zu 1 Pfund in einer Gabe ganz ohne Nachtheil; 3 — 4 Unzen verursachten bei diesen Thieren oft kaum be­merkbare Veränderungen; von grössern Gaben entstand zuerst ver­mehrte Schleimsecretion im Maule und in der Xase, dann grössere Wärme im Maule, nach lö — ;:JU Minuten gesträubtes Haar, und zu­weilen Frostschauder, kleinerer, etwas (um 8—12 Schläge) vermehrter Pids , schnelleres . etwas beschwerliches Athmen , Verminderung des Appetits, etwas Mattigkeit, kalte Ohren, und — nach 4 — 6 Stunden sehr reichliches, oft wiederholtes Uriniren; — in einzelnen .Fällen wurde auch der Koth weicher, und einige Pferde zeigten massige Leib­schmerzen. Nach 8—10 Stunden war die Wirkung wieder vorüber.
Bei äusserlicher Anwendung wirkt der brenzliche Holzessig auf die betroffenen Gebilde reizend, zusammenschrumpfend; schlaffe, blasse Granulation wird derber und dunkler geröthet, die Secretion in Wun­den und Geschwüren vermindert und mehr plastisch.
Todte Weichgebilde, auf welche der Holzessig durch einige Zeit eingewirkt hat, werden hierdurch gegen Fäulniss geschützt.
sect;. 455.
Bei den gestorbenen Thieren fand sich fast übereinstimmend in allen Fällen: der Cadaver in kurzer Zeit ganz steif, die Schleimhaut des Magens und des Darmkanals an verschiedenen Stellen dunkler geröthet, selbst entzündet (wenn der Tod nicht gleich nach dem Ein­geben'erfolgt war): der Inhalt des Verdauungskanals oft stark nach Holzsäure riechend, die übrigen Baucheingeweide gesund, die Luftröhre gewöhnlich mit Schaum erfüllt, die Lungen stets sehr blutreich, oft mit schwarzen Flecken versehen; das Herz an der rechten Seite mit schwar­zem , flüssigem Blute ganz angefüllt, die grossen Venenstämme des­gleichen; die linke Hälfte des Herzens leer; Hirn- und Rückenmark sehr blutreich, aber ohne weitere Veränderung.
Aus den sämmtlichen Erscheinungen ergiebt sich: dass der Holz­essig bei allen Thieren als eine sehr reizende, die Sensibilität und Irri­tabilität eigenthümlich erregende und umstimmende Substanz wirkt,
1 In Horn's Archiv. 1824. S. SO.
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und diiss er (wie es scheint durch Deberreiauug) in etwas grossen Gaben, selbst Lähmung und den Tod herbeiführt.
sect;. 456.
Man hat die brenzliche Holzsäure zwar in nenrer Zeit häufig als Heilmittel angewendet, aber bisher für ihren innerlichen Gebrauch keine bestimmten liulieationen festgestellt. Im Allgemeinen erscheint das Mittel, seinen reizenden quot;Wirkungen p-emäss, da angezeigt: wo die Lebensthätigkeit im Gefäss- und Nervensystem zugleich gesunken ist. wo die Schleimhäute erschlafft, die Secretionen übermassig reichlich und von zu dünner, seröser Qualität erscheinen; — daher im Beson­dern bei fauligen, typhösen und cachectischen Leiden, wenn dieselben auf torpider Atonie beruhen: bei Wassersüchten. Schleimfltissen und Blutungen, wenn sie denselben atonischen Character an sich tragen.
Ich habe das Mittel gegen asthenisch-nervöse Fieber, gegen ödema-töse Anschwellungen und gegen Trommelsucht des Rindviehes mit Nutzen, — dagegen bei Rheumatismus und rheumatischen Fiebern, bösartiger Druse und Kotz, bei chronischer Diarrhöe, welche nach einer zu grossen Gabe von Aloe zurückgeblieben war, in mehreren Fällen ganz ohne günstigen Erfolg angewendet.
Die Gabe darf, wie die mitgetheilteu Versuche lehren, für die kleinen Thiere nur sehr gering sein, nämlich für Hühner und Katzen 1—o Tropfen, für Hunde 10—20. für Schafe, Ziegen und Schweine 20—40 Tropfen, täglich ein- bis dreimal; Pferden und Rindern kann man dagegen eben so oft 2—G Unzen geben.
Man giebt sie entweder in einer schleimigen Flüssigkeit, oder mit andern Mitteln verbunden, in Latwergen.
Aeusserlich habe ich die Holzsäure bei Maukegeschwüren, be­sonders bei der sogenannten ausfallenden oder .Brandmauke, nachdem die erste Entzündung vorüber war, mit ausgezeichnetem Erfolge ange­wendet; eben so bei anderen atonischen Geschwüren, bei Widerrist-schäden u. s. w., wenn die Granulation schlaff und üppig ist; — bei Strahlkrebs und in Knorpelfisteln minderte sie die Absonderung, be­wirkte aber die Heilung nicht; bei dem epizootischen Klauenweh war sie nützlich, bei dein bösartiglaquo; n Klauenweh der Merinos hat sie aber nur hin und wieder das Vertrauen bestätigt, welches man nach Rödi-ger's günstigen Angaben1 von ihr hatte; bei Flechten und bei Räude war sie sehr wirksam; bei dem kalten Brande hat sie oft zur Heilung beigetragen.
Man benutzt sie bei den genanuten Krankheiten zum Auspinseln oder zum Verbinden dor Geschwüre, täglich ein- bigt;i dreimal, — und zum Waschen der räudigen Stellen, täglich oder jeden zweiten Tag einmal. Mehrentheils ist sie für sich allein wirksam genug;'bei grosser Reizlosigkeit der Geschwüre und gegen Brand habe ich sie, aber auch in Verbindung mit Kampher (1 Drachme auf 4 Unzen Säure) und mit
1 Erfahr, über die bösartige Klanenseuehe der.Schafe. Chemnitz 1822. S. 30.
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Kamphergeist (zu gleichen Theilen) angewendet. {A. pyrolign. crud.
Inbsp; Unze 6 Pfg.; rectificat. 1 L'nze 1 Sgr. 4 Pfg.)
sect;#9632; 457.
Aussei den ausführlich betrachteten Säuren sind auch folgende noch in Kürze zu erwähnen:
Die Phosphorsäure [Acidum phosp/toricum) ist weit milder als die übrigen Mineralsäurcn, dabei mehr wirklich stärkend und den lie-productionsprocess fördernd. Sie verdiente aber bei astheuischen Lei­den mit gesunkener Bildungsthätigkeit mehr angewendet zu werden, als es bisher in der Thierarzneikunde gebräuchlich war. Ich habe sie in Verbindung mit bitter-aromatischen Mitteln, und abwechselnd mit Kalkwasser gegen Knochenerweichung bei Ziegen und Hunden ganz vortrefflich wirkend gefunden. Die Gabe kann wie bei der Schwefel­säure, und selbst um die Hälfte stärker als bei dieser sein. (1 Drachme 10 Pfg.)
Die Kohlensäure (Äcidum carbonioum) wird im reinen, gas­förmigen Zustande nicht angewendet, sondern nur in kohlensauren Salzen (kohlensaurem Kali, Xatron, Magnesia, Kreide) und zuweilen in dea Bierhefen, welche letztere v'on Manchen als ein wirksames .Mittel bei hartnäckiger Verstopfung der Pferde und des Rindviehes
IInbsp; Quart mit dein Gelben von drei Eiern auf einmal gegeben) betrachtet werden. Die Kohlensäure verhindert am todten Fleisch die Fäulniss, benimmt faulendem Fleisch den üblen Geruch, wirkt auf lebende Thiere eigenthümlich erregend, in grossen Gaben sogar berauschend und treibt das Blut stark gegen die äussere Peripherie des Körpers. Daher kann sie bei asthenisch-nervösen Zuständen, z. li. bei dergleichen Krampf, Kolik u. s. w., mit Nutzen angewendet werden. Im Faulfieber der Pferde habe ich sie oft mit ausgezeichnetem Erfolge gebraucht. Man erhält sie in einem gut moussirenden Bier, bei kleinen Thieren auch in Form des sogenannten Brausepulvers, JPulv. aerophorus, indem man z. B. für einen Hund mittlerer Grosso 10 Gran saures kohlensaures Xatron mit 1 Esslöffel voll Wasser und gleich darauf 1 Löffel voll schwachen Essig giebt, oder in Form des sogenannten englischen Brause­pulvers (weinsteinsaures Kali-Natron [Seignette-Salz] '2 Drachmen, und säuerliches kohlensaures Natron quot;2 Scrupel zusammengemischt, und 1/2 Drachme gepulverte Weinsteinsäure für sich gleich darnach eingegeben).
Die Wein- oder Weinsteinsäure (Acidum tartecricum) wird gleichfalls nur in weinsteinsauren Salzen zuweilen benutzt. — Säuer­liche Früchte aller Art können für pflanzenfressende Thiere, wenn im Sommer Seuchen mit entzündlichem Character herrschen, statt des Essigs benutzt werden, indem man sie zerquetscht ins Getränk giebt.
Der Sauerkohl oder das Sauerkraut (Brassica fermaitata) enthält Essig, Kohlensäure und dgl., ist innerlich auf ähnliche Weise zu gebrauchen; äusserlich wird er zuweilen als ein Hausmittel zu küh­lenden, gelind zusammenziehenden Umschlägen bei Verbällnng, Huf­entzündung, bei unreinen fauligen Geschwüren und del. benutzt.
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ZEHNTE KLASSE.
Beine Alkalien und Erden, oder alkalische und erdige Mittel. (Alcalia et Terrae, Mi:dicame?ita alkdlica et terrea.)
Uegril)', Whkiiiig und Aiiweniluiig dieser llillel im Aligeineiuen.
458.
Die Alkalien und Erden wurden früher für chemisch-einfaclie Körper gelullten, bis Uavy bewies, dass sie Verbindungen sehr leicht oxydirbarer Metalle, sogenannter Metalloide mit Sauerstoff, also wahre Oxyde sind. Sie kommen iu den drei Reichen der Natur häufig vor, jedoch selten rein, sondern in mannigfachen Verbindungen, mei­stens als Sake.
Xach dem Grade ihrer Löslichkeit im Wasser unterscheidet man die hierher gehörigen Substanzen schon seit älteren Zeiten: 1) in eigentliche Alkalien, 2) in alkalische Erden, und 3) in eigentliche Erden.
1)nbsp; nbsp;Die Alkalien, früher auch Laugensalze genannt, sind im Wasser selir leicht löslich, besitzen einen cigenthümüchen, brennenden, laugeuhaftcu Geschmack, färben den Veilchensaft grün, das gelbe Pigment der Cureumawurzel und der Rhabarber braun; mit thierischen Stoffen verbinden sie sich in eigenthümlicher Art und wirken auf sie auflösend, zerstörend, weshalb man sie ätzend oder kaustisch nennt; nach C. Ct. Mitscherlich ' geben die Kali-, Natron-und Am­moniakverbindungen mit den thierischen Flüssigkeiten keine Nieder­schläge; sie ändern Eette und Oele in eigenthümliche Säuren um, und bilden mit ihnen die Seifen; mit den Säuren verbinden sie sich über­all sehr begierig, und bilden mit ihnen die sogenannten Neutral- und Mittelsalze.
Zu den Alkalien gehören das Kali, das Natron, das Litliion (letzteres nicht arzneilich benutzt) und das Ammoniak. Obgleich das Ammoniak iu seiner chemischen Zusammensetzung von den übrigen Alkalien sehr abweicht, so muss es doch zu ihnen gezählt wer­den, weil es alle andere wesentliche Eigenschaften mit denselben ge­mein hat, und sich von ihnen nur dadurch unterscheidet, dass es einen Geruch besitzt und bei gewöhnlicher Temperatur gasförmig ist, wäh­rend die übrigen selbst die Glühhitze ertragen. Man nennt deshalb die letzteren auch fixe Alkalien, das Ammoniak aber flüchtiges Alkali oder Laugensalz.
2)nbsp; nbsp;Die alkalischen Erden sind weniger leicht löslich als die Alkalien, besitzen aber alle Eigenschaften derselben, jedoch in einem geringeren Grade. — Es sind die Kalkerde, die Talkerde, die Baryt-und die Strontianerde: nur die beiden ersteren werden im reinen Zu-
Mclt;l. Zeit, dos Vereins f. IJeilk. in Preussen. 184t. Nr. 43 — 46.
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stände arzneilich benutzt, so wie auch ihre Salze und die Salze der Baryterde.
3) Die eigentlichen Erden (Thonerde, Beryll-, YUer- und Zirkonerde) sind nebst ihren kohlensauren und neutralen Salzen im Wasser ganz unlöslich. Sie ätzen nicht. Arzneiliche Anwendung macht man nur von der Thonerde und ihren Salzen.
Die metallischen Grundlagen der Alkalien und Erden verbinden sich, wie die übrigen Metalle, auch mit Schwefel und bilden damit die sogenannten Schwele liebern, die man früher für hydruthionsaure Üxydsalzc hielt, die aber nach der jetzigen Chemie einfache Schwefel-metalle sind. Da diese Verbindungen hinsichtlich ihrer arzneilicheu Wirkung den Alkalien und Erden sehr nahe kommen, so linden sie auch hier ihren schicklichsten Platz.
sect;. 459.
Die Wirkungen der reinen Alkalien und der alkalischen Erden sind im Allgemeinen einander sehr ähnlich, sie treten jedoch mit etwas verschiedenen Erscheinungen und in verschiedenem Grade ein, je nach dem Grade der Concentration, in welcher diese Stoffe ange­wendet werden.
a)nbsp; Im concentrirten Zustande, d. h. trocken oder nur in sehr weni­gem Wasser gelöst, zerstören sie unter heftigem, brennendem Schmerz die Textur und Mischung der von ihnen berührten thierischen Weichge­bilde und veovandelli dieselben in eine schmierige, seifenartige Masse, welche später zu einem Schorfe vertrocknet. Sie wirken also ätzend, verdichten aber dabei in der ersten Zeit die organische Materie nicht (wie es die Säuren thun), sondern verflüssigen sie und lockern sie auf. — An der Grenze und unter der bewirkten Zerstörung entsteht Ent­zündung' und Eiterung, und durch letztere die gänzliche Abstossung des Abgestorbenen. Bei innerlicher Anwendung in diesem Zustande entsteht Auflockerung, Anschwellung und Zerstörung des Epitheliums und der Schleimhaut selbst, sehr vermehrte Schleimsecretion, An­ätzung, Entzündung, selbst Brand der Eingeweide und mehrentheih der Tod.
b)nbsp; nbsp;In massig starker Auflösung erregen diese Mittel innerlich wie äusserlich an den Stellen der Berührung eine schmerzhafte (erethische) Entzündung, welche oft seröse Ausschwitzung, zuweilen auch jauchende Eiterung herbeiführt. Bei innerlicher Anwendung entstellen dabei oft heftige Zufälle, Oonvulsioneu, Kolik, blutige Diarrhöe, bei Thieren, die sich erbrechen können, auch Erbrechen, und zuweilen der Tod durch Magen- und Darmentzündung. Acusserlich erfolgt mehrentheih nach der Entzündung eine Abschuppung der Haut.
c)nbsp; nbsp;In sehr schwacher Auflösung wirken sie örtlich die Epidermis und das Epithelium auflockernd, bei länger dauernder Einwirkung selbst in eine weiche, schleimige Masse umwandelnd, die sich leicht ab­wischen lässt; sie reizen gelind und vermehren die Bildungsthätigkeit der Haut, lösen plastische Ablagerungen auf, befördern mächtig die Resorption in der Haut, unter derselben und in Drüsen und sie sind
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daher lici Aussehwitzungen, Stockungen und Verdicküngen vortreft-lidie Zertheilungsmittel.
Bei innerlicher Anwendung- wirken die sehr verdünnten Alkalien zunächst eigenthtimlich erregend auf die Schleimhaut des Verdanungs-kanales: sie verursachen daselbst hauptsächlich eine Veränderimg der Absonderungen, binden auf chemische Weise die etwa vorhandene Säure, [machen den Darmschleim flüssiger und absorbiren Gasarten, die sich im Magen oder im Darmkanal angehäuft haben. Diese Wir­kungen verbreiten sich dann weiter, und zwar theils als Folge der ver­änderten Digestion und Assimilation, theils auch, indem die Alkalien materiell in den Chylus, in das Blut und selbst in die abgesonderten Säfte übergehen. Es wird die Gerinnbarkeit des Faser- und Eiweis-stoß'es und der Gallerte im Chylus, in der Lymphe, im Blute u. s. w. vermindert: Dünnttüssigkeit aller Säfte, leichtere Circulation und voll­kommenere Respiration K Autlockerung und leichtere Zersetzbarkeit der organischen Materie bedingt und zugleich die Resorption derselben selir begünstiget; die Absonderungen, namentlich die der serösen Flüssigkeiten, erfolgen reichlicher, und besonders wird der Drin in grösserer M|nge und von mehr wässeriger Beschaffenheit entleert; zu­gleich verlieren die allgesonderten -Säfte ihren Gehalt an Säure und werden zuweilen sogar vorwaltend alkalisch. Letzteres ist vorzüglich wahrnehmbar am Urin, mit welchem ein grosser Theil der eingege­benen alkalischen Stoffe, jedoch mit Kohlensäure und anderen Säuren zu Salzen umgewandelt, wieder aus dem Körper ausgeschieden wird, da­her sich in ihm auch gewöhnlich ein starker Bodensatz von diesen Stoffen bildet.
Werden die alkalischen Mittel im verdünnten Zustande durch längere Zeit in reichlicher Gabe angewendet, so stören sie die Ver­dauung und Assimilation, vermindern den Appetit, verursachen Durch­fall, wässerige Beschaffenheit und dunklere Färbung des Blutes, Auf­gedunsenheit des Zellgewebes, Schlaffheit, Mürbigkeit und Schwäche in den Muskeln und Blutgefässen, und Verminderung der Irritabilität. Zuletzt folgt eine allgemeine üebelsäftigkeit, Faulfieber, und zuweilen der Tod. — Eine eigenthümliche und directe quot;Wirkung auf das Ner­vensystem, die man den Alkalien im Aligemeinen auch zuschreibt, habe ich von ihrer innerlichen Anwendung bei Thieren nur allein von Ammoniak bemerken können.
Bei Injectionen in die Venen wirken diese Mittel auf ähnliche Weise wie bei innerlicher Anwendung, aber viel schneller und hef­tiger, und grosse. Gaben verursachen durch schnelle Zersetzung des Blutes und durch Üeberreizung oft sehr plötzlich den Tod.
Die reinen Erden besitzen wegen ihrer fast gänzlichen ünauflös-lichkeit auch fast nur eine örtliche Wirkung an den Stellen des Thier-körpers, mit denen sie in Berührung kommen. Sie verursachen da­selbst eine schwache Zusammenschrumpftmg der Fasern und Ein-saneime oder selbst chemische Bindung der vorhandenen Flüssigkeiten.
G-rzedziewskij Mai
Thierheilk. XXVII.
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Hierdurch können sie allerdings auch Veränderungen in den Abson­derungen, in dem Verdauungsprocess u. s. w; auf mittelbare Wlt; ise er­zeugen. Grosse Gaben der reinen Erden wirken, fils unverdauliche Substanzen, durch ihre Masse belästigend und störend. Aetzend wirken sie, selbst be: concentrirter Anwendung, nicht.
sect;. 460.
Die innerliche Anwendung der reinen Alkalien und Erden gegen Krankheiten der Thiere ist bisher mir wenig gebräuchlich gewesen, daher auch weder die Wirkungen dieser Mittel zu verschiedenen Krankheitszuständen, noch die Indicationen zu ihrer Anwendung voll­ständig erforscht sind. Es lässt sicJi jedoch hierüber aus den im vorigen sect;. angegebenen positiven Wirkungen und mit Berücksichti­gung einiger praktischen Beobachtungen im Allgemeinen Folgendes feststellen:
1)nbsp; nbsp;Als stärkster Gegensatz der Säuren dienen diese Stoffe als kräftige säurewidrige Mittel überall, wo Säure in übenaässiger Menge erzeugt wird, es mag dieses durch einen Gährungsprocess in den Ver­dau ungseingeweiden, oder durch abnorme Secretionen von zu sauren Säften an irgend einem Orte im Thierkörper geschehen; daher nament­lich bei unregelmässigem, wechselndem Appetit, bei schlechter Ver­dauung, bei Abmagerung u. s. w., wenn der Darmkoth scharf sauer riecht, das Lackmuspapier stark röthet und mit Schleim umhüllt ist; eben so bei Durchfall, wenn die Excremente diese Beschaffenheit zei­gen; bei der Lecksucht (die sich vorzüglich am Rindvieh in einem hohen Grade zeigt, und wobei die Thiere oft aus Instinkt Erde, Thon-scherben, Kalk und dgl. fressen); bei Harnsteinen und bei Sand in der Blase und in den Nieren, wenn der Urin viel Säure oder auch viel Schleim, Gallerte und andere thierischc Bestandtheile enthält, wie auch, wenn er in zu geringer Menge abgesondert wird. — Nach ungeschick­ter Anwendung von Säuren dienen die Alkalien und Erden als die wirksamsten Gegenmittel zur Verhütung und Beseitigung der entste­henden üblen Zufälle.
2)nbsp; nbsp;Vermöge ihrer Eigenschaft, kohlensaures Gas in grosser Menge zu absorbiren, sind diese Mittel gegen Aufblähung des Magens und des Darmkanals, daher bei der Trommelsucht der Wiederkäuer und bei der Windkolik der Pferde sehr nützlich, besonders wenn die Aufblähung durch den Genuss von frischem Klee oder von anderem saftigen Grünfutter, von gefrornen liiiben und dergleichen entstan­den ist.
o) Durch ihren Einfluss auf die Verdauung und Assimilation, durch die Veränderung der chemischen Bestandtheile der Säfte, so wie. durch die stärkere Verflüssigung derselben und durch die Verstärkung der liesorption (sect;. 459.) wirken die Alkalien und alkalischen Erden als sehr kräftig auflösende, zertheilende, umändernde und urintreibende Mittel bei allen Zuständen, die man nach Grzedziewski harnsaure Krankheiten nennen kann, oder in denen ein krankhafter Bildungs-process mit erhöhetcr Plasticität, mit gerinnbarer Ausschwitzung, mit
ÜKKTWiG. Arzuuimiuullehre.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 2S
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Stockung, mit Gerinnung, Verdichtung und Verhärtung besteht; und besonders haben sie sich bei dergleichen KrankheitszustUnden der Lymphgeiässe, der drüsigen Organe und der Schleimhäute, bei und nach asthenischen Entzündungen mit starker Ausschwitzung, bei der­gleichen Bräune, bei bösartiger Druse, bei dem Hautwurm, bei Ver­härtungen der Drüsen, bei Tuberkeln, bei Hautausschlägen, bei der Egelkrankheit der Schafe, bei den rinnen der Schweine, bei Verschlei­mung des Verdauungskanals und der Lunge, und bei chronischen Schleimflüssen aus der Nase und aus den Geschleehtstheilcn nützlich
gezeigt.
4) Bei Nieren- und Blasestein-Dyskrasie, aus übermässiger Harn­säure entstanden.
Auch können diese Mittel (besonders das Ammoniak und die Schwefellebern) der Beobaclituug zufolge gegen Krämpfe nützlich sein; allein es herrscht noch ein grosses Dunkel darüber, bei welcher Art von Krämpfen diese Mittel eigentlich passend sind und wie ihre heil­same Wirkung dabei erfolgt.
sect;• 461.
Als Gegenanzeigen, die die innerliche Anwendung der Alkalien verbieten, sind grosse Schwäche und Erschlaffung der Weichgebilde und besonders des Verdauungskanals, — asthenisebes Fieber im hohen Grade, namentlich Faulfieher, — stinkender, colliquativer Durchfall und dergleichen Schweiss, und sehr reichlicher Abgang des Urins zu
betrachten.
sect;. 462.
Zum innerlichen Gebrauche dürfen die reinen Alkalien, die alka­lischen Erden und die Schwcfellebern nur in einem so verdünnten oder zertheilten Zustande angewendet werden, dass sie nicht ätzend auf den Magen und Darmkanal wirken können. Die flüssige Form ist deshalb für sie die schicklichste; weniger zweckmässig geschieht die Anwendung in Latwergen und Pillen, und am wenigsten in Pul­vern. Pillen und Pulver, welche alkalische Mittel enthalten, verder­ben auch sehr leicht, indem sie viel Feuchtigkeit und Kohlensäure aus der Luft anziehen. — Man verbindet diese Mittel, um ihre örtliche reizende Einwirkung laquo;auf die Verdauungseingeweide möglichst zu ver­mindern, besonders bei vermehrter Empfindlichkeit der letzern, am besten mit schleimigen Mitteln; dagegen aber mit bittern oder selbst, mit aromatischen Arzneien, wenn Schwäche des Magens und Darm­kanals und Unverdaulichkeit vorhanden ist. — Mit Säuren, mit Metall­oxyden und mit den meisten Metallsalzen darf man die reinen Alka­lien, die alkalischen Erden und die Schwefellebern nicht gemeinschaft­lich anwenden, wenn man die vollständige Wirkung dieser Mittel haben will; denn dieselben zersetzen sich gegenseitig durch ihre che­mischen Kräfte.
sect;. 463.
Aeusserlich, und zwar A. im concentrirten Zustande, wird von diesen Mitteln das reine Kali, zuweilen auch der reine Kalk, und, ob-
i.
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gleich seltener, auch das flüssige Ammoniak als Aetzmittel zum Zer­stören der stark wuchernden Granulation, so wie der Callositä.'en in Wunden und Geschwüren, der Warzen und Feigwarzen, und der in quot;Wunden gedrungenen Ansteckungsstoffe (besonders des Wuthgiftes) benutzt. Die genannten Mittel werden für diese Zwecke entweder ganz rein oder auch mit etwas quot;Wasser aufgelöst, angewendet. #9632;
B. Im verdünnten Zustande sind diese Mittel (ausgenommen die Thonerde) vermöge ihrer, die Vegetation der Haut erregenden, ihrer auflösenden, die Kesorption und die Zertheilung befördernden Wir­kungen sehr nützlich: a) bei chronischen Hautausschlägen, namentlich bei Jiäude und Mauke; b) bei schlaffen, unreinen Geschwüren, die eine Neigung zu Verhärtungen (Callositäten) zeigen, — c) bei Geschwül­sten, in denen Anhäufung von gerinnbaren Flüssigkeiten, Blutunter-laufung oder Verdichtung und Verhärtung des organischen Gewebes, aber nur ein geringer Grad von Entzündung besteht, daher auch bei Verdunkelung der Hornhaut unter solchen Umständen; und — d) das Ammoniak als reizendes, ableitendes, zertheilendes Mittel bei tiefer sitzenden Entzündungen, Rheumatismen, Verhärtungen und Lähmungen.
Man benutzt hierbei die Mittel am besten im Wasser aufgelöst zum Waschen der betreffenden Theile und zu Umschlägen.
1) Heines Kali, Kali hydrieum (sieeim unä/iisum), vejjetabilisches Laugensalz, Irocknes
ftiler gcschmolienes Aetzkali, Alkali vegetabile causticum, Kali causticum siecum s.fusmn
(AelZäleill, Lapis causticus cldrurgormn s. Cauierium Potentiale).
sect;. 464.
Das Aetz-Kali ist unter den Mitteln dieser Klasse das reinste und kräftigste, und es gilt daher Alles, was über die Wirkungen dieser Mittel im Allgemeinen (sect;. 459.) gesagt ist, von ihm ganz besonders. — Ein Pferd starb von 2 Drachmen Aetz-Kali, welche in 6 Unzen Wasser aufgelöst eingegeben worden, unter heftigen Kolikzufällen 32 Stunden nach dem Eingeben. Orfila beobachtete bei einem Hunde von 32 Gran des Mittels heftiges Erbrechen, wimmerndes Geheul, Schaum vor dem Maule, gehinderte Respiration, grossen Schmerz, — am folgenden Tage bedeutende Schwäche, und am dritten Tage den Tod. — Die Section zeigte die Schleimhaut des ganzen Vcrdauungs-kanals sehr geröthet, mit schwarzen Flecken, selbst mit Löchern ver­sehen. Bei jenem Pferde fand ich ganz ähnliche Veränderungen im Magen und Darmkanal, und selbst im Maule.
Injectionen von aufgelöstem Aetz-Kali in die Blutadern verändern die Mischung des Blutes sehr gewaltsam, und vernichten zugleich die Reizbarkeit des Herzens. Hunde bekamen nach der Injection von 5 Gran Aetz-Kali, in 1 Drachme Wasser aufgelöst, sogleich Zit­tern der linmpfmuskeln, und starben nach 2 Stunden, ohne das ge­ringste Zeichen von Schmerz oder Convulsionen vorher gegeben zu haben. Die Section zeigte: das Herz voluminös, die Herzkammern mit dunklem, geronnenem Blute augefüllt; die Lungen gesund, die Muskeln zitternd (Orfila). — Ich sah von der Injection einer eben
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so starken Auflösung bei einem Hunde augenblicklich sehr beschwer­liches Athmen, grosse Aufregung, Angst, bald darauf aber Mattigkeit, unfühlbaren Puls, Lähmung, und nach 40 Minuten den Tod erfolgen; und bei der Section fand ich das Blut im Heizen und in den grossen Gefässen flüssig und schwarzbraun. Aehnliche Wirkungen beob­achtete ich bei Pferden nach Injectionen von 30 Gran Aetz-Kali, welche in 2 Unzen Wasser gelöst waren. Dagegen überstanden einige Pferde das Einspritzen einer Auflösung, welche aus 12 — ^0 Gran des Mittels und 2 Unzen Wasser bestand; sie wurden etwas munterer, die Wärme vermehrt, die Schleimhaut im Maule dunkler gerottet, der Puls klein und schnell; das Athmen etwas angestrengt; es fand sich Gäh­nen, Kecken und Dehnen der Gliedmaasseu, Umsehen nach dem Leibe, Drang zum Uriniren ; nach 1/a—1 Stunde erschienen die Thiere matt und traurig, aber nach 3—5 Stunden war die Wirkung wieder vorüber.
sect;. 465.
Innerlich wird das Aetz-Kali seiner heftig reizenden und ätzenden Wirkung wegen höchst selten angewendet, und wohl mit Recht, da es durch das mildere Kalkwasser und durch das auch mildere kohlensaure Kali (Potasche) zu ersetzen ist. — Abildgaard versuchte gegen den Eotz eine kaustische Lauge, die aus i!.2 Unze ätzendem Laugensalz mit 2 Pfund Wasser bereitet war (also in 1 Unze Flüssigkeit 71/2 Gran Aetz - Kali entliielt); die Einspritzung dieser Lauge in die Nase be­wirkte starkem Ausfluss des Eiters, und von ihrer innerlichen Anwen­dung in Gaben zu 4 Unzen entstand Speichelfiuss (wahrscheinlich nur durch die örtliche Einwirkung auf die Maulschleimhaut), aber übrigens blieb der Gang der Krankheit unverändert1.
Will man das Mittel gegen eine, im sect;. 460 angedeutete Krankheit innerlich anwenden, so darf es nur in sehr geringen Gaben, nämlich bei Pferden von lä—20 Gran, bei dem Kindvieh von 20—30 Gran,
bei Schafen und Schweinen von 4—6 Gran, und bei Hunden von 1----1
Gran, und nur in einer so verdünnten Auflösung geschehen, dass man letztere im Munde ertragen kann. Hierzu ist eine Unze Wasser oder andere Flüssigkeit auf 2 Gran Aetz-Kali hinreichend. — Zusätze von anderen Mitteln macht man nach Anleitung des sect;. 4Ci2. — Die Wieder­holung geschieht in Zwischenzeiten von 10—12 Stunden, und nach drei- bis viertägigem Gebrauche lässt man das Mittel durch ein oder zwei Tage aussetzen.
sect;. 466.
Aeusserlich benutzt man das Aetz-Kali im concentrirten Zustande als Aetzmittel zur Zerstörung der wuchernden und unreinen Granula­tion, der Warzen, und der schwieligen Verhärtungen in Wunden, der Verhärtungen in Geschwüren, des Ansteckungsstoffes in Bisswunden von wuthkrankeu Thieren und dgl. (sect;. 4615. A.). Es verdient für diese Zwecke in den meisten Fällen zum thierarzneilichen Gebrauche
1 Viborg, Sammlung von Abhandlungen; 2. Bändclien. S. 419.
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den Vorzug vor den übrigen Aetzmitteln, weil es wohlfeil ist und in die Tiefe eindringt; allein da es bei der Anwendung begierig Feuchtig­keit anzieht und deshalb sehr leicht zerHiesst, so hat es auch wieder den Nachtheil, dass es seine zerstörende Wirkung sehr oft viel weiter verbreitet, als es nöthig ist. Auch ist wohl zu beachten (was schon sect;. 459. angegeben), dass das Aetz-Kali die betroffenen Theile zuerst erweicht, auflockert, und in eine breiige Masse auflöst, and dass der hierauf sich bildende Schorf längere Zeit etwas feucht bleibt und nie­mals so fest wird, wie nach dein Aetzen mit Säuren oder mit dem Höl­lenstein; doch haftet er fester und sitzt tiefer als der von letzterem Mittel. Man darf es daher als Aetzmittel da nicht anwenden, wo Er­schlaffung, starke ödematöse Geschwulst, ein fauliger Character der Entzündung, und Neigung zum Brande besteht, oder wenn wichtige, zarte Organe in der Nähe liegen; dagegen ist das Aetz-Kali sehr gut geeignet zur Zerstörung thierisclier Gifte (Contagien) in Wunden und Geschwüren, besonders aber ist es, nach den Empfehlungen Mederer's v. Wuthwehr, zur Vernichtung des Wuth-Contagiuins in Bisswunden von tollen Hunden u. s. w., das beste Mittel.
Das Aetzen geschieht am besten mit dem trockenen Kali, welches man nach Verhältuiss der Dicke der kranken Gebilde durch '/j — 2 Minuten anhaltend mit den letzteren in Berührung bringt, nachdem sie mit einem Schwämme von der überflüssigen Feuchtigkeit befreit wor­den. Weniger zweckmässig ist es, Stückchen von Kali in unreine Geschwüre und Aftergebilde zu legen. — Zuweilen wendet man auch eine concentrirte Auflösung von 8-15 Gran Aetz-Kali in einer Unze Wasser (als sogenannte Aetzlauge) oder eine ähnliche Auflösung in Weingeist bei Fisteln und bei tief eingedrungenen unreinen Bisswuuden an, nachdem man dieselben ausgeschnitten oder wenigstens scariticirt und nach dem Ausbluten völlig gereiniget hat.
Um dem Aetz-Kali die Eigenschaft des schnellen Zerfliessens und des weitern Umsichgreifens der Aetzuug zu nehmen , hat man unter der Benennung: „Wiener Aetzpulver'quot; ein Gemenge von ihm (5 Theile) mit Aetz-Kalk (6 Theile) empfohlen, welche man als Pulver einstreuen, oder mit etwas Wasser oder Weingeist zu einem Teige ge­macht, auf die kranken Stellen appliciren kann. Die atzende Wirkung erfolgt hiernach genau begrenzt, fast ohne Schmerz, und eben so schnell wie von dem reinen Kali, so dass oft schon nach einer halben Stunde ein Schorf entstanden ist. Auch lässt sich das trockene Gemenge in gut verschlosseneu Gläsern aufbewahren ; frisch bereitet ist es jedoch am wirksamsten.
Im verdünnten Zustande, d. i. in Auflösungen von 1—3 Gran Aetz-Kali in 1 Unze Wasser, hat sich das Mittel zum Waschen bei Künde, Flechten und Mauke, und eben so zum Waschen oder zu Um­schlägen bei Stockungen, Verhärtungen und dgl. (sect;. 463. B.) sehr wirk­sam bewiesen. Die Anwendung kann bei den ersteren Krankheiten täglich ein - bis zweimal, bei den letzteren aber sechs - bis achtmal wiederholt weiden. {Kali hydric. fus. 1 Unze 4 Sgr.; siecutn 1 Unze 3 Sgr. 4 Pfg.)
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Anmerkung. I).is Aetz-Natrum oder das a tz ende mineralische Lau-gensalz, die reine Soda. Natronhydrat (ATnJrlaquo;m causticum s. pnriim. Sei Aleali mineralc catisticum^ Osydum Xnirl hydratuni), kommt in den Wirkungen mit dem Aetz-Kali ganz überein, ist nur etwas milder und zerflicsst nicht so an der Luft wie das Kali. Es kann ganz ivie das letztere benutzt werden; seine Anwendung ist aber fast gar nicht gebräuchlich.
2) Ammoniakuiii, Ammoniaenm; Aimiionium. Aelz-Ammoninin, flüchtiges Alkali, flüchtiges Laugensalz, Sal volatile ammoiiiatum, Sal volatile.
sect;• 467.
Das Ammoniak besteht bei gewölmlicher Temperatur nur als ein Gas, -welches aber vom kalten Wasser begierig absorbirt wird und mit demselben das flüssige Ammonium (J.wmo?i. caustic, solutwn), oder dieAetz-Ammouiakflüssigkeit, den sogenannten Salmiakgeist (Agt;nmo7iium Uquidum, Liquor Ammoniaci s. Ainmonii caustici, Spiritus salis ammoniaci causticus etc.) darstellt. Diese Flüssigkeit enthält (nach der Prenss. Pharmacopöe bereitet) gegen G — S Procent reines Aetz-Ammoniak.
Der Salmiakgeist im unverdünnten Zustande wirkt, bei innerlicher Anwendung, örtlich sehr stark und durchdringend reizend, entzündend und selbst ätzend, in letzterer Hinsicht aber schwächer und weniger tief eindringend als das Aetz-Kali; auch macht er noch weit weniger als dieses einen trockenen, festen Schorf, sondern er bildet mit den thierischen Substanzen flüssige Verbindungen. — In die Haut einge­rieben bewirkt er heftige iieizung, Entzündimg mit seröser Aus-sehwitzung und mit Bläschen, oft auch Zerstörung der Oberhaut und Ausgehen der Haare, die jedoch in kurzer Zeit wieder wachsen.
Die reizende Wirkung verbreitet sich, besonders bei innerlicher Anwendung, sehr schnell fast durch den ganzen Organismus, tritt aber am deutlichsten in den Ganglien - und Kückenmarksnerven, in den Respirationsorganen, im Herzen und in den kleinen Gefässen der Schleimhäute, der Drüsen und der Haut hervor; sehr grosso Gabe.! scheinen auch das Rückenmark und das Gehirn, letzteres aber weniger als ersteres, zu afficiren. — Eei dem Eingeben des Mittels entsteht fast jedesmal zuerst starker Husten, veranlasst durch die unmittelbare Ein­wirkung des, in der Wärme des Mauls stark verdunstenden Ammoniaks. Die übrigen Erscheinungen nach dem Eingeben der concentrirten Flüs­sigkeit in massiger Gabe. (z. B. von 2 Drachmen bei Pferden und Rind­vieh, von 8— 12 Tropfen bei Hunden) sind: Geifern aus dem Maule, munterer Blick, erhöhete Wärme der Haut und der ausgeathmeten Luft, lebhaftere Röthung der Schleimhaut im Maule und in der Nase, etwas vollerer, schnellerer Puls, schnelleres Athmen, bei Hunden zu­weilen Erbrechen, grosse. Unruhe; — später vermehrte Hautausdün­stung, vermehrte Absonderung an den Schleimhäuten, oft auch reich­liches Uriniren; nicht selten bemerkt man auch Anätzungen der Schleimhaut im Maule. Jene Wirkungen dauern ^'o—2 Stunden. — Von grossen Gaben entstehen aussei- den angegebenen Zufällen oft auch Krämpfe (Tetanus), vorzüglich in den Muskeln des Halses, wobei
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derselbe stark nach rückwärts gezogen wird, Fieber, Entzündung des Magens und Darmkanals, zuweilen auch der Lunge, und mehrentheils folgt der Tod. Bei Orf'ila's Versuchen starb ein Hund nach den; Ein­geben von 36 Gran reiner Aetz-Ammoniakflüssigkeit in 23 Stunden, ohne dass Lähmung oder Convulsionen entstanden waren. — Pferde ertrugen bei meinen Versuchen das Mittel bis zu 1/2 Unze ohne gefähr­liche Folgen; aber von 1 Unze starb ein Pferd in Zeit von ! 6 Stunden an Darmentzündung und ein anderes von 3 Unzen schon nach 50 Mi­nuten unter heftigen Krämpfen und unter Erstickungszufällen.
In die Venen gespritzt verursacht der Salmiakgeist im Wesent­lichen dieselben Zufälle. Ein Hund zeigte nach der Injection von 60 Gran augenblicklich Starrkrampf, unwillkürlichen Abgang des Urins, heftige Convulsionen, und starb nach 10 Minuten (Orfila). Bei Pferden von verschiedener Constitution sähe ich nach Injectionen von 1 Drachme des Mittels mit 1 Unze Wasser verdünnt nur eine sehr geringe Beschleunigung der Pulse, ohne anderweitige Veränderungen eintreten; nach Injectionen von 2 Drachmen bis ^ Unze des unver­dünnten Mittels bekamen sie einen munteren Blick, etwas schnelleres Athmen, stärker fühlbaren und viel schnelleren Herzschlag und Puls der Arterien, erhöhete Temperatur der Haut und zuweilen selbst Schweiss. Krämpfe traten niemals ein. — Nach Injectionen von 1 Unze des Mittels entstanden dieselben Zufälle in stärkerem Grade und oft noch in der ersten Minute auch Schwindel, zuweilen bis zum Niederstürzen, und Krämpfe, die aber nach 4—6 Minuten wieder ver­schwanden. — Von 2 Unzen starb ein Pferd unter heftigen Krämpfen unmittelbar nach der Einspritzung.
Im verdünnten Zustande wirkt der Salmiakgeist bei der verschie­denen Anwendung ganz in derselben Art, aber vcrhältnissmässig mil­der, besonders örtlich, und er wird daher auch in diesem Zustande bei innerlicher Anwendung in grösseren Gaben, als die oben bezeichneten sind, ertragen.
Neben der flüchtigen Heizung bringt das Aetz-Ammoniak (beson­ders bei fortgesetzter Anwendung) dieselbe Wirkung auf die Säfte u. s. w. hervor, wie die übrigen Alkalien (sect;. 459). C. G. Mitscher-li ch (a. a. ü.) giebt jedoch aus seinen Versuchen an Kaninchen noch folgende Resultate über die eigenthümlichen Wirkungen dieses Mittels: Es bildet bei der Aetzung flüssige Verbindungen und führt bei inner­licher Anwendung selbst in grossen Gaben nicht ab; es wird resorbirt, da man sowohl im Magen wie auch in Wunden nach seiner Anwendung sehr wenig von ihm wiederfindet; das Blut wird dünnflüssiger und gerinnt langsamer, zeigt aber keine alkalische Beschaffenheit, eben so der Harn, daher zu schliessen ist, dass das Ammoniak nach seiner Resorption Verbindungen eingeht, die nicht mehr alkalisch reagiren '. Auf den Dünndarm wirkt, es speeiiisch; denn auch von Wunden lier zerstört es, unter starker Schleimbildung, das Epithelium desselben. Es wird nicht blos von den Gefässen aufgenommen, sondern dringt
1 Sollte es vielleiclit zersetzt werden?
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auch in gerader lliclitung durch die Gewebe, — mid es tödtet (in quot;#9632;rossen Gaben) vom Magen und von Wunden aus auf gleiche Weise, unter denselben Erscheinungen und mit gleicher Zerstörung des Uimn-danns, jedoch wahrscheinlich erst nachdem es resorhirt ist und eine Blutveränderung hervorgebracht hat.
sect;. 468.
Die innerliche Anwendung des Salmiakgeistes kann zwar nach denselben Indicationen geschehen, welche für die Kalien überhaupt gelten (sect;.460); indessen ergiebt sich doch von selbst, dass seine flüchtig reizende Wirkung noch eine besondere Berücksichtigung verdienen muss. Er kann in dieser Hinsicht gegen solche asthenische Ner­venleiden, bei denen gleichzeitig die Sensibilität und die Irritabilität sehr vermindert sind, und wo in Folge der verminderten Nervenkraft die Bewegungen und die Ab­sonderungen unregelmässig geschehen, auch wo die Mischung des Blutes durch mangelhafte Entkohlung leidet, wie z. B. bei Schlag-fluss, bei Lähmungen, Nor venlieber mit Torpor, bei der Staupe der Hunde mit Krämpfen und mit grosser Abstumpfung, bei Krämpfen überhaupt, besonders aber bei krampfhafter Harnverhaltung, bei An­thrax und speciell bei der Blutstaupe der Schafe, und dgl. ein wirk­sames Heilmittel sein; allein er wird gegen diese Krankheiten, und überhaupt innerlich nur sehr selten benutzt, theils weil er bei dem Ein­geben, selbst im verdünnten Zustande, oft starken Husten und andere Beschwerden erregt, theils auch, weil er durch das milde kohlensaure Ammoniak und Hirschhornsalz in den allermeisten Fällen besser zu ersetzen ist.
Vortreffliche Dienste leistet der Salmiakgeist, vermöge seiner chemischen Wirkung auf das kohlensaure Gas und andere saure Gase, und zugleich vermöge seiner reizenden Wirkung auf den Magen und Dünndarm, gegen das Aufblähen der Wiederkäuer, besonders wenn das Aufblähen erst frisch entstanden und durch den Genuss von Grün­futter verursacht i^t '. Sehr oft sähe ich hier unmittelbar nach dem Eingeben des Mittels die Flanken beträchtlich zusammenfallen. Der Salmiakgeist verbindet sich sowohl mit der im Magen vorhandenen Kohlensäure. wie auch mit dem Schwefelwasserstoffgas, und, indem er dieselben in dichtere Substanzen umwandelt, vermindert er ihren Um­fang sehr bedeutend. Wegen dieser Wirkung auf das zuletzt genannte Gas hat er den Vorzug vor dem Kalk und dem Kalkwasser; dagegen hebt er die fernere Entwickelung dieser Gase aus den noch in fort­dauernder Gährung befindlichen Nahrungsmitteln nicht auf, und seine Anwendung muss deshalb in manchen Fällen wiederholt werden. Bei einem sehr hohen Grade der Aufblähung leistet er nicht genug, und er macht unter solchen Umständen den Troikart nicht entbehrlich. Ebenso nützlich ist er gegen Windkolik der Pferde.
1 Vollständiges FT.amlbuch der Vieharzneikungt von Chabert, Flandrin und Hazard. S. 124 u. 125.
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In neuerer Zeit ist das Mittel auch bei Vergiftungen mit Blau­säure als Gegengift empfohlen worden; es hat sieh aber nicht im min­desten bewährt.
Gegen Betäubung durch übermässigeii Genuss spirituöser Sub­stanzen ist der mit Wasser verdünnte Salmiakgeist innerlich, so wie als Waschmittel angewendet, nützlich gewesen1. Man kann ihn in solchen Fällen auch als Olystir appliciren.
Hayne (Arzneimittellehre) empfiehlt ihn auch gegen plastische Ausschwitzungen bei und nach Entzündungen, als auflösendes Mittel innerlich zu gebrauchen. Die Erfahrung hat hierüber noch nicht ent­schieden ; es scheint aber, dass das Mittel, wenngleich es die bezeichnete Wirkung besitzen mag, der mildern und wohlfeilem Potasche in die­sem Gebrauehe nachstehen muss.
Einspritzungen des verdünnten flüchtigen Alkali in die Drossel­vene empfahl Ivoyo gegen den Uotz-; ich habe sie bei mehreren mit dieser Krankheit behafteten Pferden wiederholt angewendet, aber in keinem Falle Nutzen davon gesehen.
sect;. 469.
Die Gabe von Salmiakgeist ist für Pferde 2 Drachmen bis Vg Unze, für Binder das Doppelte und bis zu 2 Unzen, für Schafe und Schweine 1 Scrupel bis 2 Drachmen, für Hunde 5—15 Tropfen. Die Wieder­holung geschieht in Zwischenräumen von 20' Minuten (z. B. bei schneller Wiederkehr des Aufblühens) bis zu 2 Stunden, je nachdem die Zufälle es verlangen. Man giebt das Mittel nur in flüssiger Form, und stets sehr verdünnt, so dass ein Theil desselben mit 40—50 Theilen an­derer Flüssigkeit, z. B. mit kaltem Wasser, mit einem schleimigen oder bittern Decocte und dgl. zusammengesetzt wird. Dr. Ruprecht empfahl eine Verbindung mit dem Saft der Marienkäfer {Cocciouella septempunetatä) gegen Anthrax, aber Ammoniak für sieh allein leistete ebensoviel, liecht zweckmässig ist ein Zusatz von Weingeist. Die Flüssigkeit darf nur kalt, oder höchstens lauwarm eingegeben werden, um das starke Verdunsten des Ammoniaks, Schwächung der Wirksam­keit und Husten zu vermeiden. Säuren, saure Salze, erdige und me­tallische Salze, und narkotische Tincturen dürfen mit dem Mittel nicht verbunden werden.
sect;. 470.
Aeusserlich ist der reine Salmiakgeist zur Zerstörung des Giftes in Bisswunden von tollen Hunden, von giftigen Schlangen und dgl. empfohlen. Sehr häufig dient er als ein reizendes, ableitendes und krampfstillendes, bei Verhärtungen und Stockungen auflösendes, zer-theilendes Mittel bei Nierenentzündung u. a,, bei schleichenden asthe-nischen Entzündungen unter der Haut, bei Bräune, bei veralteter Bug­lahmheit und Verstauchung, bei chronischem Rheumatismus und bei
1nbsp; Journ. de raeil. vwter. 18.H5. p. 114.
2nbsp; nbsp;Domingo Royo L'lave de Albeyteria. Madrid 1714.
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hiervon entstandenen Lahmheiten, bei Stockungen und Verhärtungen, daher bei zu Verhärtung neigenden Stollbeulen, Piephacken und Sehnenklapp, bei Krämpfen und Lähmungen. Bei Bienen- und Wespen­stichen auf den leidenden Theil gestrichen, bewirkt er augenblickliche Minderung der Schmerzen.
Die Anwendung geschieht bei diesen Zuständen gewöhnlich in Verbindung mit 2 — 4 Theilen eines fetten Oels, wodurch das soge­nannte Ammonium - Liniment, flüchtige Liniment oder die flüchtige Salbe {Linhnentum s. Oh-um ammoniatum, Linimentum volatile), eine Art flüssiger Seife entsteht. — Zuweilen setzt man hier­zu noch 1—2 Theile Kampheröl (sect;. 247 f.), und erhält so das flüch­tige Kampher-Liniment (Linimentum ammoriiato-camphoratum), welches etwas mehr erregend wirkt als das vorige; und noch stärker reizend wird das Liniment durch den Zusatz von Kampher-Spiritus, z. B. bei Nierenentzündung, mit Terpenthinöl, Steinöl, von Canthariden-tinetur oder auch von Cantharidcnpulver bei Eheumatismus u. s. w. Will man aber mehr gelind auflösen und zertheilen, so ist die Verbin­dung des Ammonium-Liniments mit der grauen Quecksilbersalbe, oder auch mit grüner Seife in verschiedenem Verhältniss, sehr zweckmässig. Auch mit 1 — 6 Theilen Weingeist oder Kampherspiritns verbunden, benutzt man den Salmiakgeist bei Lähmungen, Eheumatismus etc., z. B. als schmerzlinderndes Mittel bei rheumatischer Spannung der Muskeln und Sehnen nimmt man an: Liquor, ammoii. canst. 4 Unzen, Spirit, vini rectific. 3 Unzen, Spirit, camplior. 1—2 Unzen. — Zum stärkern Eeizen und Blasenziehen: Liquor. Amman, caust. part. 5, Tiuct. Cantharid. part. 2. Letztere Mischung muss etwas reichlich auf den Theil gebracht werden. Lagegen geschieht die Anwendung der erstem Mittel, je nachdem es der Grad des Uebels erfordert, täglich ein- bis dreimal durch gelindes oder starkes Einreiben in die Haut auf den kranken Theilen und in deren Umgebung. Es ist aber dabei zu beachten, dass durch wiederholte Anwendung, bei Pferden mit zarter Haut nicht selten schon durch die erste Einreibung starke Entzündung der Haut, Ausschwitzung, und sjüiter Ausfallen der Haare entsteht. Letztere wachsen jedoch bald wieder. (1 Unze 1 Sgr. 6 l'f'g.)
3) Aetzkalk, Calciuui-Os.vd, reiner, gebrannler oiler lebendiger Kalk, Cahium oxydaium
n. Oxydum calcicum. Calx usla s. viva s. cansiica; und Ralkwasser, Calcuria sohüu.
Aqua Calais, s, jiqua Calcii vivae s. usiac, s. Aqua Calcariac.
sect;• 471.
Die Eigenschaften des Kalkes sind, je nachdem er im reinen, concentrirten Zustande oder mit Wasser verbunden besteht, etwas ver­schieden. Wird Kalkerde mit etwa der Hälfte ihres Gewichts Wasser zusammengebracht, so erhitzt sie sich bedeutend und zerfällt in ein weisses Pulver, gelöschter Kalk, Kalkhydrat {Hydras calcicus), welches zwar noch ätzend, aber doch etwas milder ist als der trockene Actzkalk. Dieses Hydrat löst sich in etwa fiOO—700 Theilen kaltem, oder in etwa 1200—1300 Theilen heissem Wasser auf und bildet das
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Kalkwasser; mit weniger Wasser löst es sich unvollkorrimen und stellt eine trübe, milclnveisse Flüssigkeit, die Kalkmilch dar.
a) Der Aetz-Kalk in concentrirtem Zustande erzeugt örtlich starke Ecizung, Entzündung und Aetzung, jedoch etwas weniger tief ein­dringend als der Aetz-Kali. Die Ursache dieser etwas geringeren Wirksamkeit beruhet wahrschpinlich zum grossen TLeil in der schwo­ren Löslichkeit des Kalkes und in seiner bald erfolgenden Sättigung mit Kohlensäure, indem er dieselbe überall begierig an sich zieht and dadurch gemildert wird. — Ausserdem ist die Wirkung des Kalkes noch darin eigenthümlich, dass sie mit mehr Austrocknung und Zu-sammenschrumpfung der betroffenen Theile verbunden ist, als die Wirkung der übrigen alkalischen Mittel.
Innerlich gegeben wirkt der Aetz-Kalk ebenfalls weniger s6harf auf die betroffenen Theile, als das Kali und Ammoniak, und er wird daher auch in etwas grösseren Gaben ertragen, ohne dass lebensgefähr­liche Zufalle entstehen, bei grossen Gaben bleiben diese jedoch nicht aus, und bei fortgesetzter Anwendung derselben entstehen sie oft sehr plötzlich im hohen Grade.
Ein Hund, dem Orfila (Toxikologie, Bd. 1. S. 189) 21/2 Drach­men Aetzkalk eingegeben, brach nach 10 Minuten eine Menge Nah­rungsmittel aus, hatte Schaum vor dem Munde und äusserte Schmerz. Am folgenden Tage hatte er sich wieder erholt. Als ihm aber am fünften Tage 3 Drachmen des Mittels eingegeben wurden, erbrach er sich nach 2 Minuten, wurde schwach und starb o Tage darauf, ohne eine Spur von Schwindel, Convulsioneu und dgl. — Die mit dem Kalke in Berührung gewesenen Theile zeigten sich entzündet, alle übrigen Organe aber gesund.
Viborg (Sammlung von Abhandlungen, 4. Bdchn. S. 254) gab einem alten gesunden Pferde auf das Futter täglich 4 Loth pulverisir-ten Kalk durch 14 Tage, ohne dass man eine Wirkung davon bemer­ken konnte; das Pferd frass auch sein Futter mit dem gewöhnlichen Appetit. Es wurden ihm hierauf lt;s Loth von diesem Kalke auf das Futter gegeben, und als dies durch 14 Tage geschehen, hatte der Mi;-t eine weiche Consistenz angenommen, war aber gut verdauet. Dieselbe Quantität des Mittels wurde nun noch 14 Tage hindurch täglich mit dem Futter gegeben, ohne dass davon eine nachtheilige Folge für die Gesundheit des Pferdes entstand. Als man hierauf den Kalk aussetzte, wurde nach einigen Tagen der Koth hart, klein und geballt, und dunkel gefärbt, üebrigens gingen alle Verrichtungen des Pferdes wie im ge­sunden Zustande vor sich. — Viborg schliesst aus diesen Versuchen: dass der ungelöschte Kalk nicht die gefährliche Wirkung auf die Ver-dauuugseingeweide des Pferdes habe, wie man gewöhnlich glaubt; dass er vielmehr den 1 )arinkanal reize , die Verdauung befördere , die Ab­sonderungen au der inwendigen Fläche des Dannkanals vermehre und hierdurch den Mist dünner mache; dass er aber in zu grossen Gaben oder bei zu langem Fort gebrauche eine Ueberreizung und Schwäche bewirke, und dass, wenn man unter solchen Umständen plötzlich damit aufhört, Kolikzufälle aus Mangel der Verdauung entstehen müssen.
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Ich habe diese Versuclie mit dem Aetz-Kalk auf dieselbe Weise an mehr als 2lt; I Pferden wiederholt und kann die bezeichneten Wir­kungen, so weit sie den Magen und Darmkanal betreifen, bestätigen, inuss aber hinzufügen, dass viele Pferde gleich von dem Genuss des ersten, mit frisch pulverisirtem Aetz-Kalk gemengten Putters (1—Ü Loth Kalk mit 1 Metze Hafer und Häcksel) an einzelnen Stellen im Maule, an der Zunge, den Lippen u. s. w. Entzündung und Corro-sionen der Schleimhaut, Geschwulst dieser Theile und Ausfluss von zähem Speichel aus dem Munde bekamen '; — dass manche Pferde zwar das mit Kalk gemengte Putter ganz begierig frassen, viele aber nach dem einmaligen Genuss desselben es in Zeit von 2—3 Tagen nicht wieder berührten, sondern lieber hungerten;— und dass ein­zelne bei dem, durch o —4 Wochen fortgesetzten reichlichen Kalk-futteru plötzlich in ein asthenisches Fieber verfielen, dabei beschwer­liches Athmen, ödematöse Anschwellung des Kopfes und der Leine, Kolikzufälle und grosse Schwäche zeigten und unter allen Erschei-uungeu eines acuten Paulfiebers in 2—4 Tagen starben.
Von dein auf dieselbe Weise gegebenen sogenannten Mehl kalk oder Kalkmehl (d. i. der au der freien Luft zu einem Pulver zer­fallene, durch Aufnahme von Kohlensäure und von Wasser viel mil­der gewordene Kalk), entstand nur sehr selten eine Spur von ätzen­der Einwirkung auf das Maul.
sect;. 472.
b) Das Kalkwasser ist im reinen Zustande eine vollkommene Auflösung von 1 Theil Kalkbydrat in etwa 600—700 Theilen Was­sers2, und wird nach Vorschrift der Preuss. Pharmacopöe bereitet, in­dem man 1 Theil Aetz-Kalk mit ;50 Theilen kalten Wassers ablöscht und dann, nachdem die unaufgelösten Kalktheile sich auf den Boden ge­senkt, die obere, klare Flüssigkeit zum Gebrauch abgiesst und in gut verstopften Gläsern aufbewahrt.
Es wirkt bei innerlicher Anweuduug selbst in grossen Gaben (z. B. zu (3 Pfd. bei Pferden, zu 9 Pfd. bei Eindern und zu 1 Pfd. bei Hunden) auf die Schleimhaut des Verdauungskanals nicht ätzend, son­dern reizend, zugleich aber gelind zusammenziehend, den Tonus er­höhend, stärkend, die Absonderungen beschränkend, die zu grosse Reizbarkeit vermindernd, — ausserdem auch im vorzüglichen Grade Säuren und kohlensaures Gas absorbirend. — Die stärkenden Wirkun­gen verbreiten sich weiter auf die drüsigen Organe, auf die Lymph-gefässe , auf die Schleimhaut der liespirationsorgano und vorzüglich auf die Urinwerkzeuge; es wird der ganze Vegetationsprocess umge­stimmt und die Absonderungen werden nicht allein in der Menge ver­mindert, sondern auch qualitativ verändert.
1 Dieselbe örtliche Wirkung Siilie icii )gt;ei 2 Pferden, n-elche die, vor 6 Stunden mit frisch gelöschtem Kalke übertünchten Stallwände beleckt hatten, entstehen.
- Zuweilen enthält das Kalkwasser auch etwas aufgelöstes Aetz-Kali, wodurch es viel mehr reizend, selbst ätzend wird.
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Bei Injektionen von 2— 6 Unzen Kalkwassers in die Drosselvene an Pferden sähe ieh die Herzschläge schwächer, aber um 6—8 in der Minute vermeint werden und reichliches Uriniren entstehen. Andere Erscheinungen traten nicht ein.
Auf die unverletzte Haut #9632;wirkt das Kalkwasser nur schwach reizend und gclind zusammenziehend. — In Wunden und Geschwüren wirkt es auf dieselbe Weise, aber etwas tiefer eindringend; es ver­bessert bei einem asthenischen Zustande derselben die Eiterung und Granulation, mindert beide, wenn sie zu reichlich von statten gehen, und man betrachtet es daher als ein reinigendes und austrocknendes Mittel.
Die sogenannte Kalkmilch erzeugt dieselben Wirkungen wie das Kalkwasser, aber in einem weit stärkern Grade, und namentlich ist die örtliche Reizung und Zusammenziehung an wunden Stellen viel heftiger. Von den Schleimhäuten der Verdammgseingeweide wird aber die Kalkmilch ohne Nachtheil ertragen. — Auch dieses Mittel muss in gut verstopften Gläsern aufbewahrt oder am besten vor dem Gebrauch erst frisch bereitet werden.
sect;• 473.
Die innerliche Anwendung des reinen Aetz-Kalkes im concen-trirten Zustande ist niemals uothwendig und darf bei keiner Thier-gattung, auch selbst bei Pferden, nicht empfohlen werden, obgleich Viborg's Versuche die Anwendung bei den letztern als fast ganz ge­fahrlos darstellen'.
Dagegen kann eine Auflösung und sehr verdünnte Mengung mit Wasser, am besten das Kalkwasser innerlich bei allen Krankheiten, welche im sect;. 4 CO. angedeutet sind, als das passendste alkalische Mittel benutzt werden, und zwar, seiner tonischen Wirkung wegen vorzüglich dann, wenn diese Krankheiten in Erschlaf­fung und Reizlosigkeit der Schleimhäute des Verdauungs­kanals, der Harn und Geschlechtsorgane und der Luft­röhre, oder in Atonie. der Lymphgefässe und Lymphdrüsen begründet sind. — Eine Wiederholung der Namen dieser Krank­heiten scheint unnöthig, und es verdient nur noch bemerkt zu werden: dass das Kalkwasser, wegen seiner Eigenschaft, das kohlensaure Gas reichlich zu absorbiren, gegen das Aufblähen der Wiederkäuer nach dem Genuss von Griinfutter, besonders von frischem Klee, am häufig­sten unter allen absorbirenden Mitteln, und sehr oft mit dem besten Erfolge gebraucht wird; —#9632; dass es von Viborg (Anleit. z. Erzieh. U. s. w. des Schweins S. 107.) gegen die ISorstcnfäulc der Schweine — und von manchen Thierärzten als ein Heilmittel gegen den Rotz
1 Nur Pfonleliiiiullor benutzen zuweilen den nngelöscliten Kalk, um ihre Pferde sehneil wohlbeleibt zu machen, indem sie ihn in kleinen Quantitäten unter das Futter mengen, oder noch hesser. ihn im Getränk mit Mehl, Schrot oder Kleie geben. Mehrentheils gebrauchen sie aber den milderen Mehlkalk. Solche aufgeschwemmte
Pferde sind aber sehr weichlich und erkranken sehr leicht nach geringen Ursachen.
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#9632;snbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;___________________
empfohlen jworden ist, aber nur in iiusscrst seltenen Fällen eine gute Wirkung gezeigt hat.
sect;• 474.
Man giebt das Kalkwasser den Pferden zu 2—6 Pfund, den Kin­dern zu o—9 Pfund, Schafen, Ziegen und Schweinen zu ^—11/2 Pfund, Hunden Va—3 Unzen, — und wiederholt diese Graben bei chro­nischen Krankheiten täglich zwei- bis dreimal, aber bei dem Aufblä­hen in Zwischenzeiten von '/j—1 Stunde, so oft es nothig ist. Am besten ist es , das Kalkwasser unmittelbar vor der Anwendung frisch zubereiten, weil das durch einige Zeit aufbewahrte, durch die Ein­wirkung der Kohlensäure der Atmosphäre, oft ganz unwirksam gewor­den ist. Mau nimmt dann von dem Kalke zu einer Gabe für die grossen Hausthiere Vo—1 Unze, für Schafe, Ziegen und Schweine 1—3 Drachmen, für Hunde 10 Gran bis '/j Drachme, übergiesst ihn nach und nach mit der 30—50fachen Menge Wassers, rührt die Flüs­sigkeit einigemal um und giebt dieselbe entweder sogleich ein, oder mangiesst, nachdem sie durch einige Minuten ruhig gestanden, den obern klaren Theil ab und benutzt diesen allein in den oben bezeich­neten Gaben. In den meisten Fällen ist es zweckmässig, mit dem Kalkwasser zugleich bittere oder aromatische Mittel, bei grosser Keiz-losigkeit auch Weingeist, Terpenthinül und dgl. anzuwenden; aber ad-stringirende Mittel, Salze, Säuren und Quecksilberpräpafate sind, der entstehenden Zersetzung wegen, zum innerlichen Gebrauche ganz un­passende Zusätze (sect;. 4ö2.).
sect;• 475.
Aeusserlich wurde der Aetz-Kalk ehemals zuweilen als Aetzmittel zur Zerstörung des sogenannten wilden Fleisches, der Feigwarzen und Warzen benutzt; er wird aber für diesen Zweck jetzt besser durch das Aetz-Kali, den Höllenstein u. s. w., oder durch das Messer und das glühende Eisen ersetzt. In Verbindung mit dem Aetz-Kali als söge-uauntes Wiener Aetzpulver bildet er jedoch ein ganz vorzügliches trockenes Aetzmittel (siehe sect;. 466.). Das Kalkwasser wird bei Wun­den und Geschwüren, in denen wegen Atonie die Absonderung zu reichlich und von dünner, jauchiger Beschaffenheit, oder die Granula­tion zu weich und üppig ist, — eben so bei dergleichen Brandwunden, bei sehr nässenden, flechtenartigen Hautausschlägen, bei eben solcher Mauke, besonders bei der Mauke des Rindviehes nach dem Füttern mit Kartoffelschlämpp, — bei übermässiger Schlcimabsonderung in der Xase oder in der Scheide, besonders wenn gleichzeitig Geschwüre vorhanden sind, — bei dem epizootischen Klauenweh, wenn sieb näs­sende Geschwüre bilden, und dgl., —häufig mit Nutzen gebraucht. Es dient, nach der Beschaffenheit dieser Krankheiten, zum Verbinden, zum Einspritzen oder zum Waschen, tbeils für sich allein, theils mit andern Mitteln verbunden; so z. B. mit Terpenthinöl oder Terpenthin, als sogenanntes Digestivwasser — (S. 20ö), um gute Eiterung zu befördern, daher vorzüglich bei Wunden und Geschwüren, in denen zu
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g-eringe irritable Thätigkeit besteht; — mit Kupfervitriol oder Grün­span (als sogen. Blauwasser und grünes Wasser), um auszu­trocknen und zu verdichten, — mit Sublimat oder Kalomel (als sogen. gelbes und schwarzes phagedänj sches Wasser), um gelinder auszutrocknen und zugleich die Beizung zu mindern, — auch mit lilci-essig oder mit Baumöl zu demselben Zwecke. Die letztern beiden Mittel geben ein sehr mild wirkendes Präparat, welches bei Excoriationen. bei schmerzenden Hechten, und vorzüglich bei in Eiterung überge­gangenen Verbrennungen sehr nützlich ist.
Ein Brei von Kalk und Wasser oder Oel, oder in angemessener Verbindung mit andern Mitteln kann auch als ein sogenanntes L) e p i -latorium oder haarablösendes Mittel benutzt werden, — obgleich dies in der Thierheilkunst selten nöthig ist. üie meisten Depilatorien bestehen aus ungelöschtem Kalk, kohlensaurem Kali oder Natron und schwefelsaurem Arsenik, und sie erregen leicht tief gehende Schwä­rung und sichtbare Narben. Dr. Wilson hat aber als ein unschäd­liches Haarvertilgungsmittel folgende Composition empfohlen. Nimm gebraunten Kalk 1 Drachme, kohlensäucrliches Natrum und Stärke­mehl, von jedem 2 Drachmen. Menge genau zusammen und mache mit Wasser einen Brei, den man auf den behaarten Theil legt und den­selben wieder abwäscht, sobald er trocken geworden ist (siehe auch bei Kalkschwefelleber.
Kalk in Verbindung mit Bleiglätte giebt ein Mittel zum Schwarz­färben der Haare (siehe Blei); — und Kalk mit Ei weis, oder auch mit weissem Käse zusammeugerieben, giebt einen festen Kitt, den man zum Ausfüllen der Ilornspaltcn benutzen kann. Derselbe muss jedoch gleich nach der Bereitung angewendet werden, weil er schnell hart wird.
4) Reine Bittereide, Talkeide, reine, gebraimte oder ätzende Magnesia, Alagnium-Oxjd,
Magnesiapura, Magnesia 2isia s, caleinaia, Magniuinoxydatum. Oxydnm magnesieuw.
sect;. 476.
Die Bittorerde ist in ihren Wirkungen unter allen rein alkalischen und erdigen Mitteln am mildesten, erzeugt selbst in grosseu Gaben weder Aetzung noch starke Reizung, absorbirt aber die im Magen und Darrakanal vorhandene freie Säure, und scheint auch in geringem Grade, ähnlich wie die übrigen alkalischen Mittel, auf den ganzen Or­ganismus und speciell auf die Säfte zu wirken.
Sie leistet als Heilmittel sehr gute Dienste in solchen gastrischen Krankheiten, welche mit übermässiger Säureentwickelung und zu­gleich mit erhöheter Reizbarkeit des Verdauungskanals verbunden sind, wie namentlich bei dergleichen heftigem Durchfall und Erbrechen, wenn dabei Kolikzufälle zugegen sind; eben so bei dem Aufblähen und dgi. Das Mittel wird jedoch selten und fast allein bei jungen oder bei kleinen Thieren gebraucht, weil es bei den grosseu Thieren in den meisten Fällen durch das wohlfeilere Kalkwasser, durch Kreide. Potasche und darl. Mittel ersetzt werden kann. Wenn nicht Ansamm-
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lung von Kohlensäure in den Eingfwuiden zugegen ist, benutzt man auch oft statt der reinen die kohlensaure Bittererde.
Besonders nützlich wirkt sie bei Arsenikvergiftung, denn sie
bindet arsenige und Arseniksänre, belästiget den Magen weniger als das Eisen und führt gelind al). Gegen Sublimat, Kupfersalze leistet sie weniger und gegen Phosphor gar nichts.
Die Gabe ist für die grossen Hausthi'ere 3 Drachmen bis 1 Unze, für Schafe imd Schweine 1 — '2 Drachmen, für Hunde 1/2 Scrupel bis 1;2 Drachme, am besten in einem schleimigen Decoct, zuweilen auch mit Zusatz von Enzian, Opium, Brechnuss, Ehabarber und dgl. Mitteln, welche die krankhafte Empfindlichkeit herabstimmen und die über-mässige Secretion beschränken. (1 Drachme 1 Sgr.)
ü) Reine Thoneide, Alaiinerde, Alimiimn-Oxvil, Alumina, Aryilla pura, Atumiuni uxt/thtimn. (?)
sect;. 477.
Die Tbonerde verursacht an den Theilen, mit denen sie in Be­rührung kommt, keine Aetzung, sondern nur schwache Heizung und gelinde Zusammenschrumpfung; zugleich zieht sie begierig Feuchtig­keiten an sich und zersetzt oder bindet vorhandene Säuren. Sie wirkt daher gelind toniseh, austrocknend und säurewidrig und kann inner­lich bei ähnlichen Krankheitsverhältnissen der Verdauungseingeweide angewendet werden, bei denen das Kalkwasser empfohlen ist (sect;. 47ü.); sie steht aber dem letztern, obgleich sie milder ist, darin nach, dass sie fast allein örtlich wirkt, indem sie wenig oder gar nicht in die Säfte übergeht, ferner, dass sie in grossen Gaben den Magen eher belästiget, und dass sie theurer ist als das Kalkwasser. Aus diesen Gründen wird die Thonerde selten als Heilmittel benutzt. Die Anwendung kann in denselben Gaben und auf dieselbe Weise geschehen, wie bei der Bittererde.
Anmerkung, n) Der rothe oder armenische Bolus (JJvhis mhra s. armenia, Aryilla rubrti), eine natürliche Verbindung der Thonerde mit Kieselerde und etwas Eisenoxyd, und h) der weisse Bolus (-Bofos attlaquo;), dieselben Bestand-
theiie und zugleich Ealkerde enthaltend, — wurden ehemals als gelind adstrivi-girende, stärkende, blutstillende, stopfende und einsaugende Mittel innerlich #9632;/.. B. gegen Durchfälle , gegen Blutharnen , besonders aber gegen Harnruhr oder Lauter­fall, — äusserlich gegen Gallen, Sehnenklapp und dgl, Uebol angewendet. Zum äusserliclien Gebrauch sind sie jedoch zu theüer und unnöthig, da sie für diesen Zweck durch den iiinen sehr ähnlichen Then (Töpferthon) und Lehm ersetzt wer­den können. (Bnhts Armen, praeparat. 1 Unze 1 Sgr. 6 Pig.; Bolus alha, gr. pulv. 1 Unze 6 Pfg.; praeparata 1 Unze 1 Sgr. 2 Flg.)
G) Schwefel-Raliuin, Schwefel-Kali, Hvdrothliin-Schwefel-Kali, gemeine oder Eali-
Si'lnvefc'leber, Kalium s. Kali stilphtiratum, Kali sulphurat. hydrogenatum, Hupur
Sulphuris vulgäre s. salinum laquo;. alcalinum.
sect;• 478.
Die gewöhnliche Schwefelleber ist durch Zusammenschmelzen von 2 Theilen gereinigtem Kali carbonicum mit 1 Theil gereinigtem
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Schwefel bereitet und besteht aus Sclnvefelkalium, untersclrwefligsau-rein Kali und etwa 3 Proc. unzersetztem kohlensauren Kali; sie löst sich in 2 Tbeilcn Wasser auf, wird bei der Einwirkung der atmo­sphärischen Luft, des Wassers, der Säuren u. s. w, sehr leicht zersetzt und entwickelt dabei ein eigenthüniliches, nach faulenden Eiern stin­kendes Gas, das Sehwefel-Wasserstoff'gas, die sogen. Hydro-thionsäure oder die liepatische Luft1. Aus nicht gereinigten Ingredienzien bereitet ist ein -wohlfeileres Präparat, das Kalium ml-pliuratum pro balneo.
Die Schwefelleber in concentrirter Auflösung mit gleichen Theikn Wasser bewirkt örtlich starke Reizung, heftiges Jucken, Entzündung, Auflösung und Absterbung der Epidermis und auf den Schleimhäuten eben so des Epitheliums, an Wunden selbst gelinde Aetznng; auch wird ein Theil des Mittels resorbirt und in den Kreislauf gebracht. Eine schwache Auflösung reizt die Haut gelind. Weisse Haare und weisse Haut werden von Schwefelleber gelblich gefärbt.
Bei innerlicher Anwendung entstehen von massigen Gaben der Sclnvefelleber (z. B. '2 Drachmen bis l/ä Unze bei Pferden und Ein-dern, 4 Grau bei Hunden) bei keinem Thiere im gesunden Zustande sehr auffallende Veränderungen; nur die Schleimhaut im Maule und in der Nase wird etwas blasser, der daselbst abgesonderte Schleim weniger zähe, der Puls weicher und etwas langsamer, das Blut dunkler und viel ärmer an Faserstoff2, der Urin reichlicher und oft auch dunk­ler gefärbt; die ausgeathmete Luft riecht während einer kurzen Zeit nach Schwefelwasserstoffgas; Hunde zeigen Ekel oder selbst etwas Erbrechen, aber der Appetit und die Verdauung weiden nicht gestört; der Koth erscheint mehr trocken, dunkel, und oft mit einer zähen Schleimhant umhüllt, und bei Pferden weniger sauer riechend.
Wenn bei dem Eingeben des Mittels von demselben etwas durch einige Zeit im Maule verbleibt, so findet sich zu jenen Erscheinungen sehr häufig auch noch Geifern und Schäumen aus dem Maule, und zu­weilen auch etwas schnelleres und beschwerliches Athmen.
Nach Gaben von 1—2 Unzen sähe ich bei Pferden und Rindvieh die angeführten Zufälle in sehr hohem Grade, zugleich aber stieren
1nbsp; nbsp;Dieses Gas ist zwar kein unmittelbarer Bestandtheil der Seliwefelleber (wie mail früher glaubte), aber dennoch für die Wirksamkeit dieses Mittels von der grössten Bedeutung, weil es sieh bei jeder Art seiner Anwendung entwickelt, daher stets mitwirkend ist, und schon für sich allein den Organismus heftig alücirt. Vögel starben in einer Luft, welche mit Visou dieses Gases versetzt war; und enthielt sie Vsoo davon, so tödtete sie auch in kurzer Zeit einen Hund (Orfila, Toxieologie gcnerale II. pag. 479). — 9 Quart dieses Gases in den After eines Pferdes injieirt, tödteten dasselbe in 1 Minute, und ein Kaninchen, dessen Haut blos dem Gase aus­gesetzt war, starb in 10 Minuten (Chaussier, im Journ. de med. von Sedillot. XV. lid. pag. 28. 34). Ich spritzte 2 Unzen destillirtes Wasser, welches mit dem Gase sehr reichlich iinprägnirt war, in die Drosselvene mehrerer Pferde und sähe darauf schnelles, beschwerliches Athmen, grosse Angst und Schwindel entstehen, die Thiere aber lebend bleiben.
2nbsp; Bei mohrern Versuchen zeigte sich das Blut in 1—4 Stunden nach dem Ein­geben der Schwefelleber bei Pferden um '/laquo;j Ja selbst um 4/5 armer au Faserstoff als vor der Anwendung des Mittels.
Hertwig. Arzneimittellehre.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;20
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4r)U
Blick, beschleunigtes, beschwerliches Athmeu, Unregelmässigkeit rles Pulses, Poltern und Schmerzen Im Leibe, Unruhe, Angst, lälimungs-artige Schwäche im Hintertlieil, schwankenden Gang, entstehen. Die Wirkung dauerte 1—3 Stunden und nicht selten blieb Appetitlosigkeit durch einen Tag anhaltend zurück. Eine Veränderung der Milch bei Kühen war auch nach so grossen Gaben nicht zu entdecken.
Hunde ertrugen das Mittel in Gaben bis zu ^j,, Drachme, ohne dass der Tod hiernach erfolgte, wenn es in Pillenform angewendet wurde, obgleich es in solchen und selbst in kleineren Gaben fast immer Krbrechen, Aufblähung des Leibes, Schmerzen in demselben, Husten, schnellen und kleinen Herzschlag, Angst, Unruhe und Mattigkeit durch 2—4 Stunden verursachte.
Grrössere Gaben als die bezeichneten wirken sehr heftig und in den meisten Fällen tödtlich. Ein Hund, dem ich 1 Drachme Schwo felleber in 1 Unze destill. Wassers gelöst, in den Schlund gespritzt und darauf letzteren unterbunden hatte, zeigte nach 5 Minuten An­strengung zum Erbrechen, welche auch später noch wiederkehrte, grosse Mattigkeit, Zittern, nach 10 Minuten Onempfindlichkeit, später heftigen Schmerz im Leibe, Lähmung des Hintertheils, und nach 2 Stunden erfolgte der Tod. — Eine Auflösung von 6:1/2 Drachmen Schwefelleher in 4 Unzen Wasser, welche Orfila (Toxicologie, 13d. 2. S. 166.) einem robusten Hunde mittelst der Oesophagotomie in den Magen brachte, führte in 2 Minuten Erstickungszufälle und Keich-husten, dann Steifwerden der Glieder, Convulsioneu, und in 7 Minuten den Tod herbei.
Das Einspritzen einer Auflösung von 5 Gran Schwefelleber in 1/2 Unze destill. Wasser in die Drosselvene eines Pferdes verursachte sogleich etwas schnelleren Puls, schnelleres Athmeu und Unruhe. Die ganze Wirkung dauerte aber nur 6 Minuten. — Von einer halben Drachme des Mittels mit 1/2 Unze Wasser auf dieselbe Weise angD-wendet, entstanden augenblicklich die nämlichen Zufälle in stärkerem Grade; die Respiration wurde sehr beschwerlich und ängstlich, die ausgeathmete Luft roch stark nach Schwefelwasserstoffgas, das Thier zitterte, stürzte nieder, schlug mit den Beinen; nach 10 Minuten war die Wirkung vorüber und das Thier ganz munter. •— Eben so, aber noch weit heftiger, wirkte die Injection von 1, l1'2—2 Drachmen des Mittels; bei der letztern Gabe trat augenblicklich Lebensgefahr durch Erstickungszufälle und Lähmung ein; aber das Thier erholte sich den­noch in Zeit von 15 Minuten nach der Injection. — Ein Hund bekam (bei Orfila's Versuchen) nach Einspritzung einer Auflösung von 8 Gran Schwefelleber in 6 Drachmen Wasser auf der Stelle die heftig­sten ConvuLionen, welche aber nach 3 Minuten nachliessen ; am andern Tage war er wieder ganz wohl. — Die Injection von 22 Gran in 1 Unze Wasser gelöst, tödtete ihn in 2 Minuten unter heftigen Con-vulsionen.
Wenn der Tod durch innerliche Anwendung der Schwefelleler eingetreten ist, findet man bei der Section zuweilen die Schleimhaut des Magens und Dünndarms mit einer gelben, zähen Materie bedeckt,
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auch entzündet und zuweilen selbst mit kleinen, runden Geschwüren und mit schwarzen Flecken von extravasirtem Blut verschen. Nach schnell eingetretenem Tode riecht der Inhalt des Magens stark nach SchwefelwasserstofFgas. An den übrigen Organen ist die Schleimhaut blass, die Lunge mit schwarzem Blut augefüllt.
sect;. 479.
Die Wirkungsweise der Schwet'elleber ist vollständig noch nicht gehörig erforscht. Zum Theil sind die Wirkungen (besonders bei grossen Gaben) durch das Schwefelwasserstoffgas bedingt, zum Theil aber aulaquo;li mit den Wirkungen des Schwefels und des Aetz-Kali we­sentlich verwandt. Oertlich ist die Schwefelleber viel stärker reizend, schneller und tiefer eindringend als der Schwefel, aber weit weniger scharf und die Organisation nicht so auflösend wie das Aetz-Kali. Die allgemeine Wirkung ist auf Verminderung der Plasticität des Blutes (wahrscheinlich auch der übrigen Säfte) und auf die Herabstimmung der Irritabilität in den Muskeln und Blutgcfässen gerichtet; doch ist es nicht zu verkennen, dass sehr grosse Gaben des Mittels auch die Ner-venthätigkeit schnell und in hohem Grade vermindern, selbst Lähmung der Sensibilität und hierdurch den Tod herbeiführen.
sect;. 480.
Die innerliche Anwendung der Schwefelleber geschieht mehrcn-theils empirisch; sie ist aber, den angedeuteten Wirkungen und vor­züglich Waldingers', so wie meinen eigenen u. A. Erfahrungen zufolge, bei kranken Thieren angezeigt:
1)nbsp; nbsp;Bei sogenannten brandigen Entzündungsfiebern, beim Milz­brande und bei Lungenentzündungen, wenn die Schleimhaut im Maule und in der Nase dunkelroth oder blau und sehr trocken erscheint; wenn die Sinnesthätigkeit und die Empfindlichkeit dabei sehr unter­drückt, der Herzschlag unfühlbar, der Puls klein, hart, das Athmen im Verhältniss zur Zahl der vermehrten Pulse übermässig schnell und mit grosser Anstrengung der Bauchmuskeln geschieht; wenn das aus der Ader gelassene Blut sehr schwarz ist und schnell zu einer gleich-massigen Masse sulzt.
2)nbsp; nbsp;Bei Bräune, besonders wenn die Auflockerung der Schleim­häute in der Rachenhöhle sehr gross, das Röcheln und überhaupt die Atliembcscl]werden sehr bedeutend sind.
3)nbsp; nbsp;Bei acuter Brustwassersucht mit plastischer Ausschwitzung ver­bunden.
4)nbsp; Bei Kolik, wenn dieselbe aus Ueberfütterung, aus gestörter Verdauung, aus Gälirung des Futters im Magen und Darmkanal, durch unverdauliches, blähendes oder saures Futter entstanden, oder mit starker Aufblähung (Windkolik), mit Säureentwickeluug, mit An­strengung zum Erbrechen, oder auch mit einem brandigen Entzün­dungsfieber (wie unter 1 angedeutet) verbunden ist.
1 Waldi nger, üeber den'Schwefel und foidc Verbinden gen u. s. w. S. 101.
2c,raquo;
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5) Bei dem Aufblähen der Wiederkäuer, besonders wenn die eben bczeiclmeten Verhältnisse dabei bestehen.
G) Bei dem Starrkrampf der Pferde, wenn ein Entzündungsfieber sich hinzugesellt und das Athmen in sehr kurzen, schnellen Zügen geschieht.
7) Bei Vergiftungen durch Arsenik, Blei und Quecksilber; jedoch nur dann, wenn die Vergiftungszufälle durch nicht sehr grosse Gaben dieser Stoffe, mehr langsam (schleichend) als acut, und in einem nicht zu heftigen Grade entstanden, oder mehr die chronischen Folgen sind. Unter entgegengesetzten Umständen, und namentlich wenn die Ver­
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iftung erst frisch entstamlen ist, wenn Arsenik oder ätzend* Queck-
silberpräparate noch im Verdauungskanal zugegen sind, und wenn heftige Entzündung der Eingeweide besteht, ist (nach Orfila's und Renault's Versuchen1) das Mittel nicht passend; weil sich gelber Schwefelarsenik (Operment) bilden kann und dieser durch das quot;Kali auf löslich gemacht wird, so dass hiernach die giftige Wirkung nur noch stärker hervortreten würde.
sect;• 481.
Die Gabe ist für Pferde und Kindvioli 1 Drachme bis 1/2 Unze, für Schafe und Schweine ^ — 2 Scrupel, für Hunde 1 — 8 Gran in Zwischenzeiten von '/, Stunde (z. B. bei Kolik und Aufblähung) bis 4 Stunden. — Die Anwendung geschieht in Pillen, in Latwergen oder in einer schwachen Auflösung (5 — 8 Gran auf 1 Unze Flüssigkeit). Dabei ist die Vorsicht zu beachten, dass man Pillen und Latwergen höchstens für einen Tag bereitet und in recht gut mit Wachspapier oder mit Blase zugebundenen Gefässen verwahrt, damit die Einwirkung der Luft und die Zersetzung der Schwefelleber durch dieselbe mög­lichst vermieden werde. Weil dies aber dennoch sehr leicht geschieht, ist eine vor der Anwendung frisch bereitete Auflösung die beste Form, wenn sonst die Anwendung einer Flüssigkeit passend ist.
Beim brandigen Entzündungsfieber hat man das Mittel in Ver­bindung mit Salpeter und selbst mit Kampher; — bei Kolik und Auf­blähung mit Enzian, mit Kamillenblumen, mit Natr. oder Kali sul-phuricum, bei Bräune mit den letztem Mitteln oder auch bei grosser Reizbarkeit mit Herb, oder Rad. Belladonnae, und bei Vergiftungen mit einer schleimigen Flüssigkeit, gegeben.
sect;. 482. AeusSerlich wird die Schwcfclleber gegen Räude, Flechten, Mauke und veralteten Rheumatismus in Auflösungen zum Waschen und Ba­den, — weniger zweckmässig auch zuweilen in Salben angewendet. Zu den Auflösungen nimmt man 2 Drachmen bis '/g Unze des Mittels auf 1 Pfund kalten Wassers, — zur Salbe 1 Drachme auf 1—2 Unzen Fett oder grüner Seife. Die Anwendung geschieht täglich ein- bis zweimal durch 8—12 Tage. Das Mittel ist wohlfeil und sehr wirksam,
1 Orfila, Toxicol. gcinerale. Tom. I. pag. 42G. — Renault, sur les Contro-poisons de l'Ars^nic. pag. 33. 35.
i
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hat aber das Unangenehme, ilass seine Anwendung durch den dabei entstehenden Genich nach Schwefelwasserstoffgas für die Personen, die das Waschen und Einreiben besorgen, sehr widrig- wird, dass Stuben-hunde dieses Geruchs wegen nach der Behandlung mit dein Mittel nicht im Zimmer bleiben können, und dass weisshaarige Thiere gewöhnlich für einige Zeit an den Applicatiousstelleu gelb oder grün gefärbt er­scheinen. (1 Drachme 1 Sgr. 8 Pfg.; pro halneo 1 Unze 2 Sgr. 4 Pfg.)
Anmerkung. Fast in allen Eigenschaften und in der Wirksamkeit mit der Kali-Schwefelleber übereinstimmend, ist die Kalk-Schwefelleber oder der Schwefelkalk (flepar Sidplmrü calcareum s. Calcaria sulphumta). Es gilt daher alles über die Sclnvefellober Gesagte ohne einen wesentlichen Unterschied auch von der Kalksclnvefelleber. Letztere ist wohlfeiler und dient daher besonders zum iius-serlichen Gebrauche. Mit wenig Wasser gemengt und auf behaarte Theile reich­lich aui'gestrichen, zerstört sie schnell (binnen 1 Stunde) die Haare, die aber in etwa 20 Tagen wieder wachsen. Das Mittel muss nach 1 Stunde wieder abgewaschen wer­den. Wird dasselbe für den Zweck angewendet, um die Haut für die Anwendung eines Senfbreies oder Vesieators blos kahl zu machen, so darf man nicht zu viel von der Schwefelleber darauf bringen, weil sonst die Haut zu spröde wird. — Die Talk-Schwef e 11 ebex oder S ch w e f e 1 - Magn esi a [Magnesia sulphurula) ist von ähnlicher Wirksamkeit, aber nicht gebräuchlich. — Das Schwefel-Ammocium oder die fluch ti ge Seh we feil eb er (An.momvm snlplmroto-hydiothioivcum s. Ilrpar Sulphuris volatile) ist ein sehr heftiges, gefährliches, und daher nicht zu empfehlen­des Kcizmittel.
ELFTE KLASSE. Salze der Alkalien und Erden. (Salia alcalina et terrea.)
sect;. 483.
Wenn Säuren mit Alkalien, Alkaloiden oder Erden in Berührung kommen, so verbinden sie sich, vermöge ihrer chemischen Wahlver­wandtschaft, mit denselben, und bilden hierdurch neue, eigenthümliche Substanzen, die man im Allgemeinen als alkalische oder erdige Salze bezeichnet. In früherer Zeit nannte man diese Salze (mit Aus­nahme derer, welche Kohlensäure und welche Talg-, Oel- und Marga­rinsäure enthalten) auch Xeutralsalze {Salia neutra), undMittel-salsie {Salia media), und im gewöhnlichen Sprachgebrauche sind diese Namen noch geltend1. Da aber die Säuren sich in einem mehrfachen Verhältnisse mit den kalischeu und erdigen Grundlagen (Basen) zu Salzen verbinden, so bezeichnet man jetzt passender nur diejenigen als neutrale Salze, in denen die chemische Wechselwirkung der Be-standtheile sich gegenseitig vollkommen durchdrungen (gesättiget) hat, so dass in ihnen weder die chemischen Eigenschaften der Säure, noch die der Basis frei hervortreten, wogegen man diejenigen, in denen die Säure vorherrscht, saure Salze, oder Uebersalze — und die mit vorwaltenden Eifreuschaften der Grundlage: basische Salze oder
1 Der letztere Name wurde zuweilen vorzüglich den Salzen beigelegt, die eine erdige oder auch eine metallische Basis besitzen.
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Unter salze nennt. Die meisten Salze sind nur einfache Verbindun­gen einer Basis mit einer Säure; einige bestehen aber aus 2 Basen und einer Säure (z. B. der Alaun), und einzelne sind selbst aus 2 Salzen von eben so viel verschiedenen Basen und Säuren zusammengesetzt (z. B. der boraxsaure Weinstein). Die ersten beissen deshalb einfache Salze, die zweiten Doppelsalze, und die letztern Zwillingssalze.
Die physischen Eigenschaften der verschiedenen alkalischen und erdigen Salze stimmen zwar in vieler Hinsicht überein, sie sind aber auch nach den Eigenthüinlichkeiten der Bestandtheilc und nach den angedeuteten Verschiedenheiten in der Zusammensetzung derselben etwas abweichend bei den einzelnen Salzen, so dass sich eine allgemein jiassende Characterisirung von ihnen nicht gut machen lässt.
sect;• 484.
Die Wirkungen dieser Salze im thierischen Organismus sind eben­falls nach den angedeuteten Verschiedenheiten von einander abweichend, aber doch auch in vielen Punkten einander sehr ähnlich.
Auf die Haut, noch mehr auf wunde Stellen, wirken die Salze im Allgemeinen gelind reizend und die Resorption befördernd. Ausserdem verursachen die meisten Salze sowohl bei innerlicher wie bei äusser-licher Anwendung, wenn sie eben mit einer Flüssigkeit aufgelöst wer­den, ein Gefühl von Kälte, indem sie bei dem Uebergehen in den flüs­sigen Zustand eine Quantität Wärme binden und dieselbe dem Körper entziehen.
Bei der innerlichen Anwendung verursachen alle Neutral- und Mittelsalze ebenfalls zunächst eine Reizung der Schleimhaut des Mauls, des Magens und des Darmkanals, in Folge deren die Absonderung des Speichels, des Schleims und der übrigen Verdauungssäfte reichlicher und die wurmförmige Bewegung des Darmkanals etwas schneller wird. Von kleinen und einzelnen Gaben ist diese Reizung nur gering, und sie geht ohne weitere sichtbare Folgen bald vorüber; grosse Gaben mancher Salze bringen Laxiren oder sehr reichliches Uriniren hervor, und in übermässiger Gabe führen fast alle Salze eine heftige Rei­zung der Verdauungssehleimhaut, Auflockerung und Auflösung des Epitheliums herbei, und selbst Koliksehmerzen, Magen- und Darment­zündung, Blutextravasate, Brand und der Tod können die Folgen davon sein. — Die laxirende Wirkung ist jedoch nicht allein von dem Grads der Reizung abhängig, welchen ein Salz örtlich in der Verdauungs­schleimhaut erzeugt; denn man sieht, dass mehrere Salze, welche diese örtliche Reizung in sehr hohem Grade ausüben, z. B. das Kochsalz, nur eine höchst unbedeutende laxirende Wirkung veranlassen, wogegen die örtlich weit milder einwirkenden schwefelsauren Salze diese Wir­kung ganz vorzüglich besitzen. Massige Gaben der Salze, oft wieder­holt gereicht, bringen nach und nach eine tief eingreifende Umstim-mung des ganzen Bildungsprocesses hervor, indem sie die Absonderung in den sämmtlichen Secretionsorganen quantitativ vermehren, die abge­sonderten Flüssigkeiten aber dünner, mehr serös machen und somit gleichsam einen Verflüssigungsprocess im Körper künstlich erzeugen.
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Dies geschieht von ihnen auf mehrfache Weise, namentlich aber da­durch, dass 1) die Salze in das Blut und die übrigen Säfte übergehen und hier sich mit den Bestandtheilen derselben (vorzüglich mit dem Serum) verbinden, somit die gute Mischung und die plastische Bindung des Blutes stören, seine Vitalität und Wärme vermindern, und die Auflösung und Ausscheidung des Cruors und des Faserstoifes begün­stigen •; — 2) dass das Blut durch den reichlicheren Gehalt an Salz mehr reizend auf die Secretionsorgane wirkt, so dass die Thätigkeit derselben sehr vermehrt wird, und dann in Folge der vermehrten Aus­scheidungen, so wie in Folge der dünneren Beschaffenheit der Säfte auch die ßesorption bedeutend gesteigert wird. Hierzu kommt noch 3) dass theils durch die fehlerhafte Mischung des Blutes und durch die vermehrten Ausleerungen, theils auch auf directe Weise, besonders von den Salzen der Potasche, der Bittereide und des Ammoniums die Reizbarkeit und Energie des Herzens u. s. w. sehr vermindert, also Schwäche und Erschlaffung erzeugt und hierdurch, wie immer bei Schwäche, der normale Anbildungsprocess gestört wird. Bei lange fortgesetzter Anwendung dieser Salze in etwas starken Gaben ent­wickelt sich daher oft ein wirklich cachectischer Zustand.
Die in das Blut übergeführten Salze werden hauptsächlich durch die Nieren wieder aus demselben abgeschieden, so dass man sie, ob­wohl bald mehr bald weniger verändert- wenigstens in ihren Basen in dem Urin wieder findet. Ein Theil wird durch den Darmkanal, ein kleiner Theil durch die Haut (mit dem Schweiss), bei milchenden Thieren auch durch die Euter wieder entleert, und bei den Ammonium-salzen geschieht dies vielleicht auch zum Theil durch die Lungenaus­dünstung.
Ueber die Abweichungen dieser Wirkungen bei den einzelnen Salzen lässt sich im Allgemeinen nur Folgendes in Kürze andeuten: 1) Salze von gleichen Säuren, und eben so Salze von gleichen Basen zeigen eine mehrfältige Aelinlichkeit mit einander, dieselbe ist aber bei Salzen von gleichen Säuren am grössten. 2) Hinsichtlich der ver­schiedenen Basen wirken die Natronsalze im Allgemeinen mehr reizend als die Salze der übrigen Alkalien und Erden; die Salze der Magnesia erscheinen als die mildesten, und die aus Kali bestehenden Salze wirken am meisten erschlaffend und die irritable Thätigkeit vermindernd; die Salze der Thonerde wirken zusammenziehend und ätzend. 3) Hinsicht­lich der Säuren haben die Salze mit Salpetersäure und mit Salzsäure örtlich die stärkste Einwirkung; die schwefelsauren Salze wirken sämmtlich weit milder und zugleich am meisten laxirend; die mit vegetabilischen Säuren sind noch milder, und am mildesten sind die kohlensauren Salze. — 4) Die allgemeine Wirkung der basischen Salze zeigt eine grosse Aelinlichkeit mit der Wirkung der in ihnen vorwaltenden Grundlage, und eben so verhält sie sich bei den sauren
1 Eigentlüimlich ist es, dass mehrere Salze, namentlich diejenigen, in welchen Natron, Salzsäure, Salpetersäure #der Schwefelsäure enthalten ist, zugleich das Blut heller röthen.
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Salzen ähnlich der quot;Wirkung ihrer Säuren; aber die Kraft der örtlichen, chemischen Einwirkung des einen wie des andern Bestandtheils ist sehr gemildert.
Aus diesen Andeutungen ergicht sieh: dass die Wirksamkeit der Salze von den Bestandthcilen derselben abhängig ist; und wenngleich die letztern in den neutralen Salzen nicht mehr frei vorhanden sind, so sind sie doch keineswegs vernichtet, sondern nur gegenseitig so an­einander gebunden, dass sie bei der Einwirkung der Verdauungssäfte und überhaupt thierischer Flüssigkeiten leicht wieder theilweis frei werden und zur Entwickclung ihrer Kräfte gelangen können.
sect;. 485.
Die therapeutische Anwendung ist bei den einzelnen Salzen, je nach ihrer specitischen Verschiedenheit und nach ihrer Wirkungsweise in grossen und in kleinen Gaben sehr verschieden. Im Allgemeinen dienen sie innerlich in kleinen Gaben sehr häufig als umstimmende, die Secretionen im Verdauungskanal, in der Schleimhaut der ßespi-rationsorgane und in den Xieren befördernde, die Verdauung bessernde, Auswurf befördernde, Schleim, Stockungen und Verhärtungen auf­lösende, als säurewidrige, die zu dicke, plastische Beschaffenheit des Blutes beseitigende, selbst als krampfstillende u. a. Heilmittel; — in errossen Gaben werden die meisten Neutralsalze als kühlende Laxir-mittel, als ableitende, reizmindernde, antqjhlogistische Heilmittel eben­falls sehr oft benutzt. — Die Indicationen für diese vielfältige Anwen­dung können nur bei den einzelnen Salzen angegeben werden.
Aeusserlich dienen mehrere Salze als auflösende, zertheilonde, andere zuweilen auch als kühlende Mittel gegen Quetschungen, Extra-vasate, Entzündungen u. s. w.
A. Kohlensaure Salze. 1) Kolilrnsaurfs Kali. Kali carhoniemn.
sect;. 48G.
Die Kohlensäure verbindet sich mit dem Pflanzenlaugensalz in 2 verschiedenen Verhältnissen, und bildet mit demselben: a) ein ba­sisches — und b) ein neutrales Salz.
a) Das basische kohlensaure Kali, oder das kohlen­säuerliche Kali, unterkohlensaure Kali, milde Kali, Wein­steinsalz, luftsaure Pflanzenlaugensalz, Potasche {Kali subcai'bo7iicum, Kali mite, Sal Tartari, Aleali vegetabile aemtum, Cineres clavellati, Potassa, Carbonas Potassae, Carbonqs kaltem e cineritus clavellatis oder e Tartaro (letzteres bei dem gereinigten Salze) — kommt im Handel vor, theils als gemeine, nicht gereinigte Pot­asche, welche aussei- dem kohlensauren Kali noch eine Menge frem­der Bcstandtheile, z. B. schwefel- uii# salzsaurcs Kali, Thon- und Kieselerde, Eisenoxyd und dgl. enthält, — in den Apotheken aber
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als gereinigte Potasche, welche aus ungefähr ali Kali und 1li Kohlensäure bestellt.
b) Das neutrale kohlensaure Kali, vollkommen ge­sättigte oder krystallisirte kohlensaure Kali (Kali carbonic, neutrum, Kali carh. perfecte saturatum s. aeratitm, K. carh. acidulum, Sal Tartari crystallisatuin, HicarbonasPotassae), gewöhnlich als saures kohlensaures Kali bezeichnet, — besteht fast aus gleichen Theilen Kali und Kohlensäure mit etwas (gegen '/n,) Krystallisarionswasser.
Die Wirkung dieser beiden Salze ist bei ihrer innerlichen An­wendung sehr ähnlich der Wirkung ihrer Bestandtheile, da die letztern sich, durch den sauren Magensaft, sehr leicht von einander trennen und dann gleichsam für sich allein wirksam sind.
Das basische kohlensaure Kali, das gewöhnlich in der Thierheilkunst benutzte Präparat, nähert sich in seinen Wirkungen zum Theil denen des Aetzkali, besitzt aber eine weit mildere örtliche Einwirkung als dieses; es löst den geronnenen Faserstoff und das Eiweis in kurzer Zeit bedeutend auf und macht mit diesen und andern thierischen Flüssigkeiten keine Niederschläge; die Thätigkeit der auf­saugenden Gefässe erregt es in einem hohen Grade, besonders in der Haut, im Zellgewebe, in sehnigen und drüsigen Organen, und da es zugleich die serösen Absonderungen befördert und den geronnenen Ei-weisstoff auflöst, so wirkt es sehr kräftig zortheilend überall wo Stockun­gen und Verhärtungen, asthenische, torpide Entzündungen, plastische Ausschwitzungen, Extravasate von gerinnbaren Stoffen, Unthätigkeit der Haut und Ulceration in derselben zugegen sind. — Nur bei ganz concentrirter Anwendung verursacht es örtlich eine bis zur Entzün­dung steigende Reizung und Ausschwitzung, aber sehr selten Aetzung.
Innerlich in massigen Gaben und gehörig verdünnt angewendet, wirkt es (abgesehen von der örtlichen, gelind erregenden Einwirkung auf die Schleimhaut des Magens und Darmkanals) eigenthümlich deprimirend auf die krankhaft vermehrte und unregelmässige Sensibilität der Bauch-und Brusteingeweide, absorbirt die in dem erstem vorhandene Säure, vermindert die Gerinnbarheit des Blutes, befördert die Absonderung des Urins sehr bedeutend, verursacht auch, dass derselbe viel wässeriger und weniger reich an Harnsäure wird, und scheint auch die absondernde Thätigkeit an der innern Fläche der Blase und des Uterus zu ver­stärken und umzustimmen. Es befördert auch die Resorption im gan­zen Körper sehr bedeutend, wie es scheint, hauptsächlich mit Hülfe der vorausgegangenen Verflüssigung der gerinnbaren Bestandtheile der Säfte. — Bei der innerlichen Anwendung sehr grosser Gaben im concentrirten Zustande kann das Mittel gefährliche Zufälle verursachen. Als Orfila (Toxicol. I. Bd. S. 172) einem nüchternen Hunde 2 Drach­men kohlensaures Kali eingegeben, zeigte das Thier sogleich lebhaften Schmerz und Unruhe; es erfolgte Erbrechen weisser, dicklicher, schlei­miger Flüssigkeiten, welche mit Säuren aufbrauseten, — gehinderte Respiration und in 25 Minuten der Tod. Bei der Section fand sich starke Röthe der Schleimhaut des Magens; die Gefässe desselben waren mit Blut injicirt, Gedärme und Lungen gesund. Eine so ausgezeichnet
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heftige und schnelle Wirkung sah ich niemals. Ich gab Hunden die­selbe Dosis des Mittels in l/ä Unze destill. Wassers gelöst, und bemerkte blos binnen 10—1quot;2 Minuten nach dein Eingeben etwas Schleimfluss aus dem Maule und massig beschleunigtes Athmen; der übrige Zustand war und blieb durchaus normal. Aber dieselbe Menge als Pulver in Papier gewickelt einem Hunde eingegeben, verursachte nach Verlauf von 5 Minuten die von Orfila angeführten Symptome, jedoch nur durch 2 Stunden andauernd und worauf das Thier vollkommen wieder hergestellt wurde. — Pferden und Kühen gab ich das Mittel bis zu l1/., Unze in 6 Unzen destill. Wassers gelöst, ohne nachfolgende hef­tige Zufälle; aber von 2 und 3 Unzen entstand zuweilen, jedoch sehr bald vorübergehend, etwas beschwerlicheres Athmen, Unruhe und Kolik. Das Blut war heller geröthet, dünnflüssiger, ärmer an Faser­stoff. — Kosen bäum hat von grossen Gaben bei tragenden Kühen Abortus erfolgen sehen (Magaz. f. Thierbeilk. XII. S. 162.). — eine Wirkung, die ich nach Einspritzungen kohlensaurer Salze in die Va­gina gleichfalls eintreten sah.
Eine Drachme kohlensauren Kalis mit 1 Unze destillirten Wassers gelöst, Pferden in die Drosselvene gespritzt, brachte keine bemerkbare Wirkung hervor; 2 Drachmen auf dieselbe Weise angewendet verur­sachten sogleich beschwerliches Athmen, Schwindel, Convulsionen, heller geröthetes Blut; nach 2—3 Stunden hatten die Thiere sich wie­der erholt. Bei Hunden traten nach der Injection von 10—20 Gran in '/g Unze Wassers gelöst dieselben Zufälle, und von 1 Drachme fast augenblicklch der Tod ein.
sect;• 487.
Aus dem Vorstehenden ergiebt sich: dass das basische und das säuerliche kohlensaure Kali in seinen Wirkungen den reinen Kalien sehr ähnlich, aber durch seinen beruhigenden Einfluss auf die Thätig-keit der Gangliennerven ausgezeichnet und ausserdem viel milder ist. — Seiuc innerliche Anwendung kann daher bei denselben Krankhei­ten geschehen, wo die Kalien überhaupt (sect;. 46Ü.) angezeigt sind; es verdient aber vor dem reinen Kali den Vorzug, weil es in grössern Gaben und anhaltender gegeben werden kann, ohne Nachtheil zu er­zeugen. Besonders nützlich ist es bei einem gereizten nervösen Zu­stande der Baucheingeweide, z. B. bei anhaltendem, sehr anstrengen­dem Erbrechen, bei welchem, ausser Säure im Magen, keine wesent­lich materielle Ursache, auch keine Entzündung des Magens und dgl. vorhanden ist; eben so bei Krampfkolik, Windkolik und krampfhafter Harnverhaltung. (Bei Krämpfen, die in andern Ursachen begründet sind, oder die vom Gehirn und Kückenmark ausgehen, nutzt das koh­lensaure Kali nichts, und ich habe namentlich bei dem Starrkrampf der Pferde nicht die mindeste Hilfe von ihm gesehen, ich mochte es nach der Stütz'schen Methode mit Opium (S. 326) oder auf andere Weise gebrauchen lassen.) — Gegen Vergiftungen mit Säuren, und gegen die Lecksucht, um die in dem Verdauungskanal vorhandenen Säuren zu ncutralisiren, eben so gegen das Aufblähen der wieder-
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käuenden Thiere und gegen Windkolik der Pferde, um die hier er­zeugten Gase zu absorbiren, ist das kohlensäuerliche Kali empfohlen. Gegen fehlerhafte Milchabsonderung, wo die Milch sauer reagirt und zu schnell gerinnt, hat es sich bewährt. Vorzügliche Dienste leistet es aber gegen plastische Ausselnvitzungen bei und nach Entzündungen, gegen Stockungen und Verhärtungen, die durch Anhäufung von Faser­stoff oder Eiweisstofl', durch Extravasate u. s. w. entstanden sind. Lux hat in dieser Hinsicht das Mittel ganz mit Eecht gegen die Lungen­seuche des Eindviehes empfohlen1, obgleich es nicht so allgemein hülf­reich ist, wie er dasselbe rühmt. — Derselbe empfiehlt auch das Kali c. acidul. gegen die Finnen der Schweine (wo die Holzasche schon lange als nützlich anerkannt ist). Rychner hates, neben entsprechen­den andern Heilmitteln, als das wirksamste Arzneimittel gegen die Dämpfigkeit (welche Art?) erprobt2. Land3 hat das Mittel zum Ab­treiben der Nachgeburt mit Nutzen angewendet; es kann aber für die­sen Zweck nicht in allen Fällen die verlangte Wirkung leisten, viel­leicht nur da, wo die Nachgeburt durch Krämpfe, durch zu grosse Reizbarkeit und Mangel an Absonderung im Uterus zurückgeblieben ist. — Viborg* u. A. haben das kohlensaure Kali auch gegen Vergif­tungen durch Arsenik, Aetzsublimat und andere scharfe Metallffifte empfohlen; es ist aber hierbei nach Gründen der Chemie nicht passend, und hat sich in der Erfahrung mehr schädlich als nützlich erwiesen.
sect;. 488.
Man giebt von dem gereinigten kohlensauren Kali Pferden '2 Drachmen bis '/j Unze, dem Kindvieh 3 Drachmen bis 1 Unze, Schafen und Schweinen x!.,—1'/.j Drachmen, Hunden 5 Gran bis l/2 Drachme auf einmal, und wiederholt diese Gaben, nach der Heftigkeit der Krankheitszufälle, in Zwischenzeiten von '^ Stunde (z. B. bei hef­tigen krampfhaften Zufällen) bis 4 Stunden. Die Anwendung ge­schieht am besten in flüssiger Form, indem man das Mittel entweder blos in lauwarmem (nicht heissem) Wasser, oder in einer schleimigen, bittern oder aromatischen Flüssigkeit auflöst. Man nimmt dabei auf 5 Gran kohlensaures Kali 3 Drachmen bis '/ä Unze Flüssigkeit. — Will man die Kohlensäure im. Magen schnell aus dem Kali entwickeln, so schüttet man gleich nach dem Eingeben des letztern eine entspre­chende Quantität (d. h. auf 1 Drachme kohlensaures Kali etwas 2 Un­zen) Essigs dem Thiere ein.
sect;. 489.
Aeusserlich benutzt man das kohlensaure Kali, und zwar mebren-theils die gemeine Potasche, a) in recht wenig Wasser (1 Th. auf
1 Zooiasis, ]?d. I. Heft 2. S. 15. — Wir hatten jedoch bei der hiesigen Thier-ar/neischule das Mittel gegen diese Krankheit schon lange vorher augewendet.
- Encyklopädie der gosammt. theoret. prakt. Pferde- und Rindviehheilk. von Rychner und Im Thurn. Bd. 1. S. 651.
3nbsp; Veterinär Selskab. Skrift. 1. Deel. pag. 436.
4nbsp; Dess. Anleit. z. Erzieh, u. Uenutzung des Schweins. S. 143.
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4 Th.) gelöst als reinigendes, austrocknendes Mittel zum täglich eiu-bis zweimaligen Bestreichen solcher Geschwüre, welche üppige, lockere und schmutzige Giraimlation enthalten und viel jauchen; — oder b) in 8—12 Theilen Wassers gelöst, als auflösendes und zertheilendes Mittel zum Betreichen der Hornhautfläche, zu Umsehlägen und Waschungen an Theilen, wo gerinnbare Ausschwitzuugen, Blutextravasate, Stockun­gen, Verhärtungen, z. B. Stollbeulen, Piephacken, Sehuenklapp, schlei­chende Kntzündung und ülceration au den Seimen, Milchknoten und ähnliche pathologische Zustände bestehen (sect;. 486.); eben so bei Flech­ten, Iväude und oberflächlicher, mit Verdickung der Haut verbundener Mauke; und c) mit Fett, oder noch besser mit grüner Seife (1 Th. zu 4—7 Th.) zur Salbe gemacht, theils als heilendes und reinigendes Mittel bei den eben bezeichneten Hautkrankheiten, theils als zertheilendes Mittel bei den unter b) angedeuteten krankhaften Zuständen. Bei den letztern wird das kohlensaure Kali sehr zweckmässig auch in Verbin­dung mit der grauen Quecksilbersalbe, mit dem Ammoniak- und Kam-pherliniment als Einreibung täglich ein- bis zweimal angewendet.
sect;. 490.
Das neutrale kohlensaure Kali wirkt bei den verschiedenen Arten der Anwendung fast ganz wie das basiche, ist aber örtlich noch milder und in der belebenden und beruhigenden Wirkung auf die Gangliennerven noch kräftiger als dieses, und verdient daher bei hef­tigen Krämpfen im Magen u. s. w. vor ihm den Vorzug; es ist jedoch auch theuer. — Innerlich kann es in denselben Gaben und auf die­selbe Weise wie das basische Salz angewendet werden; äusserlich wird es durch Potasche und Holzasche ersetzt.
Anmerkung. Die Holzasche, namcntlicli die Asche von harten Holzarten, hesitzt fast dieselben Bestandtheile, wie die unreine Potasche. wirkt daher dem hasisch-kohlensauren Kali sehr ähnlich, und kann auch wie dieses hei den be­zeichneten Krankheiten innerlich und äusserlich gebraucht werden. Sie ist auch lange schon von Thicrärzten und Landwirthon gegen Säure im Magen, gegen die Lecksncht, das Aufblähen und Milchlehler, gegen die Bräune, das Erbrechen der Schweine und dgl. theils als Präservativ-, theils als Heilmittel mit Nutzen innerlich angewendet worden; ich selbst habe von der Asche bei einigen Pferden sehr gute Wirkung gegen Wind- und Krampfkolik, welche aus ünverdaulichkeit und zu vieler Säure entstanden war, gesehen. In einem Falle scheint sie auch bei einer dem Brande nahen Gebärmutterentzündung an einer Kuh sehr nützlich gewesen zu sein (Archiv f. Thierheilk. von einer Gesellsch. Schweiz. Thierärzte; Bd. 1. S. 7[gt;). Die Gabe von guter, reiner Holzasche ist für die grossen Hausthiere eine starke Handvoll oder gegen 4 Unzen, für Schafe und Schweine die Hälfte, für Hunde der vierte Theil; die Wiederholung wie bei dem kohlensauren Kali. Als Arzneimittel giebt man sie am besten aufgelöst im warmen Wasser (etwa mit zehn- bis zwölf­facher MengeI und nach Erfordern mit bittern oder aromatischen Mitteln versetzt. Als Präservativmittel giebt man sie in kleineren Quantitäten {z. B. für Sehweine wöchentlich eine Handvoll 1 unter das Futter gemengt oder im Getränk..— Aeus-serlich dient sie, theils in trockener Form zum Einstreuen, theils in Wasser gelöst (als Lauge) zu Fussbädern und Waschungen bei unreinen Wunden und Geschwüren, besonders an sehnigen Theilen (Sehuenklapp) und am Hufe, bei Bhenmatismus, bei Hautjucken. Flechten und Räude. Bei letzterer ist jedoch die einfache Aschenlauge oft nicht wirksam genug, sondern muss durch andere Mittel. Kalk. Actzsublimat, Tabacksabkochung und dgl. verstärkt werden. Eine recht brauchbare Zusammen-
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Setzung der Art ist das sogenannte Herrma n n'sche Mittel gegen die SelialVäudo. Zur Bereitung desselben nimmt man 4 Scheffel gute Holzasche und 1 Metze friseh-gebranuten Kalk, mengt beides in einem gmssen Fasse zusammen, giesst so viel Wasser darauf, dass nach 24 Stunden 140 Quart Verlange abgezogen werden können, welche man bei Seite .stellt; dann zieht man von derselben Asche und auf dieselbe Weise 280 Quart Nachlauge ab, kocht letztere mit 100 Pfund geschnittenen Tabacks-blättern bis zu einem Rückstände von 140 Quart, seihet die Flüssigkeit durch und mengt sie mit jener Vorlauge. In dieser, vor dem Gebrauch etwas erwärmton, Flüs­sigkeit werden die Schafe (mit der immer nöthigen Vorsicht, z. 15. mit Schützung der Augen der Thiere, mit Aufkratzen der Räudeborken u. s. w.) jeden dritten oder vierten Tag, im Ganzen vier- bis sechsmal gewaschen.
'2) Kohlensaures Natriini, uiluerallsches LaugensalZj Kaimm earhonicum.
sect;• 491.
Das Natrum verbindet sicli mit der Kolilensäure, ganz wie das Kali, in 2 Verhältnissen zu Salzen, nämlich zu dem basisch-kohlen­sauren Natrum (Natrum subcarbonicum, Sal Sodae, Alkali minerale, Carbonas natricus cum Aqua), — und zu dem neutralen kohlen­sauren Natrum [Natrum carbonic, acidulum s.neutrum, s. perfeote saturatum, s. Natrum bicarbonicum, Bicarbonas natricus cum Ar/ua). Beide Salze verhalten sich in ihrer quot;Wirkimg- fast ganz gleich dem basischen und neutralen kohlensauren Kali, sin d jedoch etwas milder. raquo;Sie können für dieselben Zwecke, in denselben Gaben und auf die nämliche quot;Weise wie das kohlensaure Kali angewendet, aber auch völlig durch dieses ersetzt werden; und da sie theurer sind, werden sie nur selten benutzt1. {Natr. carb. crud. 1 Unze 4 Pf.; — depurat. 1 Unze 1 Sgr.; — acidul. 1 Unze 2 Sgr.)
3) Kohlensaures, kohlensiuerllches Aininoniiiin oder Ammoniak, trockenes lliiehtiges Alkali oder LiUigensiilz, Ammoniaoum s. jimmonitim carhonicuin s, subearhonicum,
Alcali volatile sieeiim, Carbonais ammonicus.
sect;• 492.
Es besteht in 100 Theilen aus 29 Theilen Ammoniak, 56 Theilen KoMensäure und 15 Theilen Wasser. Wenn man es mit Blut zusam­menbringt, löst es, nach C. G. Mit scherlich (a. a. O.), die Blut-kügelchen allmiilig auf, so dass nur noch die Kerne in einer röth-lichen Flüssigkeit schwimmen; das Epithelium des Magens wird auf­gelockert, die Zellen trennen sich leicht, verschwinden aber viel später als nach Anwendung des Ammon. caustic., und die Menge des dabei gebildeten Schleims ist auch geringer als bei diesem. In ähnlicher Wirksamkeit erscheint es an dem Epithelium des Dünndarms, wo je­doch ein mehr dicker Schleim entsteht. Es ist für die Nerven ein
1 Das neutrale kohlensaure Natrum ist von D'Arcot als das lieste Mittel zur Verhütung des Sauerwerdens der Milcii befunden worden. S Gran sind für 2 Pfund Milch für diesen Zweck hinreichend. Das Jlittel wird, fein pulverislrt, durch Um­rühren mit der Milch gemengt; es ist der Gesundheit durchaus unsehadlieh und hat vor der sonst gebräuchlichen Potasche den Vorzug, dass es der Milch keinen Neben­geschmack ertheilt, wie letztere es thut.
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durchdringi'iitles Beizmittel, welches mit den flüchtig erregenden Kräften des Aetzannnoniaks noch die milderen der Kohlensäure ver­einiget, und durch die letztere in seinen Wirkungen nicht allein sehr gemildert ist, sondern auch eine besondere Kichtung auf die Ganglien­nerven erhält. — Zu grosse Gaben können jedoch gefährliche Zufälle erzeugen. Orfila (a. a. O.j sah einen Hund dach dem Eingeben von 21'2 Drachmen gepulverten kohlensauren Ammoniaks in 12 Minu­ten sterben. Man fand die eine Hälfte der Magenschleimhaut stark entzündet (?), die andere Hälfte weiss und natürlich; das Herz ohne Bewegung, im linken Ventrikel mit flüssigem, schwarzem Blut erfüllt. — 1 Drachme bei Hunden, und 2 Unzen bei Pferden und Kühen habe ich aber mehrmals, ohne üble Folgen davon zu sehen, eingegeben. C. G. Mitscher lieh sali ein Kaninchen von '/g Drachme des Mittels in 1 Unze Wasser gelöst und in den Magen gespritzt sehr bald er­matten, so dass es nicht mehr stehen konnte, und nach 20 Minuten von Tetanus befallen werden; die willkürlichen Bewegungen hörten fast ganz auf, die Empfindlichkeit verminderte sich in den Extremitäten sehr, der Puls war sehr schnell, das Athmen beschwerlich. -1 Stunden nach dem Eingeben wurde das Thier wieder munter, und eine Stunde später konnte es gehen und fressen; und am folgenden Morgen war es ganz hergestellt. Als es 2 Tage sjiäter dieselbe Gabe erhielt, traten die nämlichen Zufälle ein und das Thier starb nach 21'4 Stunde. — Ein anderes Kaninchen starb von 1 Drachme nach 25 Minuten unter heftigem Tetanus, und ein drittes nach derselben Menge, in eine Wunde gestreuet, nach 42 Minuten. Bei den Sectionen fand sich der Magen und die Wunde wenig, die Schleimhaut des Dünndarms aber sehr ge-röthet und sein Epithelium aufgelöst, das Blut dünnflüssig, Blut und l rin nicht alkalisch reagirend. —
Man hat das Mittel gegen krampfhafte und andere asthenisch-nervöse Krankheitszufälle, besonders wenn dieselben ihren Sitz in rlen Baucheingeweiden haben, oder mit Affectionen des Lungenmagenner-ven oder des grossen sympathischen Nerven verbunden sind, z. B. bei Appetitlosigkeit, Unverdaulichkeit, Krampf- und Windkolik, Lungen­krampf, Magenkoller, Epilepsie und dgl. mit Nutzen gebraucht. Fran­zösische Thierärzte wollen es auch bei Cachexien, die aus dem Lymph-gefässsystem hervorgegangen sind, namentlich beim liotz und Wurm der Pferde mit gutem Erfolge angewendet haben, — was ich aber nach meinen Beobachtungen hierüber ganz bezweifeln muss. Die Gabe ist für Pferde 2 Drachmen bis 1:., Unze, für Bindvieh 2 Drachmen bis 1 Unze, für Schafe 1 — 2 Scrupel, für Hunde 5 Gran bis 1 Scrupel, — in 1—3 Stunden wiederholt. Man giebt es mit schleimigen, bittern oder aromatischen Mitteln verbunden, am besten in flüssiger Form und kalt (siehe Ammoniak ij. 4611.). Säuren darf man nicht mit ihnen zu­sammen geben. Im Allgemeinen wird das Mittel wenig benutzt und gewöhnlich durch das wohlfeilere und noch wirksamere Hirschhorn­salz ersetzt. (1 Unze 2 Sgr. 8 Pf.)
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4) Flüchtiges Hirschhornsalz, bmizllrhcs kiihli-nsäuerliches Auiiuoniuai, brcnzllch-üligcs kohlensaures Ainuiuniak, AmiHoniucum laquo;. Ammonium carlonicum pyro-oleomm, Hai
volatile Cormi Csrvi.
sect;. 493.
Die Wirkungen dieses eigentliiimlichen, aus Ammoniak, KobJeu-säure nntl brcnzlielicm Tliieröl zusammengesetzten Mittels sind, ganz seinen Bestandtheiler: entsprechend: flüchtige und durchdringende Er­regung der Thiitigkcit des ganzen Nervensystems und des Geiass-systems, so dass gleichzeitig die Sensibilität und die Irritabilität ver­mehrt und namentlich die Energie der Gef'ässe verstärkt wird. Dabei ist es wichtig, dass die Schnelligkeit (und somit die Zahl) der Bewe­gungen des Herzens und der Arterien (bei gesunden Thieren) selbst durch sehr grosse Gaben des Mittels sich kaum bemerkbar , aber die Schnelligkeit der Athemziige sehr vermehrt. — Ich gab dasselbe ver­suchsweise Pferden und Kühen zu l/2—4 Unzen auf einmal, in 3—G Unzen destill. Wassers gelöst, und sah stets die Schleimhaut im Maule und in der Xase und die Bindehaut der Augen gleich nach dem Ein­geben dunkelroth, den Bück munterer, das Auge glänzender, das Innere des Maules, die Ohren, die Nase und Ftisse und die ausgeath-mete Luft wärmer werden: letztere roch auch stark nach empyreuma-tischem Oel. Die Zahl der Athemziige war von 10 bis zii 20, selbst 25 vermehrt, der Puls voll und kräftig, aber ganz ruhig. Zuweilen (wenn das Mittel sehr concentrirt eingegeben ward) entstand auch starkes Geifern aus dem Maule, selbst oberflächliche Anätzung der Maulschleim­haut. Alle jene Erscheinungen dauern jedoch nur 1—2 Stunden. Später findet sich etwas vermehrte Hautausdünstung, wie auch reich­licheres Uriniren und vermehrte Absonderung an der Schleimhaut der liespirationsorgane. Der Koth geht besser verdauet, kleiner und der­ber geballt ab. Der Appetit wurde niemals vermindert. Einspritzun­gen von •/j-—1 Drachme Hirschhornsalz, gelöst in 2—4 Unzen destil-lirten Wassers, in die Drosselvene bei Pferden und Kühen, wirkten augenblicklich fast ganz auf dieselbe Weise, aber noch stärker er­regend.
Oertlich wirkt das Hirschhornsalz, wenn es mit vielem Wasser (etwa 1 Th. mit 12 Th.) gelöst auf die Haut gebracht wird, reizend, die Auflösung und die Resorption vermehrend, daher bei torpiden Ge­schwülsten die Zertheilung befördernd, in sehr concentrirter Auflösung (z. B. mit gleichen Theilen Wasser) aber Entzündung erregend, selbst gelind ätzend.
sect;. 494.
Die allgemeine Wirkung des Mittels ist mit der des Kamphers, des reinen und des kohlensauren Ammoniaks, vorzüglich aber mit der des stinkenden Thieröls sehr verwandt, und es findet daher ganz wie dieses (sect;. 2G6, 267) seine innerliche Anwendung bei den­jenigen Krankheiten, welche mit wahrer torpid er Schwäche verbunden sind; z. B. bei nervösen, typhösen und bei rheumatischen Fiebern, bei der Staupe der Hunde, dem Koller der Pferde, bei Liih-
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mungeu und rein nervösen Krämpfen, bei dem Starrkrampf, bei Appe­titlosigkeit und Unverdauliclikeit, bei veraltetem Katarrh und Rheu­matismus u. s. w., wenn bei diesen Krankheiten die Thiere grosse Stumpfheit der Sinne, weichen, kleinen Puls, verminderte Wärme, schmierige, blasse Schleimhäute zeigen. — Tennecker (Handb. der prakt. Arzneimittellehre, 2. Bd. S. 204) hat selbst bei reinen Entzün-duugsliebem, in der Lungen-, Kieren- und in Gehirnentzündung von dem Hirschhornsalz, nach gemachtem Aderlass angewendet, grosse Dienste gesehen, und erklärt dies aus der Wirkung des Mittels auf den Schweiss, durch dessen Unterdrückung die meisten dieser Leiden ent­stehen. Die Anwendung dieses Mittels bei reinen Eutzündungskrauk-heiten kann aber leicht sehr gefährlich werden, und ist daher keines-weges so unbedenklich zu empfehlen; sie darf nur Statt finden entweder ganz im ersten Entstehen solcher Krankheiten, und dann nur nach vor­her gemachtem Aderlass, — oder, wo die Krankheit einen zur Auf­lösung der Säfte, zum Brande führenden Verlauf zeigt, und wo das hinzugetretene Fieber den asthenischen Character annimmt.
sect;• 195-Die Gabe ist für Pferde und Kindvieh 1—3 Drachmen, für Schafe und Schweine 1 Scrupel bis 1 Drachme, für Hunde 3 — 20 Gran, in Zwischcnzeitfraquo;! von 2 — 3 Stunden wiederholt. Die Anwendung ge­schieht in Pillen, Latwergen oder in Auflösung; zu letzterer nimmt man auf 1 Theil des Salzes 24—32 Theilc Wasser, oder eben so viel einer schleimigen, bittern oder aromatischen Flüssigkeit.
sect;. 49G. Aeusserlich benutzt man das Hirschhornsalz als zertheilendes, auf­lösendes Mittel bei denselben krankhaften Zuständen, wo das kohlen­saure Kali empfohlen ist (sect;. 489), welches es aber an Wirksamkeit übertrifft. Zuweilen wendet man es mit 10— 12 Theilen Wasser oder Branntwein gelöst, zum Waschen an, mehrontheils aber dient es blos als Zusatz zu dem Kampherliniment, zur grauen Quecksilbersalbe, zum äussern Lebensbalsam und dg]., in dem Verhältniss von 1 Theil zu G—8 Theilen. — Manche Thierärzte empfehlen es auch als Heilmittel gegen die Käude; hierzu ist es aber viel zu theuor und durch wohlfeilere zu ersetzen. Üeberhaupt ist der Preis des Hirschhornsalzes (der dem des Kamphers ziemlich gleich ist) zu beachten. (1 Unze 5 Sgr. 8 Pfg.)
Anmerkung. Der Hirschhornspiritus {Spiritus Cornu Ccrvi, Liquor Am-monii carhonici pyro-oleosi, Amnwn. pyro-olcos. solutum) ist im gereinigten oder recti-ficirten Zustande in den wirksamen Heslamltheilen ganz übereinstimmend mit dem Hirschhornsalz, und blos durch die flüssige Form verschieden. Es gilt daher von ihm hinsichtlich der Wirkung und Anwendung Alles, was über das Hirschhornsalz angegeben ist; er wird aber wenig benutzt. (1 Unze 1 Sgr. 4 Pfg.)
5) Kohlensaurer Rillk, Calx carbonica. .
sect;. 497.
Der kohlensaure Kalk kommt im Thierreiche und im Mineralreiche vor. Der aus dem letztern stammende ist mehrentheils ohne Neben-
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bestandtheile, während der aus orgamschem ürsprnnge bald nicJu-, bald weniger thierischen Leim entliält und walirscheinlich auch noch übrigens bei den einzelnen Thieren, von denen er .stammt, verändert ist. — In der Thierarzneikuhde werden am gewöhnlichsten die Aveissc Kreide Greta alha) (0), zuweilen auch die weissgebrannten Knochen, die präparirten Ansterschalen {Conchaepraeparatae) und die Eier­schalen {Testae ovorwn) (0) als Arzneimittel gegen Säure in den Ver­dauungseingeweiden und gegen hiervon entstandene Diarrhöe, Appe­titlosigkeit, Unverdaulichkeit, Aufblähen, Kolik und gegen die Fäule der Schafe angewendet. Der kohlensaure Kalk ist in allen seinen Arten ein sehr mildes Arzneimittel, welches von der scharfen Wirkung des Aetzkalkes keine Spur besitzt. Er ist grösstentheils unauflöslich und kann daher nur durch Entwickelung seiner Kohlensäure im Magen und Darmkanal eine geringe allgemeine, und dem kohlensauren Kali ähnliche, aber viel mildere Wirkung erzeugen, aber am meisten wirkt er durch Absorption der vorhandenen Säure. In zu grossen Gaben oder bei langer Fortsetzung des Gebrauchs belästiget er zuweilen die Ein­geweide auf mechanische Weise, indem er sich in festen Massen an­häuft. Dieser Eigenschaften wegen wird der kohlensaure Kalk in manchen Fällen besser durch das Kalkwasser ersetzt; er verdient vor diesem nur da den Vorzug, wo entweder die Empfindlichkeit der Ver-dauungseingeweidc sehr gross, oder wo durch irgend einen Umstand die Anwendung flüssiger Arzneien contraiudicirt ist.
Die Gabe von der möglichst fein pulverisirten Kreide und dgl. ist für Pferde und Hindvieh l/2 —2 Unzen, für Schafe und Schweine 1 Drachme bis l/ä Unze, für Kunde 10 Gran bis 2 Drachmen, täglich drei- bis viermal. Die Anwendung kann in jeder Form, und am besten in Verbindung mit bittern und aromatischen Mitteln, zuweilen auch, bei heftiger Diarrhöe, in Verbindung mit Rhabarber, Opium und ara­bischem Gummi geschehen. — Schwefelsäure und Weinsteinsäure, und eben so die Salze dieser Säuren, dürfen nicht mit dem kohlensauren Kalk gegeben werden, weil sie mit ihm unauflösliche Substanzen bilden. {Concliae praeparatae 1 Unze 2 Sgr. 6 Pfg.)
li) lidlili'iisauiT oder knlilensiiiierliclic Bittererde oder IHagnesle, Magnesia liydrieo-carbonica, Magnesia earbonica .v. suamp;earioniea s. alOa, Carhonas magneäieus etun Aqim
et Hydrate taaynesico,
sect;. 498.
Sie verhält sich in ihren Wirkungen dem vorigen Mittel und zum grossen Thcil auch der reinenMagnesie (sect;. 476) sehr ähnlich, ist aber milder als letztere, feiner zertheilbar und weniger die Eingeweide be­lästigend, als der kohlensaure Kalk, weil sie nicht so unauflösliche Vorbindungen eingeht, wie dieser. Sie verdient daher bei den im vorigen sect;. genannten und bei ähnlichen Krankheiten als säurewidriges Mittel vor allen andern den Vorzug, besonders bei jungen Thieren und bei grosser Schwäche und Reizbarkeit der Eingeweide. Da sie zu­gleich mehr als 2/3 wohlfeiler ist als die gebrannte Magnesie, so kann
Hkktwio. Arzneimlttellebre.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 30
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sie auch bei grossen Tliiereu angewendet werden, ohne ilass hierdurch eiue zu kostspielige K ur entsteht. Die Gilbe ist für ausgewachsene Pferde und Kinder 2—-3 Drachmen, für Fohlen und Kälber und eben so für Schafe und Schweine 1 Scrnpel bis 1 Drachme, für Hunde '/j, Scrupel bis 1/2 Drachme, Die Anwendung geschieht wie bei den vorhergehen­den Mitteln. (1 Unze 2 Sgr. 4 Pfg.)
0. Schwefelsaure Salze.
7) Schwefelsaures Kali, Doppclsalz, vitrinlislrtct ffelnsteln, Kalisulphttrieum,
Sa!, de duubua, Arcitnuin duplicaium, Tartarus viii lolitfita.
Es besteht aus Kali, Sclwefelsäure und Krystallisationswasser und ist in 17—18 Theilen kalten, oder in 5—6 Theileu warmen Was­sers löslich. - Bei innerlicher Anwendung erzeugt es (wie im sect;. 48J augegeben) zunächst eine eigenthümliche und massige, Reizung des Verdauungskanals, namentlich der Drüsen und der absondernden Ge lasse, wodurch eine reichlichere und zugleich dünnflüssigere (mehr seröse) Absonderung der Magen- und Darmsäfte, und hierdurch von massigen Gaben eine stärkere Auflösung und Verminderung des Schlei­mes in den Eingreweiden und leichterer Abeang' der Darmexcrcmente, von grossen Gaben aber selbst Laxiren entsteht. Letzteres tritt bei Pferden und Kindern erst nach 20—24 Stunden ein, und der abgehende Koth erscheint bei den erstem selten ganz flüssig, sondern nur weich, breiartig-, mehr feucht und häufiger. Bei den übrigen Thieren, beson­ders beim Schweine und Hunde, tritt die Wirkung schneller ein und die Excremente werden wässerig. #9632;— Dass diese Wirkung mit einer örtlichen Reizung, mit etwas verstärktem Zufluss des Blutes zu dem Darmkanal und daher auch mit verhältnissmässiger Ableitung von an­dern Organen verbunden sein muss, 1st nach allgemeinen physiolo­gischen Gründen als sicher anzunehmen; es ist aber dabei eigentliüin-lich, dass die Beizung nicht, wie bei den scharfen, harzigen, ätherisch­öligen u. a. Mitteln, mit Vermehrung der Irritabilität und Sensibilität und mit Erhitzung-, sondern entgegengesetzt mit Verminderung der natürlichen Wärme und mit Schwächung der Irritabilität in den Häu­ten und Gefässen des Verdauungskanals verbunden ist.
Mit dieser Wirkung des Mitteis auf die Verdauungseingeweide wesentlich übereinstimniend, ist auch seine weitere allgemeine Wirkung, besonders auf das Gefässsystom und auf das Blut. Es geht in letzteres über, vermindert die Gerinnbarkeit, macht es flüssiger und heller roth, vermindert die Irritabilität und die Zusammenziehungskraft der Ge-fässe, so dass bei der Anwendung in grossen Gaben oder durch längere Zeit fortgesetzt, der Herzschlag fühlbarer und der Puls weicher und etwas voller erseheint; die Temperatur der Haut, im Maule u. s. w. und die Haut- und Lungenausdiinstung wird ebenfalls vermindert, aber die ürinseeretion vermehrt und der Urin selbst wird viel reicher an salzigen ßestandtheilen, so dass ganz wahrscheinlich ein grosser Theil
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dos eingegebenen Salzes, obgleich laquo;'twiis verändert, auf diesem Wege aus dem Körper wieder ansgescMeden wird.
In allen diesen Wirkungen ist das Doppelsalz sein- verwandt mit dem Grlaubersalz und mit dem Bittersalz, grösstentbeils auch mit dem Salpeter und mit dem Weinstein ; es wirkt jedoch nach den Erfalmui-gen von Waldinger und Uysz örtlich milder als diese Salze, und zugleich soll es sie als Abführungsmittel an Wirksamkeit übertreffen; — das Letztere ist aber, hinsichtlich des Glaubersalzes, mit meinen und fast mit allen andern Beobachtungen nicht übereinstimmend. Da­gegen stellt das Doppelsalz dem Salpeter in der Eigenschaft, die Lebens-tliätigkeit im Blute und die Irretabilität zu vermindern, sein weit nach, es wirkt aber auch in grossen Gaben nicht so leicht wie dieser mich-theilig auf die Verdauungseingeweide. Aueli kühlt es weniger als der Salpeter und als das Glaubersalz.
sect;. 500.
Zufolge der bezeichneten Wirkungen findet das Doppelsalz eine vielfache Anwendimg bei allen solchen Krankheiten, welche a) in zu geringer Absonderung an der innern Fläche des Magens und Darm kanals, daher in zu grosser Trockenheit der daselbst befindlichen Nah­rungsmittel, in Anhäufung derselben, oder in Anhäufung von zähem Schleim begründet sind, — und die sich durch Trockenheit laquo;der schmuzigen, klebrigen Belag der Schleimhaut im Maule, durch Appe­titlosigkeit, Unverdaulielikeit, sparsam abgehenden, klein geballten, harten oder mit einer zähen Schleimkruste überzogenen Koth charac-terisireu, und die wohl auch in Folge jenes Zustandes mit gänzlicher Leibesverstopfung uud mit Kolikschmerzen verbunden sein können ; z. B. Unverdaulichkeit, zu geringe Fresslust, gastrisches Fieber, Ueber-fütterungs- und Verstopfungskolik (auch des Rindviehes), Verschlei-mung ohne grosseErschlaffung uuddgl.; — 6) auch bei solchen Krank­heiten , welche in abnormer Aufregung der Irritabilität, in örtlicher, activer (oder synochöser) Entzündung, oder in dgl. allgemeiner fieber­haft entzündlichen Beizung, in Orgasmus, in zu grosser Plasticität des Blutes oder in activen Congestionen zu edlen Organen beruhen und sich im Allgemeinen durch harten, vollen Puls, dunklere Köthung und Trockenheit der Schleimhäute, grosse Wärine der Haut, sparsame Koth- uud Harnentleerung und durch schnelles, festes und gleichmäs-siges Gerinnen des bei einem Aderlass entleerten Blutes zu erkennen geben; daher z. B. bei Entzündung des Gehirns, der Augen, der Lun­gen, der Milz, der Leber, der Gebärmutter, der Hufe uud dgl.; bei Entzüudungsfiebern; bei dem acuten Rheumatismus; bei dem Dumm­koller, wenn derselbe mit den angeführten Symptomen von Gefäss-reizung, oder mit Congestionen des Blutes gegen den Kopf, oder mit Raserei uud Krämpfen, namentlich mit Epilepsie verbunden ist; bei allen Milzbrandkrankheiten, besonders im ersten Entstehen derselben uud vorzüglich, wenn die oben bezeichneten Symptome vorhanden sind. — c) Auch ist das Doppelsalz als urintreibendes und steintrei-beudes Mittel in solchen Fällen, wo in der Blase sich ein sandiger
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Bodensatz bilclot, mit Xutzen angewendet worden. — d) Ausserdem ist er ein wirksames Gegengift bei frisch entstandenen Vergiftungen durch Blei.
Bei Entzündung des Magens, des Darmkanals, und noch mehr bei Entzündung der Nieren und der Harnblase, geben manche Thierärzte das Doppelsalz (und überhaupt Salze) nicht gern, weil die örtliche reizende Einwirkung nachtheilig sein soll; allein bei geschickter An­wendung des Mittels, in Verbindung mit schleimigen Stoffen, ist die letztere nicht so sehr zu fürchten.
Die wirklichen Gegenanzeigen gegen den Gebrauch des Doppel­salzes, besonders gegen grosse Gaben desselben, sind: ein holier Grad von Erschlaffung, Reizlosigkeit und Schwäche, sowohl im ganzen Kör­per, wie auch vorzüglich in den Verdauungsorganen, Durchfall in Folge; oder in Verbindung mit grosser Schwäche, übermässige Harnsecretion, Zelirtieber.
sect;. 501.
Die Grosse der Gaben und die Verbindung, in welcher das Dop­pelsalz angewendet wird, ist nach Verschiedenheit des Krankheitszii-standes und des Heilzweckes sehr verschieden. — Bei den im vorigen sect;. unter a) bezeichneten Krankheiten giebt man es, um die absondernde Thätigkeit im Verdauungskanal gelind zu vermehren, den Schleim auf­zulösen, den Appetit und die Verdauung zu bessern (als sogen. Di­gestivmittel), nur in kleinen und massigen Gaben; nämlich den grossen Hausthieren von 1—3 Unzen, Schafen und Schweinen von 1 2—1 Unze, Hunden von 1\2—2 Drachmen, — täglich drei- bis viermal, — in Verbindung mit bittern und gelind erregenden Mitteln, und am besten in Latwergen oder in Pillen. — Bei allen Koliken der Pferde soll man, nach Waldinger's Vorschrift1, 3 Unzen Doppclsalz mit 1 Unze Enzianwurzelpulver und mit warmem Wasser (1//2 Quart) aid' einmal, und in Zwischenzeiten von '^ Stunde wiederholt, so lange ein­geben, bis das kranke Thier etwas ruhiger ward, worauf diese Ein­güsse nur alle Stunden wiederholt werden, bis Entleerung des Mistes und des Urins und gänzliche Beruhigung erfolgt. Dieses Verfahren ist allerdings bei den Koliken, die aus Ueberfütterung, von zu trocke nem, oder schwer verdaulichem, kleisterischem Futter (z. B. Kleie) und aus Mangel an Absonderung im Verdauungskanal entstanden sind, sehr natürlich; allein es eignet sich weder für solche, die in heftiger Magen- oder Darmentzündung bestehen, noch für diejenigen, die in Reizlosigkeit und Erschlaffung, oder im blossen Krampf diesen- Theile begründet, oder mit starker Aufblähung verbunden sind; denn bei ersteren darf das Salz nur mit vielem Schleim, oder mit Fett und fet­tem üel verbunden, angewendet werden — und bei denen von letzter Art sind gewöhnlich die stärker reizenden, krampfstillenden und absor-birenden Mittel (z. B. Terpenthinöl, Opium, Schwefelleher) weit wirk­samer.
Wal di nger, über die Nalirungs - und Heilmittel der Pferde. S. 199.
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Gegen die im vorigen sect;. unter b) angedeuteten Krankheiten muss man das Doppclsalz in den vorhin bezeichneten grössten Gaben an­wenden, sie sogar verdoppeln (so dass mau z. 13. für Pferde oder Hin­der 2 Pfund in 24 Stunden mit etwa 6—8 Gaben verbraucht), wenn diese Krankheiten in einem hohen Grade bestellen. Schafen and Schweinen 4—6 Unzen, Hunden 1—3 Unzen, Katzen 2 Drachmen bis 1 Unze, Gänsen und Hühnern '/j—2 Drachmen. Hayne warnt gegen grosse Gaben dieses Salzes bei edlen Pferden und sagt, dass arabische und englische Pferde durch dasselbe oft umgebracht werden, wenn nicht die gehörige, Vorsicht in der Gabe befolgt wird; denn es hat Fälle gegeben, wo man bei entzündlich gastrischen Leiden von dem Dojrpelsalze eben solche gute Wirkungen wie in Koliken bei ge­meinen schlaffen Thieren zu erwarten berechtiget sein konnte, und es ohne Modification in grossen Gaben reichte, wovon jedoch die Folgen gewöhnlich tödtlich, durch stellenweisen Brand in den Gedärmen ver-anlasst waren'. Ich will diesen Beobachtungen nicht widersprechen, muss aber bemerken: a) dass ich bei mehrfältigen absichtlichen Ver­suchen an gesunden englischen und andern Pferden von edler Ra^c durch die oben bezeichneten grossen Gaben niemals Magen- oder Darmentzündung oder gar Brand habe erzeugen können; dass aber — b) solche edle Pferde, wenn sie an gastrischen entzündlichen Krank beiten litten, oft schnell an dem hinzugetretenen Brande starben, ob­gleich gar kein Doppelsalz angewendet worden ist. Dennoch mag man Hayne's Warnung beachten und bei solchen Krankheiten edler Pferde das Mittel nur in kleinen Gaben und in einer grösseren Menge von einhüllenden Mitteln (in flüssiger Form mehr als gewöhnlich verdünnt), reichen, oder es ganz weglassen. — Je mehr die Symptome einer acu-ten synochösen Entzündung zugegen sind, um so mehr ist es nöthig, mit dem Doppelsalz den Salpeter zu verbinden ; und bei Entzündungen des Verdauungskanals und der Harnorganc ist, wie, bereits oben er­wähnt, der Zusatz von schleimigen und anderen milden, einhüllenden Mitteln erforderlich. — Will man durch das Mittel bald eine laxirende Wirkung hervorrufen, so ist seine Anwendung in flüssiger Form am zweckmässigsten (wenn übrigens dieselbe durch andere Umstände nicht contraindicirt wird). Diese Wirkung wird sehr verstärkt, wenn man zu dem aufgelösten Salze verdünnte Schwefelsäure setzt, und zwar auf 1 Unze Salz Ya Drachme von der letztern.
Gegen Eingeweidewürmer der Pferde empfahl Waldinger 2 als Abführungsmittel das Doppelsalz zu 4 Loth, in Verbindung mit 16 Loth Leinöl und mit 1 Loth Ilirschhornöl (S. 226.). — Gegen die Ansamm­lung sandiger Massen in der Blase und gegen die hierdurch erzeugten Harnbeschwerden rühmt derselbe eine Composition aus 4 Loth Dop­pelsalz, 2 Loth Kamillenpulver, ^ Loth Seife und 1/2 Loth Terpen-thinöl 3. Die Wirksamkeit der letzteren Arznei kann ich bestätigen.
Darstell, der in der Thierleilk. bewährten Heilmittel. Bd. J. S. 309. Dessen Therapie, 2. Aufl. 2. Theil. S. 87 und 282. Formel Nr. 4 Ueber Nahnmgs- und Heilmittrl der Pferde. S. 512.
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Essig, Salpeter- und Salzsäure, Knlkwasser, Kalk-, Baryt-, Queck-iilber-, Blei- uud Silbersalze soll man mit ihm nicht verbinden.
Anmerkung. Das saure schwefelsaure Kali (Jüill hisnlplnnicnm), wel-cheä aus 1 Tlieil Kali und 2 Theilen Schwefelsäure bestellt, wird als Arzneimittel für Thiere nicht benutzt, ist aber in neuerer Zeit zur Entwiekelung der Chlordämpfe aus dem Chlordampf empfohlen worden.
8) Schwefelsaures Natrnin, schwefelsaure Soda, Glaubersalz, Glauber'sches Vuoiersalzj
Natrum stdphtiriqtem, Sulphaf Sodae, Sulphas natrieus c. Aqua, Sal mirabile Glaube) i.
sect;. 502.
Das Glaubersalz besteht aus Natrum, Schwefelsäure und Kry-stallisationswasser; von letzterein enthält es mehr als die Hälfte seines ganzen Gewichts (nämlich 56 Proc.), verliert es aber an der Lnft und zerfällt dann in ein weisses Pulver. Mau unterscheidet daher d) kry-stallinisches (d. i. wasserhaltiges, Katrum sulphuric, crystallisatum) und h) zerfallenes oder trockenes Glaubersalz {Natr. sulphuric, delapsum s. siecum). Da sich mit dieser Veränderung des Salzes auch seine Arzneikraft, wenigstens der Grad der Wirksamkeit verändert, so ist der Unterschied wohl zu beachten. Das Glaubersalz löst sich in 3 Theilen kalten uud in weniger als gleichen Theilen kochenden Was­sers leicht auf.
Die Wirkungen dieses Salzes kommen mit denen des Doppel­salzes sehr überein, und weichen nur darin ab, dass sie, wie es scheint, wegen der reichlichen Wärmebindung, die bei der Anwendung, beson­ders von grossen Gaben des frisch aufgelösten oder des unvollständig gelösten krystallinischen Glaubersalzes im Magen entstellt, örtlich und allgemein mehr kühlend und antiphlogistisch sind, class aber aus dem­selben Grunde das Mittel in grossen Gaben zuweilen Kolik verursacht oder den Appetit und die Verdauung für einige Zeit schwächt. Diese üble Nebenwirkung bemerkt man von dem trockenen Glaubersalz we­niger, und dennoch wirkt dasselbe stärker abführend als das krystalli-nische; dagegen ist letzteres mehr urintreibeud als jenes. Waldinger und Rysz behaupten, dass das Glaubersalz bei weitem nicht so wirk­sam sei wie das Doppelsalz, und Thierarzt Hoffmann führt (in der thierärztl. Ztg. 1845. Nr. 22.) 6 Beispiele an, in denen selbst unge­wöhnlich grosse Gaben dieses Salzes beim Rindvieh als Laxirmittel sich ganz unwirksam zeigten. Bei einem 5jährigen, mit Esparsette überfütterten Ochsen wurden in Dosen von 6 Unzen innerhalb 48 Stunden 10 Pfund, — bei einem mit Klee überfütterten 3jährigen Stier in denselben Gaben binnen 24 Stunden 8 Pfund, — bei einer 6jähri­gen , in Folge des ühermässigen Genusses von Rübenkraut in Kolik verfallentut Kuh, nach vorausgegangener Anwendung von 1 Pfund Schweinefett und 1 Pfund Leinöl innerhalb 4 Tagen 11 Pfund, — bei 2 mit erhitztem Klee überfütterten Kindern nach vorausgegangenem Pansenstiche in 36 Stunden in Gaben zu 3 Unzen an 7—8 Pfund, und — bei einer an Indigestion leidenden Kälberkuh 3 Pfund Glaubersalz ohne die mindeste (?) Wirkung eingegeben. Ueberall war der Aus-
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gang tödtlich. Diest' Fülle beweisen nicht viel, da in ihnen auch an­dere Mittel sehr walirscheinlich ohne quot;Wirkung geblieben sein würden. — Ich sah ebenfalls von dein krystallisirten Salze oft nur eine sehr schwache, in den meisten Fällen aber die genügende Wirkung erfül­len ; und das trockene Glaubersalz habe ich bei absichtlich hierüber angestellten Versuchen eben so wirksam, und oft sogar noch kräftiger gefunden als das Doppelsalz.
sect;. 503.
Das Glaubersalz kann ganz bei denselben Krankheiten, bei denen das Doppelsalz nützlich ist (sect;, 500.), als Heilmittel innerlich ange­wendet werden; es verdient aber vor dem letzteren in den meisten Fällen den Vorzug, weil es wohlfeiler ist, und bei Entzündungen auch wegen seiner mehr kühlenden Wirkung. — In früherer Zeit hatte man das Glaubersalz auch gegen die Rinderpest empfohlen 1; es sind jedoch keine Thatsachen über seinen hierbei geleisteten Nutzen bekannt.
\ Die Gabe von dem kiystallinischen Glaubersalz ist bei den ver­schiedenen-Krankheiten wie von dem Doppelsalz (sect;.501.); — von dem trockenen aber kann sie um 1/'3 geringer sein. Die Anwendung von beiden geschieht ebenfalls auf dieselbe Weise und in denselben Verbindungen wie bei jenem Salze, und es ist nur zu bemerken, dass das krystallinische Glaubersalz sich weniger gut als das trockene zur Anwendung in Latwergen und noch weniger in Villen eignet, weil es sehr weiche, schmierige Massen bildet. Man giebt es daher am besten mit Wasser aufgelöst in flüssiger Form, besonders wenn es als Laxir-mittel wirken soll; ist man aber durch die vorhandenen Krankheitsver­hältnisse , namentlich durch sehr beschwerliches Athmen oder durch heftige Unruhe der Thiere und dgl. genöthigt, das Mittel in Latwergen oder Pillen anzuwenden, so muss man ihm etwas mehr Bindemittel zu­setzen als andern Arzneien, z. B. zu 1 Pfund des blossen Salzes gegen 2 Unzen Altheewurzelpulver.
Das Glaubersalz ist auch wie das Kochsalz als ein Reizmittel zur Beförderung des Verdauungsprocesses bei den pflanzenfressenden Haus-thieren mit Nutzen gebraucht worden. Für diesen Zweck giebt man es wöchentlich an 2 Tagen, jedesmal früh und Abends den Pferden 1 '/j Unzerden Hindern 2 Unzen, den Schafen und Schweinen '/o Unze auf das Futter, oder man löst es auf und giebt es im Getränk.
sect;. 504.
Da das kristallinische Glaubersalz bei seiner Auflösung viel Wärme bindet und einen hohen Grad von Kälte künstlich erzeugt, so wird es hin und wieder auch äusserlieh bei solchen Entzündungen, die mit gros­ser Hitze begleitet sind, als ein kühlendes Mittel angewendet. Für die­sen Zweck wird am besten das grob pulverisirte Glaubersalz zwischen Leinwand auf den kranken Theil gelegt, und dann seine Lösung durch
1 Gutachten der Gebrüder Gravenhorst, die Anwendung des Glaubersalzelaquo; wider die Bindviehseuche betreffend, tu dem Braunschw. Anzeiger vom Jahre 1776
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lleissiges Aut'eiicliten der Leinwand mit kaltem Wasser bewirkt. Das Waschen der entzündeten Tlieile mit einer Auflösung des Salzes in Wasser ist weniger wirksam. — Das trockene GrlaubersaJz eignet sich zu dieser Anwendung nicht. Dieselbe ist wenig gebräuchlich und nicht so unbedingt nützlich, wie sie es zu sein scheint, weil die örtliche Ein­wirkung des Salzes auf die entzündeten Theile eine neue Reizung verursacht. {Nalr. sulphuric, gros. wodo pult: 1 Unze 8 Pf., 1ji Pf'd, 3 Sgr.; slccum 1 Unze 1 Sgr. 4 Pf.)
it) Schwefelsaure ülagnesie oder Blltererde, Ellgllsehes, Saidscliiilzcr oder BiUcrsalz.
Magnesia sntj'htwica, SulpJtas Magnesiae -s-. Rulphas magnesicus cam Ägua, Sal aitylicmu,
Sal Saidschueteense, Sal amannu.
sect;. 505.
Dieses aus Bittererde und Schwefelsäure bestehende Salz enthält im krystalliuischen Zustande über die Hälfte seines Gewichts (61 Pry.) Krystallisationswasser, verliert aber dasselbe durch Einwirkung einer trockenen Luft und zerfallt dann, wie das Glaubersalz, in ein weisses Pulver.
In seiner Wirkung stimmt es mit dem Glaubersalze und mit dem Doppelsalze fast ganz überein, ist jedoch etwas weniger kühlend, we­niger abführend und weniger urintreibend, aber auch weniger schwä­chend auf die Verdauungseingeweide als das erstere. — Es findet seine innere Anwendung bei denselben Krankheiten, bei denen das Doppel­salz und Glaubersalz empfohlen ist, muss aber den grossen Hausthie-ren in Gaben, die um '/a grosser sind als von diesen Salzen, gereicht laquo;erden. Deshalb, und zugleich weil es theurer ist als diese Salze, wird es selten angewendet. {Magn. sulph. depurat. 1 Unze G Vi., pulv. 1 Unze 1 Sgr. — cruda gr. pulv. 1 Unze 10 Pf.)
10) Alaun, rober Alaun, schwefelsaures Tiionkali, Almncn, Alumni erttdum, SiOpha*
aluminüo - kn/icus (oder nmmonicus) cum Aqun, Aryilla-Kali sulphnricn.
sect;. 506.
Dieses Doppelsalz besteht gewöhnlich aus schwefelsaurem Kali, schwefelsaurer Thonerde und vielem (über 45 Proc.) Krystallisations­wasser, kann aber auch statt des Kali schwefelsaures Xatrum oder schwefelsaures Ammoniak enthalten. Durch Brennen in einem irde­nen, nicht glasirten Topfe, oder in einem solchen Schmelztiegel, ver­liert es sein Krystallisationswasser, wird lockerer, schwammicht, und ist dann der sogenannte gebrannte Alaun {Alumen ustum s. Sul­phas alwninico-lcalicus ustus).
a. Der rothe Alaun geht (nach Mitscjherlich) bei innerlicher Anwendung zuerst mit dem Eiwcisstoff und mit dem Käsestoff, welche im Magen und im Darmkanal vorhanden sind, Verbindungen ein, die durch Essig- und Chlorwasserstoffsäure wieder löslich sind und im auf-
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gelösten Zustande auch absorbirt weiden können. Seine Wirkungen #9632;sind, im Allgemeinen angedeutet, denen der verdünnten Schwefelsäure ähnlich, jedoch durch das Kali und die Tlionerde etwas modificirt und gemildert und nach der Grosse der Gaben etwas verschieden. Wird er innerlich in massigen Gaben und nicht zu kurzen Zwischenzeiten angewendet, so wirkt er zunächst auf die Schleimhant des Verdauungs­kanals gelind erregend und zusammenziehend, vermehrt die Contracti-lität, beschränkt die krankhaft vermeinten Absonderungen und be­seitigt daher auch dergleichen Darmausleernngen; eben so wird auch besonders bei länger fortgesetzter Anwendung, die Urin- und (bei mil­chenden Thieren) die Milchabsonderung vermindert. Dabei ändert sich auch die Qualität der abgesonderten Säfte, — wie man dies bei manchen Abnormitäten des Urins und der Milch (z. B. Blutharnen und Blutmelken), die sich durch den Alaun beseitigen lassen, zuweilen sehr deutlich sieht. Bcmcrkcnswerth ist es jedoch, dass während und nach der Anwendung des Alauns an gesunden Kühen, bei meinen hierüber gemachten Versuchen, die Milch nicht früher säuerte als vorher. — Wird das Mittel anhaltend und in kurzen Zwischenzeiten wiederholt gegeben, so stört es den Appetit und die Verdauung, macht Hartleibig­keit, Abmagerung und Mattigkeit, und Bourgelat (Mattere medicale) sagt, dass Pferde in Folge des Gebrauchs des Alauns schwindsüchtig geworden sind. — Zu grosso Gaben erzeugen Leibschmerzen, Durch­fall, bei Schweinen und Hunden Erbrechen, und zuweilen selbst Ma­gen- und Darmentzündung. — Bei den Sectionen findet man dann das Epithelium des Magens und des Dünndarms theilweise in eine weiss-liche schmierige Masse umgewandelt.
Aeusseflich wirkt er ebenfalls zusammenziehend und gelind reizend; er verdichtet die Weichgebilde theils durch Zusammenschrum­pfung der Fasern, theils durch Gerinnung der Säfte und vermehrt da­her den Tonus, vermindert krankhafte Schlaffheit und Ausdehnung, eben so zu üppige, mit Erschlaffung verbundene Bildung, beschränkt zu reichliche Eiterung und stillt Blutungen.
sect;. 507.
Die innerliche Anwendung des Alauns ist da angezeigt, wo Er­schlaffung und Reizlosigkeit besteht, und in Folge hiervon die Ab- und Aussonderungen in übermässiger Menge und in unregelmässiger Be­schaffenheit Statt finden; daher namentlich bei dergleichen schleimigen und blutigen Durchfallen, bei Schleimfluss aus den Geschlechtsorganen, bei veralteter Harnruhr, bei dem asthenischen Blutharnen, bei Auf­lockerung der Schleimhaut in der Eachenhöhle, im Kehlkopfe, und in den Bronchien, und bei anhaltendem Schleimausfluss aus diesen Thei-len; ferner, bei der Lecksucht des Rindviehes im Isten und 2ten Sta­dium; bei fehlerhafter Beschaffenheit der Milch, besonders bei der so­genannten blauen Milch, wenn dieselbe blau, wässerig, theilweis mit zähen Fäden durchzogen erscheint, wenig Kahm ausscheidet, aber einen fetten, schmierigen Bodensatz bildet. — Auch ist der Alaun als anti septisches Mittel gegen faulige und andere asthenischc Krankheiten,
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bei denen sidr oim' Xeigiing zur Zersetzung zeigt (z. B. Faulfieber, Typhus, Borstenfäule der Schweine), besonders wieder, wenn bei die­sen Krankheiten colliqnative Ausleerungen eintreten, empfohlen wor­den; man soll ihn hier anstatt der verdünnten Schwefelsäure anwen­den, wenn man fürchtet, dass letztere von den Verdauungseingeweiden nicht vertragen werden sollte; allein er kann dieses Mittel bei solchen fauligen Krankheiten nicht völlig ersetzen, vorzüglich deshalb, weil er nicht so energisch auf das Blut selbst wirkt. Angeblich soll er auch die Grastruslarven im Magen der Pferde zum Abgehen veranlassen. — Bei Schweinen, Hunden und Katzen kann er als eins der kräftigsten Brechmittel in allen Fällen, wo künstliches Erbrechen nöthig ist, ange­wendet werden.
Aeusserlich findet, der Alaun eine, häufige Anwendung ebenfalls gegen krankhafte Zustände, die wesentlich in Auflockerung und Er­schlaffung begründet, und nicht mit vermehrter Reizbarkeit verbunden sind, z. B. gegen Auflockerung der Bindehaut nach Augenentzündun­gen oder selbst bei chronischen, mit vieler Schleimabsonderung be­gleiteten, torpiden Augenentzündungen; gegen Flecke der Hornhaut, wenn letztere aufgelockert erscheint; gegen die stark jauchenden und sehr stinkenden , mit Autlockerung der Haut verbundenen Geschwüre im äusseren Gehörgange der Hunde; gegen die Auflockerung der Schleimhaut im Maule bei und nach dem Maulweh , eben so bei und nach Bräune; bei Aphthen, Teigmaul und andern Krankheiten des Mauls, wenn ein fauliger, brandiger Zustand dabei besteht, oder wenn Speichelfluss damit verbunden ist; — ferner, gegen hartnäckige öde-matöse Anschwellungen, die blos durch örtliche Erschlaffung unter­halten werden; gegen dergleichen Geschwüre, besonders wenn sie zu­gleich sehr reichlich absondern, oder wenn sie mit lockerer, leichl blutender, üppiger Granulation versehen sind, z. B. dergleichen Mauke und Strahlgescbwüre; ferner, gegen Gallen, gegen Geleukwunden. Quetschungen, Ausdehnungen, Verrenkungen und Vorfälle, wenn keine Entzündung dabei besteht; gegen Blut- und Schleimflüsse aus der Maulhöhle, aus der Nasenhöhle, den Geschlechtstheilen u. s. w. auch gegen feuchten Brand und gegen Räude.
Der Alaun schadet, dagegen innerlich und äusserlich überall, wo vermehrte Irritabilität und Sensibilität, verstärkte Znsammenziehung, Entzündung, Verdickung, Verhärtung besteht, oder wo gutartige kri­tische Ausleerungen Statt finden.
sect;. 508.
Man giebt Pferden und Rindern den Alaun innerlich von 2 Drach­men bis zu '/o Unze, Schafen und Schweinen von l/2—1 Drachme, Hunden 5 Gran bis '/g Drachme, in Zwischenzeiten von 6—8 Stunden, am besten in Verbindung mit bittern und aromatischen Mitteln, bei grosser Schwäche auch mit Kampher, bei heftiger Diarrhöe oder bei heftigem, schmerzhaftem Blutharnen und bei dergleichen Harnruhr auch mit schleimigen Mitteln und mit Opium oder mit Bilsenkraut. Die Anwendung kann in Pillen, Latwergen, oder in flüssiger Form
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geschehen; letztere scheint die Wirksamkeit am meisten zu begün-stigen.
Die iinsserliche Anwendung des Alauns geschielit: a) als feines Pulver zum Einstreuen in Geschwüre, nach Erfordemiss bald für sich allein, bald in Verbindung mit Kohle, mit Asche, mit bittern und zu­sammenziehenden Pflanzenpulvern; oder mit Zucker zu gleichen Thci-len zusammengemengt gegen Flecke und Verdunkelungen der Hern­haut; oder mit arabischem Gummi und Colophonium in gleichen Thei-len zusammengerieben, als blutstillendes Mittel in Wunden. Blutungen aus grossen Gefässeu stillt aber dieses Mittel nicht, und in Wunden, welche durch schnelle Vereinigung geheilt werden sollen, ist es nach­theilig, indem es die letztere chemisch und mechanisch stört. — b) Als Auflösung in Wasser oder in Aufgüssen und Abkochungen von aroma­tischen und adstringirenden Pflanzen, zuweilen auch mit Zusatz von Weingeist, zum Waschen und Bähen der ödematösen, der gequetschten, ausgedehnten Theile, zum Verbinden der Geschwüre, zum Einspritzen in die Höhlen bei Pint- und Schleimfluss, desgleichen als Augenwasser, als Maul wassor. Zum Augenwasser nimmt man 2 Scrupel bis 1 Drachme Alaun auf 8 Unzen eines aromatischen Aufgusses, zum Gebrauch an den Schleimhäuten 2—3 Drachmen, an andern Theilen aber '/g—1 Unze auf 1 Pfund Flüssigkeit. — c) In Salbenform, nur zuweilen ge­gen Hornhautflecke (z. B. 1 Theil fein pulverisirteu Alaun, 1 Theil Opium oder Kampher mit 18—24 Theilen Honig, Fett oder Eigelb abgerieben), oder bei Widerristschäden und ähnlichen Verletzungen, gegen welche er in dieser Form nur in Verbindung von 2—3 Theilen Eiweis zu dem Zwecke angewendet wird, um eine festsitzende, aus­trocknende Decke schnell zu bilden. Alkalien und alkalische Erden (daher auch Kalkwasser), eben so Salpeter, Salmiak, Kochsalz, essig­saures Bleioxyd und Quecksilbersalbe! zersetzen den Alaun und dürfen deshalb nicht mit ihm verbunden werden, wenn man seine Wirkungen vollständig erzeugen will.
sect;. 509.
h. Der gebrannte Alaun ist gelind ätzend und zugleich stärker zusammenziehend als der rohe Alaun. Er dient nur zum äusserlichen Gebrauch als austrocknendes, zusammenziehendes und schwach ätzen­des Mittel in Wunden und Geschwüren, in denen die Granulation schlaff, weich und üppig, und die Absonderung zu reichlich ist. Die Anwendung geschieht am besten als Einstreupulver, bald rein, bald in Verbindung mit andern adstringirenden Mitteln, mit Kohle, Kämpher und dgl. In Salbenform wird er seltener angewendet; Auflösungen mit Wasser sind unzweckmässig, weil er in denselben mehrentheils wieder zum rohen Alaun umgewandelt und demselben auch in der Wirksamkeit ähnlich wird.
Der Alaun bildet auch einen Bestandtheil des sogenannten Wund­oder Heilsteins und des Augensterns (siehe 12te Classe bei dem Kupfer). (Alum, 1 Unze ß Pf., pair. 1 Unze 1 Sgr., usium. 1 Unze 2 Sgr. 4 Pf.)
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Schwefelsaurer Kalk, (laquo;v|ts, Calearia sulphuriea, Oypsum (quot;').
sect;•
510.
Dieses sehr schwer im Wasser (wenigstens in 400 Theileu) auf-liisliebe Kalksalz bringt auf der äussern Haut kaum bemerkbare Wir­kungen hervor und seine Wirkung bei innerlicher Amvendnng ist noch wenig gekannt. Der Gyps wird von allen Thicren in grossen Gaben ertragen; er scheint (nach den von mir gemachten Versuchen'), zuerst eine gelind erregende, und tonisehe Wirkung auf die Schleimhaut des Darmkanals, besonders im Dickdarm, auszuüben, — in sehr gfosseu (iahen verabreicht auch eine vermehrte Absonderung in dieser Schleim­haut zu erregen. Diese letztere Wirkung ist zuweilen mit gelinden Koliksciimerzen begleitet. Im Magen- und Dannkanal wird durch die hier befindlichen Säfte ein Thcil des Gypses zersetzt und in Oxalsäuren Kalk umgewandelt, und theilweis wird er zu den Nieren geführt, deren Thätigkeit er vermehrt, und dabei als kohlensaurer und harnsaurer Kalk mit dem Urin wieder ausgeschieden. Auf das Gefässsystem und auf das Blut scheint dor Gyps als ein gelind tonisches Mittel zu wirken.
In neuerer Zeit ist Gyps, besonders in Verbindung mit Kochsalz, als Verhütungs- und Heilmittel der Fäule der Schafe empfohlen und mehrfältig bewährt befunden worden -. Es ist jedoch noch nicht fest­gestellt, unter welchen besondern Umständen er nützlich ist; er kann dieses unmöglich in allen Fällen sein.
Man siebt das Mittel, und zwar 1 Thcil pulverisirten Gyps mit 2 Theilen Kochsalz gemengt (für ÜOO Schafe 1 Metze Gyps und 2 Metzen Salz), jeden zweiten oder dritten Tag wiederholt und je nach den mehr oder weniger erkennbaren Erscheinungen der Krankheit, durch 8—14 Tage, oder noch länger fortgesetzt und auch dann nach einiger Zeit wiederholt. Das Mittel kann mit etwas Hafer- oder Ger­stenschrot gemengt, den Schafen als Lecke vorgesetzt werden. Am besten geschieht dies, nachdem dieselben vorher getränkt worden sind.
Aeusserlich dient der gepulverte gebrannte Gyps zur Anferti­gung unbeweglicher Verbände bei Knochenbrüchen, Verrenkungen, nach der Tenotomie und dgl., indem man entweder einen mit Wasser Irisch bereiteten Gypsbrei in angemessener Dicke um den verletzten Theil legt und mit einer passenden Hülle ihn festhält, oder indem man nasse Binden, die um den Theil gewickelt werden, Lage für Lage mit pulverisirtem Gyps gleichmässig bestreuet.
1nbsp; Magaz. f. Thierheilk. von Gurlt und Hertwig, 20. Jahrg. 1854. S. 80—88.
2nbsp; Ebendaselbst S. lt;6. Jahrg. 21. S. 118 u, a.
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C. .Salzsäure oder Chlor-Salze.
11) Chloi'iiiilriuiu, suhsaui'es Natniin, Hoch- oderSfichensalz, gemeines Sulz, Natrium
chloraimn, Natnm mttriaiicum, CMoreium Natrii, Sal eulinares. commune (Sleinsalz,
Sal gemmae, Meersalz, (Juell- oder üuolsiilz, Sal marinum, S. fontanum) (quot;)#9632;
sect;. 511.
Das Kochsalz besteht aus Natrium und Chlor mit beigemengtem Wasser, oder nach der altern Ansicht aus Natrum und Salzsäure; es löst sich im kalten und warmen Wasser gleichmässig auf; 100 Theile Wasser können 37 Theile des Salzes lösen.
Dieses Salz wirkt örtlich auf die Haut, die Schleimhitute, auf Wun­den und Geschwüren massig stark reizend, erzeugt dunklere Eöthuug im stärkeren Grade selbst Bläschen, etwas Aussclnvitzung und Kxco-riatiouen.
Innerlich in massigen Gaben angewendet, wirkt es als ein kräf­tiges Keizmittcl auf die sämmtlichen Verdauungseingeweide, vorzüg­lich aber auf die Schleimhaut des Mauls, des Magens und Darmkanals; es erzeugt zuerst einen angenehmen Salzgcsclnnack und eine lebhaf­tere üothung der Schleimhaut im Maule, etwas vermehrte Absonde­rung eines mehr dünnen Speichels, später Trockenheit, Durst und ver­mehrten Appetit; auf dieselbe Weise wie im Maule werden auch im Magen und Darmkanal die zur Verdauung nothigen Säfte dünnflüssiger, mehr serös und etwas reichlicher abgesondert, zugleich aber die lie-sorption, die Contraction, die Irritabilität und die Bewegung im Danu-kanal verstärkt; denn der Koth geht nach kleineu, einzelnen Gaben in kleineren Ballen, aber sehr gut verdauet und dabei nicht seltener als sonst ab. Wie weit diese reizenden Wirkungen des Kochsalzes auf andere Organe, besonders auf die Leber, Milz, Bauchspeicheldrüse, die Respirationsorgane u. s. w. sich erstrecken, ist zwar nicht so genau nachzuweisen, aber wahrscheinlich sind sie in einem geringen Grade über den ganzen Körper verbreitet; denn das Salz gelangt durch die absorbirenden Gefässe in die Säfte, verursacht eine hellere liothung des Blutes, vermehrte Urinabsonderung, und das Ueberflüssige wird dann zum Theil durch den Urin, bei Milchthiereu durch die Milch, und nach Thilow's Versuchen1 auch zum Theil durch den Schweiss wieder aus dem Körper ausgeschieden. — Bei Hunden bewirkt eine concentrirte Auflösung von einer massigen Quantität Kochsalz nach einigen Minu­ten Erbrechen ohne weitere üble Zufälle. Wahrscheinlich beruht diese Wirkung auf der grossen Empfindlichkeit des Magens dieser Thiere gegen alles Fremdartige.
Das Kochsalz bildet von Natur einen Bestandtheil des Thierkör-pers, namentlich des Blutes, und es scheint hieraus schon hervorzu-
1 Ueber die Wirkung des Salpeters und Kiichensalzes. Erfurt 1802. S. 19. — Bemerkenswert!! scheint es, dass nach diesen und andern Versuchen das Kochsalz die Erregbarkeit in den hlossgelegten Nerven an frisch getödteten und an lebenden Thieren vermehrt, der Salpeter sie aber vermindert.
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gehen, dass es für deuselbeu nötliig sein muss; auch t'üliloii wirklich die meisten Thiere, vorzüglich die Wiederkäuer, sein Bedürfniss; sie lecken sehr gern und befinden sich bei einem von Zeit zu Zeit wie­derholten massigen Genüsse desselben nicht nur wohl, sondern sie werden auch dabei mehr beleibt, kräftiger und munterer, die Schleim­häute erscheinen lebhafter geröthet, die Haare glänzender, der Appetit, die Se- und Excreliünen rcgelmässiger. Es giebt Gegenden, woman den Thieren Salz reichen muss, um sie am Leben zu erhalten; z. B. nach Warden starben in den nördlichen Ländern Brasiliens die Ilaus-thiere, wenn mau ihnen nicht eine bestimmte Portion Salz oder Salz sand gab; und nach Roulin wurden in Columbien, wenn das Vieh nicht Salz in Pflanzen, im Wasser oder in Erden vorfand, die weib­lichen Thiere weniger fruchtbar und die Heerde kam schnell herunter'.
In übermässigen Gaben (z. B. bei Pferden von 2 — 3 Pfund, beim Rindvieh von 3 — 5 Pfund, bei Schafen und Schweinen von 5 — 6 Un­zen, bei Hunden von 1—2 Unzen) verursacht jedoch das Kochsalz sehr bald grossen Durst, gänzlichen Verlust des Appetites, Angst, Unruhe, Schmerzen im Leibe, Würgen im Schlünde, zuweilen Schaum vor dem Maule, — bei Hunden, Schweinen und Katzen auch wirkliches Er­brechen, sehr schnellen, kleinen Puls, unsicheren, taumelnden Gang, Mat­tigkeit, Zittern, Drehen im Kreise, Durchfall, stieren Blick, Krämpfe, Kälte am ganzen Körper, Lähmung der hinteren Extremitäten und selbst den Tod. Letzterer erfolgt zuweilen in 16—24 Stunden, zu­weilen erst nach mehreren Tagen. Bei Hunden sähe ich die heftige Wirkung fast immer nur dann eintreten, wenn durch Zubinden des Schlundes das Wiederausbrechen des Salzes verhindert war. — Von etwas geringeren Quantitäten oder bei grosser Verdünnung durch Flüs­sigkeit, und eben so bei allmäliger Gewöhnung an nach und nach ver-grösserte Salzgaben entstehen nicht jene acuten Zufälle, sondern Ver­minderung des Appetites, reichliches Uriniren, zuweilen Drängen auf den Mastdarm, allmälige Abmagerung, Entkräftung und oft erst nach längerer Zeit der Tod.
In den Cadavern solcher Thiere findet sich: die Schleimhaut des Magens und Darmkauais (bei quot;Wiederkäuern besonders an der Haube, am Laabmageu und an einem Theile des Krnmmdarms) stark entzün­det, schwarzroth, verdickt, an einzelnen Stellen selbst angeätzt; bei langsamem Verlauf zuweilen auch plastische Exsudate. Das Epithelium ist aufgequollen, besonders die Gylinderzclleu; Schleim war bei meinen Versuchen im ganzen Verdauungskaual wenig zu bemerken, Mitscher-lich fand im untern Theile des Dickdarms den Koth mit Schleim be­deckt. Im Herzen ist die innere Fläche zuweilen mit dunkeln Flecken verseben, und zuweilen sind auch die Harnwerkzeuge geöffnet und der Urin röthlich oder blutig. Alle andere Organe erscheinen unverändert. Das Blut ist etwas dünner als gewöhnlich und nimmt an der Luft binnen kurzer Zeit eine sehr hellrothe Farbe an. — In manchen Fällen hat mau selbst nach schnell erfolgtem Tode nur sehr geringe
1 Möglin'scheÄnnal. 15(1. 2. S. 29
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oder auch gar keine Spuren von örtlicher Einwirkung auf die Ver-dauungseingeweide gefunden'.
sect;• 512.
Das Kochsalz wird für die Jlaustliicre howoIi! als Arzneimittel, wie auch als diätetisches Mittel liemitzt.
A. In ersterer Hinsicht ist dasselbe wegen seiner reizenden, den Vegetationsprocess belebenden Wirkungen nur gegen solche Krank­heiten anzuwenden, bei denen wesentlich die vegetative Thätigkeit und die gute Mischung der Säfte leidet, hauptsächlich aber bei solchen Krankheiten, bei denen die Reizbarkeit und die Empfindlichkeit und gleichzeitig die serösen Öecretioneu in den Verdauungseingeweiden ver­mindert, oder ihrer Qualität nach krankhaft verändert sind, wo z. B. hei Appetitlosigkeit und ühverdaulichkeit die. Schleimhaut im Maule bleich oder bläulich gefärbt, mit schmutzigem, zähem Schleim belegt, der Koth bald klein, bald gross geballt und mit zähem Schleim umhüllt ab­gehet; daher auch hei Ansammlung von zähem Schleim im Verdauungs­kanal oder in den Eespirationsorganen, bei Würmern, bei Kolik aus L'nverdaulichkeit, bei der Lecksucht des Rindviehes in den ersten Stadien, bei gastrischen Fiebern, bei Fehlern in der Assimilation und Reproduction, bei chronischer Druse, bei Fäule und Bleichsucht der Schafe, beim zu langsamen, unvollständigen Abhaareu und dgl. Bei gastrischen Zuständen der Hunde benutzt man es als Brechmittel.
Bei allen diesen Krankheiten sind massig starke Gaben, nämlich: für Pferde von 1—o Unzen, für Rindvieh von 2—6 Unzen, für Schafe von 2 Drachmen bis '/g Unze, für Schweine von 1 — 2 Drachmen, für Hunde von '^—1 Scrupel (als Brechmittel 1— 3 Drachmen oder 1 bis 2 Theelöffel voll auf einmal), — täglich zwei- bis viermal hinreichend. Mau giebt es in Verbindung mit bittern und erregenden Mitteln, zu­weilen auch in Verbindung mit Schwefel, Glanzmss und dgl., in jeder Form und selbst als Pulver auf das Futter gestreuet oder als soge­nannte Lecke. Bei Hunden als Brechmittel in der sechst bis achtfachen Menge lauwarmen Wassers gelöst.
Auch dient das Kochsalz zu Clystiren, wenn mau durch Reizung des Mastdarms entweder die Kothentleerungen befördern oder auch eine gelinde Ableitung von andern Organen bewirken will. Man nimmt zu einem Clystir für die grossen Thiere gegen 1-—2 Unzen, für die kleinen 1—2 Drachmen, selbst bis 1 Loth.
Aeusserlich benutzt mau es bei Verdunkelungen der Hornhaut (wo es jedoch durch Potasche, graue Merkurialsalbe und durch den rothen Präcipitat an Wirksamkeit übertroft'en wird), bei Quetschungen, Satteldrücken, Blutunterlaufungen, Verrenkungen und Verstauchun­gen; bei Sehuenklapp, bei Verhärtungen und ödematöscu Auschwel-
1 Einige Fälle von Vergiftung durch Kochsalz au Kühen siehe: Archiv für Thierheilk. von einer Uesellsch. Schweiz. Thieriirzte. Bd. 3. S. 37S und 444 und Jahrg. 1841. S. 15. — Magaz. f. Thierheilk. von Gurlt und Hertwig. Bd. 20. S. 281. — Hering, Jahresbericht 1854, S. 27. — Repert. Bd. 20. S. 184. Mittheü. a. der thierärztl. Praxis, Jahrg. 4. S. 15G. Jahrg. 7. S. 187 u. a.
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lungeu; bei Bisswunden, welche durch kranke, der Wuth verdächtige Thiere cutstciuden sind; bui unreinen, schlaffen Geschwüren, bei dem Mauhveh, bei Bände und Flechten, bei dem Hautjucken, besonders am Schweife und an den Malmen.
Die Anwendung' gegen diese verschiedenen krankhaften Zustände geschieht mehrenthcils in Auf losungen (1—2 Unzen auf 1 Pfund Flüs­sigkeit), mit Wasser, Essig und Spiritus, oder mit Aufgüssen und Ab­kochungen von aromatischen oder zusammenziehenden Pflanzen, v.. B. bei dem Maulweh als Zusatz zu einem Decoct von Salbei, oder bei 1 lautkrankheiten in Verbindung mit einer Abkochung von Taback oder Nieswurz. — Bei Verdunkelungen der Hornhaut und bei Verhär­tungen (Fiephacken, Stollbeulen) benutzt man das Kochsalz zuweilen auch in Salben, z. B. bei erstem 1 Theil mit 8 —10 Theilen Honig oder Fett abgerieben, bei letztern als Zusatz zu der Terpeuthinseife. — Manche setzen es auch zu den Senfbreien, um deren Wirksamkeit zu vermehren.
sect;. 513.
B. üeber die Benutzung des Kochsalzes als diätetisches Mittel sind die Ansichten der Landwirthc u. A. sehr abweichend von einan­der. Manche halten es für niithig, allen von Pflanzennährung lebenden Thieren anhaltend und bei jeder Fütterung Salz zu geben ; Andere tlu-deu dies nur für Bindvieh und Schafe, und auch für diese nur im Winter und bei Stallfüttcrung noting; noch Andere, z. B. Thaer1, er­kennen zwar an, dass den Schafen das Salz zuweilen nützlich sei, geben es ihnen aber nicht zu bestimmten Zeiten, sondern nur, wenn der Instinkt sie zum Salzlcckeu treibt; und Einige, z. B. Germers­hausen2, halten es ganz für unnütz, den Schafen Salz zu geben. Für jede von diesen Ansichten sind Gründe und Erfahrungen vorhanden, deren ausführliche Angabe hier zu weitläufig sein würde; betrachtet mau aber die vorhin (sect;. 511) angeführten Wirkungen massiger Salz­gaben, so erscheint es nicht zweifelhaft, d) dass der massige Genuss desselben den pflanzenfressenden Thieren und besonders den Wieder­käuern, die ihre schlaffen Eingeweide mit grossen Futtermassen voll­füllen, jederzeit nützlich sein muss; i) dass dieses aber besonders der Fall ist, wenn ein schneller Futterwechsel, uamentlich der Uebergang vom grünen zum trockenen Futter Statt findet, und eben so, wenn man die Thiere nöthiget (für ökonomische Zwecke), mehr Futter auf ein­mal und so durch längere Zeit fortgesetzt zu verzehren, als zur Erhal­tung des Körpers nöthig ist; c) dass aber der Salzgenuss nothwendig ist, wenn die Thiere mit trockenem, schwer verdaulichem, in den Ein­geweiden eine kleisterige Masse bildendem, oder mit sehr erschlaffen­dem Futter, z. B. mit Oelkuchen, mit Körner- und Hülsenfrüchten ge­füttert werden, besonders dann, wenn sie an diese Fütterung nicht gewöhnt sind, oder wenn das Futter wenig nahrhaft, überschwemmt, schimmelig u. s. w. verdorben ist. — Das Futter selbst wird zwar durch
1nbsp; Handb. für die feinwollige Schafzucht. Berlin 1811. S. 95.
2nbsp; Das Ganze der Schafzucht etc. 2 Theilo. Leipzig 1789, 1790.
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das Salz nicht verbessert, aber es wird bei der stärker aufgeregten Thätigkeit in den Verdauungs- und Assimilationsorganen besser ver­arbeitet, und wahrscheinlich nimmt auch der Chymus und der Chylus durch die Bestandtheile des Salzes eine solche Beschaffenheit an, dass hierdurch eine bessere Blutbereitung bedingt wird. — Aus diesen Wir­kungen ist es auch erklärlich, dass das Kochsalz gegen verschiedene Krankheiten, die aus gestörter Verdauung und Assimilation, so wie aus Stockungen in den Gelassen der Baucheingeweide entstehen, z. B. Ver­stopfung des Lösers beim Eindvieh, Milzbrand, Fäule und dgl. — ein wirksames Präservativmittel sein kann.
Die Menge und die Art, in der man das Salz giebt, sind verschie­den; am gewöhnlichsten ist es, ein Stück Steinsalz in die Krippe oder in die Eaufe, oder auf den Erdboden zu legen, oder es an einem Stricke im Stalle aufzuhängen, so dass die Thiere nach Belieben daran lecken können; zweckmässiger scheint es jedoch, nach Art der Fütterung u. s. w. zu bestimmten Zeiten eine entsprechende Menge Salz, nämlich Pferden und Kindern etwa 3 — 6 Loth, Schafen '/g — 1 Loth auf einmal und jeden zweiten bis dritten Tag wiederholt, — mit angefeuchteter Kleie oder dgl. Hafer- oder Gerstenschrot, oder mit Kümmel, Wachholder-beeren und dgl. erregenden oder mit bittern Mitteln gemengt, zum Lecken vorzusetzen. Auch kann man das Salz im Wasser auflösen und hiermit das Heu, besonders wenn dasselbe fehlerhaft ist, be­sprengen. Manche Landwirthe halten es für gut, die Thiere nicht gleich nach dem Genuss des Salzes, sondern erst etwas sjiäter, saufen zu lassen, weil sonst die reizende Wirkung desselben zu sehr ge­schwächt wird, und Andere geben sogar nacli dem Salz gar kein Ge­tränk. Dass das letztere Verfahren sehr unzweckmässsg ist, dafür spricht schon das Verlangen der Thiere, ihren künstlich erzeugten Durst zu befriedigen; ausserdem geht dies auch aus den Wirkungen des Salzes hervor l.
Bei Vergiftung durch Kochsalz dienen schleimige Flüssigkeiten, Milch und dgl. in recht grosser Menge gegeben, auch selbst Blutent­ziehungen.
Anmerkung. Die Pökelfleisch- und die Heringslake enthalten in etwa 74 Proc. Wasser eine grosse Menge Kochsalz (20 — 25 Proc.), erstere auch oft Salpeter, ausserdem etwas milchsaures Ammoniak, Osmazom, und in alter Herings­lake zuweilen zwei flüchtige Basen, das Propylamin und Trimetylamin. Die Laken wirken dem Kochsalz sehr ähnlich, reizend, in etwas grossen Gaben giftig, tödtlich. Hei Reynal's Versuchen mit Heringslake starb ein Pferd von 4 Pfund, ein Schwein von 1 Pfund, ein Hund von circa 7 Unzen (wenn das Erbrechen gehindert war), und Geflügel von circa 6 Drachmen. Pökelfleischbrühe ist fast immer schwächer wirkend als Heringslake, und letztere wirkt viel stärker wenn sie alt als wenn sie frisch ist; sie ist in jenem Zustande mehr concentrirt und bat nun auch gewöhnlich das Trimetylamin und Propylamin entwickelt, welchen Stoffen ein Theil der Wir­kung zugeschrieben wird. Bei Vergiftungen sind Aderlässe, schleimige Flüssig­keiten, säuerliches Getränk, kalte Umschläge auf den Kopf, ableitende Reizmittel nützlich (Recueil de medec. veter. 1855, p. 401).
1 Vergleiche auch: Kuers Diätetik oder Gesundheitspflege des Pferdes etc. 1. Bd. Berlin 1839. S. 252 u. f.
Hertwio, Arzneiraittellehre.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;31
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12) ISalzsaures jiininuniak laquo;der Ainiiioiiiuiii, Salmiak, Atrimtmiacum hydrochloräium,
Animoninm muriaiieutn, Sal afntnoniacun}, C'hJorcium Amtiionii, llydroclilorax ammo-viacns (roher und gereinigter).
sect;• 514.
lgt;er Salmiak besteht aus Ammoniak und Salzsäure, löst sich in ',) Theilen kalten und in gleichen Theilen kochenden Wassers, aber nur wenig im Weingeist auf, und verursacht bei seiner Lösung eine sehr bedeutende Verminderung der Temperatur. Er löst kohlensauren und jihosphorsauren Kalk, phosphorsaure Bittererde, dgl. Ammoniak, selbst schwefelsauren und fiusssauren Kalk auf1.
Das Epithelium des Magens und des Dünndarms wird von der Einwirkung des Salmiaks erweicht, die Schleimhaut zum Theil aufge­löst, aufgelockert, und die Schleimbildung sehr vermehrt. Bei inner­licher Anwendung dieses Mittels in massigen Gaben und durch nicht zu lange Zeit fortgesetzt, bemerkt man eine mit dunklerer Eöthung ver­bundene Reizung und zugleich eine solche Umstimmung der abson­dernden Thiitigkeit in den sämmtlichen Schleimhäuten (vorzüglich aber in der des Magens und des Darmkanals', der Luftröhre und Bronchien), dass der Schleim dünnflüssiger, weniger zähe und weniger gerinnbar, aber etwas reichlicher abgesondert wird. Eben so wird die Abson­derung des Urins, und unter günstigen Umständen auch die ITautaus-dtinstung vermehrt. Wahrscheinlich findet auch in den Lymphgefas-sen und in den aufsaugenden Blutadern eine vermehrte Thätigkeit Statt; denn man sieht, dass die Resorption krankhaft ergossener Flüs­sigkeiten überall im Körper befördert wird. Der Koth geht gut ver­dauet, weniger mit Schleim umhüllt als vorher, und etwas trockener ab; an der Respiration und an der Zahl und Beschaffenheit der Pulse findet sich (bei gesunden Thieren) keine Veränderung; aber der Faser­stoff' des Blutes wird mehr und mehr aufgelöst, und hierdurch die Ge­rinnbarkeit des letztern vermindert. Dieser Umstand ist sehr beach-tenswerth, um die Eigenthümlichkeit der ganzen Wirkung des Salmiaks richtig zu beurtheilen. Auch ergiebt sich aus ihm, dass der Salmiak wahrscheinlich in das Blut selbst übergeht2. — Auf die Sensibilität bemerkt man von kleinen Gaben des Salmiaks bei gesunden Thieren keine Wirkung (wohl aber bei kranken), und eben so wird die Irrita­bilität in keinem Organe wirklich vermehrt.
Wird das Mittel durch längere Zeit in massig starken Gaben (z. B. bei Hunden zu 1ji Drachme, bei Pferden zu 1 Unze täglich drei-
1nbsp; Diese Eigenschaften des Salmiaks können wahrscheinlich noch mit Vortheil für manche therapontischc Aufgaben benutzt weiden, wie z. B. zur Auflösung man-cher thierischen Concremente, mancher Darmsteine und Harnsteine und dgl., da dbse nenerzeugten Massen oft grösstentheils aus einem oder aus einigen der genannten Salze bestellen und sich daher wie diese mehr oder weniger durch Salmiak auflösen.
2nbsp; Blut mit Salmiak gemengt verändert sich durch allmälige Auflösung der Hülle der Blutkörperchen, so dass zuletzt nur der Kern derselben übrig bleibt.
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bis viermal) angewendet, so verlieren die Thiere nach und nach immer mehr den Appetit, die Munterkeit und die Kräfte; die Schleimhaut in der- Nase und im Maule erseheint blass, mit vielem schmutzigen Schleime bedeckt; der Puls weich, klein, der Herzschlag stark pochend, das Blut von dünnerer Consistenz, langsam gerinnend und sehr reich an Serum. Zuletzt erfolgt bei Hunden mit 12 bis 16 Tagen der Tod, — wie ich dies in mehreren Versuchen gesehen, und wie es auch Ar­nold's Versuche1 bestätigen. Die Pferde starben erst nach 26—38 Tagen und nachdem ITauMeber hinzugetreten war. — Die Cadaver erstarren langsam und zeigen: im Magen viel unverdauetts Futter, in: Darmkanal am vordem Theil Futter mit viel zähem Schleim, am hin­tern Ende weichen Koth, ebenfalls mit viel Schleim umgeben; die Schleimhaut im Magen und Darmkanal aufgelockert, die Schleimdrü­sen ebenfalls aufgelockert und sichtbar vergrössert; eben so, aber we­niger stark an der Schleimhaut die Kespirationsorgane; das Herz und die grossen Gefässe schlaft', flüssiges, dunkles Blut enthaltend; die Muskeln schlaff und blass; — alle übrigen Organe normal.
Sehr grosse Gaben des Salmiaks können schnell den Tod ver­ursachen, und zwar, wie es seheint, theils durch leberreizung, theils durch Darmentzündung. Orfila (Toxicol. Bd. 1. S. 180.) brachte in den Magen eines starken Hundes 2 Drachmen Salmiak in 2 Unzen Wasser gelöst, und unterband den Schlund, um das Erbrechen zu ver­hindern (was sonst nach etwas starken Gaben fast jedesmal erfolgt). Das Thier zeigte nach 3 Minuten starke Neigimg zum Brechen; nach 8 Minuten Schmerz und Schwäche; nach 25 Minuten lief es wie wütbend umher, fiel aber bald unter klagendem Geheul um, worauf convnlsivische Bewegungen, Tetanus, und nach einer Stunde der Tod folgten. Bei der Oeft'nung des Cadavers fand man den Magen und Darmkanal, die Leber, die Milz und das Herz unverändert; die Lun­gen enthielten etwas schwarzes, flüssiges Blut; die äussern Gefässe des Gehirns waren etwas in jicirt. — 1 ^ Drachmen einem viel schwachem Hunde auf dieselbe Weise in den Magen gebracht verursachten die­selben Wirkungen; nur war in diesem Falle die Schleimhaut des Ma­gens etwas entzündet. Kaninchen starben von 1ji Drachme des Mittels nach etwa 10 Minuten unter Convulsionen und Tetanus, und zeigten bei der Section besonders heftige Entzündung der Schleimhaut des Magens und Darmkanals (Arnold a. a. 0.). — Bei Pferden und Kühen sah ich von 3 — 6 Unzen Salmiak, die ich in einer Gabe (bald als Latwerge, bald mit Wasser aufgelöst) eingab, zwar im Verlaufe der ersten 4—6 Stunden nach dem Eingeben vermehrte Wärme am gan­zen Körper, dunklere llöthung der Schleimhaut in der Nase und im Maule, etwas schnelleres Athmen mit stark in die Höhe gezogenen Bauchmuskeln, — dann sehr vermehrtes Uriniren, am folgenden Tage häufige Entleerungen von etwas weicherem Kothe, und ausserdem die Wirkungen wie von kleineren Gaben, aber durchaus keine weiteren
1 In der Zeitschrift für Physiologie von Tiedemann und Treviranus; 3. Bd. S. 127—147.
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üblen Folgen entstehen. Aber von 5 Unzen pr. Dosi und durch 5 Tage fortgesetzt, starb bei Delat'ond * ein Pferd.
Viborg (Samml. Bd. 4. S. 141.) spritzte mehreren Pferden eine .Lösung von 1 Drachme Salmiak in 2 Unzen Wasser, in die Drossel­vene und bemerkte zuerst eine Erhöhung aller Lebensfunctionen, als: munteres, feuriges Aussehen, vollen Puls, starken, heissen Athem, dunklere Köthung der Nasenschleimhaut, vermehrte Wärme der Haut und Abgang von Koth, — hierauf aber entgegengesetzt: Niederbän-gen des Kopfes, matte, halb zugemachte Augen, kleinen, geschwinden Puls, schnelleres Athmen und schwache Zuckungen der Muskeln. Nach 12—16 Stunden waren diese Zufälle verschwunden und die Pferde wieder munter. Hunde zeigten nach Einspritzungen von 1 Scrupel Salmiak, aufgelöst in 2 Unzen Wasser, sogleich heftige Convulsionen, Erbrechen, beschleunigtes Athmen, aussetzenden Puls, Mattigkeit und Unvermögen zu stehen. Diese Zufälle dauerten 1/o—2 Stunden und gingen in völlige Gresundheit über.' IJiiie Injection von l1/, Drachme Salmiak, der in l1^ Unze Wasser gelöst war, tödtete aber einen Hund sogleich unter heftigen Convulsionen.
Nach den Versuchen von Smith sollen l1^ Drachme bis 2 Drach­men dieses Salzes, äusserlich durch eine Wunde auf das Zellgewebe eines Hundes gebracht, nach l1^ Stunde Schwäche und Erbrechen, nach 2 Stunden Unvermögen zu stehen, und nach 12 Stunden den Tod bewirken. Ich habe bei der Wiederholung dieser Versuche, selbst an schwachen Hunden, blos eine schmerzhafte, aber bald vorübergehende Reizung, und später etwas vermehrtes Uriniren entstehen sehen. Die Thiere blieben am Leben und ganz munter.
Auf die unverletzte Haut wirkt der Salmiak in frisch bereiteter Auflösung zuerst massig reizend, auflösend, die Resorption befördernd, und ausserdem auch kühlend; aber selbst wenn die Anwendung einer sehr concentrirten Auflösung oder in einer Salbe recht oft wiederholt wird, entsteht mehrentheils keine, zuweilen nur eine sehr geringe Ent­zündung.
sect;. 515.
Aus diesen Angaben lässt sich entnehmen: dass die Hauptwirkung des Salmiaks bei seiner innerlichen Anwendung in einer zuerst mit Reizung verbundenen qualitativen Umstimmung des Vegetations-processes besteht, dass er vorzüglich die Thätigkeit der Schleimhäute verändert, die Schleimsecretion vermehrt, eben so die Urinabsonderung, und dass er die Plasticität sowohl im Blute wie in den abgesonderten Säften vermindert. Die Darmausleerungen werden bei seinem mas­sigen Gebrauche nicht vermehrt und nur um ein Geringes feuchter; die Kräfte erscheinen wenig afficirt, aber die Resorption gewöhnlich etwas angeregt.
Diesen, auch an kranken Thieren beobachtete!! Wirkungen zu­folge ist die Anwendung des Salmiaks daher im Allgemeinen gegen
1 Delafond, Therapeut, gonerale, T. II. p. 43.
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solche Krankheiten angezeigt: bei denen der wesentliche Zu­stand in einer Störung des Bildungsprocesses mit vermehr­ter Plasticität der Säfte besteht, und wobei vorzüglich die Verrichtung derSchleimhäute auf die Art mitleidet, das8 ihr Product in der Beschaffenheit und in der Menge krank­haft erscheint. Das Mittel ist bei dem hier im Allgemeinen be­zeichneten Krankheitszustande eben so nützlich, wenn derselbe frisch entstanden oder chronisch, mit oder ohne Fieber, selbst mit oder ohüe Entzündung besteht-, doch ist es bei acuten, reinen (arteriellen) Ent­zündungen, und überall wo grosse Reizbarkeit, viel trockene Hitze und Trockenheit der Schleimhäute zugegen sind, nicht passend, weil es unter diesen Umständen zu reizend wirkt und alle Zufälle, nament­lich aber das Fieber vermehrt.
Hiernach wird der Salmiak speciell angewendet: gegen Katarrh bei allen Thieren (Druse der Pferde, Schnupfen der Schafe, Staupe der Hunde), gegen katarrhalische Bräune, gegen dergleichen Lungen­entzündung und gegen Lungenkatarrh, — gegen Rheumatismus, rheu­matische Bräune, rheumatische Lungen- und Brustfellentzündung; gegen katarrhalische und rheumatische Fieber. Bei diesen Krank­heiten muss, wenn der Puls voll und kräftig ist, der Anwendung des Salmiaks ein Aderlass, und der Gebrauch anderer enfzündungswidriger Salze und besonders des Brechweinsteins vorausgehen. Man darf ihn überhaupt nicht zu früh geben, sondern erst nachdem der Puls weich und der Husten etwas lockerer geworden ist. Eben so ist das Mittel bei gemischten Entzündungen und Fiebern, z. B. bei gastrischen und Schleimfieberu nützlich, besonders wenn diese Krankheiten einen tor-piden Character besitzen, wenn sich schleimiger Auswurf aus den Ee-spirationsorganen einfindet, oder wenn die Krankheit eine Xeigung zeigt, sich durch eine Krisis mit vermehrter Uriusecretion oder mit vermehrter Hautausdünstung zu entscheiden. — Eine nützliche An­wendung findet der Salmiak auch gegen chronische Verschleimungen, welche nicht offenbar in zu grosser Erschlaffung allein, sondern zum Theil noch in einer schleichenden Keizung der Schleimhäute beruhen, daher z. B. gegen chronische Druse, gegen dergleichen Husten mit Auswurf von zähem Schleim, gegen Unverdaulichkeit mit Anhäufung von Schleim oder Galle im Magen und Darmkanal, auch gegen Sto­ckungen in den Drüsen, chronische Entzündungen und Verhärtungen der Leber u. a. Vegetationsorgane.
sect;. 516.
Die Gabe ist für Pferde 2 Drachmen bis Vg Unze, für Binder 3—6 Drachmen, für Schafe und Schweine 1/a—1 Drachme, für Hunde 5—20 Gran, täglich drei- bis viermal wiederholt. Die Anwendung kann in Pillen oder Latwergen, bei Wiederkäuern, Schweinen und Hunden aber auch recht zweckmässig in flüssiger Form geschehen. Fast immer giebt man den Salmiak in Verbindung mit andern Mitteln, durch welche seine Wirksamkeit vermehrt wird oder eine bestimmte Richtung erhält; so z. B. bei Entzündungskrankheiten in der ersten
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Zeit zuweilen mit Salpeter, mit Glaubersalz, später, wenn die Eeizbar-keit gemindert ist, in Verbindung mit gelinden aromatischen Mitteln, bei grosser Sclnväche selbst mit Kampher, —#9632; bei chroniselien Ver-sclileimungen mit bittern, stärkern aromatischen, selbst mit adstrin-girenden Mitteln, mit Terpenthinöl, Theer, Ötinkasant, mit Spiessglanz und dgl. Bei Bauchwassersucht habe ich in mehreren Fällen, beson­ders bei Hunden, von dem Salmiak in Verbindung mit Digitalis eine ganz vortreffliche Wirkung gesehen.
sect;• 517.
Aeusseiiieh dient der Salmiak n) als ein erregend-zertheilendes und doch kühlendes Mittel gegen Entzündungen, die nicht ganz rein, sondern mit Extravasaten von Serum oder Blut, mit Ausdehnung und .Erschütterung verbunden sind, daher gegen Quetschungen, Ver­stauchungen, Satteldrücken; auch gegen asthenische Augenentzündun-gen, Hornhautrtecke, Verhärtungen, Milchknoten, Sehnenklapp und dgl; und b) gegen Baude, Flechten und veraltete Mauke.
Bei den Entzündungen und Quetschungen wird er, wenn man hauptsächlich die kühlende Wirkung beabsichtiget, mit Salpeter, Essig und Wasser als S chmuckersche kühlende Umschläge, oder ohne Salpeter als sogenanntes Oxykrat oder saure zertheilende Mischung (sect;. 453), zu Waschungen und Umschlägen, und im Uebri-gen ganz so wie das Kochsalz (sect;. 512) benutzt, durch welches er auch mehrentheils zum äusserlicheu Gebrauch wohlfeiler ersetzt werden kann. — Gegen die sub h) genannten Krankheiten wendet man ihn in concen-trirten Auflösungen (1 Unze zu 6 Unzen Wasser) oder in Verbindung mit Fett oder grüner Seife u. s. w. in Salbenform an.
Eisen-Salmiak s. bei Eisen. (Ammoniac, liydrochl. crud. 1 Unze 1 Sgr. G Ffg.; depurdt. 1 Unze 1 Sgr. 10 Pfg.)
D. Salpetersaure Salze.
13) laquo;) Salpetersanres Kali, gewöhnlicher Kali-Salpeter, Kali nitrieum depurattm,
yifrum, Kiti-ns kalicus s.potassae, Sal peirue. i) Salpetersanres Matron, culiischer oder Würfelsalpeler, Cliilisal|ie(er, Xairmn nitrieum, JS'itr. cuhicums. cMlense.
%. 518.
Der gewöhnliche Kali-Salpeter besteht aus Kali (461/2 Proc.) und Salpetersäure (53'2 Proc). Seine Auflöslichkeit im Wasser ist nach der Temperatur des letztern sehr verschieden: 100 Theilc Wasser von 0 Temperatur lösen nach Gay-Lussac 13 Theile Salpeter, von 14 Gr. K. lösen 20 Theile, von 36 Gr. K. 74 Theile, und von 77 Gr. E. 236 Th. Salpeter auf. Bei der Auflösung bewirkt er Kälte. Im reinen Wein­stein ist er unlöslich, im wasserhaltigen nur wenig löslich.
Bei innerlicher Anwendung zeigt der Salpeter in seinen Wir­kungen auf den thierischen Organismus eine grosse Aelmlichkeit mit dem Glaubersalz und mit dem Doppelsalz, er unterscheidet sich aber von diesen und von allen andern Salzen dadurch, dass er stärker, als sie es thun, örtlich kühlt und im ganzen Körper die Fieberhitze min-
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deit, den Faserstoff und Kohlenstoff im Blute vermindert, es hierdurch flüssiger und heller macht, die Wärme, die Expansion und die Gerinn­barkeit desselben vermindert, eben so die Irritabilität im ganzen Kör­per, vorzüglich aber im Herzen und in den Blutgefässen sehr vermin­dert, und dass er in etwas grossen Gaben den Magen mehr belästiget, den Apjjetit und die Verdauung stört. — Die Urinseeretion wird durch den Salpeter vermeint, besonders aber, wenn derselbe in mehrern, nach kurzen Zwischenzeiten wiederholten Gaben angewendet worden ist; der Urin selbst wird mehr dünn, wässerig, und macht einen stär­kein alkalischen Bodensatz, aber der Salpeter als solcher ist in ihm nicht zu finden. Er scheint also zersetzt zu werden, und jene Wirkun­gen auf das Blut sind wahrscheinlich zum Theil durch die chemische Zersetzung verursacht, indem sein Sauerstoff zur Bildung von Kohlen­säure und Wasser die Elemente giebt (namentlich wo Aussonderungs­stoffe krankhaft im Körper zurückgeblieben sind), dass in Folge hier­von die Lungen- und die Ilantausdünstung freier wird und eine mehr arterielle Blutbilduug eintritt, wo bisher ein Uebermaass von Faserstoff bestand. — Auf die Schleimhaut des Verdauungskanals wirkt er in massigen Gaben nach Art der übrigen genannten Salze, gelind erregend und die Absonderungen befördernd, wonach dann der Koth etwas wei­cher und feuchter abgeht; von grossen Gaben entstehen aber a) heftige Reizung des Magens und Darmkanals, Leibschmerzen, Verminderung des Appetites, bei Hunden und Schweinen auch Erbrechen, starkes Laxiren, selbst mit Ausleerung von Blut, sehr reichliches Urinireu, Schwäche in den Muskeln, schneller, kleiner Puls, an den Schleim­häuten zuerst dunkelrothe, selbst livide, späterhin blasse Färbung, und b) zuweilen auch Convnlsionen, Lähmung der Extremitäten und der Tpd. Bei 2 Pferden, denen man in der Thierarzneischule zu Lyon jedem 8 Unzen Salpeter in 2 Pfund Wasser aufgelöst auf einmal ein­gegeben hatte, erfolgte nach allen Symptomen von heftiger Darment­zündung der Tod binnen 24 Stunden, und bei der Section fand man die Schleimhaut des Magens und Darmkanals durchaus entzündet1. — Ich habe mehreren, sowohl kräftigen, wie auch schwächlichen Pferden 8, 12, sogar 16 Unzen dieses Salzes in Latwergen, in Pillen und in con-centrirter Auflösung auf einmal eingegeben, und davon zwar die, vor­hin unter a) genannten Zufälle, aber bei der hiernach durch lange Zeit fortgesetzten Beobachtung der Thiere keine weitern üblen Folgen be­merkt2. Hiermit stimmen auch die Resultate der von Cupiss und von
1 Coinpto rcnilu rlcs travanx ile I'Ecole vetih-hiaire de Lyon, annee 1819.
- Auffallend und mit der Wirkung wiederholter kleiner Gaben im Widerspruch stehend ist es, dass ich nach der Anwendung dieser ausserovdenttich grossen Gaben niemals durch das Thermometer eine Verminderung der Temperatur, Tveder im Blute noch im Maule, im After oder an der Haut der Thiere entdecken konnte; Im Gcgeu-theil hatte die Wärme in der ersten Stunde gegen 1 Gr. zugenommen, und bei einem Pferde war sogar ein allgemeiner Schweiss ausgebrochen. Das nach dem Eingeben zu verschiedenen Zeiten aus der Vene entleerte Blut erschien etwas röther als vor dem Versuch, gerann etwas langsamer, und trennte sich schärfer in Serum, in Cruor und Faserstoff; letzterer nahm an Menge zu und zeigte nach dem Erkalten eine grosse Zähigkeit und Festigkeit! —
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Morton gemachten Experimente! überein. Youatt, Surginson^u. A. haben jedoch von kleineren Gaben jene üblen Zufälle und selbst den Tod erfolgen sehen, und hiernach in den Cadavern die Schleimhaut des Magens, theilweis auch die des Darmkanals dunkelroth, mit Ex-travasaten und au einzelnen Stellen auch mit Excoriationen behaftet gefunden. — Auch bei den Wiederkäuern treten von grossen Gaben solche Wirkungen ein, und '/a Fid. tödtet ein Kind, und 1 Unze ein Schaf fast sicher. Die Wirkungen sind so wie oben angegeben, beson­ders aber constant die heftigen Leibschmerzen, bei denen die Thiere blöken, sich niederlegen, wälzen und dgl. Die Zufälle treten immer schnell ein, oft schon in 1/4—'/g Stunde nach dem Genuss des Sal­peters, und mehrentheils erfolgt in etwa 10—12 Stunden der Tod oder auch bald Genesung. Ucber die tödtlichen Gaben bei Schweinen fehlen sichere Beobachtungen. Bei Hunden, denen ich nach dem Ein­geben von 2 Drachmen, selbst nur von 1 Drachme Salpeter den Schlund unterbunden hatte, sah ich (wie Orfila, Toxicologie, Bd. 1. S. 174) sogleich Neigung zum Brechen und Angst, dann Schwäche, nach 20—40 Minuten Schwindel, Krämpfe, langsame Kespiration, schwa­chen Herzschlag und nach 1—2 Stunden den Tod erfolgen. Im Cada­ver fand sich: der Magen äusserlich blauroth; seine Schleimhaut dun­kelroth, mit schwarzem Blut injicirt; die Muskelhaut sehr geröthet; der Dünndarm von derselben Beschaffenheit; die Nieren und die Schleimhaut der Harnblase etwas mehr geröthet; die Lunge gesund, mit hellrothem Blut massig erfüllt; eben so das Herz in seiner linken Hälfte; das Gehirn sehr blutreich. — Wurde die Unterbindung des Schlundes nicht gemacht, so entstand blos Erbrechen, Mattigkeit und zuweilen Laxiren, jedoch bald vorübergehend. — Wird der Gebrauch des Salpeters durch einige Zeit fortgesetzt, und es entstehen jene acute Zufälle nicht, so beobachtet man hiernach in manchen Fällen sehr reich-liehen Abgang eines wasserhelleu Urins, Abmagerung und Entkräftung, selbst einen wirklich fauligen Zustand.
Nach dem Einspritzen von 1—3 Drachmen Salpeter (aufgelöst in 2—3 Unzen Wasser) in die Drpsselvene entstand bei mehreren Pferden sogleich geschwindes Atlmicn, kleiner, geschwinder Puls, Herabhängen des Kopfes, Mattigkeit; nach etwa 5 Minuten auch etwas vollerer und geschwinderer Puls, dabei eine Art von Schlummer und Gähnen; nach i/j Stunde wurde der Puls langsamer, das Maul trocken, das Haar ge­sträubt, — Frostschauder; nach 2 Stunden Abnahme aller Zufälle, so dass nach G Stunden nur noch etwas kleiner und geschwinder Puls be­stand; dabei aber Appetit zu Futter und Getränk wieder eingetreten war (Viborg, Samml. Bd. 4. S. 131, 132).
Aeusserlich wirkt der Salpeter, wenn er in Auflösungen angewen­det wird, kühlend, und auf Wunden gelind reizend, wenigstens die Granulation etwas dunkler röthend; aber selbst von sehr reichlicher, concentrirter und fortgesetzter Anwendung sieht man weder Anätzuug
1nbsp; Veterinarian 1837. p. 67 u. 198.
2nbsp; Ebendaselbst 1836. p. 532 u. 1838. p. 85.
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noch besondere allgemeine Zufälle entstehen. Orfila a. a. 0. sagt das­selbe. — Dagegen entsteht sowohl bei der innerlichen Anwendung wie auch bei der Anwendung auf blossgelegte Nerven eine auffallende Ver­minderung der Nervenreizbarkeitl.
Dieser Umstand scheint zur richtigen Erklärung über die Art, wie der Salpeter im Thierkörper seine schwächenden Wirkungen entwickelt, zu dienen; denn es lassen sich keinesweges alle Erscheinungen aus seiner kühlenden und das Blut verdünnenden Wirkung allein erklären.
sect;. 519.
Die allgemeine Anzeige zur Anwendung des Salpeters findet sich, den angedeuteten Wirkungen gemäss und der Erfahrung zufolge, bei Krank­heiten, in denen die Energie des Herzens, der Arterien und der Muskeln vermehrt, zugleich dielleizbarkeit in diesen Theilen und im Nervensystem zu sehr aufgeregt, das Blut zu sehr gerinnbar oder auch reich an Kohlen­stoff ist; — daher, wo dasselbe sehr dunkel gefärbt und theerartig er­scheint, wo der Puls hart, voll, der Herzschlag unfühlbar oder nur ganz schwach fühlbar, die Urinabsonderung vermindert, die Haut heiss und trocken, die Schleimhäute dunkelroth oder blauroth und mehr trocken als feucht sind. — Dagegen wird er nicht gut ertragen, wenn im Magen- und Darmkanal, in den Nieren oder in der Blase ein hoher Grad von krank­hafter Keizbarkeit besteht, wenn die Verdauung sehr geschwächt, oder wenn eine faulige Zersetzung im Körper schon eingetreten ist.
Demnach dient der Salpeter innerlich als das (nächst dem Aderlass) wirksamste antiphlogistische Mittel gegen Entzündungsfieber, gegen jede acute Entzündung (mit Vorsicht jedoch bei Entzündung im Verdauungs­kanal), selbst beim drohenden Brande; gegen acuten Rheumatismus; gegen heftige rheumatische Fieber, wenn sie den Entzündungscharacter an sich tragen: gegen alle acute Anthraxkrankheiten mit demselben Character, daher auch gegen die Bräune und den sogenannten Hinter-braud der Schweine u. s. w.; gegen active Congestionen nach dem Kopfe oder nach der Lunge, — und nach Wal ding er gegen den Starrkrampf.
Auch als Präservativ gegen Anthraxkrankheiten im Allgemeinen, und besonders gegen die Anthraxbräune der Schweine giebt man ihn, sowohl für sich allein, wie auch in Verbindung mit andern Mitteln.
Aeusserlich benutzt man den Salpeter laquo;) als kühlendes und zer-theilendes Mittel gegen heftige Entzündungen, ähnlich wie das Glau­bersalz (siehe Essig, sect;. 453 und Salmiak, sect;. 517). Englische Thier-ärzte (King, im Veterinarian, 1838, März, und Morton, Manual of Pharmacy, p. 240) empfehlen eine concentrirte Auflösung (1 Th. zu 7 Th. Wassers) als ein sehr kräftiges Reizmittel für Wunden, in wel­chen Gangrän entstanden ist. — h) Gegen Räude und Flechten ist er als Waschmittel (in Auflösungen mit Wasser oder Tabacksabkochung
1 Thilow, über die Wirkung des Salpeters und Küchensalzes. Erfurt 1802. S. 13 u. f.
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und dgl. 1 Unze zu 10 Unzen Flüssigkeit) oder auch in Salben i1!-, Unze zu 1 Unze Fett oder Seife) täglich einmal anzuwenden, sehr wirksam '.
sect;. 520.
üic Gabe ist, nach dem Grade der Heftigkeit der vorhandenen Krankheit u. s. w.. für Pferde und Kindvieh 1/2—l'/o Unze, für Schweine 1 Drachme bis 1/2 Unze, für Schafe 1—quot;2 Drachmen, für Hunde 5 Gran bis 1 Scrupol, — in Zwisclienzeiten von 2—4 Stunden wiederholt, so lauge bis die Schläge des Herzeus fühlbar, und die Ab-uud Aussonderungen reichlicher werden. 1st dies binnen 2 Tagen nicht der Fall, so muss danach der Gebrauch des Mittels für etwa einen Tag ausgesetzt werden. — Fast immer setzt man dem Salpeter bei den Entzündungskraukheiteu, und wenn mau die Kothausleerungen stärker befördern will, noch Glaubersalz, oder Doppelsalz, oder Weinstein, — bei brandigen Entzündungen, bei Typhus und Milzbrand, aber die Schwefelleber oder selbst den Kampher hinzu. In der Verbindung mit dem letztern hat der Salpeter auch bei heftiger Bräune, dei Nierenent­zündung, bei acutem Ehemnatismus, und nach Waldinger aueb beim Starrkrampf sehr gute Dienste geleistet (sect;. 244.); doch sind die patho­logischen Zustände, bei denen diese Verbindung eigentlich passend ist, bis jetzt noch nicht genau bestimmt. — Die Anwendung geschieht in Pillen, besser in Latwergen, und wenn die Wirkung recht schnell er­folgen soll, auch in flüssiger Form. Man muss dabei den Salpeter in der hinreichenden Menge Wassers (d. i. wenigstens mit 7 — 8 Theilen desselben) vollkommen auflösen und stets mit einem schleimigen Ve­hikel etwas reichlicher versetzen als andere Salze, um die reizende örtliche Einwirkung auf den Magen und Darmkanal möglichst zu mindern. Dies ist um so mehr nöthig, wenn diese Theile, oder die Harnwerkzeuge an Entzündung oder an vermehrter Keizbarkeit lei­den. — Er dient auch zur Bereitung der Schmuck ersehen Fomen-tationen (sect;. 453.) und der salpetersauren Bäucherungen (sect;. 445).
Das Natron nitricum stimmt im Wesentlichen mit den Wirkungen des Kalisalpeters überein, ist aber weniger den Magen belästigend als der letztere und soll auch eine grössere antirheumatische Wirkung besitzen als dieser. Es wird deshalb und weil er billiger, jetzt häufig dem Kalisalpeter vorgezogen. Gabe und Anwendung ist wie bei die­sem. Grosse Gaben wirken ganz so giftig, wie oben angegeben, eben so auch von dem unreinen Chilisalpeter. {Kali nur, depurat, 1 Unze 1 Sgr. 4 Pf.; piclv. 2 Sgr.; crud. pulv. 1 Sgr. 4 Pf. Natr. nitric, depurat. 1 Unze 1 Sgr. 4 Pf.; pulv. 1 Unze 1 Sgr. 6 Pf.)
Anmerkung. Das Schiesspulver {Pulvis pyrhis s. Pubi. sclopetarius), laquo;as Salpeter gegen 70 Theile), Kohle (15 Theile) und Schwefel (9 Theile), zusammen­gesetzt, wirkt der Hauptsache nach fast ganz wie der Salpeter und kann im Noth-falle statt desselben bei allen Krankheiten angewendet werden, wo dieser nützlich
1 Jici Menschen, welche sich mit Pferderäude inticirt hatten, sähe ich von keinem andern Mittel so bald das lästige Jucken verschwinden und Heilung erfolgen, wie nach täglich zweimaligem Waschen mit einer Auflösung von 1 Unze Nitruni in 12 Unzen Wasser.
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ist. üie Gabe muss aber um ^/s stärker sein als von dem Salpeter. Aeusserlieh kann das Pulver zur Zerstörung des Contagiums in frischen Bisswunden von to)len Hun­den u. s: w. dienen, indem man es in diese Wunden streuet und anzündet; von Empi­rikern wird es zuweilen, mit Fett odor Gel zur Salbe gemacht, gegen Baude, Flech­ten, Maulgiind und dgl. benutzt, (legen die Räude der Hunde hat sich folgende Zusammensetzung oft sehr wirksam gezeigt: Man nimmt Schiesspulver Va Unze, Kochsalz 4 Unzen, Kornbranntwein 8 L'nzen. Täglich dreimal hiermit die kranken Stellen reichlich zu befeuchten.
E. Essigsaure Salze.
14) Essigsaures Ammoniak oder Ammonium, Essig-Salmiak, Minderer^ Geist, Ammo-
nmcnm aceticum sohiticm, Ammonium aceficHm, Stil ammoniacum acetaium, Spiritus
s. Liquor Mtndererij Liquor ämmomi acetiei, Liquor aeeiatis ammoniäet.
sect;• 521.
Dieses Salz bestellt axis Ammoniak, Essigsäure und Wasser, ist sehr schwer kayställisii'bar und daher aügemein nur in flüssiger Form gebräuchlich. — Bei der innerlichen Anwendung in g-chörig grossen Gaben (z. B. bei Pferden und Kuben in Gaben von 4—6 Unzen, bei Hunden von 2 Drachmen bis 2 Unzen) verursacht es etwas volleren Puls, etwas schnelleres Athmen mit vermehrter. Lungenausdünstung, lebhaftere Röthang der Schleimhaut in der Nase, vermehrtes Driniren und stärkere Hautausdtinstung. Alle diese Wirkungen entstehen ohne heftige Aufregung-, sehr mild, aber auch nur in einem geringen Grade. Eine tief eindringende Wirkung auf den Vegetationsprocess, oder eine besondere Richtung auf das Nervensystem konnte ich niemals recht deutlich erkennen.
Mat hat den Minderergeist gegen katarrhalische und rheumatische Fieber, gegen Druse, gegen die Staupe der Hunde, gegen katarrha­lische Bräune, acuten Rheumatismus, rheumatischen Starrkrampf; bei achten Hautausschlägen (z. B. bei den Pocken) und bei acuten Wasser­süchten in mehreren Fällen mit Nutzen angewendet, und er schien bei diesen Krankheiten besonders dann etwas zu leisten, wenn sie nur in einem massigen Grade und ohne acute Entzündungszufälle bestanden, oder wenn die letzteren bereits beseitiget waren, und zur Zeit der ein­tretenden Krisis. — In den meisten Fällen ist jedoch das Mittel durch den Salmiak zu ersetzen , — was bei den grossen Ilausthieren um so mehr zu beachten ist, weil es theuer ist und in grossen Gaben ange­wendet werden mtiss, wenn man eine Wirkung von ihm sehen will. Es wird daher jetzt nur selten, und mehrentheils nur für die kleineren Thiere benutzt.
Eine mittelmässige Gabe ist: für Pferde und Kinder ?gt; Unzen, für Schafe und Schweine 1 Unze, für Hunde ^—2 Drachmen, täglich drei- bis viermal. Man giebt es mit Fliederblumen, mit stärkern aro­matischen oder mit bittern Mitteln, auch mit Kampher verbunden, in Latwergen und in flüssiger Form. (1 Unze 1 Sgr. 10 Pf.)
Anmerkung. Das essigsaure Kali oder die gehl fl tte rt e W einst ein-erde (Kali aectienm, Tirra foliatd tnrtari) wirkt kühlend, die Absonderungen im Verdauungsapparat, und in den Niereu sehr fördernd, daher sehr urintreibend, in
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sehr grossen Gaben auch gelind laxirend. Hin und wieder ist es gegen chronische Unverdaulichkeit, gegen Wassersucht und dgl. angewendet, im Ganzen aber sehr wenig benutzt, weil es ebenfalls zu theuer ist. Dasselbe gilt von dem essigsauren
Natrum (Natrum aceticmn).
F. quot;Weinsteinsaure Salze.
15) Saures weinsteinsaures Kali, Weinslein, Weinsteinrahui, Kalibilactoricum, Kali iartaricmn aeiduhtm, Cremor Tartari, Bilarirais kalieus cum aqua.
sect;• 522.
Der vorwaltende Bestaudtlieil dieses sauren Salzes ist die Wein-steinsiiure, von welcher es TO'/j Proc. neben 25 Proc. Kali und 42/3 Proc. Wassers enthält. Der im Handel vorkommende rohe Wein­stein {Tartarus crudüs) enthält ausserdem noch bald mehr, bald weni­ger weiustcinsauren Kalk, färbende Stoffe u. s. w. und ist daher in seinen Wirkungen nicht gleichartig. Der gereingte Weinstein {Tartarus depuratus, Crystalli Tartari) ist deshalb vorKÜglicher, jedoch noch einmal so theuer als der erstere. Er löst sich in 95 Theilen kal­ten und in 15 Theilen kochenden Wassers auf; im Weingeist ist er unlöslich.
Das Mittel wirkt wegen seines überwiegenden Gehaltes an Wein­steinsäure einigermaassen ähnlich den verdünnten vegetabilischen Säuren (sect;. 434.), aber durch das Kali zugleich mehr als diese auf den Absonderungsprocess in den Schleimhäuten und auf den Posorptions-process in den Venen, indem es beide, und besonders den letztern, thätiger macht, und vielleicht auch das Blut etwas verdünnt; es ver­mindert die Irritabilität und kühlt in einem massigen Grade (weit we­niger als der Salpeter), befördert die Urinsecretion ziemlich stark und bewirkt, dass der Koth etwas lockerer und weicher abgeht; wirkliches Laxiren entsteht nur nach sehr grossen, wiederholten Gaben, durch welche aber der Appetit und die Verdauung sehr geschwächt werden. Deshalb, und zugleich des sehr hohen Preises wegen (im Vergleich zu den schwefelsauren Salzen), benutzt man den Weinstein als Laxir-mittel nicht; dagegen kann er in massigen Gaben gegen leichte Ent­zündungen und Entzündungsfieber, besonders wenn sie mit gastrischen Zuständen oder mit Störungen in der Bereitung und Ausscheidung der Galle comjjlicirt sind; eben so gegen Stockungen in den Blutgefässen des Hinterleibes; gegen den sogenannten Magenkoller; gegen Anthrax, gegen das Blutharnen und Blutmelken während des entzündlichen Zu-standes; — gegen acute, noch mit leichten Entzündungssymptomen begleitete Gelbsuchten und Wassersuchten und dgl. mit Nutzen ange­wendet werden. Er ist wenig gebräuchlich, und eigentlich nur in Wein­ländern, wo man ihn wohlfeil haben kann, thierärztlich zu benutzen.
Man giebt ihn den Pferden auf einmal zu 1—2 Unzen, dem Eind-vieh zu 2—6 Unzen, den Schafen zu ^—l'/a Unze, den Schweinen zu 1—3 Unzen, den Hunden zu i/o Drachme bis 1ji Unze, — täglich drei- bis viermal. Bei grosser Hartleibigkeit setzt man ihm schwefel­saure Salze, bei mehr acuter Entzündung den Salpeter, — bei Wasser-
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suchten die Digitalis, bei dem Milzbrande bittere Mittel und dgl. hin­zu. Die Anwendung geschieht am besten in Latwergen und in Pillen, weniger zweckmässig in flüssiger Form, weil er sich schwer im Wasser auflöst; er erfordert daher eine grosse Menge Flüssigkeit und oft noch einen Zusatz von schleimigen Mitteln. — Stärkere Säuren, eben so reine und kohlensaure Kalien dürfen wegen chemischer Zersetzung mit dem sauren Weinstein nicht zusammengesetzt werden, ausgenom­men die letzteren da, wo man aus den kohlensauren Salzen die Kohlen­säure im Magen vollständig frei machen will, um ihre Wirkungen zu entwickeln. (1 Unze 6 Sgr. 8 Pf., pulv. 8 Sgr.)
Anmerkung 1. Das neutrale Weinstein saure Kali, der tartarisirto oder auflösliche Weinstein {Tartarus tartarisatuä, Tartras halicus, Tartras Potassae s. Lixiviac, Tarturus solubilis) ist ein sehr leicht auf lösliches Neutralsalz, wirkt weniger kühlend, weniger harntreibend, aber mehr auflösend und die Abson­derungen im Darmkanal stärker befördernd als der Weinstein. Er kann bei ähn­lichen Zuständen und in denselben Gaben wie der letztere als Heilmittel benutzt werden, ist aber noch weniger gebräuchlich, weil er noch etwas theurer und durch andere Salze gut zu ersetzen ist. Er darf mit Säuren und mit sauren Salzen nicht verbunden werden, weil er durch dieselben zersetzt wird.
Anmerkung 2, Der natronh altige Weinstein, wein stein saure Soda, Seignet t e-Salz (Natro - kalt tartaricmn, Tartras ImUco - natrims cum Aynu. Tartarus natronatus, Kali fartaricum natronatmn , Tartras Potassae et Sodae, Saide Seignette, Sal polychrcstnm Seignetti) ist ein dreifaches, leicht auf lösliches Salz, dessen Wirkung mit der des vorigen im Wesentlichen übereinstimmt, aber etwas milder ist. Von seiner Benutzung gelten die in der vorigen Anmerkung gemachten Andeutungen ebenfalls. — Der borax saure Weinstein {Tartarus horaxatus) ist ihm in der Wirkung fast ganz gleich , und zum thierärztlichen Gebrauch völlig ent­behrlich.
G. Boraxsaures Xatron.
16) Boraisaures Nation, Dorax, Katrum boracicum.
sect;. 523.
Dieses, aus Natron, Boraxsäure und viel Krystallisationswasser be­stehende Salz löst sich in 12 Theileu kalten und in 2 Theilen kochen­den Wassers auf. Es ist in die Thierheilkunst erst in neuerer Zeit eingeführt worden, daher in seinen Wirkungen noch wenig sicher erprobt.
Oertlich wirkt es selbst im concentrirten Zustande nur sehr ge-liud reizend, etwas austrocknend; innerlich erregt es in-mildem Grade die Thätigkeit der Harn- und Geschlechtsorgane. Deshalb wird der Borax als örtliches Heilmittel bei asthenischen Entzündungen der Schleimhaut im Maule, bei Aphthen, bei Auflockerung des Zahn­fleisches , bei katarrhalischer Bräune, bei oberflächlichen Geschwüren an den Geschlechtstheilen, bei Flecken der Hornhaut und dgl. ange­wendet; — und innerlich dient derselbe als Diureticum bei acuter Brust- und Bauchwassersucht und bei eben solchen Oedemen, z. B. bei der Influenza.
Die Gabe ist für Pferde 2 Drachmen bis ^a Unze, für Rind­vieh 2 Drachmen bis 1 Unze, für Schafe, Ziegen und Schweine '^ bis 1 Drachme, für Hunde und Katzen 5 Gr. bis ^ Drachme, täglich zwei-
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bis dreimal. Die Amvemlung geschieht in Latwergen, Pillen und Eingüssen, zuweilen mit Glaubersalz und anderen passenden Mitteln, oder auch einfach aufgelöst im Trinkwasser.
Aeusserlich gebraucht man das Mittel in Auflösungen mit 20—30 Thcilen quot;Wasser, oder Salbei-Infusum und dgl., zuweilen mit Zusatz von 2—3 Thcilen Honig', als Maulwasser oder zum öfteren Befeuchten der leidenden Theile. (1 Unze 1 Sgr. 8 Pf., pulv. 1 Unze 2 Sgr. 6 Pf.)
II. Oel- und talgsaure Salze. Seifen.
17) a) Kaliseife, weiche Seife, Schmierseife, grüne oder schwarze Seife, Sapo kalinus
Sapo viridis s. niyer. lgt;) Nalron- oder Sodaseife, Talgseife, weisse Seife, gemeine Haus-
seife, Sapo sebaceus^ S. albus, S. domesiieus nostras,
sect;• 524.
Die erstere Seife besteht aus Kali in Verbindung mit Fett- oder Oelsäure, je nachdem zu ihrer Bereitung ein Fett (z. B. Fischthran, Schweineschmalz etc.), oder ein fettes Oel (z. B. Hanföl, iiüböl und dgl.) benutzt worden ist. Die zweite Art von Seife ist aus Natron, aus Talg- und Oelsäure zusammengesetzt. Beide enthalten auch Was­ser , jedoch in verschiedener Menge. Sie. lösen sich in reinem Was­ser und im Weingeist fast ganz auf und können auch eine grössere Menge Fett, Oel, Harz und andere organische Substanzen in sich auf­nehmen und damit eine im Wasser leicht zertheilbare [Emulsion machen. Die Seifen werden durch alle Säuren und durch die meisten Salze, auch die Metallsalze (mit Ausnahme der einfachen und der basischen Kali- und Natronsalze) zerlegt, und sie können entgegengesetzt auch die Säuren binden und die Salze zersetzen.
Bei ihrer Einwirkung auf den Thierkörper vereinigen die Seifen grösstentheils die Wirkungen der Substanzen, aus denen sie gebildet sind, jedoch in der Art, dass das Kali oder Natron, da es durch die bei dem Process der Seifebildung entstandene Oel- und Talgsäure theils neutralisirt, theils eingehüllt ist, — nicht mehr ätzend, sondern blos reizend und auflösend wirkt, und class dagegen das Fett oder Oel seine milde, einhüllende und erschlaffende Eigenschaft nur noch in einem be­schränkten Grade äussern kann. — Beide Arten der Seife erscheinen in ihrer Wirkung auf den Thierkörper als fast ganz gleichartig, aber die grüne Seife ist örtlich viel mehr reizend als die weisse.
Bei der innerlichen Anwendung in massigen Gaben verursacht die Seife bei allen Thieren eine etwas verstärkte Absonderung an der Schleimhaut des Verdauungskanals und in den Xieren, vielleicht auch in der Leber und in der Bauchspeicheldrüse. Der Koth wird etwas mehr feucht, aber nicht weich; die Urinabsonderung wird immer weit stärker vermehrt und zugleich ähnlich wie bei den Kalien verändert. Dabei ist jedoch (selbst nach grossen Gaben, z. B. nach 1 Pfund bei Pferden) keine Spur einer reizenden Wirkung auf die Irritabilität und Sensibilität, weder in den genannten noch in andern Organen zu be­merken; der Appetit wird oft, besonders bei fortgesetzter Anwendung
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der Seite, etwas vermindert mid die Verdauung geschwächt, — näm­lich wie durch andere fettige Substanzen. Zuweilen leidet auch bei anhaltendem Gebrauche des Mittels in starken Gaben die ganze Er­nährung des Körpers, und es entsteht Abmagerung, — wahrscheinlich theils durch Störung der Assimilation, theils durch zu sehr verstärkte liesorption. Bei trächtigen Thieren soll die Seite in gleicher Weise auch auf die Gebärmutter eine nachtheilige Wirkung äussern.
Auf die Haut gebracht bewirkt die weisse Seife, mit Wasser zum Brei gemacht, und eben so die grüne Seife im unverdünnten Zustande eine ziemlich starke Reizung, und bei mehrstündiger Daner der Ein­wirkung an Thieren mit etwas feiner llaut selbst eine, zwar nur ober-tlächliclie, aber schmerzhafte Entzündung und Ausschwitzung; die Bil-dungstluitigkeit in der Haut wird umgestimmt und die liesorption wird nicht allein in der Haut, sondern auch in dem unter ihr liegenden Zell­gewebe, in den Drüsen u. s. w. sehr bedeutend verstärkt. #9632;— Wird die Seife in Wasser aufgelöst auf die Haut gebracht, so entstehen dieselben Wirkungen, aber in einem schwächern Grade: zugleich wird durch das Seifenwasser die Haut gründlich gereiniget, indem es alle zähe, kle­brige Unreinigkeiten, z. B. verdickte IJautschmiere, Blut, Elter, fettige Salben und dgl. auflöst und abspült. — In Wunden und Geschwüren wirkt die Seife auf ganz gleiche Weise wie an der Haut, und in den Mastdarm gebracht verursacht sie Heizung und schneller erfolgende Kothausleerungen. — Nach dem Einspritzen einer Auflösung von 1 Drachme Seife mit 2 Unzen wannen Wassers in die Drosselvene eines Pferdes entstand sogleich etwas schnelleres Athmen, schnellerer, kleiner Puls und nach 1 Stunde sehr reichliches Uriniren; diese Er­scheinungen dauerten über 5 Stunden fort und hatten keine weiteren Folgen.
sect;. 525.
Als Heilmittel wird die grüne Seife innerlich nur selten ange­wendet, und mehrentheils zieht man ihr die reinere weisse Seife vor, obgleich ein wichtiger Unterschied zwischen beiden nicht besteht. Chabert empfahl' die Seife im Wasser aufgelöst (Seifenwasscr) gegen die Trommelsucht des Rindviehs; eben so oder in Wein gelöst gegen die Fäule und Wassersucht der Schafe, und mit Hirschhornöl versetzt gegen die Egelkrankheit dieser Thiere; Waldinger2 gebrauchte sie in Verbindung mit Terpenthinöl, Doppelsalz und Kamillenblumeu bei Pferden gegen die Anhäufung eines Bodensatzes aus dem Urin in der Blase; ich gab sie, mit kleinen Gaben von Aloe, mit bittern Mitteln und mit Terpenthinöl versetzt, mit Nutzen gegen chronische Leberent-zttndnng und gegen öfters wiederkehrende Gelbsucht bei Pferden, Rind­vieh, Schweinen und Hunden; auch fand ich sie mit einem Aufguss von Kümmelsamen innerlich gegeben und eben so in die Gebärmutter ge­spritzt, sehr wirksam zur Beförderung der Nachgeburt, wenn dieselbe blos wegen Unthätigkeit der Gebärmutter zu lange in derselben zuriiek-
Vollstiindiges Handb. d. Vicliarzneikunst; aus lt;!. Kranz. 1. Bd. S. 219. 223. Deber die Nahrungs-imd Heilmittel der Pferde. 8. 212.
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geblieben war. — Dünnen Seifenbrei, oder concentrirtes Seifenwasser, hat man auch gegen Vergiftungen durch Säuren mit sehr gutem Er­folge angewendet; aber bei Vergiftungen durch Arsenik'und Sublimat war der Nutzen dieses Gegengiftes sehr zweifelhaft. — Zu reizenden Clystiren, z. B. bei Verstopfung, bei Krämpfen und krankhaften Harn­verhaltungen und dgl., ist Seifenwasser ein allgemein gebräuchliches und recht wirksames Mittel, welches man bald für sich allein, bald mit einem Aufguss von Kamillenblumen oder von Heusamen anwendet. Zuweilen wird die Seife auch als ein zweckmässiges Bindemittel der Aloe, des Fichtenharzes und des Terpenthins benutzt.
Die Gabe ist für Pferde und Rinder 1—2 Unzen, für Schafe und Schweine 2 Drachmen bis '^ Unze, für Hunde •/g—2 Drachmen, — bei chronischen Krankheiten täglich zwei- bis dreimal, aber bei der Trommelsucht und bei Vergiftungen jede Viertelstunde und jede halbe Stunde wiederholt. Zu einem Clystir ist die Hälfte, selbst der dritte Theil der bezeichneten kleineren Gaben bei den verschiedenen Thieren hinreichend. — Man setzt nicht gern den innerlichen Gebrauch der Seife durch lange Zeit anhaltend fort, weil hierbei gewöhnlich eine Störung des Appetits und der Verdauung eintritt.
sect;. 526.
Aeusserlich dient die Seife: a) in Verbindung mit warmem Was­ser als das beste Reinigungsmittel überall, wo von der Haut, von Wunden und Geschwüren Schmutz, vertrockneter Eiter, Fettigkeiten und dgl. zu entfernen sind; — b) als Heilmittel bei Flechten, Räude, Hautjucken, Haarausfall und Mauke, und — c) als ableitendes Reiz­mittel bei Rheumatismus, bei Verstauchung, Sehnenentzündung und dgl. — d) als auflösendes gelind reizendes Zertheilungsmittel gegen Geschwülste, Verdickungen und Verhärtungen, welche mit fortScMei-chender Entzündung und Ausschwitzung, selbst mit Ulceration verbun­den sind, z. B. gegen Stollbeulen, Piephacken, Gallen, Selmenklapp, Verhärtungen der Drüsen, asthenische Entzündungen des Euters, Milchknoten in demselben (sogen. Einschuss), gegen Fisteln an den Sehnen, im Hufe, am Schweife nach dem Englisiren u. s. w. — und zuweilen dient e) die grüne Seife auch als ein Mittel, um das Festbal­len des Schnees an der Sohle des Hufes zu verhüten, oder wenigstens es zu vermindern.
Bei den unter V) genannten Hautkrankheiten benutzt man in leichteren Fällen die grüne und eben so die weisse Seife mit Wasser als einfaches Seifenwasser zum Waschen und Baden täglich ein- bis zweimal; in hartnäckigen oder veralteten Fällen setzt man sie zu einem Decoct von Taback oder Nieswurz, oder man wendet sie als Salbe, mit Terpenthinöl, mitThoer oder mit stinkendem Thieröl, oder mit Schwefel, mit pulverisirtem Taback, Nieswurz und dgl. reizenden Mitteln, nach dem Grade der Empfindlichkeit der Theile und der Hartnäckigkeit des Hebels, im verschiedenen Verhältniss versetzt, täglich ein- bis zweimal an. — Bei den sub c) genannten Zuständen wird in der Regel die
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grüne Seife, bald allein, bald mit Spiritus, Terpenthinöl, Kampber und dgl. angewendet.
Auch bei den unter d) genannten örtlicben Krankheiten ist in leicbteren Fällen das Seifenwasser zum Wascben, zum Bähen und zu Fussbädern, warm und recht fleissig angewendet, oft für sich alleii; im Stande, die Heilung zu bewirken; doch ist eine breiförmige Auflösung der wcissen Seife, oder die grüne Seife in Substanz täglich ein- bis zweimal auf die Hain, gestrichen oder eingerieben, viel wirksamer und durch Zusatz von Potasche, grauer Quecksilbersalbe, von Kampher, Terpenthinöl (als Terpenthinseife S. 214.), Salmiakgeist, Spiritus und dgl. kann ihre Wirksamkeit noch sehr verstärkt werden, z. B. in der Form des sogenannten Opodeldoc: Nimm: grüne Seife 4 Unzen, Kampher 1 Unze, rectiheirten quot;Weingeist 8 Unzen, Salmiakgeist 2 Un­zen; löse die Seife und den Kampher in dem Weingeist, und menge den Salmiakgeist durch Umrühren hinzu. Die grüne Seife in solchen Verbindungen macht alle andern, theurern sogenannten zertheilenden und Nervensalben ganz entbehrlich, und sie hat vor den fettigen Sal­ben noch den Vorzug, class sie sich leichter als diese wieder abwaschen lässt und das uöthige Reinigen sehr erleichtert.
Anmerkung 1. Die feineren und tlieueren Arten der Seife, ivie z. B. die medioinisehe Seife (Sapo medicatus), die venetianische und spanische Seife (Sapo venetus, liispanicus), sind zu tlieuer und zum thierürztlidien Gebrauch entbehrlich.
Anmerkung 2. Der Seifengeist oder S eifen Spiritus (Spiritus saponis s. saponatw) wird in den Apotheken durch Auflösung eines Theilos spanischer oder venetianischer Seife in 3 Theilen rectiticirten Weingeistes und 1 Theile Wassers bereitet, kann aber iveit wohlfeiler aus 1 Theile grüner Seife, '/s Potasche und 4 Th. verdünnten Weingeistes dargestellt werden. Er wirkt kräftig reizend und zertheilcnd und wird bei Quetschungen, Ausdehnungen und Schwäche einzelner Theile, bei Blut-unterlaufungen, ödematösen Anschwellungen. Verstauchungen und dgl. zum Waschen und Einreiben mit Nutzen angewendet, jedoch nur, wenn keine Symptome von aeuter Entzündung oder von schmerzhafter Reizung zugegen sind. Durch Zusatz von Terpenthinöl, Salmiakgeist und dgl. reizende Mittel kann seine Wirksamkeit noch mehr verstärkt werden.
(üeber das Kamph er 1 iniment und das Ammoniumlinimen t, die auch als Seifen zu betrachten sind, siehe sect;. 247 f. und sect;. 470.)
ZWÖLFTE KLASSE.
Metallische Arzneimittel. (Remedia metallica.)
527.
Metalle werden jene chemisch einfache Körper genannt, #9632;welche einen eigonthümlichen Grlanz (Metallglanz) besitzen, sich sehr gut po-liren lassen und die Wärme und die Electricität vorzüglich gut leiten. Von ihren übrigen mannigfachen Eigenschaften (deren Aufzählung nicht hierher gehört) verdient in arzneilicher Beziehung noch bemerkt zu werden, dass die sämmtlichcn Metalle zu dem Sauerstoffe eine che-Hkrtwig, Arzneimittellehre.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;3i
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mische Verwandtschaft (jedoch im verschiedenen Grade) besitzen, sich mit ihm in verschiedenen Verhältnissen verbinden, auch mit andern brennbaren, nicht metallischen Stoffen, (Schwefel, Kohle, Jod, Chlor), so wie unter sich selbst Verbindung-en eingehen, und auf diese Weise verschiedenartige Präparate bilden, welche sich in folgende Abtheilun­gen bringen lassen:
1)nbsp; nbsp; Verbindungen der Metalle mit Sauerstoff. Der Sauerstoff verbindet sich mit den meisten Metallen in mehr als einem bestimmten Verhältniss, und verwandelt sie hierdurch zu glanzlosen, verschiedentlich gefärbten, bald pulverigen, bald festen Massen, welche man nach dem Verhältnisse, in dem sie jenen Stoff enthalten, auch ver­schieden bezeichnet, und zwar: n) als Oxydul oder unvollkommenes Oxyd {Oxyduhtw, Metallum oxydulatwri), wenn die Masse mit dem Sauerstoffe nur unvollständig, und— h) als Oxyd (Oxydian, Metallum oxydatum), wenn sie mit ihm völlig gesättiget oder selbst übersättiget ist. Von den Oxyden giebt es daher noch verschiedene Abstufungen, die man Unteroxyd (Suboxydj, üeberoxydul (Hyperoxydul) und Ueberoxyd (Hyperoxyd) nennt. Je mehr ein Metall vom Sauer­stoff aufgenommen hat, um desto mehr nähert es sich in seinen Eigen­schaften den Säuren, und einige werden auf der höchsten Oxydations­stufe sogar zu einer Säure umgewandelt. Die meisten Oxyde sind im Wasser unlöslich, und nur einige besitzen eine gelinge Löslichkeit; dagegen lösen sich fast alle in Säuren und auch im Magensafte auf und bilden dann Metallsalze im flüssigen Zustande.
2)nbsp; nbsp;Met all salze. Sie entstehen aus der Verbindung eines oxy-dirten Metalles mit einer Säure oder mit Alkalien, und das Metall ver­hält sich daher, und nach dem verschiedenen Grade seiner Oxydation, entweder als Basis oder als Säure. Uebrigens ist die Zusammensetzung dieser Salze hinsichtlich der Verhältnisse ihrer Bestandtheile eben so verschieden, wie bei den Salzen der Alkalien und Erden (sect;. 483.) und es giebt daher auch einfache, doppelte U. s. w., basische, neutrale und saure Metallsalze.
3)nbsp; nbsp;Verbindungen derMetalle mit brennbaren Körjjern, z. B. mit Kohlenstoff (Kohlenstoffmetalle), mit Phosphor (Phosphor­metalle) , mit Schwefel (Schwefelmetalle) ü. s. w. Man benutzt von diesen Verbindungen nur einige Schwefelmetalle, von denen zu be­merken ist, dass sie durch verdünnte Säuren und daher auch durch den Magensaft, auf Kosten des Wassers oxydirt werden und dabei llydro-thionsäure entwickeln.
4)nbsp; nbsp;Verbindungen der Metalle unter sieh, sogenannte Metalllegirungen. Sie sind hier von keinem Interesse, da man sie arzneilich nicht benutzt.
sect;. 528. Die sämmtlichen Metalle in ihrem reinen (sogenannten rcgulini-schen) Zustande wirken auf den Thierkörper nur durch ihre Masse, Schwere und Form, und sie bringen daher auch nur örtliche mechanische Einwirkungen hervor; wenn sie aber auf irgend eine Weise zu ainem der im vorigen sect;. unter 1 — 3 bezeichneten Präparate umgewandelt
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sind, so wirken sie als sehr kräftige Arzneimittel, und mehrere auch, bei nicht recht vorsichtiger Anwendung, selbst als sehr heftige Gifte. Hier­mit soll aber nicht gesagt sein, dass alle Metalle, welche im regulini-schen Zustande in den Thierkörper und namentlich in den Verdauungs­kanal gebracht werden, durchaus unwirksam bleiben; denn sie können sich daselbst mit andern Stoffen, besonders mit dem in den thierischen Säften vorhandenen Sauerstoff und Säuren verbinden, und hierdurch eben so wirksam werden, als wenn diese Verbindung ausserhalb des Organismus Statt gefunden hätte. Man sieht diese im Körper erfol­gende Oxydation und die Wirkungen hiervon am stärksten bei einigen sogenannten unedlen Metallen, vorzüglich bei dem Spiossglanze mA dem Eisen, — dagegen kaum bemerkbar bei den sogenannten edlen Metallen Statt finden. — Auf dieselbe Weise (besonders durch den mit Salzsäure, Essig und Milchsäure versehenen Magensaft) werden zu­weilen auch (wie bereits im vorhergehenden sect;. bemerkt) die Innerlich angewendeten Oxydule zu Oxyden und zu Salzen umgewandelt und hierdurch in ihrer Wirksamkeit bedeutend verändert.
Die Wirkung der Metallpräparate kann eine örtliche und eine allgemeine sein; jene erfolgt theils durch Reizung und ümstimmung der berührten Stellen, vorzüglich aber durch chemische Einwirkung auf dieselben, indem ein oder der andere Bestandtheil des Mittels sich mit der organischen Substanz verbindet. Es können hierbei sowohl innerlich wie äusserlich selbst Anätzungen und Zerstörungen und hier­durch consensuell oder auch durch gestörte Functionen mancherlei Er­scheinungen eines allgemeinen Ergriffenseins entstehn. Die allgemeine Wirkung erfolgt durch den Uebergang der metallischen Substanzen in das Blut (durch Resorption). Diese Wirkung der Metallpräparate wird nämlich, je nach ihrer chemischen Qualität, vermittelt: indem a) die­jenigen Präparate, die im Wasser löslich sind, oder die mit den organi­schen Stoffen (mit Eiweis, Speichelstoff, Schleim etc.) solche Verbin­dungen darstellen, welche im Wasserlöslich sind, von j eder resor-birenden Fläche des Thierkörpers aufgenommen werden; — wogegen h) solche Metallpräparate, die an und für sich, oder nach ihren im Körper erfolgten Verbindungen mit organischen Stoffen nur in Essig­oder in Salzsäure löslich sind, auch nur an solchen Stellen resorbirt werden, wo eine freie Säure abgesondert wird; — und c) solche Metall­präparate, die an sich, oder nach ihrer Verbindung mit organischen Stoffen ganz oder grösstentheils in Wasser und in den sauren Säften des Körpers unlöslich sind, wenig oder gar nicht resorbirt werden, son­dern nach innerlicher Anwendung mit den Darmexcrementen, nach äusserlicher Ajjplication aber mit dem Eiter und dgl. wieder entfernt werden. Die resorbirten Metallpräparate werden (bald mehr bald weni­ger verändert) grösstentheils durch die Xieren, zum kleineren Theil bei einigen Metallen auch durch die Lungen, die Haut und durch die Schleimhaut des Verdauungskanals wieder aus dem Körper entfernt.
Die angedeuteten Verschiedenheiten in dem Verhalten der metal­lischen Stoffe zum Thierkörper sind noch nicht bei allen diesen Sub­stanzen gründlich erforscht.
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sect;. 529.
Weder die örtliche noch die allgemeine Wirkung ist hei den ver­schiedenen metallischen Mitteln übereinstimmend, sondern jedes ein­zelne Metallpräparat wirkt, theils nach der Eigeuthümlichkeit des ihm zum Grunde liegenden Metalles, theils nach der Verbindung desselben mit andern Stoffen ganz eigenthümlich und von andern verschieden; diejenigen, welche von einem und demselben Metalle abstammen, zeigen zwar in der Art ihrer Wirkungen und in der specifischeu liichtung der­selben auf bestimmte Organe eine wesentliche Verwandtschaft unter einander, aber im Grade der Wirksamkeit eine grossc Verschiedenheit. In letzterer Hinsicht erscheinen fast allgemein die Schwefelmetalle und die Oxydule als am mildesten, die Oxyde als weit kräftiger, und die Metallsäuren und die Metallsalze als am wirksamsten; doch giebt es auch hiervon Ausnahmen, wie z. B. bei dem Spiessglanze, wo das un­vollkommene Oxyd stärker wirkt als das vollkommene.
sect;. 530.
Obgleich die Wirkungen der einzelnen Metalle (oder vielmehr ihre Präparate) sehr abweichend von einander sind, so kommen sie doch darin mit einander überein, dass sie vorherrschend den Ernäh-rungs- und Bildungsprocess verändern, und zwar sowohl örtlich an den Stellen ihrer Einwirkung, wie auch im ganzen Körper. Beides ge­schieht aber auf mehrfache und selbst auf ganz entgegengesetzte Weise. Hinsichtlich der örtlichen Wirkung bemerkt man namentlich a) von einigen (z. B. von dem Blei, Eisen, Kupfer, Zink), wenn sie in schwa­chen Auflösungen und in kleinen Gaben angewendet werden, eine stärkere Zusammenschrumpfung und Verdichtung der organischen Ge­bilde und Verminderung der Absonderungen; — b) dagegen von an­dern (wie hauptsächlich von dem Quecksilber), bei gleicher Art der Anwendung eine Auflockerung der organischen Masse und Verstär­kung der Resorption; — c) einige (z. B.Zink, Silber, Quecksilber, Kupfer, Spiessglanz, Arsenik) wirken zugleich in gewissen Präparaten stark ätzend, während andere (wie z. B. Blei und Eisen) diese Wirkung nur zeigen, wenn sie concentrirt, in grossen Quantitäten und auf mit zarter Haut bedeckte oder auf blosse Flächen einwirken. — Die allge­meine Wirkung (welche übrigens wie bei fast allen andern Arznei­mitteln von mehrern Punkten des Organismus ausgehen kann) änssert sich 1) bei einigen Metallen (bei dem Kupfer, Zink, Spiessglanz, Ar­senik, Wismuth) zuerst und vorherrschend durch Affectionen des Ner­vensystems in dem Bereich der Eeproductionsorgane, z. B. durch Ekel, Erbrechen, durch schnelle Erregung von Schmerzen oder durch Be­sänftigung schmerzhafter Zustände und dgl.; — 2) bei andern (bei dem Eisen und Braunstein) erscheint sie als eine Vermehrung der arteriellen Thätigkeit und der Irritabilität, wobei hauptsächlich die Mischung des Blutes verändert und verbessert wird, und — 3) von andern entstehen zuerst fast nur langsam fortschreitende Veränderungen in der Assimi­lation und Reproduction, welche bald (wie bei der örtlichen Einwir­kung) als Auflockerung und Verflüssigung (z. B. bei dem Quecksilber,
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zum Tlieil auch bei dem Arsenik), bald als Verdichtung und Gerinnung der Materie (z. B. bei dem Blei) wahrzunelimen sind.
Es ergiebt sich hieraus a) dass die Erscheinung-en bei den so sehr verschiedenartigen Wirkungen der Metalle sich nicht in einer gemein­schaftlichen Darstellung betrachten lassen, und — b) dass ebe;i so die einzelnen Metalle, ihren Eigenthümlichkeiten gernäss, bei mannig­fachen und ganz verschiedenartigen pathologischen Zuständen ah Heil­mittel dienen könuen, dass aber die nähere Angabe hierüber nur bei den einzelneu Mitteln gemacht werden kann.
A. Arsenik oder Arsen, Arsenicum.
1) Arsenige oder arsenichte Säure, weisser Arsenik, welsses Arsenlkoiyd (Giftmeb!,
Rufieri- oder Mäusegift, Hüttenrauch), Acidum arsenicosum, Arsenicum
{oxyduimn) album.
sect;. 531.
Diese in krystallinischer Form bestehende Säure ist unier den Präparaten des Arseniks das gewöhnlichste, und neben der Arsenik-säure, die aber nicht medieinisch angewendet wird, auch das wirksamste, sowohl in arzneilicher wie in giftiger Beziehung. Sie besteht aus 75,82 Arsenikmetall und 24,18 Sauerstoff, oder 2 Atomen Arsenik und 3 Ato­men Sauerstoff; bildet im frischen Zustande weisse, fast durchsichtige Stücke, welche au der Luft allmälig matt, porzellanartig, halbdurch­scheinend weiden; gepulvert ist sie weiss, wie Mehl. Sie schmeckt herb, etwas scharf metallisch, hintennach süsslich, ist ohne Geruch, aber auf glühenden Kohlen verbreitet sie einen knoblauchartigen Geruch und weisse Dämpfe. Sie rcagirt sauer, röthet die blauen Pflanzenfar­ben, färbt aber den Veilchensaft grün. In 60—100 Theileu kalten oder 10—12 Theilen siedenden Wassers ist sie auf löslich; die Auflösung wird durch Zusatz von andern Säuren, namentlich von etwas Salzsäure befördert. Mit den Basen bildet sie arsenigsaure Salze, die jedoch leicht zersetzt werden, indem die arsenige Säure hinsichtlich der Stärke der Verwandtschaft selbst der Kohlensäure nachsteht. — Eiweis, Milch, Blut, Zuckerwasser, Kalkwasser, Schwefelleber und schwefelwasser-stoffhaltiges Wasser, besonders aber Eisenoxydhydrat (s. bei Eisen) und überhaupt Eisenpräparate zersetzen oder binden die arsenige Säure und können daher diese Stoffe als Gegengifte des Arseniks betrachtet werden.
Die Wirksamkeit dieses Mittels bei der Anwendung auf den leben­den Thicrkörper erscheint aber örtlich und allgemein so mächtig in den Bildungs- und Ernährungsprocess eingreifend und die Lebensthätig-keit so eigenthümlich umstimmend, dass es dieselbe bei einem geringen Ueberschreiten der für ein Thier passenden Gabe, oder bei etwas langer Fortsetzung des Gehrauchs sehr leicht gänzlich vernichtet und hier­durch für alle Thiere zum gefährlichsten Gifte wird. Unter den Haus-thieren ertragen es die Pferde noch verhältnissraässig am besten und längsten. Ich gab es 8 ausgewachsenen und muntern Pferden von ver-
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schiedenem Alter, von deuen 3 mit Rotz, 3 mit Wurm und 2 mit ver­alteter Lahmheit behaftet waren, durch 30 — 40 Tagenach einander täglich einmal in Mchlpillen, zuerst mit 20 Gran pro dosi anfangend und allmälig bis zu 1 Drachme steigend, bemerkte aber weder während des Gebrauchs, noch 2—3 Monate nach demselben, irgend einen ge­fahrdrohenden Zufall; die Thiere hatten fortwährend sehr guten Appetit und rcgelmässige Verdauung; der Puls wurde etwas kräftiger und härter, das Athmen blieb normal, die Schleimhaut in der Nase und im Munde unverändert; bei den rotzigen Pferden verminderte sich durch einin-e Zeit die Menge des Nasenausflusses und die Geschwulst der Drüsen, später (in der 3ten und 4ten Woche) wurde aber der Ausfluss wieder eben so stark wie vorher; bei sämmtlichen Pferden wurde das Haar glätter und 5 wurden auch sichtbar mehr beleibt; in ihrer Be­wegung und Munterkeit war keine Veränderung wahrzunehmen, und eben so konnte ich nicht bemerken, dass die Thiere, als sie keinen Arsenik mehr erhielten, sehr abmagerten, — obgleich man dies ge­wöhnlich behauptet. — Gleiche Beobachtungen über die Wirkung von ähnlich grossen Gaben des Arseniks bei Pferden hat man auch an der Thierarzneischule zu Lyon1 und in Kopenhagen2 gemacht. Dagegen sähe Gerlach schon von 25 Gran Diarrhöe u. a. Wirkungen eintreten (Magaz. f. d. gesammte Thicrheilk. Bd. 8. S. 14 u. f.) und der frühere Departements-Thierarzt Stickerin Coin sah einzelne Pferde von 10 Gr. des Mittels an Störung des Appetits und an Leibweh vorübergehend leiden. Viele Beobachtungen aber zeigen, dass die meisten Pferde selbst 2—3 Drachmen in Pillenform auf einmal eingegeben, ohne ge­fährliche Folgen ertragen, obgleich zuweilen für 1 oder für 2 Tage Appetitlosigkeit, Traurigkeit und selbst etwas Fieber entsteht; werden aber solche Gaben durch mehrere Tage nach einander gereicht, so finden sich hierzu noch heftiger Durst, Kolikschmerzen, wässerige Ge­schwulst der Augenlider und der Füsse, Steifigkeit der letztern, Zehr­fieber und der Tod. Gaben von l/a—1 Unze erzeugen fast immer tödt-liche Wirkungen. Diese beginnen damit, dass die Pferde unruhig werden, sich oft nach dem Leibe umsehen, mit den Füssen kratzen und hauen, sich niederlegen und wieder aufspringen; sie verlieren den Appetit, zeigen aber grossen Durst, geifern aus dem Maule, bekommen einen kleinern, harten, schnellen Puls (80—100 in 1 Minute), kurzes, stöhnendes Athmen, Erweiterung der Pupille, stieren Blick und grosse Angst; darauf folgt Abstumpfung der Empfindlichkeit, grosse Mattig­keit, zuweilen auch Lähmung der Extremitäten, und dann unter Kräm­pfen der Tod. Letzterer tritt in seltenen Fällen vor 12 Stunden, mehrentheils aber erst nach 20—36 Stunden ein.
Bei den AYiederkäucrn hat sich die Wirksamkeit dos Arseniks im Allgemeinen sehr ähnlich derjenigen bei Pferden gezeigt; doch sind hierüber nur wenige sichere Beobachtungen über die Wirkung be-
1 Gohier, Observations et Experienc. faitos k l'Ecole Imperiale Veter. de Lyon sur le Pain moisi et sur i|uelqiies Poisons mineraux et vegetaux. Lyon 1807. S. ?9. - Veter. Selskab. Skrift. 1. Deol. S. 334.
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stimmter Gaben dieses Mittels bekannt. Hinder ertrugen oft eben so grosse und noch grbssere Gaben wie die Pferde, !/2 Unze bis 1 Unze, ohne dass giftige Wirkungen eintraten, während in anderen Fällen von kaum 1 Drachme bis quot;2 Drachmen Appetitlosigkeit, heftige Leib­schmerzen, Traurigkeit, Mattigkeit, Diarrhöe, Verlust der Milch, kleiner, unterdrückter Puls u. s. w., und selbst der Tod erfolgten. — Schafe er­trugen oft unverhältuissmässig grosse Gaben (z. B. sollten sie nach den Mittheilungen des Gutsbesitzers Conbussido an das Institut fran(;ais von 10 Grammen (ä 16 Gran) bis zu 32 Grammen (in 24 Stunden ge­reicht) nicht gefährlich afiicirt worden sein, während die hiernach von Gasparin u. A. angestellten Versuche ergaben: laquo;) dass bei gesunden Schafen 5—1U Grammen (4—8 Scrupel), nüchtern eingegeben, die gewöhnlichen Vergiftungszufälle erzeugten; b) dass eine zweite Gabe von 10—20 Grammen, 24 Stunden nach jener ersten gegeben, den Tod herbeiführte, und — c) dass die Cadaver die Erscheinungen der Arsenikvergiftung zeigten und das Gift im Blute, im Urin, etwas auch in den Lungen, der Leber und den Muskeln enthielten. Dagegen wollen Dang er und Flandin aus Versuchen ersehen haben, dass 8 Gram­men am ersten Tage, und eben so viel am zweiten Tage einem Schafe gegeben, keine Vergiftung erzeugten {Gazette me'd. de Paris 1843. Nr. 3)'. — In einzelnen Fällen hat man bei Kühen und Schafen eine Aetzung und durchdringende brandige Zerstörung der Häute an der untern Wand des Wanstes oder der Haube2, hauptsächlich aber der Häute des Labmagens:i, Verwachsung dieser Theile mit der entsprechen­den Stelle der Bauchwand und dann einen Durchbruch durch die Letztere, bis zum Umfange einer Manushand, mit Austluss von Futter­stoffen aus dem Magen (also eine Magenfistel oder nach Haubner das perforirende Labmagengeschwür) entstehen sehen. Haubner hat dieses perforirende Geschwür an einem mittelst kleiner Gaben Arsenik künstlich in etwa 10 Wochen erzeugt. In allen Fällen dieser Art war die allgemeine Wirkung gering.
Bei Schweinen, Hunden und Katzen entsteht nach einer Gabe von '/j—1 Gran Arsenik gewöhnlich etwas Uebelkeit, zuweilen auch Erbrechen, ohne gefährliche Folgen. Werden solche Gaben täglich zweimal und durch 8 —14 Tage fortgesetzt, so findet sich immer stärkere Verminderung des Appetites, Erbrechen, nach 6—10 Tagen Diarrhöe mit Ausleerung von schwärzlichen und blutigen Excrementen, grosse Mattigkeit, Abmagerung, schmerzhafter Husten, und nach 20—30 Ta­gen der Tod. — Von 3—10 Gran des Mittels, mit etwas Wasser ge-
1 Danger und Flandin Hessen die durch grosse Gaben von Arsenik ver­gifteten Schafe von Hunden verzehren, was olme Nachtheil für diese geschah und woraus man ersehen wollte, dass die ärztliche Behandlung der Schlachtthiere mit grossen Gaben dieses Mittels für den Flcischgenuss bei Menschen auch nicht schäd­lich sei. Dieser Punkt verlangt jedoch noch genauere Untersuchungen und grosse Vorsicht.
- Hesse, Magaz. f. Thierheilk. Bd. 24, S. 126.
3 Haubner, Bericht über das Veterinärwesen im Königreich Sachsen, für 1 360. S. 18, 121.
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mengt einem Hunde eingegeben, bemerkt man nach einigen Minuten Ekel, dann mehrmals wiederholtes Erbrechen, beschwerliches, kurzes Athmen, sehr vermehrte Pulse (bis über 120 in 1 Minute)1, Liegen auf dem Bauche, Winseln, Angst, stieren Blick, Ausleerung von schwarz­gefärbtem Darmkoth unter Zeichen von Schmerz, später grosse Ab­stumpfung des Gefühls, und zuletzt (bald nach 6—10 Stunden, bald nach 20—30 Stunden) folgt der Tod unter Convulsionen. Bei dem Federvieh von noch weit kleineren Gilben sehr ähnliche Wirkungen.
Wird Arsenik als Pulver auf die äussere, trockene Haut gebracht, so bewirkt er erst nach mehreren Stunden eine Eeizung, cigenthiimliche, theils exsudative, theils begrenzt brandige Entzündung, und nach 20 bis 30 Stunden einen trockenen Aetzschorf, der ziemlich fest sitzt. Eben so, aber schneller und tiefer, ist die Wirkung, wenn man den Ar­senik mit Fett oder fettem Oel (1 Theil zu 4 — 8 Theilen) zur Salbe, oder mit Wasser zum Brei gemacht auf die Haut bringt. Eine einfache Auflösung des Mittels in Wasser wirkt zwar auf die Haut und auf wunde Flächen reizend und den Bildungsprocess umstimmend, aber nicht ätzend. Bei allen diesen Formen der Anwendung wird es leicht absorbirt, und es entstehen daher bei sehr ausgebreiteter oder bei mehr­mals wiederholter Anwendung auch häufig Symptome der vorhin be­zeichneten allgemeinen Wirkung im verschiedenen Grade, selbst tödt-liche Vergiftung.
Wird der Arsenik in Stückchen, oder in Pulverform, oder mit Fett zur Salbe gemacht auf Wunden, unter die Haut ins gesunde Zellgewebe, oder auf die Schleimhäute in kleinen Quan­titäten angewendet, so erzeugt er zuerst eine eigenthümliche Entzün­dung, die mit Ergicssung von vieler gelblichen, serösen Flüssigkeit im Umfange der Applicationsstelle verbunden ist; dann entsteht Abster­bung der betrofl'enen Gebilde, und später im Umfange derselben Eite­rung und dann die Ausstossung der abgestorbenen Theile. Grössere Quantitäten (die aber oft nicht so gross sind wie zur innerlichen Ver­giftung), veranlassen ausser der örtlichen Entzündung fast immer heftige allgemeine Zufälle, wie bei innerlicher Anwendung, und selbst den Tod. Ein Pferd starb auf diese Weise in 50 Stunden von 1 Drachme Arseniks, die ich ihm in 3 kleine, frische Wunden am Halse gebracht hatte. Bei den oben angeführten Versuchen von Danger und Flandin starb ein Schaf, nachdem ihm 30 Oenti-grammen (etwa 4 Gran) Arsenik in eine Wunde unter die Haut ge­bracht worden, am 5ten Tage. Hunde sähe ich von 4 —10 Gran, die in eine Wunde am Rücken gebracht waren, innerhalb 4 bis 24 Stunden sterben, und bei Orfila's Versuchen (Toxicologie) waren sogar 2 Gran, auf dieselbe Weise einem Hunde applicirt, tödtlich. Diese tödtliche Wirkung wird jedoch von der äus.serlichen Anwendung des Arseniks durch frische Wunden in gesunden Organen weit mehr vermittelt als von der Anwendung in alten callösen und scirrhösen Geschwüren und
1 Brodic fand immer die Zahl der Pulse vermindert Siehe dessen Vorsuche über die Wirkungen der Gifte, in Reil's Archiv, 12. Bd. S. 231—233.
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in krankhaft erzeugten Gebilden, die eine eigene Substanz oder eine feste Begrenzung besitzen; ich selbst habe dies an Krebsgeschwüren, an Stollbeulen, Brustbeulen, Balggeschwülsten verschiedener Art und dergl. bestätiget gefunden, und ebenso habe ich gesehen, dass, je heftiger und schneller die örtliche ätzend-zerstörende Wirkung ein­tritt , um so geringer gewöhnlich die allgemeine giftige Wirkung wird. Es lässt sich dieses daraus erklären, dass unter den bezeichneten Umständen sowohl durch die natürliche Begrenzung des abnormen Ge­bildes wie auch durch die abgestorbene Substanz in der Umgebung des Arseniks die Aufsaugung und der Uebergang desselben in das Blut gehindert ist.
sect;. 532.
Sowohl bei der innerlichen wie bei der äusserlichen Anwendung des Arseniks ist die Heftigkeit und Schnelligkeit der Wirkung nicht allein von der angewendeten Menge, sondern auch von der Form, von der leichteren oder schweren Auflöslichkeit in den vorhandenen Säften oder anderen Flüssigkeiten, von der Fülle des Magens und Darmkanals und von der durch diese Umstände bedingten Aufsaugung abhängig. Die allgemeine Wirkung wird stets durch die Letztere er­zeugt; je grosser die Menge des in den Körper gebrachten Arseniks, und je vollständiger aufgelöst oder je feiner vertheilt derselbe ist, desto eher und stärker tritt die allgemeine Wirkung ein, daher von gleichen Gaben in flüssiger Form stets weit schneller und heftiger als von groben Pulvern oder von Pillen. Bei nüchternem, leeren Magen und Darm, daher bei Thieren, welche längere Zeit an Appetitlosigkeit gelitten, ist die örtliche Einwirkung auf die berührten Theile der Schleimhaut bedeutender als bei vollen Eingeweiden; und je mehr der Arsenik auf eine grosse Fläche der Yerdauungsschleimhaut scharf reizend oder ätzend wirkt, um so heftiger wird, selbst auf consensuellc Weise verursacht, das Allgemeinleideu. Bei manchen Thieren scheint eine besondere Beschaffenheit der Magen- und Darmsäfte die Wirk­samkeit zu begünstigen oder auch zu beschränken.
Die Aufsaugung und der Uebergang des Arseniks in das Blut erfolgt unter günstigen Umständen schnell, so dass man in manchen Fällen schon nach 8 Stunden ihn im Blut, im Urin u. s. w. nachweisen kann; in anderen Fällen geschieht die Aufsaugung langsamer. Mit dem Blute geht derselbe in alle anatomische Gebilde und in alle Se-cretionsÜüssigkeiten, also auch in die Muskeln und in die Milch'. Stirbt ein mit Arsenik behandeltes Thier nicht an Vergiftung, so wird nach und nach dieser Stoff wieder mit dem Urin, mit dem Koth u. s. w. ausgeschieden; doch lässt sich die Zeit nicht bestimmen, während dies
1 Fleisch und Milch von Thieren, welche grosse Gaben des Arseniks erhalten haben, können somit mehr oder weniger vergiftet sein und bei der Benutzung dieser Gegenstände als Nahrungsmittel ein medicinal-polizeilicheslnteresse erhalten. Siehe: Orfila. Toxicologie. — Hertwig, über den Uebergang des Arseniks in den Thier-körpor und über sein Verweilen in demselben. Magaz. f. Thierheilk. Bd. XXII. S. 461.
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geschieht. In einzelnen Fällen zeigten sich bis zum Ende der dritten Woche noch Spuren vom Vorhandensein des Arsens im Körper.
sect;. 533.
Die pathologischen Veränderungen in den durch Arsenik getöd-teten Thieren weichen in einzelneu Erscheinungen oft von einander ab, was, wie es scheint, besonders davon abhängt, ob der Tod schnell durch grosse Gaben, oder laugsam durch kleine Gaben bewirkt worden ist Im erstereu Falle finden sich gewöhnlich im Schlünde, im Magen und Uarmkimal an verschiedenen Stellen Rothung, Entzündung, selbst Anätztmeen und Brand; eben so Extravasate von schwärzlichem Blut und von gelblichen serösen Flüssigkeiten, besonders zwischen den Flauten jener Organe, daher Auflockerung und Verdickung derselben; Ueborfülluug der Organe und Blutgefässe mit schwarzem Blute, zu­weilen schwarze Flecke am Herzen und typhöse Eöthung an ihm und an der Innern Fläche der grossen Pulsadern. — War der Tod mehr langsam bewirkt, so zeigen sich Geschwüre und Verdickuugen an den Häuten des Magens und Darmcanals, besonders in den tieferen Stellen der unteren Wand; bei Wiederkäuern in einzelnen Fällen auch Ver­wachsung des Labmagens mit der Bauchwand und ein durch die letztere gehendes Geschwür in der Gegend des Schaufelknorpels (das perforirende Labmagengeschwür, S. 503), zuweilen auch Wasser­ansammlungen, auch Spuren von Entzündungen, und immer sehr dunkles Blut. -— Alle diese Veränderungen an innern Organen findet man auch nach der äusserlichen Anwendung des Arseniks, und fast immer ist hier nach einem acuten Verlauf die Entzündung des Magens und des Darmkanals weit mehr ausgebildet, als äusserlich an der An­wendungsstelle ; sie ist auch stärker, als sie von derselben Quantität bei innerlicher Anwendung zu sein pflegt. Zuweilen ist auch die galvani­sche Reizbarkeit in den Muskeln erloschen, in den meisten Cadavern besteht sie aber noch fort.
sect;. 534.
Obgleich der Arsenik nach dem Vorstehenden und wie allsremein bekannt, eins der heftigsten Gifte ist, wenn er in zu grossen Gaben oder zu concentrirt u. s. w. unrichtig angewendet wird, — so kann derselbe doch auch bei richtigem Gebrauch ein ganz vortreffliches Heil­mittel sein. Nach vielfältigen Beobachtungen übt er, innerlich in kleinen Gaben angewendet, in speeifischer Weise eine vorragende, toni-sirende und umstimmende Wirkung auf die Gangliennerven und auf die von denselben abhängigen Organe aus, verändert und bessert die Mischung der Säfte und ebenso den ganzen Vegetationsprocess; und örtlich applicirt bewirkt er, je nach der Concentration, im sehr ver­dünntem Zustande speeifische Erregung der Vegetation in der Haut, — im concentrirten Zustande aber Aetzung mit sehr begrenzter Ab­sterbung der betreffenden Gebilde.
Hiernach findet der Arsenik seine innere Anwendung gegen solche Krankheiten, bei denen hauptsächlich die Energie des Vegetations-processes, wegen verminderter Thätigkeit der Ganglien-
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nerven, geschwächt ist, und wo, den Erscheinungen nach, der Appetit und der Durst gering oder oft wechselnd, die Temperatur ver­mindert, die Haut trocken und welk, die Schleimhaut in der Nase und im Maule blass, der Puls weich, und langsam ist, wo ohne andere Ur­sachen das Thier mager und schwach wird und bei der geringsten An­strengung leicht schwitzt, und wo kein Schmerz in den Bauch- und Brusteingeweiden besteht. Also bei Schwäche und Torpor in den Ver­dauungsorganen, bei mangelhafter Säftebereitung, hei Cachexie nach solchen Zuständen, bei chronischen Wassersuchten, bei der Fäule der Schafe und dgl. In manchen Gegenden wird der weisse Arsenik (noch häutiger der Kobalt) von Pferdehändlern u. A. schon lange als ein Mittel, um magere Pferde schnell fett zu machen, empirisch benutzt, und von englischen Thierärzten ist er ebenfalls schon lange gegen gastrische und andere asthenische Zustände als eines der besten toni­schen Mittel gekannt (J. White, Handb. der Pferdearzneikunde, 2r. Th. S. 158.). — Unter solchen Umständen kann er auch gegen Dyskrasien, namentlich gegen Eotz, Wurm, Krebs, Strahlkrebs, War­zen, veraltete Mauke, veraltete Baude und Flechten nützlich sein, -— wie dies Beobachtungen bestätigen. Ich muss jedoch bemerken, dass er bei meinen Versuchen gegen Kotz und Wurm zwar Minderung der Zufälle, aber keine wirkliche Heilung bewirkte. — Gegen chro­nische Druse mit ödematöser Anschwellung des Kopfes verbunden, be­sonders wenn sie bei oder nach schlechtem Futter oder in nassen Jahr­gängen entstanden ist; — eben so bei hartnäckigen oder oft wieder­kehrenden ödematösen Anschwellungen der Füsse u. s. w. hat sich der Arsenik in kleinen Gaben oft sehr wirksam gezeigt. — In neuerer Zeit ist er auch gegen Dämpfigkeit empfohlen; aber gegen welche? — Steiger hat das Mittel auch gegen die Lungenseuche des Rindviehes mit gutem Erfolge angewendet, indem von 6 kranken Rindern 4 Stück geheilt wurden '; es lässt sich jedoch hier nicht gut eine Erklärung über die Heilwirkung des Arseniks machen. — Departements-Thierarzt Hilde brand in Magdeburg sähe von sehr kleinen Gaben weissen Arseniks bei der Blutseuche der Schafe vortreffliche Wirkung; — und ich gab ihn oft bei Kreuzlähmung nach der Staupe der Hunde, eben­falls in sehr kleinen Gaben mit gutem Erfolge; eben so bei der öfters vorgekommenen Federviehseuche, die in einer asthenischeu Blutstasis in den Eingeweiden besteht.
sect;. 535. gt;#9632; Die Gabe muss immer mit Vorsicht nach der Grosse und Con­stitution des Thieres abgemessen, und im Anfange nur gering sein; für Pferde und Rindvieh von 5 —15 Gran, — für Schafe '/jg bis 1 Gran, — für Schweine gegen 1/6 — ^3 Grau, — für Hunde und Katzen 1/201/12 Gran, — Hühner 1/30—^^ Gran, — täglich ein-bis zweimal (Steiger gab bei Rindern nur jeden 8ten Tag die be­zeichnete Gabe). — Wenn hiervon die beabsichtigte Wirkung nicht
1 Oekonom. Neuigkeiten von E. Andre, 1835. Nr. 45. S. 353—358. Es waren aber auch starke Haarseile mit 01. Thcrehinth. und 01. Laitri angewendet worden.
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erfolgt, so kaun diese Gabe nach und nach verstärkt und selbst ver­doppelt werden. Ist es nöthig, das Mittel durch einige Zeit fortzu­setzen, so muss man immer nach seinem zwei- bis dreitägigen Gebrauche durch 1-—2 Tage eine Pause machen, dasselbe aber sogleich aussetzen, wenn grösserc Appetitlosigkeit, Speichelfluss, oder Koliksymptome ent­stehen. — Die Anwendung geschieht in Auflösungen oder am besten in Pillen; aber auch bei Bereitung der letztern muss der Arsenik vor­her vollständig aufgelöst sein, ehe man ihn mit den übrigen Substanzen der Pillenmasse zusammenmengt, weil auf diese Weise die schnelle und gleichmässige allgemeine Wirkung befördert, dagegen die sonst leicht erfolgende zu starke örtliche Einwirkung des unaufgelösten Arseniks auf einzelne Stellen des Verdauungskanals verhütet wird. Es ist jedoch zu beachten (wie oben schon angedeutet), dass der Arsenik sich in blossem Wasser nur schwer und langsam auflöst, und zwar 1 Theil von ihm in 13 Theilen Wassers von der Siedhitze, oder in 22 Theilen von 48 Gr. R., oder in 50 Theilen von 14 Gr. li., und in 66 Theilen von 8 Gr. E. Um die Auflöslichkeit zu vermehren, jjflegt man ihm eine gleiche Menge von kohlensaurem Kali zuzusetzen, wie dies z. B. in der bekannten F o wl e r 'sehen Arsenik-Solution [Sohitio arsenicalis s. Fowleri) der Fall ist. Zur Bereitung derselben nach der Preuss. Pharmacopöe nininit man: weissen jmlverisirten Arsenik und kohlensaures Kali, von jedem 64 Gran, kocht beides mit 8 Unzen destillirten Wassers bis zur vollständigen Auflösung des Arseniks; daraufsetzt man der Auflösung nach dem Erkalten noch 1/o Unze des zusammengesetzten Angelika-Spiritus und so viel destillirtes Wasser hinzu, dass das Ganze 12 Unzen beträgt. In l1/^ Drachme oder 75—80 Tropfen dieser Auflösung ist 1 Gran Arsenik enthalten, — wonach sich die Gabe leicht bestimmen lässt. Man giebt sie mit der 10—12fachen Menge von einer schleimi­gen, oder bittern, oder aromatischen Flüssigkeit, oder man verbindet sie mit ähnlichen Mitteln zu Pillen. — Mineralsäuren, Metallpräparate ('namentlich Eisenoxydul) und Schwefel soll man mit dem Arsenik nicht verbinden, weil diese Substanzen seine Wirksamkeit beschränken; und Salpeter darf man weder mir ihm verbinden noch unmittelbar nach ihm geben, weil dieses Salz seine Wirksamkeit sehr vermeint, so dass leicht Vergiftungszufälle eintreten (Allg. pharmazeut. Zeitschr. von Dr. Artus, 1842. Heft 2).
sect;. 536.
Aeusserlich angewendet hat sich der weisse Arsenik gegen Krebs, gegen bösartige Warzen, gegen Wurmgeschwüre, gegen veraltete, hart­näckige Räude, Flechten und Ungeziefer (Läuse, Räudemilben, Holz­böcke, u. s. w.), ferner: bei Balggeschwülsten, vorzüglich bei verhärte­ten Stollbeulen und bei Brustbeulen, und eben so gegen Ueberbeine, gegen andere Exostoscn und gegen Gallen, als ein sehr kräftiges Heil­mittel gezeigt.
a. Gegen den Krebs, und besonders, wenn derselbe von häutigen Gebilden ausgegangen ist, gilt der Arsenik bis jetzt als eins der wirk­samsten Mittel. Man benutzt ihn hier am gewöhnlichsten ir dem Frere Cosme'schen Pulver {Pulvis arsenicalis Cosmi), dessen Zu-
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sammensetzung nach verschiedenen, jedoch nicht sehr von einander ab­weichenden Vorschriften geschehen kann. Nach der gewöhnlichsten Vorschrift besteht es aus Zinnober 2 Drachmen, Asche von verbrannten alten Schuhsohlen 8 Gran, pulverisirtem Dracheublut 12 Gran, und pulverisirtem weissen Arsenik 4ü Grau, auf das Genaueste zu einem Pulver zusammengemengt (41/2 Gran des Pulvers enthalten 1 G.-an Arsenik); — nach einer andern Vorschrift wird es aus Zinnober 2 Drachmen, Arsenik 12 Gran, Drachenblut 12 Gran, Asche von verbrannten Schuhsohlen und Aetzkalk, von jedem 10 Gran zusam­mengesetzt. In 1 Scrupel des Pulvers sind gegen 5 Gran Arsenik ent­halten. — Dieses Pulver wird entweder in das Geschwür gestreut, oder mit etwas Wasser oder auch mit etwas fettem Oel zu einem Breie ge­macht, mittelst eines Pinsels ganz dünn auf dasselbe gestrichen, hierauf aber mit Werg bedeckt. Die umliegenden gesunden Theile müssen, zum Schütze gegen die Einwirkung des Mittels, mit Pett oder mit einer einfachen Wachssalbe, oder noch besser mit Mehlkleister bestrichen, und die Thiere vom Belecken und Reiben der kranken Stellen abge­halten werden. Es entsteht bald eine Entzündung mit grosser, im Um­fange gewöhnlieh ödematöser Geschwulst, und der Geschwürsfläcbe eine harte, schwarze Borke, welche man völlig unberührt lässt, bis sie von selbst abfallt, — was sehr ungleich, bald mit 8 Tagen, bald auch erst mit 14 und 20 Tagen geschieht, je nachdem das Mittel oberfläch­lich oder tief eingewirkt hat. Erscheint nach dem Abgehen des Schorfes die Geschwürsfläche nicht ganz rein, so muss das Mittel wiederholt werden; doch ist dies selten noting. — In einigen Fällen habe ich von der Anwendung des weissen Arseniks für sich allein, oder von einer Verbindung desselben mit 2 Theilen Kolilenpulver dieselbe Wirkung wie von dem Cosmc'schcu Pulver gesehen. — Gegen den sogenannten Strahlkrebs oder die Feigwarzen des Hufes hat die K. K. Österreich. Militär-Gestüts-Verwaltung ein Specificum, unter dem Namen: Krebs-Tinctur, erkauft, welches man bereitet: aus 4 Gran weissem, fein zerriebenem Arsenik, GO Gran Aetzsteiu und 2 Unzen destillirtem Wasser, zusammen in einem hermetisch verschliessbaren Glase aufge­löst und dann noch 6U Gran fein pulverisirter Aloe hinzugethan. Man befeuchtet damit, nachdem das hohle Horn und die grösste Masse der üppigen Granulation mit dem Messer weggenommen ist, und ferner nach jedesmaliger Peinigung des Geschwürs, dasselbe täglich zwei- bis dreimal. Die Heilung erfolgt in 5—12 Monaten. Das Mittel wirkt im frisch bereiteten Zustande am kräftigsten.
Nach mehreren Beobachtungen geschieht zwar die Aufsaugung des Arseniks in Krebsgeschwüren sehr wenig und deshalb entstehen hierbei selten nachtheilige Folgen, besonders bei völlig ausgewachsenen Pferden und Rindern; dennoch ist es gut, eine grosse Geschwürsfläcbe nicht auf einmal ganz, sondern nur zum Theil mit Arsenikmitteln zu bedecken und dieselben erst dann auf den übrigen Theil zu bringen, wenn an der ersten Stelle die Entzündung vorüber ist. Diese Vorsicht muss besonders bei Thieren von kleinerer Art und bei allen jungen Thiereu beobachtet werden.
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b.nbsp; nbsp;Zur Zerstörung und Umwandlung der Wurmgesclnviire, der callösen Geschwüre bei veralteter Mauke und dgl. ist der weisse Arse­nik und das Cos me'sehe Pulver, auf die angegebene Weise ange­wendet, sehr wirksam. Vitet empfiehlt für diesen Zweck auch eine Salbe aus Arsenik und Aetzkalk zu gleichen Theilen, uud Honig so viel als nötliig ist, bestehend. Der Apotheker Terrat hat ein Mittel, welches nach ibm „Topique Terratquot; genannt wird, als Specificum gegen den Wurm empfohlen. Es ist eine ätzende Salbe uud besteht aus Aetz-Sublimat und Auripigment, von jedem 32 Theile, weissem Arsenik undEuphorbium, von jedem 16 Theile, und Lorbeeröl 132 Th. Sie wird vor der Anwendung gut umgerührt und dünn aufgestrichen. Ihre Wirkung ist viel heftiger als die des Cosme'schen Pulvers. Wohl­feiler, oft eben so wirksam und weniger mit Gefahr verbunden als die Anwendung dieser Mittel ist jedoch das glühende Eisen.
c.nbsp; nbsp;Sehr hartnäckige, stark wuchernde Warzen werden durch die eben genannten Arsenikmittel, oder auch durch eine aus 1 Th. pul-verisirten Arsenik und 3—4 Theilen Fett oder Wachssalbe bestehende Salbe oft schnell und gründlich ausgerottet, wenn man zuerst die gröbste Masse der Warze wegschneidet, den Grund scarificirt und nach dem Ausbluten die Mittel auf ihn bringt. Die Anwendung der letztern darf jedoch nur mit grosser Vorsicht geschehen, und besonders müssen em­pfindliche oder wichtige Organe, die in der Kähe sind, durch Bestrei­chen mit Schleim, mit Mehlbrei und dgl. geschützt, jene Mittel selbst aber nur in sehr dünnen Lagen aufgetragen werden, um ihr Abfliessen zu verhüten. Ich habe deshalb in mehreren Fällen, besonders bei War­zen an den Ohren, in der Nähe der Augen u. s. w. eine Art Paste aus Pulv. Gwn. mimos. 2 Drachmen, Ag. com. q. s. ad consistent. Liniment. und Pulv. Arsen, alhi ^g Drachme, genau zusammengeriebeu, bestehend, dünn aufgestrichen, mit dem besten Erfolge angewendet. Das Mittel wird durch die Wärme des Körpers nicht flüssiger, sondern trocknet bald fest an den Theil an.
d.nbsp; nbsp;Bei veralteter Räude hat der Arsenik oft dann noch Heilung bewirkt, wenn alle übrige Mittel vergebens waren. Er kann hier in der Form des von Viborg (Samml. Bd. 5. S. 359 — und dess. Anleit. zur Erzieh, u. Benutz, des Schweins, S. 120, 122) empfohlenen Arse­nikessigs, — oder in Form einer von Tessier (Ueber d. Schafzucht, S. 149) angegebenen Arsenik-Eisen-Auflösung, — oder auch in Form einer Arsenik-Kali-Auflösung angewendet werden. — Den Arsenik-essig bereitet man aus: Essig 4 Pfd. (Handelsgewicht), Wasser 2 Pfd. und Arsenik 1 Unze, durch Kochen bis zur vollständigen Auflösung des letztern; er enthält in ungefähr 86 Theilen 1 Th. Arsenik und wird leicht resorbirt. — Tessier's Badeflüssigkeit für räudige Schafe und andere Thiere wird bereitet, indem man 3 Theile Arsenik mit 20 Th. Eisenvitriol und 200 Th. Wasser1 in einem Kessel zusammen bis auf % einkochen lässt, dann aber eben so viel Wasser als verdunstet ist
1 Für 100 Schafe sollen nach dieser Vorschrift 3 Pfd. Arsenik, 20 Pfd. grüner Vitriol und 100 Finten öden 200 Pfd. Wasser frononimen werden.
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wieder zugiesst und es dann noch einmal aufkochen lässt. Die Flüs­sigkeit würde 1 Th. Arsen auf 73 Theile des Gewichts enthalten; der­selbe ist aber grösstentheils durch das Eisen gebunden und deshalb wenig wirksam. Hieraus lässt sich erklären, dass Tessier u. A. diose riiissigkeit selbst bei jungen Lämmern und bei hochträchtigen Müttern als ganzes Bad ohne Schaden angewendet haben. Sie ist neben den beiden andern Flüssigkeiten die mildeste und wird sehr wenig resor-birt. Del a fond und Lasaigne haben die Vorschrift zu diesem Mittel dahin abgeändert, dass 2 Kilogramm (4Pfcl.Civ.-Gew.) fein pulverisirter weisser Arsenik, 20 Kilogramm (40 Pfd.) Eisenvitriol, 800 Grammen (circa 252 Unzen) rothes Eisenoxyd und 13 Unzen Enzianwurzel auf das vollständigste zusammengerieben und hiervon 11 Kilogramm und 600 Gramm (reichlich 23 Pfd.) mit 100 Liter (200 Pfd.) Wasser durch 10 Minuten gekocht werden (Matiere medic, et Pharmacie veter. p. 407 und 631. — Magaz. XXII. S. 425). — Als Kali-Arsenik-Auf­lösung kann man die oben angegebene Fowler'sche, oder die weit schwächere Auflösung nach Morton {Veterinary-Pharmacy, S. 41) be­nutzen. Diese besteht aus: arseniger Säure und kohlensaurem Kaii, von jedem 8 Unzen, Wasser 12 Gallonen oder 1920 Unzen, zusammen I/2 Stunde gekocht. Es ist demnach in 241 Gewichtstheilen der Flüs­sigkeit 1 Theil Arsenik. Die Anwendung der einen wie der andern Flüssigkeit geschieht, indem man sie mittelst eines Schwammes auf die vorher von den gröbsten Schorfen befreiten Räudegeschwüre täglich einmal bringt und daselbst eintrocknen lässt. Selten braucht man sie bei einem Thiere mehr als zweimal, und oft weicht die Käude schon nach der ersten Anwendung. Das Belecken der gewaschenen Thiere durch sicli selbst und durch andere muss streng verhindert werden. Ist ein Thier über den ganzen Körper räudig und dabei sehr wund, so darf man nicht die ganze Oberfläche auf einmal, sondern nur einen Theil nach dem andern waschen, so dass man einige Tage braucht, ehe man über den ganzen Körper kommt. Tessier schreibt zwar vor (a.a. 0.), die vorher geschorenen Schafe (denen dabei die Obren und Augen mit den Händen der Gehülfen gut zugehalten werden müssen) in die oben bezeichnete Arsenikauflösung zweimal einzutauchen und sie mit Bürsten über den ganzen Leib tüchtig zu reiben; doch muss man auch hierbei die eben empfohlene Vorsicht beachten; denn es sind Fälle bekannt, in denen arsenikhaltige Waschmittel, wie sie bei der Räude über den ganzen Leib angewendet wurden, den Tod veranlasst haben.
e. Hinsichtlich des Gebrauchs der Arsenikmittel gegen Läuse und gegen anderes Ungeziefer sind die genannten Flüssigkeiten sehr wirk­sam. Wie dem an n lobt ganz besonders einen Arsenikessig, welcher mit dem von Viborg ziemlich übereinstimmt (Magaz. für Thierheilk. Bd. XXII. S. 486). Man muss sie mit einer Bürste auf die vorher von Schmutz befreite Haut bringen und unter Aufsicht eintrocknen lassen, übrigens dieselbe Vorsicht, wie oben angegeben, anwenden.
f. Gegen verschiedene echte und falsche Balggeschwülste, und vorzüglich gegen verhärtete, grosse Stollbeulen (sogenannte Stoll-schwämme), habe ich den Arsenik als ein Spccificum, und selbst da
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von ganz vorzüglicher Wirksamkeit gefunden, wo durch lange Zeit alle andere Mittel fruchtlos waren. Die Anwendung geschieht hierbei so, dass man zuerst mit einem Messer einen Einstich horizontal bis in die Mitte der krankhaften Masse macht, und dann, nachdem die Blutung völlig gestillt und die Wunde gereinigt ist, 20—30 Gran Arsenik in die letztere bis auf den Grund hineinbringt, und hierauf die Oeifnung äusserlich mit Werg verstopft. In etwa 20—24 Stunden wird die Ge­schwulst wärmer, etwas empfindlicher, und dann allmälig viel grosser; es entsteht massige Eiterung, die Masse stirbt im Innern nach und nach ab, und nach 8 —12 Tagen trennt sie sich zuerst im Umfange der ge­machten Oeft'nung (die sich bedeutend vergrösseit) von der Haut, und dann immer mehr von den übrigen gesunden Theilen, so dass sie theils von selbst abfüllt, theils mit den Fingern, oder mit geringer Nachhülfe des Messers an der tiefsten Stelle, leicht weggenommen weiden kann. Die ganze Heilung erfolgt in 4—5 Wochen gründlich, und fast immer können die Pferde während dieser Zeit zur Arbeit benutzt werden. — Gewöhnlich habe ich den Arsenik pulverisirt, zuweilen aber auch in einem ganzen Stückchen angewendet, und unter beiden Umständen die Wirkung fast in ganz gleicher Art und Stärke erfolgen gesehen. Ist die Stollbeule durch die vorausgegangene Behandlung bereits geöffnet und in ein flaches oder hohles Geschwür mit dicken Callositäten um­gewandelt, so ist es zweckmässig, den Arsenik in 2 oder 3 gemachte Einstiche oder Einschnitte zu bringen; und wenn die Höhle oder die Fläche gross, aber die Masse nicht sehr dick ist, so bestreicht man sie am besten mit einer der unter b) und c) vorhin angegebenen Arsenik­salben in einem Tage zwei- bis dreimal, nach Zwischenzeiten von 6 bis 8 Stunden, und wartet dann die Wirkung ab, welche ähnlich wie bei der vorigen Anwendungsart eintritt. — Bei Balggesclnviilsten, die nahe unter der Haut lagen, habe ich auf die letztere eine Salbe aus Ung. Cantharid. 1 Unze und Äcid. arse?iicos. pidv. 1 Drachme zwei- bis drei­mal in Zwischenzeit von 2 Tagen, stets mit dem Erfolge angewendet, dass die Haut und die Beule abstarben und ausfielen. Auch hier müssen gleich vom Anfange an und während der nachfolgenden Eiterung, die zunächst gelegenen Theile gegen die Einwirkung des Arseniks ge­schützt werden.
g. Gegen Ueberbeine, Späth und andere Exostusen, auch gegen Gallen ist der Arsenik schon lange in verschiedenartig zusammenge­setzten Salben (z. B. mit Cautharidensalbe und Euphorbium verbun­den) im Gebrauch gewesen. In neuerer Zeit hat man für diesen Zweck eine einfache Salbe, welche aus Acid, arsenicos. subtdiss. pulv. 1 Scrupel, und Axungiaporc. '/^ Unze besteht, als sehr wirksam gebraucht. Es wird von derselben zuerst täglich einmal, späterhin aber, wenn hiernach Entzündung der Haut eingetreten ist, nur jeden dritten oder vierten Tag in die Haut auf dem Ueberbeine oder der Galle eingerieben, bis daselbst etwas Ausschwitzung entsteht, wo man dann das Mittel ganz weglässt. Es bildet sich nun ein trockener Schorf, mit welchem später auch die Haare abfallen. Dieselben wachsen nicht immer wieder. Wendet man aber die Salbe anhaltend, zu reichlich oder mehr con-
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centrirt au, so entsteht tiefe Zerstörung und es bleiben stets haarlose Narben zurück. Ist die Heilung in etwa 4 Wochen nicht erfolgt, so darf dann erst das Verfahren wiederholt werden. (Arsenic, alb. pidv. 1 Unze 2 Sgr.)
Anmerkung 1. Der sogenannte Fliegenstein oder Scherbenkobalt (Cobaltnm) ist gediegenes Arsenikmetall, welches sieh an der Luft, in Wasser, Essig und in den Flüssigkeiten des Thierkörpers leicht oxydirt und dann ähnliche, aber schwächere Wirksamkeit erhält, wie der weisse Arsenik. Er wird zuweilen von den Pferdehändlern und andern Personen den magern Pferden, pnlverisirt eine Messer­spitze voll jeden zweiten Tag auf das Kutter gegeben, in der Absicht, dieselben bei geringem Futter schnell in einen gut genährten Zustand zu bringen. Die Landleute in manchen Gegenden wenden ihn mit Wasser und Essig gekocht als Waschmittel gegen Räude und Ungeziefer bei allen Jlausthieren an. Er ist entbehrlich und ver­langt dieselbe Vorsicht wie der weisse Arsenik.
Anmerkung 2. Der gelbe Schwefelarsenik, das Rauschgelb, Auri-pigraent, Operment (Aun'pigmtintum, Arscntcum citrtuum nativmn fossile, Arse-nicmn sufyhuratvm), ist eine in der Natur vorkommende Verbindung aus circa 58 bis 61 Theilen Arsenik und 39 — 42 Theilcn Schwefel, und das mildeste Arsenikprä­parat ^ Von Manchen wird 2S sogar für völlig unschädlich gehalten, jedoch mit Unrecht, denn Versuche haben gezeigt, dass Hunde von 1—2 Drachmen des Mittels nach 48 Stunden getödtet wurden (Orfila, Toxicologie, Bd. 1. S. 310). — Vitet (Unterricht, 3. Th. 1. Bd. S. 466) benutzte es mit einigem Erfolge zum Räuchern rotziger und wurmiger Pferde, und Kersting (Nachgelassene Mannscripte, S. 354) und A. haben es als Zusatz zu scharfen und ätzenden Salben (z. 15. 1 — 2 Drachmen zu 1 Drachme der Spanischfliegensalbe) gegen veraltete Stollbeulen, Ueberbeine, Gallen, Piephacken und dgl. angewendet. Wagner empfahl zur sichern Heilung der Flussgallen eine schwächere Salbe, aus Arsenic, snlphnrnt. ^ Drachme und Aximg. porci 1 Unze bestehend. Es soll von derselben nur etwas Weniges auf der erhabensten Stelle der von Haaren entblössten Galle eingerieben werden, und dies den dritten und siebenten Tag wiederholt, bis Ausschwitzung entstanden ist, — sehr ähnlich wie vorhergehend unter /) angegeben ist (siehe Nebel und Vix Zeit­schrift. Pd. 1. S. 18). Bei Pferden von Worth muss man mit dem Gebrauch auch dieser Arseniksalben sehr vorsichtig sein, weil sonst durch Corrodirung der Haut oft haarlose Stellen für immer zurückbleiben. — Das früher zur Heilung der Rotz­krankheit von manchen Thierärzten empfohlene Räuchern mit Operment muss wegen der damit verbundenen Gefahr für Mensehen ganz verworfen werden-. (Bei Dro-guisten 1 Pfd. 17 Sgr.; arsenigsaures Strychnin, siehe Brcchnuss.)
B. Blei, Plumbum, Saturnus.
sect;. 537.
Das metallische Blei übt, wegen seiner sehr geringen Löslichkeit in den thierischen Säften nur eine geringe Wirksamkeit auf den Orga-
1 Das künstlich bereitete Operment ist viel giftiger: es besteht nach Guibourt aus 44 Theilen Arsenik und 6 Theilen Schwefel.
- Ausser der bereits empfohlenen Vorsicht bei der Anwendung des Arseniks ist noch Folgendes zu beachten: Wo Arsenik in irgend welcher Menge vorräthig ge­halten oder aufbewahrt wird, muss er gut verpackt und verschlossen, mit seinem Namen und als Gift bezeieluiet sein und eben so sind arsenikhaltige Medicamente als giftig zu bezeichnen; — die Anwendung des Mittels im concentrirten Zustande oder in grösseren Mengen muss der Thierarzt immer selbst besorgen, oder in seiner Gegenwart besorgen lassen; was von dem Mittel nach dem Gebrauche übrig bleibt, muss man entweder sicher verwahren, oder tief in die Erde vergraben; Peräoncu mit IIertwig. Arzneimittellehre.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;:i3
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nismus aus, aber im oxydirten Zustande und in VßJ-'biDdimg mit Säuren (ausgenommen die Schwefelsäure) wirkt es auf alle Theile in eig-en-tluimlicher Weise adstringirend, die Erregbarkeit in den vegetativen Nerven zuerst etwas exc-itirend, dann aber dieselbe, so wie die Thatig-keit in den motorischen und sensiblen Nerven, und eben so die Abson­derungen vermindernd. In den hohem Graden der Wirkung- entstellt eine bald acute, bald chronische Bleivergiftung, die sich durch heftige und andauernde, mit Kolikschmerzen verbundene Contraction im Darm­kanal, Verkrümmung und Lähmung der Glieder u. s. w. äussert. Diese Zufälle sind jedoch etwas verschieden darnach: ob die Vergiftung lang­sam, durch kleine, oft wiederholte Gaben, oder mehr schnell durch grosso Gaben, durch innerliche oder äusserliche Einwirkung des Bleies geschehen ist; denn von grossen Gaben entstehen mehr heftige lieizun-gen und Contractionen au der Stelle der Einwirkung', oft auch Affection des Nervensystems, dagegen von kleinen, lange wiederholten Quan­titäten mehr allgemeine Zusammenschrumpfung, besonders aber des Darmkanals (die sogenannte Bleikolik) und Lähmung. Die Ernäh­rung leidet immer sehr; die Thiere magern ab und Weibchen werden häufig unfruchtbar. Durch örtliche Einwirkung der Bleioxyde und noch mehr der Bleisalze werden Schleimhäute, Zellgewebe und Fleischwärz­chen verdickt und schwielig. Alle Wirkungen dieses Metalles erfolgen verhältnissmässig am stärksten bei dem Rindvieh und bei Vögeln, bei Schweinen weniger, bei Pferden, Schafen und Ziegen am wenigsten. Die Ursache dieser Verschiedenheit ist nicht bekannt'.
2) Essigsaures Blei, TUimhum aeeiieum, Aceias Flumbi.
sect;. 538.
Das essigsaure Blei ist in zwei verschiedenen Präparaten ge­bräuchlich, nämlich:
u. in flüssiger Form, als Bleiessig, Bleiglätte- oder Silber­glätteessig, basisches essigsaures Blei, Plumbum hydrico-aecti-cuiii solutum, Liquor P/umbi hydrico-acetici, Acetas Plumhi Uquidus, AcetuiH Plumb, s. saturinnum, Liquor acetatis Plumbi basici s. Plumbi acetici basici s. subacela/is, — bereitet aus 3 Th. Bleizucker, 1 Th. ausgeglüheten Bleioxyd und 10 Th. Wasser, enthält 862/3 Proc. Blei­oxyd und l'il!3 Proc. Essigsäure, ist eine klare Flüssigkeit, welche mit völlig- reinem destillirten quot;Wasser in jedem Verhältnisse auch eine ganz klare Auflösung, mit Brunnenwasser aber eine weisse undurch­sichtige Flüssigkeit giebt, indem sich, je nachdem das Wasser kohlen-
verletzten Händen lasse man bei der Anwendung solcher Mittel keine Hilfe leisten. — Bei Arsenikvergiftimg ist Eisenoxydhydrat, in dessen Ermangelung aber viel Eiiveis, Sehleim, Milch oder Blut, oder ein Mehlbrei und bei Schweinen, Hunden und Katzen auf frischer That ein Brechmittel nützlich.
1 In Gegenden, wo Bleiwerke betrieben werden, entsteht häutig bei Thieren eine Bleivergiftung auf der 'Weide und durch das Wasser, indem sich Bleidämpfe auf die Pflanzen ablagern oder das Wasser Bleierz u. s. w. enthält. Siehe J. C. Fuchs, die schädlichen Einflüsse der Bleibergwerke auf die Gesundheit der Haustbiere, ins­besondere des Kindviehes. Berlin 1842.
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saure, salz- oder schwefelsaure Salze entliiilt, kohlensaures, salz- oder schwefelsaures Blei niederschlägt. Dasselbe geschieht auch, wenn der­gleichen Salze, Schwefelsäure oder Gerbsäure zu dem Bleiessig oder zu seiner Auflösung gethan werden.
i. In fester (krystallisirtei) Form, als Bleizucker, essig­saures Bleioxyd, saures essigsaures Bleioxydul {Saccharum Saiürni, Acctas phimbicus crystallisalus, Acetas Plumhi acidulus siccus), aus öS-/-) Proc. Bleioxj-d, 27 Proc. Essigsäure und 141/3 Proc. Wasser. — Beide Präparate unterscheiden sich nur darin von einander, dass der Bleiessig eine grössere Menge Bleioxyd enthält, als der Bleizucker; in der Art ihrer Wirkungen stimmen sie fast ganz überein, aber im Grade der Wirksamkeit, besonders der örtlichen Einwirkung übertrifft der Bleizucker den Bleiessig. — Der Bleizucker löst sich in l'/a bis 2 Theilen Wassers und im Weingeist leicht und vollkommen auf, Schwefelsäure, schwefelsaure und kohlensaure Sfilze, reine und kohlen­saure Alkalien, die Kohlensäure, Kalk, die Schwefellebern und die Gerbsäure zersetzen ihn aber ebenfalls. Mit Eiweis geht er eine Ver­bindung ein, welche in Flüssigkeiten als ein weisser Niederschlag erscheint, der Blei und eine organische Substanz enthält und durch Zu­satz einer kleinen Menge von Essig- oder Salzsäure wieder gelöst wer­den kann. Der Faserstoff verbindet sieh, nach den Versuchen von Mitscherlich1 wahrscheinlich gar nicht mit dem essigsauren Blei, sondern er schwillt in einer Auflösung desselben blos auf, verändert seine Farbe sehr wenig; Essig- und Salzsäure lösen den so veränderten Faserstoff eben so wenig wie früher. — Schleim wird durch eine Blei­zuckerauflösung weiss, undurchsichtig-, in Wasser und in den genann­ten Säuren unlöslich.
In gleicher Art zeigt (nach Mitscherlich) das essigsaure Blei am lebenden Körper seine chemischen Eigenschaften, indem er, je nach der Art und der Menge der organischen Substanzen an den verschiedenen Applicationsstelleu bald lösliche, bald unlösliche Verbindungen macht. In diesem Umstände ist es (wie von den Metallen im Allgemeinen sect;. 528 angedeutet) begründet, dass das essigsaure Blei an verschie­denen Stellen bald nur örtlich einwirkt, bald auch resorbirt wird und Zufälle einer allgemeinen Wirkung erzeugt.
Innerlich angewendet tritt das essigsaure Blei zuerst mit dem Schleim der Maulhöhle, des Magens u. s. w., so wie mit den übrigen abgesonderten Flüssigkeiten und mit den vorhandenen Nahrungsmitteln in Verbindung; wird es aber durch diese Substanzen nicht völlig ge­sättiget, so verbindet es sich mit der Schleimhaut selbst, und zuweilen wirkt es tiefer in dieselbe ein, so dass sie sogar angeätzt wird. Kleine Gaben dieses Mittels einmal, oder in grossen Zwischenzeiten ange-
1nbsp; nbsp;Ueber die Wirkung des essigsauren Bleiozydes auf den thierisclien Organis­mus. Im Archiv für Anatomie etc. von Joh. Müller. Jahrgang 1830. S- 298 u. f.
2nbsp; Hieraus lässt sicii das Entstehen weisser, undurchsichtiger Narben und Flecken auf der durchsichtigen Hornhaut der Augen, welche man nach der Anwendung der itleimittel so oft beobachtet, erklären, und zugleich ein Wink zur Vorsicht beim Ge­brauch dieser Mittel gegen Augenverletzungcn entnehmen.
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wendet verursachen kaum bemerkbare Zufälle; aber bei öfterer Wie­derholung in kurzen Zwischenzeiten können sie doch eine sehr ein­greifende, und selbst tödtliche Wirkung herbeiführen. Mitscherlich sah bei Kaninchen von 8 Gran Bleizucker, in 5 Theilen destillirten Wassers gelöst, täglich einmal und zehn- bis zwölfmal wiederholt ge­gegeben, zuerst nur etwas Durst, verminderten Appetit und seltenere Ausleerungen erfolgen; erst nach der sechsten, siebenten Gabe wurde das Thier matter, legte sich oft auf den Bauch, es traten zuweilen leichte Krämpfe, auch Zähneknirschen ein; Koth und Urin wurden wenig entleert; der Leib war nicht schmerzhaft; die Thierc wurden sehr matt, das Athmen immer langsamer, und zuletzt erfolgte der Tod in einem Anfalle von Opisthotonus.
Tritt der Tod nicht so schnell ein, so sieht man in den meisten Fällen erst Mattigkeit, Abmagerung, Steifigkeit der Gliedmaassen, ver­minderte Thätigkeit im Verdauungskanal, Verminderung der Secre-tionen, und zuletzt bei einem fast ganz gelähmten Zustande des Thieres das Absterben langsam erfolgen.
Wird essigsaures Blei innerlich in einzelnen zu grossen Gaben (z. B. bei Pferden mehr als 1 Pfund, bei Hunden mehr als 3—6 Drach­men auf einmal) gereicht, so entsteht Ekel, Kolik (bei Hunden auch Erbrechen), kleiner, harter, schneller Puls, Blässe der Schleimhäute, zuerst Vermehrung der Ab- und Aussonderungen, dann Verminderung der Kesorption, und eben so Verminderung der Secretionen, Schwäche, Steifigkeit der Glieder, zuweilen Lähmung verschiedener Theile, nament­lich der Sehenerven, Unempfindlichkeit und oft der Tod. Letzterer er­folgte bei einem Hunde, dem l1^ Unze Bleizucker in 3 Unzen Wasser aufgelöst eingegeben und dann der Schlund unterbunden worden, nach 9 Stunden, — bei einem andern von S1^ Drachmen ohne Schlundun-terbindung erst nach 28 Stunden (Orfila, Toxicol. Bd. 1. S. 397). — Ein rotzkrankes Pferd, dem ich 1 Pfd. Bleizucker in 4 Pfd. Wasser ge­löst eingegeben, zeigte die genannten Zufälle nur durch etwa 12 Stun­den, war dann ganz munter und starb erst nach 7 Tagen am Eotz.
Bei Eindvieh sind dagegen die Wirkungen weit heftiger. Prinz1 sah z. B. in folgendem Falle bei Kühen von verhältnissmässig viel kleineren Gaben sehr üble Zufälle und selbst den Tod erfolgen. Zehn Kühe von verschiedenem Alter hatten zusammen in 3 Tagen 1 Pfund Sacchar. saturni, also jedes Bind täglich etwas über 1 Loth, und in 3 Tagen 31/2 Loth bekommen und hiernach Fieber, stieren Blick, Kälte der Ohren und der Gliedmaassen, Trockenheit und Hitze des Flotz-mauls, kleinen, schnellen Puls, pochenden Herzschlag, beschleunigtes Athmen, Zusammenfallen des Bauches, Schleimfluss aus dem Maule und den Nasenlöchern, Verlust des Ajjpetites, Aufhören des Wieder­kauens, seltene Ausleerungen von kleinem, hartem, schwarzgefärbtem, mit Schleim überzogenem Mist, Drängen zur Kothentleerung, heftige Kolikzufälle und grosse Erschöpfung gezeigt. Bei einer Kuh war vor­herrschend ein Gehirnleiden mit Käserei, und bei 4 Stücken, bei denen
1 Magaz, f. Thierheilk. von Gurlt und Hertwig, Bd. 1. S. 281.
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das Leiden des Verdamtugskanals geringer war und wo der Tod nicht erfolgte, hatte sich ein eigenthümlicher, mit vielem Jucken verbun­dener Hautausschlag eingefunden. — Auch Departements - Thierarzt Mecke in Coblenz sah 9 Kühe sterben, von denen jede nur l3^ Loth Bleizucker in Wasser gelöst auf eine Gabe, und in 2 Tagen zwei solcher Gaben erhalten hatte. Eine Kuh starb schon am zweiten, die letzte am vierzehnten Tage. — Zwei Kühe starben sogar nach zusammen 7 LoA Bleizucker, welche sie in 2 Gaben nach Zwischenzeit von 3 Tagen er­halten hatten1.
Bei der Section der durch essigsaures Blei getödteten Thiere findet man, wenn der Tod nach kleinen Gaben erfolgte, die Schleimhaut des Magens und des Dünndarms mit einer Schicht dicken, zähen Schleims bedeckt, hin und wieder weissgrau gefärbt, und in eine trockne, zer-reibliche Masse umgeändert; auch die Muskelhaut erscheint an manchen Stellen weiss. Nach grossen Gaben findet sich die Schleimhaut zu­weilen von ähnlicher Beschaffenheit, in manchen Fällen aber sowohl sie als auch andere Eingeweide mit rotlien, entzündeten, oder mit Blut unterlaufenen Flecken versehen2. An den übrigen Organen sieht man mehreutheils nur Spuren von übermässiger Contraction und Trockenheit.
Acusserlich tritt das essigsaure Blei ebenfalls in Verbindung mit den vorhandenen organischen Flüssigkeiten. Auf wunde Flächen ge­bracht macht es einen weisslichen Leberzug auf denselben. Lebrigens bewirkt es an den unmittelbar berührten Stellen vermehrte Zusammen-ziehung und Verdichtung der Weichgebilde, besonders der Gefässe, Verminderung der Irritabilität und Sensibilität, und eben so Vermin­derung der Temperatur und der Absonderungen. In sehr hohem Grade der Wirkung werden letztere ganz unterdrückt, die Weichgebilde förm­lich zusammengeschrumpft und ihre Masse oft sogar verhärtet, beson­ders wenn Extravasate von faserstoffhaltigen Säften zugegen sind; denn letztere gerinnen durch die Einwirkung des essigsauren Bleies sehr leicht. — Bei sehr reichlicher und anhaltender Anwendung desselben auf grossen wunden Flächen hat man zuweilen eine allgemeine Wir­kung auf den ganzen Organismus, wie von dem innerlichen anhalten­den Gebrauche dieses Mittels entstehen sehen.
Von Injectiouen einer halben Drachme Bleizuckers mit l/2 Lnze destillirten Wassers in die Drosselvene entstand bei mehreren starken Pferden innerhalb 2—4 Minuten schnelleres, beschwerlicheres Athmen, schnellerer Puls, Blässe der Schleimhaut im Maule, Wiehern, Schwäche der Gliedmaassen, Schwindel, Niederstürzen, und mit 5 — 8 Minuten der Tod unter Convulsionen. — 10 Gran auf diese Weise applicirt be­wirkten blos durch einige Stunden Schaudern der Haut, Mattigkeit und
1nbsp; nbsp;Ritter, in den Ännalen der Staatsarzneiknnde von Schneider. 11. Jahrg. 1. Heft, 1846. — Das Fleisch dieser beiden Kühe wurde von Menschen und von Hunden ohne Xachthcil genossen.
2nbsp; nbsp; Mitscherlich sail diese Wirkung nicht, ich ebenfalls niemals, aber Orfila u. A. geben sie au. und Prinz fand sie in den oben erwähnten Fällen an mehreren Rindern.
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etwas vermehrte Pulse mul Atfaemzüge. Bei Hunden erfolgte auf die Injection von 10 Gran Bleizacker der Tod augenblicklicli, ohne Zeichen von Schmerz oder Couvulsionen; Injectionen von 1—5 Gran bewirkten hei verschiedenen Hunden ähnlichequot; Zufälle, #9632;wie von der lange fortge­setzten innerlichen Ainvendung des Bleies und nach 3, 5 — 7 Tagen den Tod (Orfila a. a. O.).
Das essigsaure Blei zeigt, besonders bei der innerlichen Anwen­dung in geringen Gaben und äusserlich in seinen Wirkungen einige Aelmlichkeit mit denen der adstringirenden Pflanzenmittel; es ist aber von diesen sehr wesentlich darin abweichend, dass es nicht wie sie mit der Vermehrung der Contraction zugleich die Irritabilität steigert, son­dern die letztere und eben so die Sensibilität und die Vegetation herab­stimmt und daher die Lebeusthätigkeit in allen ihren liichtungeu ver­mindert.
Innerlich wird das essigsaure Blei nur wenig angewendet, weil man seine nachtheiligen Wirkungen fürchtet. Letztere treten aber bei gehöriger Vorsicht nicht leicht ein. Augezeigt ist es im Allgemeinen bei denjenigen Krankheiten, bei welchen 1) entzündliche oder nervöse Reizung mit Gefässausdehnung oder mit Blutflüssen besteht, und 2) wo ttbermässige Ab- und Aussonderungen die Haupterscheiuungen sind, der Zustand aber in Erschlaffung und Schwäche der Blutgefässe, und eben so in Erschlaffung, Auflockerung und Schwäche der Schleimhaut im Verdauungskanal, in den Respirationsorganen oder in den Harn­werkzeugen begründet ist, und wenn diese Krankheiten mit erhöheter Reizbarkeit und Empfindlichkeit verbunden sind: es muss aber entgegengesetzt überall vermieden werden, wo Trockenheit der Fasern und der Schleimhäute, Verminderung der Wärme und der Ab­sonderungen, grosse Reizlosigkeitlaquo; und Neigung zu Verhärtungen be­steht. — Ich habe es unter den vorher bezeichneten Umständen mit ausgezeichnetem Erfolge gegen Blutflüsso aus den Lungen und aus dem Uterus, gegen das Blutharnen bei allen Thieren, — gegen die Harnruhr (sogen. Lauterstall) bei Pferden und Rindvieh, — gegen schleichende Entzündung des Darmkanals, — gegen heftige und be­sonders gegen blutige, mit Zufällen von schleichender Darmentzündung begleitete Diarrhöe (auch wenn dieselbe durch zu grosse Gaben von Aloe, von schwarzer Nieswurz, von Croton und dgl. scharfen Stoffen entstanden war), gegen asthenische, sehr schmerzhafte Lungenentzün­dungen — gegen verjauchende Luiigenknoten, — gegen hartnäckige Schleimflüsse aus den Respirationsorganen und aus den Geschlechts-theilen, und — gegen den zu heftigen oder zu oft eintretenden Ge­schlechtstrieb augewendet. Viborg empfahl es auch gegen die Finnen der Schweine (?). Auch gegen den Potz ist das essigsaure Blei em­pfohlen; ich versuchte es hier stets ohne Nutzen.
sect;. 540. Zum innerlichen Gebrauche dient fast nur allein der Bleizucker. Man giebt ihn den Pferden zu ' o — 3 Drachmen, dem Rindvieh
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1 Scmpel bis 1 Drachme, Schufen und SchweineB zu 5 —15 Grau, lluuJeii 1 — 6 Gran auf einmal, und nach Zwischenzeiten von 3, 4, 8
bis 12 Stunden wiederholt, je nach der Heftigkeit der Zufälle: z. B. bei heftiger Darmentzündung, wo man Pferden sogar in Zwischenzeiten von einer Stunde 1 Drachme pro Dosi geben kann. Von manchen Thierärzten sind grössore Gaben empfohlen; ich innss hiergegen warnen und Vorsicht empfehlen. — Die Anwendung kann in Latwergen, Pillen oder in Auflösungen (mit 20—25 Theilen Flüssigkeit) oder sehr ver­dünnt selbst im gewöhnlichen Getränk geschehen. Man verbindet den Bleizucker bei den meisten der genannten Krankheiten zweckmässig mit bittern Mitteln; und wenn bei der Harnruhr, bei dem Blutharnen und bei Ulceration der Lungen u. s. w. heftige Schmerzen bestehen, habe ich die Verbindung mit Bilsenkraut sehr hilfreich gefunden; bei dem rein atonischen Blutharnen und dgl. Harnruhr war dagegen die Verbindung des Bleizuckers mit dem Kampher sehr wirksam, — und bei Diarrhöe, bei Lungenentzündungen und bei Bluthusten hat sich in vielen Fällen der Bleizucker mit Opium versetzt als nützlich bewährt. — Säuren, adstringirencie Mittel, Alkalien, fast alle Neutral- und Me­tallsalze und die Seifen zersetzen den Bleizucker und dürfen daher nicht mit ihm verbunden werden, wenn man nicht etwa die Wirkung der neu entstehenden Verbindungen beabsichtiget, wie dies z. B. zu­weilen der Fall ist bei dem Gebrauch des Bleizuckers in Verbindung mit Gerbstoff', namentlich mit einer Abkochung der Eichenrinde, in welcher das essigsaure Blei ein tonisches aber sehr wenig reizendes Präparat liefert.
sect;. 541.
Aeusserlich ist das essigsaure Blei ein häufig gebrauchtes und sehr wirksames, reizmilderndes, entzündungswidriges, zusammenziehendes und austrocknendes Heilmittel, welches im Allgemeinen da seine An­zeigen findet: wo örtlich die Eeizbarkeit, die Empfindlich­keit und die Wärmeentwickelung zu sehr vermehrt ist, wo dabei die Blutgefässe und die Fasern ausgedehnt und ge­schwächt, die Absonderungen zu reichlich sind, und wo ein wuchernder Bildungsproce ss besteht. — Es dient daher:
a. bei schmerzhaften Entzündungen, welche durch mechanische Einwirkungen entstanden sind (z. B. bei Quetschungen und Quetsch­wunden, bei dem Durchliegen und Durchscheuern, bei Sattel- und Ge­schirrdrücken, Verbällungen, Verrenkungen und Knochenbriichen). — Das Blei zeigt sich bei diesen Entzündungen um so wirksamer, je mehr sie einen oberflächlichen Sitz haben; es ist auch in der ersten Zeit, ehe sie den höchsten Grad erreichen, und dann wieder im Stadium der Ab­nahme am meisten nützlich. — Dagegen ist das Mittel in der Regel schädlich: bei heftigen, hyperstheuischen Entzündungen, bei schon ein­getretener Eiterung oder bei deutlicher Neigung dazu, — bei soge­nannten metastatischen Entzündungen, bei asthenischen Entzündungen in Drüsen, und überall, wo aus Mangel an gehöriger arterieller Thätig-keit eine Neigung zu Verhärtungen besteht, und auch bei katarrha­lischen, rheumatischen, typhösen und Anthraxentzündungen. Eben so
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ist es fast immer schädlich bei Augenentzündungen, die mit Verdunke­lungen oder mit Wunden und Geschwüren der Hornhaut verbunden sind; indem hier, meinen vielen Beobachtungen zufolge, bei dem Ge­brauch der Bleimittel sehr oft die Verdunkelungen unauflöslich werden und die Wunden und Geschwüre weisse, undurchsichtige Narben zu­rücklassen (siehe Anmerk. S. 515).
h. Gegen Verbrennungen leistet das essigsaure Blei fast bei jedem Grade und in jeder Periode derselben gute Dienste, am meisten aber wenn die Entzündung in jauchende übergeht, und wenn die verbrann­ten Theile sich ablösen. Sind die Brandflächen sehr gross, so ist bei der Anwendung der Bleimittel, wegen der hier lebhafteren Resorption und hiernach eintretenden allgemeinen Wirkung, Bleikolik u. s. w. stets eine grosse Aufmerksamkeit auf das Befinden der Thiere uöthig.
c.nbsp; nbsp;Bei Geschwüren ist das essigsaure Blei ein vortreffliches Mittel, wenn sie lockere, schwammichte Granulation besitzen, viel jauchen, juckenden Schmerz erregen, übrigens aber im Grunde rein und zur Heilung geneigt sind. Unter entgegengesetzten Umständen, und da, wo die Geschwüre mit Callositäten verbunden, oder wo sie in Folge eines allgemeinen Krankheitszustandes (besonders als Krisis oder als Metastasis) entstanden, und wo sie veraltet, dem Körper zur Gewohn­heit geworden sind, ist das Blei fast immer schädlich.
d.nbsp; nbsp;Bei Hautausschlägen ist das Blei wirksam, besonders wenn sie viel nässen und stark jucken, wie z. B. bei den sogenannten Hitzblat­tern und bei dem Schweif- und Mähnengrinde der Pferde und dgl.; — da es aber zu schnell die Absonderungen unterdrückt, so darf es immer nur mit Vorsicht gebraucht werden, namentlich bei kritisch und meta­statisch entstandenen Ausschlägen, bei veralteter und sehr ausgebrei­teter Bände und bei dergleichen Flechten.
e.nbsp; nbsp;Bei starken und anhaltenden Schleimflüssen, bei zu starker Eiterung und bei andern zu reichlichen Absonderungen ist das Blei ebenfalls von ausgezeichneterquot; Wirksamkeit, verlangt aber auch be: der Anwendung die Berücksichtigung der Dauer des Uebels und der etwa vorhandenen, unter c) und d) angedeuteten pathologischen Ver­hältnisse.
sect;• 542.
Man benutzt zum äusserlicben Gebrauche den Bleiessig und den Bleizucker auf mehrfache Weise, und zwar:
ct. in Auflösungen mit Wasser (als sogenanntes Bleiwasser, Aqua plumbica s. satumina): sie werden am besten mit destillirtem oder mit Flusswasser, lind, nach dem Orte der Anwendung und dem Grade des Uebels, in verschiedener Concentration bereitet: z. B. bei Augenentzündungen aus 5—12 Gran Bleiessig oder 1—2 Gran Blei­zucker mit 1 Unze Wasser, — bei Schleimflüssen, bei Verbrennungen, Geschwüren, Hautausschlägen und dgl. mit Verletzung der Haut ver­bundenen Krankheiten, aus 8—16 Gran Bleiessig oder 2—4 Gran Bleizucker auf 1 Unze Wasser, — und zur Anwendung auf die unver­letzte Oberhaut. kann diese Auflösung von doppelter Stärke sein. —
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Das in der Preuss. Phamracopöe vorgeschriebene Bleiwasser besteht aus 1/.2 Unze Bleiessig und 2 Pfund destillirtem Wasser. Wenn bei Entzündungen, Quetschungen u. s. w. Neigung zu einem torpiden Character oder zu Verhärtungen eintritt, so nimmt man statt des blössen Wassers weit besser ein Infusum von gelind aromatischen Pflanzen, z. B. von Flieder- oder von Kamillenblumen, oder man setzt dem einfachen Blehvasser etwas Weingeist (auf 20—24 Theile 2 Theilc) zu. Die letztere Zusammensetzung bildet das sogenannte „Goulard-sehe Bleiwasser, Aqua Goulardi s. vegeto-mineralis Goulardiquot;. — Bei chronischen, mit heftigem Schmerz und mit reichlicher Schleim-absonderung begleiteten Augenentzündungen hat sich die Verbindung des Bleiwassers mit Opiumtinctur (20—30 Tropfen der letztern auf 1 Unze des ersten), so wie bei schmerzhaften acuten Augeuentzündun-gen die Verbindung des essigsauren Bleies mit schleimigen Mitteln, besonders mit Quittenschleim sehr heilsam gezeigt, obgleich die letztere Zusammensetzung in chemischer Hinsicht nicht ganz passend erseheint (sect;. 85).
b) In Linimenten and Salben. In dieser Form wendet man gewöhnlich nur den Bleiessig an, und zwar bei schmerzhaften Entzün­dungen der Haut, oder wo letztere theilweis zerstört ist, wie bei An-ätzungen, Verbrennungen, Sattel- und Geschirrdrücken und dgl. — Die einfachste Zusammensetzung besteht aus 1 Theil Bleiessig und 4—8 Theilen Fett oder eines fetten Oels, z. B. Baumöl, Mohn- oder Rüböl; mehr gebräuchlich ist aber das sogenannte Bleicerat oder die Bleisalbe {Ceratum Satimti, Unguenium Plumhi s. satuminum), die aus weissem Wachs 8 Theilen, Schweineschmalz 28 Theilen und Bleiessig 3 Theilen bereitet wird. — Bei alten Geschwüren, die heftig schmerzen, viel jauchen und oft an den geheilten Stelleu wieder auf­brechen, ohne dass Caries oder fremde Körper dies verursachen, hat sich eine Salbe aus 1 Theil Bleizucker mit 16 Theilen Grünspan-Sauerhonig, täglich einmal angewendet, in vielen Fällen sehr nützlich gezeigt. {Plumbum acetic, crud. 1 Unze 1 Sgr., ili, Pfund 4 Sgr. 6 Pf.; Plumbum acetic, depurat. 1 Unze 1 Sgr. 1U Pf.; Aqua plumhi 1 Unze 3 Pf.; üng. Plumbi 1 Unze 3 Sgr. 6 Pf.)
Anmerkung 1. Das sogenannte Bleiextraet {Extractum Saturn!) ist ein durch Abdampfen mehr dickiiiissig und concentrirt gewordener Bleiessig, der in halb so starken Gaben wie der gewöhnliche Bleiessig benutzt werden kann, jetzt aber gewöhnlich durch den letztern ersetzt wird.
Anmerkung 2. Die B leig lä tte , Silberglätte, Goldglätte (Oxydum phnnhievm senufvsum, Litharyyrmn, l'lujnhum oxydatum xuh/uscinn. Deutoxydum Plumbi), aus fast 93 Theilen Blei und 7 Theilen Sauerstoff bestehend , in Säuren, aber nicht im Wasser auflöslich, wirkt ähnlich, aber schwächer, wie das essigsaure Blei1. Sie wird innerlich gar nicht und Äusserlich mir von wenigen Thierärzten als ein zusam­menziehendes, austrocknendes Mittel bei Gallen, Quetschungen, Sehnenklapp, Aus­dehnungen und dgl. örtlichen Leiden benutzt. Die Anwendung geschieht am zweck-mässigsten in Verbindung mit. Fett oder mit Honig als Salbe, oder mit Kssig zum
1 Grognier sähe von 4 Drachmen bei einem Hunde alle Symptome der soge­nannten Bleikolik, und nach einer stärkern Gabe den Tod erfolgen. Gohier, Mem. et observat. Tom. I. p. 410.
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iliinnon Brei gemacht. Am moisten dient sie zur Bereitung des essigsauren Bleies, durch welches sie auch völlig zu ersetzen ist'. (I Unze 1 Sgr. 8 Pfg.)
Anmerkung 3. Das Bleiweiss. kohlensaures lilei, kohlensaures lileioxyd (Cerussa, Plumbum earhomcwn, Suboarhonas Plumbi, Osi/duvt Plmnhi album), aus circa 85 Theilen lileioxyd und 15 Thcilen Kohlensäure gebildet, wirkt ebenfalls dem essigsauren Bleie ähnlich, aber schwächer, und dient nur äusserlich als austrocknendes Mittel bei Geschwüren, bei nässenden Exeoriationeu, bei Wunden, die im Vernarben begriftcu sind, und zuweilen auch bei Verbren­nungen , — wo jedoch der Bleiessig vorzüglicher ist. Man wendet es theils als Pulver zum Einstreuen (z. B. bei Geschwüren im Sussem Gehörgange der Hunde), theils als Salbe an. In ersterer Form wird es mehrentheils mit dem Pulver von Kohle, Mehl, von Kamillenblumen, Eichenrinde und dgl. in einem dem Krankheits­zustande entsprechenden Verhältnisse versetzt, und eben so wird es in der Salben­form bald mit mehr, bald mit weniger Fett verbunden. Nach der Preuss. Phanha-copöe besteht die einfache B I ei wei sssal be (^ H^laquo;C'^quot;wi Cerussae s. Ung, alhum simpleraquo;), jetzt aus 2 Theilen Schweineschmalz und 1 Theil fein zerriebenem Blei-weiss, durch Reiben zusammengemengt (trüber aus 2 Theilen Bleiweiss, eben so viel Schweinefett, und 1 Theil Hammeltalg), und wenn zu 1 Pfund dieser Salbe Vo Unze Kampher gesetzt wird, so stellt sie die k ampherhal tige B loiweisssalbe {L'nij. Ccntssae camphoratum 5. l'ny. (tlh. camphoratum) (0) dar. Die letztere begün­stiget weniger die Neigung zu Verhärtungen als die erstere. (Ccrussa 1 Unze 2 Sgr.: Ong, Cerussae 1 Unze 2 Sgr. 4 Pfg.)
C. Braunstein, Maugan, Mangancsium.
'S) Graubrauustelnerz, BraunsteinQberoxyd, Miuxjnnuni oxydaium nativilm, Mangamm
liyijcruj'yflattiht, Oxydum Mangani niyrum, Oxydian JHaijovesiae nigrttm naiienni, Supcroxydum manganicum.
Das Braunsteinttberoxyd bestellt aus 36,G4 Proc. Sauerstoft' und 63,36 Proc. Mangan, welche locker mit einander verbunden sind, so dass ersterer bei der Einwirkung der Glüliliitzc und der stärkern Säu­ren zum Theil entweicht, und daher bei der Wirkung des Mittels ge-#9632;sviss von grossei Bedeutune; ist. Eben so bei der Chlorbilduiiquot;'. In Wasser und in Weingeist ist es unlöslich, bildet aber mit ersterem zwei Hydrate. In Säuren kann es sich auflösen, wenn es die Hälfte seines Sauerstoffes abgiebt. Es wirkt innerlich und äusserlich im All­gemeinen als ein reizendes, umänderndes und zugleich stärkendes, tonisches Mittel, jedoch mit besonderer Richtung auf die Verdauungs­und Assimilationsorgane, auf die Lymphdrüsen, Lymphgefässe und die Haut. Durch seine innerliche Anwendung bei Thieren, die an Träg­heit im Vegetationsprocesse leiden, wird der Appetit vermehrt, die
1 Die Bleiglättc dient auch zur Bereitung einer schwarzen Farbe, die zum Fär­ben widriger Abzeichen sehr gut benutzt werden kann. Man nimmt hierzu fein pul-verisirto Bleiglätte 1 Pfund, Aetzkalk Va Pfund (pond, elv.), mengt beide Substanzen mit Wasser zum Brei und setzt diesem i Unzen Stärkemehl und 2 Unzen fein pul-verisirte Holzkohle zu. Die Masse wird getrocknet und pulverisirt. Beim Gebrauche rührt man einen Theil des Pulvers mit Wasser zur Consistenz eines dünnen Lini­ments zusammen , und streicht dies reichlich auf und zwischen die Haare, nachdem dieselben vorher durch Waschen mit Kleienwasser von Fett möglichst befreiet sind. Ueber die Stelle bindet man ein Tuch. Nach dem Trocknen (5 — G Stunden) wird die Masse wieder abgerieben.
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Verdauung gebessert, der abgesetzte Kotli fester und dunkler, die Schleimhaut im Maule und in der Xase, so wie die Bindehaut der Augen lebhafter gerütbet, und die Se- und Excrctionen geben regelmässiger von statten. — In Geschwüren wird die abgesonderte Jauche der Qua­lität nach gebessert, der Quantität nach vermindert, die Granulation lebhafter und reiner, und die Vernarbung erfolgt schneller.
Das Braunsteinüberoxyd ist von Pessina und llysz innerlich gegen bösartige Umso, gegen den durch Ansteckung entstandenen Kotz und gegen den llautwurm mit dem besten Erfolge angewendet worden, und Rysz will auch bei einein Pferde die Anlage (?) zum .Koller durch den länger fortgesetzten Gebrauch dieses Mittels gänzlich gehoben haben1. Bei veralteter Druse, bei dergleichen Räude und bei dem Wurm sah ich ebenfalls gute quot;Wirkung von ihm. — Die Gabe ist für Pferde Vlaquo; —1 Unze, für Hunde '/o—2 Drachmen, täglicii zwei-bis dreimal, und in Verbindung mit bittern und aromatischen Mitteln. — Bei dem Kindvieh, den Schafen und Schweinen ist die Wirksamkeit und die passende Gabe vom Braunstein noch nicht ermittelt.
Aeusserlich bat zuerst Grille und Morelot, und später auch Kysz (a. a. 0.) das Braunsteinüberoxyd gegen die Räude der Pferde, der Schafe und Hunde mit gutem Erfolge angewendet, und der Letz­tere lobt es als das wirksamste Mittel gegen die trockene, sehr ver­altete Mauke, gegen trockene Fussflechten bei allen Tbieren, gegen das Teigmaul der Kälber und Lämmer und gegen den Maul- und Ohrengrind, der sich oft über den ganzen Kopf verbreitet, die Tbiere am Fressen hindert, und beim Weidevieh nach anhaltendem Regen und nach nassen Herbst- und Winterweiden (?) entsteht.
Die Anwendung bei diesen Hautkrankheiten geschieht in Salben, welche man aus 2 bis 3 Tbeilen recht fein pnlverisirten Braunsteins mit acht Theilen Schweinefett bereiten und auf die kranken Stellen täglich, oder jeden i'ten Tag einmal gelind einreiben lässt. — Bei grossen, schlaffen Geschwürllächen kann das Mittel auch als Pulver eingestreut werden.
Wegen seiner grossen Wohlfeilheit und seiner nicht geringen Wirk­samkeit Verdient der Braunstein in der Tbierarzneikunde häutiger an­gewendet zu werden als bisher. Seine Benutzung zur Erzeugung des Chlors und der Chlorräucherungon ist S. 387 angegeben. — Die von ihm gebildeten Präparate, namentlich das schwefelsaure und das salz- (chlor-) saure Braunsteinoxydul sind nicht gebräuchlich. (1 Unze 10 Pf.)
D. Chrom.
4) Chromsaures Kali, Kalichromicum (quot;).
jsect;. 544.
Das einfache und das doppelt-chromsaure Kali sind bisher in der Thicrheilkunde fast unbekannt geblieben. Beides sind reizende, im
1 Evsz. Arzneimittellehre, S. 38.
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concentriften Zustande iitzende und giftige Substanzen, namcutlich das doppelt chromsaure Kali, welches hinsichtlich der Heftigkeit seiner Wirkung zwischen Arsenik und Aetzsublimat gestellt wird. •— Inner­lich benutzt man diese Mittel nicht; äusserlich hat Schmidt das ein­fache chromsaure Kali gegen Gallon, Ueberbeine, Schale, Sehnenfehler, Widerrüstschäden und dgl. empfohlen, in Salben: 1 Theil zu 8 bis 16 Theilen Fett oder Merkarialsalbe. In dem Verhaltniss von 1 Theil zu 8 Theilen Fett wirkt die Salbe wie eine scharfe Cantharidensalbe; dieselbe soll wohlfeiler sein als die letztere, muss aber noch weiter ge­prüft werden. (Hering, Repcrtorium, 1853, S. 285.)
E. Eisen, Ferrum, Mais.
sect;. 545.
Das Eisen vermittelt seine Wirkungen im Thierkörper auf die­selbe Weise, wie die Metalle überhaupt (sect;. 529.), indem es an den Stellen, mit denen es in Berührung kommt, chemische Verbindungen mit den organischen Stoffen (ausgenommen das Horngewebe) eingeht, die bald mehr bald weniger löslich sind, und die hiernach auch mehr oder weniger die Kesorption des Mittels begünstigen. Das metallische Eisen wird z. B. im Magen unter Zersetzung des Wassers durch die freie Säure des Magensaftes in milchsaures Eisenoxydul umgeändert, und dieses verbindet sich weiter mit derselben Säure zu einem Oxydul­salze. Auch das eingegebene Eisenoxydul wird im Magen durch Ver­bindung mit der Milchsäure des Magensaftes zu einem milchsauren Eisenoxydulsalze, und dieses, so wie alle andere Eisenoxydulsalze wer­den (nach C. G. Mitscherlich) im Magen und Darmkanal in Eisen-oxydsalzö umgeändert. Eben so verbindet sich das Eisenoxyd im Maaren mit der hier vorhandenen freien Milchsäure zu milchsaurern Eisenoxyd, und dieses geht, wie jedes andere Eisenoxydsalz, mit den protei'nhaltigen Bestandtheilen des Magensaftes Verbindungen ein, welche bei einem Ueberschuss von Säure sich wieder auflösen und sich dann zur Aufsaugung- eignen. Ist die Quantität eines Eisensalzes grosser, als dass sich dasselbe mit dem Mageninhalt sättigen könnte, so verbindet es sich mit den Bestandtheilen der Häute des Magens und Darmkanals, und bewirkt dadurch Anätzung der Schleimhaut. Das so umgewandelte Eisen geht in das Blut (in welchem es ein natürlicher Bestandtheil ist) über, und wird aus demselben durch die Nieren zum Theil wieder ausgeschieden. Seine Wirkungen im Allgemeinen charac-terisiren sich dadurch, dass alle Eisenmittel in massiger Gabe die Con­traction an der Stelle der Einwirkung und im ganzen Körper vermeh­ren, die Verdauung und die Assimilation bessern und die Blutmischung so umändern, dass das Blut eine mehr hervortretende plastische und arterielle Beschaffenheit erhält. Der mit den Futterstoffen im Magen und Darmkanal in Verbindung getretene Theil des angewendeten Eisens giebt dem Koth, namentlich bei Pflanzenfressern, eine schwarze Farbe, welche wahrscheinlich durch Verbindung des Metalls mit Gallus-
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säure entsteht und darauf hindeutet, dass auch auf diesem Wege ein Theil desselben wieder aus dem Körper entfernt wird.
Zu grosse Gaben der Eisentnittel und zu lange Fortsetzung der­selben erzeugen örtlich im Magen und Darmkanal heftige Reizung bis zur Entzündung, starke Zusammenschrumpfung und Verdichtung der betroffenen Gebilde, Congestioneu und zu grosse Plasticität der Säfte.
Diese ganz im Allgemeinen angedeuteten Wirkungen finden sich bei den sämmtlichen Eisenpräparaten, obwohl nicht in gleichem Grade. Es sind hier folgende fünf Abtheilungen zu unterscheiden ':
1.nbsp; nbsp;Metallisches Eisen, die Oxyde des Eisens und diejenigen Salze desselben, welche eine schwächere Säure enthalten, wirken vorzüglich durch Beförderung der Verdauung und Umänderung des Blutes; sie vermehren nur im geringen Grade die Contraction.
2.nbsp; nbsp;Die Eisensalze mit stärkeren Säuren, besonders das schwefel­saure Eisenoxydul, wirken am stärksten contrahirend.
3.nbsp; nbsp;Auflösungen der Eisensalze in alkoholischen oder ätherischen Flüssigkeiten haben die Wirkung dieser Eisenpräparate, erregen aber zugleich flüchtig nach Art des Alkohols und des Aethers.
4.nbsp; nbsp;Die Wirkung der Dojipelsalze, welche aus einem Eisensalze und aus Salmiak oder weinsteinsaurem Kali bestehen, ist zusammen­gesetzt aus der Wirkung des Eisens und dieser Salze; — und
5.nbsp; nbsp;die Verbindungen des Eisens mit Schwefel wirken wie Eisen­oxyd, wie Schwefel- und Hydrothionsäure.
Von den ausserordentlich zahlreichen Eisenmitteln sind thierärzt-lich nur folgende bemerkeuswerth.
5) Elsenfeile, pulyerislrtes niplallisches Eisen, Limatura Martis praeparaia, Ferrum 2gt;urum limutum, Fcmtm jnilvcratnm, Alcohol Martis (0).
sect;. 546.
Das Eisen im metallischen Zustande besitzt keine bemerkbare Arzneikraft; es wird aber durch die Einwirkung der Luft, des Wassers, der Säuren und durch Hitze sehr leicht in verschiedenem Grade oxy-dirt, und dadurch zu einem sehr wirksamen Arzneimittel. Dies ge­schieht auch bei der Anwendung des gefeilten oder pulverisirten Eisens auf den Thierkörpcr, da in dem letztern, und namentlich in den sauren Säften des Magens und Darmkanals, die Erfordernisse zur Oxydation reichlich vorhanden sind. Dass die letztere wirklich Statt findet, ergiebt sich aussei- den Wirkungen, die das Mittel auf den ganzen Organismus äussert, hauptsächlich aus der schwarzen Färbung, welche der Koth annimmt, wenn die Eisenfeile durch einige Zeit innerlich angewendet worden ist. Wahrscheinlich ist aber diese Färbung nicht allein von der Oxydation des Eisens, sondern eben so viel von der Verbindung des­selben mit Gerbesäure abhängig, die in den Nahrungsmitteln im Darm­kanal oft enthalten ist; denn die Färbung entsteht bei den Pflanzen-
1 Mitseherlich, Liehrbuch der Arzneimittellehre, 1. Bd. 2. Abth. S. 306 und Zeitung des Vereins für Heilkunde in Prcua^en. 1846. Nr. 21.
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friessern stets viel eher und stärker als bei den Fleischfressern. Die Wirkungen von massigen Gaben dieses Mittels zeigen sich niemals sogleich, sondern erst nach längerem Gebrauche desselben, und geben sich (vorzüglich bei Thieren, die an Atonic leiden) durch lebhaftere liüthung der sichtbaren Schleimhäute (bei Schafen auch durch lebhaf­tere Röthung der Haut), durch höhere Temperatur des ganzen Körpers, durch muntern Blick, grössere Energie in allen Verrichtungen, beson­ders durch kräftigeren, volleren Puls, durch hellere Eötlmng und grössere Gerinnbarkeit des aus der Ader gelassenen Blutes', durch gut verdauten aber härteren und (wie bereits angegeben) sclnvarz gefärb­ten Darmkoth, und durch Verminderung oder gänzliche Beseitigung aller unregelmässigen, zu reichlichen Absonderungen zu erkennen. — Bei vollblütigen, sehr reizbaren, zu Entzündungen neigenden, oder mit Entzünduupskrankheiten behafteten Thieren entstehen von dem Eisen leicht Congestionen, Verstopfung des Leibes, Verschlimmerung aller Krankheitszufälle, — und bei sehr geschwächten Verdauungseinge-weiden grosse Belästigung in denselben.
sect;• 5-17.
Diesen Wirkungen zufolge ist das Eisen ein eigentbümlich toni­sches und erregendes Mittel, durch welches die Contractilität und die Irritabilität, vorzüglich aber die arterielle Thätigkeit, sowohl der Energie, als der Bewegung nach, vermehrt wird, und welches daher bei solchen Krankheitszuständen passend ist, die wesentlich in arterieller Atonic begründet sind, wo der Puls zu klein, weich, häutig aber regelmässig, die Schleimhäute und die Haut blass gefärbt, die Wärme, die Kraft der Muskeln gering, die Ab- und Aussonderungen frei oder zu reichlich sind. #9632;— Demnach ist es bei Dummkoller, wenn er nicht in zu hohem Grade besteht und wenn die Thiere noch gute Fresslust zeigen, — bei Verschleimung und Würmern, unter denselben Umständen, — bei veralteter, oder aus Schwäche und Erschlaffung immer wiederkehrender Druse, — bei der­gleichen Hautkrankheiten, — bei und nach chronischen Wassersuchten, die aus Schwäche des Gefässsystems entstanden sind oder durch diese Ursache fortbestehen, — daher auch bei und nach der Fäule der Wie­derkäuer und bei öfters wiederkehrenden wässerigen Anschwellungen der Füsse und unter dem Leibe, — bei grosser Schwäche nach über-standenen Krankheiten, oder bei Zuchthengsten und Zuchtböcken nach grosser Erschöpfung durch zu vieles Begatten, und bei anderen ähn­lichen Krankheiten mit Nutzen zu gebrauchen.
1 Das Eisen findet sich im Ulute fast aller Thiere und scheint ein notlnvendiger liestandtheil desselben zu sein. Nach den Versuchen von Gmelin und Tiedc-mann u. A. {.'eht es auch von aussen her durch Absorption in das Blut über, ist aber nicht, wie man früher annahm, die alleinige und unmittelbare Ursache der rother Farbe desselben: besonders ist die beim Gebrauche des Eisens entstehende hellerlaquo; Köthung dos IJlutes gewiss nur die Folge der im Gefässsystemc überhaupt vermehr­ten Artcrielliliit.
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5igt;7
sect;. 548.
Die Gabe von der Eisenfeile ist für Pferde uiul Kindvieh 2 Drach­men bis 1J2 Unze, für Schafe und Sclnveine 15—20 Gran, und für Hunde 5 — 30 Gran, täglich ein- bis zweimal. Die Anwendung- ge­schieht in Latwergen und Pillen, in Verbindung- mit bittern und aroma­tischen Mitteln, mit ätherischem Ocl, Kampher, mit Sclrwefel, Öpiess-g-Ianz, Kochsalz, Glaubersalz (in kleinen Gaben), aber nicht Arsenik oder mit Quecksilberpräparaten, weil dieselben in ihrer Wirkung- denen des Eisens ganz entgegenstehen. Durch die Verbindung- mit adstrin-gireuden Mitteln wird die Wirksamkeit des Eisens zwar etwas gemin­dert, aber keineswegs ganz aufgehoben. (In Drog-uerien 1 Pfd. S1/., Sgr.)
Anmerkung. 1) Das Eisenoxydul, sclnvavze Eisenoxyd, oder dcr Eisenmohr (Fernem oxydvXatum nigrwn, Aetkiops martialis) (?) ist in seinen Wir­kungen der Eisent'eile fast ganz gleich zu stellen. Es mächt den grössten Tlieil des Hamm er schlag es aus, und letzterer kann daher, wenn er frei von fremd-artigen Bestandtheilen und fein pulverisirt ist, ganz wie die Eisenfeile und wohl­feiler als diese benutzt werden. (Drogueriepreis 1 Pfd. 2 Sgr.) — 2) Das braune Eisenoxyd, Eisenoxydhydrat, kohlensaures Eisenoxyd, eröffnen­der Eisensafrän {Ferrmn hydrienm. Ji'crrnm oxydiitum fvscnm , Oxydvm ferrieum fum Aqua, Ferntm cwbonicum, Ch'ocus Martis apeHtiws, Oxycbtm ferroso-ferrieum). Es ist in den Apotheken auch in flüssiger Form vorbanden als Fcrrum hydrienm in Arjua, oAev Liqitor .Fcrri oxydati hydniti. In der Menschenheilkunde ist dieses Prä­parat viel benutzt. Es wirkt schwach adstringirei.d und übrigens im Wesentlichen wie das metallische Eisen. Bert hold und Bansen' haben es in neuerer Zeit als das wirksamste Gegengift gegen Arsenik empfohlen, indem sie von der Idee aus­gingen , dass sich das Mittel mit dem Gift im Magen zu arsenigsaurem Eisenoxyd, welches in Wasser ganz unlöslich und somit auch unwirksam ist, verbindet. Die von Lassaigno, von Boul ey, von Specz, von mir selbst u. A. angestellten Versuche haben diese Wirkung bestätiget, wenn das Mittel früh genug und in erforderlicher Menge angewendet wurde. Die Gabe muss zehn- bis zwanzigfach stärker sein als die Quantität des Arseniks. Das Mittel an sich ist auch in grossen Gaben nicht nachtheilig, und mau kann Pferden und Kindern sehr gut 2 — 3 Unzen, Hunden 1 2 Drachme bis 1 Unze auf einmal geben. Die Anwendung geschieht in recht warmem Wässer (12 —15 Theile zu 1 Theil des Mittels), und nach l/j Stunde wie­derholt. (Das trockene Präparat 1 Drachme 2 Sgr. 4 Pfg.; das flüssige 1 Unze 4 Sgr.) — 3) Das essigsaure Eisenoxyd (Fcrr. acetic, solution, s. F. hydrico-aceticum in Aqua, Liquor ferri acetici) ist nach Dut'Ios (Bnchner's Repertor. 1839) als Gegengift bei Arsenikvergiftungen Aem Ferr. hydriewn vorzuziehen, besonders wenn man nicht weiss, mit welchem Präparat die Vergiftung geschehen ist. Denn das Ferrum liydricnm wirkt blos bei freier Arsen- oder bei arseuiger Säure, aber nicht wenn die Fowl er'sehe Solution angewendet war. Man gebraucht das Präpa­rat am besten in Form des Liquors, den man bereitet aus 1 Theil Eisenoxydhydrat mit 3 Theilen Essigsäure und 12 —15 Tbeilcn Wasser. Je mehr verdünnt ange­wendet, um desto besser wirkt das Mittel. (1 Unze 6 Sgr. 8 Pfg.) — Das rothe Eisenoxyd (Ferr. omjdut. rulrum s. Oxyd/am ferricum); das äpfelsaure Eisen-extract (Extract. Ferri pomatum); das phosphorsaure Eisenoxydul und Eisenoxyd (Ferrum p/iosphoricim oxydattm et oxydulatum); das bläusaure Eisen, EiscncyanUrey anid, Berli n erblau (Ferrum hydroeyanicum s. boras-siciun) und das J o d e i s o n , E i s e nj o d ü r, h y d r i o d s a u r e s E i s e n o x y d u 1 (Ferr. iodatum s. /ij/droiodicum oxydulatum) erscheinen in ihren Wirkungen ähnlich mild wie das reine Eisen, sind jedoch nicht genügend in der Tbicrheilkunde geprüft und bisher nur wenig gebraucht worden. Bei Versuchen können äbnliche Gaben wie von
1 Eisenoxydhydrat, das Gegengift des weissen Arseniks. Von E. Wr. Bunsen und A. A. Berthold. 2. Aufl. Götting. 1S3T.
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dem reinen Eisen benutzt werden. Von dem Jodeiseu schreibt Morton für Pferde bei chronischem Nasenanstiuss 1 — 2 Drachmen vor. (1 Drachme 1 Sgr.) — 4) Das sogenannte Lösehwasser, welches von Vielen für ein sehr wirksames, stärkendes und gelind zusammenziehendes Mittel gehalten, und' innerlieh gegen Durchfall, Harnruhr u. a. mit iihernuissiger Ab - und Aussonderung verbundene Krankheiten, ausjcrlich aber gegen Piephacken, Ausdehnung der Sehnen und d'gl. Fehler em­pfohlen ist, soll ebenfalls Eisen im oxydulirten Zustande enthalten; nach unsern wiederholten und genauen Untersuchungen mit den besten Reagentien, fand sich jedoch in dem recht gut bereiteten Löschwasser nicht die geringste Spur von Eisen, und man muss daher die bei seinem Gebrauch wahrgenommenen Wirkungen dem blossen Wasser zuschreiben.
6) Schwefeleiseii, Stahlscbwefel, Fermm sulphuratum, Sulphur chabjbeaium {0).
sect;. 549.
Verbindungen des Eisens mit dem Schwefel in verschiedenen Ver­hältnissen kommen in der Natur vor; das als Arzneimittel gebräuch­liche Schwefeleiseu wird aber gewöhnlieh durch Zusammenschmelzen der beiden Mineralien gebildet, und enthält gegen 63,77 Theile Eisen und 37,-23 Theile Schwefel.
Die Wirkungen dieses Mittels sind grösstentheils dieselben, welche von dem gefeilten Eisen (sect;. 540) entstehen, zum Theil aber stimmen sie auch mit denen des Schwefels überein. In wie weit das Schwefel­wasserstoffgas (sect;. 478. Anmerk.), welches bei der innerlichen Anwen­dung des Stahlschwefels, durch die Einwirkung des sauren Magensaftes auf ihn, sich jederzeit entwickelt, Abweichungen von diesen Wirkungen bedingt, — ist noch nicht gehörig erforscht. — Von der Eisenfeile scheint sich der Stahlschwefel in der Wirksamkeit vorzüglich dadurch zu unterscheiden, dass er selbst bei grosser Schwäche der Verdauungs­eingeweide ziemlich gut ertragen wird, — dass seine Wirkungen schneller eintreten, und dass sie mehr auf die Verstärkung der Thätig-keit in den ab- und aussondernden Organen, und auch auf die der Lymphgefässe mehr gerichtet sind, als die der Eisenfeile.
Hieraus ergeben sich die Anzeigen zur Anwendung des Stahl­schwefels, welche übrigens mit denen, die für die Eisenfeile aufgestellt worden sind, in der Hauptsache übereinstimmen. Der erstere ist jedoch, seinen eben angedeuteten Eigenthümlichkeiten zufolge, bei gastrischen Krankheiten mit grosser Schwäche und mit vieler Säure im Magen, bei veralteten Hautkrankheiten, bei dergleichen Druse, bei Wasser­süchten und bei der Fäule zweckmässiger als die Eisenfeile. Pessina gab ihn mit Nutzen bei Faul- und Nerventiebern, bei Durchfällen und bei Würmern, — Waldinger auch bei dem Hautwurm. Die C4abc ist für die grossen Thiere 1—2 Drachmen, für Schafe 1—2 Scrupel, für Hunde 2—12 Gran, täglich zweimal. Die Anwendung geschieht in Pillen oder Latwergen, mit bittern und aromatischen Mitteln, mit Terpenthinöl, auch mit Kampher versetzt; Säuren, saure Salze, adstrin-girende und Bleimittel vertragen sieh mit ihm nicht. (Drogueriepreis: 1 Pfd. 4 Sgr.)
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7) Schwefelsaures Eisenoxvdul, Eisenvitriol, grüner Vitriol, Kupferwasser, Ferrum
sulphurieum oxydulaium s. o-ystallinutKin. Su/p/ins vxyduli Ferri, Sulphas ferrosus
sum Aqua. Vittiolum Mariis s. V. viride.
sect;. 550.
Dieses Eiseusulz besteht aus circa 25 Theilen Eisen, 29 Theilen Schwefelsäure und 46 Theilen Wasser, ist sehr leicht auflöslich (in 3/4 heissen und in 2 Theilen kalten Wassers, aber nicht in Wein­geist), und seiner Wohlfeilheit und Wirksamkeit wegen ist es unter den sämmtlichen Eisenpräparaten das gebräuchlichste. Die Pbarma-copöe schreibt zum medicinischen Gebrauch einen gereinigten Eisen­vitriol vor.
Bei Pferden und Kindvieh verursacht der Eisenvitriol in Gaben von 2 Drachmen bis 1 Unze keine sogleich bemerkbaren Verände­rungen; bei fortgesetzter Anwendung des Mittels treten aber die in sect;. 546 bezeichneten Erscheinungen der Wirkung früher und stärker ein, als von allen übrigen Eisenmitteln: besonders erfolgt die Sehwarz-färbung der Excremcnte und eine Beschränkung der Absonderungen sehr bald. —#9632; In grössern Gaben soll das Mittel laxiiend wirken; allein Elormann (in Viborg's Samml. Bd. 3. S. 182) sah bei einem 2jäh-rigen Füllen nach dem Eingeben von 1 Unze desselben blos schnelle­ren Puls und schnelleres Athmen, Schauder, Haar.sträuben, Abneiaruns: gegen Eutter und Getränk, Mattigkeit, schwache Kolikzufälle und 2nialigen Abgang eines harten Mistes innerhalb 12 Stunden erfolgen. Nach ] 4 Stunden waren diese Wirkungen vorüber und das Thier frass mit Appetit. — Viborg (Veter. Selskab. Skrift. Bd. 1.) gab einem 20jährigen Pferde 4 Unzen Eisenvitriol in Wasser aufgelöst, ohne die geringsten Zufalle darnach zu bemerken. Diese Gabe wurde bei dem­selben Pferde nach ö Tagen wiederholt, ebenfalls ohne dass besondere Zufälle darnach eintraten. Es wurde daher nach 6 Stunden getödtet, und man fand die Zottenhaut des Magens röther und dicker, den Darm­kanal erweitert und an seiner ganzen inwendigen Eläche roth. — Von 6 Unzen in Wasser gelöst einem 18jährigen Pferde eingegeben, be­merkte man nach 10 Minuten sehr kleineu Puls, Erbrechen1, Ausfluss einer grünen, schleimigen, mit Futter gemengten Feuchtigkeit aus den Nasenlöchern; das Thier stand mit hängendem Kopfe, schien sehr schwach zu sein, und sah sich von Zeit zu Zeit nach dem Leibe um. Nach 6 Stunden urinirte es häufig und entleerte Mist von unveränder­ter Beschaffenheit; es hustete trocken und heftig; Appetit zu Futter und Getränk war völlig verschwunden. — Am folarenden Tage bestan-
1 Es ist wahrscheinlich, dass dieses Erbrechen nur durch das Eindringen der Flüssigkeit in den Kehlkopf entständen und nur scheinbar war: icli bemerkte das­selbe bei sechs solchen Versuchen niemals, und Gohier (Mem. et Observ. Tom. I. p. 427), dor den Eisenvitriol einem Pferde zu B'/j Unze, einem Esel zu fi Unzen, und einem dreimonatlichen Füllen zu 3 Unzen gegeben, bemerkte es ebenfalls nicht; auch sah Gohier kein vermehrtes Uriniren , wohl aber eine heftige Darmentzün­dung entstehen, an welcher alle drei Thiere am folgenden Tage starben. IlF-UTWir.. Arznoimittellehre.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;;U
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den fast ganz dieselben Zufälle; — am Stcn, 4ton und oten minderten sie sich; Appetit stellte sich wieder ein; das Pferd mistete hart und schwarz; — am (iten befand es sich in demselben Zustande wie vor dem Versuche. — Bei Hunden entsteht nach zu grossen Gaben (von mehr als ^ Drachme) des Eisenvitriols Erbrechen, und wenn dieses gehindert ist, auch zuweilen eine geringe Entzündung des Magens und Darmkanals. Orfila sah von 2 Drachmen dieses Mittels bei einem Hunde nach etwa 26 Stunden den Tod erfolgen (Toxicologie, Bd. 1. S. 408).
Eine Auflösung von 23 Gran Eisenvitriol in 96 Grau Wasser, einem alten matten Pferde in die Drosselvene gespritzt, verursachte nur eine ganz unbedeutende Vermehrung der Pulse (um 2 in jeder Minute). — Eine Auflösung von 72 Gran Eisenvitriol in 288 Grau (gegen 14'^ Scrupel) quot;Wasser demselben Pferde in die Drosselvene injicirt, verursachte nach 15 Minuten sehr kleinen und um 4 Schläge vermehrten Puls. Das Tliier wurde etwas träge, behielt aber seineu Appetit und athmete vie vorher: der Urin ging unverändert, der*Mist klein geballt, hart und mit Schleim überzogen ab. So auch am folgen­den Tage, wo sich jedoch Nachmittags das Pferd wie vor dem Versuche zeigte. — Bei einem andern Pferde trat die Wirkung von einer glei­chen Injection auf ähnliche Weise ein, und zugleich Gähnen, öfteres Kopfschütteln, starkes Ziehen mit den Flanken, Abneigung gegen Futter und Getränk, und Stampfen mit den Eüssen. jSJach '/a Stunde wurde das Pferd ruhig; nach 3 4 Stunden wurde schwärzlicher, barter, mit Schleim überzogener Mist entleert, und nach 3 Stunden war die Wirkung wieder vorüber1. — Von l1/^ Drachme des Mittels in 4 Un­zen destillirten Wassers gelöst und injicirt sah icb bei einem Pferde sogleich schnelleres Athmen, Taumeln und Niederstürzen erfolgen; aber auch dies Thier erholte sich binnen 4 Stunden gänzlich wieder.
Bei Hunden trat wenige Minuten nach der Einspritzung von 8 bis 10 Gran Eisenvitriol Erbrechen und Aeusserung von heftigem Schmerz ein. Nach kurzer Zeit wurden die Thiere aber wieder gesund.
Aeusserlich, durch Wunden auf das Zellgewebe am Schenkel, in der Gabe von 2 Drachmen applicirt, tödtete der Eisenvitriol bei den Versuchen von Smith und Orfila mehrere Hunde in der Zeit von 15—27 Stunden, nachdem Zufälle von örtlicher und allgemeiner Ent­zündung im hohen Grade eingetreten waren. — Bei der Section fan­den sich Blutergiessungen und schwarze Flecke im Magen und im Darmkanal (Orfila a. a. 0.).
sect;. 551.
Die angeführten Versuche zeigen, dass der Eisenvitriol schneller und heftiger wirkt, als die Eisenfeile und als der Stahlschwefel, und dass er in der tonischen und in der reizenden Wirkung fast alle andern Eisenmittel übertrifft. Ausserdem scheint er gegen manche Krankbei-
1 Viborg, Erfahrungen über die innere Wirkung des Eisenvitriols bei ungern llausthiereu; in Teuffels Mag. für Thlerheilk. Bd. 1. S. 170.
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ten specifischo Wirkungen zu besitzen, welche deshalb von Eade-m ach er u.A. als „Eisenkrankheitenquot; und „Eisenüyskrasienquot; genannt worden sind. — Seine innerliche Anwendung findet der Eisenvitriol bei allen im sect;. 547 bezeichneten krankhaften Zuständen, besonders aber dann, wenn dieselben auf einem hohen Grade von torpider Atonic beruhen. Er hat sich in solchen Fällen gegen Auflösung des Blutes, gegen Schärfen, Faulfieberbrand, Milzbrand, hartnäckigen Durchfall, gegen Blutharnen, Harnruhr, Eingeweidewürmer, gegen langwierige, heftige Schleimflüsse und alle andere übermässige Aus­leerungen, gegen Faulfieber, gegen öfters wiederkehrendes Aufblähen, bei allgemeiner Schwäche nach vorausgegangenen Krankheiten, und sowohl als Heilmittel, wie auch als Präservativmittel gegen die Fäule der Schafe und nach König (in Kyritz) gegen die Lungenseuche (Mag. 1850. S. 296) sehr nützlich gezeigt. Sutte hat auch bei dem Dampf, und Seer in der ganz ersten Periode der Drehkrankheit der Schafe guten Erfolg von ihm gesehen.
Aeusserlich kann der Eisenvitriol als zusammenziehendes, aus­trocknendes Mittel gegen Piephacken, Gallen und Ausdehnungen der Bänder nach Verrenkungen, — eben so gegen stark nässende Haut­ausschläge, gegen zu starke Eiterung und lockere Granulation in Wun­den und Geschwüren, namentlich gegen das Klanenweh der Schafe, Strahlkrebs und dgl., — gegen asthenische Augenentzündungen, gegen Schleimfliisse und dgl. angewendet werden, — jedoch auch hier nur dann, wenn Atonie den Grundcharacter dieser krankhaften Zustände bildet. Ehemals wurde es auch als blutstillendes Mittel benutzt, für welchen Zweck es aber nur bei parenehymatösen Blutungen mit Er­folg gebraucht werden kann.
sect;. 552.
Man giebt den Eisenvitriol innerlich Pferden und Rindvieh zu 2 Drachmen bis 1 Unze, Schafen und Schweinen zu 5—20 Gran, und Hunden zu 1—6 Gran, täglich zwei- bis dreimal, mit Zusätzen von bittein, aromatischen,,flüchtigen und narkotischen Mitteln (besonders bei Durchfällen mit Opium), in Latwergen, Pillen und Auflösungen. — Verbindungen mit gerbstotfhaltigen Mitteln sind zwar in chemischer Hinsicht noch weniger passend als bei den übrigen Eisenpräparaten, sie sind aber doch recht wirksam, wie dies die Dintc beweiset, die man als ein kräftiges tonisches Hausmittel benutzen kann.
Bei der Lungenseuche des Kindviehes hat Dr. Th. König in neuerer Zeit Gaben von 2—4 Unzen bis Durchfall entstand, mit bestem Erfolg angewendet und als Prophylacticum 1 Unze täglich einmal in Auflösung gegeben1.
Zum äusserlichen Gebrauche benutzt man den Eisenvitriol mei­stens in Auflösungen, die man nach dein Grade der Schlaffheit in ver-
1 Für diese Krankheit muss stets das Mittel im Grossen aus Fabriken oder Droguerie-Handlungen j;ckauft werden, weil es lange und viel gebraucht wird. In einem Stalle mit 83 Sttk-k Rindvieh sind z. 15. binnen 3 Monaten 5 Centner ver­wendet worden.
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schiedenei Concentration', und nach dem Grade der Reizlosigkeit bald in blosscm Wasser, bald in aromatischen Infusionen und mit Zusatz von Spiritus (Wein) und dgl. macht. Zur Anwendung auf die Augen nimmt man o—8 Gran, für die Schleimhaut 6—10 Grau, für die Haut und zur Blutstillung 10—30 Gran auf 1 Unze Flüssigkeit. Die An­wendung geschieht als Waschimg, Bähung, Einspritzung u. s. w. — Zuweilen wird das Mittel aber auch als Pulver, mit Kamillen, Kalmus, Kohle und dgl. versetzt, zum Einstreuen bei Geschwüren benutzt. — Hofthierarzt Seifert in Wien empfahl als Specilicuin gegen Strahl-fiiule der Pferde und gegen das Klauenweh der Schafe ein Gemenge von Ferrum sulphuric. 12 Unzen, Ferrum muriatic, oxydul. 8 Unzen, Cupr. sulphuric. 2 Unzen, Alumoi ustum 24 Unzen und Camphor, ras. 1/2 Unze, Alles fein pulverisirt und auf das Genaueste zusammengerie­ben, in einem gut verschlossenen Glase aufbewahrt (das Mittel ist den sogenannten Heilsteinen ahnlich). Zum Gebrauch wird 1 Unze in 1 Pfund Wasser aufgelöst, und mit der Flüssigkeit das Geschwür tag­lich zwei- bis dreimal befeuchtet oder mit angefeuchtetem Werg ver­bunden, nachdem verlier alles lose Horn mit dem Messer weggenommen ist. Das Mittel bewirkt ein schnelles Trockenwerden der Geschwüre. Ausserdem hat sich der Eisenvitriol in coneentrirtcr Auflösung-zur Desinfection bei Contagien und bei faulenden stinkenden Substanzen wirksam gezeigt. (Ferr. sulphuric, crud. 1 Unze 4 Pfg.; '/o Pfd. 1 Sgr. 6 Pfg.; grob pulver. 1 Unze 8 Pfg.; 1U Pfd. 3 Sgr. — in Droguericn 1 Ctr. 2 Thlr. 10 Sgr.)nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; ,
Anmerkung. Das Salzsäure Eisenoxydul, E iseneh lo rür (Ferrum vntriattcum oxydnlatum, Murias Fcrri. cum aqua, Cltlorctnm Ferri; der Eisonsal-miak, das salzsaure Eiseuüxyd-Ammoniak (Aitimouinm mnrlaticwuferratum s. martiatum); das ei s enoxydh altige weinst einsaure Kali, der Eisen­weinstein (Kali tartaricum /erratum, Tartarus martintus) und die fast ganz gleich­artigen E is cnw einst einkuge 1 n oder Stahlkugeln {Globuli martialcs, s. mn.r-tiatij s. Glob. Tartari ferrati, Ferroicali tartaricmn) sind sämintlieh in ihren Wirkungen hei den verschiedenen Hausthieren noch nicht genügend erkannt. Sie wirken schwa­cher adstringirend als der Eisenvitriol, im Allgemeinen aher diesem Mittel iihnlich, durch welches sie auch mehrentheils in der thierärztlichen Praxis ersetzt werden. Krause gab die Stahlkugeln hei einem Pferde gegen quot;Würmer mit sehr gutem Er­folg (Magaz. für Thierheilk. von Gurlt und Hertwig. 1Ö39, S. 208).
F. Kupfer, Cuprum, Ve?uts. sect;. 553.
Das Kupfer im metallischen Zustande wirkt auf den Thierkörper wenig ein, weil es sich, wegen seiner geringen Verwandtschaft zum Sauerstoff, nur langsam und unvollständig durch die thierischeu Säfte so verändert, dass es auflöslich wird; doch geschieht dies zuweilen, wenn die Säfte viel freie Säure enthalten. — Die Wirkungen der Kupferpräparate characterisiren sich etwas weniger tihereinstimmend als die der Blei- und Eiscumittel, und es lässt sich im Allgemeinen von ihnen nur sagen: a) dass sie adstringiren, aber nicht wie das Eisen zugleich den Tonus und die Arteriellität erhöhen; b) dass sie den Ver-dauungs- und Ernährungsprocess umstimmen, theils durch örtliche
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Einwirkung, thcils durch Umstimmimg der Gangliennerven, zu. denen sie eine speeifische Beziehung haben und — c) dass sie, concentrirt und in zu grossen Gaben als ätzende und als lähmende Gifte wirken. Morton giebt an {A Manual of Pharmacy etc. p. 144), dass die Thiere, welche das in der Nachbarschaft von Kuptersehmelzluitten wachsende Gras fressen, mancherlei üblen Zufällen unterworfen sind, wie nament­lich: dem grauen Staar, Anschwellungen der Gelenke, Verlust des Appetits, Eingenommenheit des Kopfes, Abmagerung u. s. w. Man schreibt diese Zufälle den Wirkungen des Kupferrauchs (welcher zu­weilen arsenikhaltig ist) zu.
8) Schwefelsaures Kupferoxyd, blauer, eyprlscher oder Kiipfervltrlol, Cuprum oxyehtum
sulphuriciitn, Vitriolum cot-rulcutn, Vitr, cyprium, V. de Cypro, V* venerts, Sulphas
cuprieus cum Afjuu purus,
sect;. 554.
Der blaue Vitriol besteht aus 32 Theilen Kupfer, eben so viel Schwefelsäure und 36 Theilen Wasser, löst sich in '2 Theilen heissen und in 4 Theilen kalten Wassers, aber nicht in Weingeist auf. Mit Eiweis bildet er, wenn dasselbe überflüssig vorhanden ist, eine auflös­liche Verbindung; ist aber nur eine geringe Menge Eiweis vorhanden, so bildet er eine im Wasser unlösliche Verbindung, welche jedoch durch Essig- oder Salzsäure, so wie auch durch etwas Aetzammoniak, Kali und Natron wieder löslich werden kann. Mit dem Speichelstoff, dein Käsestoff (der Milch), dem Osmazom, dem Verdauungsstoff, dem Schleim, geht er theils lösliche Verbindungen allein, theils zugleich unlösliche Verbindungen ein; mit dem reinen Faserstoff verbindet er sich aber gar nicht (Mitscherlich, in Müller's Archiv, 1837. S. 91
u- f-K...
Seine V irkungen sind, sehr wahrscheinlich durch die im Vor­stehenden bezeichneten chemischen Eigenschaften bedingt, nach dem Orte der Anwendung, wie auch nach der Gabe und nach der Concen­tration, in welcher er augewendet wird, etwas verschieden. In Pulver oder als recht concentrirte Auflösung auf offene Wunden und Ge­schwüre, oder auf irgend einen Theil der Schleimhaut gebracht, ver­ursacht er starke Heizung, Aetzung und active Entzündung, unter und neben der geätzten Stelle aber Zusammenschrumpfung und Verdich­tung der Weichgebilde; ein Theil von ihm wird dabei absorbirt, ge­langt in die Säfte und verursacht, wenn die Applicationsstelle gross und die Anwendung reichlich oder anhaltend war, zuweilen Entzün­dung des Magens und Darmkanals, Appetitlosigkeit, Ekel, Erbrechen, Fieber, Mattigkeit, Diarrhöe und bei kleineren Thieren selbst in kur­zier Zeit den Tod. Hunde starben auf diese Weise von 10 Gran in 5—8 Tagen, von 30 Gran in 3 Tagen, und von 1 Unze in 25 Stun­den (Gerlach, Toxicol. S. 888). Bei Pferden und Kindern sind so gefährliche Wirkungen nicht bekannt. Nach Moiroud1 leidet aber
1 Recneil de mii. v^terin. 1S29. Oct.
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534 gt;nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;------------------------v
gewöEnlich auch die Urinabsonderung. — Die ätzende Wirkung des Kupfervitriols ist grosser ;xls die des Grünspans, aber schwächer als die des Höllensteins, der Spiessglanzbutter, des Aetzkalis u. s. w.; auch ist sie mehrentheils nur oberflächlich. — Bei der Anwendung auf die unverletzte Haut zeigt der blaue Vitriol jene Wirkungen nur in einem geringen Grade; — und in Auflösungen mit der 30—öOfachen Menge Wassers wirkt er überall nur stark zusammenziehend, gelind reizend, vorzüglich aber die Secretionen beschränkend, daher in Wun­den und Geschwüren austrocknend; hier vorhandene thierische Säfte bringt er zum Gerinnen, und er bildet mit ihnen eine massig feste, blaue Kruste.
Innerlich in massigen Gaben und in verdünnter Auflösung an­gewendet, wirkt er bei allen Thieren zunächst örtlich auf die innere Oberfläche des Magens und des Darmkanals, indem er sich mit dem daselbst vorhandenen Schleim, so wie mit dem übrigen Inhalt dieser Theile chemisch verbindet und so mit der Schleimhaut selbst in Be­rührung tritt; er reizt und zieht die Gewebe stärker zusammen, be­schleunigt die peristaltische Bewegung, vermindert aber die Absonde­rung im Darmkanal etwas. Wahrscheinlich wird auch die Thätia-keit der übrigen Verdauungs- und Assimilationsorgane, und namentlich der Lvmphgefässe umgestimmt und vermehrt. Fast allgemein 'behauptet man auch, dass das Mittel (und eben so jedes andere Kupferpräparat) eine specilische Wirkung auf das Nervensystem äussere; und bei Sehwei­nen, Hunden, Katzen und Federvieh äussert sich diese Wirkung durch bald entstehendes heftiges Erbrechen, aber bei gesunden Pferden und Wiederkäuern konnte ich nach verschiedenen Gaben und bei fortge­setzter Anwendung hiervon nichts entdecken, wohl aber bei solchen, welche an chronischer Entzündung ttnd Auflockerung der Eespira-tinnsschleimhaut, Husten oder Schleimfluss, oder auch an Krämpfen litten. — Zu grosse Gaben (bei Pferden und Rindern mehr als l1'^ Unze, bei Schafen und Schweinen mehr als 1 Drachme, bei Hun­den mehr als '^ Drachme) verursachen, aussei- dem Erbrechen, Ver­minderung des Appetits, g'estörte Verdauung, zuweilen auch Diarrhöe, Entzündung im Magen und Darmkanal, und mehrentheils den Tod. Tritt bei Schweinen und Hunden das Erbrechen recht bald ein, so erholen sich die Thierc zuweilen nach so grossen Gaben noch; erfolgt es aber spät oder ist es gänzlich gehindert, so können auch 8—12 Grar schon tödtlich sein. — Auch bei innerlicher Anwendung des Mittels wird ein bald grösserer, bald kleinerer Theil desselben resorbirt, je nach den mit den organischen Substanzen entstehenden Verbindungen, und es werden hierdurch die bemerkten allgemeinen Wirkungen haupt­sächlich bedingt.
Ausscrordentlich heftig und giftig wirkt der Kupfervitriol, #9632;wenn er in die Venen injicirt wird; 20 Gran in 2 Drachmen Wasser gelöst tödteten hier ein Pferd, und '/j—2 Gran jeden Hund unter heftigen Krämpfen binnen wenigen Minuten. Es werden hierbei die Blutkör­perchen in ihrer Grosse, Form und Beschaffenheit verändert.
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sect;. UDO.
Die innerliche Anwendung- des Kupfervitriols ist empfohleu: gegen Dummkoiler, Sclnvindel und Krämpfe, gegen typhöse Darm­entzündung (nach Gerlach, Magaz. f. Thierheilk. Bd. XII, S. 418); gegen Kolik mit erhiiheter Reizbarkeit des Darmkanals und schlechter Verdauung, gegen hartnäckige Diarrhöe, Blutharnen bei Pferden und Bindvieh, chronische Entzündung und Verdickung der Ivespirations-schleimhant, Blennqrrhöen, bösartige Druse, Eotz und Wurm bei Pferden. — Bei demjenigen Blutharnen, welches in sehr weit ge­diehener torpider Atonie begründet war und wo das Eisen zu ge­ringe Wirksamkeit zeigte, war sein Nutzen auffallend sichtbar. Eben so bei der chronischen Druse, welche wesentlich auf Erschlaffung der Respirätionsschleimhaut, mit andauernder, sehr reichlicher Schleimäb-sonderung berubt. Gegen den Eotz hat Sewel den Kupfervitriol als das wirksamste Mittel gerühmt, nachdem derselbe von andern engli­schen Thierärzteu J edoch schon früher versucht worden war (J. Wh i t e, Handbuch der Pferdearzneik. Bd. 2. S. 474); Versmann (über die Eotz- und Wurmkrankheit des Pferdes, Hannover 1843); ich habe bei einer grossen Zahl mit diesem Mittel behandelter rotziger Pferde je­doch nur sehr wenige retten können.
Für Schweine, Hunde und Katzen kann der Kupfervitriol als ein sehr wirksames Brechmittel benutzt werden, in allen Fällen wo ein solches Mittel überhaupt augezeigt ist.
sect;. 556. Die Gabe ist für Pferde 1ji Drachme bis '/ä Enze, für Kühe Vj—quot;2 Drachmen, für Schafe und Ziegen 10—20 Gran, täglich einmal bis dreimal, — für Schweine als Brechmittel 10—20 Gran, in andern Fällen 2—5 Gran; für Hunde als Brechmittel 2—10 Gran, sonst J/o—2 Gran. — Die Anwendung als Brechmittel geschieht in einer Auflösimg mit der oOfachen Menge Wassers, für andere Zwecke aber in Pillen und Latwergen, oder am besten namentlich bei der typhösen Darmcutzündung in einer schleimigen Flüssigkeit, z. B. m Leiusamen-abkochnng, und je nach dem Krankheitszustande mit bittern aromati­schen und andern Mitteln verbunden. Immer zuerst in etwas warmen Wasser gelöst. Versmann gab den Vitriol mit Aloe (Ep. Cupr. sul­phuric. 6 Drachmen, Aloes socotrin, 2 Drachmen, Sapon. virid. q. s. ad pilul.)] Stephan gab ihn mit Calomel {Cupr. sulphuric. 6 Drachmen, Hydrarg. mur. mit. 1 Drachme, Pulv. rad. AHhaeae 3 Unzen, Aq. c. q. s. ad elc.ctuar. In 1 Tage auf 2—3 Gaben zu verbrauchen). In frischen Füllen von Eotz und Warm soll ein lltägiger Gebrauch oft genügen. Man thut stets gut, mit kleinen Gaben anzufangen, nach einigen Tagen einmal auszusetzen und bei den kleineren Thieren den innerlichen Gebrauch dos Mittels möglichst zu beschränken, ausgenommen als Brechmittel.
sect;. 557. Acusserlich benutzt man den Kupfervitriol: a. in conceutrirtem Zustande, als ätzendes, reiniirendes und aus-
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trocknendes Mittel bei Warzen und Feigwarzen, bei Wunden und Gc-selnvürcn, in denen üppige und schlaffe Granulation und zu reiehliehe Jaudieabsoudernug Statt findet, besonders bei dergleichen Genicküstelu, Widerristscliäden, Knorpelfisteln, Strahlfäule und Stralilkrebs, und bei dem bösartigen Klauemveh der Schafe. Gegen letztere Krankheit ist er in England schon sehr lange bekannt', und gegen das Klauemveh der Merinos rühmen ihn Thaer2, Giesker3 u. A. als das vorzüg­lichste Mittel; aber Pictct'1 u. A. haben ihn hierbei ohne Erfolg ge­braucht. Bei der grossen Verbreitung dieses Uebels habe ich häufig Gelegenheit gehabt, den blauen Vitriol dabei zu versuchen. Er trock­nete jederzeit die Klanengeschwüre sehr schnell aus, machte eine, trockene harte Kruste auf ihnen, beförderte die Wiederbildurg der hornigen Theile, und oft auch die gründliche Heilung in kurzer Zeit. Bei einzelnen Thieren war aber durch jene schnell entstandene Kruste das Geschwür nur oberflächlich'und scheinbar geheilt, und es brach bald früher, bald später wieder auf, besonders wenn man die Entfer­nung der Kruste und das Abschneiden alles hohlen Horns nicht recht fleissig bewirkt hatte. Diese manuelle Behandlung, und vorzüglich die gründliche Anwendung des Messers, ist bei dem Gebrauche des blauen Vitriols wesentlich nöthig.
Die Anwendung des Mittels geschieht bei den bezeichneten Zu­ständen mehrentheils als Pulver, welches man für sich allein, oder nach Erfordern des Zustandes mit andern passenden Mitteln einstreuet; bei dem Klauenweh ist aber die Anwendung in einer concentrirten Auflösung (1 Theil Vitriol in 4—G Theilen Wasser oder Essig) vor­züglicher, weil sie besser in alle Vertiefungen der Klauengeschwüre, besonders in den Klanenspalt eindringt. — Manche haben eine Ab­kochung von blauem Vitriol, Eisenvitriol und Alaun ä ö Theile, Grün­span 2 Theile und Essig 9 Theile als das wirksamste Mittel zum Ver­binden der Klauengeschwüre gefunden, — und Stoerig empfiehlt für diesen Zweck eine Salbe aus Theer 2 Theile, Teipenthinöl und Salz­säure von jedem 1 Theil und fein pulverisirtem blauem Vitriol 4 Th. zusammengesetzt9. Die Anwendung dieser Salbe findet jeden zweiten, dritten Tag einmal mit einem Pinsel Statt.
b. Bei verhärteten, speckartigen Stollbeulen wird der Kupfer­vitriol ebenfalls im concentrirten Zustande benutzt, indem man ent­weder ein Stückchen (etwa 1—2 Scrupel), oder eben so viel Pulver von ihm in einen, bis in die Mitte der Geschwulst gemachten Einstich bringt. Die hierauf erfolgende Wirkung besteht in allmäliger Ab-
1nbsp; nbsp;W. Ellis von der engl. Schafzucht; — in Schreber's Samml. verschiedener Schriften, welche in die Ökonom, pollz. und cameral. Wissenschaften einschlagen. 14. Theil. S. 275 u. f.
2nbsp; Möglin. Annalen. Bd. 8. S. 2G2.
8 Heber die bösartige Klauenseuche der Schafe. Brannschweig 1822.
4nbsp; Annal. de l'agricult. frani;-. Tom. 28 p. 200.
5nbsp; Für 300 — 350 Schafe sollen G Pfund Theer. 3 Pfund Terpenthinöl und eben so viel Salzsäure und 12 Pfund Kupfervitriol für einmal hinreichend sein.
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Bterbimg der krankhaften Masse, sehr iilinlich wie bei derselben An-wendungsart des Arseniks (8. 611). Daher grellen die bei dem letztern in dieser Beziehung gemachten Angaben auch hier fast ganz; dock babe ich bei flachen, callösen Geschwüren am Ellbugen, die von den Stoll-beulen zurückgeblieben sind, durch den Vitriol niemals eine so baldige und grüadliche Absterbnng der verhärteten Theile erfolgen sehen, wie durch den Arsenik.
c.nbsp; nbsp; Er dient als das gewöhnlichste Aetzmittel, welches auf die Castrirkluppen gebraucht wird, um das Absterben des Samenstranges an der Applieationsstclle schneller als durch die blossen Khrppen zu bewirken. Diese Wirkung erfolgt jedoch gewöhnlich nur sehr wenig, da der Vitriol in den meisten Fällen durch andere ihm zugesetzte Mittel chemisch verändert und unlöslich gemacht wird. — Die Art der An­wendung auf die Kluppen ist verschieden; gewöhnlich wird er (1 Th.) zu einem Teige aus Mehl oder Stärkemehl 12 Th.) und Wasser ge­mengt: oder mit gleichen Theilen Eiweis und etwas Mehl, oder mit gleichen Theilen Wasser und pulverisirtem arabischem Gummi zusam­mengerührt, von manchen Castrirem auch in einem Teige aus Cvpr. sulphuric, part. IV., Cerussae, Boli rühr., Farhi. secal. ana part. /., und Aquae c. q. s. auf die Kluppen oder in deren Itinne gestrichen.
d.nbsp; nbsp;Bei parenehymatösen Blutungen ist er eins der wirksamsten Mittel und wird theils in schwachen Auflösungen (3— 6 Gran auf 1 Unze Wasser), theils in Pulverform, mit klebenden und absorbiren-den Substanzen verbunden (z. B. 1 Th. Kupfervitriol, 2 Th. Kohle, eben so viel Colophonium und arabischem Gummi) angewendet. Er schadet aber bei einfachen Wunden, weil er zu sehr reizt und die plastischen Sccretionen durch einige Zeit zurückhält.
e.nbsp; nbsp;Gegen Bände, namentlich der Pferde und Schafe, wird er in Abkochungen von Taback, von Nieswurz und dgl. (1 Unze zu 3 Pfund Flüssigkeit) als Waschmittel, zuweilen auch in Salben mit Fett, Gel oder Seife (1 Theil zu 8 Theilen) benutzt.
/. In verdünnter Auflösung wirkt er als austrocknendes und hei­lendes Mittel bei solchen Wunden und Geschwüren, die der Vernarbung nahe sind, aber noch viel eitern, eine schlechte, d. h. schlaffe, schwam­mige, faulartig riechende Granulation zeigen und leicht bluten, beson­ders aber wenn fibröse Theile mitleiden, z. B. bei Verwundungen des Nackenbandes, der Sehnen u. s. w.; — eben so bei veralteter Mauke. Man nimmt hier etwa 3—10 Gran auf 1 Unze Wasser.
ff. In ganz schwacher Auflösung (V, — 2 Gran auf 1 Unze destil-lirtes Wasser, Flieder- oder Kamillen-Infusum und dgl.) ist der blaue. Vitriol ein vortreffliches Mittel bei Augenentzündungen, die mit reich­lichem Ausfluss von dickem, eiterartigem Schleim und mit Auflocke­rung der Bindehaut und der Hornhaut verbunden sind. Bei grosser Atonic kann man einem solchen Augenwasser noch etwas Weingeist oder Opiumtinctur zusetzen. Eben so benutzt man es auch gegen chronische Schleimabsonderung. (Cnpr. sulphuric, crvdum s. venale 1 Unze 1 Sgr., grob pulv. 1 Sgr. 8 Pfg., lj2 Pfd. 7 Sgr. 6 Pfg.: Cvpr. #9632;mlph. purum 1 Unze 4 Sgr. 8 Pfg.)
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Anmerkung. Es kommen liier noch in Betracht: l) der Kupfersalmiak oder schwefelsaures Ammoniakkupfer (Ammonium euprieo-sulplatrieum,Sul­phas cupricus ammoniacuUs, Cuprum amuiuinacale s, Cuprum sitlphurico-ammuniatum\ Er ist in l'/j Theil Wasser löslich, in Weingeist unlöslich und wird durch'mehr Wasser zersetzt. Er gilt für eins der kräftigsten Mittel ividcr chronische Krämpfe und Epilepsie, ist aber in der Thierheilkunst bis jetzt wenig benutzt worden. Gabe: für Hunde 3 — 10 Grau in beliebiger Form. (1 Drachme 2 Sgr. 8 Pig.)laquo;— 2) Der Kupferalaun, götlliche Stein, Augenstein (Cuprum ahiminatum, Lapis divtnus s. Lap. opjäkalmicus), Er wird durch Zusammenschmelzen gleicher Theile Kupfervitriol, Salpeter und Alaun, denen mau beim Erkalten auf eine Masse von (J Unzen noch 1 Drachme Eampher zusetzt, bereitet. Er löst sich in Wasser vollkommen auf. Im concentrirten Zustande wirkt er auf offene Wunden und Ge­schwüre gelind ätzend, dabei etwas mehr reizend als der blaue Vitriol, und zu­gleich etwas adstringireud; in Auflösungen zeigt er nur letztere Wirkungen. Man benutzt ihn hauptsächlich gegen asthenische, torpide Augeueutznudungen mit Auf­lockerung der Bindehaut und mit zu reichlicher Schleimsecretlonj gegen Blennor-rhöon und dgl.. ' 2i Gran in 1 Uuze Wasser oder aromatischem Infusum , und zu­weilen mit etwas Weingeist oder Opiumtinctur versetzt. (1 Unze 4 Sgr. 4 Pfg.) — 3) Ein ähnliches Präparat ist edr sogenannte Heilstein oder Geseh wulst stein, Wundstein [fAipis m dicamentosus s. vulnerarius), zu dessen Bereitung es ver­schiedene Vorschriften giebt, die aber einander sehr ähnlich sind; z. B. nach Ker-sting (Nachgelassene Manusci ipte über die Pferdearzneiwissensehaft, S. 312), am einfachsten aus blauem Vitriol und .Alaun von jedem Vo Pfund, Salmiak 3 Unzen. — welche Ingredienzien in einem glasirten Topfe über Feuer zusammengeschmolzen und dann mit 1 2 Unze pulverisirtein Kampher versetzt werden; — oder, mehr coiu-plicirt, z. B. nach der sächsischou Phannacopöe aus rohem Alaun und Grünspan von jedem 1 Theil, Eisenvitriol 3 Theile, Kupfervitriol 6 Theile und Salmiak ' o Theil; — oder nach llesselbach aus Alaun IG Theile. Eisenvitriol 8 Theile, Kupfer­vitriol 4 Theile, Grünspan 1 Theil, Salmiak ' ., Theil; — oder nach Krumm (Ita tz e-burg, Zoophannakologie, Bd. 1. S. 209) aus blauem Vitriol, weissem Vitriol, ge­meinem Alaun, Gallmeistein, rotbem Bolus, Bleiweiss, von jedem 1 Pfund, Essig G Pfund durch Zusammenkochen und Abdunston bis zur Trockenheit, bereitet1. — Die Wirkung dieser ehemals berühmten Präparate ist sehr ähnlieh der des Kupfer­vitriols, aber etwas mehr reizend und umstimmend. Ihre Anwendung fand bei asthe-nischen Entzündungen, bei Quetschungen, bei Widerristschäden, bei Mauke- und andern Geschwüren, wo Erschlafiung, Ausdehnung, üppige, weiche Granulation, zu reichliche Secretion, aber wenig Schmerz zugegen war, häufig Statt; sie ist aber un-zweckmässig, wenn active Entzündung, oder wenn Ergiessung von Blut und andern gerinnbaren Flüssigkeiten besteht. Jetzt benutzt man diese Mittel sehr wenig, viel­leicht zu wenig. Die Application geschieht zuweilen als Pulver (bei offenen Ge­schwüren), mehremheils aber als Auflösung Cl Theil auf 15 — 40 Theile Wasser oder aromatisches Infusum). Gegen asthenische, torpide, katarrhalische Augenent-zündungen sind diese Präparate sehr wirksam und werden 1—2 Gran zu 1 Unze Wasser oder eben so viel aromatischem Infusum angewendet. 4) Das Blauwasser (Aqua cocmlea), das aus blauem Vitriol 3 Unzen und 6 Drachmen, Salmiak 1 Unze und 7 Drachmen, und Grünspan 2' , Drachme, durch Auflösen 71.2 Pfund (p.m.) Kalkwassers, oder nach der preuss. Pharmäcopöe aus Kalkwasser C Unzen, destil-lirtem Wasser 4 Pfund, Salmiak 2 Drachmen, und Kupferfeilspäne 1 Drachme, durch zwölfstündiges Stehen zusammen, bereitet wird. Ein sehr wirksames und wohlfeiles Mittel, dessen Eigenschaften schärfer reizend sind als die des Ilcil-steins. und dessen Anwendung mit der des letztern ziemlich übereinstimmt, aber bei unreiner Granulation und grosser Reizlosigkeit den Vorzug verdient.
1 Eine ähnliche Composition ist der oben angegebene Villat'sche Liquor.
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9) Essigsaures Kupferoxyd] Grünspan, Cuprumoaydatum acetatum, Aerugoy jics riride t Viridv aeris.
sect;. 558.
Das essigsaure Kupfer kommt theils als basisches Salz, als ge­wöhnlicher Grünspan, theils als neutrales Salz, krystallisirtor oder destillirter CTrünspan {Aerugo crystallisata s. destUlcda, Acetas cupricus cum Aqua) vor. Die Bestandtheile von beiden werden von den Chemikern verschieden angegeben; mehrentheils besteht das erstere Prä­parat aus 43 Proc. Kupferoxyd, 29'/r, Proc. Essigsäure und 27i/,-J Proc. Wasser, das andere aber aus 39 Proc. Kupferoxyd, 51'.o Proc. Essig­säure und 91/raquo; Proc. Wasser. Der gemeine Grünspan ist im Wasser nur zum Theil auflöslieh, und es entstehen dabei verschiedene Verbindungs­stufen zwischen Kupferoxyd und Essigsäure; durch Hinzutritt einer Säure löst er sicli aber leicht auf, daher auch im Magen durcli den Magensaft; Gallerte und Fleischbrühe bilden im Wasser auflösliche, Eiweis und Schleim bilden im Wasser theilweis lösliche, in Essig- und Salzsäure ganz lösliche Verbindungen. — Der destillirte Grünspan löst sich in 14 Theilen kalten, in 5 Theilen kochenden Wassers und in 14 Theilen kochenden Weingeistes vollständig auf, und mit den thieri-schen Säften geht er Verbindungen ein, die mehrentheils löslich in denselben sind. Die Wirkung beider Substanzen sind einander fast ganz gleich, aber vom destillirten Grünspau etwas stärker als von dem gewöhnlichen; die Art der Wirkung ist ähnlich der des blauen Vitriols; der Grünspan wirkt jedoch mehr zusammenziehend und weniger scharf als der Vitriol. —- Ein Pferd zeigte von 1 Unze des gewöhnlichen Grün-sjwns in den ersten 2 Stunden keine Wirkung, dann aber Unruhe, Angst, Schlagen mit den Eüssen, vermehrten Puls (7 in jeder Minute mehr), stärkeres Flankenziehen und andere Symptome von Kolik.— Als dieselben ganz vorüber waren, gab man dem Thiere 2 Unzen von dieser Substanz; es traten darauf nach ' 4 Stunde die vorigen Zufälle wieder ein; die Pulse waren klein und schwach, erreichten in den ersten 2 Stunden die Zahl von 75, minderten sich dann aber auf 45, und nach 8 Stunden bis auf 30 pr. Minute. Das Thier frass in gewohnter Art und schien nicht sterben zu wollen; aber am sechsten Tage traten plötz­lich grosse Schwäche und Convulsionen ein, denen der Tod bald folgte '. — Hunde und Katzen bekamen nach dem Eingeben von 12—15 Gran des Mittels heftiges, oft wiederholtes Erbrechen mit Ausleerung bläu­licher oder blutiger Stoffe, Störung der [Respiration, Unempfindlichkeit. Convulsionen und Starrkrampf, und starben in Zeit von l1;^ Stunde, bisweilen aber, selbst wenn grössere Gaben gereicht worden, erst nach einigen 20 Stunden-. Bei der Section findet sich Magen- und Darm­entzündung in sehr verschiedenem Grade, und zuweilen fehlt sie im
1nbsp; Dupuy, J.nirn. pratiq. de Med. vetor. 1830. p. 3fi9.
2nbsp; Orfila. Toxicologie, deutseh von Seemann. Bd. 1. S. SäS.
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Düimdann gänzlich1. — In die Venen mjieirt bewirkte der Grünspan schon in sein- kleinen Gaben (z. B. bei Pferden zu 15 Gran, bei Hun­den zu 2 Gran in 1 Unze Wasser gelöst) binnen wenigen Minuten luftige Krämpfe, Erbrechen (bei Hunden), Störung der Inspiration und zuweilen nach 20—30 Minuten den Tod. — Selbst von der Injection 1li Gran traten bei einem Hunde diese Zufälle und am fünften Tage Lühmung und der Tod ein. — Es ist daher merkwürdig, dass nach Orfila das essigsaure Kupfer in Wunden, selbst in ziemlich starken Gaben (2 Drachmen bei Hunden), blos örtliche Entzündung, aber keine allgemeinen Zufälle verursachen soll2, was jedoch nicht für alle Fälle richtig ist, da bei dieser Anwendung- in anderen Fällen Hunde in 2 bis 5 Tagen gestorben sind.
sect;. 559.
Innerlich ist der Grünspan bei chronischen Schleimfiüssen, von englischen Thicrärzten gegen den liotz und Wurm, täglich zu 1U Unze und durch längere Zeit tortgesetzt, gegeben worden, jedoch ohne gün­stigen Erfolg3, — und Viborg4 empfiehlt ihn (neben dem Spiessglanz und Bleizucker) als das wirksamste Mittel gegen die Finnen der Schweine, an jedem dritten Tage zu 1 Drachme, und so durch 2 bis 3 Wochen zu geben, dabei aber in den Zwischentagen Senf und Koch­salz auf das Futter zu streuen; ich rathe jedoch, mit nur 10—20 Gran anzufangen, die Wirkung zu beobachten, und allmälig die Gabe zu verstärken. Die Anwendung geschieht bei Pferden und Wiederkäuern am besten in Auflösungen und mit schleimigen Mitteln versetzt, — bei den Sehweinen ebenfalls in Auflösungen, welche man unter das Futter mengt.
Bei den übrigen Thieren ist die innerliche Anwendung des Grün­spans, der damit verbundenen Gefahr wegen, nicht gebräuchlich.
Aeusserlich wird der Grünspan bei schlaffen, unreinen, mit üppi­ger Granulation und mit zu reichlicher Jaucheabsonderung versehenen Wunden und Geschwüren aller Art benutzt, da er hierbei, der Erfah­rung zufolge, die bildende Thatigkeit verbessert, die Granulation con-solidirt und die Secretionen vermindert. Die Anwendung geschieht entweder: a) als Pulvei;, rein oder mit andern austrocknenden, erregen­den und dgl. Mitteln gemengt. Für sich allein wirkt er in dieser Form selbst gelind ätzend und erzeugt sehr leicht harte Krusten, die täglich entfernt werden müssen. — b) In Salben, und zwar am gewöhnlich­sten in der Form des sogenannten Grünspan-Sauerhonigs oder der ägyptischen Salbe {Linimentvm Aeruginis, Oxymel s. ünguen-tum Aeruginis, Ungv.entum aegyptiacuni), welches nach verschiedenen
1 Aelniliche jxit'tigo WirkUDgen treten zuweilen ein, wenn Nabrctngsmittel, be­sonders im wannen Zustande in kupfernen GelVissen einige Zeit stehen geblieben und nach dem Erkalten genossen sind. Es hat sich dann meistens essigsaures, zu­weilen aucli milchsaurcs, kohlensaures, kleesaures u. a. Knpferoxyd gebildet, welche ähnliche quot;Wirkungen erzeugen.
'-' Orl'ilft, Toxicolcigie generale. Tom. I. p. 515.
:! J. White, Handb. der Pferdearzneik. lid. 2. S. 250.
4 Anleitung zur Erziehung und Benutzung des Sehweins. S. 103.
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Vorschriften bereitet wird, z. B. nach der preussischen Pharmacopöe, indem man pulverisirten Grünspan 1 Theil mit 8 Theilen Essig bis auf '/s einkocht, dann 8 Theile Honig zusetzt und hierauf das Ganze bis zur Honigsdicke abdnnstet. Diese Salbe besitzt die oben bezeich­nete Wirkung in einem milden Grade, ätzt nicht, erschlafft aber auch nicht so sehr, wie es die meisten fetten Salben thun; sie muss aber bei der Aufbewahrung in grossen Gefässen öfters umgerührt werden, weil sich der Grünspan lehht ausscheidet und auf den Boden setzt (1 Unze 3 Sgr. 4 Pfg.)- Bei dem bösartigen Klauen weh der Merinos fand Hüh­ner ihre Wirkung zu oberflächlich; er empfiehlt dagegen ein Liniment aus: Grünspan ^ Unze und Leinöl '2 Duzen durch vollkommenes Zusammeureiben in einem Mörser bereitet, als das wirksamste Mittel'. Dasselbe soll mit einem Pinsel täglich mehrere Male (!) auf die, Geschwüre gestrichen werden (was aber in ganzen Heerden schwer durchzuführen ist); in 2—3 Tagen zeigt sich Austrocknung und be­ginnende Heilung, und die Thiere können dabei ohne Verband gehen. Line andere sehr ähnliche Salbe aus Grünspan 1 Theil, Schweine­schmalz 4 Theile und Honig, so viel als nöthig ist, um dem Ganzen die Beschaffenheit einer dünnen Salbe zu geben, hat Kodier gegen Mauke, nach Beseitigung der vielleicht vorhandenen grossen Empfind­lichkeit, empfohlen. — c) in Auflösungen. Diese werden in Wasser, Essig, Eranzwein oder Kalkwasser, und nach dem Grade der Er­schlaffung u. s. w. in verschiedener Concentration gemacht, z. B. bei massiger Atonic der Geschwüre aus quot;2—4 Gran, — bei grosser Atonic aus 6—10 Gran Grünspan in 1 Unze von jenen Flüssigkeiten, Die schwachem Auflösungen sind selbst bei torpiden, oder mit starker Schleiinsecretion und mit Auflockerung der Bindehaut verbundenen Augenentzündungen mit Nutzen angewendet worden. — Eine mehr zusammengesetzte Auflösung ist auch das bekannte grüne Wasser (Aqua viridis), welches aus G-rünspan und Alaun, von jedem 2 Drach­men, Honig 1/2 Unze, und Franzwein 12 Unzen, durch blosses Zusam-menschütteln bereitet wird, und in seinen Wirkungen etwas mehr zusammenziehend, aber weniger stark reizend ist, als eine einfache Auflösung des Grünspans von gleicher Concentration (Cuprum acetic. 1 Unze 4 Sgr. 2 Pfg.).
Anmerkung, Das Jodkupfer (Cuprum Diniodidum) (0) ist von englischen Thierürzten. namentlich von Morton iOu the Dinlodide of Copper etc. Loiul. 1839) als ein sehr kräftiges, tonisches, umstimmendes und die Absorption anregendes Mittel: besonders gegen Wurm, gegen chronische Oedeme der Schenkel und gegen solche Krankheiten, die eine Neigung zum L'ebergehen in Kotz zeigen, gerühmt wor­den. Man giebt es den Pferden in Gaben von ' *. — 2 Drachmen täglich, in Verbin­dung mit Gentian, aromatischen Mitteln, kleinen Gaben von Canthariden und dgl. Grössere Gaben als die bezeichneten verursachen schlechten Appetit und Hartleibig­keit. Nachdem das Mittel einige Tage gebraucht worden, setzt man es wieder ein­mal aus.
Gegen Kupfervergiftungen haben sich schleimige Mittel. Auflösung von Zucker und Kalkwasser nützlich gezeigt.
Siehe Busch, teutsche Zeitschrift für Thierheilkunde. 1. Bd. 2. St. S. 114.
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G. Quecksilber, Hydrargyrum s. Mercurius. sect;. 560.
Das metallische Quecksilber, welches vom Wasser, vom Wein­geist und von fast allen Säuren (ausgenonimeu Salpetersäure) bei gewöhnlicher Temperatur keine cliemische Umwandlung erleidet, und das auch mechanisch die Epidermis nicht durchdringt, wirkt auf den TMerkörper nur mechanisch durch seine Schwere1. Wenn Quecksilber verdampft, so kann es durch Einwirkung der L)iimpfe auf die Haut, noch mehr aber auf die Schleimhäute und die Lungen in den Körper übergehen und seine speeifischen Wirkungen erzeugen. Eben so wird es in den Körper aufgenommen2, wenn es in Verbindung mit Sauer­stoff als Oxydul oder als Oxyd, oder in Verbindung mit Säuren, mit Chlor oder mit Jod, mit Blaustoff oder mit Schwefel als Salz u. s. w. auf denselben einwirkt. Es entstellen hierbei zunächt, wie bei den übrigen Metallen, an den betreffenden Stelleu mit den thierischen Säften und mit der organischen Substanz überhaupt ehemische Ver­bindungen, und hierdurch Veränderungen des angewendeten Queck­silberpräparates ; dieselben sind aber bisher sehr wenig untersucht worden. Xacli den Ansichten mancher Autoren wirken alle Queck­silberpräparate nur nachdem sie durch die chlorhaltigen Säfte in Sub­limat umgewandelt sind oder als Sublimat selbst; doch ist dies für alle Eälle nicht nachzuweisen. Die örtliche Wirkung ist von den Oxy-dulen, so wie von den im Wasser unlöslichen Salzen und von den Präparaten, welche durch Verbindung des Quecksilbers mit Jod, mit Blaustoff und mit Schwefel gebildet werden, eine sehr geringe Heizung mit Auflockerung der Substanz und mit vermehrter Eesorptionstliätig-keit. Dagegen bewirken das Quecksilberoxyd, die in Wasser auflös­lichen Salze, und diejenigen Präparate, welche mit Chlorwasserstoff-säurc oder mit Essigsäure auflösliche Verbindungen eingehen, örtlich eine starke Reizung, im concentrirten Zustande selbst Entzündung und sehr starke Aetzung.
Das Quecksilber scheint durch alle Secretionsorgane wieder aus dem Körper entfernt zu werden, denn es ist im Speichel, im Urin, in
1 Durch diese Einwirkung wollte man in friiherer Zeit hartnäckige Verstopfun­gen des Darmkanals liehen: heut zu Tage sieht jeder Thierarzt wohl das Unzweck-mässige einer solchen Anwendung des Mittels ein, und dasselbe wird daher jetzt nicht mehr benutzt.
- Thierarzt Ungefrohn hat in der teutschen Zeitsehr. für Thierheilkunde VII. S. 72 u. f. zu beweisen gesucht, dass das Quecksilber auf keine Art und Weise ins Blut, oder überhaupt in die Säftemasse des Körpers aufgenommen wird, und hat hierzu einige Versuche erzählt, welche Hausmann in Hannover unternommen hat. Diese Versuche beweisen aber nur, dass man die Verbindungen nicht kennt, in denen das Quecksilber im Blute besteht. Denn dass es in ihm vorhanden ist. ist vielfältig nachgewiesen; z. B. von Schnbarth (Korn, Archiv, 1824), von O ester­lein (im Arch, von Eoser und Wunderlich, II. Heft 4. und Haeser's, Kepert. 1S44. Febr. S. 94) u. A.
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der Milch1 u. s. w. oft gefunden, zuweilen aber auch nicht aufgefunden worden. — Die allgemeine und specihsche Wirkung des Quecksilbers erscheint der des Eisens fast ganz entgegengesetzt. Sie besteht in der Verminderung aller Bildungsthävigkeit und äussert sich durch ver­minderte Plasticität des Blutes, vermehrte Se- und Excretionen, be­sonders in den Schleimhäuten, verstärkte Resorption, sehr verminderte Anbildung, in Erschlaffung und Auflockerung aller drüsigen und häutigen Gebilde, besonders wieder der Schleimhäute und der Spei-cheldrüsen; im höhern Grade der Wirkung, bei unvorsichtigem Ge­brauch des Merkurs, entsteht Speichelfluss, profuse Diarrhöe, Auf­lockerung des Zahnfleisches, Geschwüre an demselben, stinkender Athem, Abmagerung und Entkräftung, zuweilen auch Fieber. Diese Wirkungen erfolgen bei Wiederkäuern und Vögeln am schnellsten und stärksten, etwas minder bei Pferden. Auch zeigen sie sich von den einzelnen Präparaten und von verschiedenen Gaben derselben etwas verschieden.
Nach diesen Andeutungen ergiebt sich, dass das Quecksilber im Allgemeinen da indicirt ist, wo man die Aufgabe hat, den krankhaft erhöheten Vegetationsprocess zu beschränken.
10) Graue Quecksilbersalbe, graue Merkurlalsalbej Neapelsaibe, Unguenium
lli/lt;h-iiryyri emercum, Ung, mercuritdc s ncupolitunum.
sect;. 561.
Diese Salbe wird auf mehrfache Weise und in verschiedener Con­centration bereitet, z. B. nach der prenssischen Pharmacopöe, indem man 6 Theile gereinigtes metallisches Quecksilber, 1 Theil alte graue Salbe, mit 4 Theilen Hammeltalg zusammenreibt, bis das Quecksilber völlig getödtet ist, und dann noch 8 Theile Schweineschmalz dazu mischt-. Das Quecksilber ist in ihr, wenn sie frisch bereitet ist, nur höchst fein zertheilt enthalten, verwandelt sich aber zum Theil in Oxydul, wenn sie alt wird. — Sie ist nur für den äusserlichen Ge­brauch bestimmt, und von ihrer Anwendung entsteht zuerst blos an der Applicationsstelle Vermehrung der Thätigkeit der resorbirenden Gefässe und Lymphdrüsen, daher verstärkte Resorption und grössere Verflüssigung der organischen Substanz, zugleich aber Verminderung der arteriellen Thätigkeit3, und hauptsächlich Auflockerung der orga-
1nbsp; Die Milch von einer Kuli, welche letztere mit Merkur behandelt worden war, hat bei einer Frau und drei Kindern den Speichelfluss erzeugt. Dr. Vervet entdeckte in dieser Milch das Quecksilber. Annal. d'liygienne publ. 1848 p, 453.
2nbsp; Um die Tödtung des Merku 'S leichter zu bewirken, setzt man nach einigen Vorschriften etwas Citronol, oder Terpenthinöl und dgl. hinzu, was aber in Be­treff der AVirkung unzweckinässig ist.
8 Zuweilen wird zwar die Reizbarkeit an dem Orte der Anwendung etwas vermehrt, ja es entsteht wohl selbst eine oberflächliche Entzündung; Diese Wir­kung ist aber entweder dadurch bedingt, dass die Salbe ranzig geworden ist, und dann allerdings wie jedes andere ranzige Fett wirkt (8. 120), oder, dass man ihr (wie vorstehend gesagt l, Terpenthin, Tcrpenthincil und dgl. reizende Substanzen zugesetzt hat.
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nischen Cohasion; wird jedoch die Anwendung lange fortgesetzt oder ist sie zu reichlich auf einer grosseu Fläche, so entwickelt sich auch eine allgemeine Wirkung, die sich durch Verstärkung der Secretionen in verschiedeneu Organen (besonders in den Nieren, in den Speichel­drüsen, in der Leber und in der Schleimhaut des Mauls und des übri­gen Verdauungskanals), durch Geifern, zuweilen Diarrhöe, Störung des Vogetationsprocesses, Abmagerung, grosse Schwäche, pochenden Herzschlag und Entwickelung einer eigenthttmliehen Cachexie (Mer-kurial-Cacbexie) mit fauliger Zersetzung zu erkennen giebt. Zuweilen erfolgt dann auch der Tod, bald schnell, bald langsam. Eigentlüimlich ist auch die allgemeine Wirkung an secernirenden Flächen zu erken­nen. Wenn man z. B. einein Pferde, welches an eiternden Wunden oder Geschwüren leidet, täglich gegen 2 Unzen dieser Salbe einreibt, ohne die eiternde Fläche zu berühren, so macht sich doch auch an der letztern nach 2—6 Tagen (je nach der Constitution der Thiere) die Wirkung des Merkurs bemerkbar. Die Fleischwärzchen nehmen eine bleigraue, zuweilen ins Schwarze übergehende Farbe an; der abge­sonderte Eiter wird an Quantität sehr vermindert, mehr dünnflüssig, und verbreitet einen Gestank, welcher dem bei Speichelfisteln ähnlich ist. Nachdem die Merkurialvergiftunj;- vollständig erfolgt ist, hört die Eiterabsonderung ganz auf und findet sich in guter Beschaffenheit erst lange nach dem Aussetzen des Mittels wieder ein. Bei mehreren Pfer­den fand sich auch, wenn eine Sättigung des Körpers mit Merkur ein­getreten zu sein schien, ein stinkender Geruch der ausgeathmeten Luft, der sich ebenfalls wieder in einiger Zeit nach dem Weglassen des Mittels verlor {Extrait du compte rcndu des travaux de tecole r. ve'te'r. d'Alfort pendant Tannee 183!)—1840; im Rec. reter. 1840. p. 542).
Jene örtlichen Wirkungen finden ohne Unterschied der Thiere, jedoch am stärksten an solchen Gebilden Statt, welche eine dünne Oberhaut haben, reich an Gefässen und an Zellgewebe sind, wie z. B. Drüsen und Häute; die allgemeinen Wirkungen entstehen nicht bei allen Thieren gleichmässig schnell und stark, sondern am stärksten und schnellsten bei Vögeln und Katzen, etwas langsamer bei Hunden, Schafen, Ziegen und Rindvieh, noch langsamer bei Schweinen, und am langsamsten bei Pferden. Ich sah bei Kanarienvögeln, Sperlingen und dgl. kleinen Vögeln nach dem Aufstreichen von '/o Scrupel dieser Salbe, — bei mehreren Hunden, Katzen, Schafen, Ziegen und Kin­dern nach mehrtägiger (zuweilen sogar nach einer einzigen, etwas reichliehen) Einreibung grosse Mattigkeit, Traurigkeit, Verlust des Appetites, Erbrechen, Gestank aus dem Maule, Diarrhöe, und zuwei­len auch Fieber, Auflockerung und Missfarbigkeit des Zahnfleisches, Speichelfluss1, und in einzelnen Fällen auch Hautausschlag mit Ab­lösung der Epidermis und .Ausfallen der Haare, grosse Abmagerung
1 Manche Thierärzte bezweifeln das Entstehen des Speicbelflnsses durch die Wirkung des Merkurs, aber ganz mit Unrecht, — obgleich diese Wirkung bei den Thieren seltener, langsamer und niemals so deutlich wie bei den Menschen
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und den Tod erfolgen. Letzterer trat gewöhnlich nach C — 8 Tagen, zuweilen aber schon nach 3 — 5 Tagen ein. Aber einzelne Stücke (namentlich Rindvieh) verfallen unter den angegebenen Symptomen allmälig in Abzehrung und kriinkeln durch 2 — 3 Monate (Archiv für Tliierheilkunde voa der Gesellsch. Schweiz. Thierärzte. Neue Folsre. 5. Bd. Zürich 1844. S. 310 u. 321. Beobacht. von Zähndler und von Hübscher, 6. Bd. S. 17. v. Grattiker). Die ganze Wirkung war stets viel heftiger, wenn die Thiere sich an den Applicationsstellen be­lecken konnten. — Ein Pferd bekam bei fortgesetzter Einreibung der Salbe nach und nach alle diese Zufälle; am sechszelmten Tage trat Speichelflnss, und am neunundzwanzigsten Tage der Tod ein, nachdem 6 Pfund und 8 Unzen einer sehr concentrirten Merkurialsalbe vei-braucht waren (Schubarth in Horn's Archiv 1824). In der Thier-arzneischule zu Alfort starb ein Pferd erst nach einem Monat, nach­dem täglich 120 Grammen (gegen 30 Drachmen) eingerieben worden waren {Recueil de. mid. vet. 1840. p. 544). — Bei Kühen und Ziegen habe ich zuweilen auch nach etwas reichlicher, durch 3 — 4 Tage fort­gesetzter Anwendung der Salbe gegen Ungeziefer in mehreren Fällen Krämpfe und auch Abortus erfolgen sehen, ohne class eine andere Ur­sache hierzu zu entdecken war. Die Menge der eingeriebenen Salbe betrug hier bei ersteren Thieren nur 2 Unzen, bei den Ziegen 1 Unze. Diese Wirkungen der grauen Merkurialsalbe können nur aus einer speeifischen Beziehung des Quecksilbers zu den Organen der Vegetation, namentlich zu den Lymphgefässen und Lymphdrüsen, und durch seinen Ucbergaug in die Säfte des Organismus bedingt sein.
sect;. 562.
Man wendet diese Salbe an;
1) Gegen örtliche Entzündungen unter der Haut, bei denen sie der Erfahrung zufolge als ein ausgezeichnetes Zertheihmgsmittel wirkt, wenn die Krankheit keinen byperstlienischcn oder arteriellen, sondern einen sogenannten vegetativen, exsudativen oder plastischen Character be-iitzt, und wenn Ergiessungen von plastischen Stoffen, oder selbst schon beginnende Verdickung und Verhärtung der Gebilde mit der Entzündung verbunden sind; — daher namentlich bei rheumatischen Entzündungen, bei der sogenannten Mondblindheit, bei Quetschungen, bei Entzündung der Lymphdrüsen, der Hoden, der Euter, der Knochen, Sehnen, Bänder und dgl, drüsigen und fibrösen Organen; eben so bei den sogenannten schleichenden und chronischen Entzündungen, z. B, bei nicht ganz frisch entstandenen Stollbeulen, Sehnenklapp, Ueber-beinen, Aderfisteln u. s. w. Die Salbe nutzt gegen solche Entzündungs-krankheiten am meisten dann, wenn der Sitz derselben nicht zu tief unter der Haut ist, oder wenn mit der Haut das Zellgewebe leidet, wie z. B. bei der Mauke, namentlich der gutartigen, wenn sie sehr schmerz-
eintritt; denn da die Thiere nicht ausspucken können, sn suchen sie den abge­sonderten Speichel beständig hinabzuschlucken, und lassen daher mir einen kleinen Theil aus dem Maule ausflicssen.
Hertwig, Arzneimittellehre.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 85
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liaft ist. Dagegen scheint das Mittel nichts zu nutzen bei denjenigen asthenisehen Entzündungen, welche mit wirklicher Verjauchung ver­bunden sind, — bei sogenannten fauligen Entzündungen und bei schon eingetretenem kalten Brande; aber bei Geschwüren, deren Ränder callös sind, kann es zur Auflösung der letztern mit gutem Erfolge an­gewendet werden,
2) Gegen Aiissclnvitzungen, Verdickungen und Verhärtungen jeder Art, wenn sie auch eben nicht mit Entzündung verbunden sind, wie z. B. bei Flecken und Verdunkelungen der durchsichtigen Horn­haut, bei Verhärtungen der Euter, der Lymphdrüsen im Kehlgange, bei Wurmbeulen, Ueberbeinen, Späth, Schaale, Selmcuklapp und dgl.
;3) Bei zu reichlich eiternden Wunden und Geschwüren, wo die profuse Seeretion nicht durch örtliche Heizungen bedingt, sondern nur allein in einem abnormen Bildungsprocess begründet ist, ferner bei Flechten und Bände. Die graue Salbe ist bei diesen krankhaften Zu­ständen ein sehr wirksames Mittel, besonders dann, wenn dieselben mit heftigem Jucken verbunden, und nicht auf eine grosse Fläche ausge­breitet sind. Ist das letztere der Fall, namentlich bei grossen Thieren, so ist die graue Salbe zu theuer, und dann auch mehrentheils durch andere Mittel zu ersetzen. Gegen die sogenannte Speckräude der Hunde ist sie jedoch nach meinen vielfältigen Beobachtungen ein wahres Speciticum, dessen Wirksamkeit von keinem andern Mittel er­reicht wird; sie verlangt aber hier, und Überhaupt bei den kleineren Hausthieren, die grössto Vorsicht in der Anwendung, und zwar bei allen kleinen Thieren mehr als bei grossen, damit die im vorigen sect;. augedeuteten allgemeinen Wirkungen verhütet werden. Bei der Schaf­räude, wo die Salbe auch empfohlen ist, verbieten sowohl diese allge­meinen Wirkungen, wie auch der hohe Preis des Mittels dessen An­wendung; auch ist dabei die Besudelung der Wolle sehr unangenehm.
4)nbsp; nbsp;Gegen Starrkrampf. Die Einreibung der Salbe in die Gegend der Kaumuskeln, am Halse und Rücken, scheint in mehreren Fällen, und zwar sowohl bei dem idiopathischen, wie bei dem traumatischen Tetanus gute Dienste geleistet zu haben; — in vielen andern Fällen sah ich aber hiervon gar keinen Xutzen.
5)nbsp; nbsp;Gegen Ungeziefer aller Art wird die Quecksilbersalbe mit Recht als ein Specificum betrachtet; doch verlangt die Anwendung auch für diesen Zweck bei den Wiederkäuern und den kleinen Thieren viele Vorsicht.
sect;. 563.
Die Salbe wird einfach angewendet, wenn bei Entzündungen die Sensibilität und die Wärme erhöhet, oder wenn sie wenigstens bei den Ausschwitzungen und Verhärtungen nicht zu sehr vermindert sind; bei grossem Erethismus verbindet man sie aber mit narkotischen Extracten. Auch bei Flechten und gegen Ungeziefer ist die einfache Salbe hin­reichend. Je mehr aber bei Entzündungen, Verhärtungen u. s. w. Torpidität besteht, um desto nöthiger ist es, dem Grade der letzteren entsprechende Auflösungs- und Reizmittel, z. B. Rindsgalle, Kampher-
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liniment, Ammoniaklinimcnt, grüne Seife, Potasche, Jod, Kampher, Terpenthinöl, Salmiak und dgl. in einem passenden Verhältnisse mit der Salbe zu verbinden. Bei Verhärtungen, Ueberbeinen, Späth und dgl. hat sich auch eine nicht officinelle Salbe, welche neben den; Queck­silber reizende Stoffe enthalt, sehr wirksam gezeigt. Man bereitet dieselbe aus: Hydrarg. viv. '/a Unze; OL Lauri unguin. 6 Drachmen; Ol. Terehinthin. 1 Unze; Pidv. Caniharid. 21/2 Drachme, durch Zu-sammeureiben, und wendet sie, je nach der Empfindlichkeit der Haut täglich oder jeden zweiten Tag einmal an. — Bei dem Starrkrampte fand ich eine Mischung aus gleichen Theilen der Salbe und des Kam-jilierliniments am zweckmässigsten. — Die Anwendung geschieht bei den grossen Thieron gegen Entzündungen, Verhärtungen und beim Starrkrämpfe täglich zwei- bis dreimal, gegen Hautkrankheiten ur.d Ungeziefer aber nur an jedem zweiten oder dritten Tage. Bei kleinern Thieren darf die Anwendung immer nur nach längeren Zwischenzeiten und sparsam, niemals über einen grossen Theil des Körpers, sondern nur auf kleinern Stellen oder in einzelnen Strichen geschehen. Man übersteigt nicht gern bei den Pferden die Quantität von 2 Unzen, bei dem Riadvieh von 1 Unze und bei Hunden von 2 Drachmen pro Tag, wenn man die Einreibungen durch mehrere Tage machen will. Auch muss mau die Thiere durch Maulkörbe u. s. w. am Ablecken der Salbe hindern '. Sehr oft habe ich gegen Ungeziefer die Salbe, blos auf einen Streif (ein Band) von Leinwand u. s. w. gestrichen und auf den Körper gebunden als vollkommen hinreichend und ganz ohne gefährliche Nebenwirkungen befunden. — Bei Entzündungen darf übrigens die Salbe nur gelind, aber an verhärteten Theilen muss sie kräftig einge­rieben werden quot;. (1 Unze 4 Sgr. 2 Pfg.)
11) Rothes Quccksilbcrux.vd, rother Quecksilberpräcipitat, Hydrurgyrum oxydaimn
ruhru/m, Hydrargyrum praccipiiaium ruirum, O.rydum hydrargyricum s. Hydrargyrj
praeparatum, Mereurius praeeipitaius rultr (oft auch blos „rotber Prätipiliit, Frae-
cipitahn rude)-quot; genannt).
sect;. 5G4.
Das vollkommene Quecksilberoxyd besteht aus circa 92,/'2 Theil Quecksilber und 71/., Theil Sauerstoff, ist im Wasser und quot;Weingeist unlöslich, bewirkt als trockenes Pulver auf der unverletzten Haut massige lieizung, zuweilen auch Entzündung, in Wunden und Ge­schwüren aber sehr heftige Eeizung, Entzündung, zuerst Minderung der Eitersecretion und der Granulation, oberflächliche Aetzung und
1nbsp; Sind dennoch bei einem Thiere die im vorigen sect;. bezeichneten allgemeinen Zu­fälle entstanden. so müssen sie durcli Eisenpräparate, Schwefel, veidiiinite Mineral­säuren, adstringirende und bitter-aromatische Mittel wieder beseitiget werden.
2nbsp; Das Einreiben kann mit der blossen Hand, ohne Schaden dessen, der es thut, unternommen werden. Dennoch ist es zweckmässig. dass Personen, die eine zarte Haut haben, bei dem Einreiben dieser Salbe sich die Hand mit einem Stück Leder oder mit Blase bekleiden.
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Schorfbildung, dann aber (nach 30 — 40 Stunden) die Absonderung eines gutartigen, recht consistenten Eiters. Durch diese schnell ein­tretende Unistimmung des Eiteruugsprocesses zeichnet sich die Wir­kung des rothen Präcipitats vor der Wirkung fast aller anderen Aetz-mittel (ausgenommen des Höllensteins) aus, da bei ihnen die gute Eiterung und das Ablösen des Schorfes immer viel später erfolgt. — In der ätzenden Kraft ist der Präeipitat dem Höllenstein ziemlich gleich, steht aber dem Aetzkali, der Spiessglanzbutter, dem Chlorzink, Sublimat, Arsenik, Kupfervitriol und den concentrirten Säuren weit nach. — Mit Eett oder Honig zur Salbe gemacht wirkt er verhältniss-mässig nach der Concentration derselben mehr oder weniger stark reizend, die Resorption, die Zertheilung atonischer, torpider Entzün­dungen und (an eiternden Flächen) die Eiterung befördernd. — Inner­lich angewendet verursacht er schon in ganz massigen Gaben (bei Hunden zu 2—4 Gran, bei Pferden zu 8 —15 Gran) heftige Leib­schmerzen (bei Hunden auch Erbrechen), in etwas starken Gaben (bei Pferden 1—2 Drachmen), besonders bei wiederholter Anwendung, aber Magen- und Darmentzündung und den Tod.
sect;. 565.
Die innerliche Anwendung des rothen Präcipitats ist wegen der damit verbundeneu Gefahr bei keinem Thiere gebräuchlich, obwohl das Mittel gegen Potz und Wurm versucht worden ist. Aeusserlich benutzt man aber denselben:
1)nbsp;als Aetzmittel, um Wucherungen, Callositäten oder Ansteckungs­stoffe in Wunden und Geschwüren zu zerstören, z. B. in Bisswunden von tollen Hunden, oder bei Feigwarzen, Strahlkrebs, Wunngeschwiiren und dgl., oder um die Exfoliation in Knochen-, Knorpelgeschwüren und Fisteln zu befördern. Der Präeipitat wird hier am besten in reinem Zustande, fein pulverisirt, etwas reichlich eingestreut, und nach dem Abgehen des entstandenen Schorfes so oft als nöthig ist wiederholt. Bei Fisteln kann man ihn auch in Form von sogenannten Bougien an­wenden, die man bereitet, indem man einen Bindfaden in Gummischleim tränkt, dann mit fein pulverisirtem Präeipitat gleichmässig bestreut, hiernach trocknet und zum Gebrauch aufbewahrt.
2)nbsp; nbsp;Als kräftiges Digestivmittel bei torpiden Wunden und Cce-schwüren, in denen geringe Empfindlichkeit, blasse, schlaffe, schwam-michte, oder entgegengesetzt, speckartige, harte Granulation und die Absonderung einer dünnen Jauche besteht, — wie dies zuweilen bei veralteten Kronentritten, bei dgl. Strahlgeschwüren, bei bösartiger und veralteter Mauke, bei Knochengeschwüren u. s. w. der Fall ist. Die Anwendung des Präcipitats hierbei geschieht entweder: a) rein für sich, als feines Pulver — wenn nämlich die Reizlosigkeit sehr gross, die Absonderung massig ist; — oder b) mit Kohle, Kamillen, Kalmus und dgl. absorbirenden Mitteln versetzt, ebenfalls als Pulver, — wenn die Ecizlosigkeit etwas geringer, die Jaucheabsonderung aber sehr reichlich ist, und — c) als Salbe, in Verbindung mit 4—8 Theilen Fett, Butter, Wachssalbe oder Königssalbe, bei verschiedenen Graden
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der Torpidität, wenn die Gvanulation hart und die Absonderung ge­ring ist.
3) Als erregendes ZertLeihingsniittel gegen torpide, chronische Augenentzündungen und deren pathologische Folgen, z. 15, gegen Ver­dickungen und Verhärtungen der Augenlider, besonders der M eibom'-schen Drüsen, gegen zu reichliche Schleimsecrotion aus den letzten), Verdunkelungen der Hornhaut, Ausschwitzungen im Tnneru des Auges und dgl. Der rothe Präcipitat ist gegen diese Zustände von ausge­zeichneter Wirksamkeit, wenn sie wirklich den torpiden Character haben; er ist aber unpassend und schädlich, so lange sie noch mit Trockenheit, mit vermehrter Wärme und mit vielem Schmerz begleitet sind. — Die Anwendung geschieht nur in Salben, die bald einfach (z. B. aus 10—30 Gran aufs feinste pulverisirtem Präcipitat und 1 L'nze Fett, ungesalzener Butter oder einfacher Wachssalbe, — nach der Preuss. Pharmacopöe 10 Grau zu 1 Unze Kosensalbe), bald mit ver­schiedenen Zusätzen, z. B. von Zinkoxyd, von Kampher oder Opium (von dem erstem 15 — 30 Gran, von den letztern beiden ' o Scrupel bis 1I2 Drachme auf 1 Unze der Salbe) bereitet, und tiiglich ein- bis zweimal in der Grosse einer Erbse zwischen und auf die Augenlider gestrichen werden. — Wenn die rothe Präcipitatsalbe lange aufbot alnt wird, verliert sie an ihrer Wirksamkeit und wird milder, indem der Prä­cipitat durch das Fett zum Theil desoxydirt wird. (1 Drachme 8 Pfg)
12) Mildes salzsaures Quecksilber, versüsstes Quecksilber, Calomel, einfaches CIiIcji-
quecksilber, Quecksilberchlorfir, Ilydiaigyrum chloratum mite., Hydnirijyrim muria-
ticum mite, Mercurius dnlcis, Calomelas, Chlorehm Hydrargyri.
sect;. 506.
Dieses Quecksilbersalz besteht in 100 Theilen aus 85 Theilen Quecksilber und 15 Theilen Chlor, und ist im Wasser (selbst im kochen­den) und im Weingeist unlöslich, obgleich es durch anhaltendes Kochen laugsam in metallisches Quecksilber und in sich auflösenden Sublimat zersetzt wird. Wegen der Uulösliclikeit verursacht es, wenn es für sich allein auf die trockene, unverletzte liaut gebracht wird, keine wahrnehmbaren Wirkungen; wird es aber mit Fett, Oel oder Honig zur Salbe gemacht, eingerieben, so geht es in die Säfte über und wirkt dann ganz ähnlich, aber weit milder als die graue Merkurialsalbe (sect;. 661). — Innerlich angewendet erzengt es die im sect;. 5G0 und sect;. 5C1 angegebenen wesentlichen Wirkungen der Merkurialmittel sehr voll­ständig, dieselben sind aber hinsichtlich ihres Grades und ihrer Rich­tung ziemlich bestimmt von der Grosse der Gaben und von der Wieder­holung derselben abhängig. Eine einzelne kleine Gabe (z. B. für Pferde 30—40 Gran, für Kindvieh 15—20 Gran, für Schafe 4—6 Gran, für Schweine 6 — 10 Gran und für Hunde 1 —4 Gran) bringt in der Kegel keine sichtbaren Veränderungen im Befinden der Thiere hervor; werden aber solche Gaben in Zwischenzeiten von 3 — 4 Stunden und durch einige Tage nach einander einem gesunden Thiere gereicht, so erscheint zuerst der Koth etwas trockener, dann aber grünlich gefärbt.
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mehr feucht und locker; der Urin geht etwas reichlicher ab, der Spei­chel wird mehr zähe und ebenfalls reichlicher abgesondert; der Herz­schlag wird fühlbarer, der Puls weicher, die Schleimhaut der Xase und des Mauls blässer, der Ap2)etit oft gemindert; bei lange fortgesetzter Anwendung werden die Thiere sehr matt, und zuweilen findet sich auch Diarrhöe, seltner Speichelfluss plötzlich hinzu. Von einer grösseren Gabe (z. 13. bei Pferden zu 3—6 Drachmen, bei Kindern zu 1—2 Drach­men, bei Schweinen und Schafen zu 8—15 Gran, und bei Hunden zu 3—10 Gran) entsteht fast immer in etwa 24—3(5 Stunden (bei Hunden oft früher, bei Schafen zuweilen erst am dritten Tage) Laxiren. Dieses erfolgt wie bei den übrigen Laxirmitteln nach der Constitution der Thiere, nach Art der Fütterung u. s. w. im verschiedenen Grade, so dass oft der Koth nur sehr locker, oder breiartig, oft aber auch ganz dünn, selbst wässerig, und bei Pferden, Kindern und Schafen (auch wenn sie kein Grünfutter fressen) cigenthünilich graugrün, bei Hunden aber dunkler gefärbt, abgeht. Als Ursache dieser Färbung wird eine reichlichere Gallenabsonderung, oder auch die Umbildung eines Theils des Calomels in Quecksilbersulphür, vermittelst Einwirkung des Schwe-felwasserstott'gascs im Darmkanal angenommen; doch ist Beides nicht sicher erwiesen. In einzelnen, aber seltenen Fällen, entstellt dabei eine geringe Kolik. — quot;Werden in einem Tage 2 — -1 solcher Gaben, und vielleicht durch 2 oder mehrere Tage nach einander gegeben, so tritt gewöhnlich das Laxiren plötzlich mit grosser Heftigkeit ein; die Excre-mente gehen sehr häufig ganz flüssig, zuweilen mit Blut gemengt und sehr stinkend, durch 3 — 6 Tage ab; die Thiere werden sehr matt, mager, verlieren den Appetit und zeigen die vorhin und im sect;. öfil an­gegebenen Symptome der zu heftigen Quecksilberwirkung im hohen Grade. Zuweilen ist der künstlich erregte Durchfall selbst durch die kräftigsten Arzneien nicht zu stillen, und die Thiere gehen durch ihn an Erschöpfung und Faulfieber zu Grunde. Diese übermässige Wir­kung entsteht am ehesten und stärksten bei den Wiederkäuern, beson­ders bei den Schafen (was in der weichen, schlaffen Organisation der­selben begründet zu sein scheint); weniger leicht erfolgt sie bei Pferden, und am wenigsten bei Hunden und Schweinen. Es tritt aber bei den letztem beiden Thiergattungeu nicht selten Erbrechen ein, wodurch das Calomel zum Theil wieder entleert wird, ehe es vollständig zur Wirkung gelangt. — Auf die Beschaffenheit und Mischung der Säfte wirkt das Calomel sehr stark umändernd, und namentlich sieht man, dass die Gerinnbarkeit und die Menge des Faserstoffes im Blute oft schon nach einer einzigen etwas starken Gabe, bestimmt aber durch die fortgesetzte Anwendung des Mittels bedeutend vermindert wird. Die heftigen Wirkungen scheinen in manchen Fällen von einer durch die gastrischen Säfte, namentlich die sauren, bewirkten Umänderung des Calomels in Sublimat bedingt zu sein; doch sind hierzu gewiss be­sondere Umstände erforderlich, da man sonst die heftigen Erschei­nungen häufiger beobachten müsste (Orfila, im Journal de Chimie et de Toxicologie, 1842, Juli).
Bei der Section der durch zu reichliche Anwendung des Calomels
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gotödtoteu Thiere findet man in der Regel an Pferden und Kunden den Magen und ganzen Darmkanal schlaft', zusammengefallen, den letztein ohne tiefe Querfalteu, die Blutgefässe äusseilicli und innerlich sehr wenig mit Blut erfüllt, daher die Färbung- dieser Organe bl.-iss oder grau, den Darm mehrentheils ganz leer, zuweilen wie ausgewaschen: entgegengesetzt ist aber auch zuweilen die Schleimhaut blaiuoth ge­färbt, entzündet, aufgelockert, stellenweis ohne Epithelium, mit Blut-extravasaten, oder; mit Excoriationen, deren Bänder oft weisslieh ge­färbt erscheinen, versehen und zuweilen Infiltrationen zwischen ScMeim-und Muskelhaut. Bei Thieren mit einer Gallenblase ist dieselbe voll Galle, die Leber und alle übrigen Organe weich und mürb. An quot;Wieder­käuern fand sich im Wesentlichen derselbe Zustand; zugleich aber zeigten sieh fast immer im vierten Magen, zuweilen auch am Zwölf­fingerdärme und Mastdarme stärker geröthete Stellen von verschiedene'' Grosse, die mehrentheils als Extravasate, zuweilen aber auch als Ent­zündung erschienen.
sect;. 5G7.
Das Calomel erscheint hiernach bei vorsichtiger Anwendung in der örtlichen Wirkung mehrentheils als ein mildes, in der allgemeinen Wirkung aber als ein sehr kräftiges Mittel, welches aber zuweilen in den Verdauungseingeweiden auch scharf reizende, corrodirende Eigen­schaften annimmt. Dennoch verdient es zur innerlichen Anwendung den Vorzug vor fast allen andern Qiiecksilberpräparaten, und es findet der Erfahrung zufolge seine allgemeine Indication gegen alle solche pathologische Zustände, welche wesentlich in einem zu sehr erhöheten Vegetationsprocesse mit vermehrter Plasticität des Blutes und der übrigen Säfte, — oder in gerinnbaren Ausschwitzungen, oder in Stockungen und Verhärtungen in den Gefässen und drüsigen Organen,-— bestehen1.
Man benutzt es dabei':
1) gegen Entzündungskrankheiten, und zwar vorzüglich gegen solche, die ct. einen sogenannten vegetativen, plastischen oder lympha­tischen Character besitzen, wo keine vorherrschende active Aufregung der Arterien- und Herzthätigkcit, sondern mehr Neigung zu plastischen und serösen Ausschwitzungen und zu Verhärtungen besteht, oder wo an den absondernden Flächen die secernirten Flüssigkeiten zähe und sehr gerinnbar werden; — dalier namentlich bei rheumatischen und katarrhalischen Entzündungen, bei dem acuten Rheumatismus und dgl.
h. Gegen solche, die mit gastrischen oder nervösen Convplicationeu innig verbunden sind, wie z. B. die sogenannten gallichten, die erethi­schen, die typhösen und die Anthrax-Entzünduiigen; und
c. gegen chronische, sogenannte schleichende Entzündungen.
Bei wahren hjpersthenischen Entzündungen, besonders in sehr
1 Die Wirkung gegen diese Zustände selieint, wenigstens von geössern Oaben. and wenn l'iirgiren erfolgt, zum Tlieil von der Ausscheidung vieler Galle und vieler DarmsSfte, zum Thiil aber auch von der örtlichen Reizung der Darmschleimhaut nnd von seiper speeifischen Wirkung als Merkurialmittel abhängig zu sein.
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gefässreiclien Organen, ist das Calomel nicht passend; wenn aber, nachdem die arterielle active, Aufregung durch Blutentziehungen und Salpeter beseitigt ist, die übrigen Entziindnngszufälle noch fortbe­stehen, so kann das Calomel auch bei ursprünglich ganz hyperstheni-schen Entzündungen eine sehr nützliche Anwendung finden.
Es ist zwar auch bei Entzündungsfiebern mit dem besten Erfolge angewendet worden, zeigt aber seine heilsamen Wirkungen am meisten hei den Entzündungen einzelner Gebilde, vorzüglich der serösen und fibrösen Häute und der drüsigen Organe, und es hat sich bei Entzün­dungen des Gehirns, der Gehirnhäute (daher auch bei dem rasenden Koller), bei Augenentzündungen mit heftiger Ausschwitzung in den Augenkanimern (daher bei der sogenannten Mondblindheit), bei Bräune, bei Rippenfell- und Lungeuentzündungen, bei Leberentzündung, Bauch­fellentzündung, Darmentzündung, bei eingeklemmten Brüchen, bei Ent­zündungen der Hoden, des Euters, der Venen, der Beinhaut u. s. w. in unzähligen Fällen bewährt. — Bei der typhösen Lungen- und Leber-entzündung (Influenza) habe ich das Calomel, wenn es zur rechten Zeit und mit der nöthigen Vorsicht angewendet wurde, als das vorzüglichste innerliche Heilmittel kennen gelernt. — Dagegen hat es in der soge­nannten Lungenseuche des Kindviehes, meinen Beobachtungen zufolge (bei wenigstens 200 Kindern), sich bei weitem nicht so heilsam gezeigt, wie Dr. Muhrbeck dies gesehen, und wie man es bei der eigen-thümlichen Biehtung des Mittels gegen die abnorme Plasticität er­warten könnte.
Auch bei der Rinderpest, gegen welche (als eine typhöse Entzün­dung) es von einigen mit scheinbar gutem Erfolge versucht worden ist, hat es sich nicht bewährt.
'2) Gegen solche Leberleiden, bei denen die Leber sich in einem Zustande von Reizung befindet, und in Folge dessen die Gallensecre-tion reichlicher als die freie Excretion derselben Statt findet, so dass die biliösen Stoffe resorbirt werden und sich im Blute anhäufen, wodurch fehlerhafte Verdauung, Gelbsucht, gastrisch-biliöse Fieber u. s. w. ent­stehen. — Das Calomel ist auch bei solchen Leberkrankheiten nütz­lich, wo die Leber selbst an Vergrösserung, an Verhärtungen, Stockun­gen u. s. w. leidet.
3)nbsp; nbsp;Gegen die Erzeugung und Ansammlung von zähem Schleim im Darmkanal, gegen Stockungen in demselben und gegen Hartleibig­keit aus zu geringer Absonderung, so wie gegen die aus diesen Zu­ständen hervorgehenden verschiedenen Krankheitsformen, z. B. Ver­stopfungskolik, Congestionen zum Kopfe, sogenannten Magenkoller und dgi.
4)nbsp; nbsp;Gegen Eingeweidewürmer im Darmkanale ist das Calomel ein sehr klüftiges Mittel, indem es theils durch eine speeifisehe Kraft dos Quecksilbers gegen das Leben dieser Schmarotzerthiere, theils aber auch als ausführendes Mittel wirkt. Ob es gegen diejenigen Würmer, die ausserhalb des Darmkanals ihren Sitz haben, z. B. gegen C.ic Leberegel, gegen die Finnen, die Blasemvüimer im Gehirn der Schafe und dgl. etwas leistet — ist noch nicht durch die Erfahrung bewiesen.
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Ich habe es gegen die Drehkrankheit der Schafe in jedem Stadium derselben vergebens angewendet.
5)nbsp; Gegen Koliken, welche nnter den vorgenannten (1 — 4) Um­ständen auftreten, und zwar immer um so mehr, je mehr die Ziifalle auf eine entzündliche .Reizung der Gedärme oder der Leber deuten.
6)nbsp; Gegen Verhärtungen, hauptsächlich in drüsigen Organen. Das Calomel hat hier oft noch Auflösung oder wenigstens Minderung be­wirkt, besonders wenn die Verhärtungen noch nicht zu sehr alt, oder wenn sie das Product von Entzündungen waren.
7)nbsp; nbsp;Gegen Wassersuchten und örtliche seröse Ergiessmigen, z. B. in den Hirnhöhlen bei dem Dummkoller der Pferde. Das Calomel ist durch seine die Resorption so kräftig befördernde Wirkung bei diesen Krankheiten ein vorzügliches Heilmittel, wenn sie durch Entzündungen, durch Unterdrückung der normalen oder gewohnten Absonderungen, oder durch Verstopfungen in der Leber, Milz, in den Gekrösdrüsen u. s. w. entstanden, und nicht mit einem hohen Grade von Atonie oder mit Cacbexie verbunden sind. — Ist aber letzteres der Fall, so ist das Mittel schädlich.
8)nbsp; nbsp;Gegen dyskrasische Krankheiten, besonders solche, die mit einem abnormen Zustande der Lymphdrüsen, der Lymphgefässe wesent­lich verbunden sind, wie Rotz und Wurm der Pferde, veraltete Flech­ten, bösartige Mauke mit schmerzhafter Geschwulst und dgl. Ich habe von dem Calomel bei diesen Krankheiten, mit Ausnahme des Rotzes, sehr oft die besten Erfolge gesehen; bei dem Rotz bewirkte es aber niemals Besserung, sondern häutig Verschlimmerung und schnellen üebergang in faulige Cachexie. Bei dem Wurm war die, Wirkung in einigen Fällen eben so ungünstig, in mehreren andern aber recht gün­stig, — ohne dass ein bedeutender symptomatischer oder gradueller Unterschied zwischen diesen Fällen bestand.
9)nbsp; Auch gegen einige Nervenkrankheiten, namentlich gegen Starr­krampf und gegen die in der neuern Zelt häufiger als sonst vorgekom­mene Füllenlähmung ist es als Heilmittel, und gegen die Wuthkrank-heit als ein prophylaktisches Mittel in mehreren Fällen mit anscheinend (!) gutem Erfolge angewendet worden.
Aeusserlich wird das Calomel zuweilen gegen schuierzhafte Flech­ten, hauptsächlich aber gegen Augeuentzündungen, flic mit Ausschwitz­ung von Blut oder plastischer Lymphe im Innern des Auges oder an der durchsichtigen Hornhaut verbunden sind, besonders gegen die soge­nannte Mondblindheit und deren Folgen, angewendet, und ich kann es hierbei als ein höchst wirksames Mittel rühmen.
Allgemeine Gegenanzeigen gegen die innerliche Anwendung des Calomels sind: ein hoher Grad von torpider Asthenie, von Cachexie, Blutmangel, Wässerigkeit des Blutes, Neigung zu fauliger Auflösung der Säfte, sehr schwächender Durchfall.
sect;. 568.
Die Gabe ist für Pferde 20 Gran bis höchstens 2 Drachmen, für Rinder 20 Gran bis 1 '/., Drachme, für Schafe und Ziegen 4. 8—12 Gran,
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für Schweine '/a Serupel bis 1 Drachme, für Hunde 3 Gran bis 1 Serupel. Die grössem und inittlern von diesen Gaben finden ihre Anwendung- da, wo man Laxiren erregen will, um entweder den Dannkanal selbst von Schleim, Galle, Würmern oder verhärteten Kotliballen zu entleeren, oder um eine Ableitung von heftig entzündeten Organen zu bewirken. Man giebt sie für den erstem Zweck täglich nur ein- bis zweimal, in Zwischenzeiten von 8 —12 Stunden, — bei heftigen Entzündungen aber täglich drei- bis viermal, in Zwischenzeiten von etwa 3—6 Stun­den, — so lange, bis entweder der Krankheitscharacter geändert ist, oder bis ein kluckerndes Geräusch in den Gedärmen (Poltern im Leibe), oder auch selbst schon weicheres Misten eintritt. Letz­teres verbietet in jedem Falle den Fortgebrauch des Mittels, weil sonst der im sect;. 56G bezeichnete Durchfall mit seinen üblen Folgen sehr leicht entsteht. Dies gilt besonders bei den quot;Wiederkäuern, und haupt­sächlich bei Schafen, bei denen man daher mit dem Calomel höchst vorsichtig sein muss, und namentlich a) die mittlern Gaben nur nach den bezeichneten grössten Zwischenzeiten wiederholen, — und 6) die Anwendung niemals länger als durch l1/, — 2 Tage fortsetzen darf1. Die Vorsicht gebietet, dass man bei Thieren, denen Calomel gereicht worden ist, öfters am Leibe horcht, um das oben erwähnte Geräusch zeitig in demselben wahrnehmen zu können. In den vorgeschriebenen kleineren Gaben wird das Calomel täglich zwei- bis dreimal angewen­det : bei chronischen Krankheiten und wo der Zweck ist, Verhärtungen und Stockungen aufzulösen, die Secretionen in den drüsigen Organen, die Thätigkeit der Lvmphgefässe und die Resorption zu befördern, oder eine bessere. Beschaffenheit der Dyskrasien zu bewirken.
Man giebt das Calomel für sich allein, d. h. blos mit einem schick­lichen Vehikel, z. B. mit schleimigen Mitteln oder mit Süssholzwurzel versetzt, wenn bei Entzündungen der vegetative und lymphatische Character rein besteht; ist aber die Irritabilität dabei gleichzeitig stark aufgeregt, so verbindet man es mit Glaubersalz oder Doppclsalz, selten mit Salpeter; —- dagegen bei geringer Energie der Blutgefässc, bei typhösen Entzündungen und bei Schwäche der Vcrdauungseingeweide ist die Verbindung mit bittern und aromatischen Mitteln, — bei hohen Graden des üebels selbst mit Kampher und Terpentliinöl in kleinen Ciaben nützlich. Wenn das Fieber bei Entzündungen einen hohen Grad erreicht, wenn Ausschwitzungen entstehen, und eben so bei wirklichen quot;Wassersuchten hat sich die Verbindung mit Digitalis, oder Taback, oder Bilsenkraut, sehr wirksam gezeigt. — Bei gastrischen Zuständen giebt man das Calomel mit bittern oder aromatischen Mit­teln, oder wenn man dabei Laxiren erzeugen will, am besten mit der Aloe; eben so, oder auch in Verbindung mit Ofenruss, mit stinkendem Thieröl und dgl. giebt man es gegen Würmer, — mit bittern, aroma-
1 Es ist unbegreiflich, -nie französische ThieWirzte (/.. 15. Vatel, Klemens, T. II. part. 2. pag. 732., und Moirond, Mat. mod. p. 385) das Calnmel für Rinder in der Gabe von l1,^ — 2 Unzen vorschreiben können, ohne die hieraus entstehende (iefalir anzudeuten.
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tischen Mitteln, mit Schierling, Ofenruss, Schwefel oder Schwefel-spiessglanz und dgl. bei Dyskrasicn. Mit Salmiak und andern salz­sauren Salzen versetzt mau Calomel nicht gern, weil sich hierbei nach Mialhe, Orfila u. A. das Calomel leichter als sonst in Aetzsublimat umwandeln soll1, — was jedoch nach unsern Versuchen nur unter besondem Umständen zu erfolgen scheint, namentlich in sehr grosser Wärme und wenn man den Salmiak in unverhältnissmässiger Menge (etwa 20 Theile zu 1 Theil Calomel) mengt.
Die schicklichste Form zur innern Anwendung des Calomels ist, seiner Unlöslichkeit wegen, die Pillen- und Latwergenform; doch habe ich es bei Wiederkäuern auch zuweilen in einer dicklichen schleimigen Flüssigkeit (die aber bei dem Eingeben gut unigeschüttelt werden muss) gegeben und hierauf eine schnellere Wirkung als nach der An­wendung in Pillen erfolgen sehen.
Aeusserlich, bei den oben bezeiclmeten Augenkrankheiten, wurde es ehemals als Pulver in die Aujren sreblasen; am besten benutzt man es aber in Form eines dünnen Liniments, welches, nach dem Grade des Uebels, aus 1 Drachme Calomel und i—4 Drachmen frischen Baumöls (oder Mohnöls und dgl.) durch Zusammenreiben bereitet, und täglich zwei- bis dreimal mit einer Feder reichlich auf die Hornhaut gestrichen wird. Bei grosser Empfindlichkeit des Auges ist der Zusatz von 10—20 Gran Belladonnaextract, oder bei geringerer Empfindlich­keit der Zusatz von eben so viel fein pulverisirtem Opium sehr nütz­lich. — Gegen Flechten wird es entweder als Salbe (1 Theil Calomel mit 4—6 Theilen Fett oder Butter zusammengerioben) oder in einer (zwar nicht chemisch richtigen, aber wegen ihrer milden Wirkung oft sehr passenden) Mischung mit Kalkwasser (auf 10—12 Theile des letztern 1 Theil Calomel) zum Waschen und Verbinden, als sogenann­tes schwarzes oder mildes phagedänisches Wasser {Aqua pha-gadaenica niyra s. mitis) benutzt (1 Drachme 1 Sgr. 8 Pfg-)-
13) Aetzi'iides salzsaures Quecksilber, ätzender Qut'cksilbrrsublimat, Aftzsublimat, dupjiell Chlorquecksllber, Quecksilberchlorid, Sydrargyrum bichloratum, s. H. perchlo-
ratum, s. H. mtmaiiciim corrosivtun, Mercurius aublimaim corrosivus, liichlorcinm -nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Hydra tyijri.
sect;. 569.
Der Aetzsublimat ist in der Art seiner Bestandtheile übereinstim­mend mit dem Calomel; er unterscheidet sich aber von dem letztern dadurch, dass er mehr Chlor (gegen 26 Pfoc) enthält, und dass er sich in 16 Theilen kalten und 3 Theilen kochenden Wassers, so wie in 2l/2 Theil kalten und in 1' q Theil kochenden Weingeistes, und in 3 Theilen Aethers vollständig auflöst. Der Sublimat wird durch ätzende Alkalien, durch Kalk- und Barytwasser und durch Magnesia zersetzt, im aufgelösten Zustande wird er auch durch die Einwirkung
Jouni. de Chimio o;c. a. a. O.
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des Sonnenlichts und durch viele organische Substanzen, namentlich durch Eiweis, Gummi, Zucker, liraunen Syrup (nicht so durch weissen), Extracte, Opium, Mehl, Kleber, Leim, Osmazom, Oele, Fette, Harze u. s. w. zersetzt, indem diese Substanzen sich in verschiedenen Ver­hältnissen mit dem Chlor des Sublimats verbinden und das Quecksilber mehr oder weniger zu Chlorür (Calomel) reduciren. Diese Zersetzungen erfolgen von manchen Substanzen sogleich vollständig, von andern erst nach und nach. Am lebenden Thierkörper verhält sich der Subli­mat eben so; überall verbindet er sich mit der organischen Substanz schnell und macht an wunden Stellen und an den Sehleimhäuten zu­erst einen weisslichen Ueberzug, der aus Calomel und chemisch ver­änderter organische* Substanz besteht, und dann bewirkt er Zusam-menschrmnpfung der Theile; wirkt er aber im concentrirten Zustande ein, so macht er sogleich Anätzung, wobei die betroffene Substanz weissgrau, mürb und weich wird, dann aber ebenfalls zusammen­schrumpft und zu einem schwärzlichen Schorf vertrocknet. Ein Theil des Mittels wird resorbirt und bringt in den Säften u. s. w. ähnliche Wirkungen hervor wie die übrigen Merkurialmittel. Demnach ist der Unterschied in der örtlichen Wirksamkeit zwischen dem Calomel und dem Sublimat sehr gross; denn der letztere erzeugt an allen organi­schen Gebilden, auf welche er im concentrirten Zustande einwirkt, Entzündung Aetzung und Zerstörung, hierdurch die heftigsten Zu­fälle und sehr leicht den Tod. Diese Wirkungen scheinen bei inner­licher Anwendung heftiger an fleischfressenden Thieren als an pflan­zenfressenden zu sein, — was wahrscheinlich durch die bei beiden Arten verschiedene Beschaffenheit der Nahrungsstoffe und der Säfte im Darmkanal bedingt wird. Hunde starben von 4—6 Gran des Mit­tels, nachdem sie sehr heftiges, blutiges Erbrechen, blutige Diarrhöe und zuletzt Lähmung gezeigt hatten, in 7, 12—30 Stunden. — Pferde zeigten nach der durch 6—8 Tage täglich einmal wiederholten An­wendung einer aus 20—30 Grau Sublimat und 3 Unzen Altheewurzel-pulver bestehenden Pille keine sichtbare Veränderung in ihrem Be­finden, und mehrere Pferde ertrugen durch 8 Tage anhaltend täglich 2 solche Gaben, ohne dass eine sichtbare Wirkung erfolgte. Bei andern minderte sich aber, wenn sie in steigender Gabe täglich 1 Scrupel bis 1 Drachme Sublimat in einer Mehlpille erhielten, nach 4—6 Tagen der Appetit, und bei noch längerem Fortgebrauch trat mit etwa 8 bis 10 Tagen fast immer sehr vermehrtes Urinixen ein. Diese Zufälle minderten und verloren sich bald wieder, wenn mau das Mittel durch 1—3 Tage aussetzte, und sie entstanden zuweilen erst nach 3 bis 4 Wochen, wenn man dasselbe gleich vom Anfange an nur jeden zweiten Tag in der Gabe von 1 Scrupel bis '/j Drachme angewendet hatte. Wurde aber der Sublimat den Pferden täglich, von 1 Scrupel bis zu 2 Drachmen steigend, durch 12—16 Tage (im Ganzen zu 10 bis 15 Drachmen) gegeben, so erfolgte aussei- der Appetitlosigkeit und dem starken Uriniren auch heftiger, zuletzt blutiger Durchfall, grosse Schwäche, Fieber mit fauligem Character und der Tod. Zuweilen waren in der letzten Zeit auch Symptome von Darmentzündung,
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Schmerzen und Krämpfe zugegen. Eine einzelne Gabe von 1 Drachme verursachte blos Vermehrung der Pulse um 4—6 in 1 Minute, Kolik-schmerzen und stärkere itöthung der Schleimhaut. Nach 2 — 4 Stun­den waren diese Zufälle wieder vorüber. Aber von V2 Unze Sublimat in 3 Pfund Wasser gelöst, entstand sogleich heftiger Kolikschmerz, Kecken, starkes Speicheln und in 12 Stunden der Tod (liysz, Arznei­mittellehre, S. 147). Percivall stieg bei einem Pferde von lü Gran des Mittels allmälig bis zur Gabe von 5 Drachmen, wonach es während
4nbsp; Tagen schlechter frass und Fieber zeigte. Als er hierauf 6 Drach-men gab (so dass im Ganzen 4 Unzen und 12 Gran verbraucht waren^, trat Darmentzündung ein, an welcher das Thier starb. Er hatte das Mittel im Trinkwasser gereicht, zu dessen Genuss das Thier durch Durst gezwungen wurde. — Wenn der Sublimat in flüssiger Form eingegeben wurde, oder wenn bei dem Eingeben in Pillen diese nicht sugleich ganz verschluckt, sondern im Maule behalten und gekauet wurden, so entstand jedesmal, selbst nach kleinen Gaben, heftige Rei­zung, Entzündung und AnStzung der Zunge und anderer Theile im Maule, starkes Speicheln und Verminderung des Puttergenusses. Auf andere Weise und als Ersclieiimng der allgemeinen Wirkung sähe ich vom Sublimat bei Pferden niemals Speichelfluss entstehen. — Aelm-lich, jedoch etwas starker, ist die Wirksamkeit des Mittels beim Rind­vieh. 18 Gran Sublimat in 2 Unzen Mehlteig gehüllt, einer Kuh ein­gegeben, erregte blos vorübergehend etwas vermehrte Wärme (Gil­bert, Annal. d. l'agric. fr. Tom. 3. p. 343). — Ich sah bei einer ganz gesunden Kuh nacli dem Eingeben von 1 Drachme Sublimat in ij Unzen destillirten Wassers gelöst, Husten, öfters Rülpsen, etwas Geifern aus dem Maule und Verminderung des Appetits entstehen; aber das Wiederkäuen schien ungestört fortzubestehen, und am folgen­den Tage waren auch die übrigen Zufälle wieder vorüber. Nach
5nbsp; Tagen erhielt diese Kuh bei vollkommenem Wohlsein 2 Drachmen des Mittels in 1 Pfund destillirtem Wasser, worauf sogleich wieder Geifern und Rülpsen eintrat, das Pressen und Wiederkäuen aber erst am folgenden Tage nachliess, wo zugleich sehr kleiner, vermehrter Puls, schnelleres, etwas beschwerliches Athmen und weicheres Misten entstand. In den nächsten Tagen verschwand die Presslust gänzlich, der Koth war sehr dünn, stinkend und blutig, das Athmen noch be­schwerlich, das Fieber vermehrt, die Mattigkeit gross, das Thier lag viel, magerte sichtbar ab, und starb am 14ten Tage. — Schafe ertru­gen 12 Gran und selbst 24 Gran Sublimat in einer Mehlpille, ohne dass die geringste Wirkung entstand (Gilbert a. a. O. p. 345, 347); aber von I Drachme starb bei meinen Versuchen ein Schaf in weniger als 12 Stunden.
Durch Einspritzungen in die Halsvene entstand bei mehreren Pferden von 3—6 Gran Sublimat, in 3—-6 Drachmen destillirten Wassers gelöst, blos eine geringe Vermehrung der Pulse um 4 Schläge in der Minute und durch etwa 15 Minuten dauernd; andere Zufälle waren selbst dann nicht zu bemerken, als die Pferde durch solche täg­lich wiederholte Einspritzungen nach und nach 1 Drachme Sublimat
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in die Blutmasse erhalten hatten. Es entstanden aber last immer Ader­fisteln (Viborg, Veterhi. Selsk. Skrrfl. '2r. Deel. S. 375). — Bei einem Hunde verursachten 5 Gran Sublimat, in iVa Unze Wassers gelöst und in die Drosselvene injicirt, sogleich Kurzathmigkeit, grossen Schmerz, Abgang von Urin, und in wenigen Stunden den Tod; — und ein anderer starb unter denselben Zufällen nach der Injection von nur 3/4 Gran Sublimat in 51/2 Stunde (Gaspard in Orfila's Toxico-logie, Bd. 1. S. 228).
In Wunden und Gesclnvüren wirkt der Sublimat, obgleich er durch die organischen Flüssigkeiten zersetzt wird, in verdünnter Auf­lösung (1 — 3 Gran auf 1 Unze Wasser) angewendet, reizend, die Lcbensthätigkeit der absondernden und der aufsaugenden Organe steigernd und qualitativ umstimmend; mehr eoncentrirt (4—10 Gran auf 1 Unze Wasser), verursacht er Entzündung, und in ganz concen-trirter Auflösung (z. B. 1 Drachme auf V, Unze Wasser), noch mehr aber im reinen Zustande wirkt er ätzend und zerstörend. Er geht da­bei durch Absorption in die Blutmasse über und verursacht, wenn die concentrirte Anwendung etwas reichlich geschieht, Entzündung des Magens, des Darmkanals, des Bauchfells und des Herzens, und da­durch den Tod. Mehrere Hunde starben nach 1—5 Tagen, als ihnen o—6 Gran Sublimat in Wunden auf das Zellgewebe des Schenkels oder des Kückens gebracht worden. — Aehnlich wie auf wunde Stel­len, aber weit schwächer, wirkt der Sublimat auch auf die unverletzte Haut, und namentlich findet nur eine geringe Absorption durch die­selbe Statt.
Bei der Section der durch Sublimat getödteten Thiere findet man, derselbe mag auf die eine oder auf die andere Weise zu reichlich in den Körper gebracht worden sein, hauptsächlich die Schleimhaut des Magens und Darmkanals, das Herz, die Lungen, zuweilen auch die Nieren entzündet, mit rothen oder schwarzen Elecken versehen, die genannte Schleimhaut auch zuweilen zerstört. Am stärksten sind die Wirkungen in den oben angedeuteten verschiedenen Graden an den von dem Sublimat unmittelbar berührten Theilen.
Aus Allem ergiebt sich: dass der Sublimat zwar der Art m.ch im Wesentlichen wie die übrigen Quccksilbcrmittel wirkt, aber mehr als andere die Urinsecretion befördert, dass er sie alle an Aetzkraft über­trifft, und hierdurch sehr leicht tödtliche Wirkungen erzeugt, und dass er weit weniger als das Calomel sichtbar die Plasticität im Organis­mus mindert.
sect;. 570.
Für die innerliche Anwendung dieses heftigen Mittels gegen Krankheiten der Hausthiere giebt es bis jetzt eigentlich keine sichern Indicationen, sondern man hat dasselbe mehrentheils nur empirisch gegen Eotz, Wurm, bösartige Druse, hartnäckigen Ilheumatismus, ver­altete Käude, dergleichen Flechten und Mauke, gegen heftige Euhr, namentlich der Lämmer, und gegen den Koller bei Pferden versucht. Bei dem letztern hat es nach Kersting's Beobachtung (Nachgel.
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Manuscripte, S. 213) oft gute Dienste geleistet, und ich habe es eben­falls in mehreren Fällen mit Nutzen angewendet, wenn das Uebel veraltet und mit einem krankhaften Zustande der Leber verbunden war. Bei dem Wurm und bei veralteten Hautkrankheiten hat sich der Sublimat häufig als t-ehr nützlich gezeigt, und ist besonders von Hurel und Hübner empfohlen; doch darfein cachectischer, fieberhafter Zu­stand nicht zugegen sein. Hie Heilung des Kotzes hat er aber in kei­nem vollständig entwickelten Falle befördert, selbst nicht bei der durch ein ganzes Jahr fortgesetzten Anwendung (Yiborg a. a. 0.); dagegen hat er (wie Quecksilbermittel überhaupt) sehr oft eine sichtbare Ver­schlimmerung des Fx'üels bewirkt.
Man giebt den Sublimat Pferden und Kindern von 6, 10 bis höch­stens 20 Gran, Schweinen 1—o Gran, Schafen und Hunden lji bis 1 Gran, täglich ein- bis höchstens zweimal, am besten in Pillen oder in Auflösung. Die letztere kann 1 Gran Sublimat in 1 Unze Flüssig­keit enthalten, und das Auflösen kann zweckmässig zuerst mit etwa 50 Theilen Weingeist geschehen. Gegen die Kuhr der Schafe gab Departements-Thierarzt Hildebrandt in humöopatliischer Verdün­nung von der vierten Potenz 30 Tropfen (also etwa '/^ooooo Gran) pro dosi. — Bei der Bereitung der Pillen muss der Sublimat erst mit der uöthigeu Menge Wassers aufgelöst werden, ehe man ihn mit den übri­gen Substanzen verbindet. Diese letzteren sind rein schleimige, bittere oder gelind aromatische und narkotische Mittel; als die zweckmässig-sten Vehikel betrachtet man Althceschleim und Succus Liquiritiae; da­gegen sind Mehl, Eiweis und Alkalien unpassende Zusätze.
Der Gebrauch dieses Mittels ist fast immer für längere Zeit nöthig; dabei muss aber das kranke Thier gegen Erkältung geschützt und mit leicht verdaulichem Futter hinreichend versehen werden. — Entstehen Speichelfluss, Verlust des Appetits, Kolikzufälle, Diarrhöe oder Fieber, so muss das Mittel sogleich ausgesetzt werden, — was auch blos aus Vorsicht an jedem dritten oder vierten Tag geschehen kann.
sect;. 571.
Aeusserlich wird der Sublimat angewendet:
1) als Aetzmittel bei bösartigen Warzen, bei dem Strahlkrebs und bei cariösen Gicschwüren des Hufknorpels (bei den sogenannten Knorpelfisteln), bei dem sogenannten Nageltritt, wenn die Hufbeins-beugeselme und deren Scheide, oder selbst das Strahlbein und das Huf­gelenk mit verletzt ist, und wenn nach gehöriger Erweiterung der Wunde nach zweckmässiger Behandlung dieselbe sich nicht schliesst, sondern zu einer Fistel umwandelt; — dann auch zum Bestreichen der Castrirkluppen. Die Anwendung als Aetzmittel geschieht entweder in Substanz (in Stückchen), oder als Pulver, oder in Form einer concen-trirten Auflösung in destillirtem Wasser oder Spirit, vin. rectißcatus (1—2 Drachmen auf 1 Unze des letztern), — oder in einer consistenten, salbenartigen Mengung (eine sogenannte Paste) aus: Sublimat 2Drach­men, pulverisirtem arabischem Gummi und Wasser, von jedem 1 Scrupel.
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— Bei Warzen ist derselbe nur in hartnäckigen Fällen, wo man krank­hafte Bildungsthätigkeit vom Grunde aus umstimmen will, wie der Ar­senik, hierzu geeignet. Ebenso wirkt er bei dem Strahlkrebs und bei Knorpelfisteln nicht blos zerstörend, sondern auch eigenthiimlich um­stimmend. Die Anwendung geschieht täglich ein- bis zweimal, durch etwa 2 Tage, bis ein Schorf entstanden ist. — Bei Knorpelfi-iteln soll nach Girard (Recueil veterin. Tom. II. p. 185 etc.) am zweckmässigsten ein kegelförmig geschnittenes Sublimat Stückchen, 5—G Linien lang und an der Basis 3—4 Linien breit, bis auf den Grund der vorbei- gehörig erweiterten Fisteln gebracht werden und mit dem darüber gelegten Verbände durch 5 — 6 Tage unberührt liegen bleiben : es bildet sieh ein schwärzlicher Schorf, der sieb langsam (nach 14 Tagen) abstösst, und worauf bei ganz einfacher Behandlung (von Zeit zu Zeit ein Fuss-bad) die Heilung in 30 — 40 Tagen vollständig erfolgt. Ich sah in mehrern Fällen denselben Erfolg, in andern aber die Heilung erst sehr spät eintreten. Jetzt wende ich mit Nutzen in die vorher etwas erwei­terte Knorpelfistel mehrentheils ein Stückchen von einem wollenen Faden an, welcher in concentrirter Sublimatauflösung getränkt und wieder getrocknet ist. — Bei den oben bezeichneten Nageltritten hat Professor Rey in Lyon den Sublimat ganz auf dieselbe quot;Weise wie Girard bei der Knorpelfistel angewendet. Der Aetzschorf sass ge­wöhnlich 4 Wochen, liinterliess nach dem Abfallen eine reine Wunde und die Heilung erfolgte in 6 — 8 Wochen nach der Application des Mittels. Die üblen Zufälle, welche bei diesen Verletzungen fast immer bestehen (Appetitverlust, heftiges Eeizfieber, grosse Schmerzen und Lahmheit und dgl.) verloren sich gewöhnlich in 8 Tagen ; geschieht dies nicht, so ist es ein Zeichen, dass der Sublimat nicht alles Entartete des Sehnengewebes zerstört hat, und dass die Heilung durch ihn kaum erfolgen werde (Itecueil de vied, veter. Vol. XX. p. 128, und Jown. de 7ned. vet. de Lyon, T. 2. p. 113). Zum Bestreichen der Castrirkluppen wird der Sublimat (1 Theil) in einem Teige aus Stärkemehl (2 Thcile) und Wasser q. s. benutzt. Er leistet nicht mehr als der Kupfervitriol, verursacht aber oft bösartige Entzündung, Eiterung und Verhärtung des Samenstranges; ich empfehle ihn daher für diesen Zweck nicht.
2)nbsp;Als Heilmittel der Gelenkwunden, besonders bei zu reichlichem Ansfluss der Synovia, welche er zum festen Gerinnen bringt und hier­durch den weitern Ansfluss sehr vermindert.
3)nbsp; nbsp;Als umstimmendes und Heilmittel bei veralteten Fisteln und Geschwüren, in denen zu geringe Thätigkeit, wenig Empfindlichkeit und sehr stinkende Jaucheabsonderimg besteht, namentlich bei der­gleichen Genickfisteln, Widerristfisteln, Knorpelfisteln, bei Wurmge­schwüren, bei veralteter Mauke und Klauenweh. Man wendet hier den Sublimat in Auflösungen von 5 —10 Gran auf 1 Unze Wasser zum Verbinden und zum Einspritzen, täglich oder jeden zweiten Tag ein­mal an. — Ist die Empfindlichkeit nicht vermindert, so verdient die Verbindung des Sublimats mit Kalkwasser (1—3 Gran auf 1 Unze des letztern, nach der Preuss. Pharmacopöe l1/^ Gran auf 1 Ur.ze) als sogenanntes gelbes phagedänisches Wasser, Aqua phagodaenica
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lutca, den Vorzug vor der einfachen Sublimataiiflösnhg. — Die franzö­sischen Thierärzte benutzen unter dem Kamen „Pommade arsenicale de Naples'1 gegen den Wurm zuweilen eine sehr scharf und ätzend wir­kende Salbe, welch b nach der dortigen Veterinär-Pbarmacopöe besteht aus: Hydrarg. muriatic, corros. und Aurum pigment, ana l1/8 Unze; Arsenic, alb. 1 Unze; Gumm. Euphorb. 6 Drachmen; 01. Laurin. 7 Un­zen. M. Sie wird ein- oder zweimal in Zwischenzeiten von 8 —10 Tagen dünn auf die Wurmbeulen, Wurmgeschwüre und die verdickten Lymphgefasse gestrichen. — Sehr ähnlich ist das „Topique Terratquot; (oben, S. 510).
4)nbsp; nbsp;Bei hartnäckiger Räude und bei dergleichen Flechten. Der Sublimat übertrifft bei diesen Hautkrankheiten fast alle andere Mittel an Wirksamkeit, indem er schnell austrocknet, die Räudemilben tödtet, den Ansteckungsstoff vernichtet und die regelmässige Wiederbildung der Haut befördert. Er wird hier entweder als einfache Auflösung in Wasser, in Tabacksdecoct und dgl. Mitteln, den besten in Weingeist, besonders bei alter Pferderäude (6—112 Gran auf 1 Pfund Flüssigkeit) benutzt. Es wird für 1 Pferd oft 1 — l1^ Unze verbraucht. Oft wird er noch mit verschiedenartigen Zusätzen von Kali (Aschenlauge), Kalk­wasser (als phagedänisdies Wasser), Salmiak und dgl. angewendet, wie z. B. in folgender Mischung, die sich in mehrern Fällen bei veralteter Schafräude sehr heilsam gezeigt hat: mau zieht von 10 Scheffeln Asche mit dem nöthigen Wasser 300 Quart Vorlauge und 600 Quart Nach­lauge, kocht letztere mit l1/^ Centner ordinärem Taback bis auf 300 Quart ein, mengt diese. Abkochung mit der Vorlauge, und löst dann in der ganzen Flüssigkeit 4—5 Unzen Sublimat, eben so viel Salmiak und 10 Pfd. Pütasche '. Hiermit betupft oder wäscht man lauwarm die räudigen Stellen gründlich, nachdem sie durch Seifenwasser und mit einem passenden Instrumente (z. B. mit einer Striegel, scharfen Bürste, mit einem stumpfen Messer und dgl.) von Schmuz und Schorfen gründlich befreiet worden. Das Waschen wird nach Zwischenzeiten von 6—8 Tagen zwei- auch dreimal wiederholt.
5)nbsp; nbsp;Bei torpiden Geschwülsten, z. B. bei Brustbeulen, Stollbeulen, Piephacken, Hasenhacken, Gallen und dgl., benutzen manche Thier­ärzte den Sublimat auf die S. 2lt;}() angegebene Weise, in Verbindung mit 8, 12—16 Theilen Terpenthin, um Ausschwitzung und Zertheilung zu bewirken. — Gegen Hasenhacken hat man nach der Vorschrift eng­lischer Jagdliebhaber eine Auflösung des Sublimats (2 Drachmen) in
1 Das Ganze ist für 300 Schafe berechnet, so dass also auf das Stück 8 Gran, und auf das Quart Flüssigkeit nur 4 Gran von dem hinzugesetzten Sublimat kommen; derselbe bestellt jedoch nicht mehr als solcher, sondern er ist, wie der Salmiak etc.. zersetzt, und die Flüssigkeit enthält: gelbes Quecksilberoxydhydrat. basisches kohlensaures Ammoniak, salzsaures Kali und kohlensaures Kali (letzteres 9 Pfund und über 9 Unzen). Ihre Wirkungen sind daher sehr mild und ganz ohne Gefahr, sowohl für die Thiere selbst, wie auch für die Menschen, die das Waschen ausfüh­ren; denn nach v. Wedckind's Erfahrung können Menschen ganze Bäder von 150—180 Maass Wasser und 2 Drachmen bis 1 Unze Sublimat ohne Nachtheil gebrauchen.
hertwig, Arzneimittellehre.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;
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Weingeist (1 Unze) empfohlen. Man soll diese Auflösung mit einem Kork auf die kranke Stelle bringen, 1 Minute lang einreiben und dies den dritten Tag wiederholen. Die Haare fallen hiernach zum Theil aus, wachsen aber wieder; die Hasenhacke vergeht nicht ganz, aber die Lahmheit verschwindet. Das Thier kann angeblich während der Kur gebraucht werden. Eine öftere oder reichlichere Anwendung be­wirkt Aetzung.
6)nbsp; nbsp;Bei Augencntzündungen, bei Flecken und Verdunkelungen der Hornhaut ist der Sublimat unter ähnlichen Umständen, wo der rothe Präcipitat passend sein würde (sect;. 5G5), die Salbenform aber nicht zweckmässig ist, ein vorzügliches Zcrtheilungsmittel. Man nimmt 1li — 1 Gran Sublimat auf 1 Unze Flieder- oder Kamillen - Infusum, setzt, wenn es nöthig ist, noch 10 —15 Tropfen Opiumtinctur hinzu, und lässt das Augenwasser täglich vier- bis sechsmal lauwarm an­wenden.
7)nbsp; nbsp;Gegen Läuse, Holzböcke und dgl. Ungeziefer ist der Sublimat, als Waschmittel (wie sub 4) angewendet, von ausgezeichneter Wirk­samkeit'. Bodu empfiehlt (Magaz. XVII, S. 347) folgende Salbe: Bp. Ilydrarg. muriatic, corros., Ammon. muriatic, pidv. atia 1 Drachme; solve in Aquae parum et admisce e.cacte Adipis suilli 3 Unzen. Sirj7i.: Täg­lich einmal die am meisten mit Ungeziefer besetzten Stelleu (und die von der Zunge am wenigsten erreichbaren), damit einzureiben. Diese Salbe enthält das leicht lösliche Alembroth-Salz, ist sehr wirksam und kostet nur 6 — 7 Silbergroschen. (1 Drachme 6 Pfg.)
Aussei- den genannten Quecksilbermitteln verdienen noch folgende, wenig gebräuchliche Präparate einer kurzen Erwähnung:
a. Schwarzes Schwefelquecksilber, mineralischer Mohr (Hydrargyrum sülphuratum iiigrum, Aethiops mineralis); ein blosses Ge­menge von gleichen Theilen Quecksilber und Schwefel, durch sehr vollständiges Zusammenreiben beider mit etwas Wasser bereitet, ist von sehr milder Wirksamkeit, die vorzüglich auf Erregung des Lymph-gefässsystems und der Hautausdünstung gerichtet, bei lange fortge­setzter Anwendung aber sehr schwächend ist; es wird bei veralteter Druse, Räude und dgl. Krankheiten den Pferden und Kindern zu 2—4 Drachmen, Schweinen zu 1 Scrupel bis 1 Drachme, Hunden ^ Scrupel bis '/g Drachme täglich zweimal in Pillen und Latwergen gegeben. — Mit 6 — 8 Theilen Fett oder grüner Seife zur Salbe gemacht ist es gegen Eäudc und Flechten sehr wirksam. #9632; (1 Drachme 8 Pfg.)
5. TurpeÜium minerale, Suhdeutomlphas mercurii bewirkt bei Hun­den in Gaben von 4 — 8 Gran sehr sicher Erbrechen ohne Durchfall und ohne Erschöpfung der Kräfte.
1 Bei der Anwendung des Sublimats im concentrirten Zustande ist immer die­selbe Vorsiebt nötbig, welche bei scharfen und ätzenden Substanzen überhaupt beobachtet werden muss (z. B. bei Canthariden S. 2GC, Arsenik S. 509 und Jgl.). — In medicinal-polizeilicher Hinsicht muss der Sublimat nächst dem Arsenik für das stärkste unter den mineralischen Giften betrachtet werden, und es gelten daher bei seiner Aufbewahrung u. s. w. alle Vorsichtsmassregeln, welche bei dein Arsenik S. 513 in der Anmerkung, angedeutet sind.
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c.nbsp; nbsp;Rotlies Sclnvcfelquecksilber, Zinnober {Bisulphuretum Sydrargyri, Hydrargyrum sulphuratum ruhrwn, Cinnabaris), enthält nielir Stliwefel als das vorige Mittel, wirkt stärker erregend und Lei weitem nickt so schwächend wie dieses; nach Waldinger's Ansicht (Abhandl. über den Schwefel und seine Verbindungen u. s. w. S. 97), soll die Wirkung- der des rohen Spiessglanzes ähnlich sein. Er wird innerlich wie das vorige Mittel angewendet, ist aber durch den viel wohlfeileren Spiessglanz zu ersetzen. Tausch empfahl, dass man ihn bei der Luugenwürmerseuche der Lämmer auf einem erhitzten Eisen­blech verdampfen und die Thiere diese Dämpfe einathmeu lassen seil; Lowak sähe hiervon keinen Xutzen. Derselbe bemerkt auch ganz richtig, dass man diese Dämpfe viel wohlfeiler aus einem blossen Ge­menge von Schwefel und rohem Quecksilber bereiten könne (Magaz. für Thierheilk. v. Gurlt und Hertwig. Jüd. 3. S. o73, Bd. 4. S. 473^. Aeusserlich dient es nur als ein Bestandtheil des Cosme'schen Pulvers (S. 508). (1 Drachme 8 Pfg.)
d.nbsp; nbsp;Schwefelspiessglanz-Quecksilher, Spiessglanzmohr fEydrqrgymm et Stibium sulphurata, Hydrargyrum stibiato-sulphuratum, Aatltiops antimonialis). Dieses Präparat wird nach verschiedenen Phar-macopöen bald durch Zusammenreiben von Schwefelspiessglanz mit metallischem Quamp;disShvr: {Pharinac. Bavar. Rossica, universal, etc.), bald noch mit Zusatz von .Schwefel zu diesen beiden Substanzen (Pharmac. Borussica, Ilannov. Saxonica) bereitet. Im erstem Falle ist es blos ein Gemenge von Schwefelantimon und getödtetem metallischem Queck­silber, — im andern aber ein Gemenge von Schwefelantimon, Schwe-felcpiecksilber und überflüssigem Schwefel. Beide Präparate müssen etwas verschieden von einander wirken, was noch nicht genügend unter­sucht ist. Im Allgemeinen ist aber die Wirkung sehr ähnlich der des vorigen Präparats, was eben so von der Gabe und dem Gebrauch gilt. (1 Drachme 8 Pfg.)
e.nbsp; Schwarzes Quecksilberoxydul, Hahnemann's auflös­liches Quecksilber (Hydrargyrum oxydulatum, Mercurius solubilis Hahnemanni, Nitras ammonicus cum Oxydo hydrargyroso), aus Queck-silberoxydul und salpetersaurem Ammoniak bestehend. Nach Wal-dinger (über Xahrungs- und Heilmittel der Pferde, S. 301) soll es sehr auf den Darmkanal wirken und bei Pferden schon zu 5—10 Gran weicheres Misten erregen, sehr schwächen und bei fortgesetzter An­wendung den fauligen Zustand herbeiführen; ich sähe diese Wirkung nur nach Gaben von 2 Drachmen bis i:li Unze erfolgen, und Rysz be­merkte entgegengesetzt nach der Anwendung des Mittels zu 10 Gran bis 2 Drachmen durch 8—14 Tage guten Appetit, Abgang von trocke­nem, gut verdautem Kotfa und zuweilen Spcichelfluss. Der Gebranch soll überall nützlich sein, wo das versüsste Quecksilber angezeigt ist. Man giebt das Mittel Pferden und Rindern von 1/3 — 2 Drachmen, Schweinen von G—lö Gran, Hunden von 4—10 Gran — täglich zwei­mal in Pillen, Latwergen, oder in schleimigen Flüssickeiten. (1 Scrupel 2 Sgr. 2 Pfg.)
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/. Salzsaurcs Ammoniakquecksilbcr, weisser Präci-pitat (Hydrargyrum amidata-bicldoratum. Hydrargyrum ammoniato-muriaticum , Hydrochloras ammoniacus cum Oxydo hydrargyrico, Mer-curius praecipitatus albus), aus Quecksilberoxyd und Salmiak bestehend, milder als Sublimat und rother Priieipitat, aber stärker reizend als das Calomel, wird nur äusserlich bei chronischem Augenliderschleimfluss, bei Flecken und Verdunkelungen der Hornhaut (1 —10 Gran zu 1 Drachme Fett), bei Flechten und veralteter Mauke als Salbe (1 Theil mit 8 Theilcn Fett) täglich ein- bis zweimal angewendet. Gegen die sogenannte Fetträude der Hunde ist er ein wahres Specificum; ich lasse hier von ihm 1 Theil mit (5 — 8 Theilen grauer Salbe gemengt, jeden dritten Tag einmal einreiben. Sehr oft heilt das Uebel nach zweimaliger Anwendung des Mittels. (1 Drachme 2 Sgr.)
(7. Einfach Jodquecksilber, gelbes Jodquecksilb er, Pro-tiodür des Quecksilbers {Hydrargyrum iodatum ß.avum, Hydrarg. subiodatum, Mercurhis iodatus Jlavus, lodetum liydrargyromm) — durch Zusammenreibeu von reinem Quecksilber (}ji Unze) mit Jod (2 Drach­men) bereitet. (1 Scrupel 8 Pfg.); und
A. Doppelt Jodqueeksilber, rothes Jo d quecksilber, Deutoiodür des Quecksilbers, Quecksilberiodid {Hydrar­gyrum büodatum nibrum, Mercurhis iodatus ruber, Biiodetum Hydrar-gyri, Hydrargyrum periodatum. lodetum hydrargyricum) — bereitet durch Fällen einer Sublimatlösung (1 Unze Sublimat in 8 Unzen Wasser) durch Jodkali (10 Drachmen) und 4 Unzen Wasser u. s. w. (1 Scrupel 1 Sgr. 6 Pfg.)
Beide Präparate gehören zu den kräftigsten auflösenden, resorbi-renden und zertheilenden Mitteln. Das Letztere wirkt jedoch bedeu­tend schärfer als das Erstcrc. Sie sind innerlich noch fast gar nicht geprüft, äusserlich aber von den englischen Thierärzten (namentlich zuerst von Hugh Ferguson, Wills und Lord, s. Veterinarian, XII. p. 802, XV. p. 137, und Abstract of the Froceding etc. 1840, p. 217) gegen Gallen, Piephacken, Sehnenverhärtungen, chronische Drü­sengeschwülste, Aderfisteln, Knochenauftreibungen, Ueberbeine, Schale, Späth, Hasenhackeu und dgl. Uebel, bei denen die Erregung oder Be­förderung der Eesorption nöthig ist, angewendet. Ich kann den grossen Nutzen dieser Mittel hierbei aus eigener Erfahrung bestätigen, und muss nur bedauern, dass der hohe Preis derselben sehr oft ihre fortge­setzte Anwendung hindert. Letztere geschieht von beiden Mitteln in Salben, die man, je nach dem Grade der Empfindlichkeit, der Härte und der Hartnäckigkeit des krankhaften Zustandes in verschiedener Stärke von 20 Gran bis 2 Drachmen auf 1 Unze Fett (oder Merkurial-salbe) bereitet und täglich ein- oder zweimal massig einreibt. Die Salbe von dem einfachen Jodquecksilber macht nur eine geringe Irritation der Haut, und kann deshalb immer mehrere Tage fortgesetzt werden; dagegen die von dem Doppel-Jodquecksilber, namentlich in der stärkern Zusammensetzung, sehr starke Eeizung, Entzündung, Aussohwhzung, selbst Bläschen, Schorfbildung, selbst Ausfallen der Haare erzeugt, und deshalb gewöhnlich nur ein- bis zweimal hinter einander und dann
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erst wieder nach dem Aufhören dieser quot;Wirkungen angewendet werden kann. Die Haare wachsen immer schnell wieder l.
H. Silher, Argentum.
14) Cfschmolzenes salpetersaures Silbcroxjd, Hülleiistcin, Arj/mitm niirictm
fusum, Xitras nrgenticus fusilt;s, Lapis mferntUis.
sect;• 572.
Dieses, aus 68 Proc. Silberoxyd und 32 Proc. Salpetersäure be­stehende Silbersalz löst sich leicht in gleichen Theilen kalten Wassers und in der vierfachen Menge kochenden Alkohols auf. Das Mittel ist sehr leicht zersetzbar, selbst schon durch das Sonnenlicht, und eben so durch fast alle organische Substanzen, indem die in ihnen befindlichen Chlorverbindungen schnell mit dem Silber unlösliches Chlorsilber (Hornsilber) bilden. Ausserdem geht das salpetersaure Silber mit den protei'nhaltigen Flüssigkeiten Verbindungen ein, gelangt so in das Blut und bewirkt dadurch in diesem eine geringere Affinität für den Sauerstoff, — wie dies die lange Dauer der dunklen Farbe des mit dem Mittel gemengten Blutes an der freien Luft beweiset.
Für sich allein oder in concentrirter Auflösung (1 Theil auf 5 bis 10 Theile destillirten Wassers) auf den Thierkörper gebracht, wirkt es als ein Actzmittel, und zwar ganz eigenthümlich so, class es die Organisation sehr schnell zerstört und dabei heftigen Schmerz, jedoch mir für kurze Zeit, erregt, dass es seine Aetzkraft immer nur ober­flächlich und genau auf die Stelle der Anwendung beschränkt, daher auch nur dünne und begrenzte Schorfe bildet, und dass es eben so nur eine oberflächliche und in der Umgebung der geätzten Stelle be­schränkte Entzündung verursacht. Diese Entzündung hat stets einen sthenischen Character und führt einen gutartigen Eiterungs- und Gi-anulatiousprocess herbei. Die ätzende Wirkung erfolgt in einem heftigen Grade nur dann, wenn der Höllenstein in Stückchen oder als Pulver auf feuchte, wunde Stellen kommt, beim blossen Berühren oder Bestreichen derselben ist sie nur sehr schwach, und das Mittel muss daher vor der Anwendung etwas befeuchtet werden; an reichlich secer-nirenden Stellen ist die ätzende Wirkung ebenfalls nur schwach, weil das Mittel durch die grosse Menge der abgesonderten Flüssigkeit zu sehr verdünnt und zu schnell zersetzt wird. Eine weitere Eigenthüm-lichkeit ist es, dass die mit Höllenstein geätzten Theile au der Ober­fläche zuerst w'eiss, dann rothgrau oder rothbraun und zuletzt schwarz werden. Sowohl diese weisse Farbe wie auch die auf die Oberfläche beschränkte Aetzung entstehen durch die Verbindung des Silbers mit dem in der thierischen Materie befindlichen Chlor zu sogenanntem Horn­silber, die dunkele Färbung dagegen durch die allmälige Zersetzung
1 Bei Vergiftungen mit Quecksillierpriiparaten sind empfohlen: Seifenwasser, Kalkwasser, mildes salzsanres Zinn, Magnesia, adstringirende Mittel, schleimige Mittel, Ehveis. Gallerte und dgl.
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des letztem vermöge des Sonnenlichts. —#9632; In verdünnten Auflösungen angewendet bewirkt der Höllenstein, nach dem Grade der starkem oder schwachem Verdünnung, bald blosse Beizung in verschiedenen Graden, bald die vorhin bezeichnete Entzündung, jedoch ohne Aetzung. Auf der Haut (und eben so an den Haaren) entstellt durch solche Auf­lösungen je nach dem Grade der Concentration auch verhaltnissmässig eine rothe oder schwarze Färbung. Geschieht die Anwendung auf Wunden oder Geschwüre, so nimmt die Oberfläche eine dunkelrothe Farbe an, die Granulation wird fester, und. wenn sie träge war, auch lebhafter; der Eiter wird consistent, die Empfludlichkeit vermehrt. Vielleicht durch die Einwirkung der frei gewordenen Salpetersäure? — Ein Uebcrgaug des Höllensteins in die Säfte scheint bei der ört­lichen Anwendung desselben niemals zu erfolgen.
Innerlich in kleinen Gaben und gehörig verdünnt eingegeben wirkt der Höllenstein eigenthümlich tonisirend und gelind reizend auf die Schleimhaut des Magens und des Harmkanals, vermehrt die kreisför­mige Zusammenziehung desselben und vermindert die Secretionen. Im concentrirten Znstande und in starken Gaben eingegeben verursacht dies Mittel Anätzung, Entzündung und Auflockerung der Schleimhaut des Magens, dabei heftige Schmerzen, Erbrechen, grosse Schwäche, beschwerliches Athmen und den Tod. Letzterer trat bei einzelneu kleinen Hunden schon nach einer Gabe von 12 — 20 Gran ein, andere aber ertrugen 4 Tage nach einander täglich 1 Drachme, ohne dass tödtliche Zufälle oder Magenentzündung entstanden. Schafe ertrugen
1nbsp; nbsp;Drachme, und Kauincheu 10 Gran ohne irgend dauernden Nach­theil (siehe Dr. Krahmer: das Silber als Arzneimittel betrachtet. Halle 1845).
Einspritzungen in die Halsvene, bei Hunden von '/s—3U Grau des Mittels und 2 Drachmen Wassers gemacht führten schnell Er­stickungszufälle, Convulsionen, und nach 6 Stunden den Tod herbei. Aron 2 Gran starben die Thicre unter denselben Zufällen schon nach 6 Minuten (Orfila).
sect;. 573.
Das salpetersaure Silberoxyd hat erst in neuer Zeit eine Anwen­dung als innerliches Arzneimittel gefunden, und zwar gegen solche Diarrhöen, welche mit Erschlaffung, Schwäche, typhöser Entzündung der Magen- und Darmschleimhaut verbunden sind, wie auch gegen Kolik, welche auf dem letztern Zustande beruhet (Gerlach, im Mag. für Thierheilk. XII. S. 418). Das Mittel wirkt hierbei' ausgezeichnet schnell und sicher, und ist gewöhnlich in 2 — 3 Gaben täglich, nach Zwischenzeiten von 3 — 6 Stunden angewendet, genügend. Man giebt es den Pferden und Rindern zu 8 —15 Gran in 4 Unzen destillirten Wassers gelöst, Schafen, Ziegen und Schweinen zu 2-—4 Gran in
2nbsp; Unzen Wasser, Hunden '/-t — 1 Gran in '/a — 2 Drachmen AVasser, ohne Zusätze von anderen Mitteln.
Dagegen benutzt man es äusserlich ziemlich häufig, und zwar: 1) nach Bernard als sjiecifisehes Mittel gegen die periodische Augen-
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untziinJuiig der Pferde, so wie gegen katarrhalische, asthenische Augeuentziiudungeu und Bleimorrhöeu; 2) als umstiiamendes Mittel bei Verbreimuugen; 3) am oberfläcbliche Atterproductionen und schlaffe, üppige Granulation in einem genau begrenzten Umfange zu zerstören; 4) um an schlecht eiternden Flächen, an Wund- und Geselnvürrä.idern einen normalen Bildungsprocess zu erregen; und 5) um in getrennten Weicbgebilden schnell eine adhäsive Entzündung und Verwachsung, oder wenigstens die Verschliessung offener Stellen dnreh einen schnell gebildeten Schorf zu bewirken, z. B. bei Wunden der Kapselbänder und der Sehuensclintideu, bei Speichelfisteln und bei Harnrölirenfisteln. — Die dritte und vierte Indication findet sich vorzüglich bei Ge­schwüren, und der Höllenstein ist daher bei ihnen ein fast allgemein passendes und ganz vortreffliches Heilmittel, besonders aber, wenn sie mit callösen Rändern, mit schwammiger Granulation und mit über-mässiger Jaucheabsonderung versehen sind, — oder wenn die Granu­lation sehr langsam wächst, die Geschwürfläche glatt, hart und wenig empfindlich ist, — oder zwar die Granulation bis zur Höhe der Ge-schwtirränder hervorgewachseu ist, die Vernarbung aber nicht erfolgen will. Bei unreinen Geschwüren der Hornhaut, bei Augeufellen, bei dicken, dunklen Narben und bei eben solchen Flecken der Hornhaut ist der Höllenstein das fast allein brauchbare Aetzmittel, weil er sich leicht und mit Genauigkeit auf einen kleinen Punkt appliciren lässt, und weil seine Wirkung sich nur auf diesen Punkt beschränkt. — Bei Kuorpelfisteln sah ich von seiner Anwendung, wenn die äussern Theile des Hufes durch das Messer entfernt waren, öfter und schneller die Heilung erfolgen als nach der des Sublimats.
Zum Zerstören grosser Aftergebildc oder dicker Callositäten, und eben so zum Aetzen der Wunden, die durch den Biss von tollen Hun­den entstanden sind, ist aber der Höllenstein wegen seiner oberfläch­lichen Wirkung nicht zweckmässig.
Man wendet ihn, den verschiedenen Zwecken entsprechend, so­wohl im concentrirten wie auch im verdünnten Zustande an. Ersteres geschieht entweder a. in fester Form, indem man mit einem Stückchen Höllenstein den zu ätzenden Theil betupft, und zwar leise und schnell, wenn nur eine oberflächliche, — aber anhaltender und stärker, wenn eine tiefer eindringende Aetzung entstehen soll; oder b. in concentrirten Auflösungen (1 Theil mit 12—20 Theilen Wassers), die man mit einem Pinsel oder mit einer Feder auf die kranken Theile mehrmals nach ein­ander dünn aufstreicht oder in die Fistelgänge einspritzt, bis die beab­sichtigte Wirkung entstanden ist. — Zu den verdünnten Auflösungen nimmt man, nach dem stärkern oder geringem Grade der Unthätig-keit u. s. w., 1 Theil Höllenstein auf 40—100 Theile destillirten Was­sers, und befeuchtet oder verbindet damit die Geschwüre täglich ein-bis zweimal. Zusätze vou andern Mitteln sind bei dem Höllenstein kaum nöthig und auch wenig zweckmässig, da derselbe sehr leicht, namentlich durch Stoffe, in denen Salzsäure enthalten ist, zersetzt und unwirksam gemacht wird. — Gegen die periodische Augenentzündung ist eine Salbe aus 8 Gr. Argent, nitric, auf gt; 2 Unze Fett mehrfältig als
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nützlich gertiliint; und bei katarrhalisch asthenischeu Augenleiden dient eine Auflösung von 5—10 Gr. in einer Unze Wasser; bei Ver­brennungen ein Liniment von 1 Theil fein pulvensirten Höllenstein und 8 Theilen Baumöl.
Stark jauchende Flächen muss man vor der Anwendung dieses Mittels reinigen und trocknen, so wie entgegengesetzt die zu trock­nen Stellen, und eben so der auf sie in Substanz applicirte Höllenstein vorher etwas befeuchtet weiden müssen. — Zur Anwendung auf sehr begrenzte Punkte an den Augen benutzt man am besten ein Stück­chen Höllenstein, welches durch Eeschaben wie eine Bleifeder zuge­spitzt ist, und nach geschehener Aetzung streicht man einige Tropfen Milch, Schleim oder Oel zwischen die Augenlider (1 Scrupel 3 Sgr. 4 Pfg.).
I. Spiessglanz, ÄntimonitUn s. Stibium,
574.
I
Das Spiessglanzmetall entwickelt seine Wirkungen im Tliier-körper, wenn es mit Sauerstoff', mit Säuren oder mit Schwefel verbun­den ist, daher auch, wenn es mit den sauren Säften des Verdauungs­kanals in Berührung kommt, ziemlich schnell, aber bei den verschie­deneu Thiergattungen zum Theil in verschiedener Form. — Fs macht mit dem Sauerstoff'drei (nach Berzelius vier) Oxydationsstufen: ein Antimonoxyd, eine antimonige Säure und eine Antimonsäure, welche sämmtlich mit andern Säuren und mit Alkalien verschiedene einfache und Doppelsalze bilden helfen. Mit andern Metallen und mit dem Schwefel verbindet es sich in verschiedenen Verhältnissen.
Die Wirksamkeit der aus den verschiedenen Verbindungen ent­stehenden Spiessglanzpräparate erscheint, bei innerlicher Anwendung entsprechender Gaben, in der Art eigenthUmlich: 1) dass durch sie eine vermehrte Absonderung seröser Flüssigkeiten überall, nament­lich aber in der Schleimhaut des Verdauungskanals, in den liespira-tionsorganen, in den Nieren und in der Haut erregt wird; '2) dass eben so auch die Resorption überall vermehrt und somit der Stoff­wechsel im Körper beschleunigt wird; 3) dass diese Erregung nicht wie bei den ätherisch-ölig-en Mitteln mit einer Vermehrung der Ener­gie, sondern mit einer Schwächung derselben verbunden ist; 4) dass bei der durch eine längere Zeit fortgesetzten Anwendung dieser Mittel eine Veränderung der Plasticität des Blutes, Störung des ganzem Vege-tationsprocesses, und zuletzt ein cachectischer Zustand entsteht; und 5) dass bei Thieren, die sich erbrechen können, von massigen Gaben dieser Mittel fast immer Erbrechen entsteht.
Sowohl in diesen allgemeinen wie auch in den örtlichen Wirkun­gen zeigen die verschiedenen Spiessglanzpräparate unter einander eine grosse Verschiedenheit. Am mildesten wirken die einfachen Verbin­dungen mit Schwefel, stärker als diese sind die mit vegetabilischen Säuren gebildeten Salze (Brechweinstein), und am stärksten örtlich eingreifend die mit Mineralsäuren gebildeten Salze (Spicssglanzbutter).
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Die letzteren bewirken überall eine tief eindringende chemisclie Zer­störung, während die ersteren Salze nur bei sehr concentrirter und durch längere Zeit andauernder Einwirkung örtlich eine heftige liei-zung, Entzündung, Bläsehen und zuletzt auch brandige Zerstörung erzeugen. Die Sclnvefelverbindungen des Spiessglanzes bleiben da­gegen auf der Haut, im Zellgewebe und auf frischen Wundflächen selbst nach mehrtägiger Einwirkung ohne Spuren einer örtlichen oder allgemeinen Wirkung; die letztere wird bei ihnen nur von der Schleim­haut des Verdauungskanals vermittelt, #9632;während die örtliche auch hier, und selbst von grossen Gaben nur sehr gering ist. — Welche Verbin­dungen die Spiessglanzpräparate mit den organischen Substanzen ein­gehen, wie sie hierbei verändert, wo und wie sie aus dem Körper wie­der ausgeschieden weiden? — ist fast ganz unbekannt. Die Beobach­tung hierüber lehrt nur so viel, dass die Schwefelspiessglanzmittel im Thierkörper stets Hydrothionsäure entwickeln, welche zum Theil durch Külpsen und Blähungen, zum Theil auch durch das Atlimen wieder entfernt wird.
Den oben angedeuteten Wirkungen und der Erfahrung zufolge sind die Spiessghinzmittel im Allgemeinen da indicirt: wo der Vege-tatiorisprocess wegen Mangel oder wegen Unterdrückung der serösen Ab- und Aussonderungen gestört ist, — wo bei bestehender entzünd­licher Keizbarkeit seröse Flüssigkeiten im Zellgewebe oder in Holden angehäuft sind, — wo bei demselben Character Krämpfe, liheumatis-men, Stockungen in Drüsen u. s. w. bestehen, oder wo der Schleim in zu zäher Beschaffenheit abgesondert und hierdurch seine Ausleerung gehindert oder erschwert ist. — Man benutzt hiernach diese Mittel gegen viele und verschiedenartige Krankheiten, bald als Laxantia, Emetica, Dniretica, Diaphorctica und als Expectorantia, bald als um­stimmende und entzündungswidrige Mittel, äusserlich als ableitende und als Aetzmittel.
15) SchwefelsplessglanZj rahes Spiessglanz (Grausplessglanzerz), Stibium aulphm-atum nifjrum, Stibium sulphuratum crudiim,Aigt;1imonium crudum, Sidj/hurchim Stibii naiivum
s. vcnale niyrum.
sect;. 575.
Das reine Schwefelspiessglanz besteht in lOOTheilen aus 74 Thei-len Spiessglanzmetall und 26 Theilen Schwefel; das im Handel vor­kommende ist aber selten rein, sondern enthält noch andere metallische Stoffe, und am gewöhnlichsten etwas Arsenik (bis zu '/go), wodurch die Wirksamkeit des Mittels etwas modificirt wird '. Dieselbe ist
1 Die neue Preussische Pharmacopöe verordnet daher, um ein gleichförmiges und reines Präparat zu schaffen, dass das SchwefeUpiessglanz durch Zusammen­schmelzen aus Spiessglanzmetall und Schwefel bereitet werden soll. Zum thierarz-neilichen Gebraucheist jedoch, der Wohlfeilheit wegen, das natürliche Schwefel­spiessglanz zu benutzen, um so mehr, da bei seiner Anwendung, selbst in sehr grossen Gaben, kein Nachtheil von jenen fremdartigen Beimischungen bemerkt wurden ist.
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(einigermaassen ähnlich wie bei den Qaecksilbecpräparaten) haupt-säfhlich auf den Vegetationsprocess gericlitet und äussert sich bei Pferden durch Erregung des Appetits, durch Besserung der Verdauung und Asshnilatiun, durch liegulirung des zu zähen Schleims, durch leb­haftere Resorption (besonders von Flüssigkeiten im Darmkanal), durch jredeihliche Ernährung, Glattwerden der Ilaare, und durch stärkere Haut- und Lungenausdünstung. Die Ilautausdünstung wird zwar durch das Mittel niemals bis zum Schweiss verstärkt, sie giebt sieh aber vorzüglich bei Pferden durch vermehrte Ansannnlung von Schmilz (Hautschlacke) in den Ilaaren deutlich zu erkennen. — Diese Wir­kungen sind sehr mild, selbst von sehr grossen Gaben (z. 13. bei Pfer­den von 12—24 Unzen), und sie erfolgen mehrentheils nur bei anhal­tendem Gebrauche des Mittels deutlich bemerkbar; das lilutgcfäss-system wird dabei fast gar nicht aufgeregt, und vom Nervensystem scheinen nur die Gangliennerven und besonders der grosse sympathische und der Lungenmagennerv afücirt zu werden. Am meisten wird die Thätigkeit der Lymphgefässe und der Lymphdrüsen angeregt und ver­mehrt, wie man dies bei krankhaften Zuständen dieser Theile deutlich bemerken kann.
Nach Viborgs u. a. Versuchen' wirkt das Schwefelspiessglanz bei den Wiederkäuern verhältuissmässig schwächer als bei Pferden, Schweinen und Hunden. Bei den letzteren beiden entsteht von grossen Gaben (von '/^ Unze und darüber) zuweilen Erbrechen, sehr oft bleibt aber dasselbe aus. — Ueberhaupt zeigen sich die Wirkungen dieses Mittels sehr ungleich; — wahrscheinlich aus dem Grunde, weil das Spiessglanz, welches wie die übrigen Metalle nur in Verbindung mit Sauerstoff oder mit Säuren wirksam ist, durch die im Verdauungskanal vorhandenen Stoffe, unter Mitwirkung der Wärme bald mehr bald weniger vollständig oxydulirt wird, je nachdem die Umstände hierzu günstig sind. So viel ist wenigstens sicher, dass, wenn die Thicre viel trockenes Putter und weniges Getränk gemessen, die Wirkungen weit geringer sind als unter entgegengesetzten Umständen, und dass sie am stärksten erfolgen, wenn die Thiere säuerliches Getränk erhalten oder an Säure in den Verdaunngseingeweiden leiden. — Der in dem Mittel enthaltene Schwefel wird auf dieselbe quot;Weise im Verdauungskanal ver­ändert und trägt nach seiner Art zur Wirkung bei (sect;. 4U6). — Von dem Spiessglanzmetall wird jedoch, besonders wenn das Mittel in sehr grossen Gaben oder anhaltend angewendet wird, stets nur ein kleiner Theil auf die bezeichnete. Weise verändert und in die Säfte des Kör­pers aufgenommen; der grösste Theil geht mit dem Koth wieder ab, — erscheint dann aber mehr metallisch glänzend, weniger abrussend und ärmer an Schwefel. — Zuweilen hat man auch einen grossen Theil des Mittels (bei Pferden einige Pfunde) auf diese Weise verändert im Blinddarm und Grimmdarm angesammelt arefunden.
1 üeber die Wirkung der Spiessglanzmittel bei den Ilaustliieren. in den Veter. Selskab. Skrift. Ir. Deel. — und deutsch in: Toufl'el's Slagaz. für Thievheilk. Bd. 1. S. 310.
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sect;. 57G.
Das Schwefelspiessglauz wird als Heilmittel nur muerüch und gegen solche Kranklieiten angewendet, bei denen der Vegetations-process überhaupt. besonders aber die regelnlässige Thätigkeit und die normale Iioschaffenhoit der Lymphgefässe, der Lymphdrüsen und der Schleimhäute leidet. Am meisten benutzt man es daher bei den verschiedenen Arten und Formen Druse, Strengel, chronischem Ka­tarrh, bei veralteten Schleimflüssen aus den Respiratiousorganen \nid aus den Geschlechtstheilen, bei scropliulösen und herpetischen Leiden, bei veralteten Hautkrankheiten, bei dergleichen Mauke, beim unvoll­ständigen Ahhaaren, bei zu geringem, wechselndem Appetit, bei Ein­geweidewürmern, bei den Finnen der Schweine, beim liotz und Wurm der Pferde und dgl. Es ist auch bei dem chronischen -Rheumatismus und bei der sog-enannten Lähme der Lämmer, und wenn die Milch fehlerhaft ist, z. ü. sich nicht buttern lässt, mit gutem Erfolge ge­braucht worden1.
Die Gabe ist für Pferde * 2—l'/a Unze, für Rinder 1 — 2 Dnzen, für Schafe ' j—1 Unze, für Schweine 2 Drachmen bis 1 Unze, für Hunde ! 2 Scrupel bis 2 Drachmen, täglich zwei- bis dreimal. Bei grünem Futter kann man kleinere Gaben reichen, als bei trockenem. Zur Anwendung muss das Spiessglanz möglichst fein pulverisirt sein. Man giebt es in Pillen und Latwergen, zuweilen auch in Pulverform, mit bittern und aromatischen Mitteln, mit Ofenruss, Terpenthinöl, Kampher und dgl. Mitteln versetzt. — Säuren, saure Salze, säuer­liches Futter und Getränk muss man, wie bei dem Gebrauch aller Spiessglanzmittel, vermeiden, weil sonst bei Schweinen und Hunden leicht Erbrechen, bei Pferden aber zuweilen Kolik entsteht. (1 Unze H Pfg.. in Droguerien 1 Pfd. 11 Sgr., 1 Ctr. 9—12 Thlr.)
16) Rother Spiessglanzschwefelj illincralkci'iiu's, Stibium sulphuraium nibeum, Sulphur
stibiatum ntbrum, Kcrmcs mmende, SulpJiuretum Stiiii rubriim; und 17) Poiiicninzeii-
farbener Splessglanzschwefel, Goldschwefel, Stibium mlpJturaittm aurantiacum, Sulplmr
siibiaium aurantiacum, Stdphur Antimonü auratum, Subbisiilp/nin/mii Stibii.
sect;#9632; 577.
Diese beiden Spiessglanzpräparate sind in der Art ihrer Bestand-thcile sowohl einander selbst, wie auch dem rohen Schwefelspiessglanze sehr ähnlich: denn nach den Untersuchungen der besten Chemiker besteht der Mineralkermes aus 67 Proc. Spiessglanz und 00 Proc. Schwefel, der Goldschwefel aber aus 62 Proc. Spiessglanz und 38 Proc. Schwefel, — so dass nur ein Unterschied in der Quantität des Schwe­fels und Spiessglanzes Statt findet, und das rohe Schwefelspiessglauz am meisten, der Goldschwefel aber am wenigsten Spiessglanzmetall, der letztere dagegen am meisten Schwefel enthält. — Heide Präparate
1 In manchen Gesenden wird das Schwefelspiessglanz ancli zur Beförderung der Jlast bei Schweinen und Rindern, besonders bei den ersteren, angewendet.
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oi;
sind in Wasser imlöslich, sie zersetzen sich aber durch dasselbe bei Eimvirkmig der Luft und Wärme, noch mehr bei Einwirkung- der Säure, und sie entwickeln dabei Schwetelwasserstoffgas. Das letztere ist (siehe die Anmerkung bei Schwefelkali S. 449), so wie auch der Umstand, dass beide Präparate als ein sehr feines Pulver bestehen, für ihre Wirksamkeit gewiss von Bedeutung.
Wie in der Zusammensetzung, so sind auch diese Mittel in ihren Wirkungen auf den Organismus einander ähnlich. In massigen Gaben verursacht weder der Goldschwefel noch der Keimes bei einem Thiere bemerkbare Veränderungen. Von dem Kermes sah Viborg (a. a. O.) bei Pferden selbst nach 1—2 Unzen, in einer Mehlpille gegeben, nur vermehrten Appetit und härteres Misten1, — bei einer Kuh nach dem Eingeben von 1 Unze mit Wasser, blos etwas vermehrten Abgang von Koth und Urin, — bei einem 21/;;jährigen Widder, 16—18 Stunden nach dem Eingeben von '^—1 Uuze des Kermes, Abgang eines brei­artigen, hellgelben Mistes und eines helleren, reichlichen Urins. Bei einer kleinen Ziege trat ganz dieselbe Wirkung nach 2 Drachmen Ker­mes, mit Wasser gegeben, ein; aber bei einem einjährigen Eber erregte diese Gabe gar keine Zufälle; eben so waren 2—8 Gran bei jungen Hunden ohne Wirkung, und erst 20 Gran verursachten nach 13/4 Stun­den Erbrechen und Verminderung des Appetits. — Der Goldschwe­fel verhält sich bei gesunden Thieren in seiner Wirkung ganz auf dieselbe Weise, und ich sah selbst nach der ungemein grosseu Gabe von 3 Unzen, bei Pferden und Kühen nur den Koth heller gefärbt und lockerer, den Urin aber mehr gelblich gefärbt und reichlicher abgehen.
Xach mehrmals wiederholter Anwendung erzeugen aber beide Mittel, besonders bei kranken Thieren, dieselben Wirkungen, welche von dem schwarzen Schwefelspiessglanz bei dessen anhaltendem Ge­brauche zu entstehen pflegen (sect;. 575), — jedoch mit dem Unter­schiede, dass sie von dem Goldschwefel und Kermes schneller ein­treten, weit mehr auf Beförderung aller Absonderungen gerichtet, aber bei lange fortgesetzter Anwendung auch die Energie der Verdaiu;.ngs-eingeweide mehr schwächend sind, als die Wirkungen des schwarzen Spiessglanzes.
sect;. 578.
Kermes und Goldsehwefel wurden ehemals in der Thierarzuei-kunde (besonders in der Kossarzneikunde) sehr viel benutzt und zwar gegen Krankheiten, die durch Unterdrückung der Haut- und Lungen-ausdünstung entstanden und die in einer katarrhalischen oder rheuma­tischen Affection der häutigen Gebilde, besonders aber der Schleim-
1 Ein anderes Pferd, dem Viborg 1 Unze Kermes mit Wasser eingegeben, bekam Lungenentzündung und starb am 13. Tage.— Viborg sehliesst daraus: dass das Mittel in flüssiger Form sehr beftig wirke; allein aus der Hesebreibuug des Ver­suchs ergiebt sich als wahrscheinlich, dass bei dem Kingeben ein Theil der Flüssig­keit in die Luftröhre gelangt ist und hierdurch jene Wirkung auf die Lunge hervor­gebracht hat.
JU.
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haut der Respirationsorgane, der sehnigen Häute, oder in einem Leiden der Lymphgefiisse begründet sind; — daher fast allgemein gegen Druse., Bräune, Lungenentzündungen, die verschiedenen Arten des Hustens, Eheumatismen, Schleimdrüse, Räude, Flechten, Kotz, Wurm und dgl. Jetzt werden aber beide Mittel im Ganzen nur selten ange­wendet, theils weil sie sehr theuer sind, theils auch weil sie keine so ausgezeichnete Wirksamkeit besitzen, wie man ehemals ihnen zuschrieb, und weil man sie sehr oft durch wohlfeilere und eben so wirksame Mittel ersetzen kann. Am meisten nützlich sind sie noch, der Erfah­rung zufolge, bei Lungenentzündungen im Stadium der Abnahme, wenn der Husten beginnt locker zu werden, aber der Auswurf nicht in hinreichender Menge, nicht leicht und frei Statt findet; — unter den­selben Umständen auch bei katarrhalischer Bräune und bei katarrhali­schem Husten. Den Gold.schwefel (jedoch in Verbindung mit Fenchel-und Dillsamen) hat Walch als sehr wirksam gegen das Nachlassen der Milch empfohlen, wenn dasselbe bei gesunden Kühen und bei hin­reichendem und gutem Futter entstellt, und somit nur in einem Miss­verhältnisse der Secretion begründet ist.
Die Gabe ist von beiden Substanzen gleichmässig für Pferde und Binder 1—3 Drachmen, für Schafe und Schweine 1 Scrupcl bis 1 Drachme, für Hunde 2—12 Gran, täglich drei- bis viermal; und die Anwendung geschieht in Pillen und Latwergen, mit Süssholzwurzcl, Fenchel, Dill, Bilsenkraut, Digitalis, Opium, Salmiak, Kampher und dgl. dem jedesmaligen Krankheitszustaude entsprechenden Mitteln ver­setzt. Saure Salze, Alkalien und Säuren passen aber hierzu nicht, weil sie sich mit dem Kermes wie mit dem Goldschwefel gegenseitig zer­setzen {Stib. sulphur, rubeum 1 Scrupel 1 Sgr. 10 Pfg. — Stib. nul-phurat. aurantiacum 1 Drachme 2 Sgr. 10 Pfg-)-
18) Spicssglarizweinstoin, Brechweinstein, wpinsteiiisaures Kali-Spipssidaiizoxyd, Stibio-
Kali taritiricum, Tartarus stibiatus s. anti'monialü, Tartarus emeticus, Tart. kalico-
stibicics, Kali atibioso-iariaricum,
sect;. 579.
Der Brechweinstein ist ein, aus basisch weinsteinsaurem Spiess-glanzoxyd, neutralem weinsteinsaurem Kali und Wasser bestehendes Doppelsalz, welches in 15 Theilen kalten und 2 Theilcn kochenden destillirten Wassers sich vollkommen auflöst, und durch Alkalien, kohlensauren Kalk, Mineralsäuren, Hydrothionsäure und adstringirende Pflanzenstoffe zersetzt wird. Oertlich bewirkt der Brechweinstein im concentrirten Zustande an allen Weichgebilden heftige Reizung, Ent­zündung, Ausschwitzung, Anätzung, und in der Haut und Schleimhaut eine sogenannte Follicular-Schwärung mit kleinen pockenähnlichen Geschwüren. Im Magen und Darmkanal weiden diese Wirkungen noch verstärkt, indem der Brechweinstein durch die chlorigen Ver­dauungssäfte mehr oder weniger in Spiessglanzbutter umgewandelt wird. — In seinen allgemeinen Wirkungen übertrifft dieses Salz alle
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übx'igen Spiessglanzpräparate an Schnelligkeit, Stärke' und Ausbrei­tung. — Bei gesunden Pferden sieht man nach einer einzehien Gabe von 1—- Drachmen, sie mag' in flüssiger oder in anderer Form inner­lich beigebracht sein, gewöhnlich nur etwas vermehrtes Uriniren in den nächsten 12—2(1 Stunden erfolgen. — Werden aber solche Gaben von 1—2 Drachmen in Zwischenzeiten von i! — 4 Stunden und durch einen ganzen Tag oder länger wiederholt, so entsteht Verminderung in der Energie und Zahl der Pulse, stärker pochender Herzschlag, Verminderung der Zahl der Atheinzüge, vermehrte Absonderung an den Schleimhäuten, Mattigkeit; die Plasticität des Blutes mindert sich, der Koth geht weicher (zuweilen ganz dünn) und häutiger, der Urin ebenfalls reichlicher ab, — und bei zu lange fortgesetzter Anwendung tritt ein typhöser, mit sehr grosser Schwäche verbundener Zustand ein,
an dem die Thiere zu Grunde gehen können.
1', Unze,
einer Pille mit Mehl oder Altheewurzelpulver auf Einmal gegeben, entstellt massig vermehrte Absonderung an den Schleimhäuten, für kurze Zeit auch etwas schnellerer Puls, vermehrter Durst, Poltern im Leibe, oft wiederholtes krampfhaftes Aufheben und Strecken der Hin­terbeine; der Appetit ist mehrentheils gemindert, zuweilen aber auch ungestört; nach 16—24 Stunden endet die quot;Wirkung mit etwas reich lieber Ausleerung von mehr lockerem Koth und hellerem Urin. — Dieselbe Quantität Brechweinstein mit 9o Loth Wasser einem Pferde eingegeben, verursachte in der ersten Stunde sehr schnellen Puls, er-höhete Temperatur des Körpers, Kolikschmerzen, krampfhaftes Auf­heben der Hinterbeine, zuweilen Zittern, Verminderung des Appetits. Gewöhnlich tritt nach einigen Stunden eine Verminderung im Grade dieser Zufälle ein, aber an den folgenden Tagen sind sie wieder ver­stärkt, und mehrentheils enden sie mit dem Tode, der nach 6—8 Tagen durch tyjjhöse Lungenentzündung und durch Darmentzündung zu er­folgen pflegt. — Eine ganze Unze des Mittels in einer Pille oder in Latwergenform gegeben, wirkte zwar etwas heftiger und anhaltender, als eine halbe Unze, doch aber nicht tüdtlich; dagegen von einer sol­chen Gabe in flüssiger Form der Tod unter den beschriebeneu Zu­fallen und unter heftigen Krämpfen, und kaltem Schweisse schon nach etwa 8 Stunden, — von 2 Unzen in flüssiger Form gegeben aber selbst nach 21/2 Stunden erfolgte. (Viborg, a. a. O. S. 346 u. f.) — 3 Unzen, die ich einem kräftigen, aber unheilbar dämpfigen Pferde in Latwergenform gab, verursachten aussei- jenen Zufällen auch eine Ver­minderung der Athemzügo von 40 auf 17 pr. Min., Entzündung der Maulschleimhant, gelbe Blasen und später ofi'enc, angeätzte Stellen an derselben, zuletzt völlige Lähmung des Hintertheils, und am vier­ten Tage den Tod. •— In der Thierarzneischule zu Alfort gab man 2 Pferden, deren Respirationsorgane vorher als ganz gesund ermittelt waren, bei leerem Magen auf einmal 120 Grammen (gegen 3 Unzen und 6 Drachmen) Brechweinstein, und so auch am folgenden Tage. Sie starben am dritten Tage, und zeigten bei der Section eine heftige
1 Mit Ausnahme der Aotzkraft, welche in der Spiessglanzbutter nin stärksten ist.
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Entzündung der Lungen und in der ganzen Sdileimliaut des Dick­darms blatterälmlielie Erliöliungeu. Bei anderen Pferden gab man #9632;während 8 Tagen in immer steigender Gabe die enorme Quantität von 1500 Grammen (fast 47 Unzen), worauf der Tod erfolgte. Im Darm­kanal fand man dieselbe Veränderung-, und die Lungen mit sckwarzem Blut intiltrirt, älmlieli wie bei dem Milzbrande. Bei mehreren Ver­suchen ergab sich: dass junge Pferde, die nur mit mehlhaltigem Putter genährt wurden, schon von Go Grammen in eine tödtliche Darment­zündung verfielen, während sie, wenn sie mit Hafer und Heu gefüttert wurden, das Doppelte ertrugen. Die in den letzteren Nahrungsmitteln enthaltene Gallussäure, welche den Brechweinstein zersetzt, bedingt diesen Unterschied {Recueil de mcd. ve'te'r. 1840, p. 544).
Auf die Wiederkäuer wirkt der Brechweinstein schwächer, als auf Pferde. Gesunde Kühe zeigten bei meinen, wie bei Viborg's Versuchen, nach dem Eingeben von 2 Drachmen bis 1 Unze dieses Mittels gewöhnlich keine auffallende Veränderung in irgend einer Verrichtung des Körpers; in einzelnen Fällen sah ich nur nach '/s ^is 1 Unze stärkere 8clileimsecretion und vermehrtes Uriniren erfolgen; und bei einer Kuh blieben selbst 4 Unzen und 2 Drachmen, welche innerhalb 4 Tagen in gethellten Gaben gereicht wurden, ohne deut­liche Wirkung. Dagegen sah Puffert einen Stier von 1 Unze des Mittels in Leinsamenschleim gegeben, Leibschmerzen bekommen und plötzlich sterben. Gilbert (A)maL de Vagricult. franq. T. o. p. 343) sah bei einer Kuli nach 10 Drachmen, in Auflösung gegeben, keine Wirkung. Die Form, in welcher das Mittel angewendet wird, macht hier keinen so grossen Unterschied im Grade der Wirkung, wie bei den Pferden. — Bei Schafen scheint dies jedoch der Pali zu sein; denn bei Daubenton's Versuchen an diesen Thieren (Mem. de la Soc. royal, de Medec. an. 1780 und 81. p. 250, — deutsch in: Anserlcs. Beitr. z. Thierarzn. Bd. 1. S. 193) blieben 4—3G Gr., in einem Bissen gegeben, ohne 'Wirkung, — während bei einem andern Schafe schon von 32 Gr., in Auflösung angewendet. Auftreibung des Leibes, Zähne-knirschen und ein, durch 2 Tage dauernder, Durchfall entstand. Viborg (a. a. 0.) gab einem jährigen Schafe 1 Drachme, — Gilbert selbst 3 Drachmen in flüssiger Form, und 4 Drachmen in einer Mehl-pille, ohne dass eine wahrnehmbare Wirkung erfolgte; aber G Drach­men in letzterer Form gegeben, tödteten ein Schaf; 20 Gr. wurden dagegen in fester und in flüssiger Form von mehreren Schafen ertragen, ohne dass gefährliche Zufälle eintraten1.
Auch bei Schweinen wirkt der Brechsteinwein nicht so stark, wie man gewöhnlich glaubt. Zuweilen sah ich bei ihnen von 10—20 Gran, in Auflösung gegeben, Ekel, Geifern aus dem Maule, Mattigkeit und Erbrechen entstehen; niemals trat letzteres von weniger als 10 Gran ein, und oft blieb es selbst nach 20 Gran aus. Viborg sah ebenfalls von 20 Gran bei einem jährigen Schweine blos den Puls etwas ge-
1 Siehe auch Versuche über die Wirkung des Brechweinsteins bei Sehafvieh; von Dr. Spinola, in Nebel n. Vix Zeitschrift f. d. gesainmte Thierheilk. Bd. 3. S. 41.
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schwinder werden, übrigens aber die Munterkeit und die gewöhnliche Fresslust fortbestehen. Als dasselbe hierauf 1 Drachme bekam, zeigte es die nämlichen Zufälle, und zugleich heftigeres Flankenschlagen, doch ohne weitere Folgen. — Bei einem 9 Monat alten Ferkel war '/o Drachme in Auflösung gegeben, ganz ohne Erfolg; aber 1 Drachme in 24 Unzen Wassers gelöst, verursachte bei einem 9monatigen Eber Erbrechen, welches 15 Minuten nach dem Eingeben entstand und durch l,/4 Stunden fortdauerte, worauf scheinbare Munterkeit, dann aber wieder Stöhnen, Appetitlosigkeit und Mattigkeit folgten. Am dritten Tage zeigte sich jedoch das Thier wieder völlig gesund. — Von 2 Drachmen Brechweinstein, die in 16 Unzen Wassers gelöst einem 9 Monat alten Eber gegeben wurden, entstanden nach l1/. Stun­den fünfmaliges Erbrechen, Appetitlosigkeit, Betäubung, dann nach mehreren Stunden Durst, nach geschehenem Saufen erneuetes Er­brechen, am folgenden Tage nach anscheinender Besserung Krämpfe und bald darauf der Tod.
Bei Hunden und Katzen entsteht nach Verhältniss ihrer Grosse, von 2 — 8 Grau Brechweinstein, Ekel und ziemlich leicht und sicher auch Erbrechen, ohne dass andere Zufälle, als die mit dem Er­brechen gewöhnlich verbunden sind, erfolgen. Selbst Gaben von 1 Drachme und darüber, sind von Hunden gut ertragen worden, wenn das Erbrechen bald und ungehindert Statt fand; denn durch dasselbe wurde das Uebermaass des Mittels wieder aus dem Magen entfernt, ehe es seine vollständige Wirkung entwickeln konnte. War aber das Erbrechen durch Unterbindung des Schlundes oder durch ähnliche Ur­sachen gehindert, so starben die Thiere schon nach 4 — 8 Gran inner­halb 2—3 Stunden (Orfila, Toxicologie, Bd. 1. S. 336).
Hühner und andere Vögel erbrechen sich nach 1 — 3 Gran dos Mittels recht leicht.
In die Blutadern gespritzt, verursacht der Brechweinstein bei Pferden in der Gabe von 10 Gran bis 1 Drachme, und in der 15 — 20faclien Menge warmen Wassers gelöst, sogleich schnellere, kurze Eespiration, harten, sehr kleinen und vermehrten Puls, erhöhetc Tem­peratur, Gähnen, Kollern im Leibe, Kothentleerung, die sich gewöhn­lich in einigen Minuten mehrmals wiederholt, und zuweilen auch Ab­gang von hellem Urin. Der Appetit wird wenig oder gar nicht gestört. Im höhern Grade der Wirkung wird der Puls fast unfühlbar und über 120 Schläge in der Minute vermehrt, das Athmen röchelnd, krampf­haft, der Koth dünnflüssig; es entsteht Schweiss, Thränenfluss, Spei­cheln, beständiges Lecken mit der Zunge an den Lippen, Kauen, Recken, Unruhe, Kratzen mit den Füssen, Umsehen nach dem Leibe, Zittern, krampfhaftes Zucken in den Muskeln der Schulter, des Halses und der Schenkel. Die letztern Zufälle sind mehrentheils die Folge grosser Gaben, entstehen aber nicht immer gleichmässig und vollständig nach denselben. Ueberhaupt ist die Wirkung im Grade und in der Dauer sehr ungleich; die letztere erstreckt sich von 15 Minuten bis auf einige Stunden. Von weniger als 10 Gran sah ich nur äusserst selten eine erkennbare Wirkung erfolgen; aber die Injection von
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2 Drachmen Brechweinstein. in 4 Unzen Wassers gelöst, führte stets sehr heftige Zufalle, Krämpfe, Schwindel, Lähmung, und den Tod nach 11J2—3 Stunden herbei. Die nach massigen Gaben fast nie aus­bleibende Wirkung auf den Darmkanal bemerkte ich nach so grossen, tödtlichen Gaben nicht. — Bei Kühen sind Injectionen von denselben Gaben, wie bei Pferden, auch mit denselben Wirkungen begleitet; zu­weilen entsteht aber auch sehr starkes, dem Erbrechen ähnliches Rülpsen, mit Auswurf von Schleim und etwas Futterstoffen. — Ein junger Ziegenbock erschien einige Minuten nach der Injection von 4 Gran, in 5 Drachmen Wasser aufgelösten Brechweinsteins ganz matt, der muntere Blick verschwand, der Puls wurde klein und geschwind, das Athmen angestrengt, der Bauch gespannt und innerhalb der ersten Stunde wurde fünfmal Mist entleert, welcher zuletzt weich und zusam­menhängend abging. Nach 4 Stunden waren alle Zufälle vorüber (Viborg). — Bei Schafen entstand nach dem Einspritzen von 5 — 6 Gran dieselbe Wirkung, aber im heftigem Grade und bis zum folgen­den Tage dauernd. — Bei Hunden trat von 1 — 2 Gran erst nach 1/2 Stunde Ekel und leichtes Erbrechen, ohne weitere Folgen, ein; 4 Gran bewirkten Mattigkeit, mehrmals wiederholtes Erbrechen, be­schwerliches Athmen. unregelmässigen, aussetzenden, schnellen Puls, Zittern, Convulsionen und zuweilen nach 16— 24 Stunden den Tod. Letzterer trat nach dem Einspritzen von 6 — 8 Gran schon binnen 1 Stunde, und von 12-—18 Gran schon nach '/, Stunde ein. Hatte man aber nach Magendie's Vorgange beide Nerven des achten Paares durchschnitten, um die speeiiische Wirkung des Brechweinsteins auf diese Nerven zu untersuchen, so starben die Thiere nach der Injection von 12—18 Gran erst in 4 Stunden.
In Wunden gebracht wirkt der Brechweinstein bei kleinen Thieren ebenfalls sehr heftig. Von 11I.2 — 5 Gran auf diese Weise applidrt, starben Hunde und Katzen nach einigen Stunden.
sect;. 580.
Bei kranken Thieren zeigt sich, selbst nach kleinen Gaben, die Wirksamkeit des Brechweinsteins deutlicher und vielseitiger, als bei gesunden, und sie äussert sich in den einzelnen Fällen tlieils durch vermehrte Hautausdünstung (bei Pferden und Kindern oft durch Schweiss), durch stärkere Lungenausdünstung, vermehrte xVbsonde-rung des Schleims, daher durch leichteren Auswurf und lockeren Husten, durch verstärkte Ab- und Aussonderung der Galle, reichliche ürin-secretion und lebhafte Resorption ergossener wässeriger Flüssigkeiten; — theils durch Minderung der übermässigen Contractilität und der krankhaft aufgeregten Irritabilität, durch Aufregung und Umstimmung der Nerventhätigkeit, besonders in den Organen der Brust- und Bauch­höhle, daher durch Beseitigung krampfhafter Zustände, durch bessere Verdauung und erneuetes, lebhafteres Wiederkäuen; — theils auch bei Schweinen, Hunden, Katzen und Vögeln, durch Erbrechen und Ausleerung unverdaulicher und anderer schädlicher Stoffe aus dem Magen u. s. w.
Hertwio, Arzneimittellehre.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 37
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Dieser Heilwirkungen wegen ist A. die innerliche Anwendung des Brechweinstein angezeigt:
1)nbsp; nbsp;gegen acute rheumatische und katarrhalische Krankheiten über­haupt, vorzüglich aher, wenn dieselben erst frisch entstanden und mit einem Entzündungscharacter versehen sind; daher gegen katarrhalische und rheumatische Fieber bei allen Thieren, gegen entzündliehe Druse der Pferde, gegen katarrhalische Bräune, gegen katarrhalische und rheumatische Augenentzündung, gegen die Staupe der Hunde, im ersten Stadium, gegen entzündlichen Lungenkatarrh, katarrhalische und rheumatische Lungen- und Brustfellentziindungen, gegen dgl. Ent­zündungen des Bauchfells, der Leber, der Harnblase, gegen rheuma­tische Kolik und dgl. Harnverhaltung, gegen Rheumatismus der Glied-maassen (JRehe), gegen rheumatische Euterentzüudnng (wie sie beson­ders bei Kühen oft als sogenannter Einschuss vorkommt), gegen die rheumatische acute und sehr schmerzhafte Geschwulst der innern Fläche der Hiuterschenkel bei Pferden, selbst gegen rheumatische Lähmungen, z. B. gegen die sogenannte Lähme der Füllen und beson­ders der Lämmer und dgl. — Bei diesen Krankheiten, die sämmtlich durch Störung der Ab - und Aussonderungen, hauptsächlich durch Unterdrückung der Haut- und Lungenausdünstung entstehen, und die in den Schleimhäuten, in den fibrösen und serösen Häuten ihren vor­herrschenden Sitz haben, — ist der Brechweinstein unter den vorhin bemerkten umständen ein fast allgemein 2iassei^les, und mehrentheils sogar das vorzüglichste Heilmittel, durch welches eine gute Krisis und binnen kurzer Zeit die Heilung herbeigeführt wird. Bei den genannten Entzündungen, selbst wenn sie einen hohen Grad erreicht haben, kann die etwas reichliche Anwendung dieses Mittels sehr häufig den Ader-lass und die änsserlich ableitenden Eeizmittel entbehrlich machen. Dies ist jedoch nicht der Fall bei solchen Entzündungen, deren Character rein sthenisch (syuochös) und deren Sitz tief im Parenchym der Organe ist; denn hier zeigt sich in der Kegel die Anwendung des Salpeters weit zweckmässiger, als die des Brechweinsteins, und bei einem hohen Grade dieser Entzündungen ist der Aderlass weder durch das eine, noch durch das andere Mittel vollkommen zu ersetzen. Ebenso steht der Brech­weinstein dem Calomel bei solchen Entzündungen sehr nach, bei denen der Uebergang in plastische Ausschwitzungen oder Verhärtungen Statt findet. — Gegen die Bräune der Schweine wird der Brechweinstein nicht nur als Heilmittel, sondern auch als prophylaktisches Mittel in grossen Gaben benutzt.
2)nbsp; nbsp;Gegen den Anthrax bei dem Rindvieh ist er in dem hin und wieder berühmt gewordenen Mühlenh of'sehen Mittel gebraucht. Das­selbe besteht aus Tart.stibiat. 1—l'/oDrachmen; 01. terebinth. 2 Scrupel bis 1 Drachme; Decoct. Semin. Lini 36 Unzen pro Dosi. Man giebt am ersten Tage 6 — 8 solcher Gaben, bis die Krankheitszeichen ver­schwunden sind, dann am folgenden Tage nur noch 3—4 Gaben. Bei sehr heftigem Auftreten der Krankheit ist dabei ein Aderlass, Einreiben der Brechweinsteinsalbe und die Application kalter Glystiro noting.
3)nbsp; nbsp;Gegen verschiedene gastrische Krankheiten, besonders aber.
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wenn dieselben durch Störungen der Absonderungen entstanden sind, und wenn sie durch Appetitlosigkeit, gelblich - schmuzige Farbe und Trockenheit der Maulschleimhaut, oder Ansammlung von zähem Schleim im Maule, widrigen Geruch aus demselben, Neigung zum Erbrechen (bei Thieren, die sieh erbrechen können), Lnthätigkeit der Verdauungs­eingeweide (bei Wiederkäuern träges oder gänzlich unterdrücktes Wiederkäuen), seltene Darnientleerung und Abgang von zu trockenem, schlecht verdautem Koth sich äussern. Ob solche Krankheiten mit oder ohne Fieber bestehen, ist nicht wesentlich. Mau giebt daher den Brechweinstein bei gastrischem Fieber, bei Uebertullung des Magens, bei Verschleiinung desselben, bei chronischer Unverdaulichkeit, bei Verstopfung und Vertrocknung des Futters im Löser, bei Würmern im Darmkanale, bei der sogenannten blauen Milch, bei der Lecksucht und dgl.
4)nbsp; nbsp;Gegen Nervenkrankheiten, — vorzüglich gegen solche, die nicht rein nervös, sondern mit gastrischen oder mit rheumatischen Zu­fällen complicirt sind: daher z. B. gegen den Dummkoller, wenn er als sogenannter Magenkoller bei Pferden entsteht, die zu reichlich nahrhaftes Futter und nur geringe Bewegung erbalten, die einen dicken Leib, gelblich gefärbte Scbleimhaut- des Mauls u. s. w. (wie vorher sub 3) zeigen; ebenso gegen rasenden Koller, wenn derselbe nach Ge­burten und nach plötzlichem Aufhören des Säugens entstanden ist. Das Mittel wirkt hierbei sowohl durch Lmstimmung der Empfindlich­keit, vie auch durch Beseitigung des gastrischen, galligen Zustandes, und durch die stärkere Eesorption des Wassers im Gehirn sehr heil­sam, darf aber bei grosser Schwäche nur sebr vorsichtig und mit Unter­brechung gegeben werden. Ebenso ist der Brechweinstein gegen den rheumatischen Starrkrampf, gegen nervöse Dämpfigkeit und (wie be­reits sub 1 bemerkt) gegen die Lähme der Füllen und Lämmer, wie auch gegen krampfhafte Harnverhaltungen, und bei Hunden und Schweinen gegen Convulsionen, die durch Ueberfüllung des Magens entstanden sind, häufig mit Nutzen angewendet worden. — Das Mittel ist auch sehr hilfreich bei schweren Geburten, wenn dieselben entweder laquo;) durch zu grosse Contractilität und Irritabilität des Muttermundes und der Vagina verzögert sind, oder b) wenn zu heftige, zu anhaltende, krampfhafte Wehen gleichsam übereilt Statt finden, ehe der Muttermund sich hinreichend erweitern konnte.
5)nbsp; nbsp;Gegen scrophulöse und überhaupt chronische Drüsenleiden, gegen Flechten, Hautjucken und gegen das Wollfressen der Schafe ist er in kleinen Gaben in Verbindung mit bittern, aromatischen Mitteln (Stib. sitlph. nigr.) empfohlen.
6)nbsp; nbsp; Gegen Wassersuchten und wässerige Ansammlungen. Der Brechweinstein ist hier ein sehr kräftiges Heilmittel, indem er die lie-sorptiou und die Ausleerung der ergossenen Flüssigkeiten sehr beför­dert. In mehreren Fällen sah ich diese Wirkung ausserordentlieh schnell und in einem überraschenden Grade erfolgen; allein sie war fast (niemals dauernd, wenn sie nicht durch andere Mittel unterstützt wurde.
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7) Gegen Vergiftungen durch narkotische Pflanzen, und gegen andere verschluckte, unverdauliche Substanzen, bei Verschleimung und dgl. als ein wirksames Ausleerungsmittel, — jedoch nur bei Thieren, die sich erbrechen können.
Bei Magen- und Darmentzündungen ist die innerliche Anwendung dieses Mittels überall schädlich.
B.nbsp; nbsp;Die Injection des Brechweinsteins ist gegen acuten und chro­nischen Rheumatismus, gegen Unverdaulichkeit bei Pferden und Kin­dern, besonders bei letztern nach dem Genuss von zu reichlichem Körnerfutter, und gegen den Dummkoller der Pferde, wenn Störungen in der Pfortader damit verbunden waren, oft sehr nützlich gewesen; bei dem Starrkrampf hat sie dagegen fast niemals die Heilung beför­dert, oft aber geschadet. — Bei Entzündung der Eingeweide und bei Blutandrang zum Kopfe darf sie nicht angewendet werden.
C.nbsp; nbsp;Aeusserlich wird der Brechweinstein 1) zuweilen in schwacher Auflösung zur Beförderung der Kesorption bei Verdunkelung und Flecken der Hornhaut, — oder 2) in Salbenform als ableitendes Reiz­mittel, bei Entzündungen des Gehirns und seiner Häute, des Brustfells, der Lunge, der Nieren und der Gelenke (z. B. bei Spatt). bei Epilepsie und anderen heftigen Krämpfen benutzt, wenn man die Canthariden und andere, die Irritabilität aufregende Reizmittel vermeiden will. In allen übrigen Fällen ist er für diesen Gebrauch zu theuer; wie denn überhaupt seine Anwendung bei den grossen Thieren, und wenn er aus den Apotheken verordnet wird, sehr kostspielig ist.
sect;. 581.
Die Gabe vom Brechweinstein ist bei den verschiedenen Krank-heitszuständen etwas verschieden. Bei katarrhalischen und rheumati­schen Leiden, bei gastrischen Zuständen, bei Nervenkrankheiten und Wassersüchten, und überall, wo man blos gelind die Ab- und Ausson­derungen befördern oder die Resorption bethätigen will, giebt man ihn den Pferden zu 1 Scrupel bis 1 Drachme, Rindern zu 1—2 Drachmen, Schafen 2—6 Gran, Schweinen 2—4 Gran, Hunden '/j—2 Gran, täg­lich zwei- bis dreimal. — Bei Entzündungen müssen diese Gaben für Pferde, Rinder und Hunde verdoppelt, für Schafe und Schweine aber verdreifacht, und täglich drei- bis viermal gereicht werden. Tritt dünnes Misten ein, so ist es jederzeit nöthig, das Mittel auszusetzen. — Als Brechmittel giebt man für Schweine 6—20 Gran, für Hunde 2—6 Gran, für Katzen und Geflügel 1—3 Gran. — Zu Injectionen in die Venen nimmt man für Pferde und Rinder 10 Gran bis 1 Drachme, für Schafe und Schweine 2—4 Gran, für Hunde 1—3 Gran. —
Die innerliche Anwendung geschieht bei Pferden am besten in Pillen und Latwergen, bei den Wiederkäuern ebenso, wenn man haupt­sächlich auf den Vormagen wirken will, in flüssiger Form aber, wenn die Wirkung auf den Labmagen und Darmkanal, oder auf den ganzen Körper schnell erfolgen soll. Es ist zweckmässig, den Brechweinstein vollständig aufgelöst zu den Latwergen und Pillen zu setzen, weil hierdurch die Anätzungen im Maule vermindert werden, die sonst leicht
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erfolgen, wenn das Mittel ungelöst in der Arznei besteht. Bei Schweinen und Hunden kann man das Mittel, wo es zur Beförderung der Resorp­tion u. s. w. in kleinen Gaben angewendet wird, in jeder Form geben: — als Brechmittel wirkt es aber in flüssiger Form am schnellsten und stärksten. Alle Auflösungen werden mit wenigstens der löfachen Menge Wassers gemacht. Zum Brechmittel darf man jedoch von letz­terem nicht viel mehr nehmen, weil sonst Laxiren erfolgt. — Man ver­bindet das Mittel bei Eutziindungen mit etwas Althee oder Süssholz, und wo die Krankheit mehr einen sthenischen Character besitzt, oder wo Hartleibigkeit besteht, mit Glaubersalz, bei plastischen Entzün­dungen auch mit Calomel; — bei gastrischen, katarrhalischen und ner­vösen Zuständen mit bittern und aromatischen Mitteln, mit Kampher, TerpenthinÖl, stinkendem Thieröl und dgl., — bei Wassersüchten, nach Verhältniss des Characters, mit Digitalis, Taback, Wachholder-beeren u. s. w.; doch niemals mit adstringirenden Mitteln und beson­ders nicht mit China., weil diese Mittel ihn chemisch zersetzen und un­wirksam machen K — Als Brechmittel kann der Brechweinstein für sich allein gegeben werden; zweckmässiger ist es jedoch in den meisten Fällen, ihn mit einer vollen Gabe der Ipecacuanha zu verbinden.
Zur Injection in die Venen nimmt man für Pferde und Rinder 5 — 20 Gran, für Schafe und Schweine 3 — 5 Gran und für Hunde ^2—2 Gran in einer einfachen Auflösung von 1 Theil Brechweinstein in 15—24 Theilen destillirten Wassers.
Aeusserlich benutzt man bei den Augenflecken eine Auflösung von 40 — 50 Theilen destillirten Wassers oder eines aromatischen Aufgusses (1 Theil). Als ableitendes Mittel dient die Brechwein-steinsalbe, Autenrieth'sche Salbe {üng. Tart. stihiatis. Ung. Stibio-Kali tartarici), die gewöhnlich (und ebenso nach der Preussischen Phar-macopöe) aus 1 Theil Brechweinstein und 4 Theilen Schweineschmalz bereitet ist, aber zum thierärztlichen Gebrauche etwas stärker sein kann. Auch hier ist es zweckmässig, den Tart. stib. erst mit ein wenig Wasser abzureiben und dann mit dem Fett zu mengen. Walch em­pfiehlt gegen die Lungenseuche des Rindviehes als besonders wirksam folgende zusammengesetzte Brechweinsteinsalbe: Man nimmt Brech­weinstein 3 Theile, frisch gepulverte Canthariden und Euphorbium, von jedem 1 Theil, Basilicumsalbe 8 Theile, und so viel Terpenthinöl, als zur Bereitung einer dickflüssigen Salbe nöthig ist. Sie wird an jeder Seite der Brust auf einer ungefähr 4 Quadratzoll grossen Stelle, von welcher vorher die Haare abgeschoren sind, eingerieben. (Brech­weinstein 1 Drachme 1 Sgr. 10 Pfg., — Brechweinsteinsalbe 1 Unze 5 Sgr. 2 Pfg.)
Anmerkung. Die salzsaur e Spiessglanzaufl ösung, Spiessglanz-Viutter, oder das Chlorspiessglanz {Liquor Stihii chlorati s. muriatici, Liq. Chloreti slibici, Marias Stihii oxydati, Chlorurettim Stihii, Bntyrum Antimonii) ist eine
1 Man hat deshalb die China als das beste Gegengift bei heftigen Zufällen nach zu grossen Gaben des Breehweinsteins empfohlen; auf 2 Gran des letztern soll man 1 Drachme China in Decoet oder in Pulver geben. Chinin leistet hier­gegen nichts.
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Verbindung von Spiessglanz und Salzsäure, gewöhnlich von etwas dickflüssiger Con-sistenz. Sie ist eins der stärksten Aetzmittel; indem sie die organischen Gebilde durch chemische Zersetzung sehr schnell und ohne grossen Schmerz zerstört, dringt sie tiefer ein als der Höllenstein, macht weisse, festere Schorfe als dieser, hinterlässt aber nach dem Abgehen des Schorfes keine so gute Eiterfläclie wie der letztere. Man benutzt sie zur Zerstörung von Ansteckungsstoft'en und Giften in Wunden und Geschwüren, z. li. des Wuth-Contagiums, des Schlangengiftes, — ebenso zur Zer­störung von Polypen, von Warzen, von Callositäten (besonders in Fisteln), von sehr üppiger Granulation, z. B. bei dem Strahlkrebs und dgl. Auch gegen das bösartige Klauenweh ist sie von Rysz und A. empfohlen, darf aber nur bei äusserster Hart­näckigkeit des Uebels, und nur sehr vorsichtig angewendet werden, wenn man damit nicht mehr schaden als nutzen will. Die Application geschieht überall am besten mit einem kleinen Pinsel von Werg, und immer recht sparsam auf Einmal; die An-wendungsstelle muss vorher ganz rein und trocken gemacht sein, und die zunächst liegenden Theile müssen nöthigenfalls durch Bestreichen mit Fett oder Gel geschützt werden. Ueberhaupt gilt die Vorsicht, wie bei Anwendung der concentrirten Säuren (sect;. 439). (1 Unze 4 Sgr.)
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K. Zink, Zincum,
19) Schwefelsaures Zinkoxyd, ZinkTitriol, veisser Vitriol, veisser Kupferrauch, raquo;eisser
Galiltzenstein, Zinmm (oxyda(um') sulp/iuricum, Vitriolum Zinci s. Albtim, Sulphas
zincictts cum aqua.
%. 582.
Dieses Zinksalz besteht im krystallinischcn Zustande aus circa 32 Proc. Zinkoxyd, eben so viel Schwefelsäure und 36 Proc. Wasser, und löst sich in 21/2 Theilen kalten und in weniger als gleichen Theilcn kochenden Wassers auf. — Innerlich angewendet, verursacht es bei Thieren, die sich erbrechen können, schon in kleinen Gaben schnell und kräftig Erbrechen, — in grossen Gaben aber ebenfalls Erbrechen und bei allen Thieren Kolik, Laxiren, Athembeschwerden, grosse Schwäche, Kälte der Ohren, der Füsse etc., Betäubung und Lähmung, zuweilen auch Zufälle von Entzündung des Magens und der Därme. — Durch seine Injection in die Blutadern entsteht bei Hunden von 3—6 Gran Erbrechen, Betäubung, Lähmung, und nach grossen Gaben auch der Tod, bald plötzlich, bald mehr langsam. — In schwachen Auf­lösungen auf Wunden, Geschwüre und auf die Haut angewendet, wirkt das Mittel sehr zusammenziehend (etwas weniger als das essigsaure Blei), gelind erregend, die Resorption befördernd, und an absondernden Flächen sehr stark austrocknend. Ebenso, aber verhältnissmässig noch stärker, ist auch die örtliche Wirkung des pulverisirten Zink­vitriols in Wunden und Geschwüren. — Die reichliche Application des pulverisirten Zinkvitriols (1 — 2 Drachmen auf Einmal) auf Wunden im Zellgewebe, war bei Hunden mit Unempfindlichkeit, mit Lähmung der Gliedmaassen und nach 5—6 Tagen mit dem Tode begleitet. Das Mittel wird bei dieser Anwendung resorbirt und veranlasst hierdurch fast immer zugleich Entzündung und sogar Anätzung des Magens.
Innerlich wird der Zinkvitriol nur zuweilen als ein sehr sicheres und kräftiges Brechmittel benutzt, besonders bei Vergiftungen durch narkotische Stoffe. Die Gabe ist für Schweine 10—15 Grau, für Hunde
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2 — 5 Gran, und die Anwendung geschieht in Auflösung mit etwa 100 Theüen lauwarmen Wassers. Chiovitta will auch bei Pferden gegen die üblen Zufälle von zu grosseu Gaben der Belladonna den Zinkvitriol in Gaben von 1 Scrupel bis 1 Drachme, mit Kleie und Wasser gemengt, mit sehr gutem Erfolge angewendet haben (Froriep's Notiz. 1836. Nr. 1022).
Aeusserlieh dient das Mittel bei asthenischen Augenentzündiuigen, die mit Schlaffheit und Auflockerung der Conjunctiva und mit leich-lichem Schleimfluss verbunden sind, bei dergleichen Flecken undNai'ben auf der durchsichtigen Hornhaut; bei Erschlaffung der Schleimhaut in der Nase oder an den Genitalien; bei grossen, aber noch weichen, oder bei frisch ausgetretenen Gallen; bei schlaffer, üppiger Granulation 'n Geschwüren und Wunden, besonders am Hufe, z. B. bei eiternden Steingallen und bei Strahlkrebs; bei gutartiger Manko; bei dem gut­artigen und bösartigen Klauenweh; bei alter, sehr nässender Räude und dgl.
Man benutzt es bei den bezeichneten Augenkrankheiten sowohl in Auflösungen (1 Theil auf 100 —150 Theilen Wassers oder aroma­tischer Flüssigkeit), wie auch in Salben mit 10—20 Theilen Fett oder Honig) — und zuweilen auch in Pulverform, mit Zucker und dgl. — Für die übrigen Krankheitszustände sind mehr concentrirte Auflö­sungen von 1 Theil Zinkvitriol in 8—16 Theilen Flüssigkeit, — oder für eiternde Flächen mit sehr schlaffer Granulation, auch eine Mengung mit Blciwasscr oder selbst der Ziukvitriol in Pulverform am zweck-mässigsten zu benutzen. (1 Unze 2 Sgr. 2 Pfg.)
Anmerkung 1. Der essigsaure Zink {Zinc. acetimm)(0), bisher in derThier-arzneikunst wenig angewendet, wirkt in massiger Gabe zusammenschrumpfend, tonisch , die Absonderungen vermindernd, — in grossen Gaben Erbrechen erregend und laxirend. Marcus und S tein hoff haben es mit sehr gutem Erfolge gegen chronische, mit Erschlaffung des Darmkanals verbundene Diarrhöe bei Pferden und Rindvieh, und ebenso gegen die Ruhr der Schafe angewendet. Gabe: für Er-stere */laquo; Drachme, für Letztere 1 Scrupel, täglich viermal, in schleimiger Flüssig­keit. (Bericht über die 2. Versamml. d. Vereins Meoklenb. Thierärzte. Schwerin 1847.)
Anmerkung 2. Der Chlorzink, salzsaure Zink, die Zinkbutter {Zincnm chloratum, Chlonu s. 3Inrias Zinci, Zinc, viuriaticnm, Buttjrnm Zinci), besteht als eine consistente Flüssigkeit und auch in trockener Form. In letzterer ist das Präparat aber auch sehr leicht auflöslich. Es ist das stärkste und am tiefsten ein­greifende Aetzmittel und nur als solches benutzt bei Krebs, Markschwamm, Schwie­len. Caries und dgl. Die Anwendung kann als Pulver mittelst Aufstreuen geschehen, am besten 2 Theile Chlorzink mit 3 Theilen pulverisirten Gyps (weil Erstercr für sich allein leicht zerfliesst); — oder in Auflösung 4—10 Gran auf '/a—^Vs Uuze destil-lirten Wassers, die Geschwüre täglich ein- bis zweimal damit zu bestreichen, bis ein Schorf entstanden ist; — oder in Salben 1 Theil zu 4—8 Theilen Schmalz, ebenso lange applicirt. Das Ablösen der Schorfe kann man mit Breiumschlägen oder Be­streichen mit Fett befördern. (1 Drachme 3 Sgr. 6 Pf.)
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REGISTEE.
Aalruppenfett. 89. Absorption der Arzneimittel. 7. Abführende quot;Wirkung. 15. Acetaä plumbi. 514.
„ plumbi acidulus siceus. 515. ,, plumbi liquidus. 514.
„ plumbicus crystallisatus. 515. Acetis plumbi liquida. 514. Acetum. 421.
,, camphoratum. 194.
„ cerevisiae. 421.
,, commune s. crudum. 421.
,, concentratissimum. 422.
„ concentratum. 422.
„ destillatum. 422.
„ plumbi s. saturninum. 514.
„ pyro-lignosam. 425.
„ vini. 421. Acida animalia. 404. ,, mineralia. 404. „ vegetabilia. 40ü. Aeidum aceticum. 422.
„ aceticum concentratum. 422.
„ aceticum dilutum. 422.
„ aceticum purum. 422.
„ arsenicosum. 501.
„ borussicum. 304.
„ carbonicum. 429.
„ bydrocbloricura. 417.
„ hydroeyanatum. 364.
,, hydroeyanicum. 364.
„ muriatieum. 417.
„ muriatieum oxygenat. 388.
„ nitricum. 414.
„ pbosphoricum. 429.
„ pyro-lignosum. 425.
„ sulphuricum. 410.
., sulphuricum crudum. 410.
„ sulphuricum destillatum s. recti-ficatum. 410.
„ tanninum. 105.112.
„ tartaricum. 429.
,, zooticum. 414.
Aekerminze. 146. Aconitum. 371.
„ napellus. 371. Acria. 253. Adeps. 82.
„ piscarius. 86.
„ suilla. 85. Adler-Saumfarrn. 123. Adstringireude Mittel. 105. Acgyptische Salbe. 540. ^ Aerugo. 539. Aes viride. 539. Aether aceticus. 252.
„ muriaticus. 252.
„ nitricus. 252.
„ phosphoratus. 252.
„ sulphuricus. 249. Aetherartige Mittel. 239. Aetherisches Pflanzenöl. 128. Aetherisch-ölige Mittel. 127. 128. Aethiops martialis. 527. „ miueralis. Ö62. Aethusa cynapium. 372. Actz-Ammoniakflüssigkeit. 438. Aetz-Ammonium. 438. Aetzkali. 435. Aetz-Kalk. 442. Aetzmittel. 18. Aetz-Natrum. 438.
„ pulver, Wiener 437. Aetzstein. 435. Aetzsublimat. 555. Ahornrinde. 122. Alantwurzel. 165. Alaun 472.
„ gebrannter. 472. 475. Alaunerde 448. Albumen. 49.
„ ovi. 49. Aleali mineralc. 438.
„ vegetabile aeratum. 456.
,, vegetabile eausticum. 435.
,, volatile siecum 461.
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585
Alcohol dilutum. 244. „ martis. 525. „ viui absolutum. 244. Aldehid 253. Alkali, flüchtiges. 438.
„ trock nes flüchtiges. 461. „ vegetabile causticum. 435. Alkalien. 430. Alkohol. 244. Allgemeine Wirkung, quot;i. Aloe. 302. Aloe-Extract, wässeriges. 310.
„ Tinctur. 309. Alpenbaldrian. 232. Alpranken. 374. Alter der Thiere. 24. Althaein. 61.
Altheewurzel und Kraut. 61. Alumen. 472.
„ ustum. 472. Alumina. 448. Alumium-Oxyd. 448.
„ oxjdatum. 448. Amberkraut 140. Ameisen. 209.
„ Saft. 270. _ „ Spiritus. 270. Ammoniak. 438. 482.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; brenzlich-öliges kohlens. 463.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; essigsaures. 491.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; flüchtiges. 438.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;kohlensaures. 461.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; salzsaures. 482.
Ammoniakgummi. 220.
„ kupier, schwefelsaures. 538. „ quecksüber, salzsaures. 5G4. Ammoniacum. 438. 482.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;aceticum. 491.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;brenzliches kohlensäuer-
Hches. 463. ,,nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;carbonic, s. subcarbon. 461.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; carbonic.pyro-oleosum.463.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; causticum. 438.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; causticum solutum. 438.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; essigsaures. 491.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;flüssiges. 438.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;hydrochloratum 482.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; kohlensaures. 461.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Liniment. 442.
,,nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;liquidum. 438.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; muriaticum. 482.
,,nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; muriaticum ferratum s.
martiatum. 532. „nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; salzsaures. 482.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; sulphur.-hydrothionic. 453.
Ampfer. 117.
„ stumpfblätteriger. 117. Amygdalae amarae. 370. * Amylen. 253. Amylum. 65.
Andorn, weisscr. 98. Angelica silvestris. 168. Angelikalaquo; urzel. 167. Anisöl. 151. Anissamen. 150. Antimonium. 568.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; crudun: 569.
Antispastische Wirkung. 12. Anwendungsart, verschiedene. 20—23. Aqua amygdalarum amar. 371. „ calcis. 444. „ coerulea. 447. 538. „ destil. Menthae piperitae. 145. „ fortis. 414. „ Goulardi. 521. ,, Lauro-ccrasi destillata, 371. „ oxymuriatica. 388. „ phagedaenica lutea. 560. ,, phagedaenica nigra s. mitis. 555. „ picea. 234.
„ plumbiea s. saturnina. 520. „ Eabelii4I3. „ sclopetaria. 413. „ vegeto- mineralis. 521. „ viridis. 541. ,, vulneraria Thedenii. 413. Arabisches Gummi. 55. Arcaeusbalsam. 216. Arcanum duplieatum. 466. Argentum. 565.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nitricum fusum. 565.
Argilla rubra. 448. „ pura. 448. „ Kali sulphurica. 472. Arnica. 275.
„ Blumen. 275. „ Blätter. 275. „ Tinctur. 276. Aromatische Mittel. 127—128.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Species. 136.
Arquebusado. 413. Arrak. 247. Arsenicum. 501.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;(oxydatum) album. 501.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;citrinum nativum fossile. 513.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; sulphuratum. 513.
Arsenik oder Arsen. 501.
„ weisscr. 501. Arsenikessig. 510.
„ oxyd, weisses. 501. „ salbe. 512. Arzneikräftc. 5. Arzneimittel. 3. Arzneimittellehre. 3. Arzneiwirkungen. 5. 9. Asa foetida. 217. Asant, stinkender. 217.
„ tinctur. 219. Aspidium filix femina. 124. Asseln. 315.
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586
Atropin. 334. 341.
„ sulphuric. 341. Attiehkriiut. 315. Augenstein. 538. Augentrost. 116. Aurin, wilder. 271. Auripigmcnt. 513. Austerschalen, priiparivtc. 465. Auswurfbefördernde Wirkung. 13. Autcnrieths Salbe. 5S1. Arena. 71.
„ decorticata. 71. „ tosta. 71. Axungia anserina. 88.
,, cauis. 89.
„ ecjuorum. 88.
„ peduni tauri. 89.
„ porcina. 85. Azotsäure. 414
Baceae Ebuli. 315.
„ et folia Lauri. 154. „ Juniperi. 162. „ MyrtiUi. 125. _ „ Oxyeoccos. 125. „ Eliamni eatliartioi 315. „ Sambuci. 140. „ Sorbi aueupariae. 125. „ Spinae cervinae. 315. „ Yitis idaeae. 125. Bärentraube. 64 122. Bärwurzel. 177. Baldrianwurzel. 169. Balsam, canadischer. 206.
„ carpathischer. 206. Balsamus Arcaei. 216. „ canadensis. 206. „ carpathieus. 206. „ copaivae. 215. de Mekka. 215. „ de tolu. 215. „ peruvianus. 215. „ sulphuris simplex. 380. „ sulphuris terebinthinat. 214. „ vitae externus. 214. „ vulnerarius. 214. Basilienkraut. 149. Baumöl. 87. Baumwachs. 200. Benzin oder Benzol. 237. Benzoe. 216. Bergöl. 236. Berlinerblau. 365. Bernstein. 216. Bertramwurzel. 170. Berufskraut. 116.
Beruhigende, besänftigende Wirkung. 13. Beta. 81. „ altissima, 81. „ vulgaris. 81.
Betäubende Mittel. 316. Betäubende Wirkung. 12. Betonienkraut. 149. Biberneilwurzel. 176. Bicarbonas Potassae. 460. Bichloretum Hydrargyri. 555. Bier. 69. Bieressig. 421. Bierhefen. 69.
Bilsenkraut, schwarzes, und Samen. 330. „nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Extract. 334.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Oel. 334.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Tinctur. 334.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Wurzel. 334.
Birkenblätter. 124. „ 81. 237. „ rinde. 124. „ theer. 237. Bitartras kalicus cum aqua. 492. Bittere Arzneimittel. 90. Bitterer Extractivstoff. 90. Bittererde, kohlensaure. 465. „ reine. 447. ,, schwefelsaure. 472. Bittcrholz. 96. Bitterklee. 96.
Bittermandelöl, ätherisches. 371. Bittermandclwasser. 371. Bittersalz. 472. Bitterstoff. 90. Bittersüss. 374. Bitumina. 221. Blausäure. 364. Blauwasser. 447. 538. Blei. 513.
„ basisches essigsaures. 514.
„ essigsaures. 514.
„ kohlensaures. 522.
„ cerat. 521.
„ essig. 520.
„ extract. 521.
„ glätte. 514. 521.
„ oxyd, essigsaures. 521.
„ „ kohlensaures. 522.
„ oxydul, saures essigsaures. 515
„ salbe. 515.
„ wasser. 520. Bleiwciss. 522.
„ salbe, einfache. 521. „nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;„ kampherhaltige. 522.
Bleizucker. 515. Blutwurzel. 114. Bockshornsamen. 60. Bohnen. 73. Bohnenkraut. 149. Bolus alba. 448.
„ armenia. 448.
„ rother o(ftr armenischer. 446..
„ rubra. 448.
„ weisser. 448.
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587
Borax. 493.
„ saures Natron. 493. Jiranntwein. 244.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; schlampe. 247.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; spülicht. 247.
Brassica i'ernientata. 429. „ napobrassica. 81. „ rapa. 81. Braunkohlenöl. 237. Braunstein, Braunsteinüberoxyd. 522. Braunsteinoxydul, salzsaures, schwefel­saures. 523. Brechnuss. 343.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;extract, #9632;wässeriges. 348.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; „ weingeistiges. 347.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;tinetur. 348.
Brechweinstein. 573. Breclnveinstcinsalbe. 581. Brcchwurzel. 280. Brenzlieh-ölige Mittel. 221. Brenzliches Oel, thierischcä. 224. Brombeerblätter, llü. Brucin. 343.
Brust- oder Luftwurzel. 167. Bryonin. 29Ü. Bucheekernöl. 89. Buchsbaum. 122. Buchweizen. 73.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; grütze. 74.
Burgunder-IIarz. 61. Eübe. 200. Butter. 86.
,, milch. 53. Butyrum. 86.
„ Antimonii 581. „ insulsum recens. 86. „ laurinum. 155. „ Majoranae. 149. „ Zinci. 583. Buxus sempervirens. 122.
Carbo vegetabilis s. ligni. 400. Carbouas ammonicus. 461.
„ kalicus. 456.
„ e cineribus clavellatis. 456.
„ Potassae. 456. Caryophvlli aromatioi. 178. Casein. 50. 52. Cassia cinnamomea. 177. Catechu, Catechusaft. 114. Cathartin. 274. Cauterium potentiale. 435. Cedria. 231. Cera. 89.
„ arborea. 200. Ceratum citrinum 200.
„ Saturni. 521.
„ simplex. 9.0. Cerevisia. 69. Cerussa. 522. Cetaceum. 89. Cetraria islandica. 72. Chabert'sches Oel. 229. Chaerophyllum silvestre. 372. Chemische Einwirkung. 6. Chcmisch-einlache Arzneimittel. 375. Chilisalpeter. 486. Chiuarinde. 126. Chinin. 126. Chinoidin. 126. Chlo-. 3S3.
„ flüssiges. 388. Chloretum Ammonii. 482.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Calcariae. 389.
„ Ferri. 532.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Hydrargyri. 549.
,, Natrii. 477. Chlorgas. 385. Chlorigsaurer Kalk. 389. Chlorin, Chloringas. 383. Chloris ealeieus. 289. Chlorkalk. 389. Chlorkali. 395. Chlornatrium. 477. Chlornatron. 397. Chlornatrum. 394. Chloroform. 252. Chlorqueeksilber, doppeltes. 555. „nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; einfaches. 549.
Chlorsoda. 394. Chlorspiessglanz. 581. Chlorum. 383.
„ calcareum. 389.
„ Kali. 395.
„ natri 394.
„ Jiatrii. 477.
„ solutum. 388. Chloruretum Stibii. 581.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; de prodoxydo Sodii. 394.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Sodii. 394.
Chlorwasser. 388.
Calcaria chlorosa, s. chlorata. s. oxymu-riatica. 389. „ chloriniea. 389. „ sulphurata. 476. Calciumoxyd. 442. Calomelas. 549. Calx carboniea. 464.
„ caustica s. usta s. viva. 442. Camphora. 178. Cantharides. 258. Cantharidin. 258. Capita papaveris. 330. Capsicum annuum. 157. Carbo. 400.
„ animalis. 400.
„ mineralis. 403.
„ purus s. praeparatus. 400.
„ Spongiae. 403.
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'
Chlorwasserstoffsäure. 417.
Chondrin. 53.
Christwurz. 2SÖ.
Chrom, Chromsaures Kali. 523-
Chromkali. 523.
Ciehoriemvurzel. 98.
Cicuta terrestris. 360.
,, virosa. 3C4. Cideressig. 4^1. Cinchonin. 12Ü. Cincres elavellati. 456. Cinnabaris. 563. Citronenmelisse. 146. Citrouenschalen. 178. Classification der Arzneimittel. 32. Cobaltum. 513. Cocculi indici. 372. Cochlearia ofticinalis. 176. Codein. 321. Colchicin. 284. Colchicum autumnale. 284.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;tinctur. 285.
Colla animalis. 53. Collodium. 252.
,,nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;cantharidatum. 267.
Colocynthides. 296. Colocynthin. 297. Colophonium. 201. Coloquinten. 296. Couchae praeparatae. 465. Coni Lupuli. 103. Coniin. 360.
Constitution der Thiere. 26. Concentration der Mittel. Copaivbalsam. 215. Coriander. 177. Cortex aurantiorum. 177.
„ Betulae. 124.
„ Chinae. 126.
,, Cinnamomi. 177.
„ Fraxini. 122.
„ Granatorum. 115.
„ Ilippocastani. 120.
„ nucum juglandnun. 120.
„ Populi.'119.
„ et folia Quercus. 110.
„ radicis Punicae granati. 115.
„ Salieis. 128.
„ XJlmi interior. 116.
„ Winteranus. 177. Cortices Aurantiorum. 177.
„ Citri. 177. Cosme'sches Mittel. 509. Cosso, siehe Kosso. Cremor tartari. 492. Creosotum. 234. Creta alba. 465. Crocus. 372.
„ martis aperitivus. 527. Crotonsamen. 298.
Crotonsäure. 298. Cubeben. 178.
pfeifer. 178. Cuprum. 532.
„ aluminatum. 538.
„ ammoniacale. 538.
„ Diniodidum. 541.
„ oxydatum acetatum. 539.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; „ sulphuricum. 533.
„ sulphur-ammoniatum. 538. Curcumawurzel. 177. Cyanwasserstoffsiiure. 364. Cyprcssen-Wolfsmilch. 314.
Daturin. 341. Degen, schwarzer. 237. Deutoxydum plumbi. 521. Dextrin. 55.
Diätetisches Verhalten. 31. Diffusion. 8. Digestivwasser. 205. Digitalin. 348. Digitalis. 348. Dillkraut. 152. Dillsamen. 151. Dippelsches Gel. 229. Diptamwurzel, weisse. 177. Directe Wirkung. 10. Doppelsalz. 466. Doppelsalze. 454. Dosis. 22. 25. Dostenkraut. 144. Dostenöl. 144. Dover'sches Pulver. 329. Drachenblut. 115. Dynamische Einwirkung. 6. Dynamogene. 47.
Ebereschbeeren. 125. Eberwurzel. 171. Ehrenpreis. 98. Eibenbaum. 374. Eibischwurzel und Kraut. 61. Eicheln. 113. Eichengerbesäure. 105.
„ rinde und Eichenblätter. 110. Eidotter. 49. Eier. 49. „ öl. 50. „ schalen. 465. Eigelb. 49. _ Einbeere. 373.
Eintheilung der Arzneimittel. 35. Einwirkung, verschiedene. 5. 6. Eisen 524.
„ blausaures. 527.
„ Chlorür. 523.
„ Cyanürcyanid. 527.
„ Extract, äpfelsaures. 527.
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Eisenfeile. 525. „ hut. 371. „ jodür. 527. „ kraut. 116. „ mohr. 527. „ pulver. 525. „ safran, eröönender. 527. „ salmiak. 532. „ vitriol. 529. „ weinstein. 532. „ weinsteinkugeln. 532. Eisenoxyd, braunes. 527. „nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; essigsaures. 527.
„ haltiges Weinsteins. Kali. 532. „ Uydrat. 527 „ kohlensaures. 527. „nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; phosphorsaures. 527.
„ rothes. 527. ,, schwarzes. 529. Eisenoxyd-Ammouiak, salzsaures. 532. Eisenoxydul. 527.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; hydriodsaures. 527.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;phosphorsaures. 527.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;schwefelsaures. 529.
Eiweis. 49.
„ und gallcrthaltige Mittel. 49. „ stotf. 49. Elaylchlorür. 253. Elemiharz. 215. Elixir acidum. 413.
„ saures. 413. Emetine. 280. Emplastrum acre. 267.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; cantharidum. 266.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; citrinum. 200.
Empyreumatisch-olige Mittel. 221. Emulsio papaveris. 60. Eugelwurzel. 167. Englisclies Salz. 472. Euzianbitter. 95.
„ wurzel. 95. Epheuharz. 221.
Erbrecheuerregende Wirkung. 14. Erbsen. 73. Erden. 430. 431. Erdgalle. 271. Erdharze, düchtige. 221. ErdraucLkraut. 98. Erdscliierling. 360.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Extract. 364.
Erfahrung. 36. Erhitzende Wirkung. 11. Erlenblatter. 124. Erregende Wirkung. 11. Erschlaffende Wirkung. 12. Erythroretin. 99. Eschenrinde. 122. Eselsgurke, Eselskürbis. 315. Essentia myrrhae. 220. Essig. 421.
Essigäther. 252.
„ höchst concentrirter. 423. „ destillirter. 422. „ gewöhnlicher roher. 421. „ Salmiak. 491.
„ verstärkter oder concentrirter. 422 „ säure. 422. „nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;„ concentrirte. 422.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;„ reine. 422.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;„ verdünnte. 422.
Essigsaures Kali. 491.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Natrum. 492.
Euphorbia dulcis. 315.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Cyparissias, Lathyris. 314.
Euphorbienharz. 313. Euphorbium-Tinctur. 314. Extractum aloes aquosum. 310. „nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; baccar. Ebuli. 315.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Couii maculati. 364.
„ Pern pomatum. 527. „nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Filicis maris acthoreum. 124.
„ Hyoscyami. 334. „nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Myrrhae aquosum. 220.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;nucisvomicae aquosum. 348.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;„ spirituosum. 347.
„ Strvchni. 347. 348.
Opii. 329. „nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Ehei simplex. 100.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;„ compositum. 100.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Saturni. 521.
Paba. St. Ignatii. 372. Faeces vini. 249. Färbeginster. 98. Färberröthe. 121. Fäulnisswidrige Wirkung. 38. Farina seminum lini. 140.
„ tritici. 149. Farrukraut-Extract. 24. öl. 24. „nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;wurzel. 123.
Fei tauri. 97. Feldthymian. 146. Fenchelkraut und Fenchelwurzel. 151.
„ samen. 151. Fermentum. 70. Ferrokali tartaricum. 532. Ferrum. 524.
,, aceticum solutum. 527.
„ borussicum. 527.
,, carbonicum. 527.
„ hydrico-aceticum in Aqua. 527.
„ hydricum. 527.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;in Aqua. 527.
„ hydrocyanicum. 527.
„ hydroiodicum s. iodatum oxy-dulat. 527.
„ muriaticum. oxydulat. 532.
,, oxydatum fuscum. 527.
raquo;nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;„ rubrum. 527.
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590
Femun oxydat. phosphoric. 5^7. „ oxydulatum nigrum. 527. „nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;phosphor. 527.
„ pulveratum. 525. „ puruni limatum. 525. „ sulphuratum. 528. „ sulphurieum oxydulat. 529. Fette. 81.
„ Oele. 81. Fichtenhiirz. 196.
„ sprossen. 214. Fieberklee. 96. Filzkraut. 216. Fingerhutkraut, rothcs. 348.
„ Tinctur, einfache. 354. Fischthran. 86. Fleischbrühe. 53. Fliederbeeren. 140. „ blunien. 139. „ mus. 140. Fliegenstein. 513. Flohsamen. 64. Flores Arnicae. 275.
„ Balaustiorum. 115.
„ Biayerae anthelmiuthicae. 100.
„ Charaomillae lomanae. 142.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;vulgaris. 140.
,, et semina foeni, 149.
„ et herba Gnaphalü. 116.
„ Humuli. 103.
„ Lavendulae. 142.
„ Lupuli 103.
„ Eosarum. 124.
„ Sambuei. 139.
„ Sulpliuris. 375. Flüchtige Mittel. 239. Folia Alni. 125.
„ Aurantiorum. 291.
„ Belladonnae. 334.
„ Betulae. 124.
,, liuxi sempervirentis. 122.
„ Digitalis. 348.
„ Lauro-cerasi. 371.
„ Rubi villosi. 116.
„ Scnnae. 274.
„ Tabaci. 354.
„ üvae ursi. 122.
„ Pyrolae umbellatae. 122.
„ Sennae. 274
,, Strammonii. 341.
,, Yitis viniferae. 125. Form, verschiedene, der Arzneimittel. 20. Formicao. 269. Formylchlorid. 252. Formylum chloratum. 252. Fowler'schc Solution. 511. Franzbranntwein. 246. Franzosenholzöl. 237. Fruchtessig. 421. Früchte, säuerliche. 429.
F'ructus Anisi, Cannabis, Cardamoni, Carvi, Colocynthidis, Coriandri, Cubebae, Foe-niculi, JuniperijPhellandrii, siehe unter Semen. Fructus Aeaciae germanieac. 125. ,, Aurantiorum immaturi. 177. ,. Cynosbati. 125. Fünffingerkraut. 116. Fuligo ligni s. splendcns. 230. Fumigationes Guyton-Morveauianae. 387. ,,nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;nitricae. 416.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;oxymuriaticae. 387.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Smithianae. 416.
Furfur Tritici. 68.
Gabe der Arzneimittel. 22. 25. Gänsefett. 88. Galbanum. 220. Gralgantwurzel. 177. Gallae. 112. Galläpfel. 112.
Galläpfelgerbsäure. 105. 112. Gallertc. 53.
Gallitzenstein, blauer. 533. ,,nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; #9632;\veisser. 582.
Gallussäure. 112. Gartenbaldrian. 170.
,, gleisse. 372. Gas aeidi muriatici oxygenati. 385.
„ chloreum s. Chlori. 385.
,, oxydirt salzsaures. 387.
„ oxymuriaticum. 385. Gauchlieilkraut. 270. Geigenharz. 201. Gelatina. 53. Gelbvvurz. 177. Gemüseampfer. 117. Genever. 247. Genista tinetoria. 98. Gentianin. 95. Gerberlohe. 112. Gerbesäure und Gerbestoff. 105. Germer, vveisser. 298. Gerste. 68. Gerstenmalz. 69. „ mehl. 69. Geschichte der Arzneimittellehre. 38. Geschlecht der Thiere. 79. Geschwulststein 538. Gewürzhafte Mittel. 127. 128.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Species. 136.
Gewürznelken. 178. Giehtriibe. 296. Gift. 3. Giftlattich. 372.
„ mehl. 501. Glandes Qucrcus. 113.
„ tostae. 114. Glanzruss. 230. Glaubersalz, 470.
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591
Globuli martiales s. martiati- 532.
„ Tartari fcrrati. 532. Gluten animale. 53.
„ vegetabile. 55. Glycerine. 83. Glycyrrliizin. 79. Gnadenkraut. 271. Gnaphalium 116. Goldglätte. 514. 521. Goldschwefel. 571. Gottcs-Gnadenkraut. 271. Goulard'sches Bleiwasser. 521. Grana Molucca. 298.
,, Paradisi. 178.
„ Tiglii. 298. Granatapfclbaum wurzelrinde. 115. Granatäpfelblüthen. 115. „nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; schalen. 115.
Graphit. 403. Graswurzel. 81. Graubraunsteinerz. 522. Grauspiessglanzerz. 509. Grindwurzel. 116. Grünspan. 539. Grünspan-Saucrhonig. 540. Gummi. 55.
,, arabisches. 56.
,, arabicum. 56.
,, cerasorum. 57.
„ Euphorhii. 221. 313.
„ Gutti 310.
„ Kino. 115.
„ Myrrhao. 219.
„ Prunorum. 57.
„ Tragacanthae. 57. Gummi-rcsina Aloes. 302.
„ Ammoniaoi. 220.
„ Asae foetidae. 217.
„ Galbani. 220.
„ Hederac. 221.
„ Opopanax. 221.
„ Sagapeni. 221. Gummi- oder Schleimharze. 216. Gyps. 470. Gypsum. 476.
Haarstrang, gemeiner. 104. Hafer. 71.
„ gerösteter. 71.
„ grütze. 71. Hagebutten. 125.
Hahnemann's auflösl. Quecksilber. 563. Haller'sche saure Mixtur. 413. Ilalogen. 383. Hammeltalg. 86. Hammersehlag. 527. Hanföl. 89.
„ samen. 60. Harz. 195.
,. empyreumatisches. 201.
Harz, gemeines. 196.
„ weisses. 200. Harzsalbe, gemeine. 200. Haselwurzel. 315. Hauhechel. 110. Hauslaub oder Hauswurzkraut. 125.
„ seife. 494.
,, würz. 125. Hautreizende Wirkung. 11. Heidekraut. 110. Heidelbeeren. 125. Heilkraft der Natur. 2. Heilmittel. 2.
Heilprocess, Hcihing. 7. 9. Heilstein. 538. Heilungsweise, allöopathische. 9.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; homöopathische. 9.
Helleborin. 285. Helleborus foetidus. 298. „nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;niger. 285.
,,nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;viridis. 298.
Hepar sulphuris calcareum. 453.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; ., volatile. 453.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; „ vulgäre s. salinum s. alca-
linum. 448. Herba Absinthii. 100.
„ Agrimoniae. 116.
„ Althaeae. 61.
„ Anagallidis. 270.
„ Anethi. 152.
„ Angelicae. 108.
„ Basilici. 149.
„ Belladonnae. 334.
„ Betonieae. 149.
„ Brancae. 04.
„ Cardui benedieti 98.
„ Catariae. 149.
„ Centaurii minoris. 97.
„ C'helidonii majoris. 273.
„ C'ieutao terrestiis. 300.
„ Conii maculati. 300.
„ Digitalis purpureae. 348.
„ Ericae vulg. 110.
„ Euphrasiae otticin. et rubrae. 110.
„ Fumariae. 98.
„ Genistae tinetoriae. 98.
„ Gcranii maculati. 116.
,, Gnaphalii. 116.
„ Gratiolae. 271.
„ Hyoscyami nigri. 334.
„ Hyperici. 315.
„ Hyssopi. 149.
„ Levistici. 107.
„ Majoranac. 149.
„ Malvae. 63.
„ Mari veri. 149.
„ Marrubil albi. 98.
„ Meliloti. 149.
„ Melissae. 146.
„ Menthae arvensis. 146.
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592
11 :
Ilerba Menthae crispac. 145.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;„ piperitac. 144.
„ Menyanthis. 96.
„ Millefolii. 103.
„ Nepetae. 149.
„ Nicotianae. 354.
„ Ononis spinosae. 116.
„ Origaiii Tulgaris 144.
„ Peiitaphylli. 116.
„ riantaginis majoris. 116.
„ Potentillae argenteae. 116.
„ Pulmonariae. 64.
„ Pulsatillae nigricantis. 315.
„ Pyrolae. 122.
„ Rutae. 104.
„ Sabinae. 146.
„ Salviac. 143.
„ Saniculae. 116.
„ Saponariae. 316.
„ Saturejae. 149.
„ ScorJii. 149.
„ Sedi majoris. 125.
,, Sedi minoris. 316.
„ Serpylli 146.
„ Sideritidis. 116.
„ Solani tuberosi. 73.
„ Stramonii. 341.
„ Tanaceti. 102.
„ Thyrai vulgaris. 146.
„ Trifolii iibrini. 96.
„ Tussilaginis 64.
„ Verbenae. 116.
„ Veronicac. 98.
„ ct flores Hyporici. 315.
„ „ „ Bosmarini, 143.
„ „ „ Verbasoi. 64.
„ „ radix Uelladoimae. 334.
„ „ ,, Cbelidonii major. 273.
„ radix et baccae Ebuli. 315.
„ et radix Focniculi. 151.
„ „ ., Petroselini. 152.
„ ,, ,) Statices armeriae. 116.
„ „ „ Taraxaci. 98.
„ „ semen Stramonii. 341. Herbstzeitlose. 284. Heringslake. 481. Heublumen oder Heusamen. 149. Hircinc. 86. Hirsehhornöl. 224.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;rectificirtes. 229.
Hirschbornsalz, flüchtiges. 463.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; spiritus. 464.
Hirschtalg. 89. Höllenstein. 565. Hotfmann'sche schmerzstillende Tropfen.
252. Hohhvurzel, runde. 177. Holunderblüthen. 139
„ mus. 140. Holzasche. 460.
Holzessig. 425.
„ brenzlicher. 425. Holzgeist. 425. Holz, harziges. 215. „ kohle. 400. „ säure. 425. Honig. 77. Hopfen. 103.
„ spanischer. 144. Hordein. 68. Hordeum. 68. Hühneidarm. 27(). Hülsenfrüchte. 73. Hüttenrauch. 501. Huflattich 64. Hundefett. 89. Hundspetersilie. 372. Hydrargyrum. 542.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;ammoniato-muriaticum. 563.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;chloratum mite. 549.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;muriaticum corrosivum. 555.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;mite . 5i9.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;oxydul. nigrum. 563.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;oxydatum rubum. 547.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;perchloratum. 555.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;praeeipitatum rubrum. 547.
,,nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;stibiato-snlphurratum. 563.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;salphuratum nigrum. 562.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; rubrum. 563.
Hydras calcicus. 442. Hydrochloras ammoniacus. 482. Hvdrothionsäure. 449.
Schwefel-Kali. 448. Hyoscyamin. 330. Hyperoxyd. 498. „ oxydul. 498.
Jalappenhavz. 283. „ seife. 283. „ Tinctur. 2ä3. „ wuvzel. 281. Jalappin. 231. Japanische Erde. 114. Igasursäure. 343. Ignatiusbohue. 372. Ilex Aquifolium. 127. Indifferente Mittel. 47. Indirectc quot;Wirkung. 10. Ingwer. 177. Jod, Jodiua, Jodum. 395. Jod-Eisen. 527.
„ Kalium. 395.
„ Kupfer. 541.
„ Quecksilber. 56i.
„ Tinctur. 398.
„ Salbe. 397.
„ Seife. 399.
„ wasserstoffsaures Kali. 395. Jodetum Kali. 395. Johanneskraut. 315.
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593
Johannesol, gekochtes. 315. Isländisches Moos. 72. Isopkraut. 149. Judenpechöl. 237. Juglassäure. 120.
Käse. 52.
Kali aceticum. 401. „ basisches, kohlensaures. 45tj. ,, bisulphuricum. 470.
nbsp; nbsp; carbouieuni 456. „nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; acidulum. 457.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;ucutrum. 457.
,,nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;,,nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; perfecte saturatum s.
aeraluni. 457.
nbsp; nbsp;causticum siccum. 435.
nbsp; nbsp;chlorieum. 395.
nbsp; nbsp;ehromicum. 523.
nbsp; nbsp;essigsaures. 491.
nbsp; nbsp;geschwefeltes. 448.
nbsp; nbsp;hydricum siccum. 435.
nbsp; nbsp;hydroiodicum. 395.
nbsp; nbsp;jodwasserstotfsaures. 395.
nbsp; nbsp;kohlensaures. 456. „nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;crystallisirtes oder voll-
kommen gesättigtes. 457.
,,nbsp; nbsp;kohlensäuerlichcs. 450.
nbsp; nbsp;mildes. 456.
nbsp; nbsp;mite. 456.
nbsp; nbsp;neutrales, kohlensaures. 457. „nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; ,, weinsteinsaures. 492.
nbsp; nbsp;nitricum. 486.
,,nbsp; nbsp;salpctersaures. 486.
nbsp; nbsp;saures, schwefelsaures. 470. „ ,, weinsteinsaures. 492.
nbsp; nbsp; schwefelsaures. 466.
nbsp; nbsp;Spiessglanzoxyd, Weinsteins. 573.
,,nbsp; nbsp;stibioso-tartaricum. 573.
nbsp; nbsp;subcarbonicum. 456.
nbsp; nbsp;sulphuratum. 448.
nbsp; nbsp;sulphur, hydrogenatum. 448.
nbsp; nbsp;sulphurieum. 466.
nbsp; nbsp;tartarici ferrat. 532.
nbsp; nbsp;tartaricura acidulum. 457. ,,nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;ferratum. 532.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;natronatum. 493.
nbsp; nbsp;unterkohlensaures. 456.
nbsp; nbsp; vollkommen gesättigtes oder crystal­lisirtes kohlensaures. 457.
nbsp; nbsp;Schwefelleber, gemeine. 448.
nbsp; nbsp;seife. 494. Kalk, chlorichtsaurer. 389. „ kohlensaurer. 464.
nbsp; nbsp; nbsp;reiner, gebrannter oder leben­diger. 442.
nbsp; nbsp; gelöschter. 442.
nbsp; nbsp; nbsp;Hydrat. 442.
nbsp; nbsp; nbsp;milch. 443.
nbsp; nbsp; nbsp;Schwefelleber. 453.
Uertwio , Arzneimittellehre.
Kalkwasser. 443. 444. Kalmuswurzel. 171. Kalomel 549. Kamala. 272.
Kamillen, edle, römische. 141. „ blumen. 140. „ extract. 141. „nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; öl, ätherisches. 141.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;„ gekochtes. 141.
„ wasser. 141. Kamm fett. 88. Kampher. 88.
„ essig. 194.
„ liniment. 194.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;., flüchtiges. 194. 442.
öl. 194. „ salbe. 194. „nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Spiritus. 194.
Kanthariden. 258.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Collodium. 267.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Liniment. 266.
Oel. 266. pflaster. 266. Salbe. 264. Tinctur. 268. Karbe. 151.
Kardobenedietenkraut. 98. Kartoffeln. 73. Kartoffelkraut. 73. Katzonkraut. 149. „ minzc. 149. „ pfötchen. 116. Kelleresel. 315. Kermes minerale. 571. Kienholz. 215. Kino. 115. Kirsehgummi. 57.
lorbeerblätter. 371.
„ öl, ätherisches. 371. „ wasser, destillirtes. 371. wasser. 247. Klatschrosc. 330. Kleber. 55. Kleie. 68. Klettenwurzel. 63. Knoblauch. 173. Knochen, weiss gebrannt. 465.
„ leim, 53. Knorpelleim. 53. Koch- oder Küchensalz. 477. Kockelskörner. 372. Königssalbe. 200. Kohle. 400.
„ mineralische. 403. „ reine. 400. „ thierische. 400. Kohlensäure. 429. Kohlensaure Salze. 456. Kohlenwasserstoffchlorid. 253.
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594
P
Kohlrüben. 81-
Kosso, Kousso. 100.
Krähcnaufreu. 343.
Kriiftmehl. 65.
Krampfstillende Mittel. 12:
Erappwuizel. 121.
Krau.scminzkraut. 145.
Kreen. 175.
Kreide, weisse. 405.
Kreosot. 234.
Kreuzblätterige 'Wolfsmilch. 314.
Kreuzdornbecren. 315.
Krotonkürner, Krotousamcn. 298.
„ öl. 3U1.
„ Ölkuchen. 302.
,. säure. 208.
„ tinctur. 302. Küchenschelle. 315. Kühlende Wirkung. 11. Kümmel, römischer. 178.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;samen. 151.
Kupfer. 532.
,, alaun. 538.
„ oxyd, essigsaures. 539.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;„ schwefelsaures. 533.
„ Salmiak. 538.
„ vitriol. sect;33.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;„ blauer, cyprischer. 533.
„ wasser. 529. Kurkuma. 177.
Lac. 50.
,, ebutyratuni. 53.
,, sulphuris. 380. Lachenknoblauchkraut. 149. Lactuca virosa. 372. Läusesamen. 316. Lakritzensaft. SO. Lanüum album. 116. Lapathin. 116. Lapis causticus chirurgorum. 435.
„ divinus. 53S.
„ infernalis. 565:
„ medicamentosus. 538.
„ ophthalmieus. 538.' Laudanum liquidum Sydenhami. 329. Laugensalz. 430.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;ätzendes. 435.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;flüchtiges. 438.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;mineralisches. 438.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;vegetabilisches. 456.
Lavendelblumen. 142.
,, geist. 143.
„ öl, dostillirtes. 142. Lebensbalsam. 214.
„ bauin. 149. Leberthran. 86. Ledum palustre. 373. Leim. 53.
Leinkuchen. 59.
„ öl. 88. Leinöl, geschwefeltes. 380.
„ terpenthinölhaltiges, geschwefelt. 380.
„ samen. 57.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;mehl. 58.
Lerchenterpenthin. 206. Liehen islandicus. 72. Lichenin. 72. Liebstöckelkraut. 174.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; same. 175.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; wurzel. 174.
Lignum Quassiae. 96.
„ et radix Junipcri. 165.
,, resiuosum pini. 215. Limatura martis praeparata. 525. Liniment, flüchtiges. 442 Linimentum ummoniato-camphoratum.
442.
„ ammoniatum. 442.
„ carapborac. 194.
„ Cantharidum. 194.
„ phosplioratum. 383.
„ volatile. 442. Linsen. 73. Lipvloxvd. 82.
salze. 82. Liquor acetatis plumbi basici. 520.
„ aeidus Halleri. 413.
„ Ammonii acetici. 491.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; carbonic, pyrooleosi. 464.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;„ caustici. 4o8.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; coccinellinus oder coc-
cionellatus. 441.
„ anodynus niineralislIoft'manni,252.
„ Chlori. 3^8.
„ Ferri acetici. 527.
„ „ oxydat. hydrat. 527.
„ Minderen. 491
„ Myrrhae. 220.
„ riumbi subacetati. 520.
„ Stibii muriatici. 581. Lithargyrum. 514. 521. Lötfeikraut 176.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;spiritus. 176.
Löschwasser. 528. Löwenzahnwurzel. 98. Lorbeerbuttcr. 155. Lorbeeren u. Lorbeerblätter. 154. Loibeeröl, 155. Loröl. 155. Lungenkraut. 64. Lupulin. 103. Lytta vesicatoria. 258.
Magistrenzwurzel. 176. Magnesia. 447.
,,nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; ätzende. 447.
#9632;
K
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595
Magnesia alba. 465. „nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; carbonica. 465.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;kohlensaure. 465.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; pura. 447.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; schwefelsaure. 472.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; subcarbonica. 465.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; sulphurata. 453.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; sulphurica. 472.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;usta s. oalcinata. 447.
Magnium-Oxyd. 447.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;oxydatum. 447.
Majoranbutter. 149. ,,nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; kraut. 149.
Maiwurm, kupferrother. 268. „nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;sehwarzblauer. 268.
kafer. 268. Maiwürmer. 268. Maiwurmlatwerge. 269. Maltum hordei. 69. Malvenblumen. 63.
„ kraut. 63. Mandeln, bittere. 370. Mandelöl, ätherisches. 371. „nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;süsses, fettes. 89.
Mangan s. Manganesium. 522. Manganum hypevoxydatum. 522.
„ oxydatum nativum. 522. Mangold. 81. Manna. 78. Mannit. 78. Mannstreuwurzel. 177. Mars. 524. Marum verum. 149. Mastix. 216. Mater vini. 249.
Materielle licschatfenh. d. Arzneimittel. 19. Mauerpfeft'erkraut. 316. Mechan. Einwirkung. 5. Meconin. 321. Meconium. 321. Medieamenta aeida. 403. „nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;aeria. 253,
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; adstriugentia. 105.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;aethereo-oleosa. 127. 128.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; albuminosa. 49.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; alcalica et terrea. 430-
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; amara. 90.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;amylacea. 65.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; aromatica. 127. 128.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; camphoracea. 127.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;empyreumatica. 127. 221.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; gelatinosa. 49.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; indifterentia. 47.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; metallica. 497
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; mucilaginosa. 55.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; narcotica. 316.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;pinguia et oleosa. 81.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; resinosa et balsamioa. 127.
195.
Medieamenta saeeharinaetmellaginea. 74. „nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;spirituosa et aetherea. 239.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; volatilia. 239.
Meernelke. 114.
„ rettigwurzel. 175. „ salz. 477. „ zwiebel. 283. Mehl. 65.
,, kalk. 444. Meisterwurzel. 176. Mekkabalsam. 215. Mel. 77.
Melilotenkraut. 149. Melissenkraut. 146. Meloe majalis. 2()8.
„ proscarahaeus. 268. Mentha aquatiea. 146. „ arvensis. 146. „ erispa. 145. ;, piperita. 144. „ Pulegiuin 146. „ silvestris. 146. „ viridis. 146. Mercurius. 543.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; dulcis. 549.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;praeeipitatus albus. 564.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; ruber. 547.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;solubilis Hahnemanni. 563.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;sublimatus corrosivus. 555.
Merkurialsalbe, graue. 543. Metalle. 497, Metalltun oxydatum. 498.
„ oxvdulatum. 498. Metallsalze. 498. Miere, rothe. 270. Milch. 50.
„ rahm. 52. „ zucker. 77. Millepedes. 315. Minderers Geist. 491. Mineralkermes. 571. „ mohr. 562. „ säuren. 404. Mittel, adstringirende. 105. „ ätherisch-ölige. 127. 128. „ alkalische u. erdige. 430. „ aromatische 127. 128. ,, betäubende. 316. „ bittere. 90. „ chemisch-einfache. 375. „ eiweishaltige. 49. „ empyreumatische. 127. 221. „ fette und fettig-ölige. 81. „ flüchtige. 239. „ gewürzhafte. 127. 128. „ gummi- u. schleimharzige. 216. „ harzige u. balsamische. 127. 195. „ indifferente. 47. „ kampherhaltige. 127.
38raquo;
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i;
596
Mittel, mehl- u. stärkemelhaltige. Ü5.
„ metallisehi!. 497;
„ narkotische. 316.
„ saure. 403.
„ scharfe. 253.
„ schleimige u. gummihaltige. 55.
„ süsso, zuckerhaltige. 74.
„ -Weingeist- u. ätherhaltige. 239. Jlittclsalze. 453. Mixtura sulphurico-acida. 413.
,, vulneraria aeida. 413. Mohn, wilder. 330.
„ köpfe. 330.
„ öl. 89.
„ saft, 321.
„ samen. 60.
„ „ milch. 60. Mohr, mineralischer. 562.
„ rüben. 80.
„ „ saft. 81. Molken. 52.
Momordica Elaterium. 315. Moos, isländisches. 72.
„ beeren. 125. Morphium. 321.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;aeeticum. 329.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;essigsaures. 329.
Morton'sche Tiuctur. 511. Morveau'sche llaucherungon. 387. Mucus. 55.
Münze, grüne etc. 146. Murias Ferri cum Aqua. 532.
„ Stibii oxydati. 581.
„ zincicus. 583. Mutterkorn, 373.
„ harz. 220. Myrrhe, Myrrhengummi. 219. Myrrhenbalsam. 220.
„ extract, wässeriges. 220.
„ flüssigkeit. 220.
„ öl. 220.
„ „ destillirtes. 220.
„ tinetur. 220.
Nachtschatten, schwarzer. 374. Naphtha vitrioli. 249. Narcein. 321. 329. Karcotine. 321. 329. Karkotische Mittel. 316. Natrium chloratum. 477. Katronhydrat. 438.
„ seife. 494. Natrum aeeticum. 492.
„ basisch kohlensaures. 461.
„ bicarbonicum. 461.
„ boracicum. 493.
„ carbonieum. 461.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;neutrum, s. perfecte
saturatum s. acidulum. 461.
Natrum causticum s. purum. 438.
„ essigsaures. 492.
„ kohlensaures. 461.
„ muriaticum. 477.
„ nitricum. 486.
„ neutrales kolilensaures. 461.
„ salzsaures. 477.
„ schwefelsaures. 470.
,, subcarbonicum. 461.
„ sulphuricum 470. Natterwurzel. 114. Neapelsalbe. 544. Nelkenpfetfer. 158. wurzel. 122. Nerveusalbe. 143. Nessel, taube. 116. Neutralsalze. 453. Kicotianin. 354. Nicotin. 354. Nieswurz, grüne. 288.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; schwarze. 285.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;stinkende. 298.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;weisse. 298.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Tinetur. 294.
Nitras kalicus. 486.
„ potassae. 486. Nitrum. 486. Nux vomiea. 343.
Obstessig. 421. Ochsenklauenfett. 89. Odermennige. 116. Oel, ätherisches. 128. „ brenzliches oder cmpvreumatisches
224. „ fettes. 81. „ stoff. 82. „ süss. 82. Ofenruss, glänzender. 230. Oleine. 82.
Oleum aethercum Auisi. 151. „ aethercum vegetabile. 128. „ Amygdalarum amararum aothe-
reura. 871. „ Amygdalarum duleium. 89. ,, animale aethereum. 229.
„ Dippelü. 229 nnbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;„ foetidum. 224.
„ anthelminthieum. 229. „ Asphalti. 237. „ baccarum junigeri. 165. „ betulinum. 23 (. „ camphoratnm. 194. „ Cannabis 89. „ Cantharidatum. 266. „ Cerae. 237. Chaberti. 229.
Chamomillae aethereum. 141. infusum. 141.
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597
Oleum contra tacuiam C'haberti. 229.
nbsp; nbsp; nbsp; Coruu cervi foetidum. 224.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;„ „ rcctifleatum. 229.
,,nbsp; nbsp; nbsp; Crotonis. 301.
nbsp; nbsp; nbsp; destillatum Sabinac. 25G.
,,nbsp; nbsp; nbsp; empyreumaticuni animale. 224.
nbsp; nbsp; nbsp; Filicis maris. 225.
nbsp; nbsp; nbsp; Fuliginis. 237.
nbsp; nbsp; nbsp; Hyoscyami infusum. 334.
nbsp; nbsp; nbsp; Hyperici coctam. 315.
nbsp; nbsp; nbsp; Jecoris Aselli. 86.
nbsp; nbsp; nbsp; Lauri. 155.
,,nbsp; nbsp; nbsp; Lauro-cerasi cethereum 371.
nbsp; nbsp; nbsp; Lavendulao destillatum. 142.
nbsp; nbsp; nbsp; ligni Guajaci. 237.
,,nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;,, juniptri. 165.
,,nbsp; nbsp; nbsp; Lini. 88.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;„ sulphuratum. 380.
nbsp; nbsp; nbsp; Lithrancis. 237.
nbsp; nbsp; nbsp; Majoranac destillatum. 250.
nbsp; nbsp; nbsp; Mentliac piperitae. 145.
nbsp; nbsp; nbsp; Myrrliae aethercum. 220.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; „ per deliquium. 220.
nbsp; nbsp; nbsp; Kapi. 89.
nbsp; nbsp; nbsp; nucleoruni Fagi. 89.
nbsp; nbsp; nbsp; nucum Juglandium. 89.
nbsp; nbsp; nbsp; Olivarum. 87.
,,nbsp; nbsp; nbsp; Origani cretici. 144.
nbsp; nbsp; nbsp; Ovorum. 50.
nbsp; nbsp; nbsp; Palmae. 89.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;„ Christi. 312.
nbsp; nbsp; nbsp; Papaveris. 89.
nbsp; nbsp; nbsp; Petrae. 236.
nbsp; nbsp; nbsp; Philosophorum. 237.
nbsp; nbsp; nbsp; phosphoratum. 383.
nbsp; nbsp; nbsp; piscium. 86.
nbsp; nbsp; nbsp; pyro-auimale. 224.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;„ carbonieum. 237.
nbsp; nbsp; nbsp; Eaparum. 89.
,,nbsp; nbsp; nbsp; Ricini. 312.
nbsp; nbsp; nbsp; Boris marini. 143.
nbsp; nbsp; nbsp; Rusci. 237.
nbsp; nbsp; nbsp; Sabinae. 149.
nbsp; nbsp; nbsp; Srnapis. 162.
nbsp; nbsp; nbsp; Spieae. 143.
nbsp; nbsp; nbsp; Terebinthinae. 207.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;,, ozouisatum. 213.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;„ sulphuratum. 214.
nbsp; nbsp; nbsp; vitrioli. 410. Olivenöl. 87. Operment. 513. Opian. 321. Opium. 321.
nbsp; nbsp; nbsp;extract. 329.
nbsp; nbsp; nbsp;tinctur, einfache und safranhaltige 329. Origanum creticum. 250. Osmazom. 56. Osterluzeiwurzel, gemeine. 177.
Osterluzeiwurzel, runde. 177.
Ova. 49.
Oxycrat, einiaches. 424.
„ zusammengesetztes. 424. Oxycratum compositum. 424.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;simplex. 424.
Oxyd. 498. Oxydul. 498. Oxydulum. 498. Oxydum. 498.
„ calcicum. 442.
„ ferricum. 527.
,, ferricum cum Aqua. 527.
„ ferrose ferricum. 527.
„ Hydrargyri praeparatum. 547.
„ Jlagnesiacnigrumnativum. 522.
„ Mangani nigrum. 522.
„ Xatri hydratum. 438.
„ Plumbi album. 522.
,, plumbicum semifusum. 515. Oxymcl aeruginis. 540.
Palmöl. 89. Panax-Gummi. 221. Papaver rhoeas. 330. Pappelrinde. 119.
„ salbe. 119. Psiradieskörner. 178. Paris quadrifolia. 373. Pastinaca sativa. 81. Pastinakwurzel. 81. Pech, schwarzes. 201.
„ weisses oder Burgundisches. 200. Perubalsam. 215. Petersilien-Kraut und Wurzel. 152.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Samen. 152.
Petroleum. 236. Peucedanum officinale. 104. Pfefl'er, schwarzer. 155.
„ spanischer. 157.
„ weisscr. 157.
„ kraut. 149.
„ minzkraut. 144.
„ minzöl, destillirtes. 145.
,, minzwasser. 145.
„ tinctur. 158. Pferdefett. 88. „ sat. 153. Pflanzenkohle. 400.
,, laugensalze, luftsaure. 457.
„ säureu. 406. Pflaster, englisches schwarzes. 266.
,, scharfes. 266. Pflaumenbranntwein. 247. „ gummi. 57. „ mus. 79. Phaeoretin. 99. Phagedänisches Wasser, gelb. 560.
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1'^
Phagedänisoheg Wasser, mildes od. schwar­zes. 555. Phosphor. 38Ü.
„ amorpher oder rother. 380. „nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; iither. 252.
„ ktwerge. 383. „ liniment. 383. „ säure. 429. Pimperuelle, weisse. 17G. Pimpinella nigra. 177. Pimpinelhvurzel, schwarze. 177.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; weisse. 176.
Piper album. 157. „ caudatum. 178. ,, hispanicum. 157. „ jamaicense. 158. „ nigrvun. 155. Pix idba. 200. „ Burguudica. 200. „ liquida. 231. „ nigra solida. 201. Placenta g'ranorum crotonis. 302.
„ seminum lini. 59. Plumbum. 513.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;aceticum. 514.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;carbonicum. 522.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;oxydatum subfuscum. 515.
Pökelfleischläke. 481. Püluimiuze. 141. I'oma colocynthidum. 296. Pomeranzen, unreife. 177. „nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; blätter. 177.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; schalen. 177.
Populiu. 119. Populus tremula. 119. Porsch, Porst. 373. Potasche. 456. Potassa. 456. Praecipitatus ruber. 547. Praecipitat, rother. 547. „nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;weisser. 564.
Preisseibeeren. 125. Preussische Säure. 364. Primäre Wirkung. 10. Principium adstringens. 105.
,,nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; amarum. 90.
Proteinstoffe. 47. Prunus domestica.
Purgirkraut. 271. „ wurzel. 281. Putamcu nueum juglaudium. 120.
Quappeufett. 89. Quassiaholz. 96. Quassin. 96. Queckenextract. 81.
„ saft. 81. Queckenwurzel. 81. Quecksilber. 542.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; ätzendes salzsaures. 555.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; mildes salzsaures. 549.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; versüsstes. 549.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; chlorid. 555.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; chlorür. 549.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; oxyd, rothes, 547.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; oxydul, schwarzes. 563.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Präcipitat, rother. 547.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; salbe, graue. 543-
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; sublimat, ätzender. 555.
Quellsalz. 477. Quendelkraut. 146. Quittenkerne. 57. „ sameu. 57.
Kabels Wasser. 413. Radices Dauei. 80.
Eadixnbsp;Aconiti. 371.
nbsp; nbsp; nbsp;Acori. 171.
nbsp; nbsp; nbsp;Allii. 173.
nbsp; nbsp; nbsp;Althaeae. 61.
nbsp; nbsp; nbsp; Angelicae. 167.
nbsp; nbsp; nbsp; Aristolochiae fabaeeae. 177.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;rotundae. 177.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;vulgaris. 177.
nbsp; nbsp; nbsp; Armoraciae. 175.
nbsp; nbsp; nbsp;Arnicae. 279.
nbsp; nbsp; nbsp;Asari. 315.
nbsp; nbsp; nbsp; JJardanae. 63.
nbsp; nbsp; nbsp; Belladonnae. 334.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; *
nbsp; nbsp; nbsp; Bistortae. 114.
nbsp; nbsp; nbsp; Brancae ursinae. 64.
nbsp; nbsp; nbsp; Bryoniae albae. 296.
nbsp; nbsp; nbsp; Calami aromatici. 171.
nbsp; nbsp; nbsp; Carlinae. 171.
nbsp; nbsp; nbsp; Caryophyllatae. 122.
nbsp; nbsp; nbsp; Cepae. 174.
nbsp; nbsp; nbsp; Cichorii. 98.
nbsp; nbsp; nbsp; Colchiei 284.
nbsp; nbsp; nbsp; C'onsolidae majoris. 62.
nbsp; nbsp; nbsp; C'urcumae. 177.
nbsp; nbsp; nbsp; Dauci. 80.
nbsp; nbsp; nbsp;Dictamni albi. 177.
,nbsp; nbsp; nbsp; Enulae. 165.
nbsp; nbsp; nbsp; Eryngii. 177.
nbsp; nbsp; nbsp; FUicis. 123.
nbsp; nbsp; nbsp; Ualangae. 177.
nbsp; nbsp; nbsp; Gentianae. 95.
,, Cerasus. „ spinosa.
die Samenkerne. 364.
„ Lauro-Cerasus. „ Padus. 505. j Pteris aquilina. 124. Pulpa Prunorum. 79. Puhis Doreri. 329.
„ Ipecacuanhae compositus. 329. ,, pyrius. 490. „ sclopctarius. 490. Purgirkörner, kleine. 298.
.
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599
Eadix Gialapac. 281. „ Graminis. 81. „ Hellebori albi. 298. „nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nigri. 285.
„ Helenii. 165. „ Jalappac. 281. „ Imperatoriae. 176. „ Inulae. 165. „ Ipecacuanhae. 280. „ Lapathi. 116. ., Levistici. 174. „ Liquiritiac. 79. „ Melampodii. 235. „ Meu. 177. „ Peuccdani. 104. ,, Pimpinellae albae. 176. „ Pyrethri. 170. „ Eatanhiac. 115. „ Ehei. 99. „ Eubiae tinctorum. 121. „ Salicis. 118. „ Saponariae. 316 „ Scillae. 283. „ Sorpeutariae Virginian. 177. „ Spicae celticae. 170. „ Symphyti. 62. „ Tormcntillae. 114. ,, Yalerianao majoris. 170. „nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;minoris. 169.
„ Veratri albi. 298. „ Zodoariae. 177. „ Zingiberis. 177. Eaucberungon. Cblor. 3b7.
,,nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Morveau'sche. 387.
Ealun. 52.
Eainfarrnkraut. 102. Eatanhiawurzel. 115. Batten- oder Jläusegift. 501. Rauch. 2oU. Eauscbgflb. 513. Eaute. 104. Eeissblei. 403. Resorption. 7. Eesina. 195.
alba. 200. „ bonzoes. 216. „ liurgundica. 200. ,, communis. 196. „ elemi. 215. „ jalappae. 283. „ liquida empyreumatica. 231. „ mastiches. 216. ,, olibani. 216. „ pini. 196. Eespiratorische Mittel. 48. Ehabarbarin. 99. Ebabarberextract, einfaches. 100.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;zusammengesetztes. 100.
Ehabarberharz. 99.
Ehabarbertinctur, wässerige. 10O.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;weineeistige. 100.
Ehabarberwurzel. 99.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;unächte. 100.
Ehei'n, Ehcumin. 99. Eheum hybridum 100.
„ raponticum. 100. Ebizoma Calami, Filicis, Galangae, Gra­minis, Veratri albi, Zedoariae, Zingi­beris, siehe unter Eadix. Eicinusöl. 312. Eindermist. 64. ., talg. 86. Eindsgalle. 97. .70.
brot. 70. „ kleie. 70. „ mehl. 70. Eohrzucker. 75. Eoob juniperi. 165. Eosenblätter. 124. Eosmarin, wilder. 373. „ kraut. 143. SI. 143. salbe. 143. „ Spiritus. 143. Eossfenchel. 153. Eosskastanienblätter. 120. „nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; rinde. 120.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; samen. 120.
Rossminze. 14().
„ schwefel. 375. Eübe, rothe. 81. Eüböl. 89.
Euhrwurzel. 114. 280. Eum. 246. Eumex aentus. 117. „ aquatieus. 118. ,, obtusifolius. 118. „ patientia. 118. Rumicin. 116. Runkelrübe. 87.
Rupprecht'sche Mittel gegen Anthrax. 411 Euss. 230. „ öl. 237. „ tinetur. 231.
Sabadillsame. 316. Saceharum album. 75.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;lactis. 77.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;saturni. 515.
Sadebaum. 146.
öl. 149. quot; Sahne. 52. Säuren. 403. Sauerkraut. 429. Safran. 372.
Safranhaltige piumtinetur. 329, Saftgrün. 315.
I
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600
Sagapenuni. 221. Saidsehütztr-Salz. 472. Sal aloali mincrale caustieum. 461. „ „ volatile. 438. „ amarum. 472. „ ammoniaeum. 482. „nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;acctatum. 491.
,, anglicum. 472. „ cornu ceryi. 4t)3. „ eulinare s. commune. 477. „ de duobus. 4ÜG. „ fontanum. 477. „ gemmae. 477. „ mariuum. 477. „ mirabile Glauben. 470. „ petrae. 486. „ Saidschuetzonse. 472. „ Sodae. 461. „ de Seignette. 493. „ tartari. 45G.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; „ crystallisatum. 457.
„ volatile ammoniatum. 438. „nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; „ cornu eervi. 463.
Salbe, ägyptische. 540. „ flüchtige. 442. „ gelbe. 200. ,, gemeine Harz- 200. „ grüne. 98. „ jod 397. „ jodkali. 399. ,, oxygenirte. 416-„ zertheilende. 98. Salbeikraut. 143. Salia alcalina et terrea. 453. „ media. 453. „ neutra. 453. Salicin. 118. Salivantia. 13. Salmiak. 482.
„ geist. 438. Salpeter. 486. „ äther. 252. „ ätber-Weingeist. 252. „ geist, saurer. 414. ,, säure. 414. Salz, gemeines. 477. „ äther. 252. „ äther-Weingeist. 252. Salze, basische. 45'J. „ einfache. 453. „ essigsaure. 491. „ kohlensaure. 456. „ öl- und talgsaurc. 494. „ salpetersaure. 486. „ salzsaure. 477. „ saure. 453. „ schwefelsaure. 466. ,, #9632;weinsteinsaure. 492. „ der Alkalien und Erden. 453.
Salzgeist. 417.
„ versüsster. 252. Salzsäure. 417.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;eisenhaltige. 421.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;oxydirtc. 388.
Salzsäure Dämpfe. 42J.
„ Häueherungen. 387. Sanguis draeonis. 115. Sanikelkraut. 116. Santonin. 102.
Sapo domesticus s. albus. 494. ,, jalappinus. 283. „ jodi 399. „ kalinus. 494. „ medieatus. 497. „ natronatus. 494. „ nostras. 494. „ sebaeeus. 494. „ terebinthinatus. 214. „ venctus, hispanicus. 497. „ viridis s niger. 494. Saturnus. 513. Säure, arsenige, 501.
„ preussische. 364. Säuren. 403.
„ mineralische. 404. „ thierische. 404. „ vegetabilische. 404. Sauerkohl oder Sauerkraut. 429.
„ teig. 70. Scammonium. 316. Schafgarbenkraut. 103. Scharfe Mittel. 253. Scharfes Pflaster. 267. Scheidewasser. .414. Scherbenkobalt. 513. Schierlingskraut. 360. Schiesspulver. 490. Schiffspech. 201. Schlampe. 247. Schlangcnwurzel. 114
,,nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;virginische. 177.
Schlehen. 125. Schleim. 55. Schleimharze. 216.
Schleimige adstringirende Mittel. 116. Schleim- und gummihaltige Mittel. 55. Schmucker'sche kalte Umschläge. 486. Schmierseife. 494.
Schöllkraut-Blätter und Wurzel. 273. Schusswasser. 413. Schwächende Wirkung. 11.16. Schwamm, gebrannter. 403.
„ kohle. 403. Schwarzwurzel 62. Schwefel 375. „ äther. 249. „ ätherweiageist. 252. ,, ammonium. 453.
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601
Schwefelaisenik, gelber. 513. „ balsam, einfacher. 380. „ 3S0.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;„ terp3nthinölhaltiger.214.
„ blumen. 375. 380. „ eisen. 52S. „ kali. 448. „ kalk. 453. „ leber, flüchtige. 453. „ liniment. 380. „ Magnesia. 453. „ milch. 380. „ Niederschlag. 380. „ quecksilber, rotlies. 5G3. „ quecksilber, schwarzes. 563. „ säure. 410.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;gereinigte oder destillirtc.
410. rohe. 410. „nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; verdünnte. 410.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; versüsste. 252.
Sckwefelsalbe. einfache. 379.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; zusammengesetzte. 379.
Schwefelsaures Eiscnoxvdul. 529. „nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Kali. 466.
Kupferoxyd. 529. ,,nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Natrum. 470.
Schwefelspiessglanz. 5G9.
„ wasserstotfgas. 249. Schweinefett. 85. Schweisstreibcnde Wirkung. 17. Scillitin. 283. Seeale. 70.
„ cornutum. 373. Secundäre Wirkung. 10. Seife, grüne oder schwarze. 494. „ Jod- 399. ,, medicinische. 497. „ venetianisehe und spanische. 497. ,, weisse. 494. Seifen. 494.
,, geist oder Seifenspiritus. 497. ,, kraut. 316. Seignette-Salz. 493. Seihe. 69. Semen Anethi. 151. „ Anisi. 150. „nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; „ stcllati. 151.
,, Cannabis (Fruetus). 60. „ Carvi. 151. „ Cocculi. 372. „ Colchici. 284. „ Coriandri 178. „ Crotonis. 298. „ Cumini. 178. ,, Erucae. 162. „ Ervi. 73. „ Fabae. 73. „ Foeni graeci. 60.
Semen Foeniciili. 151.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;„ aquatica. 153.
nbsp; nbsp; nbsp; Hyoscyami nigri. 334.
nbsp; nbsp; nbsp; Levistici. 167.
nbsp; nbsp; nbsp; Lini. 57.
nbsp; nbsp; nbsp; Papaveris albi et nigri. 60.
nbsp; nbsp; nbsp; Petroselini. 152.
,,nbsp; nbsp; nbsp; Phaseoli. 73.
nbsp; nbsp; nbsp; Phellandrii aquatiei. 153.
nbsp; nbsp; nbsp; Pisi. 73.
nbsp; nbsp; nbsp; Polvgoni Fagopvri. 73.
nbsp; nbsp; nbsp; Psyilii. 64.
nbsp; nbsp; nbsp; Sabadillae 316.
,,nbsp; nbsp; nbsp; Santouici. 102.
nbsp; nbsp; nbsp; Sinapeos albi. 162.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; „ nigri. 158.
nbsp; nbsp; nbsp; Staphisagriae. 316.
„ Tiglii. 298.
„ Viciue. 73. Semina Cydoniorura. 57.
„ Stramonii. 34(1.
„ Strychni. 343. Senf, schwarzer. 158.
,, weisser. 162. Scnföl. 162.
„ pflaster 161. Sennastoff. 274. Sennesbliitter. 274. Serum lactis. 52. Sevum cervi. 89.
„ ovilium. 86.
,, taurinura. 86. Silber. 565.
„ glätte. 514. 521.
„ gliitteessig. 514.
„ kraut. 116.
„ oxyd, geschmolzenes salpctcrsaures. 565. _ Sinapismus. 271. Skammonium. 316. Slivovitza. 247. Smithschc Eäucherungen. 416. Soda, reine. 43S.
„ schwefelsaure. 470. ,, weinsteinsaure. 493. Sodaseife. 494. Solanin. 73. Solanum dulcamara. 374.
,, nigrum. 374. Soolsalz. 477. Spanische Fliegen. 258. Spanischfliegen-Iiiniment. 266. Pflaster. 266. Salbe. 264. Tinctur. 268. Spanisch-IIopfenöl. 144. Species aromaticac. 136. Spciehelerregende Wirkung. 13. Spiessglanz. 568.
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m-2
Spicssglanz, rohes. 5t)9.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;auflosung, salzsaurc. 581.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;butter. 581.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;oxyd, weinsteinsaures. 457.
„ Schwefel, pomeranzenfarbener.
571. „nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;rother. 571.
Spiessglanzweinstein. 573. Spiköl. 143.
Spiritus eamphoratus. I(.t4. „ Cerasorum. 247. ,, cornu cervi. 4(54. „ Formiearum. 270. „ frumenti. 244. ,, Juniperi. IGü. „ Lavendulae. 142. „nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; s. liquor Mindereii. 491.
„ muriatieo-aothereus. 252. „ Nitri aeiilus. 414. „nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; „ dulcis. 252.
„ nitrico-aethcreus. 252. „ Oryzae. 24G. „ Rosmarini. 143. „ Sacchari. 24Ü. „ salis acidus. 417. ,,nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;„ ammoniaci causticus. 438.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;„ dulcis. 252.
„ saponis s. saponatus. 497. ,, succi sacchari. 246. „ sulphurico-aethereus. 252. „nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;„ constrin-
gens. 252. „ terebinthinae. 207. „ vini. 244. „nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; „ gallicus. 246.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;„ reetilicatus et rectificatissi-
mus. 244. „ vitrioli dulcis. 252. Spongia usta. 403. bpringköruer. 315. Stärkemehl. 65. Stahlkugeln. 532.
„ schwefel. 528. Stangensehwefel. 375. Stearine. ^2.
Stechapfel-Blätter u. Samen. 341. Stechpalme. 127. Stein, eöttlicher. 538. „ klee. 149. ,, kohlenöl. 237. „ öl. 236._ „ salz. 477. Stophanskörner. 316. Stercus boum aut vaccarum. 64. Sternanis. 151. Stibium. 568.
„ sulphuratum crudum. 569. „nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;nigrum. 569.
Stickstoffhaltige Mittel. 47.
Stickstofflose Mittel. 47.
Stinkasant. 217.
Stipites Uuleamarae. 374.
Storax. 216.
Storchschnabel, gefleckter. 116.
Stramonin. 341.
Strychnin. 343. 348.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;salpetersaures. 348.
Strychninum arsenicosum. 348.
,,nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;nitricum. 348.
Sturmhut. 371.
Subbisulphuretum Stibii. 571. Subcarbonas Plumbi. 522. Suboxyd. 598. Succinum. 216. Succus Dauci. 81. „ Juniperi. 165. „ Liquiritiae. 80. „ Sambuci. 140. Süssholzsaft. 80.
„ wurzel. 79. Sulphas aluminico-kalicus cum aqua. 472.
„ ferrosus cum aqua. 529.
,, Magnesiae. 472.
„ natricus. 470.
„ oxyduli Ferri. 529. Sodae. 470.
,, zincicus cum aqua. 582. Sulphur. 375.
„ Antimonii auratum. 571.
„ caballinum. 375.
,, chalybeatum. 528.
„ crudum. 375
„ depuratum. 380.
„ praecipitatum. 375. 380.
,, stibiatum aurantiacum. 571.
,,nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;,, rubrum. 571.
,, vulgäre. 375. Sulphuretum Stibii nativum s. venale. 569.
.,nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; stibii rubrum. 571.
Sumpfporseh. 373. Superoxydum nianganicum. 522. Sydenhams Opiumtinctur. 329. Svrupus communis. 76. Rhei. 100.
„ sacchari. 76.
Taback, Blätter und Kraut. 354. Tabacksrauch. 359.
„ salt. 360. Taffia. 246. Talg. 81.
„ seife. 494.
„ stoff. 82. Talkerde, reine, gebrannte. 447. Talk-Schwefellebcr. 453. Tannin. 105. 112. Tanningensäure. 105. 112.
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603
Tartarus antimonialis. 573. „ boraxatus. 493. „ crudus. 492. „ depuratus. 492-„ emeticus. 573. „ kalico-stibicus. 573. „ martiatus. 532. „ natronatus. 493. „ Potassae et Sodae. 493. „ solubilis. 493. „ stibiatus. 493. „ tartarisatus. 493. „ vitriolatus. 4GG. Tartras kalicus. 493.
„ Potassae. s. Imviae. 493. Tausendgüldenkraut. 97. Taxus baccata. 374. Temperament der Thiere. 2ö. Terebintbina. 202.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;argentorateusis. 206,
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;canadensis. 206.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;carpathica. 206.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;eoeta. 206.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;cvprica. 206.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;gallica. 206.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;bungarica. 206.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;veneta. 206.
Tcrpentbin. 202.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Canadischer. 206.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Carpatbischer. 206.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Cyprischer. 206.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Französischer. 206.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;gekochter. 206.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Strassb arger. 206.
,,nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Ungarischer. 206.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Venetianischer. 206.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;geist. 207.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;ol. 207.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;„ ozonisirtes. 213.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;seife. 214,
Terra catechu s. Japonica. 114.
„ foliata tartan. 491. Testae ovoruni. 465. Teufelsdreck. 217. Thea viridis. 125. Thedens Schusswasser. 413. Thee, grüner. 125. Theer. 231.
„ wasser. 234. Thermogene. 47. Thiere, Verschiedenheit hinsichtlich der
Arzneiwirkung. 23. Thieröl, iitberisches. 229. „ stinkendes. 224. Thonerdc, reine. 448. Thon-Kuli, schwefelsaures. 472. Thuja occidcntalis. 149. Thus. 216. Thymian, gemeiner. 146.
Tinctura Aloes. 209.
„ Arnicae. 276.
„ Asae foetidae. 219.
„ Cantharidum. 268.
„ Capsici annui. 158.
„ Digitalis simplex. 354.
„ Euphorbii. 314.
„ Fuliginis. 231.
„ Hyoscyami. 334.
„ Jalappae. 283. Jodi. 398.
„ Myrrhae. 220.
„ Opü crocata. 329.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;,, simplex. 329.
„ Bhei aquosa. HX).
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; „ vinosa. 100.
„ Seminum Colchici. 285.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;„ Crotonis. 302.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;„ Strychni. 348.
„ Yeratri albi. 294. Tollkirsche. 334. Tollkraut. 334. Tolubalsam. 215. Topique Terrat. 510. Tormentillroth. 114.
,, wurzel. 114. Traganthgummi. 57. Traubenkirschbaum. 371. Traubenzucker. 75. Trebern. 69. Triticum. 67. Tubera Solani. 73. Turiones juniperi. 165.
„ pini. 214.
Ueberoxyd. 498. „ oxydul. 498. „ salze. 498. Ulmenrinde. 116. Unguentum aegyptiacum. 540.
,,nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Acruginis. 540.
,,nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; album camphoratum. 522.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Arsenici. 511. 512.
,,nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; basilicum. 200.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Camphorae. 194.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Cantharidum. 264.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;cereum. 90.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Cerussae s. Unguentum album
simplex. 522.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Cerussae camphoratum. 522.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Elemi. 216.
flavum. 200.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; llydrargyri cinereum. 543.
,,nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Kali hydroiodiei. 397.
,,nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;mercuriale. 543.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; ncapolitanum. 543
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nervinum. 143.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; oxygenatum. 416.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;populeum. 119.
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604
Unguentum Plumbi. 521.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;resinae Pini. 200.
nnbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; „ burgundicae. 201.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; saturninum. 521.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; sulphuratum eomposit. 379.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; simplex. 379.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; tart, stibiati. 581.
Unteroxyd. 498. Urintreibendu Wirkung. 17.
Venus. 532. Veratrin. 298.
Verbindungen d. Arzneimittel. 21. Vermes majales. 268. Versuche. 37.
Versüsstc Schwefelsäure. 252. Vinacea. 249. Vinum. 247. Viride aeris. 539. Vitellum ovi. 49. Vitriol, blauer. 533. „ cyprischer. 533. „ grüner. 529 „ weisser. 582. „ naphta. 249. „ 81. 410. Vitriolum album. 582.
„ coeruleum, Vitr. cyprium, Vitr. de Cvpro, Vitr. Veneris. 533. „ Martis. 529. „ viride. 529. „ Zinci s. album. 582.
Wachholderbeeren. 162. öl. 165. „nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;branntwcin. 247.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;holz, quot;Wurzeln u. Sprossen.
165. „nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; „ 61. 165.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; saft. 165.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Spiritus. 165.
Wachs. 89. „ 31. 237.
„ pflaster, gelbes. 200. „ salbe. 90. Wadecke. 52. Wald-Angelika. 168. „ minze. 146. „ nachtschatten. 334. Wallnusscil. 89.
„ schalen, grüne. 120. Wallrath. 89. Walz'sehc Lauge. 226. Wandflechte. 127. Wasser, grünes. 541.
„ oxydirt salzsaures. 388.
„ phagedänisches, gelbes. 560.
,, mildes oder schwarzes. 555.
Wasserampfer. 117.
„ fenchelsamen. 153. „ klee. 96. „ minze. 146. „ Schierling. 364. Wasserstoffblausäure. 364. Wegebreit. 116. Weidenbitter. 118. „ rinde. 118. Weihrauch. 218. Wein. 247.
„ blatter. 125.
„ essig. 421.
„ geist. 244.
„ hofen. 249.
„ lager. 249.
., stein. 492.
„ ,, boraxsaurer. 493.
„ gereinigter. 492.
„ natronhaltiger. 493.
„ roher. 492.
„ tartarisirter oder auflöslicher. 493.
„ vitriolisirter. 493.
„ steinrahm. 492.
„ steinsaures Kali, eisenoxvdhaltiges.
'532. „ säure. 429. „ salz. 456. „ trestern. 249. Weizen. 67. „ brot. 67. „ kleie. 68. „ malz. 67. „ mehl. 67. „ Stärkemehl. 67. Wermuth. 160. Wicken. 73.
Wiederholung d. Arzneigaben. 23. Wiener-Aetzpulver. 437. Wintergrün, doldcnblüthiges. 122. Winter's-Rinde. 177. Wirkung, urintreibende. 17. Wohlgemuth. 144.
„ verleih-Ulumen, Wurzel u. Blätter. 275. Wolfskirschc. 334. „ milch, süsse. 313. „ „ kreuzblättrige u. a. 314. „ „ harz. 313. Wollkraut. 64. Wundbalsam. 214. Wundersalz, Glaubers. 470. Wundmischung, saure. 413.
„ stein. 538. Würfelsalpcter. 486. Wurmsamen. 102.
Zaunrübe. 296. Zeitlose. 284.
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Ziegelsteinöl. 237. Zimmt. 177.
„ cassia. 177. Zincum. 582.
„ aceticum. 58'i. „ muriaticum. 583.
„ (oxydatum) sulphuricum. 582. Zink. 582. '
„ essigsaurer. 583.
„ salzsaurer. 583.
„ butter. 583.
„ oxyd, schwefelsaures. 582.
Zinkvitriol. 582. Zinnober. 583. Zitterpappel. 119. Zittwersamen. 102.
„ wurzel. 177. Zomidin. 56. Zuckersyrup. 76.
„ weisser. 75. Zug, gelber. 200. Zwergholunder. 315. Zwiebel, gemeine. 174. Zwillingssalze. 454.
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LEIPZIG
DRUCK VON OIESECKE amp; DEVRIE-NT.
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