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I. lieber die Wuthkraukheit bei den Tliiercn.
Nach eigenen Beobachtungen und Versuchen.
Von Her twig. *)
Hierzu die Abbildung auf Tafel I.
Unter den verschiedenen Krankheiten unserer Haus-thiere hat wohl kaum eine andere ein so grosses und allge­meines Interesse wie die als Wuthkrankheit, Tollkrank­heit, Tollwuth (Rabies canina), — unrichtig auch als Wasserscheu (Hydrophobia s. Hygrophobia) benannte
*) Vor 46 Jahren habe ich einen Aufsatz mit der Uebersehvift: „Bei­träge zur nähern Kenntniss der Wuthkrankheit oder Toll­heit der Hunde,quot; in Ilufeland's Journal f. Heilk. Jahrg. 1828, Supplement-Heft, publizirt. Dieser Aufsatz, welcher in der Hauptsache eine Anzahl meiner eigenen Beobachtungen und der von mir angestell­ten Irapfversuche enthielt, sollte besonders dazu dienen, zunächt eine richtigere Kenntniss der Wuthkrankheit der Hunde zu begründen und mehrere über diese Krankheit bestehende Irrthümer zu verdrängen. Er wurde allgemein beifällig aufgenommen und in der Literatur häufig citirt; die Thierärzte klagten jedoch eben so häufig darüber, dass sie sich mit den blossen Gitaten begnügen müssten, weil das Hufeland'-sehe Journal nur sehr Wenigen zugänglich war und jetzt sehr selten geworden ist. Desshalh haben viele der Herren Collegen, welche bei Gelegenheit meines Jubiläums hier versammelt gewesen, mich aufge­fordert, jciien Aufsatz noch einmal in die thierärztliche Literatur zu bringen. Indem ich dieses time, bemerke ich nur, dass ich meh­rere Zusätze gemacht und auch meine Beobachtungen über die Wuth­krankheit der anderen Hausthiere mitgetheilt habe.
Mas. f. Thierheilk XL. 1.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 1
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2nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Hertwig,
Krankheit der Hunde. Denn fast seit zweitausend Jahren weiss man es schon, dass sie von diesen Thieren durch einen Ansteckungsstoff auch auf andere Thiere übertragen wird und dieselben unter eigentliüinlichen Qualen tödtet. Sie war desshalb von jeher ausserordentlich gefürchtet und für alle denkenden Acrzte ein Gegenstand des eifrigsten Forschens über die Ursachen und die Erscheinungen der Krankheit, über den speciellen Sitz des Leidens ira Körper, über die Natur des Ansteckungsstoffes und über die Art, wie derselbe zur Entwickelung gelaugt.
Es sind hierüber eine Menge Schriften erschienen, so dass die Literatur über diesen Gegenstand zusammen eine nicht unbedeutende Bibliothek ausmachen würde.
Durch diese vielen Schriften ist jedoch weder auf dem Wege der feinsten Spekulation noch auf dem der gröbsten Empirie, die genauere und wissenschaftliche Kenntniss über die Wuthkrankheit bei Menschen und Thieren sonderlich ge­fördert worden, sondern es war hinsichtlich der letzteren sogar das Aeussere, die Syraptomatogie der Krankheit in einer so grossen Unvollständigkeit geblieben, wie dies fast bei keiner andern Krankheit der Fall ist.
Diese mangelhafte Symptomatologie der Wuthkrankheit des Hundes und der übrigen Hausthiere ist überdies auch noch durch grosse Irrthümer veranstaltet, welche aus den frühesten Zeiten stammen, und ohne die geringte Untersu­chung von einem Schriftsteller zum andern übertragen wur­den. Auf diese Weise entstand ein solches Zerrbild von dieser Krankheit, dass es nach den gewöhnlichen Beschrei­bungen kaum möglich ist, dieselbe in der Natur, und na­mentlich am Hunde, wieder zu erkennen. Man hatte bei diesen Beschreibungen der Hundswuth zum Theil andere Krankheiten der Hunde für die wirkliche Wuth gehalten, zum Theil aber das Bild dieser Krankheit von den bei dem wuthkranken Menschen gewöhnlichen Erscheinungen ent-
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über die Wuthkrankheit bei den. Thieren.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;3
lehnt, ohne zu ahnen, welchen groesen Unterschied die comparative Pathologie in dieser Krankheit bei den einzel­nen Thiergattungen zeigt, und dass gewisse, für ganz we­sentlich gehaltene Erscheinungen selbst beim wuthkranken Menschen mehr oder weniger fehlen können.
Erst seit Ende des vorigen Jahrhunderts hat man einige naturgetreue Beobachtungen über diesen Gegenstand, welche zuerst von dem engländischen Gutsbesitzer Meynel an sei­nen Jagdhunden gemacht, und verschiedentlich mitgetheilt*), aber kaum beachtet wurden.
Erst im zweiten Deceunium des jetzigen Jahrhunderts traten kurz nach einander Wal dinger**), DelabereBlai-ne***) und Grevef), mit ihren Erfahrungen auf, durch welche nicht nur die Beobachtungen Meynels bestätiget
*) Tranact. of a Society for the Improvement of Medic, and Chir. Vol. I. Art. 17. (bearbeitet von Hunter).
Mediz. Commentar. 19. Band.
A. Case of hydrophob, etc. by Arnold. London 1783.
Dasselbe Werk teutsch: Thorn. Arnold's, merkwürdiger Fall einer glücklich gehobenen Wasserscheu. Leipzig 1794. pag. 121 und weiter.
Hiervon ein Auszug in Teuffel's Magazin der Thierheilkixnde. l.Bd. l.Hett. S. 120. — und Hannoversches Magazin 1809. Stück 71.
**) Ueber die in den Jahren 1814 und 15 häufiger beobachtete Wuth der Hunde. In den Mediz. Jahrb. des K. K. Oesterr. Staates, Jahrg. 181G, oder 3. Bandes 3. St. S. 89 etc.
Ueber die gewöhnlichen Krankheiten der Hunde. Wien 1818. S. 143.
***) Canine pathology, or description of the disease! of dogs. London 1817
Die Krankheiten der Hunde, oder allgemeine fassliche Anweisung sie zu erkennen u. s. w. Leipz. 1820.
t) Erfahrungen und Beobachtungen über die Krankheiten der Hausthiere im Vergleich mit den Krankheiten der Menschen. 1. Bänd­chen. Oldenburg 1818. S. 125. 2. Bändch. 1821. S. 38.
1*
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4nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;üertwig,
und mit wichtigen Zusätzen vermehrt, sondern auch die alten Irrthümer und Vorurtheilc widerlegt wurden.
Es scheint jedoch, dass auch die genannten Schriften und die in ihnen ausgesprochenen Erfahrungen zum Theil nicht recht bekannt, zum grössten Theil aber nicht gehörig beachtet worden sind. Denn immer noch worden die alten unrichtigen Vorstellungen von jener Krankheit, z. B. von dem nothwendigen Dasein der Wasserscheu, von dem Schäu­men und Geifern aus dem Maule u. dgl, nicht nur von Laien, sondern auch von Aerzten und Thierärzten, im ge­wöhnlichen Leben und in ärztlichen Schriften*), ja selbst in Monographieen**) über diesen Gegenstand verbreitet.
Da nun aber diese Unrichtigkeiten nicht bloss der Wis­senschaft zur Unehre gereichen, sondern da sie auch für das Wohl der Staatsbürger vom höchsten Interesse sind, indem sie die Kenntniss der gefährlichen Krankheit erschwe-
.
*) Z. B. in Richter's specieller Therapie, 8. Bei, wo im An­fange sogar Blaine zu widerlegen gesucht wird; — ebenso, iuHaase chronische Krankheiten, 2. Theü. S. 246. sect;, 140.
Im vollständigen Handb. der Vieharzneikunst,, von Chabert, Flan-drin und Huzard- Aus dem Franz. 2. Band. S. 265. Berlin 1801. — Desgl. in: Tscheulin, Kunst die Nervenkrankheiten der vorzüg­lichsten Hausthiere zu erkennen. Karlsruhe 1815. S. 211—220.
Veith, Handb. der Veterinär-Kunde. Wien 1818. 2. Bd. S. 494.
Dietrich's Handbuch der Veterin. Chirurgie, 2. Auflage. Berlin 1825. S. 84. sect;. 65.
**) Z. B. Ribbe, über die Tollehundswuth und deren Heilung. Berlin 1806.
Derselbe: Natur und medinz. Geschichte der Ilundswutb. Leip­zig 1820.
St. Martin, Monographie der Hundswuth; aus dem Französisch. Ilmenau 1824. S. 133. 138, 168. u. f.
Eine ehrenvolle Ausnahme hiervon machte das sehr reichhaltige Werk: die Geschichte, der Hundswuth und Wrsserscheu u. s. w., von Dr. Krügelstein. Gotha 1826.
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über die Wuthkrankheit hei den Tliieren.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 5
ren, eine ruhige Sicherheit in den drängenden Augenblicken der Gefahr, und die Vernachlässigung einer zweckmäsaigen prophylactischen Kur begründen können; so ist es wohl die Pflicht eines Jeden, der es thun kann, diesen Unrichtigkei­ten mit besseren Erfahrungen entgegenzutreten.
In meinem Beruf als Lehrer bei der hiesigen Königl-Thierarzneischule hatte ich seit vielen Jahren und bei einer sehr grossen Zahl von kranken Hunden gute Gelegenheit, die Wuthkrankheit in ihren wichtigsten Varietäten kennen zu lernen und sie mit den übrigen Krankheiten der Hunde zu vergleichen,
• Ausserdem verdanke ich noch dem Königl. Hohen Mi-nisterio der geistl. Unterrichts- und Mcdizinal-Angelegenhei-ten die Geldmittel zu Impf-Versuchen, welche ich in der hiesigen Thierarzneischule während mehr als drei Jahre hin­durch und auf die verschiedenste Art an Hunden und an­dern Hausthieren unternommen habe, und durch deren Re­sultate ich besonders in den Stand gesetzt worden bin, einige, in der neuern Zeit gegen die Existenz einer spezifischen Wuthkrankheit und eines Contagiums bei derselben gemachte Einwürfe sicher zu widerlegen
Bei diesen Versuchen und bei der Sammlung der hier mitgetheilten Beobachtungen^ hatte ich mich des belehren­den Rathes und der besondern Theilnahme des damaligen Geh. Ober-Medizinal-Rath Dr. Lang er mann zu erfreuen, durch dessen Einsichten und vielseitigen Kenntnisse die Leh­rer der hiesigen Thierarzneischule sich damals in ihren Bestrebungen mit Wohlwollen gefördert sahen.
Obgleich somit meine Beobachtungen gewissermaassen unter den Augen der höchsten Medizinalbehörde gemacht wurden, so erlaube ich mir doch zur Bestätigung meiner Angaben noch in Kürze zu bemerken: dass über jeden, zur Thierarzneischule gebrachten wuthkranko.i Hund sogleich eine Anzeige bei dem hiesigen K. Polizei-Präsidio gemacht
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6nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Hertwig,
wird; — dass jeder solche Hund bis zu seinem von selbst erfolgenden Tode beobachtet und die Krankheitsgeschichte in ein hierzu bestimmtes Journal speciell eingetragen wurde;
—nbsp; dass seit dem Jahre 1823 bis zum Jahre 1827*) bei mehr als 300 solchen Beobachtungen kein einziger Fall vor­gekommen ist, in welchem eine wesentliche Ausnahme oder ein Widerspruch gegen meine Angaben Statt gefunden hätte,
—nbsp; und südlich, dass sehr viele der hiesigen Herrn Aerzte in Folge meiner deshalb geraachten Einladungen in der Thierarzneischulc von den Symptomen und dem Verlaufe der Wuthkrankheit des Hundes sich vollkommen überzeugt haben.
Die so gemachten Beobachtungen theile ich hier mit, will aber nicht eine vollständige Abhandlung über die Wuth­krankheit liefern, sondern nur zuerst die Kennzeichen und den Verlauf der Krankheit bei Hunden beschreiben, hierauf einige Krankheitsgeschichten mittheilen, dann die gemach­ten Impfversuche erzählen und die Resultate derselben her­vorbeben, — einige Beobachtungen über die Wuthkrankheit bei andern Thieren und zuletzt die wichtigsten Maassregeln zur Verhütung der Krankheit beifügen.
Obgleich die Wuthkrankheit beim Hunde sich durch einzelne bestimmte und stets vorhandene Symptome als eine eigenthümliche Krankheit chrakterisirt, so sind doch die äussern Formen, unter denen sie sich in den einzelnen Fäl­len ausspricht, sehr häufig durch zufällige Erscheinungen so verschieden von einander, dass selten zwei Fälle ganz mit einander übereinstimmen. Die Ra^e, das Temperament, das Alter und Geschlecht, die Art der bisherigen Ernährung u.
*) D. i. dem Jahre der damals stattgefundenen ersten Publication dieser Beobachtungen.
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fiber die Wuthkrankheit bei den Thierennbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;7
dgl. m. scheinen hierbei, so wie bei den meisten andern Krankheiten, einen wichtigen Einfluss zu besitzen. Denn es leuchtet gewiss Jedem, der mit der Naturgeschichte des Hundes nur einigermaassen bekannt ist, sehr leicht ein, dass z. B. bei dem bedächtigem, zutraulichen und klugen Pudel, bei dem gutmüthigen phlegmatischen Bullenbeisser und Mops, bei dem zänkischen, beissigen Dachs, bei dem stets mun­tern und heftigen Spitz, bei dem lebhaften Pinscher und dem scheuen, flüchtigen und tückischen Windhunde, die Symptome bei allen Nervenkrankheiten einen sehr verschie­denen Ausdruck im Grade der Heftigkeit und in der Art ihres Eintretens und des Verlaufes zeigen werden, und dass dieses namentlich bei der Wuth mehr als bei jeder andern Krankheit der Fall sein muss, da diese sowohl nach den Erscheinungen an lebenden Thieren, als auch nach dem Be­funde in den Kadavern zunächst und wesentlich in einer dynamischen Zerrüttung des gesammten Nervensystems be­steht, — jene Verschiedenheiten des Naturell's aber gleich­falls in dem ganzen Nervensystem und in seinen Verhält­nissen zu den übrigen Systemen des Organismus begründet sind. Und sollten denn bei einem Thiere, welches uns durch so viele Eigenschaften und Fähigkeiten die überzeugendsten Beweise von der hohen Entwickelung seines Gehirns und Nervensystems giebt, nicht eben so gut wie bei den Men­schen die Eigenheiten des gesunden Lebens sich im kran­ken Leben abspiegeln? — Ich glaube dies, und bin durch viele eigene Erfahrungen von der Wahrheit dieser Sache vollkommen überzeugt.
Eine andere wichtige Ursache, welche bei der Hunds-wuth nicht nur eine grosse Verschiedenheit der Erscheinun­gen am lebenden Thiere, sondern eben so auch verschie­dene pathologische Veränderungen einzelner Organe bedingt und daher auch die Sectieus-Data modificirt, ist das zu-
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8nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Hertwig,
fällige örtliche Mitleiden dieser einzelnen Or­gane.
Man findet nämlich bei den Sectionen toller Hunde in recht vielen Fällen ein oder das andere Organ in einem anscheinend entzündeten Zustande, welcher zwar in der Mehrzahl der Fälle nur oberflächlich' zu sein pflegt, zuwei­len aber auch tiefer in die Substanz der Organe eindringt, und sich am häufigsten durch Röthung, zuweilen durch Blut-extravasate, und mitunter auch durch Auflockerung dei Masse zu erkennen giebt. So leiden vorzüglich bei manchen Hunden die Hirnhäute, bei andern die Augen, der Rachen, der Kehlkopf und die Luftröhre, die Lungen, der Magen und Darmkanal. Diese örtliche Leiden sind jedoch nicht bestän­dig, sondern sie variiren bei den verschiedenen Subjekten auf die raannichfaltigste Art, sowohl in der Aflfektion der ver­schiedenen Gebilde, wie auch im Grade der intensiven Stärke und der Ausbreitung, und nicht selten fehlen sie gänz­lich. Wo jedoch ein solches Mitleiden eines Organs besteht, da wird auch die Funktion desselben mehr oder weniger leiden, und es werden darauf sich beziehende Krankheitser­scheinungen eintreten müssen. Eine Menge von Beobach­tungen haben dieses auch wirklich bestätigt, indem wuth-kranke Hunde oft durch verschiedene Symptome, bald eine besondere Irritation, bald wieder einen lähmungsarti­gen Zustand einzelner Organe u. dgl. andeuteten, und wo man dann nach dem Tode auch krankhafte Veränderungen in jenen Organen gefunden hat. Durch diese Umstände wird aber in jedem Falle eine grössere oder geringere Ver­schiedenheit im äussern Ansehen der kranken Thiere, und selbst im Verlaufe der Krankheit herbeigeführt, die denjeni­gen leicht irre führen kann, der die Krankheit nur aus der Beschreibung oder selbst auch aus der Ansicht eines einzel­nen Falles kennt. Nur die zahlreiche Beobachtung und die
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über die Wuthkrankheit bei den Thieren.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 9
Vergleichung recht vieler Fälle kann hier lehren, was zu­fällig und was wesentlich ist.
Obgleich es schon lange und sehr oft beobachtet ist, dass bei der Hundswuth einzelne Organe auf eine entzündliche Weise afficirt werden, so hat doch, so viel mir bekannt ist, erst Delabere Blaine auf die davon abhängige Verschie­denheit der Symptomen, bei dieser Krankheit aufmerksam gemacht. Er giebt an, und ich habe es oft bestätigt gefun­den, dass solche Kranke, bei denen die Gefässe des Gehirns mit Blut überfüllt gefunden werden, gewöhnlich während des Lebens viel Reizbarkeit, Unruhe und Neigung zu Beis-sen zeigen, — dass bei denen, wo der Schlund und Rachen leiden, während des Lebens eine Geschwulst des Manles und der Zunge zugegen ist, — dass, wo die Lungen den Haupt­sitz des örtlichen Leidens ausmachen, viele Unruhe. Angst, Trieb zum Herumschwärmen und zum Beissen und unauf­hörliches Heulen oder Bellen bemerkt wird, und dass da, wo Magen und Gedärme vorherrschend leiden, eine Neigung zum Graben, Stroh u. dgl. unter den Bauch zu häufen, geringere Reizbarkeit und mehr Lähmung in den Lenden zu bemer­ken sind. Eben so hängt die grössere oder geringere Em­pfindlichkeit des Auges, das Erbrechen, die Verstopfung des Leibes, oder der Durchfall und andere nicht seltene Erschei­nungen, wohl von einem dergleichen örtlichen Mitleiden ab.
Solche entzündliche Affektionen und eben so auch Läh­mungen verschiedener einzelner Theile, sind aber keineswe-ges der Hundswuth allein eigen, sondern sie entwickeln sich bei den meisten solchen Krankheiten, welche sich mit Ty­phus compliciren oder in diesen enden, und sie sind auch hier immer von dsr Constitution und Anlage des Erkrank­ten, von dem herrschenden Genius oder dem Charakter der Krankheit u. s. w. abhängig, daher auch immer nur zufällig, wie dies z. B. das ansteckende Nervenfieber beim Menschen deutlich beweiset. Dass aber auch hier in allen Fällen
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10nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Hertwig,
durch dies örtliche Mitleiden die Form der Krankheit recht sehr modificirt wird, ist allgemein bekannt und namentlich wieder durch die Geschichte des ansteckenden Typhus oder der Kriegspest vollständig erwiesen.
Mehrere frühere Schriftsteller, z. B. Hnnauld*), Ma-jerne**), Pilger***), u. A., haben sich wahrscheinlich durch solche zufällige Erscheinungen, vielleich durch Ver­wechselungen mit andern Krankheiten verleiten lassen, 6 bis 7 verschiedene Arten der Wuthkrankheit anzunehmen und zu unterscheiden. Die Erfahrung lehrt es aber, dass diese Unterscheidungen sämmtlich nicht gehörig begründet, un­richtig und daher nicht brauchbar sind.
Alle Verschiedenheiten der ausgebilden Hundswuth las­sen sich dagegen unter zwei Hauptformen und Arten zusam­menbringen , die durch bestimmte Symptome sich von ein­ander unterscheiden, und hiernach mit den bereits seit lan­ger Zeit gebräuoblichen, obgleich nicht recht passend ge­bildeten Namen: .,rasende Wuth, und stille Wuth,quot; bezeichnet werden.
Dieselben Bezeichnungen wurden ehedem nur für verschie­dene Grade der Daner und Ausbildung der Wuthkrankheit gebraucht, indem man unter stiller Wuth gewöhnlich die erste Periode der Krankheit, und so lange der Hund noch nicht offenbar rasend sich gezeigt hatte, verstand; dagegen aber die rasende Wuth nur als eine weitere Entwickelung und Ausbildung der stillen Wuth betrachtete und sie daher nur in späteren Zeiträumen der Krankheit anzunehmen pflegte. Da jedoch bei vielen Hunden, die Periode der stil-
*) Entretiens sur la rage Vol. I. pag. 3G5. Paris 1746. **) Leske, auserlesene Abhandlungen für praktische Aerzte, 1. Bd. S. 303.
***) In seinem systemat. Handb. der theoret. u. prakt. Veterin. Wis-sensch. S. 1193. Glossen 1803.
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über die Wuthkrankheit bei den Thieien-nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 11
len Wuth gänzlich fehlt und bei ihnen die Krankheit gleich von der Zeit ihres ersten Eintrittes sich mit dem Zustande, den man Raserei nennen kann, verbunden zeigt, — da fer­ner dieser Zustand eben so oft im ganzen Verlaufe der Krankheit fehlt und die Thiere sich gerade in der letzten Zeit gewöhnlich ruhiger zu verhalten pflegen, als im An­fange und in der Mitte der Krankheit, — und endlich, da der Zustand der Wuth oder der Rasserei bei den allermei­sten tollen Hunden in jeder Periode eintritt, wenn erregende Ursachen dazu vorhanden sind; so ist wohl die Bezeich-nunng der Krankheitsgrade, als stille und rasende Wuth, nicht recht passend, und ich habe daher mit Mey-nel, Greve, Waldinger u. A. diese Namen zur Bezeich­nung der beiden, einander scheinbar entgegengesetzten Krank­heitsformen gewählt.
Die rasende Wuth charakterisirt sich im Allgemeinen durch grosse Munterkeit, Beweglichkeit und Unruhe der kranken Hunde, durch grosse Neigung, bei der geringsten Veranlassung und oft auch ohne dieselbe, zu beissen, durch die beständig vorhandene Möglichkeit, dies zu thun, indem der Hinterkiefer (Unterkiefer) bei dieser Form der Krank­keit völlig beweglich ist, durch vieles Bellen oder Heulen und durch fast immer vorhandenen sehr grossen Trieb zum Fortlaufen.
Bei der stillen Wuth ist dagegen im Allgemeinen grössere Ruhe, zuweilen wirkliche Traurigkeit, geringe Nei­gung zu beissen, bei fast stets vorhandener Unmöglichkeit dies zu thun, weil bei jedem solchen Hunde der Hinterkie­fer schlaff oder gar gelähmt und bewegungslos herabhängt, (man sehe die Abbildung eines mit der sogenannten stillen Wuthkrankheit behafteten Hundes auf Tafel I.) *) — und
*) Ich habe diese sehr gut getroffene Abbildung eines an der stil­len Wuthkrankheit leidenden Hundes von dem sehr geschickten Thier-
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12nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Hertwig,
endlich ist nur sehr selten ein Trieb zum Fortlaufen vor­handen.
Beide Krankheitsformen zeigen aber ihren wesentlichen Zusammenhang dadurch, dass die Stimme, das wichtigste Kennzeichen der ganzen Krankheit, bei beiden Arten auf eine gleiche Weise verändert ist, dass beide im Anfange stets ohne Fieber bestehen, dass bei beiden der Appetit zum Futter auf gleiche Art fehlt und auf ungewöhnliche Dinge gerichtet ist, dass bei beiden keine Wasserscheu be­steht, dass beide Formen gieiclimässig ansteckend sind und bei der Fortpflanzung durch Ansteckung in einander über­gehen, so dass durch den Biss von einem rasend tollen Hunde, die stille Wnth, und umgekehrt, von einem stilltollen die rasende Wuth entstehen kann.
Beide Arten der Krankheit habe ich nicht allein durch Ansteckung von andern wuthkranken Thieren, sondern auch häufig von selbst entstehen seilen. Ueber die Ursachen zur Selbstenstehung dieser Krankheit bin ich jedoch noch nicht zu ganz bestimmten Resulten gekommen, weil die Hunde von jeder Race, von jedem Alter und Geschlecht, unter jeder Art ihres Verhaltens in Pflege und Wartung und bei jeder Jahreszeit und Witterung in die Krankheit verfallen. Ich glaube aber, dass die individuelle Disposition zur Krank­heit ein sehr wichtiger Umstand bei ihrem Entstehen ist, und dass diese Disposition besonders bei solchen Hunden mehr ausgebildet ist, welche an der sogenanten Staupe oder Hundekrankheit und deren nervösen Folgekrankheiten im hohen Grade gelitten haben; denn ich sähe solche Hunde häufig, ohne dass sie gebissen worden, toll werden. Zu den
maier Bürde anfertigen lassen und sie zu einer Abhandlung „über die durch den Biss eines Hundes veranlasste Wasserscheu und ihre Behandlungquot; in die Aufsätze u. s. w von Rust, 2. Bd. S, 305, Berlin 1836, — schon einmal gegeben.
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über die Wutlikiankheit bei den Thieren.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 13
veranlassenden Ursachen gehört wohl ohne Zweifel der zu sehr erregte und nicht genügend befriedigte Geschlechts­trieb, wie dies schon lange von Fischer, Greve u. A. an­gegeben ist, und wie ich selbst mehrere dafür sprechende Fülle kennen gelernt habe. Hitze und Kälte, welche man auch als wichtige Ursachen der Wuthkrankheit betrachtet, halte ich nicht für solche, weil diese Krankheit in und nach kalten Wintern und heissen Sommern nicht häufiger ist als zu andern Zeiten*), und weil solche Hunde, welche diesen Einflüssen am häufigsten ausgesetzt sind, z. B. Kettenhunde, Fuhrmanns- und Karrenhunde**), viel seltener toll werden, als die gegen Hitze und Kälte geschützten Stubenhunde.
Vor dem wirklichen Ausbruche der Wuthkrankheit sol­len nach der Angabe vieler Schriftsteller bestimmte Vor­boten vorausgehen, und man bezeichnet als solche vorzüg­lich: eine Veränderung in der Munterkeit der Hunde, bald eine grössere Launigkeit, bald grössere Reizbarkeit, Nei­gung zum Zorn, oder auch Trägheit, ferner eine veränderte, gewöhnlich erhöhete Temperatur der Nasenspitze, Wechsel des Appetits, vermehrten Glanz und grössere Röthung der Augen, Erweiterung der Pupille und dadurch veränderten eigenthümlichen Blick, etwas verzogene Lippen, gesträubtes Haar u. dgl. m.
*) So sind z. B im Sommer 1828, der nur wenige warme Tage hatte, 48, im vorjährigen heissen Sommer aber nur 37 tolle Hunde in die Thierarzneischule gebracht worden.
*quot;) Die vielen, in der Umgegend von Berlin zum Ziehen der Milch­karren benutzen Hunde bestätigen diese Angaben ganz offen dadurch dass von der grossen Zahl derselben binnen 5 Jahren nur ein einziger als wirklich toll in die Thierarzneischule gebracht worden ist, obgleich diese armen Thiere in allen Jahreszeiten stets jeder Witterung ausgesetzt, täglich nicht nur den sehwerbeladenen Mitchkarren eine Meile weit, und einzelne auch noch weiter ziehen, sondern auch auf den Strassen der Stadt durch 4 bis G Stunden, ohne das geringste Obdach zu haben, liegen müssen.
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14nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Hertwig,
Wirkliche Vorboten wären bei dieser gefäluiichen Krank­heit von der höchsten Wichtigkeit, weil durch deren zeitige Erkennung gewiss mancher Unglücksfall verhütet werden könnte. Im Gefühle dieser Wichtigkeit habe ich bei allen mir vorgekommenen verdächtigen, gebissenen und geimpften Hunden stets die grösste Aufmerksam auf jede entstehende Veränderung verwendet, bin aber dabei leider zu der üeber-zeugung gekommen, dass weder die angegebenen, noch an­dere Zeichen, als wirkliche Vorboten der Hundswuth be­trächtet werden dürfen. Ich habe in einzelnen Fällen wohl die eine oder die andere von den genannten Veränderungen kurz vor der vollkommenen Entwickelung der Krankheit eintreten, oder, mit andern Worten, durch eine kurze Zeit allein bestehend gesehen; aber in den meisten andern Fäl­len war dies nicht so, sondern die genannten Symptome traten zwar ein, zeigten sich aber bei gehöriger Untersu­chung immer zugleich mit andern in Verbindung und die Krankheit hatte sich plötzlich ganz vollkommen entwickelt. Diese Umstände verlieren daher schon deshalb ihren Werth als Vorboten, weil sie nicht constant sind, und weil man also in keinem Falle mit Sicherheit auf ihr Eintreten rech­nen kann. Sie würden aber nach meiner Ueberzeugung, auch selbst dann, wenn sie beständig erschienen, durchaus nicht als bestimmte Vorboten der Wuthkrankheit anzusehen sein, aus dem Grunde, weil sie als allgemeine Zufälle der gestörten Gesundheit auch bei fast allen andern Krankhei­ten der Hunde, mehr oder weniger vorkommen, ohne mit der Wuth in der entferntesten Beziehung zu stehen. — Sie verdienen jedoch immer eine genaue Berücksichtung, wenn sie bei solchen Hunden sich einfinden, welche von einem tollen, oder der Wuth verdächtigen Hunde gebissen sind, weil man hier bei jedem Erkranken die Wuth mehr als sonst zu befurchten hat. — Für die Mehrzahl der Fälle kann man also annehmen, dass die Wuthkrankheit plötz-
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über die Wuthkrankheii bei den Thielen.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 15
licli ausbricht, und dass die Zufälle, welche von Manchen für Vorboten dieser Krankheit gehalten werden, schon wirk­liche Krankheitszeichen sind.
A. Die wichtigsten Zeichen, welche bei der rasenden Wuth zu bemerken sind, bestehen in folgenden:
1)nbsp; nbsp;Die Hunde verändern zuerst auf irgend eine Weise ihr gewöhnliches Benehmen, was zuweilen sehr auffallend, zuweilen aber nur für den aufmerksamen Beobachter deut­lich wahrnehmbar ist; einzelne werden empfindlicher, schein­bar munterer, dienstwilliger und bei ihren Verrichtungen leicht hitzig und zum Zorn geneigt; andere zeigen sich da­gegen träge, faul und verdriesslich. Diese Stimmung scheint jedoch bei keinem solchen erkrankten Hunde stets gleich bleibend zu sein, sondern sie wechselt von Zeit zu Zeit, und auch die meisten übrigen Zufälle zeigen sich nicht stets anhaltend, sondern bald mehr oder weniger wechselnd.
2)nbsp; Viele tolle Hunde zeigen gleich in der ersten Zeit eine grosse Neigung zum Lecken an kalten Gegenständen, z. B. an der Kette, an Steinen, an den Köpfen der Nägel in dem Fussboden, an der Nase anderer Hunde u. dgl.
3)nbsp; Die allermeinsten tollen Hunde zeigen gleich vom Anfange der Krankheit an, einzelne aber auch erst später, eine gewisse Unruhe; sie verweilen dann nirgends lange, suchen stets einen neuen Ort zu ihrem Lager, laufen ohne Zweck hin und her und drängen sich besonders gern zur Thüre. Diese Unruhe ist jedoch nicht immer in gleichem Grade und niemals beständig zugegen, sondern es giebt Hunde, bei denen sie sich nur sehr gering äussert, und bei allen finden sich längere oder kürzere Perioden, in denen sie gar nicht zu bemerken ist, wo vielmehr die Thiere ganz ruhig auf ihrem Lager oder an einem dunklen Orte so lange liegen, bis eine neue Aufregung wieder eintritt. Im höhern Grade treibt diese Unruhe die Thiere zum gänzlichen Eut-
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16nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Hertwig,
laufen aus dem Hause ihres Herrn, und sie schweifen dann nicht selten in der Gegend meilenweit umher*). Wenn aber nach einiger Zeit wieder eine ruhige Periode eintritt, was zuweilen nach einer Stunde, oft erst nach einem gan­zen Tage der Fall ist, so pflegen sie (wenn sie nicht durch gewaltsames Verjagen oder auf andere Weise hieran ver­hindert sind) wieder ruhig zurükkehren und dann freund­lich, ja selbst erfreut gegen bekannte Personen zu sein.
Das Verlassen der Wohnung bezeichnet immer bei dem sonst so getreuen Hunde eine bedeutende Störung des Be-wusstseins und somit bei der Wuthkrankheit einen hohen Grad derselben.
Dieser hohe Grad scheint durch äussere Reizungen, die das Thier beti-effen, schneller ausgebildet und herbeigeführt zu werden; denn ich habe übereinstimmend mit Anderen häufig bemerkt, dass die Hunde besonders dann entlaufen, wenn sie geschlagen werden, oder auf eine andere Weise heftig aufgeregt worden sind. Man muss daher unter sol­chen Umständen und wo ein Hund durch irgend einen Um­stand verdächtig geworden ist, sich über die wirkliche Ur­sache des Davonlaufens nicht täuschen lassen, wie dies lei­der schon mehrmals geschehen ist, indem man es als eine Folge der Furcht vor weiterer Bestrafung, als Eigensinn und Ungehorsam, oder auch als eine nicht ganz seltene Wir­kung des Begattungstriebes bebrachtete und desshalb die genauere Untersuchung des Thieres und die Veranstaltung zweckmässiger Vorsichtsmaassregeln versäumte. Bei nicht gehöriger Beachtung aller übrigen Zufälle kann ein solcher
*) Hehrere Beobachter, und namentlich Jäger, haben wegen die­ser Neigung zum Fortlaufen eine besondere Art der Wuthkrankheit angenommen und dieselbe mit dem Namen „laufende Wuthquot; be­zeichnet.
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Irrthum um so leichter begangen werden, wenn nach eini­ger Zeit der Hund ruhig und freundlich zurückkehrt,*)
4)nbsp; Bei keinem tollen Hunde verschwindet das Bewusstsein gänzlich eher, als bis kurz vor dem Tode; alle tolle Hunde er­kennen fast während der ganzen Krankheit ihre Herren und Pfleger, alle sind für eine gute, freundliche Behandlung em­pfänglich und geben dies gegen bekannte Personen durch Wedeln mit dem Schwänze, durch freundliches Entgegen­kommen und dergleichen mehr oder weniger auffallend zu erkennen; sie folgen auch sämmtlich in der ersten Zeit ihren Herrn noch so wie sonst, und diejenigen, welche zur Ausübung von Kunststücken, oder zur Jagd abgerichtet sind, verrichten im Anfange der Krankheit auf Befehl ihres Herrn das erlernte Geschäft noch so wie vorher. Je mehr aber die Krankheit an Heftigkeit zunimmt, um desto mehr vermindert sich die gewohnte Folgsamkeit, und besonders wenn die Hunde durch irgend eine Veranlassung gereizt und in einem aufgeregten Zustand versetzt worden sind. Ganz unfolgsam werden jedoch solche Kranke niemals.
5)nbsp; Verlust des Appetits, besonders zuder gewohnten, con-sistenten Nahrung, zeigt sich bei den allermeisten tollen Hunden gleich beim Eintritt der Krankheit, und ist in der Regel auch anhaltend bis zum Tode zugegen Nur ausseist we­nige Hunde machen hiervon eine Ausnahme, indem sie von Zeit zu Zeit einige Bissen, besonders von besserem Futter, als ihr gewöhnliches ist, zu sich nehmen, oder, indem sie etwas
*) Ich könnte hier aus eigener Erfahrung mehrere Beispiele von solchen Fällen anführen, wo andere Personen, die sich sogar für Sach­kenner hielten, durch die angeführten Umstände getäuscht wurden. Es wird aber zur Bestätigung des Gesagten hinreichend seyn, auf die Ge­schichte des unglücklichen Dr. Leuchtermann zu Münster, der sich auf ähnliche Weise bei seinem eigenen Hunde täuschte, aufmerksam zu machen. Siehe: Ausführl. Nachricht von einer tödtlichen Krankheit nach dem tollen Hundebisse, etc. von Jos. Fehr. Göttingen 1790.
Mag. f. Thicrheilk. XL. 1.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;2
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Suppe, Kaffee oder andere flüssige Nahrungsmittel geniessen, und dabei auch einige Stückchen weiches Brot oder Fleisch verschlucken.
Obgleich der Mangel an Fresslust auch ein gewöhnli­ches Symptom anderer Krankheiten ist, so zeigt sich das­selbe doch bei dem von Natur so gefrässigen Hunde nie­mals eher, als bis eine Krankheit vollkommen entwickelt ist, oder bis der Hund sich recht krank fühlt und auch dem Beobachter so erscheint. Unter solchen umständen wird dann auch der fehlende Appetit Niemanden befremden; bei der quot;Wuthkrankheit dagegen ist dieser Zufall immer sehr auffallend, weil in der ersten Zeit seines Bestehens, und mitunter auch durch 2 volle Tage nur so ausseist wenige und geringe [anderweitige Krankheits-Symptome gleichzeitig mit ihm vorhanden sind, dass jeder Unkundige das Thier nicht für wirklich krank, sondern noch für gesund hal­ten muss.
Fremde von ihrem Herrn erst unlängst getrennte, ein­gesperrte, an die Kette gelegte, ihrer Jungen beraubte Hunde, versagen auch nicht selten, durch einige Zeit aus Angst und Gram, das Futter. Dieses ist allgemein bekannt, und aus der grossen Empfindlichkeit des Hundes und aus seiner Anhänglichkeit an bekannte Menschen leicht zu er­klären. Daher wird dieser Zufall unter sole henümständert und bei dem Mangel der übrigen Krankheitszeichen wohl keinen Verdacht erregen können.
6) Bei dem eben angegebenen Mangel an wirklichem Appetit zur gewöhnlichen Nahrung fressen und verschlingen doch dagegen die tollen Hunde in einzelnen Momenten sol­che Dinge, die sonst nicht zu ihrer Nahrung dienen, und welche sie im gesunden Zustande nicht berühren, wie z.B. Holz, Torf, Stroh, Leder, Wolle, Scherben von Glas u. dergl., sie lecken nicht selten ihren eigenen und anderer Hunde Urin, und zuweilen fressen sie auch den eigenen Roth,
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Dieser verkehrte, unregelmässige Appetit ist bei allen andern Krankheiten der Hunde eine höchst seltene Erschei­nung, bei der Wuth dagegen fast beständig vorhanden, und hier doppelt wichtig; denn er giebt uns nicht nur durch seine Aeusserungen an dem lebenden Thiere, sondern auch durch die im Magen mehr oder weniger angehäuften unver­daulichen Stoffe selbst nach dein Tode noch ein ziemlich constantes und sicheres Hülfsmittel zur Erkennung der Krankheit.
7) Alle wuthkranke Hunde können Wasser und andere Flüssigkeiten sehen, lecken und saufen, und zwar in jeder Periode der Krankheit; manche suchen sogar das Wasser und lecken es mit grosser Begierde, andere zeigen nur we­nig Durst, und einzelne lecken viel im Wasser, können das­selbe aber nicht gehörig hinabschlucken, weil die Zunge, der Rachen, oder auch der Schlund angeschwollen sind; — aber wirklich wasserscheu ist durchaus kein tol­ler Hund, Diese Behauptung über das gänzliche Nichtbe-stehen der Wasserscheu bei der Wuthkrankheit der Hunde ist keinesweges neu, sondern Meynel, Blaine und Gre-ve*) haben auf den Grund ihrer gemachten vielfältigen Er­fahrungen bereits früher eine eben so bestimmte Erklärung darüber ausgesprochen, und viele andere Beobachter haben in einzelnen Fällen gleichfalls keine Wasserscheu bei völlig wuthkranken Hunden gesehen.
Waldinger schien über diesen Punkt nicht recht ins Reine gekommen zu seyn, obgleich er übrigens die Krank­heit recht genau kannte; denn er lehrte: „dass einige tolle Hunde das Wasser scheuen und andere eine starke Sehn­sucht nach demselben äussern, dass aber alle davon nichts niedersch'lucken können.quot;**)
*) In den S. 3. angezeigten Schriften. *) Abbandl. üb. d. gewöhnl. Krankh. der Hunde. S. 153.
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Zu dieser Meinung, von der bei einigen solchen Patien­ten vorhandenen Wasserscheu, war dieser würdige Lehrer und sonst gute Beobachter dadurch veranlasst worden, „dass er manche Hunde das in ihrem Gefängnisse befindliche Was­ser mit Stroh bedecken, oder auch sie in den Wasserstrahl beissen sähe, wenn sie mittelst einer Spritze bespritzt wur­den.quot;*) — Allein das Erstere geschieht bei sehr unruhi­gen und tobenden Hunden fast immer ganz unwillkührlich, indem sie ihr Strohlager umwühlen und das Stroh ausein­ander streuen, — und es erfolgt immer um so eher, je näher das Saufgefäss an dem Lager steht. Da nun aber in der Thierarzneischule zu Wien, wo Waldinger seine Beobach­tungen machte, die tollen Hunde zu jener Zeit in eiserne, nicht sehr grosse Käfige gesperrt wurden; so konnte es bei einiger Unruhe des Kranken in dem engen Räume wohl sehr leicht geschehen, dass der Wassernapf mit Stroh bedeckt wurde. **) Ich habe nur unter solchen Umständen etwas
*) An demselben Orte, S. 159. **) Bei dieser Gelegenheit kann ich nicht unterlassen, der in der neueren Zeit bei der hiesigen K. Thierarzneischule zur Aufbewahrung wuthkranker Hunde getroffenen guten Einrichtungen in Kurzem zu ge­denken. Der zu diesem Zweck bestimmte Stall ist gegen 16 Fuss lang, eben so breit und hoch, ganz massiv und mit Steinen gepflstert; er hat einen eigenen Eingang und wird durch ein grosses mit einem starken Drathgitter versehenes Fenster beleuchtet. Im Innern ist er durch eine 7 Fuss hohe Bohlenwand in 2 Abtheilungen geschieden, von denen die äussere, kleinere mit dem Eingange in immittelbarer Verbindung steht, und gleichsam ein Entree bildet, die innere, grössere aber den eigentlichen Aufbewahrungsort darstellt, und zu diesem Zwecke mit 4 starken in die Mauer eingegossenen eisernen Krammen zur An­lage der Ketten, versehen ist. Beide Abtheilungen stehen durch eine feste in der Bohlenwand befindliche Thür mit einander in Verbindung. Die Bohlenwand ist mit mehreren 1 Zoll grossen Löchern durchbohrt und an ihrem obern Rande mit einem Kamme von 6 Zoll langen eisernen Stacheln versehen. Im Entree befindet sich dicht an der Bohlenwand
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Aehnliches gesehen, niemals aber dabei eine absichtliche Handlung des kranken Thieres erkennen können. — Der andere Grund, nämlich das Beissen der tollen Hunde in den Wasserstrahl, ist noch weniger haltbar;
a)nbsp; weil der (lichte Wasserstrahl auf den tollen Hund gewiss nicht wie blosses Wasser, sondern wie ein fester Körper einwirkt und ihn bei der Berührung eben so stark wie jeder andere Körper irritirt;
b)nbsp; weil die meisten gesunden Hunde, wenn sie einge­sperrt sind und bespritzt werden, eben so gut wie manche tolle in den Wasserstrahl beissen und sich gleichsam zur Gegenwehr setzen, und
c)nbsp; weil der wirklich wasserscheue Hund wohl nicht nach dem Wasser schnappen und beissen, sondern vor dem­selben fliehen und sein Gesicht verbergen würde.
Eben so wenig ist auch
8)nbsp; Lichtscheue, Glanzscheue und Luftscheue mit deut­lich bemerkbaren Symptomen bei den tollen Hunden zuge­gen, obgleich einzelne dieser Thiere eine krankhafte Em­pfindlichkeit gegen helles Licht zu haben scheinen und dess-halb die Augen mehr als gewöhnlich schliessen, und auch sich lieber an dunkeln als an hellen Orten aufhalten.
9)nbsp; Alle wuthkranke Hunde leiden, wenigstens durch
eine Treppe von 4 Stufen, auf denen man sich höher oder niedriger stellen und so ohne die geringste Gefahr und ganz ruhig die im innem Raums befindlichen Thiere beobachten kann, indem man entweder durch die Löcher der Bohlenwand oder über dieselbe hineinsieht. Manche Hunde werden angekettet, andere lässt man frei im Stalle her­umlaufen, um ihr Benehmen unter allen Umständen kennen zu lernen. Alle in die Anstalt gebrachten tollen Hunde werden hier bis zum von selbst eintretenden Tode observirt, und die Schüler erhalteu dadurch Gelegenheit, die Wuthkrankheit durch eigene, vielfache Beobachtung besser kennen zu lernen, als dies bei irgend einer andern Einrichtung des Tollstalles möglich ist. (NB. So war es im Jahre 1828).
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einige Zeit, an hartnäckiger Leibes Verstopfung; manche strengen sich oft, aber fast immer vergeblich zur Kothent-leerung an, und nur bei wenigen einzelnen findet sich, be­sonders nach Verlauf der ersten Tage, Abgang von dünnem und dunkelgefärbten Koth.
10)nbsp; Tolle Hunde zeigen in der Regel keinen vermehr­ten Begattungstrieb, selbs wenn sie mit Hündinnen zusam­mentreffen.
11)nbsp; Das wichtigste und bei allen tollen Hunden ganz bestimmt zu bemerkende Kennzeichen, ist eine ganz eigen-thümliche Veränderung in der Stimme und in der Art des Bellens. Die ausgestossenen Töne sind nämlich bald höher bald tiefer als im gesunden Zustande des Hundes, und da­bei auch immer etwas rauh und heiser, widerlich und ängstlich klingend. Das Bellen geschieht nicht, wie sonst bei gesunden Hunden, in einzelnen, kurz auf einander fol­genden aber doch deutlich von einander getrennten Lauten oder Schlägen, sondern der erste Anschlag geht alle­mal in ein kurzes Geheul über, so dass das Ganze weder e,in ordentliches Bellen oder Blaffen, noch ein wirkliches Heulen, sondern gleichsam ein Mit­telding zwischen beiden vorstellt.
Diese Art zu bellen kommt bei keiner andern Krank­heit der Hunde vor, und ist so charakteristisch, dass man an demselben die tollen Hunde mitten unter vielen andern, und selbst ohne sie zu sehen gehörig erkennen kann.*)
In allen zweifelhaften Fällen, wo die Symptome noch zu unbedeutend, zu wenig entwickelt sind, oder, wo Hunde
*) Einen Beweis davon legte erst unlängst einer von meinen Schü­lern, Hr. Hoppe, in Gegenwart vieler andern Personen ab, indem er den in einem dichten Sacke zur K. Thierarzneischule gebrachten Hund des Weinhändlers Hippel nach dem Hören des Bellens für toll erklärte, und zwar mit vollem Rechte: denn die genauere üntersuchimg bestätigte diese Diagnosis vollkommen.
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wegen verübten Beissens bloss der Wuth verdächtig und angeschuldigt worden sind, gebe ich nicht eher mein Ur-theil, als bis ich die Stimme des Hundes gehört habe; und dies Zeichen hat mich bei der sonst mitunter so sehr schwie­rigen Diagnosis noch niemals einen Irrthum begehen lassen.
Es darf wohl kaum bemerkt werden, dass, obgleich die vorhin angegebene Art zu bellen, bei allen tollen Hunden sehr gleichmässig vorhanden ist, doch die Stimme bei Hun­den von verschiedener Grosse, Ra(;e u. s. w. sich von ver-schindener Stärke, Höhe und Tiefe zeigt, da auch im ge­sunden Zustande diese Verschiedenheiten bestehen.
Bei dem Bellen heben die meisten tollen Hunde das Maul etwas in die Höhe, ähnlich denjenigen Hunden, welche durch das Spielen musikalischer Instrumente zum Bellen oder Heulen gereizt worden sind. Manche tolle Hunde las­sen ihr Gebelle ohne alle Veranlassung sehr oft, fast unun­terbrochen durch mehrere Tage hören, bei andern ist es nur selten, oder nach einer Reizung bemerkbar, und zuweilen wechselt dieser Zustand; je länger aber die Krankheit dauert, um so mehr heiser und rauh wird die Stimme, so dass sie bei einzelnen Hunden zuletzt fast dem Grunzen eines Schweines ähnlich wird.
12) Bei den allermeisten Hunden, die an der rasenden Wuth leiden, findet sich früher oder später eine Neigung zu beissen. Diese Neigung äussert sich aber nicht beständig während der ganzen Krankheit, sondern abwechselnd in verschiedenen Zeiten und dabei in sehr verschiedenen Gra­den. Die Ra(je, das Temperament, die Benutzung des Hun­des zu verschiedenen Zwecken, und daher seine Gewohnhei­ten, eben so auch das zufällige Mitleiden einzelner Organe und die während der Krankheit den Hund betreffenden Ein­flüsse, machen hier und bei dem Triebe zum Fortlaufen eine grössere Verschiedenheit als bei den übrigen Symptomen. In der Mehrzahl der Fälle bemerkt man die Neigung zu
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beissen bei sonst gutmüthigen und phlegmatischen Hunden nur in einem geringen, zuweilen sehr unbedeutenden Grade indem sie nach manchen Dingen, l. B. nach den Fassen der vorbeigehenden Personen stillschweigend schnappen, aber nicht wirklich beissen, sondern nur die Gegenstände mit den Zähnen anstossen oder gelind kneipen; dagegen aber nimmt sie bei Hunden von beissiger Art und von hitzigem Tempe­rament den gefährlichsten Charakter an, und geht in wirk­liche Beisssucht und Mordsucht über, wobei solche Thiere mit Heftigkeit über alle lebendige Geshhöpfe in ihrer Nähe herfallen, selbst leblose Dinge nicht verschonen, und sogar den eigenen Körper angreifen und zerfleischen. Bei allen rasend tollen Hunden ist durch Reizungen die Beisssucht bald hervorzurufen und zu einem höhern Grade zu bringen. Zuerst und am heftigsten aussert sich der Trieb zum Beissen gegen Katzen, selbst wenn die Hunde vorher mit ihnen bekannt waren und verträglich mit ihnen lebten; dann zeigt er sich gegen Hunde und andere Thiere, und am spä­testen gegen den Menschen. Wo die Krankheit gleich nach dem Ausbruch einen hohen Grad erreicht, und wenn die kranken Hunde gereizt oder verfolgt werden, so kann man diese Stufenfolge nicht immer so genau wahrnehmen. Das Beissen erfolgt gewöhnlich ganz stillschweigend ohne vor­hergehendes Knurren oder Bellen, und besteht mehrentheils nur in einem heftigen, doch zuweilen mehrmals wiederholten heftigen Schnappen und Reissen mit den Zähnen. Wenn tolle Hunde mit andern zusammenkommen und nicht eben gejagt werden, so geschieht es recht häufig, dass erst-'re die letztern, ganz ruhig an mehreren Theilen des Körpers, be­sonders am Maule, an den Genitalien und am After berie­chen, dabei mit dem Schwänze wedeln und dann ganz unquot; verhofft recht heftig zubeissen. Nur selten wählen sie zu dem Beissen andere Stellen als das Maul und die Geni­talien. — Eben so beissen die tollen Hunde auch in einen
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ihnen vorgehaltenen Stock u. dgl. ganz stillschweigend und manche wedeln dabei freundlich mit dem Schwänze.
13)nbsp; Recht viele, aber nicht alle tolle Hunde schnappen häufig in die Luft, als ob sie Fliegen oder Mücken fangen wollten, obgleich keine solche Insekten zugegen sind.
14)nbsp; Das äv.ssere Ansehen der rasend tollen Hunde, ist in der ganz ersten Zeit der Krankheit, wenig oder gar nicht verändert, so lt;!ass man hiernach solche Thiere niemals für so bedeutend und gefährlich krank halten kann, wie sie es doch wirklich sind. Jedoch werden später, ungefähr um den zweiten oder dritten Tag gewöhnlich die Augen etwas ge-röthet, und bei den meisten von Zeit zu Zeit, durch einige Secunden mit den Augenlidern verschlossen, ähnlich wie bei solchen Hunden, welche an catarrhalischen Krankheiten, an Staupe und Augenentzündungen, und hierbei an zu grosser Empfindlichkeit gegen das Licht leiden. Zugleich zieht sich die Haut an der Stirn und über den Augen in kleine Fal­ten oder Runzeln, und durch diese Umstände erhalten sol­che Thiere theils ein schläfriges, theils ein mürrisches und verdriessliches Ansehen.
In der spätem Zeit werden die Augen trüb und matt, oft wie mit feinem Staub bestreut, niemals aber feuriger und lebhafter, als in der ersten Zeit.*)
Einzelnen Kranken schwillt der ganze Kopf, andern nur ein Theil an demselben, z. B. die Nase, die Zunge, mehr oder weni-
*) Manche Beobachter wollen in den Augen der wuthkranken Hunde ein eigenes, dem elektrischen ähnliches Leuchten, besonders in der letzten Zeit der Krankheit gesehen haben. Ich habe etwas Aehn-liches gesehen, aber nicht allein bei wüthendeu, sondern auch bei an­dern gesunden und kranken Hunden, — jedoch nur immer dann, wenn die Thiere gegen das Licht sehen und der Augapfel in einer bestimm-,_nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;ten Richtimg, entweder bewegt oder fixirt sich befindet. Ich kann
daher das Ganze für weiter nichts, als für reflectirtes Licht, und daher nicht für ein Zeichen der Tollheit halten.
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ger an; die meisten bekommen während der Krankheit ein rauhes, truppiges Ansehn, und alle werden in kurzer Zeit sehr auffallend mager.
15)nbsp; Das Maul der rasend tollen Hunde ist in den aller­meisten Fällen mehr trocken als feucht, und daher auch in der Regel ohne Schaum und ohne Geifer. Zuweilen wiid sogar die Oberfläche der Lippen und der Zunge förmlich ausgetrocknet, ähnlich wie bei manchen acuten Fiebern. —
Einige seltene Ausnahmen hiervon habe ich nur in sol­chen Fällen bemerkt, wo der Schlundkopf gleichzeitig affi-cirt war, und durch seine bedeutende Anschwellung das Hin-abschlucken des Speichels zu hindern schien.
16)nbsp; So lange solche Hunde noch etwas kräftig sind, und so lauge sie nicht verfolgt werden, tragen sie den Schwanz noch ganz wie sonst und wedeln auch freundlich mit demselben, wenn eine Veranlassung hierzu vorhanden ist. Nur dann erst, wenn die Schwäche bemerkbar zunimmt, lassen sie den Schwanz schlaff herabhängen, — niemals aber habe ich bemerkt, dass sie denselben mehr als ge­wöhnlich unter den Leib ziehen.
17)nbsp; Eben so gehen solche Hunde in der eisten Zeit der Krankheit, ganz wie gesunde; je länger diese aber dauert und je mehr sie zunimmt, um desto mehr schwach zeigen sie sich am Hintertheil des Körpers, und zuletzt werden sie daselbst immer gelähmt (kreuzlahm oder lendenlahmquot;. —
Dass die tollen Hunde nur geradeaus, und immer nur in derselben Richtung fortlaufen, ist ein Inthum. Sie laufen vielmehr in der ersten Zeit, wenn sie nicht etwa gejagt werden, in den verschiedensten Richtungen und Abwechse­lungen herum und spüren (riechen, schnupern) dabei ge­wöhnlich sehr emsig auf dem Wege, — und wenn der Beiss-Paroxysmus eingetreten ist, so springen sie nach den ver­schiedensten Gegenden, um den Biss anzubringen. Hiermit will ich aber die angeführte sehr verbreitete Meinung nicht
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ganz widerlegen, sondern nur bemerken, dass sie nicht für immer gültig sey. Denn manche im bewusstlosen Zustande, aus dem Hause ihres Herrn entlaufene Hunde, und die mei­sten in einem spätem Zeiträume der Krankheit befindlichen, bei denen schon ein betäubungsähnlicher Zustand eingetre­ten ist, laufen allerdings so lange in einer Richtung fort, bis sie ermattet niederfallen, oder durch irgend einen Um­stand zu einer Abweichung vom bisherigen Wege veranlasst werden.
B. Bei der stillen Wuth- oder Tollkrankheit bemerkt man:
1)nbsp; Dass die Thiere auch gewöhnlich ihr Betragen auf irgend eine Weise verändern, dass sie aber in der Regel weniger lebhaft und munter als sonst, dagegen still, ruhig, ja sogar ganz traurig werden.
2)nbsp; Das auffallendste und wichtigste Zeichen gleich nach dem Eintritt der Krankheit, bestebt darin, dass der Hinter­kiefer (ünterkinnbacken) wie gelähmt herabhängt, und dass daher das Maul solcher Hunde stets mehr oder weniger offen steht. (S. 11.)
Dieses Herabhängen des Hinterkiefers hielten einige Thierärzte, namentlch Waldinger und Veith, in einer an­haltenden, krampfartigen Zusammenziehung derjenigen Mus­keln, welche den Hinterkiefer herabziehen, vorzüglich des sterno-maxillarisund des digastricus begründet. Allein dies ist durchaus nicht der Fall, sondern es ist vielmehr ein lähmungsartiger Zustand derjenigen Muskeln, die den Un­terkinnbacken gegen den obern ziehen (des temporalis. des masseters, des pterygoideus, also der Kaumuskeln) zugegen; denn 1. befestigt sich der M. sterno-maxillaris bei dem Hunde nicht an den Unterkiefer, und dann habe ich auch denselben niemals krampfhaft zusammengezogen, sondern stets schlaff und weich gefühlt, — und 2. habe ich sehr häufig durch einen ganz gelinden Druck mit einem ein-
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zigen Finger den herabhängenden Kiefer bis gegen den an­dern in die Höhe gebracht und das Maul geschlossen, — was nicht so leicht geschehen könnte, wenn erst die krampf­haft zusammengezogenen Muskeln überwunden werden müss-ten. Sogleich wenn ich bei solchen Versuchen den unterstüt­zenden Finger wegnahm, fiel auch der Kinnbacken durch seine Schwere wieder herab und das Maul stand wieder offen.
Bemerkenswerth ist es jedoch, dass nicht bei allen Pa­tienten dieser Art die Lähmung in einem gleichen Grade ausgebildet ist; denn obgleich die meisten Hunde während der ganzen Krankheit und unter allen Umständen, den Kinn­backen gar nicht bewegen können, so sieht man dagegen doch, dass einzelne, wenn sie durch irgend einen Umstand, z. B. durch in ihrer Nähe befindliche Hunde, sehr aufgeregt worden sind, für einige Augenblicke das Maul schliessen und somit auch beissen können.
3)nbsp; Wegen der geringen Beweglichkeit des Hinterkiefers und bei dem stets offenstehenden Maule, können solche Hunde fast gar nichts, selbst nichts Flüssiges hinabschlin­gen, sondern es fliesst und fällt ihnen fast alles, was sie mühsam in das Maul genommen haben, wieder aus demsel­ben heraus.
4)nbsp; Aus derselben Ursache fliesst auch nicht selten der eigene Speichel aus dem Maule, und solche Patienten gei­fern deshalb weit mehr, als die rasend tollen Hunde.
5)nbsp; Ebenfalls aus derselben Ursache können im Allge­meinen die stilltollen Hunde weniger beissen und verletzen als die rasenden. Ganz unmöglich ist dieses aber bei ihnen nicht, da sie, wie vorhin sub Nr. 2. bemerkt, im Momente der Aufregung doch den Hinterkiefer bewegen können.
6)nbsp; Der Trieb zum Beissen ist jedoch bei den stilltollen Hunden nur in einem geringen Grade, und zuweilen kaum bemerkbar vorhanden.
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7)nbsp; Eben so verhält es sich mit der Unruhe und mit dem Triebe zum Fortlaufen.
8)nbsp; Häufig ragt bei den stilltollen Hunden die Zungen­spitze etwas zwischen den Zähnen und aus dem Munde hervor.
9)nbsp; Die Stimme ist bei ihnen ganz in derselben Art wie bei den rasend tollen umgeändert. Doch ist sie hier selte­ner als bei den letzteren zu hören, ja manchmal so selten, dass die Thiere freiwillig gar keinen Laut von sich geben und förmlich stumm geworden zu sein scheinen.
10)nbsp; Hinsichtlich des Bewusstseins, des Appetits zu Fut­ter und Getränk, der Nicht-Existenz der Wasserscheu, der Leibesverstopfung, der schellen Abmagerung und überhaupt der übrigen, bei den rasend tollen Hunden bemerkten Sym­ptome, verhält es sich bei len stilltollen Hunden im Wesent­lichen ganz gleich.
Der Verlauf der Krankheit ist in den einzelnen Fällen sehr verschieden und ganz unbestimmt. Sie führte, in allen mir bekannten Fällen den Tod herbei*), und zwar gewöhn­lich durch täglich zunehmende Erschöpfung der Lebenskraft, durch Lähmung binnen 6 bis 8 Tagen nach dem ersten Er­kranken. Zuweilen tritt jedoch der Tod früher ein, und die
'') Es wird zwar von mehreren Schriftstellern, z. B. von Rose-rerus, Hahnemann, v. Hildebrand und Greve angegeben: dass einzelne tolle Hunde und Wölfe (?) wieder genesen sein sollen; — da aber so häufig andere Krankheiten der Hunde irrthümlich für die Wutbkrankheit gehalten worden sind, und da jene wenigen Fälle eine höchst auffallende Ausnahme von der Regel machen, so wird es wohl erlaubt sein, an der Richtigkeit der meisten dieser Beobachtungen so lange zu zweifeln, bis sie durch neue und sichere Erfahrungen bestä­tiget weiden.
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30nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Hertwig,
Thiere sterben dann plötzlich, wie durch Schlagfluss. Ueber 10 Tage sähe ich bis jetzt keinen einzigen leben. *}
Die Sections-Data sind bei dieser Krankheit in medizi­nischer und polizeilicher Hinsicht sehr oft von der grössten Wichtigkeit, indem in solchen Fällen, wo Hunde durch ihr Kranksein, durch ihre Beisssucht oder auf andere Weise sich der Wuthkrankheit verdächtig gemacht haben und ge-tödtet worden oder gestorben sind, ehe sie von einem Sach­verständigen untersucht werden konnten, durch das Ergeb-niss der Section die vorhandenen Zweifel gelöset und die weiter nöthigen Maassregeln begründet werden sollen. Es haben daher recht viele Aerzte und Thierärzte auf die pa­thologischen Veränderungen in den Kadavern von wuthkran-ken Thieren ihre grösste Aufmerksamkeit verwendet, sie sind aber zuletzt fast sämmtlich zu dem leidigen Resultate ge­kommen, dass die positiven Sectionsdata bei der Wuth zu un­bedeutend und zu unbeständig und daher auch für sich allein nicht hinreichend sind, eine sichere Diagnosis zu begründen.
Ich habe ebenfalls, und zwar mehrentheils in Gemein­schaft mit meinem Collegen, dem Herrn Professor Dr. Gurlt, eine sehr grosse Zahl (gegen 200) solcher Cadaver, wie sie sich von den verschiedenen Arten und aus verschiedenen Perioden der Krankheit ergaben, secirt, und habe dabei mehrmals nach dem Beispiel von Brosche**) frische Cada­ver von gesunden Hunden derselben Ra^e und desselben Alters, gleichzeitig und vergleichend zergliedert, um hier-
*) Bei M. C. Leblanc starben von 188 Hunden 5 nach 1 Tage, 78 nach 2 Tagen, 58 nach 3 Tagen, 28 nach 4 Tagen, 11 nach 5 Tagen, 6 nach 6 Tagen, 2 nach 7 Tagen. Recueil de Med. Veterin. 1873. p. 546.
**) Vergl. mediz. Jahrb. des Oesterreich. Staates. 2. Bd. 2. Stück. S. 178.
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durch jede Abweichung in der Beschaffenheit der Organe desto sicherer bemerken und desto genauer bezeichnen zu können. Allein, obgleich ich in einzelnen Fällen Alles ge-fundeu habe, was Andere bernits fanden und angeben, so muss ich doch gestehen, dass ich, bei aller Mühe bis jetzt keine völlig constante und der Huudswuth allein zukom­mende Veränderung an irgend einem Th'jile habe auffinden können, sondern dass so wie die Symptome im Leben wech-seld und der Zahl und dem Grade nach, sich sehr verschie­den zeigten, eben so auch die Erscheinungen nach dem Tode in der Menge, der Ausbreitung und der Intensität sehr ver­schieden zu bemerken sind.
Ich bin aber völlig überzeugt, dass, wenn uns erst die Pathologie und die pathologische Anatomie der Nerven mehr bekannt sein wird, wir auch einst noch bestimmte organi­sche Veränderungen an speziellen Hirntheilen als Ursachen oder Folgen der Wuthkrankheit entdecken werden.*)
Aber auch bei dem Mangel jener bestimmten organi­schen Veränderungen, haben dennoch die Sectionsdata ihren grossen Werth, und es ist recht gut möglich, aus ihnen ein diagnostisches Resultat über die vorhanden gewesene Wuth­krankheit zu bilden. Es muss aber hierbei der ganze Sec-tionsbefund beachtet und mit den vorausgegangenen Er­scheinungen an dem lebenden Thiere verglichen werden. Bei dieser Vergleichung weiden sich mehrentheils einzelne wich­tige organische Veränderungen in einer erklärbaren und nachzuweisenden Beziehung zu den Krankheits - Symptomen finden (wie dieses bereits oben angedeutet worden ist), und hierbei ist dann der Beweis für das Dasein der Wuthkrankheit fast positiv zu geben, — obgleich gerade hier diese Veränderun­gen in der Regel nicht sehr gross sind, und auch nicht hinrei-
*) Diese Erwartung ist bis jetzt (1874) noch nicht in Erfüllung gegangen.
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chen, um als Todesursache gelten zu können. In vielen andern Fällen findet man dagegen gar keine bemerkens-werthe Veränderung in der Beschaffenheit irgend eines Or­gans und das Missverhältniss der Sections-Data zu den be­deutenden Krankheitserscheinungen ist sehr auffallend.
Da nun aber nach allen bis jetzt gemachten Erfahrun­gen solche Missverhältnisse nur bei nervösen Krankheiten Statt finden, und da die Klasse dieser Krankheiten bei dem Hunde ausser der Wuth sich nur allein auf die höheren Grade der Staupe, auf das Nervenfieber, den Schwindel, die Epilepsie, Zuckungen und Lähmungen beschränkt, — diese genannte Kranheiten aber auf andere Weise sich sehr deut­lich von der Wuth unterscheiden; so ist in andern Fällen, wo Hunde durch ihre Krankheit verdächtig geworden sind, und wo dann der Sectionsbefund auffallend gering oder wi­dersprechend den bedeutenden Symptomen ist, welche man am lebenden Thiere bemerkte, immer mit grosser Wahr­scheinlichkeit den Schluss zu machen: dass das untersuchte Thier an der Wuth gelitten habe.
Die Beschaffenheit der einzelnen Theile, wie ich sie in den Cadavern von ganz bestimmt wuthkranken Hunden ge­funden habe, waren in der Mehrzahl folgende:
1.nbsp; nbsp; Nach Abnahme der Haut die Venen unter ihr und an ihrer Innern Seite sehr voll von dunkelgefärbtera,, theer-artigem nicht fest gerinnbarem Blute, — eben so beschaffen sind auch die Venen und das Blut im ganzen übrigen Körper.
2.nbsp; nbsp; Die Farbe der Muskeln ist nicht so frischroth, wie bei gesunden Hunden, aber nicht besonders verschieden von der Farbe bei andern Krankheiten.
3.nbsp; nbsp; Das Gehirn, verlängerte Mark und Rückenmark, so­wohl in den Häuten als in der Masse sehr blutreich, jedoch niemals deutlich entzündet, und die Consistenz und Färbung dieser Theile in den einzelnen Cadavern sehr verschieden.
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übet- die Wuthkrankheit bei den Thieren.
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4.nbsp; nbsp; Das Maul zuweilen etwas an den Lippen geschwol­len, im Innern ohne besondere Röthang und im Allgemeinen mehr trocken als feucht.
5.nbsp; nbsp; Die Zunge gewöhnlich nicht angeschwollen, an ihrer Oberfläche mit schmutzigem, trocknem Schleim belegt, an ihrer Oberfläche nirgends und niemals Bläschen (Lyssae), zuweilen aber kleine Wunden oder ältere Knötchen, Narben.
6.nbsp; nbsp; Die sämmtlichen Speicheldrüsen oft etwas gelblich gefärbt, aber weder angeschwollen noch sehr blutreich.
7.nbsp; nbsp; Die Rachenhöhle oft mit zähem Schleime, der sich durch die Choanen bis in die Nasenhöhle fortsetzte, reich­lich befeuchtet.
8.nbsp; nbsp; Der Schlundkopf etwas zusammengezogen, feucht, meist ohne Röthung, zuweilen aber auch angeschwollen und etwas geröthet.
9.nbsp; nbsp; Der Schlund selbst, bis in den Magen stets blass, feucht und ohne die geringrte Veränderung.*)
10.nbsp; nbsp; Der Magen zeigt bei den allermeisten tollen Hun­den die wichtigsten und unter allen übrigen zugleich die constantesten Abweichungen vom gesunden Zustande; er er­scheint äusserlich in verschiedener Ausdehnung und ge­wöhnlich dunkel geröthet; im Innern ist ebenfalls und be­sonders nach dem Pförtner hin und um denselben die Schleimhaut dunkler, zuweilen kirschroth gefärbt, auch in
*) Profess. Bruckmüller sagt über den Befund bei 59 wuth-krankeu Hunden: Leichte Infektionsröthungen fehlen an der Schleim­haut der Rachenhöhle und des Kehlkopfes nur selten; im ausgespro­chenen Grade fanden sie sich nur bei jenen 5 Thieren, bei welchen auch Haare oder Strohreste im Eingange des Kehlkopfes gelagert wa­ren. Eine dunkelbläuliche rothe Färbung der Rachenschieimluut war nur an einem Hunde beobachtet worden, der, wie es eine vernarbte Wunde an der Zunge zeigte, von einem andern Hunde gebissen wor­den war. Oesterreich. Vierteljahresschrift f. wissenschaftl. Veterinärk. 38. Bd. S. 101.
Mag f. Thierheilk. XL. 1.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;3
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manchen Fällen aufgelockert und dicker, so dass ein vor­ausgegangener Entzündungszustand *) nicht zu verkennen ist; dabei ist der Magen sehr selten ganz leer, sondern er enthält entweder eine schleimigte röthliche, rothe, gelbe, oder grüne Flüssigkeit in verschiedener Menge, oder auch noch häufiger harte und weiche ungeniessbare Körper, von der verschiedensten Art, z. B. Holz, Steine, Sand, Leder, Wolle, Haare, Tuch und Leiuenlappen, Stroh u. dgl m. — höchst selten aber etwas Nährung.
11.nbsp; nbsp; Am Darmkanale, und namentlich am Zwölffinger­darm häufig, bemerkt man äusserlich rothe Flecken von verschiedener Intensität, im Innern aber ähnlich wie im Ma­gen die Spuren von entzündlicher Reizung und die Ansamm­lung von röthlicher oder gelblicher Flüssigkeit, doch fehlen zuweilen diese Veränderungen an den Gedärmen gänzlich. Zuweilen sind auch fremdartige Dinge vorhanden, und hin und wieder hat man Eingeweidewürmer gefunden.
12.nbsp; nbsp; An der Leber, dem Netz, dem Gekröse, Fankreas, den Nieren, Nebennieren und der Blase und eben so an den Gefässen und Nerven im Hintertheile habe ich niemals be­sondere Abnormitäten wahrnehmen können.
13.nbsp; nbsp; Eben so habe ich auch speciell an der Milz weder constant eine Vergrösserung noch Verkleinerung, auch kei­nen übermässigen Blutreichthum, und niemals die von Lo­cher**) beschriebenen und abgebildeten Bläschen finden können. ***)
*) Diese Magenentzündung wird von manchen Thierärzten, die mit der Hundswuth nicht gehörig bekannt sind, für den alleinigen .Krank­heitszustand angesehehen und also Wuth mit der einfachen Magenent zündung verwechselt.
**) Joh. Henr. Locher, Dissert magnum lienis in Hy­drophob, momentum. Goetting. 1822. c. tab. aenea.
***) In einzelnen KUlen erschien wohl die Milz dunkelroth und blut­reich, oder auch mit gelblichen, oder mit schwärzlichen ganz kleinen
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über die Wuthkrankheit bei den Thieren.
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14.nbsp; nbsp; Der Kehlkopf und namentlich der Kehldeckel und die Gegend um die Kehlkopfstaschen, etwas mehr als ge­wöhnlich geröthet, doch war diese Röthe zuweilen sehr schwach bemerkbar,
15.nbsp; nbsp; Die Luftröhre und ihre Verzweigungen an der in-nern Fläche zuweilen durch einzeln sichtbare Gelasse mehr als normal geröthet, — doch ebenfalls nicht immer.
16.nbsp; nbsp; Die Lungen waren in den meisten Fällen sehr blutreich und daher auch an ihrer Oberfläche dunkel, zu­weilen ins Blaue spielend gefärbt, — in einzelnen Fällen auch theilweis entzündet.
17.nbsp; nbsp; Der Herzbeutel ohne Veränderung.
18.nbsp; nbsp; Das Herz äusserlich ohne Abnormitäten, nur mei­stens sehr schlaff, seine Venen voll von dunklem Blute, eben solches im Innern, aber keine Entzündung, keine Aus­schwitzung.
19.nbsp; nbsp; Die grossen Gefässe ohne besondere Abweichungen.
20.nbsp; nbsp; Eben so der Nerv, vagus, sympathicus und phrenicus in den allermeisten Fällen; denn nur zweimal fand ich den ersten und zweiten an einzelnen Punkten etwas geröthet.
21.nbsp; nbsp; An den Genitalien beider Geschlechter fand ich nie eine Abweichung,
Obgleich aus dem bisher Angegebenen die Hundswuth sowohl während des Lebens, wie auch nach dem Tode eines Hundes deutlich zu erkennen und von allen andern Krank­heiten desselben zu unterscheiden ist, so halte ich es doch
Flecken versehen, und in drei Cadavem von stilltollen Hunden fanden sich alte und vernarbte Hisse zu der Milz; doch haben wir alle diese Er­scheinungen auch in andern Cadavem gefunden. Ich kann daher auch die von Prinz gegebene Abbildung der Milz eines an der Wuth­krankheit gestorbenen Hundes durchaus nicht als für alle Fälle richtig halten. (Prinz, die Wuth der Hunde als Seuche. Leipzig. 1832. Fig, 2.)
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der grössern Vollständigkeit wegen, für nötliig, sie noch mit denjenigen Krankheitsformen zu vergleichen, welche einige äussere Aehnlichkeit mit ihr haben und von Unkundigen oft für die Wuth selbst gehalten worden sind.
Unter diesen Krankheiten steht
I) die Staupe, Laune, Hundekrankheit oder Hun­deseuche, wie sie im gewöhnlichen Leben verschiedent­lich benannt wird, oben an. Sie ist ursprünglich ein ca-tarrhalisches Leiden, welches fast ausschliesslich nur junge Hunde im ersten Lebensjahre befällt und vorzüglich durch Erkältung entsteht. Bei guter Pflege der hieran leidenden Thiere verläuft die Krankheit mit den gewöhnlichen Sym­ptomen eines Catarrhalfiebers (mit Mattigkeit, Thränen der Augen, öfterem Niesen oder Prusten durch die Nase, Aus­flugs von Schleim aus derselben, Husten u. dgl.) in Zeit von drei bis acht Tagen; werden aber die Hunde der Nässe und neuen Erkältungen ausgesetzt, behandelt man sie mit schwä­chenden Laxirmitteln, sind sie von Natur schwächlich, sehr verzärtelt und sehr reizbar (wie dies bei Stubenhunden, be­sonders in grossen Städten so häufig der Fall ist), oder leiden sie zugleich am Durchbruch der Backenzähne, so ent­gehen häufig Nervenzufälle verschiedener Art, namentlich aber Krämpfe, welche der Epilepsie der Kinder sehr ähn­lich sind.*)
Bei einem solchen Krampfanfalle wird der Blick stier, der Kopf und Hals rückwärts gezogen, der Hund fängt an lebhaft zu kauen und lässt dabei viel Speichel aus dem Maule fliessen, welcher sich znm Theil durch die heftige Bew-egung des Hinterkiefers in Schaum verwandelt, und dann als solcher in Massen um das Maul herum hängen
*) Aehnliche epileptische Krämpfe kommen bei alten Hunden nur selten vor und sind bei denselben gewöhnlich durch Darmreizung von Eingeweidewürmern erzeugt.
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bleibt, oder auch von dem Thiere nach allen Seiten hin geschleudert wird. Gleichzeitig schwindet auch das ße-wusstsein und das Einpfiimdungsvermögen mehr oder weni­ger vollständig; — der Hund fällt nun weiter entweder tau­melnd nieder und macht während des Liegens mit den Füssen alle Bewegungen zum Laufen, oder er läuft blind und taub in unregelmassigen Wendungen schnell herum, bis er nach beendeten Krämpfen erschöpft auf sein Lager fällt. Manche Hunde bellen dabei in einem ängstlich (piiken-den Tone, — andere lassen gegen Ende des Anfalles den Urin unwillkürlich von sich gehen, — die meisten haben nachher ein verstörtes Ansehen, — und alle zeigen eine sehr grosse Empfindlichkeit, daher auch häufig etwas Schüch­ternheit. — Diese Krämpfe wiedertiolen sich nach unbe­stimmten Zwischenzeiten und in sehr verschiedenen Graden der Heftigkeit, je nachdem die äussern Einwirkungen sie begünstigen oder beseitigen. Möglichst grösste Ruhe des Thieres und der Umgebung, milde, sanfte Behandlung, trockene Wärme mindern sie, — dagegen scharfes Anreden, Drohungen, unverhofftes und rüdes Angreifen, das gewalt­same Eingeben von Medizin, Misshandlungen, schwächende Arzneimittel, Kälte und Nässe verstärken sie und rufen häufig neue Anfälle hervor. Kaum die Hälfte der so leidenden Hunde ist zu retten; viele sterben während der Krämpfe plötzlich, bei andern treten Zuckungen, Lähmungen und an­dere chronische Zufälle ein, unter denen die Thiere lang­sam zu Grunde gehen. — Diese Krämpfe, namentlich aber das dabei vorkommende krampfhafte Kauen, welches Un­kundige für Beisssucht halten, — dann das Speicheln und Schäumen aus dem Maule und das wilde Herumlaufen im be-wusstlosen Zustande geben den Hunden ein höchst verdächtiges und ein weit mehr zurückschreckendes Ansehen, als die Wuthkrankheit selbst, und solche Hunde werden daher nicht selten für wirklich toll gehalten; — sie unterscheiden sich
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aber von den tollen sehr wesentlich durch die Art der Ent­stehung, der Entwickelung der heftigen Zufälle, durch die Krampfanfälle selbst, welche bei der Wuth niemals eintre­ten, — durch das starke Geifern wie auch durch die Be-wusstlosigkeit zur Zeit der Anfälle und durch den Mangel der wichtigsten Zeichen, welche bei der Wuth zugegen sind, besonders des eigenthümlichen Gebelles, der Beisssucht und der Lähmung des Hinterkiefers.
Die Sectionsergebnisse sind in den meisten Fällen sehr unbedeutend. An der äussern Fläche des Körpers ist ge­wöhnlich nichts Abnormes zu bemerken; an manchen Cada-vern sind aber die Augen etwas geröthet und mit Schleim mehr oder weniger verunreiniget; eben so findet sich häufig an den Nasenlöchern etwas Schleim. Die sämmtlichen Baiicheingeweide sind blass, wenig blutreich, nur selten mit kleinen Extravasaten versehen; der Magen ist bald durch Futter oder Luft etwas ausgedehnt, bald wieder klein und zusammengeschrumpft und enthält im letzteren Falle etwas mit Galle gemischten Schleim. Im Darm findet man zuwei­len Spul- und Bandwürmer, ohne sonstige Veränderung; wenn aber durch Purgirmittel, durch wiederholte Erkältun­gen und ähnliche Ursachen Durchfall entstanden war, so findet man auch zuweilen entzündliche Röthung und Aui-lockerung am Darmkanale und zuweilen, aber sehr selten, auch am Magen. An der Leber, Milz, Bauchspeicheldrüse, den Nieren und der Blase ist gewöhnlich nichts Abnormes zu bemerken. Herz und Lungen sind in der Regel blass und weich, wenig blutreich, — und nur dann ist die Lunge etwas geröthet, oder in der Substanz ein wenig verändert, wenn die Staupe mit catarrhalischer Lungenentzündung ver­bunden war, oder wenn die Thiere plötzlich und unter krampfartigen Zufällen gestorben sind. Nach solchen Um­ständen ist auch zuweilen der Kehlkopf und die Luftröhre etwas geröthet, doch aber ist dieses nicht immer der Fall.
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Der Schlund und alle übrigen Tlieile am Halse und im Maule sind stets normal. Die Hirnhäute finden sich massig llut-reich, das Gehirn und _Rückenmark eben so, und zugleich mehrenthoils von etwas weicherer Consistenz.
II. Magen- und Darmentzündung werden ebenfalls mit der Wuthkramp;nkheit verwechselt. Die Hunde sind solchen Entzündungen häufig ausgesetzt, indem sie sich dieselben theils zufällig, durch Erkältung, durch scharf und nicht ge­hörig zerkauete Knochensplitter u. dgl. zuziehen, oder auch indem sie durch irgend einen scharf und ätzend wirkenden Stoff, z. B. Arsenik, Sublimat, Präzipitat, Nieswurz u. dgl. vergiftet werden.
In solchen Fällen zeigen die Hunde sich im Anfange etwas unruhig, sie wechseln oft ihren Ort und ihr Blick ist ängstlich; dann röthen sich die Augen und das Maul, Nase und Maul werden trocken und heiss, und eben so ist die aus-geathmete Luft wärmer als bei einem gesunden Hunde. Der Puls ist klein, hart 80—100 Mal in einer Minute fühlbar; das Athmen geschieht in kurzen Zügen. Die Fresslust fehlt gewöhnlich gleich vom Anfange an, der Durst ist da­gegen gross, aber alles was die Thiere gemessen, wird bald wieder ausgebrochen; zuweilen ist die ausgebrochene Materie mit Blut gemengt, — in einzelnen Fällen sogar nur schwar­zes Blut allein. Die Haltung des Körpers ist steif, die Be­wegung matt und traurig, zuletzt mit demHintertheile schwan­kend. Der Leib ist heiss und bei gelindem Drucke gegen denselben zeigen die Thiere viele Schmerz durch lautes Stöh­nen. Sie suchen sich, wenn sie es so haben können, immer dunkle, ruhige und kühle Orte, — sie liegen viel auf dem Bauche, springen niemals mit einiger Lebhaftigkeit herum, bellen fast gar nicht, und wenn es ja geschieht, nur mit dem Ausdrucke des Schmerzes, und ohne jene charakteristische Veränderung der Stimme. — Beisssucht, eine Neigung zum Verschlucken ungeniesbarer Dinge, Lähmung oder Herabhän-
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gen des Hinterkiefers sähe ich bis jetzt noch bei keinem solchen Patienten
Der Verlauf der Krankheit ist gewöhnlich schnell, binnen 1 bis 4 Tagen; — ohne ärztliche Hülfe und oft auch bei derselben endet sie mit dem Tode. —
Die Section zeigt deutliche Entzündung, selbst Anätznng und Brand im Magen und in den Gedärmen; jedoch ist die Form und die Ausbreitung dieser Entzündung in den einzel­nen Fällen nach der verschiedenen Art und der verschie­denen Ausbreitung der Ursachen etwas verschieden.
III. Verstopfung des Leibes. Bekanntlich sind die Hunde schon von Natur hartleibig und zur Verstopfung ge­neigt. Nach dem Genüsse von zu trocknem Futter, beson­ders von zu vielen trockenen Knochen, und eben so nach Erkältungen entsteht daher um so leichter eine wirkliche und durch viele Tage dauernde Verstopfung im Darmkanale, welche nicht selten mit allgemeinen Krankhcitszufällen ver­bunden ist, oder dieselben zur Folge hat.
Die Verstopfung besteht im Anfange immer ohne Fieber (wenn nicht etwa durch die als Ursache vorausgegangene Erkältung ein rheumatisches oder catarrhalisches Fieber er­regt worden ist), und die Hunde fressen gewöhnlich noch so wie sonst. Es häufen sich daher im Darmkanale die Futter­massen immer mehr an, der Bauch wird aufgetrieben und zeigt sich bei der Berührung an einzelnen Stellen ungleich hart und mehr oder weniger schmerzhaft. Das Thier mühst sich oft und fast stets vergeblich, den Koth zu entleeren; es wird dabei unruhig, läuft ängstlich herum, winselt, athmet in kurzen Zügen, hat einen verstörten ängstlichen Blick und mitunter Neigung zum Beissen, besonders wenn sein Körper auf irgend eine unsanfte Weise berührt wird, oder auch selbst dann, wenn der Hund nur eine solche Berührung befürch­tet. Nun verliert sich auch bei längerer Dauer des Uebels
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gewöhnlich die Fresslust und es entsteht Fieber. Zuletzt geht der Zustand nicht selten in Darmentzündung über und es treten dann die dieselben bezeichnende Symptome ein. — Die Unruhe, das ängstliche Benehmen, die mangelnde Fresslust, und namentlich die zuweilen vorkommende Nei­gung zum Beissen, hat bei diesem Krankheitszustande schon mehrmals die Veranlassung gegeben, dass man solche Hunde für toll hielt; allein dieser Verdacht wird, abgesehen von den übrigen dagegen sprechenden Umständen, besonders durch das oftmals wiederholte und Jedem leicht bemerkbare Drängen des kranken Thieres zur Kothentleerung, und durch die gesunde, unveränderte Stimme des Hundes deutlich wi­derlegt.
IV. Die Bräune. An wirklichen Halsentzündungen lei­den die Hunde im Allgemeinen nur sehr selten, und in den mir bisher vorgekommenen Fällen waren sie entweder nur von katarrhalischer Natur, oder sie waren durch mechani­sche Verletzungen des Grundes der Zunge, des weichen Gau­men, des Kehlkopfes und des Schlundkopfes entstanden. Im ersteren Falle sind gewöhnlich noch andere catarrhalische Zufälle zugegen, wTelche aber natürlich bei den Halsentzün­dungen in Folge von Verletzungen durch Knochensplitter, Fischgräten u, dgl. fehlten. Im Uebrigen verhalten sich die Hunde bei beiden Arten ziemlich gleichmässig. Sie verlie­ren ihre bisherige Munterkeit, ihr Blick ist ängstlich, die Bewegung langsam, bei heftigen Entzündungen fast schlei-cheiul, mit etwas herabhängendem Kopfe und mit steif ge­haltenem Halse. Zuweilen, aber nicht immer sind die Augen geröthet, und dabei die Thiere mehr empfindlich gegen das Licht, — ähnlich wie bei vielen andern catarrhalischen und rheumatischen Krankheiten.—Die Nase ist heiss und trocken; bei hohen Graden der Entzündung ist das Maul im Innern, und eben so die Zunge dunkel geröthet und trocken, aber
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mim
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laquo; bei gelinderen Graden und bei der Abnahme der Krankheit
gewöhnlich blässer und fast immer sehr reichlich mit zähem Schleime oder Speichel Lefeuchtet. Um den Kehlkopf und in der Rachenhöhle zeigen sich einzelne Theile mehr oder weniger geschwollen und schmerzhaft; zuweilen ist auch äusserlich am Halse etwas Anschwellung; in jedem Falle aber daselbst vermehrte Empfindlichkeit gegen Druck mit der Hand zu bemerken. Durch die Geschwulst und den Schmerz an diesen Theilen veranlasst, geschieht es wahr­scheinlich auch, dass in manchen Fällen das Maul während der Höhe der Krankheit etwas offen steht. — Dem verschie­denen Grade der Entzündung angemessen, fressen und saufen die Thiere nur wenig oder gar nicht. Fieber ist nicht je­desmal vorhanden, aber das Athmen ist immer mehr oder weniger beschwerlich, zuweilen röchelnd. Die Stimme ist heiser, das Bellen geschieht in kurzen Lauten ohne Geheul, aber mit Schmerz, und wird daher auch nur sehr selten, und gewöhnlich nur nach Aufreizungen hierzu, gehört.
Die Krankheit besteht durch 8 bis 14 Tage, während welcher Zeit deutlich bemerkbare Besserung des Zustandes mit grösserer Munterkeit und Freundlichkeit, mit erneuertem Appetit zu Futter und Getränk, mit erleichterten Hinab­schlucken desselben, also auch mit freierer Bewegung des Hinterkiefers, mit freier Respiration und mit klarer, gesun­der Stimme sich einfindet. Einen üblen Ausgang sähe ich noch niemals erfolgen.
Die Aehnlichkeit dieses Krankheits - Zustandes mit der wirklichen Wuthkrankheit ist bei nicht ganz genauer Beob­achtung aller Umstände, zuweilen recht gross, und sie ist vorzüglich durch die Traurigkeit, den matten, schleichenden Gang mit herabgesenktem Kopfe, durch das Verschmähen von Futter und Getränk, durch das zuweilen bemerkbare Offen­stehen des Maules und durch die in den meisten Fällen et­was veränderte Stimme bedingt.
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über die Wathkrankbeit bei den Thicren.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;43
Die Unterschaidung wird dagegen durch die steife Hal­tung und grosse Empfindlichkeit des Halses, durch die An­schwellung und liothung im Innern desselben, durch das be­schwerliche Athmen, durch die fehlende Unruhe und Beiss-sucht, durch das einfache Bellen (ohne den üebergang der Laute in ein Geheul), wie auch durch den Mangel der übri­gen bei der Wuth bemerkbaren Symptome, — und be: länge­rer Beobachtung, durch den Verlauf der Krankheit, nament­lich durch die in der Regel wieder eintretende Genesung begründet.
Da die an Bräune leidenden Hunde durch das in ein­zelnen Fällen vorhandene Gifenstehen des Maules die grösste Aehnlichkeit mit dem Aussehen der stilltollen Hunde erhal­ten, so ist es nöthig, zu besserer Unterscheidung beider Krankheiten noch Folgendes über dieses Symptom zu be­merken:
1.nbsp; nbsp; Bei der stillen Wuth kann man den Hinterkiefer durch den leisesten Druck mit einem Finger ganz dicht an den Voiderkiefer bringen, ohne dass man irgend einen Wider­stand hierbei empfindet (S. 11. 27); — bei der Bräune ge­lingt diefes nicht so leicht, und in der Regel auch nicht so vollständig.
2.nbsp; nbsp; nbsp;Stilltolle Hunde zeigen nicht den mindesten Schmerz, wenn man ihnen durch Zusammendrücken der Kiefer das Maul verschliesst, — aber bei der Bräune geschieht dies unter sichtbaren Aeusscrungen des Schmerzes.
3.nbsp; nbsp; Bei der stillen Wuth bleibt der herabhängende Kiefer fast beständig ganz ohne Bewegung, so lange der Hund sich in einem ruhigen Zustande befindet; — bei der Bräune be­merkt man dagegen in diesem Zustande, dass der Hund das Maul bald mehr öffnen, bald mehr schliessen kann.
V. Fremde Körper, Knochen, Fischgräten, Holz-spähne u. dgl., welche im Maule, zwischen den Zähnen, im Rachen oder Schlünde sitzen geblieben sind, haben auch
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schon Veranlassung dazu gegeben, class man die so leiden­den Hunde für wuthkrank gehalten hat. — Die Thiere sind hierbei traurig, aber sehr unruhig, sie laufen von einem Orte zum andern, winseln und schreien schmerzhaft und wischen oder kratzen mit den Vorderpfoten am Maule herum; dabei geifern sie stark aus demselben und athmen bald mehr bald weniger beschwerlich; je nachdem der fremde Körper durch seine Grosse und seinen Sitz unmittelbar durch Druck oder mittelbar durch erregte Geschwulst die freie Ausübung der Respiration mehr oder weniger hindert. Sitzt der fremde Körper zwischen den Zähnen fest, so kann in der Regel das Maul nicht völlig, sondern nur bis zu einem bestimmten Grade, geschlossen werden, und es steht daher, ähnlich wie bei der stillen Wuth, stets etwas offen; sitzt er dagegen im Rachen fest, so erfolgen häufig Anstrengungen zum Erbre­chen, Diese Umstände zusammengenommen deuten so cha­rakteristisch das Dasein eines fremden Körpers im Maule oder im Rachen an, dass man ganz dreist die genauere ört­liche Untersuchung der leidenden Theile vornehmen und durch den Befund jeden Zweifel beseitigen kann. —
VI. Brüche und Verrenkungen des Hinterkiefers, geben den hieran leidenden Hunden beim blossen Ansehen, eine grosse Aehnlichkeit mit denen, welche an der stillen Wuth erkrankt sind. Denn sowohl bei Brüchen, als auch bei den ausseist selten vorkommenden Verrenkungen des Kinnbacken steht das Maul offen, aber gewöhnlich etwas schief nach einer Seite; es fliesst viel Speichel aus dem Maule und die Thiere können weder gehörig fressen noch saufen. Zugleich ist ihr Ansehen sehr verändert und ihr Blick drückt Angst und Schmerz aus. Es ist aber dagegen auch mehr oder wenigen Anschwellung und Schmerzhaftigkeit im Um­fange des leidenden Theiles zu bemerken, — beim Bruch fühlt man leicht und deutlich die Verschiebung und das An­einanderreihen der Bruchenden und bei der Verrenkung ist
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über die Wuthkrankheit bei den Thieren.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;45
der Hinterkiefer fast ganz unbeweglich, so dass man se!bst mittelst eines ziemlich starken Druckes gegen denselben das, Maul nicht verschliessen kann. —
Die Unterscheidung wird durch diese letzteren Umstände, durch den Mangel der übrigen, zur Charakteristik der Wuth­krankheit gehörenden Erscheinungen und durch die Berück­sichtigung der vorausgegangenen Ursachen in jedem Falle leicht und gründlich zu machen sein.
Da es bei der oben gegebenen Darstellung der Kenn­zeichen der Hundswuth zwar gut möglich ist, die einzelnen Umstände mehr herauszuheben und zu würdigen, dagegen aber hierbei auch der natürliche Zusammenhang der Er­scheinungen und das wirkliche Krankheitsbild verloren geht, so wird es zweckmässig sein, zur Ergänzung dieses Mangels noch einige Krankheits-Geschichten sowohl über rasende als auch über stille Wuth mitzutheilen.
Erster Fall.
Ein sehr stark gebauter glatthaarigter Spitz - Bastard männlichen Geschlechts, und gegen 4 Jahr alt, wurde am 4. Januar 1825 von dem Zuckersiederei-Direktor Hrn. B erg er zur Königl. Thierarzneischule geschickt. Der Ueberbringer dieses Thieres erzählte als Vorbericht, dass er den Hund stets unter seiner Aufsicht gehalten, dass derselbe des Nachts zwar sehr aufmerksam und etwas böse, sonst aber folgsam, bei Tage immer sehr gutmüthig und niemals beissig gewe­sen sei. Mit einem andern Hunde habe sich derselbe seit langer Zeit nicht gebissen, und er sei überhaupt fast gar nicht mit fremden Hunden zusammengekommen. Seit 48 Stunden bemerke man an diesem Hunde einige Unruhe, we­niger Folgsamkeit als sonst, und grosse Beisslust; besonders sei er jetzt sehr hitzig auf andere Hunde und auf Katzen; der
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4Gnbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Hertwig,
Hund habe sonst die ihm bekannten Katzen des Hauses ru­hig gehen lassen, heute aber trotz menschlicher Dazwischen-kunft eine von denselben förmlich zerrissen; auch habe er heute angefangen nach Menschen zu schnappen, jedoch noch niemanden wirklich gebissen, — und Futter habe er in den letzten zwei Tagen gar nicht angerührt, aber mehrmals ge­soffen.
Bei der nun vorgenommenen genaueren Untersuchung dieses Thieres fand ich dasselbe gut genährt und die Haare am ganzen Körper glatt anliegend; die Augen schienen etwas in die Höhlen zurückgezogen und gegen das Licht empfind­licher zu sein; denn sie wurden, wenn der Hund ruhig sass und durch kein Geräusch irritirt war, von den Augenlidern fast gänzlich verschlossen, bei jedem Geräusch wurden sie aber sogleich wieder geöffnet.
Der Glanz der Hornhaut, die Färbung der Bindehaut und eben so die Form und Grosse der Pupille waren ganz wie bei einem gesunden Hunde, und eben so verhielt sich die Absonderung der Thränen und des Schleimes an den Augenlidern. Die Haut an der Stirn und über den Augen bildete mehrere Falten, welche diagonal von beiden Seiten nach der Nasenwurzel hin verliefen, — Die Nasenspitze war abwechselnd kalt, bald warm, dabei aber stets etwas feucht, ähnlich wie im gesunden Zustande. Die Lippen, das Zahn­fleisch und die Zungenspitze waren roth und feucht, der Zungenrücken aber etwas schmutzig belegt. Vermehrte Speichelabsonderung war durchaus nicht zu bemerken. Der Herzschlag war auf beiden Seiten der Brust und zwar mit 68 gleichmässigen Pulsen in jeder Minute fühlbar; die Ar­terien waren massig voll, recht hart und in ihren Bewegun­gen übereinstimmend mit den Schlägen des Herzens. Fieber war also nicht zugegen.—Das Athemholen geschah ruhig mit IG gleichmässigen Zügen in einer Minute, Auf angebrach­ten Druck zeigte das Thier an keiner Stelle des Körpers
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über die Wuthkrankheit bei den Thieren.
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Schmerzen. Koth- und Harnentleerungen konnten nicht so­gleich bemerkt werden, sie erfolgten aber im Verlaufe des Tages; der Koth zeigte eine dunkle, dem Menschenkoth ähn­liche Farbe und eine weiche Consistenz; der Urin konnte hinsichtlich seiner Beschaffenheit nicht untersucht werden; bei seiner Entleerung hob der Hund keinen Hinterfuss in die Höhe, wie es ausgewachsene Hunde sonst zu thun pflegen, sondern er stellte sich dabei fast wie eine Hündin an. — Uebrigens zeigte derselbe, so lange er am Stricke geführt wurde, oder so lange irgend etwas Lebendiges in seiner Nähe war, sich sehr munter und aufmerksam; er trug den Schwanz in die Höhe gerichtet und etwas nach vorne gebogen, wie es bei Hunden der Art der gewöhnliche Zustand ist, er iiess sich willig und folgsam führen und leicht hetzen. Beim Hetzen, und auch nachher, als er an die Kette gelegt war, liess er seine Stimme laut und oft hören; sie war deutlich verändert, widrig scharf, gleichsam metallisch klingend, und weder ein ordentliches Bellen noch ein Heulen, sondern ein Mittelding zwischen beiden. —
Nachdem der Hund in den Stall gebracht und an die Kette gelegt war, zeigte sich die Beisslust im hohen Grade gegen alles, was in die Nähe des Hundes kam; er bis in die Kette so, dass es Funken gab, er nahm öfters das Maul voll Stroh von seinem Lager, schüttelte es tüchtig nach allen Seiten und zerriss es dann mit 'Hülfe der Pfoten in kleine Stückchen; eben so wurden die ihm vorgeworfenen Steine und Holzstückchen gefasst und zerbissen, eine todte Krähe aber völlig zerstückelt. Dabei wedelte er beständig mit dem Schwänze und sähe überhaupt ganz freundlich aus; auf Rufen hörte er stets, folgte aber nicht immer; den Stock schien er nur zuweilen, jedoch niemals so wie andere Hunde zu fürchten, — er suchte nur dem Schlage auszuweichen und sprang dann sogleich wieder beissend nach dem Stocke. Ein dem Thiere vorgehaltener grosser Spiegel erregte, wahr-
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scheinlicb durch das darin ersclieinende Bild eines lebendi­gen und beweglichen Hundes, seine Wuth auf das Aeusser-ste, so dass er mit aller Anstrengung an der Kette arbei­tete, um zu dem Spiegel zu gelangen. Glanzscheue war da­bei gar nicht zu bemerken. Ebenso ging der Hund stark gegen einen brennenden Wachsstock und zeigte somit auch keine Lichtscheu.
Zum Fressen war ihm Butterbrot, ausserdem noch Fleisch­brühe mit klein geschnittenem Fleisch und Brot, zum Ge­tränk ein grosser Napf mit frischem Wasser hingestellt worden.
Von dem Futter rührte er, obgleich er es mehrmals be­roch, gar nichts an, soff aber öfter und zwar ganz wie ein gesunder Hund. Liess man ihn ohne alle Störung, so legte er sich gewöhnlich ruhig nieder und schnappte dann oft nach verschiedenen Richtungen in die Luft, als ob er Flie­gen fangen wollte, obgleich keine Insekten zugegen waren. So verhielt sich das Thier abwechselnd, bald ruhig bald to­bend während des ersten Tages seiner Verwahrung in der Königlichen Thierarzneischule, oder am dritten Tage der Krankheit. —
Am 5. Januar (dem 4. Tage der Krankheit) war der Blick des Hundes mehr traurig und matt, indem die Horn­haut etwas getrübt und wie mit feinem Staube bestreut zu sein schien. Ausserdem wurde das Auge auch noch häufi­ger als gestern, durch die Augenlider verschlossen. Am Maule und den übrigen Theilen des Kopfes war keine Veränderung, zu bemerken. Am Körper und besonders auf dem Rücken zeigten sich die Haare gesträubt, die Flanken eingefallen und der Bauch aufgezogen, und hierdurch erschien das Thier auf­fallend mager gegen gestern. Die Herzschläge, die Pulse und das Athmen waren wie am vorigen Tage. Fresslust hatte sich nicht gefunden, aber von dem frisch eingeschütte­ten Wasser leckte der Hund oft und wie es schien, mit Be-
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gierde. — Die Entleerungen gingen noch wie gestern von Statten. Die Aufmerksamkeit und Munterkeit war etwas ge. mindert, docli bemerkte man an dem Hunde periodisch noch grosse Unruhe mit vielem Bellen und dabei auch heftige Beisslnst. Er zeigte dieselbe recht deutlich und auf die bei tollen Hunden gewöhnliche Weise an zwei mir gehörenden ganz gesunden Hunden, welche ich heute in der Absicht, sie anstecken zu lassen, zu ihm gebracht hatte; er beroch sie nämlich zuerst von allen Seiten ganz ruhig, wedelte mit dem Schweife und biss sie dann ganz unvermuthet, ohne vorher zu knurren oder zu bellen, mit wahrhafter Wnth; vorzüglich biss er nach dem Maule und nach den Geschlechtstheilen. Nach dem Beissen wedelte er wieder mit dem Schwänze, leckte das Blut aus den Bisswunden und war überhaupt ganz freundlich, fing aber nach wenigen Minuten mit erneueter Wuth das Beissen wieder an und setzte es bis zu seiner Er­müdung immer fort.*)
Die Stimme war mehr rauh und heiser und zugleich das Bellen mehr heulend als gestcra Der Schwanz wurde, wenn das Thier aufgeregt war, noch eben so wie im gesun­den Zustande getragen, aber niemals zwischen die Hinter­beine oder unter den Bauch gekrümmt. Licht- und Glanz­scheue konnte auch heute bei den desslialb gemachten Ver­suchen nicht wahrgenommen werden.
Am 6. Januar (dem 5. Tage der Krankheit), Der Hund heult nur noch zuweilen mit heiserer, widriger Stimme; er liegt mehr als an den vorhergehenden Tagen, jedoch niemals lange auf einer Stelle, sondern wechselt dieselbe oft, der Kopf erscheint etwas angeschwollen, der Blick trüb und matt, der Körper bedeutend mager, — der Gang ist nicht mehr so kräftig und rasch, und der Schwanz hängt schlaff an den
•) Die Hunde wurden nach 2 Stunden wieder aus dem Stalle genommen und observirt. Einer davon ward nach 5 Wochen toll. Blaquo;S. f. Tbllaquo;rhlaquo;itk 7.T.. 1.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; i
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Beinen hinab, wird aber auch jetzt nicht unter den Leib ge­zogen. Nach Reizungen wird das Thier viel munterer und zeigt dann auch noch heftige Beisssucht. Die Zahl der Pulse ist 75 in einer Minute,quot;) also um 7 Schläge vermehrt. Vorgelegten Braten und rohes Fleisch rührt der Hund nicht an, er säuft aber noch zuweilen Wasser.
Im Verlaufe des Tages trat dreimaliges Erbrechen ein, wobei eine grüngelbe Flüssigkeit mit vieler Anstrengung ent­leert wurde. Der Koth ward mit Anstrengung, in geringer Quantität und ganz flüssig entleert, Urin wurde mehrmals abgesetzt. Licht- und Glanzscheue konnte auch heute nicht bemerkt werden. Gegen Abend zeigte sich das Thier sehr matt.
Am 7. Januar (dem 6. Tage der Krankheit). Der Hund liegt wie betäubt durch lange Zeit auf einer Stelle und ist nur durch wirkliche Berührung, durch Anstossen mit einem Stocke und dgl. zu ermuntern. Aufgeregt zeigt er noch Beisslust, springt jedoch nicht mehr auf Gegenstände los.
*) Um ohne Gefahr für mich und die Gehilfen die Untersuchun­gen und andere Verrichtungen an den tollen Hunden vornehmen zu können, hatte ich zwei eiserne Zangen in entsprechender Grüsse an­fertigen lassen, welche hier auf Tafel I. sub A. u. B. abgebildet sind. Die erstere dient zum Umfassen und Festhalten des Halses, die an­dere eben so zum Festhalton des Kopfes. Die Zange A. besteht am Maul aus zwei sanft gebogenen, platten, eisernen Stäben, welche 2 Ctm. breit, 1 Ctm. dick, 25 Ctm. von dem freien Ende (a) bis zum Schloss (b) lang sind und in der Mitte (c) einen freien Zwischenraum von 8 Ctm. lassen. — Das Maul (d) der Zange B. bildet im geschlosse­nen Zustande einen aus zwei seitlichen Hälften bestehenden rundlichen Korb, dessen Wände aus fächerförmig neben einander stehenden, fla­chen Eisenstäben, welche an ihrem hintern Ende in der Nähe des Schlosses eng an einander liegen, am vordem Ende mehr auseinander gehen und hier mit einem eisernen Querbande verbunden sind; sie sind an der innern Seile concav gebogen; die Länge des Korbes ist 12 — 16 Ctm., die Breite im Innern 8 Ctm. Die Länge der Hand­griffe beträgt an beiden Zangen circa 78 — 80 Clm.
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sondern schnappt nur in seiner Nähe um sich und legt sich dann bald wieder fast fallend nieder.
Die Zahl der Pulse und Herzschläge ist 80 in einer Mi­nute, Die Atheaizüge sind nicht vermehrt. Die Augen sind trüb, die Bindehaut ist etwas geröthet und mit schmierigem Schleim bedeckt, der ganze Kopf ist mehr angeschwollen, der Körper abgemagert, der Gang schwankend, so dass das Hintertheil kaum noch gehörig von den Beinen getragen wird; der Schwanz hängt schlaff herab; die Fresslust fehlt gänzlich, das Saufen geschieht seltener als sonst, doch ist keine Wasserscheu zugegen. Das bellende Geheul erfolgt sehr selten und mit ganz heiserer Stimme. Koth- und Urin­entleerungen traten im Verlaufe des Tages nicht ein. — Nach­mittag ging dieser torpide Zustand in förmliche Lähmung und Besinnungslosigkeit über, das Thier zeigte nur durch das noch fortbestellende ganz ruhige Athmen und durch den schwachen Puls das noch vorhandene Leben an, und starb gegen Abend ohne Convulsionen.
Nach 36 Stunden und nachdem der Körper völlig er­kaltet war, wurde die Sektion desselben gemacht. Bei Ab­nahme der Haut zeigten sich die Venen unter derselben ziem­lich blutreich, das Zellgewebe ohne Fett und die Muskeln blauröthlich. Das Bauchfell erschien gesund; der Magen massig ausgedehnt, an seiner äussern Fläche ohne Verän­derung der Farbe, im Innern aber dunkel geröthet und mit Erde, zusammengeballtem Stroh, Hunde- und Katzenhaaren massig angefüllt; der Dünndarm äusserlich gesund, innerlich mit gelbem Schleim überzogen und die Schleimhaut dunkel geröthet; der Dickdarm äusserlich ohne Veränderung, inner­lich mit einer schwarzrothen Flüssigkeit erfüllt, die Schleim­haut weniger roth als am Dünndarm. Alle übrigen Bauch­eingeweide schienen ohne Veränderung zu sein, und aus­drücklich bemerkt, die Milz war ohne Bläschen und ohne ^ede andere Abnormität. — Die Pfortader und die Hohlvene
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enthielten eine massige Menge von flüssigem, Junkelgefärb-ten, theerartigem Blute, die Aorta war leer. — Die Pleura und das Mittelfell -waren gesund, eben so die Lungen, welche nur wenig Blut enthielten; der Herzbeutel normal, das Herz durchaus innerlich und äusserlich ohne die geringste Ver­änderung und in den Höhlen beider Seiten mit schwarzem theerartigem Blute in massiger Menge erfüllt; alle grösseren Blutgefiisse und eben so die eigenen Gefässe des Herzens zeigten keine Spur von Abnormität. Am Kehlkopfe war die hintere Seite des Kehldeckels etwas mehr als gewöhnlich geröthet, alles Uebrige aber, und so auch die ganze Luft­röhre normal. Schlundkopf und Schlund völlig gesund. Des­gleichen die Zunge, wo an keiner Stelle, weder Bläschen, noch die Spuren eines ehemaligen Vorhandenseins derselben zu bemerken waren. Die Schleimhaut der Mundhöhle und des Rachens war mit halb vertrockneteni Schleim bedeckt und schien etwas röther als sonst zu sein. An allen Speichel­drüsen war nichts Krankhaftes zu finden.— Die Gefässe der harten Hirnhaut waren ziemlich voll von dunklem Blute, aber nicht strotzend. Am Gehirn seit st und an allen sei­nen einzelnen Theilen war nichts Abnormes zu finden; die Rindensubstanz war massig gefässreich, von grauer Farbe und derber Consistenz, — die Marksubstanz weniger gefäss­reich, von gewöhnlicher Consistenz und ohne Flecken; die Höhlen enthielten eine geringe Quantität (zusammen gegen 4 Gramme) Serum, welches unverändert zu sein schien, und die Adergeflechte waren zum Theil blutleer. Eben so konnte man auch am Hirnknoten, am kleinen Gehirn, am verlän­gerten Mark und am Rückenmark, trotz der genauesten Un­tersuchung keine Spur einer nur etwas bedeutenden patho­logischen Veränderung finden. Die sichtbaren Verbindungs­stellen der Nerven mit dem Gehirn und Rückenmarke wur­den besonders genau untersucht, aber gleichfalls ohne Ab­normität befunden. Der Nervns sympatb, und vagus.
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eben so der recurrens und phrenicus und die Ganglien in der Brust- und Bauchhöhle erschienen völiig gesund.
Zweiter Fall.
Den 14. November 1825 bat mich die Frau des Ver­golders G., ihren, noch in ihrer Wohnung befindlichen Hund zu untersuchen, weil derselbe ein Kind gebissen habe und auch ausserdem nicht gesund zu sein scheine. Sie erzählte dabei, dass sie den Hund selbst aufgezogen, dass er (wie ich mich auch selbst noch erinnerte) die Staupe oder Hande­krankheit sehr heftig und mit Zuckungen erlitten habe, seit einem Jahre aber ganz gesund und niemals beissig gewesen sei. Als sie vor 3 Tagen eine Verwandte besucht, sei der Hund ihr freiwillig gefolgt, habe auf dem Wege dahin mit einigen ihm begegnenden Hunden Zänkereien angefangen und sich selbst vor sehr grossen Hunden nicht gefürchtet. In der Wohnung der Verwandten habe er grosse Unruhe ge­zeigt, auch ohne Veranlassung und ohne sich vorher böse zu zeigen, die Hand eines Kindes gefasst, dieselbe aber nach einem ganz gelinden Beissen, sogleich wieder losgelassen.*) Hieraach sei er allein fortgelaufen und bei ihrer Rückkehr zu Hause gefunden worden. Am andern Tage habe er nichts Festes, sondern nur flüssige Nahrung zu sich nehmen wollen, im Ganzen aber weniger als sonst gefressen und dabei sich abwechselnd sehr unruhig und beissig gezeigt, so dass er unter andern auch zwei in demselben Hause befindliche grosse ungarische Wolfshunde heftig beissend anfiel. Darauf habe sie heute den Hund zur Thierarzneisehule bringen wol­len; da er jedoch sowohl nach ihr, als nach ihrem Manne gebissen habe, so sei dies unmöglich gewesen und sie habe
') Dieses Kind ist vom Herrn Dr. Schweizer bebandelt wor­den und bis jetzt völlig gesund geblieben.
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ihn dalier vorläufig und zur Sicherheit in einen mit dickes Latten umgräuzten Holzstall gebracht.
Ich fand nun hier einen kleinen, 1 3 Jahr alten, männli­chen Mops-Bastard, der mehr mager als fett, recht lebhaft und aufmerksam war. Auf Rufen kam er sogleich an den Lattenverschlag heran, auf Befehl seines Herrn reichte er die Pfote, — schnappte aber sogleich nach der sich ihm nähern­den Hand; ferner setzte er sich auf Befehl, mit dem Hinter-theile nieder und richtete sich mit dem Kopfe und Vorder­leibe in die Höhe (wartete auf, wie man es zu nennen pflegt) und eben so Hess er auf den Zuruf: wie spricht der Hund? seine Stimme mehrmals hören. Diese war scharf und widrig klingend und wurde in einzelnen Lauten ausgestossen, welche in ein kurz abgebrochenes Geheul übergingen. Ohne weiter gereizt zu sein, biss der Hund in einen bloss vorgehalteneu Stock so sehr und so fest, dass man ihn an demselben schwe­bend in die Höhe heben konnte; auch biss er nicht selten ohne alle Veranlassung in Holz und Torf, und nagte an den Latten so, dass ganze Spähne von denselben abfielen. Da­bei wedelte er ganz freundlich mit dem Schwänze und win­selte zuweilen laut, als ob er aus seiner Gefangenschaft be­freit sein wollte.— Sein Blick war mürrisch, das Auge nicht geröthet, etwas in die Höhle zurückgezogen; das Maul ganz trocken, die Lippen ohne Geifer und ohne Schaum; die Zunge ohne bemerkbare Veränderung in der Färbung und Dicke. Das Athmen geschah ganz ruhig. Puls und Herzschlag konn­ten nicht untersucht werden. — Nahrungsmittel aller Art verschmähete das Thier, Wasser und Milch aber nahm er öfter, jedoch immer nur in geringen Quantitäten zu sich. Ob im Verlaufe dieses Tages und an den vorhergehenden Tagen Kothentleerungen Statt gefunden haben, darüber war nichts zu erfahren; von den Urinentleerungen zeugten die nassen Flecke auf dem Fussboden des Stalles. —
Am 17. November (dem 4. Tage der Krankheit), Nach
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Angabe des Besitzers soll der Hund in der letzten Naclit sehr unruhig gewesen sein, viel gebellt und an dem Latten-verschlage gefressen haben. Ich fand ihn heute im Anfange ruhig liegend, mit halb verschlossenen trüben Augen, mi* sehr gerunzelter Stirn und mit tocknem Maule. Das Athmea war ganz ruhig, wie bei einem schlafenden Hunde. Zuwei­len schien er wie aus dem Schlafe zu erwachen und sah sich dann nach allen Seiten um; auch schnappte er, wie nach Fliegen, um sich. Gerufen, kam er und zeigte durch Wedeln mit dem Schwänze, dass er seinen Herrn noch kenne ; auch machte er auf Verlangen noch seine erlernten Künste, wurde aber bald darauf wieder recht beissig. Er Hess na­mentlich seine Wuth an einer Latte recht heftig aus and wiederholte das Beissen an derselben so oft und so sehr, dass man befürchten musste, er werde sich zuletzt hier durch­arbeiten. Desshalb verordnete ich, dass der Hund von einem Abdeckerknecht getödtet und, bis dieses geschehen, stets be­wacht werden sollte.—Seine Stimme war heute etwas heise­rer, sonst aber noch von derselben eigenthümlichen Be­schaffenheit wie gestern. Nahrungsmittel nahm auch heute das Thier nicht an, leckte aber zuweilen Wasser und kauete Holz oder Torf. Urin wurde mehrmals, aber kein Koth ab­gesetzt. Gegen Abend wurde der Hund durch einen Schlag auf den Kopf getödtet und der Cadaver in einem Sacke in die Königl. Thierarzneischule zur Sektion gebracht. Diese wurde am andern Morgen, 15 Stunden nach dem Tode ge­macht und gleichzeitig worden zwei meiner eigenen Hunde mit Speichel und mit Blut von dem Cadaver geimpft.
Bei der Sektion fand ich an der Haut und den Muskeln am Bauchfell, dem Gekröse, der Leber und Milz, den Nieren und der Blase nichts Abnormes; der Magen war massig stark ausgedehnt und hart anzufühlen, äusserlich ohne Ver­änderung in der Färbung; im Innern enthielt er eine Menge kleiner Torfstückchen, einige Holzspähne und Haare; die
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Sclileimhaut war duukel gerothet. Der Zwölffingerdarm ent. hielt eine gelbröthliche dünne Flüssigkeit, seine Schleimhau* war ebenfalls dunkler als normal gerötliet. Der übrige Theil des Darmkanals war bis auf den in massiger Menge vorhande­nen Darmschleim, ganz leer und sah gesund aus. Die sämmt-lichen Baucheingeweide waren massig blutreich. In der Brusthöhle war keine Abnormität zu finden; das Herz, die grossen Gefässe und die Lungen waren sehr blutreich. Im Kehlkopfe waren die Bünder der Stimmritze sehr geröthet, alles übrige aber, und so auch die ganze Luftröhre und de­ren Verzweigungen normal. Eben so der Schlundkopf und Schlund, Zunge und die Speicheldrüsen. Der Nervus sym-pathicus war am Halse, zwischen dem spindelförmigen und dem ersten Brustganglion deutlich geröthet; der Ner­vus vagus und der Nervus recurrens und alle übrigen Theile des Nervensystems waren dem Ansehen nach, in ei­nem völlig gesunden Zustande. Das Gehirn war (von dem Schlage, den der Hund auf den Kopf erhalten hatte) durch­aus mit Blut überfüllt und konnte nicht näher untersucht werden. Am Kückenraark war nichts Abnormes zu ent­decken.
Dritter Fall.
Am 22. Januar 1827 brachte der Particulier Herr \V. einen gegen drei Jahr alten, männlichen, sehr gut dressirten Jagdhund, zur Untersuchung in die Königliche Thierarznei-schule. Dieser Hund war vor mehreren Wochen (Herr W. konnte eine genauere Angabc nicht macheu) von einer Dachs­hündin, welche sich seit einigen Tagen kränklich gezeigt, nicht gefressen, viel gesoffen, wider ihre sonstige Gewohn­heit, nach allen Gegenständen gebissen hatte, und nach 6 Tagen krepirt war, gebissen worden; er hatte jedoch seit jener Zeit nichts Krankhaftes an sich wahrnehmen lassen, und wurde daher auch am 20, und 21. d, M, zur Jagd be
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nutzt. Bei dieser Jagd verrichtete er am 1. Tage s-iineiraquo; Dienst, angeblich wie .ein gesunder guter Hund, im Felde regelmässig, suchte und stand auf Befehl, war aber im Ver­folgen der Haasen sehr hitzig und beim Apportiren zerbis3 er einen derselben mit wahrer quot;Wuth, ohne auf das Zurufen und Drohen seines Herrn zu achten. Als er hierüber be­straft wurde, schnappte er einmal nach dem Stocke.
Am 2. Tage war er in einzelnen Perioden sehr unruhig und beissig, und zeigte diess, indem er den bei der Jagd be­findlichen Hund*) des Eisenhändlers Herrn M. und mehrere Hunde in dem Dorfe Veiten hitzig anfiel und verletzte, auch einige Gänse daselbst todtbiss.
Uebrigens war er wieder ruhig und folgsam, so dass er sich auch nach Berlin .zurückführen liess, ohne irgend einen Anstoss. Am ersten Tage soll der Hund noch gefressen, am zweiten aber wenig oder gar kein Futter zu sich genommen, — zuweilen aber in den Schnee gebissen und denselben ge­kaut haben.
Bei der Ankunft in der Thierarzneischule war der Hund ziemlich gut genährt, nach der Versicherung des Besitzers jedoch seit zwei Tagen deutlich bemerkbar abgemagert; die Haare am ganzen Körper waren glatt anliegend, die Haut auf der Stirn in Falten gezogen und dadurch der Blick et­was düster; die Augenlider näherten sich sehr häufig, als ob sie geschlossen werden sollten, — im Uebrigen aber zeig­ten sie, so wie auch die Augäpfel keine Veränderung, und nur die Blinzhaut oder das ö. Augenlid war mehr als ge­wöhnlich gerottet. Die Pupille war von normaler Grosse und Form, und zog sich bei Veränderungen des Lichts re­gelmässig zusammen. Das Maul war trocken, ohne Schaum
*) Dieser sehr schöae und ausgezeichnet gutmülhige Hund wurde von dem Herrn M. in die Königliche Thierarzneischule zur Observation gegeben, woselbst er am 23. Februar von der stillen Wuth hefallen worden ist.
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und Geifer; Zunge, Zahnfleisch und Lippen waren geröthet, Puls, Herzschlag und Athmen waren ruhig wie im gesunden Zustande. Der Kopf wurde Loch und der kurze Schwanz gleichfalls in die Höhe gerichtet getragen. Der Gang war regelmässig und 'sich selbst überlassen, bewegte sich der Hund frei nach allen Richtungen. Auf Befehl seines Herrn äpportirte er und gab mehrmals lauten Appel, wobei sich die Stimme gerade nicht heiser, aber doch etwas rauh zeigte und in den eigenthümlichen,'heulenden Nachklang überging; auch wurde immer nur ein einziger Laut ausgestossen und auf die bemerkte Weise geendet.
Der Hund wurde nun in den dazu bestimmten Tollstall gebracht und frei, unangokettet, in demselben gelassen. Hier benahm er sich sehr unruhig, und kaum befand er sich ge­gen 6 Minuten daselbst, so bekam er ohne weitere Reizung einen Anfall von Beisssucht und äusserte dieselbe durch hef­tiges Springen und Beissen gegen die ihn an der Barriere beobachtenden Menschen und eben so durch mehrmaliges recht starkes Beissen in einen über die Barriere gehalte­nen Stock.
Nach einigen Minuten war der Hund wieder freundlich und ruhig und die Beisssucht schien vorüber zu sein; sie trat aber immer sogleich wieder ein, sobald sich ihm nur etwas Bewegliches näherte. Er griff selbst einen todten und fast ganz steif gefrornen Hund, den ich an einem Stricke über die Barriere in den Tollstall hinabgelassen hatte, mit Hef­tigkeit beissend an, beroch und leckte dann die gebissenen Stellen und biss hierauf wiederholt tüchtig zu, so dass ganze Lappen vom Halse und der Brust weggerissen wurden. Da­bei verschmäliete er gutes Futter, soff aber sehr oft Wassar. Koth wurde im Verlaufe des Tages nicht entleert, auch konnte ich keine Neigung dazu bemerken. Harnentleerungen fanden jedoch mehrmals, ohne besondere Anstrengungen statt. Andere Erscheinungen traten nicht ein.
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Am 23. Januar (an; 4. Tage der offenbaren Krankheit) befand und verhielt sich der Hund im Wesentlichen noch so wie gestern. Er war jedoch magerer, sein Blick mehr krank und düster und sein Gang ein wenig matter gewor­den, doch war sein ganzes Ansehen noch so, dass Nicht-kenner ihn weder für sehr krank, noch weniger aber für wirklich toll halten wollten. — Die Beisssucht äusserte er ' noch in demselben Grade, wie an den vorhergehenden Ta­gen, und eben so war seine Stimme, die Art des Bellens, die fehlende Fresslust, der öftere Genuss des Wassers, da­mit übereinstimmend. Mit Spiegeln und brennenden Lich­tern wurden Versuche über die etwa vorhandene Lichtscheu gemacht, diese aber durchaus nicht bemerkt. Bei versuchs­weise gemachten üebergiessungen des Hundes mit kaltem Wasser, war derselbe sehr aufmerksam und suchte ihnen auszuweichen, doch bekam er hiernach weder Krämpfe oder Zuckungen, noch vermehrte Raserei, sondern er schüttelte sich das Wasser ab, wie es gesunde Hunde zu thun pflegen. Auch gab er während der Begiessungen keinen Laut von sich. — Im Verlaufe des Tages war der Hund mehrentheils sehr unruhig, er wechselte stets den Ort, benagte die höl­zernen Thürpfosten und zerbiss sein Lagerstroh. — Gegen Mittag setzte er eine ziemliche Menge dunkel gefärbten, nicht ganz harten, sondern dem Menschenkothe ähnlichen Koth ab, und verschluckte dann einen Theil davon, dagegen blieb gutes Fleisch, weiches in der Nähe stand, unberührt, Urin wurde mehrmals entleert.
Den 24. Januar (am 5. Tage der Krankheit). Seit gestern Abend hat der Hund ohne äussere Veranlassung das gewöhnliche bellende Geheul sehr oft, und mit immer mehr veränderter, widriger Stimme hören lassen, auch hat er wäh­rend der Nacht sehr stark an der Thür des Stalles gefressen. Sein Ansehen ist heute durch vermehrte Abmagerung, durch grössere Falten in der Stirnhaut und durch etwas Trübung
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der Hornhaut auffallend verändert; Schaum oder Geifer wa ren am Maule nicht zu bemerken. Das Athmen ist ganz ruhig und langsam, der Puls und Herzschlag konnten nicht untersucht werden. Der Appetit zum Futter fehlte noch gänzlich, Wasser wurde aber nicht verschmäht. Darm-Ex-cremente und Urin wurden entleert. Die Beisssucht war noch sehr gross und das Thier äusserte dieselbe zu jeder Zeit des Tages dadurch, class es in alle ihm vorgehaltenen Gegenstände und selbst in eine eiserne Zange so heftig biss, dass man daran tiefe Spuren der Zähne wahrnehmen konnte. Uebrigens zeigte sich der Hund heute schon matt und na­mentlich wankte er beim Gehen sehr mit dem Hintertheile des Körpers; auch war die Aufmerksamkeit geringer als au den vorigen Tagen.
Den 25. Januar (am 6. Tage der Krankheit). Des Mor­gens zeigte sich der Hund zuweilen etwas unruhig, er wech­selte mehrmals die Lagerstätte und bellte fast grunzend. Dabei leckte er noch einigemale etwas quot;Wasser. Gegen Abend aber sass und lag er fast beständig in Betäubung und konnte nur durch Anstossen aus derselben aufgeweckt werden. Wenn dies geschehen war, so zeigte er noch einige Beisslust, je­doch nur, indem er ganz blindlings nach der Seite schnappte; er fiel jedoch sogleich wieder in den vorigen Zustand zurück. Das Athmen war dabei ganz ruhig. Die Abmagerung und eben so die Schwäche des Thieres hatten noch zugenom­men, so dass dasselbe sich nur wankend fortschleppen konnte. Koth- und Harnentleerungen fanden nicht statt, aber ein fruchtloses Bemühen zum Erbrechen trat cin.'ge Male ein. —
Am 26. Januar, (den 7. Tag der Krankheit). Ich fa:.id das Thier auf der linken Seite liegend, zuweilen einen Fuss bewegen und dabei bald ruhig, bald röchelnd athmen. Die Empfindlichkeit für Rufen und Geräusch war ganz verschwun­den und das Gefühl sehr vermindert. Nachmittags gegen
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2 Uhr tiat der Tod ein, nachdem einige ganz leichte Zuckun­gen vorausgegangen waren.
Die Section wurde am ^8. Januar des Morgens gemacht und dabei an der Haut, au den Muskeln, am Bauchfell, der Leber, Gallenblase, Milz, den Nieren und der Blase nichts Abnormes gefunden. Der Magen war äusserlich gesund, in­nerlich von gesunder Färbung und enthielt gegen 3 Loth Stroh, einige Holzspähne, ein Stückchen Tuch und eine röth-liche Flüssigkeit von circa 2| Unzen. Eine ganz ähnliche Flüssigkeit fand sich auch im Dünndarm, der jedoch sonst völlig gesund erschien. Die Hoden, der Ilodensack und die Harnröhre waren ganz normal. In der Brusthöhle waren alle Theile gesund, und eben so liess sich am Halse, im Maule, am Kehlkopfe, der Zunge und dem Schlünde gar keine krankhafte Veränderung auffinden. Das Gehirn und dessen Häute schienen etwas mehr blutreich uud weich, sonst aber unverändert zu sein. Eben so das kleine Gehirn, ver­längerte Mark und Rückenmark.
Vierter Fall.
Am 26. October 1826, brachte der Königl. Geh. Secre-tär Herr v. M. einen männlichen, gegen 3 Jahr alten Dachs­hund von reiner Ba^e in die Königl. Thierarzneischule, mit dem Bemerken: dass dieser Hund vor 3 Tagen vom Fressen und Saufen abgelassen und sich auch in seiner sonst ge­wöhnlichen grossen Freundlichkeit sehr verändert gezeigt habe; er sei unruhig, mürrisch und beissig geworden und vor 2 Tagen aus dem Hause verschwunden, heute aber mit etwas verstörtem Ansehen wieder dahin zurückgekommen und habe sich gegen alle Bekannte freundlich, aber etwas schüchtern benommen, und alles ihm vorgesetzte Futter un­berührt stehen lassen. Uebrigens sei derselbe frei laufend ihm jetzt noch durch die ganze Stadt gutwillig gefolgt, und
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habe mehrmals aus den Rinnsteinen Wasser geleckt. Ob derselbe jemals von einem tollen Hunde gebissen worden, war unbekannt*).
Der qu. Hund war müssig gut gcnälirt, das Haar war am ganzen Körper glatt anliegend, die Stirnhaut hatte Fal­ten, die Augen erschienen etwas trübe und in die Augenhöh­len zurückgezogen, ohne Veränderung der Pupille und nicht geröthet, das Maul und die Nase trocken. Nachdem ich ihm das Maul zugebunden, zählte ich (wie an gesunden Hunden) 65 kleine, wenig harte, gleichmässige Pulse und eben so viele, an beiden Seiten der Brust dentlirh fühlbare Herzschläge; das Athmen war normal, mit 16 Zügen in der Minute. Die Stimme war rauh, widrig klingend und das Bellen bestand in einzelnen, in ein kurzes Geheul übergehen­den Lauten. Der Schwanz hing mehrentheils schlaff nach hinten herab, wurde aber nicht zwischen die Hinterbeine ge­zogen, sondern im Gegentheil oft etwas in die Höhe gerich­tet und freundlich bewegt, — besonders dann, wenn der Herr v. M. freundlich zu dem Hunde sprach oder denselben hetzte. Die Bewegungen wurden regelmässig und mit Leb­haftigkeit ausgeführt. Das äussere Ansehen des Thieres konnte einem Unkundigen die vorhandene gefährliche Krank­heit unmöglich verrathen. Die Sinnesorgane schienen sämmt-lich in normaler Function zu sein. — Im Tollstalle Hess ich den Hund frei herumlaufen. Er zeigte sich hier zum grössten Theile ruhig, sobald sich aber in seiner Nähe etwas be­wegte, verrieth er grosse Beisssucht; er biss z. B. wieder-
*) Die eingeleitete polizeiliche Recherehe ergab noch, dass der Hund zwei Kinder und das Dienstmädchen des Herrn v. M. gebissen hatte. Diese drei gebissenen Personen wurden unter der Aufsicht des PhysicusDr. Natorp, von dem Stadtwundarzt Greif f medizinisch be­handelt. Die beiden Kinder sind bis jetzt, völlig gesund verblieben, — das Dienstmädchen aber starb nach etwa zwei Monaten im Charite-Krankenhause an der Wasserscheu.
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holt und immer ganz stillschweigend, ohne vorher zu knur­ren oder s:u bellen, in eiserne Zangen so heftig, dass man die Spuren der Zähne tief im Eisen bemerken konnte; er zerbiss sein Lagerstroh, vorgeworfenes Papier und Holz und schnappte häufig und recht heftig nach dem eigenen Schwanz, Während des Beissens und auch nach demselben wedelte der Hund fast beständig ganz freundlich mit dem Schwänze und, nachdem dies Betragen durch einige Minuten gedauert hatte, trat immer eine bald längere, bald kürzere, ruhige Periode ein. Das ihm vorgesetzte Futter beroch der Hun 1 einmal, rührte es aber dann nicht weiter an; vom Wasser leckte er dagegen oft und konnte dasselbe auch gut hinab­schlingen. Von Licht- oder Glanzscheu zeigte sich bei den mehrmals desshalb gemachten Versuchen keine Spur. Zur Kothentleerung strengte sich das Thier zweimal im Tage, doch stets vergeblich an; — Urin wurde dreimal entleert.
Am 27. October, (dem 4. Tage der Krankheit), zeigte sich der Hund des Morgens noch recht munter und beissig, auch liess er seine Stimme oft hören. Dieselbe war heute ganz rauh, fast kreischend und wurde inquot;einzelnen kurz ab­gebrochenen Lauten fast heulend ausgestossen. Die Pupille schien verengert und die Cornea matt, wie mit feinem Staube bestreut zu sein. Der Blick und das ganze Ansehen des Thieres waren verdriesslich. Der Leib war deutlich abge­magert. Die Bewegungen geschahen regelmässig; der Schwanz hing zuweilen ruhig herab, zuweilen wurde er wie bei freund­lichen Hunden bewegt, zuweilen auch lebhaft in die Höhe gerichtet. Das Athmen wurde in langsamen Zügen, ganz ruhig ausgeübt. Futter rührte der Hund gar nicht an, zum Wasser ging er jedoch mehrmals. Koth wurde einmal, Harn mehrmals entleert. — Gegen Abend zeigte sich der Hund weniger aufmerksam, mehr ruhig und etwas matt in seinen Bewegungen. —
Am 28. October, (am 5. Ta^c der Krankheit). Der Hund
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Hertwi.c,
ist noch mehr abgemagert, ganz still und ruhig, und liegt fast beständig. Nur nach heftigem Reizungen erliebt er sich vom Lager, geht langsam und wankend mit den Lenden, einige Schritte vorwärts und zeigt dann auch noch Beisslust. Nachmittags war dieser Zustand in eine Art von Schlaf­sucht übergegangen, aus welcher sich der Hund nur durch sehr heftiges Geräusch oder durch unmittelbare Berührung erwecken liess. Die Beisslust war dann doch noch zuge­gen. Die Stimme ist ein heiseres kurz abgebrochenes, ängst­liches Geheul und wird nur selten gehört. Futter und Ge­tränk scheint der Hund zu vergessen. Als er jedoch durch eine Klystierspritze mit Wasser bespritzt worden war, so leckte er mit der Zunge diese Flüssigkeit vom Fussboden und vomeigenen Körper ab.
Den 29. October, (am 6, Tage der Krankheit), Der Hund liegt schnarchend und röchelnd in einem wirklichen Torpor, aus dem er kaum zu erwecken ist. Die linke Hälfte des Körpers ist gelähmt und das Thier kann sich gar nicht mehr auf dieFüsse erheben; doch schnappt er noch zuweilen mit den Zähnen um sich und lässt von Zeit zu Zeit ein halblau­tes kurzes Geheul hören; mehrentheils aber ist es ganz ru­hig. Der Puls ist so klein, dass man ihn kaum fühlen kann; der Herzschlag ist unregelmässig, oft zitternd, mitunter aus­setzend, gegen 70 Mal in einer Minute fühlbar. Urin ging unwillkürlich ab. Nachmittags trat der Tod ganz ruhig ein.
Bei der am folgenden Tage, nach etwa 27 Stunden un­ternommenen Sektion des Cadavers fand sich nur allein der Magen und der Kehlkopf in einem krankhaften Zustande. Ersterer enthielt nämlich einen beinahe faustgrossen Ballen von Stroh, von Haaren und einen Leinwandlappen, ausserdem eine grüne schmutzige Flüssigkeit, und die Schleimhaut war überall dunkel geröthet, aber nicht aufgelockert. Der Kehl­kopf war im Innern zum grössten Theile, namentlich aber an der hintern Fläche lt;ies Kehlderkpls und zu beirlen Seiten
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der Stimmritze sehr geröthet und fast ganz trocken.nbsp; nbsp; An
allen übrigen Organen war die Beschaffonlieit wie imnbsp; nbsp;ge­sunden Zustande.
Fünfter Fall.
Ein männlicher Pinscher von echter Race, 1 Jahr alt, gut genährt und von sehr gutmiithigem Temperament, wurde mir am 3. März 1826 von dem Rentier Herrn Seh. über­geben. Der Hund hatte die Staupekrankheit in einem sehr geringen Grade gehabt und später an keiner Krankheit ge­litten. Am ÜO. Januar d. .1. wurde er von einem unbe­kannten, schnell vorüberlaufenden Hunde, ohne alle Veran­lassung gebissen. Die Bisswuude war am Rücken in der Gegend der Lendenwirbel, nur auf die Haut beschränkt, und daher auch von selbst in kurzer Zeit geheilt. Bis zum 24. Februar bemerkte man an dem Hunde keine Spur von Kränk­lichkeit, an diesem Tage aber zeigte er sich matt und trau­rig, der Appetit war verloren, der Puls klein und hart, 76 Mal in einer Minute fühlbar, der Herzschlag eben so, das Athmen etwas angestrengt, das Maul trocken, massig ge­röthet, das Haar gesträubt und die Schenkel zitterten. Nach etwa 4 Stunden war jedoch dieser Zustand wieder völlig vorüber und der Hund recht munter und auch in den nächst­folgenden 3 Tagen, bis zum 28. Februar war nichts weiter an ihm zu bemerken. An diesem Tage zeigte er sich zwar scheinbar so gesund wie sonst, aber er war periodisch sehr unruhig, wechselte fortwährend sein Lager, leckte viel an dem Spucknapfe, an den Köpfen der Nägel in dem Fuss-boden und auch an den Händen seines Herrn, und indem er mit einem kleinen, ihm bekannten Kinde ganz freundlich spielte, fasste er den Rock desselben mehrmals mit einer un­gewöhnlichen Heftigkeit und Hess denselben erst in Folge
Hag. f. Thierhcilk. XL. 3.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 5
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6Gnbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Heitwig,
der ihm gemachten Drolumgen wieder los. Der Appetit schien heute noch unverändert zu sein. —
Am 1. März leckte der Hund des Morgens nur etwas Milch; er war sehr munter, zeigte aber viel Unruhe, und drängte sich besonders zur Tliür. Sobald diese geöffnet wurde, lief er fort und kam erst nach mehreren Stunden wieder. Er frass nun, trotzdem er sonst fast beständig bei Appetit war, nur einige Bissen Brot und leckte etwas Wasser, sein gewöhnliches, aus Fleisch und Gemüse bestehendes Fut­ter rührte er nicht an. Uebrigens verhielt er sich aber ruhig. —
Am 2. März lief er, ohne etwas zu geniessen, des Mor­gens fort und kam erst des Abends wieder zurück. Sein Blick drückte etwas Tücke aus, übrigens aber war sein Auge fast gar nicht sichtbar verändert. Alle Siimesverrichtungen schienen unverändert zu sein, der Hund kannte die Personen des Hauses und folgte jedem Befehle. Wenn aber Jemand nahe an ihm vorüberging, so schnappte er nach den Füssen und als ihm deshalb mit einem Stocke gedroht wurde, so zeigte er die Zähne und schien sich gegen seinen Herrn, von welchem er sich sonst Alles gefallen Hess, zur Wehr setzen zu wollen. Die Stimme war verändert und die Fresslust ganz aufgehoben. Während der JSacht lief er fast bestän­dig und unruhig im Zimmer herum. —
Am 3. März zeigte sich der Hund in .seinem Benehmen wie gestern, aber noch mehr aufgeregt und beisslustig; er sprang und schnappte mehrmals nach seinem Herrn und den übrigen bekannten Personen, wenn sie ihm auch nur mit der blossen Hand zu nahe kommen wollten, und doch war er übrigens sehr freundlich und wedelte fast beständig mit dem Schwänze. Einmal als sein Herr ihn streicheln wollte, fasste er mit den Zähnen die Hand desselben, liess sie aber nach sanfter Anrede sogleich wieder los, ohne zu beissen.—Ueber-haupt zeigte er sich auf milde sanfte Worte mehr folgsam,
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als auf hartes Anreden und Drohen, Die Fresslust war völlig verloren. Bei aller dagegen gebraucliten Vorsicht lief er auch heute auf die Strasse und fing hier mit allen andern Hunden, selbst mit weit grüsseren, als er selbst war, hefti­gen Streit an. Doch Hess er sich durch gutes Zureden bald wieder ins Haus locken und folgte auch dann, nachdem meh­rere Versuche, ihn anzubinden, vergeblich gemacht worden waren, freilaufend in die Thierarzneischule, Bei der daselbst vorgenommenen, wegen der Beisssucht des Thieres nicht ganz vollständigen Untersuchung, zeigte sich der Körper noch ziemlich beleibt, das Haar auf dem Rücken etwas gesträubt, die Augen ohne Röthung, etwas zurückgezogen, die Pupille unverändert, der Blick munter, etwas wild, die Stirnhaut faltig, die Nase und das Maul trocken, letzteres ohne Schaum und Geifer und gewöhnlich verschlossen, das Athmen ganz ruhig, die Stimme etwas rauh, nur selten und nur in ein­zelnen kurzen Lauten hörbar, welche am Ende aus einem tiefen Tone in einen hohem überschlugen; die Bewegung frei und munter. Im Verlaufe des Tages frass der Hund nichts, trank aber mehrmals Wasser und entleerte Koth und Harn. Anfälle von Beisssucht traten häufig von selbst und ohne irgend absichtliche Reizung dazu, ein; sie konnte aber auch zu jeder Zeit durch einen in den Stall gehaltenen Stock, u, dergleichen hervorgerufen werden. Bei diesen Anfällen wurde das Lagerstroh, der irdene Wassernapf und eine hervorra­gende Ecke der Stallthür stark zerbissen,—Bemerkenswerth ist es, dass der Hund sehr oft mit dem Maule nach der Ge­gend seines Rückens, wo er vor 4 Wochen die Bisswunde erhalten hatte, heftig beissend sich hinbewegte und sich da­bei an der Lende und am linken Hinterfusse mehrere Wun­den machte.
Am 4. März, Der Zustand im Wesentlichen w-ie gestern, doch die Augen etwas mehr trüb, der Körper mehr abge­magert, die Stimme mehr heiser. Bei den heut gemachten
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G8nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Hertwig,
Versuclien zeigte sich bei einem vorgehaltenen Spiegel, bei starker Flamme von angezündetem Papier, beim Bespritzen mit Wasser aus einer Spritze und beim Vorsetzen eines brei­ten Gefässes mit Wasser, durchaus weder Licht- und Glanz-, noch Wasserscheu. Der Hund trank nicht nur aus dem grossen Wassergefäss, sondern er sprang auch, als er etwas gereizt worden, mehrmals in dasselbe hinein, um einen, absichtlich über das Wasser gehaltenen Stock mit den Zähnen zu ei--haschen. Seinen Herrn erkannte er nicht nur beim Ausehen desselben, sondern vorher schon an der Stimme, und er be­zeigte seine Freundlichkeit durch Wedeln mit dem Schwänze und durch häufiges Bellen. — Das Beissen nach dem eige­nen Leibe hat auch heute stattgefunden.
Am 5. März. Der Hund ist noch mehr mager und zu­gleich im Hintertheile des Körpers etwas geschwächt; denn er taumelt beim Gehen zuweilen etwas seitwärts. Auch ist die Munterkeit etwas vermindert und der Appetit fehlt gänz­lich. Die Stimme und alles Uebrigo erscheint wie am vor­hergehenden Tage.
Am 6. März. Der Hund lag mehrentheils ruhig in einer Ecke des Stalles, wo es am mehrsten dunkel ist, erschien seinen Herrn nicht mehr zu kennen, er bellte nur selten, beachtete Geräusch und andere Reizungen in seiner Nähe nur wenig, frass und soff nicht und bewegte sich nur matt und schwankend. Die Augen erschienen sehr zurückgezo. gen und matt, der Kopf war geschwollen, der Körper sehr mager, das Athmen ganz ruhig, die Stimme tief, rauh, mehr Geheul als Gebell. Licht- und Wasserscheu fehlte. Beiss-lust wurde selbst nach Eeizungen sehr wenig, das Beissen nach dem eigenen Körper gar nicht bemerkt. —
Am 7. März. Das Thier lag auf der linken Seite, wie es schien in einem bewusstlosen Zustande; es bewegte nur zuweilen den einen oder den andern Fuss und gab dabei einen halbunterdrückten Laut von sich; Rufen und anderes
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Geräusch schien es nicht zu hören, wohl aber empfand es die Berührung des Körpers, selbst wenn sie nur schwach war; Nachmittags starb es ohne Convulsioneu.
Die am folgenden Tage gemachte Sektion zeigte an der Haut in der Gegend der linken Flanke und am linken Hin-terfuss drei bis in die Muskeln gehende frische Bisswunden und in der Gegend des dritten Lendenwirbels eine kleine feste Narbe von einer früheren Bisswunde. Weitere Verän­derungen an dieser Narbe und im Umfange derselben, wa­ren weder an der äussern noch an der Innern Flüche der Haut zu bemerken, auch konnten keine andern Narben an ir­gend einer andern Stelle der Haut aufgefunden werden. — Das Bauchfell war gesund, der Magen ziemlich klein und zusammengezogen, äusserlich nicht geröthet, im Innern war er gegen den Pförtner stark geröthet und enthielt einen bräunlich gefärbten Schleim und einige Strohhalme. Der ganze Darmkanal war äusserlich gesund, die Schleimhaut am Duodenum, am Grimmdarm und am Mastdarm hin und wieder dunkel geröthet. Koth war nicht vorhanden, sondern überall nur ein gelber und röthlicher Schleim. Leber, Milz, Bauchspeicheldrüse, Nieren, Blase und Genitalien waren ge­sund. Eben so das Zwerchfell. Alle Venen enthielten dunk­les Blut in massiger Menge. Die Lungen erschienen äusser­lich dunkel gefärbt, im Tunern reichlich mit Blut gefüllt ohne organische Veränderung; die Speicheldrüsen, die Zunge, die Kachenhöhle, der Kehlkopf, die Luftröhre und der Schlund und eben so alle Theile des Gehirns und Rückenmarkes wa­ren ohne wahrnehmbare Veränderungen.
Sechster Fall.
Am 8. November 1824 brachte der Kutscher E. im Dienste bei Sr. Königl, Hoheit dem Prinzen August von Preussen, einen gegen 2 Jahre alten luänulichen Mops in die
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Königliche Thierarzneischule, Dieser Hund hatte früher are der Staupe sehr heftig gelitten, war aber vollkommen davon geheilt worden und dann stets sehr munter gewesen. Ob er jemals von einem tollen Hunde gebissen worden, konnte der Besitzer nicht angeben. Vor 2 Tagen soll sich dieses Thier plötzlich weniger munter und weniger folgsam als sonst ge­zeigt und auch das Futter vorsagt haben. —
Am 6. November gegen Abend heulte der Hund einige Male mit sehr veränderter Stimme und ohne besondere Ver­anlassung, und bei genauerer Betrachtung desselben fand sich, dass er das Maul beständig offen hielt. In der folgenden-Isacht soll er sehr unruhig in der Stube herumgelaufen sein und ebenfalls mit veränderter Stimme mehrmals gebeulthaben.
Am 7. November des Morgens zeigte er sicli freundlich gegen Bekannte, soff etwas Milch, frass aber nichts und lief mit stets offenstehendem Maule unruhig von einem Orte zum andern. Mittags verkroch er sich in einen dunklen Winkel des Zimmers, schien daselbst zu schlafen und hörte nicht aufs Rufen. Gegen Abend kam er von selbst hervor, zeigte sich wieder unruhig und selbst etwas beissig, wenn Jemand nahe an ihm vorüber ging. Auch heulte er wiederholt mit veränderter Stimme und stellte sich mehrmals an, als ob er sich erbrechen wollte. Aus diesen letzteren umständen, und weil der Hund stets das Maul offen hielt und keine fe.ste Nahrung zu sich nehmen wollte, vermuthete der Besitzer, dass demselben ein Knochen im Halse stecken müsse und suchte gegen diesen Krankheitszustand am 8. November in der Königl. Thierarzneischule Hülfe. —
Ich fand den Hund massig gut genährt, die Haare am ganzen Körper glatt anliegend, die Augen etwas in ihre Höhlen zurückgezogen, nicht geröthet, die Pupille weder merkbar verengert noch erweitert, die Augenlider sich etwas genähert, der Blick ruhig und traurig. Die Haut an der Stirn war in Runzeln zusammengezogen: die Temperatur am
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Kopfe normal. Die Nase kalt und massig feuclit, wie bei einem gesunden Hunde. Das Maul war stets offen und zwar so, dass die Schneidezähne gegen ^ Zoll von einander ent­fernt waren; man konnte es aber durch einen ganz gelinden Druck gegen den Unterkiefer leicht und völlig verschliessen. Wie es schien, so konnte der Hund durch eigenen Willen den Unterkiefer weder bewegen noch gegen den Oberkiefer angezogen erhalten; denn nach Entfernung der unterstützen­den Finger fiel derselbe sogleich wieder, wie ein gelähmtes Glied herab. — Die Zunge war von normaler Grosse und Farbe, etwas feucht, massig beweglich und empfindlich. Nir­gends waren Bläschen oder Narben davon an ihr oder am Zungenbändchen zu entdecken. Die Theile in der Rachen-liöhle zeigten sich feucht, normal geröthet und nirgends ge­schwollen. Die Gegend der Ohrdrüsen und der Unterzungen­drüsen war ohne Veränderung. Eben so zeigten sich alle andere Theile des Körpers, und nirgends war eine Spur von Schmerz, selbst beim Druck mit der Hand nicht zu entdecken. Das Athmen geschah ruhig, 13 Mal in einer Minute, beim Ausatbmen machte der Hund zuweilen ein röchelndes oder schnarchendes Geräusch, welches mit demjenigen die grösste Aehnlichkeit hatte, was man zuweilen bei Menschen hört, welche im Halse verschleimt sind und den Schleim heraus-hauchen wollen. Auch bemerkte man zuweilen ein Niesen oder Prussten durch die Nase. Die Stimme war heiser und das Bellen bestand in einem kurz abgebrochenen Geheul. Der Herzchlag war auf beiden Seiten der Brust GO bis 65 Mal in einer Minute massig fühlbar, doch sowol in der Zeit wie in der Stärke nicht ganz gleichmässig. Appetit zum Futter fehlte ganz, zum Getränk aber nicht; denn der Hund leckte mehrmals von dem im Saufnapfe enthaltenen Wasser mit Begierde, konnte aber nur sehr wenig von der Flüssig­keit hinabschlingen. Licht- oder Glanzsclieue war nicht vor­handen, wie ich dies durch vorgehaltenes Feuer und durch
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Eertwig,
Spiegel bestimmt ermittelt habe. Beisslust war nicht zu be­merken. Der Hund erkannte seinen Herrn, erkannte auch die Stimme desselben und folgte ziemlich willig; seine Bewegung war regelmüssig, obgleich nicht so rasch und munter wie früher; doch konnte er durch Reizungen bald aufgemuntert werden. Der Schwanz hing etwas lose herab, aber nicht zwischen den Hinterbeinen nach dem Bauche zu,—und wenn der Hund durch Hetzen oder auf andere quot;Weise aufgeregt war, so trug er denselben zusammengerollt auf den Hinter­backen wie im gesunden Zustande
Diesem Befunde gemäss wurde der qu. Hund für still­toll erklärt und daher in den Tollstall zur weitern Beobach­tung gebracht. Er zeigte sich hier im Verlaufe des Tages zu manchen Zeiten sehr munter und selbst gegen einen vor­gehaltenen Stock Qtwas beissig, zu andern Zeiten dagegen wieder traurig und ohne die geringste Aufmerksamkeit, sonst aber ohne wesentliche Veränderungen. Koth wurde nicht, Urin zweimal entleert.
Den 9. November, angeblich am 4. Tage der Krankheit, waren noch dieselben Erscheinungen wie gestern zugegen. Abwechselnd war der Hund bald munter bald traurig, doch waren die Perioden des letztern Zustandes von längerer Dauer als gestern. Auch schien das Thier schwächer als gestern zu sein. Das Bellen geschah noch in derselben Art, aber mit mehr rauher Stimme. Fieber, Wasserscheu und Glanzscheu waren nicht zugegen und die Fresslust fehlte gänzlich. Leibesüffnung und Urinentleerungen fanden statt, und bei ersterer wurde ein schwärzlicher, breiartiger Koth in massiger Quantität entleert. —
Durch einen andern kleinen Hund, welcher zu dem tollen gebracht worden war, wurde der letztere sehr aufgeregt, und er suchte jenen innerhalb der ersten halben Stunde mehr­mals zu beissen. Da aber dieses nicht recht gelingen wollte, so blieb er später ganz ruhig.
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Den 10. November (am- ü. Tage der Kranklieit). Bei dem Fortbestehen der übrigen Symptome zeigt sich der Hund heute sehr schwach und matt, und gegen alle Reizungen sehr wenig empfindlich, so dass selbst das Begiessen mit kaltem Wasser nur eine kurz vorübergellende Erregung her-vorbraclite. Beim Geben schwankt das Hintertheil des Kör­pers von einer Seite zur andern und die Füsse beugen sich unregelmässig unter dem Körper zusammen. Die Stimme ist ganz rauh und wird nur selten gekört.
Den 11. November (am G. Tage der Krankheit). Der Hund lag mehrentheils ruhig an einem Orte, und wenn er sich bewegte, so geschah dies melir kriechend als gehend. Er war sehr abgestumpft, hörte wenig und sah noch weni­ger, so dass er selbst dicht vor den Kopf gehaltene Gegen­stände nicht bemerkte. Von Licht- oder Glanzscheu konnte daher keine Rede sein und Wasserscheu bestand gleichfalls nicht, denn der Hund leckte noch von dem vor ihn gestell­ten Wasser. Der Körper war abgemagert, das Haar strup­pig und der Kopf etwas angeschollen; die Augen erschienen sehr zurückgezogen, matt und trüb, aber nicht geröthet; die Nase war heiss, das Maul offen und von schmierigem Schleim belegt; das Athmen geschah mit einiger Anstrengung der Bauchmuskeln 15 — 18 Mal in einer Minute und die ausge-athmete Luft hatte einen üblen Geruch, den Herzschlag fühlte man an beiden Seiten der Brust und zwar an der linken Seite stark pochend und 70 — 76 Mal in einer Minute. Es hatte sich also ein Fieber entwickelt, welches deutlich den asthenischen, oder vielmehr schon den typhösen Character zeigte. — Im Verlaufe des Tages nahm die Schwäche und Abstumpfung des Thieres fortwährend zu, so dass es gegen Abend gar nicht mehr gehen konnte. Seine Stimme liess es gar nicht mehr, selbst nach Reizungen nicht, hören. Urin und dünnflüssiger Koth gingen unwillkürlich ab. In der Nacht erfolgte der Tod.
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Hartwig,
Am 13. November, des Morgens wurde die Section ge­macht und dabei als abweichend vom normalen Zustande nur allein bemerkt: class fast alle Venen mit dunkelem, theer-artigem und noch flüssigen Blute angefüllt waren, wie auch, dass die innere Flüche der Luftröhre etwas, der Magen und zum Theil der Dünndarm an seiner Innern Fläche aber auf­fallend stark gerottet war. Uebrigens enthielt der Magen mir etwas röthlichen Schleim.
Siebenter Fall.
Den 11. Mai 1825 brachte Herr v. H. einen 3 Jahre al­ten, männlichen, gut dressirten Pudel in die Königl. Thier-arzneischule, weil derselbe seit einigen Tagen, wegen angeb­lich verschwollenem Halse nichts fressen konnte. — Dieser Hund war früher niemals krank gewesen und, so weit es dem Besitzer bekannt, auch niemals von einem tollen Hunde gebissen worden; doch wurde die Möglichkeit zugegeben, dass dieses Letztere geschehen sein könnte, da der Hund sich zuweilen auf den Strassen der Stadt befand und sich hier gelegentlich mit andern Hunden herumbiss.
Vor fünf Tagen befand er sich noch völlig gesund und musste zum Vergnügen seines Herrn mehrmals Sachen aus dem Wasser apportiren, wobei er sich erkältet hatte und daher in den nächstfolgenden drei Tagen etwas traurig und zugleich mit Leibesverstopfung behaftet war; doch frass er noch, obgleich nicht mit gewöhnlichem Appetit, und die Stimme soll zu jener Zeit noch völlig unverändert gewesen sein. Als hierauf gestern sich die Leibesverstopfung verlo­ren, war der Hund dennoch nicht munterer, sondern er wurde von Zeit zu Zeit ungewöhnlich unruhig und hielt stets das Maul offen. Auch bellte er zuweilen mit veränderter Stimme. Fressen konnte oder wollte der Hund gar nichts, obwohl er mehrere Stückchen Zucker, welche ihm in das Maul zwischen
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die Backenzähne gesteckt wurden, zerbiss und hinabschluckte, Milcli soll er oft geleckt haben.
Bei der Untersuchung fand ich den Hund gut genährt, die Temperatur am ganzen Körper gleichmässig, die Augen­lider nicht gans offen, den Bnlbus etwas zurückgezQgen, die Conjunctiva nicht geröthet, die Pupille bei verschiedenem Licht regehnässig verändert, nicht starr, das Auge nicht recht lebhaft glänzend, sondern matt; die Nase feucht und massig warm; das Maul gegen 1 Zoll weit offen, die Theile um dasselbe herum nicht geschwollen; der Unterkiefer leicht beweglich; die Zunge mit schmutzigem Schleime belegt und beweglich, nicht geschwollen, auf ihr und unter ihr weder Bläschen noch Geschwürclien, noch Narben; die Theile in der Bachenböhle feucht, nicht geschwollen, nicht krankhaft ge­röthet, um den Kehlkopf, im Verlaufe des Schlundes und an den Speicheldrüsen keine Geschwulst, kein Schmerz beim Drucke mit der Hand. Der Bauch schien etwas zusammen­gefallen zu sein. Arn ganzen übrigen Körper war nichts Abnormes zu bemerken. Das Athmen wurde ruhig und ohne Anstrengung eines Theiles ausgeübt, Die Stimme war rauh und heiser und zuweilen überschlug sie sich. Das Bellen be­stand in einzelnen Lauten, welche in ein kurzes Geheul über­gingen. Der Herzschlag war nur an der linken Seite der Brust deutlich und in Zeit und Stärke der einzelnen Schläge gleichmässig und mit den kleinen, etwas harten Pulsen der Arterien übereinstimmend, 59 mal in einer Minute fühlbar. Putter rührte das Thier nicht an, von dem vorhandenen Wassser leckte es in kurzer Zeit mehrmals, obgleich immer nur wenig. Bei diesem Lecken entstand ein eigenes, quat­schendes Geräusch im Maule des Thiores. Von Ausleerungen konnte nichts bemerkt weiden, — Die Sinne waren in regel-mässiger Thätigkeit, der Hund war aufmerksam und gehor­sam, er folgte willig, Hess auf Befehl seine Stimme mehr­mals hören und wollte auch apportiren, — was jedoch we-
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Uertwig.
gen der UnbeweglicLkeit des Unterkiefers nicht möglich war. Beisslnst war bis jetzt nicht im Geringsten zu bemerken. Die Bewegungen wurden ziemlich rasch und regelmässig aus­geführt. Obgleich diese letzteren Erscheinungen dem Hunde gar nicht das Ansehen von Tollheit gaben, wie man es sich von der Wuthkrankheit gewöhnlich denkt, so musste ich ihn dennoch auf den Grund meiner Erfahrungen wegen seiner geäusserten Unruhe und wegen des ganz verlornen Appetits, wegen der Lähmung des Unterkiefers und wegen der eige­nen Veränderung der Stimme und des Bellens für toll, und zwar für stilltoll erklären. —
Im Tollstalle wurde er dann weiter beobachtet, zeigte aber im Verlaufe des Tages keine wesentliche Verände-
Am 12. Mai, am 3. Tage der deutlich ausgebildeten Krank­heit, zeigte sich der Hund noch ziemlich munter und kräftig, und im Vergleich zum gestrigen Tage ohne besondere Ver­änderung. Bei dem Vorhalten einer grossen Schüssel mit Wasser, eines brennenden Lichts, einer Laterne mit Licht und eines grossen Spiegels zeigte sich der Hund auf keine Weise afficirt. Bei seinem gutmüthigeu und freundlichen Be­nehmen, konnte ich es wagen, den Herzschlag und Puls auch heute noch zu untersuchen; ich fand beide ohne Ver­änderung,
Am 13. Mai (den 4. Tag der Krankheit) war der Hund unruhig, er bellte urd heulte oft, mit tiefer rauher Slinime, schnappte auch zuweilen ins Stroh und nach einem vorge­haltenen Stocke, hörte jedoch auf freundliches Anreden und wurde dann auch sogleich wieder ruhig. Von Fresslust zeigte sich selbst gegen das beste Futter, welches ihm von seinem Besitzer zugebracht wurde, auch nicht die mindeste Spur, aber Durst äusserte das Thier durch oft wiederholtes Lecken des Wassers. Das Ansehen des Hundes wurde heut immer mehr verdriesslich. indem der Kopf etwas anschwoll und
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die Augeu daher nielir zurücktraten und auck mehr trüb wurden. Die Bewegung war nicht mehr so munter und kräf­tig wie gestern, und sowohl der Kopf wie auch der ganz unbewegliche Hinterkiei'er und der kurz verstutzte Schwanz hingen schlaff herab. Koth wurde heute zum erstenmale, von fast normaler Üeschaffeuheit, aber nur in ganz geringer Menge und mit der grössten Anstrengung entleert; Urin aber mehrmals abgesetzt. Gegen Abend lag das Thier viel.
Am 14. Mai (den 5. Tag der Krankheit). Der Hund ist auffallend mager geworden und zeigt sich beim Gehen sehr matt und schwankend, er liegt fast beständig und ist selbst durch Lockungen und Reizungen nur selten zum Auf­stehen zu bringen. Die Stimme ist sehr rauh und tief und wird nur selten gehört. Die Augen erscheinen an der durch­sichtigen Hornhaut sehr trüb, die Pupille etwas erweitert. Fresslust fehlt gänzlich, Wasser wird nur selten geleckt; doch ist weder Licht- noch Glanzscheu zugegen. — Das Athmen ist ruhig, die Pulse und Herzschläge aber sind bis 70 in einer Minute vermehrt.
Da das Thier sehr ruhig war und gav keine Beisslust zeigte, so konnte ich es wagen, unter Anwendung der nothi-gen Vorsichtsmaassregeln etwas frischen und noch wärmen Schleim aus seinein Maule zur Impfung eines andern Hun­des zu nehmen.
Am 15. Mai, (den 6. Tag der Krankheit) war der Hund sehr abgestumpft, fast ganz unempfindlich und am Hinter-theile so schwach, dass er gar nicht mehr auf den Hinter-füssen stehen konnte. Die Pulse waren bis 83 in einer Minute beschleunigt und weich und die Herzschläge an beiden Sei­ten der Brust stark fühlbar. Sonst waren die gestern be­merkten Symptome vorhanden.
Unter diesen Umständen war der Tod bald und mit Sicherheit zu erwarten, und er erfolgte wirklich in der Abend-
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78nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Ilertwig,
zeit dieses Tages ganz allmählig, ruhig und ohne Convul-sionen. —
Bei der am 16, Mai Nachmittags gemachten Sektion fanden sich die oberflächlichen Venen voll von schwarzem, theerartigem Blute, — die Muskeln dunkel, fast blaurotli gefärbt, — die Geschlechtstheilc, das Bauchfell, die Leber, Milz, das Pankreas, die Nieren und Blase ganz gesund, — die Gallenblase sehr ausgedehnt von goblicher Galle, — der Magen leer, seine Sclileimhaut in der Nähe des Pförtners dunkei geröthet und etwas aufgelockert, — eben so, jedoch weniger, der Zwölffingerdarm; — das Zwerchfell gesund, die Lunge nicht entzündet, aber von angesammelten Blut dunkel geröthet; — der Herzbeutel gesund, gegen eine Unze Liq. pericardü enthaltend. — das Herz bläulich roth, seine Venen und eben so die Höhlen mit schwarzem Blute massig erfüllt, die grossen Gefässe leer, das Zellgewebe am Kopfe unter der Haut etwas aufgelockert; — die Hornhaut der Augen wirklich getrübt und etwas eingefallen; — die Maul-und Rachenhöhle mit schmutzigem Schleim bedeckt, und alle Theilc daselbst, am Kehlkopfe und der Luftröhre etwas angeschwollen und mit einem Netz von feinen und dunkel gefärbten Gefässen bedeckt, der Schlund ohne die geringste Veränderung, das Gehirn, kleine Gehirn und Rückenmark scheinbar gesund, der nerv. Sympathie, fast in der Mitte des Halses auf beiden Seiten mit einem dnnkelrothen i Zoll lan­gen, durch die ganze Substanz hindurchgehenden Flecke versehen, alle übrigen Nerven ohne irgend eine Verände­rung.
Achter Fall.
Den 11. April 1826 wurde ein männlicher gegen 5 Jahre alter Pinscher, dem Messerschmiedmeiste K, hierselbst ge­hörig, in die Königl. Thierarzneischule gebracht. Den Vor-
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über die Wtiikranklieit bei den Thieren.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;79
beviclit gab der unwissende Ueberbringer des Hundes nur sehr unvollständig an; docli erfuhr ich so viel, dass dieser Hund, vor etwa 3 Wochen, von einem, wahrscheinlich tollen Hunde, gebissen worden und jetzt seit 2 Tagen krank sei. Er soll sich in seinem Betragen gegen sonst sehr verändert, besonders sehr unruhig und gegen andere Hunde sehr beissig gezeigt, auch seit 3 Tagen fast gar nichts gefressen haben, und seit 2 Tagen mit stets offenem Maule herumgelaufen sein.
Die nähere Untersuchung und die weitere Beobachtung dieses, sogleich für stilltoll erklärten Hundes ergab, dass derselbe massig gut genährt und noch sehr wohl bei Kräften war. Die Haare erschienen am Rücken etwas gesträubt, die Temperatur am ganzen Körper ziemlich gleichmässig, die Haut an der Stirn in diagonale Falten gezogen, die Con­junctiva etwas mehr als gewöhnlich geröthet, die Pupille beweglich, die Nase trocken und kalt, das Maul gegen 1 Zoll weit geöffnet, von vielem Speichel befeuchtet, der Unterkiefer schlaff herabhängend, die Zunge fast ganz rein, feucht und beweglich und alle übrigen Theile von norma­ler Beschaffenheit. Das Athmen war ruhig, der Herzschlag an beiden Seiten der Brust massig und regelmässig stark, 60 mal in einer Minute fühlbar. Das Bellen bestand in einem heiser klingenden, einmaligem Laute, der zuletzt immer gegen einen halben Ton höher, als im Anfange war. Bei der Entwicklung dieses Tons hielt der Hund jedesmal die Nase stark in die Höhe. Futter rührte derselbe nicht an, Wasser leckte er oft. Entleerungen von Koth fanden nicht statt, sondern nur von Urin. Den letzteren leckte der Hund mit einer sichtbaren Begierde. Uebrigens bestanden alle Sinnesfunktionen noch, und der Hund schien auch noch völ­liges Bewusstsein zu haben.
Nachmittags wurde ein alter, schon mehrmals gebisse­ner und geimpfter Mops zu ihm in den Stall gebracht, und
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80nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Hertwig,
sogleicli entstand zwischen beiden ein heftiges Beissen. Der tolle Hund hatte den Angriff gemacht, und konnte nun, trotz der vorhin scheinbar vorhandenen Lähmung seiner Beissmus-keln, doch jetzt dieselben recht gut wirken lassen, so dass er dem Mops mehrere blutige Verletzungen beibrachte. Er erneuerte die Angriffe stets wieder, sobald ersieh etwas er­holt und dann seinen Gefährten erst am Kopfe und an den Genitalien berochen hatte. Dabei war er so beisssüchtig, dass er selbst durch einen Stock nicht zurück gehalten werden konnte. Merkwürdig Avar es hierbei, dass gleich nach voll­brachtem Beissen das Maul wieder offen stand und also die Muskehi wieder ganz erschlafft zu sein schienen. — Als der Mops wieder entfernt war, zeigte sich der wuthkranke Hund sehr unruhig, sprang oft an der Wand in die Höhe und heulte mehrmals. Auch stiess er durch das Maul zuweilen einen schnarchenden oder krächzenden Ton aus.
Den 12. April (den 4. Tag der Krankheit). Das Anse­hen des Thieres, das Offenstehen des Maules, die mangelnde Fresslust, das Lecken vom Wasser, das heulende Bellen mit veränderter Stimme, die Unruhe, Neigung zum Beissen gegen einen vorgehaltenen Stock, und wirkliches Beissen in den­selben nach einiger Beizung ist nebst dem übrigen Zustande fast ganz wie gestern, Den Puls konnte ich heute nicht un­tersuchen, weil der Hund sehr beissig zu sein schien. Nur Drin wurde entleert.
Den 31. April (5. Tag der Krankheit). Im Wesentlichen sind heute die bereits angegebenen Symptome noch vor­handen, doch ist das Thier mehr ruhig als früher und heult auch nicht mehr so viel. Gegen einen zu ihm gebrachten andern Pinscherhund, welcher ganz gesund und von mir zu Versuchen erkauft war, betrug er sich zwar noch feindlich und suchte ihn wiederholt zu beissen, konnte dies aber nicht mehr mit der gehörigen Kraft ausführen, sondern er ermat­tete sehr bald, und bewirkte daher auch keine wirkliche Verlt;
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über die Wuthkrankheit bei den Thieren.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;81
letzungen. Wasser- Licht- oder Glanzscheu zeigte das Thier nicht. Zuweilen drückte es die Augenlider gegen einander und schien zu schlafen, dann öffnete es dieselben wieder und sah sich nach allen Seiten langsam und wie besinnungslos um. Leibesöffnung wurde nicht bemerkt, Urinentleerung fand einmal statt.
Den 14. April (6. Tag der Krankheit). Am heutigen Morgen fand ich den Hund auf der linken Seite liegend, nur zuweilen mit einem Fusse oder mit dem Unterkiefer zuckend, und kaum bemerkbar athmend. Die Empfindlich­keit der Haut schien selbst bei leiser Berührung gross zu sein, obgleich die übrigen Sinnesempfindungen nur gering waren. Da mit dieser Empfindlichkeit vielleicht Luft-, Licht­oder Wasserscheu eingetreten oder verbunden sein konnte, so machte ich desshalb noch einige Versuche. Ich zog den Hund gerade zwischen Thür und Fenster, und als er ganz ruhig lag, öffnete ich beide, wodurch ein starker Luftzug erregt wurde, welcher den Körper des Hundes vollständig traf. Es entstand aber hierauf weder Unruhe, noch Zucken, noch eine andere Wirkung. Ich iiess die Luft aus einem Haudblasebalg in mehreren Richtungen auf den Hund strö­men, und dieser rührte sich nur dann, wenn der Luftstrom so stark war, dass die Haare durch ihn auseinander getrie­ben wurden. Ich bespritzte ihn an mehreren Stellen mit Wasser, am Maule leckte er es ganz ruhig mit der Zunge, bei der Berührung des übrigen Körpers aber zuckte er leb­haft zusammen; doch war dies nur die Folge des mecha­nischen Eindruckes, denn sie entstand ganz gleichmässig lnbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; auch dadurch, dass ich aus gleicher Höhe etwas Sand
oder ein kleines Steinchen auf den Körper fallen Hess. Das Licht eines brennenden Wachsstockes vor die Augen gehalten, und eben so auch ein beleuchteter Spiegel, schien gar keine Empfindung zu erregen, denn das Thier blieb hier-
Hraquo;g. f. Thierhoilk XL. 2.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;G
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82nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Thierärztliche
bei und bei sehr lautem Geräusch ganz, ruhig. — Nach­mittags erfolgte der Tod ruhig und ohne Zuckungen.
Die am folgenden Tage gemachte Sektion zeigte als pa­thologische Veränderung nur eine dunkle Röthe an beiden Lungen und am Herzbeutel, den Magen scheinbar entzündet und mit Stroh, Haaren und Holzspänen massig angefüllt, alle übrige Theile aber fast ganz normal.
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I, lieber die Wiithkrauklicit bei (ten Thiercii.
Nach eigenen Beobachtungen und Versuchen.
Von Hort wig.
Schluss aus No. I. des vorigen Stückes.
Mit Abbildung auf Tafel H.
luipfvcrsiichc. *)
A. Künstliche Impfung mit Speichel und Speicheldrüsen-Substanz.
I.
Am 17. December 1823 wurden von einem Pinschcr-hunde, -welcher dem Herrn Lieutenant S. gehörte und in der Königl. Thierarzneischule seit einer halben Stunde an der stillen Wuth gestorben war, zwei Hunde auf folgende Weise geimpft:
1. A. Einem ganz gesunden, gegen zwei Jahr alten, männlichen Pudel, machte ich mit einer reinen Lanzette auf lt;lcr Mitte der Stirn drei Einstiche durch die Haut, welche vorher von Haaren gehörig befreit worden war. In diese nur wenig blutende Wunden brachte ich eine reichliche Quantität von möglichst reinem Speichel, wie ich denselben durch mehrmaliges Zusammendrücken der Parotis und durch das Streichen ihres Speichelgangcs aus dem Letztern erhal­ten konnte.
*) Im Allgemeiuen glaube ich übernbsp; diese Versuche Folgendes bemerken zu müssen:
1) dieselben wurden mit der grösstennbsp; Vorsicht, nur nach gehiiri-Mog. I. Thierheilk. XL 2.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; ;)
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130nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; II ei twig,
2. B. Einem 4jährigen nuinnliclien Mops-Bastard wur­den an derselben Stelle zwei etwas grössere Einschnitte ge­macht und diese sogleich mit Speichel bestrichen, Sie blute­ten stärker als die Einstiche bei No. 1.
Die Haue an der Stirn wählte ich zu diesen Versu­chen deshalb, weil dieser Ort, mit Ausnahme des oberen Theils des Halses, fast der einzige ist, den die Hunde nicht mit der Zunge erreichen und belecken können. Beide Hunde wurden unmittelbar nach der [mpftmg noch durch etwa 10 Minuten von Gehülfen festgehalten, damit der Impfstoff desto sicherer in den Wunden haften konnte.
Am 18. December, den 2. Tag, waren die quot;Wunden bei beiden etwas entzündet, bei B. aber am stärksten. Fieber war nicht zugegen; Zunge und Zungenbändchen rein, ohne Veränderung. Fresslust bestand wie sonst, desgleichen die Munterkeit.
Am 19. December den 3. Tag. Bei beiden Hunden waren die Wunden trocken, mit einem kleinen Blutschorfe bedeckt, ohne Bläschen in ihrer Umgegend, ohne besondere Empfind­lichkeit; das Maul rein, ohne Bläschen an irgend einer Stelle; Appetit und Munterkeit wie im gesunden Zustande.
ger Unterrichtimg der dabei mitwirkenden älteren Eleven und mit Hilfe schützender Zangen gemacht;
2)nbsp; sie wurden nur an solchen ITunden unternommen, welche zu diesem Zwecke erkauft, vorher niemals gebissen und durch längere Beobachtung vor den Versuchen als vollkommen gesund befunden waren;
3)nbsp; vor und nach den Versuchen lagen diese Hunde in einzelnen, von einander abgesonderten, reinen und fast ganz neuen und geräumi­gen Ställen, die vorher entweder noch gar nicht oder doch gründlich desinficirt zu einem andern Zwecke benutzt worden waren; die Hunde kamen also durchaus nicht mit andern Hunden in Berührung;
4)nbsp; sie wurden zum Tlieil von einem eigenen Wärter verpflegt und erhielten, ausser dorn täglich emeueten reinen Wasser, eine gemischte Nahrung aus Brot, Fleischbrühe und Fleisch.
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über dio Wuthkrauldieit boi dtn Thieren.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 131
Vom 20. December 1823 bis 11 Januar 1824, oder vom 4. bis zum 2G. Tage, ergab die tägliche Uutersuchung fast stets dieselben Resultate. Die kleinen Wunden waren bis zum 10. Tage sämmtlich ohne Eiterung verheilt, ohne dass sie irgend etwas Bemerkenswerthes gezeigt hatten. Bläschen unter der Zunge, Anschwellung der Lymphdrüsen entstanden nicht, und die Thiere blieben munter. Am 25. Tage aber zeigte sich A. etwas traurig und gegen das Futter gleich--gültig. Er lag viel und drängte sich in einer Ecke des Stalles ganz eng zusammen, als ob es ihm sehr kalt wäre. Doch waren durchaus keine andere Krankheitszeichen vorhanden.
Am 12. Januar, (den 27. Tag) des Morgens, zeigte sich derselbe Hund (No. 1.) mit schüchternem Blick, mit offen­stehendem Maule, -mit etwas heiserer Stimme, mit fast heu­lendem Gebelle und ohne die geringste Fresslust. Es waren also die wesentlichsten Symptome der stillen Wuth vorhan­den. Diese Symptome wurden noch durch andere, weniger wichtige, vervollständiget, (welche ich aber, um kurz zu sein, übergehe), so dass das Thicr fast ganz dasselbe Ansehn, wie der oben, in der 7. Krankheitsgeschichte bezeichnete Pudel hatte.
Am 13. Januar, den 28. Tag, bestand zwar im Wesent­lichen noch derselbe Zustand, es hatte sich aber eine ziem­lich bedeutende Anschwellung des ganzen Kopfes noch liin-zugefunden. Die angeschwollenen Theile waren massig ge­spannt, nicht hart, mehr ödematös, aber doch warm und beim Berühren schmerzhaft.
Am 14. Januar den 20. Tag. Alle Zufälle wie gestern, aber der Hund ist sehr mager und schwach und sein Puls ist von 69 Schlägen bis zu 80 in einer Minute vermehrt.
Am 15. Januar, den SO. Tag nach der Impfung, erfolgte der Tod. Die am folgenden Tage gemachte Sektion des Cadavers zeigte das Blut theerähnlich und als einzige Ab­normität nur eine etwas dunklere Röthung des, übrigens ganz
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luiinbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Hertwig,
leeren, Magens. Die Narben von den Impfwundeu, und eben so die Haut, das Zellgewebe, die Gefiisse und Nerven in der Nähe dieser Wunden, scbienen von ganz gcwolinlicLer Be-sebaffenlieit zu sein. Von Bläschen im Maule keine Spur.
Der Hund B. blieb noch bis Ende Juli 1824 in Auf-siclit, und da er sich stets und auch zu dieser Zeit völlig gesund zeigte, also die Impfung wahrscheinlich ohne Wir­kung gebliebemvar, so wurde er nun zu anderweitigen Ver­suchen benutzt.
II.
Am 20. Mai 1824 wurden von einem der Frau Obrist B. gehörenden Mopshuude, welcher seit 4 Tagen an der rasenden Wuth litt, und unter den übrigen Symptomen dieser Krankheit besonders eine sehr heftige Beisssucht zeigte, drei Hunde auf folgende Art geimpft.
3.nbsp; A., ein kräftiger, ganz gesunder, männlicher, 3 J. alter Mops erhielt in die Haut der Stirn mit der Lanzette 3 Stich­wunden, in welche etwas frischer Speichel gestrichen wurde;
4.nbsp; B. ein gesunder. Pinscher, 1 Jahr alt, und männlichen Geschlechts, erhielt eine % Zoll lange Wunde im Genick, welche durch die Haut und den Hautmuskel ging und eben­falls mit fast warmem Speichel bestrichen wurde; und
5.nbsp; nbsp;C. ein 3 Jahre alter, männlicher, ganz gesunder Pinscher, erhielt ein kleines, mit Speichel bestrichenes Eiter­band unter die Haut des Genickes.
um den Speichel zu diesen Impfungen zu erhalten, Hess ich den vorher sehr gereizten Hund mehrmals in einen, an einem Stocke befestigten Ball von reiner Leinwand beissen, nahm dann die hieran klebende Flüssigkeit mit der Impf­nadel ab, und brachte sie in die Wunden. Das Eiterband lür den Hund C. wurde von der mit dem Speichel besudel­ten Leinwand selbst gemacht.
Am 21. Mai, 2. Tag. Die Hunde sind sämmtlich sehr munter, bei gutem Appetit, ohne Fieber und an der Zunge
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über die Wuthkrankheit lioi (ten Tbiercn.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 133
ohne die geringste Veränderung, Die Wundränder bei A. und B. nur ganz massig entzündet, die Wunden selbst mit einem kleinen schwavzrotlien Schorf bedeckt; — bei C. die Wund­ränder roth und feucht, massig angeschwollen.
Am 22. Mai, 3. Tag. Bei A. und B., ganz wie gestern; bei C. der allgemeine Zustand eben so, örtlich aber ver­mehrte Anschwellung um das Eiterband und Aussickerung einer rüthlichen. dünnen, wenig riechenden Jauche in gerin­ger Menge.
Am 23. Mai, 4. Tag, Bei A. ganz wie gestern, — bei B. ist der Schorf durch Ausschwitzung von lymphat. Eiter abgestossen, die Wundränder sind sehr wenig, der Grund etwas mehr entzündet; — bei G. der gestrige Zustand, je­doch etwas vermehrte Eiterbildung.
Am 24. Mai, 5. Tag. Alle drei Hunde zeigen sich wohl und die Impfstellen wie gestern.
Am 25. Mai, fi. Tag. Das allgemeine Befinden der Imp-linge ist gut, ihre Zunge rein, im Umfange der Impfstellen nichts Abnormes; — bei A. fallen die kleinen Schorfe ab, die Wundränder berühren sich, sind trocken und scheinen vereinigt zu sein; — bei B. die Wundränder an die unter ihnen liegenden Theile fest angowaclisen und einander ge­nähert, nicht angeschwollen, — der Grund mit guter Gra­nulation fest ausgefüllt und trocken; — bei C. massige An­schwellung im Umfange des Eitevbandes, massige und ganz gutartige Eiterung.
Vom 26. bis 31. Mai, 7.—12. Tag Allgemeines Befin­den ganz gut; örtlich bei A. völlige Heilung, — bei 1!. be­ginnende Vernarbung, bei G. gutartige Eiterung; in der Nähe der Impfstellen, und an den Lymphdrüsen im Maule keine Veränderung.
Vom 1, bis 4, Juni, 13.—16, Tag. Das allgemeine Be­finden ist bei sämmtlichen Hunden sehr gut. Oertlich bciA.; die Wunden gut vernarbt, an der Narbe und ihrem Umfange.
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i34nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Hertwig,
auch unter der Zunge nichts Abweichendes; — bei B. die Vernarbung im Beginnen, nirgends etwas Bemerkenswerthes.
— Bei C. gutartige massige Eiterung ohne besondere Ver­änderung an irgend einem Tlieile.
Vorn 5. bis 8. Juni, 17.—20. Tag. Alles wie in den vorhergehenden Tagen; nur bei B. völlige Vernarbuhg. Bei 0. wird das Eiterband entfernt, der Eiterkanal bleibt unge­reinigt sich selbst überlassen.
Vom 9. —11. Juni, 21.—23. Tag. Am 10. Juni wollte A, nicht mit gewöhnlichem Appetit fressen; er beroch das Fut­ter, nahm etwas von demselben und ging dann wieder vom Fressnapf zurück. Wasser soff er so wie sonst. Sein Auge und der Blick, die Nase, das Maul, der Puls und das Ath-men waren ganz wie im gesunden Zustande. Urin schien wie gewöhnlich entleert zu werden, Leibesöffnung zeigte sich aber nicht, — was jedoch auch in früherer Zeit, zuwei­len in 2 Tagen, so der Fall war.
Am 11, Juni blieb derselbe Zustand, doch war derHuud noch mehr schüchtern, und zugleich mehr unruhig als gestern. Zuweilen wedelte er aber noch recht freundlich mit dem Schwänze, und Beisssucht zeigte er nicht.
Am 12. Juni, 2i. Tag, Der Hund versagt heute alles Futter, leckt aber noch Wasser; er ist sehr unruhig, wech­selt beim Liegen stets den Ort, scharrt und kratzt mit den Fassen im Stroh, beisst in dasselbe, beisst in die Kette und in einen vorgehaltenen Stock, — ist aber in Zwischenzeiten wieder ganz ruhig, freundlich und auch folgsam; er jellt fast heulend und mit deutlich veränderter, mehr rauher Stimme, und zeigt sich am Hinterleibe, besonders in den Flanken und am Kreuze sehr mager. Die Haut an der Stirn ist gerunzelt, das Auge trüb, der Blick matt, die Pupille anverändert, an allen übrigen Theilen, auch am Pulse und Atlnuon keine Veränderung,
Am 13 Juni, 25. Tag. Befund wie gestern, aber der
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raquo;Ijer die Wuthkraukheit bei den Thicren.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;135
Hund mehr rubig; er frisst gar nichts, säuft wenig und heult zuweilen mit rauher Stimme.
Am 14. Juni, 23. Tag. Desgleichen; — der Gang wird schwankend.
Am 15. Juni, 27. Tag. Der Hund ist an der ganzen linken Seite gelähmt, liegt deshalb beständig, frisst und säuft gar nichts. In der Nacht erfolgte der Tod.
Am folgenden Morgen wurden sogleich von dem fast noch warmen Kadaver die weiter unten sub No. 6. und 7. verzeichneten Hunde geimpft.
Bei der hierauf am 17. Juni unternommenen Sektion wurden ganz ähnliche Veränderungen der Organe, wie in früheren Fällen, bemerkt.
Die beiden andern Hunde, B. und C, wurden vom 11. Juni noch ferner bis zum Ende des November beobachtet; sie zeigten sich nach vollkommener Heilung ihrer Impfwun­den stets gleichmässig gesund.
III.
ü. Ein männlicher, gegen 6 Jahre alter Mops-Bastard, und
7. ein männlicher, 3 Jahre alter, weisser Pudel wurden am IG. Juni des Morgens gegen 9 Uhr von dem oben sub No. 3. Lit. A. bezeichneten Hunde, etwa 5—6 Stunden nach dem Tode desselben, auf folgende Weise geimpft. Ich spal­tete, um mehr Raum zu gewinnen, an dem Cadaver die Haut sammt den Backenmuskeln vom Maulwinkel bis zur Mündung des Speichelganges, drückte diesen und die Ohrspeichel­drüse von aussen nach innen zusammen und erhielt dadurch einige Tropfen reinen Speichels. Dieser wurde auf der Spitze einer Lanzette gesammelt und dann nach und nach an jedem der Impflinge in drei kleine, soeben erst gemachte, und zum Theil noch etwas blutende Wunden der Stirnhaut einge­strichen.
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136nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Hertwig,
Sämintlicüe sechs Wunden bedeckten sich durch kleine Blutschorfe und ihre Heilung erfolgte ohne Eiterung bis zum 28. Juni oder bis zum 13. Tage nach der Impfung, so dass an diesem Tage der letzte Schorf abfiel. Während dieser ganzen Zeit war an beiden Hunden weder an den Wunden selbst, noch in deren Umgebung irgend eine besondere Er­scheinung zu bemerken. Auch zeigte sich an keiner Stelle im Maule ein Bläschen, und sowohl die Beschaffenheit des ganzen übrigen Körpers, wie auch das Benehmen der Thiere blieb ohne irgend eine Veränderung.
Eben so verhielten sich beide Hunde während der weiter, bis zum Anfange des Monat Januar 1825, fortgesetzten Beo­bachtung derselben, stets ganz gesund.
IV.
Von dem stilltollen Mopshunde des Kutscher E. wurden am 9. November 1824 mit ganz frischem Speichel 2 Hunde:
8., 9. A. ein 4jähriger männlicher Pinscher und B. em Ijähriger männlicher Mops-Bastard, auf die schon angegebene Art an der Stirn geimpft.
Nachdem dieser wuthkranke Hund in der Nacht vom 11. zum 12, November gestorben, wurden an dem letztge­nannten Tage, des Vormittags gegen 9 Uhr noch 2 andere Hunde, nämlich;
10.nbsp; C. ein männlicher, gegen 7 Jahre alter Pudel, und
11.nbsp; D. eine li Jahre alte Wachtelbündhi, ebenfalls auf dieselbe Weise mit Speichel in frische Wunden an der Stirn geimpft.
An diesen vier geimpften Hunden war, aussei1 den klei­nen Wunden, bis zum 16. December c. a. keine Spur von Krankheit wahrzunehmen. Die Impfwimdcn waren ohne Ei­terung in Zeit von 7 bis 12 Tagen nach und nach sämmt-lich geheilt, und noch am 15. December des Nachmittags hatten sich die Hunde niuntcr und bei gutem Appetit gezeigt.
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über die Wutlikrauklicit bei den Tliiereo.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;lüW
Aber am 16. December, am 34. Tage nacli der Impfung, war des Morgens die zuletzt mit kaltem Speichel geimpfte Hündin traurig und frass nichts, und des Kachmittags er­schien sie schon mit gelähmtem und herabhängendem Unter­kiefer. Seine Stimme Hess das Thier an diesem Tage nicht hören, auch Bsisssucht war nicht zu bemerken.
Am 17. December. Die Hündin zeigt sich wie gestern, sie frisst nichts, leckt aber oft Wasser, ist beim Vorhalten eines Spiegels nicht glanzscheu, bellt mit heiserer, rauher Stimme, und jeder Anschlag des Gebelles geht am Ende in ein kurzes Geheul über. Beisslust ist auch heute nicht zu bemerken, obgleich der Hund durch fremde Personen und durch Drohungen mit einem Stocke leichter zu erzürnen ist, als im früheren gesunden Zustande. Gegen bekannte Perso­nen und auf sanftes Anreden, zeigt sich das Thier noch recht freundlich und wedelt mit dem Schwänze. Koth wurde nicht, Urin aber zweimal entleert.
Am IS. December, 36. Tag. Die Hündin erscheint ausserordentlich abgemagert und zugleich auch sehr matt. Sie frisst selbst von gebratenem Fleische nichts, säuft aber zuweilen Milch und eben so Wasser. Frisches Blut von einem gesunden Pferde beroch sie einmal, rührte es aber nicht weiter an. Ihre Stimme und das Bellen sind wie gestern. Das Athmcn und der Puls sind ruhig, wie bei einem gesun­den Hunde. Gegen einen zu ihr in den Stall gegebenen mäun-lichen Mopshnnd zeigte sie sich im Anfange etwas unver­träglich, und suchte ihn zu beissen; da dieser sich aber zur Gegenwehr stellte und ausserdem auch kräftiger war, so konnte sie ihm keinen Biss anbringen und Hess ihn daher später ganz ruhig. Leibesölfnung war heute mit Entleerung eines ganz dünnen, schwärzlich gefärbten und sehr stinken­den Kothes einmal, Urincntleerung zweimal erfolgt. Gegen Abend zeigte sich eine sehr schnell zunehmende ödematöse Anschwellung des ganzen Kopfes,
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138nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Ilertwig,
Am 19. December, 37. Tag, Das Tliier ist so ermattet, (lass es kaum stehen kann; es liegt daher mehrentheils. Die Empfindung scheint an allen Sinnen geschwächt zu sein; auf das Rufen seines Namens hört es nicht mehr, es frisst und säuft nicht, hat Fieber, mit weichen, unregelmässigen Pulsen, und lässt seine ganz heisere Stimme nur selten hö­ren. Beisssucht ist nicht zu bemerken.
Am 20. December, 38. Tag. Das Thier liegt ganz un­beweglich und ohne Empfindlichkeit auf einer Seite. Nach­mittags starb es. Die am folgenden Tage gemachte Sektion des Kadavers zeigte:
1)nbsp; unter der Haut des Kopfes im Zellgewebe etwas gelb­liche, wässerige Flüssigkeit;
2)nbsp; alle Theile und selbst die Nierenkapsel ganz fettlos;
3)nbsp; die Muskeln bläulich roth und sehr mürbe;
4)nbsp; der Magen und Darmkanal an mehreren Stellen dun­kel geröthet, der Erstere nur einen gelblichen Schleim ent­haltend ;
5)nbsp; das Blut sehr dunkelrotli und ganz dünnflüssig;
6)nbsp; alle übrigen Theile anscheinend gesund.
An den drei andern Impflingen war bei der bis zum Monat April 1825 fortgesetzten Beobachtung keine Spur von Krankheit zu bemerken.
V.
Von dem eben erwähnten tollgewordenen Hunde wur­den am 20. November des Vormittags gegen 11 Uhr fol­gende drei Hunde mit Speichel, und zwar auf die schon an­gegebene Weise, ein jeder in drei Wunden an der Stirn ge­impft, nämlich;
12.nbsp; A. ein 2jähriger männlicher Pinscher;
13.nbsp; B. ein 4jäliriger männlicher Pinscher und
14.nbsp; C. der bereits bei dem tollen Wachtelhunde im Stalle gewesene männliche, 3 Jahre alte Mopshund.
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über die WutükranMieit bei den Thioan.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; lü'J
Der Speicliel war von dem tollen Hunde genommen worden, als derselbe nocli lebte, und wurde sogleich in die unmittelbar vorher geraachten, aber nicht blutenden Wunden gebracht; er war von zäher Consistenz und von grauweisser Farbe, und schien daher mit vielem Schleim geraengt zu sein.
Die Heilung der Irapfwunden erfolgte bei den sämmt-lichen 3 Hunden in der Zeit vom 9. bis zum 14. Tage nach der Impfung und zwar ohne Eiterung und so , dass nicht die geringste Abweichung vom gewöhnlichen Zustande da­bei zu bemerken war.
Eben so zeigten sich die drei Hunde in der nachfolgen­den Zeit, vom 15. bis zum 31. Tage, oder vom 4. bis zum 21. December, ganz gleichmässig gesund. — An diesem Tage aber war der Mopshund (C ) weniger freundlich als sonst, und sein Appetit sehr gering; auf gutes Anreden zeigte er sich noch folgsam, kam mir entgegen und wedelte mit dem Schwänze. Sein ganzes Ansehen, der Blick, der Gang, das Tragen des Schwanzes, das Athmen und der Puls waren wie verlier; die Stimme aber war etwas heiser und bei dem Bellen liess sich zwischen den übrigen Tönen von Zeit zu Zeit ein kurzes, ängstliches Geheul hören. Hieses Geheul war besonders jedesmal gegen das Ende des Bellens deut­lich bemerkbar. Eine ungewöhnliche Eeisslust, Neigung zum Zorn, Wasserscheu und Glanzscheu waren bei den hierüber angestellten Versuchen nicht zu bemerken.
Am 33. Tage, dem 22. December. Der Hund frisst nichts, säuft und schlingt das Wasser recht gut hinab; der Körper ersclieint in der Lendengegend etwas abgemagert, die Bewegung aller Tbeile, die Haltung des Kopfes und des Schwanzes, und das Athmen sind wie sonst; den Puls konnte ich ohne Anwendung von Zwangsmitteln nicht untersuchen, weil der Hund sich sehr unruhig und beissig zeigt und mit blinder Wuth auf jeden Gegenstand losgeht, der sich ihm nähert. Die Stimnie wird immer mehr rauh und das Bellen
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140nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Ilcrtwig,
bestellt beute ganz in jenem cliaractciistischen Geheul der tollen Hunde. Exkretioncn von Urin fanden mehrmals, von Kotb gar nicht statt.
Am 34. Tage, den 23. December. Ziemlich derselbe Zustand wie gestern, doch ist der Hund noch mehr mager, heult viel und zeigt sich überhaupt sehr unruhig.
Am 35. Tage, den 24. December. Dieselben Zustände wie gestern.
Am 30. Tage, den 25. December. Der Hund ist heute sehr ruhig, liegt viel, zeigt weniger Aufmerksamkeit, weniger Beisssucht, gar keine Fresslust, und beim Gehen taumelt er von einer Seite zur andern, fällt auch zuweilen mit den Hin-terfüssen ganz nieder. Der heute einmal entleerte Koth ist dunkelbraun gefärbt, von der Consistenz des Menschenkothes und sehr stinkend. Urin wurde mehrmals in geringen Quan­titäten, gelblich von Farbe, entleert.
Am 37. Tage, den 2('). December lag der sehr abgema­gerte Hund ohne willkürliche Bewegung und mit sehr ge­ringer Empfindlichkeit fast während des ganzen Tages, und er starb des Abends gegen 6 Uhr.
Die nach 2 Tagen unternommene Sektion gab über den Sitz der vorausgegangenen Krankheit keine deutliche Nach-weisung, indem selbst der Magen nur sehr geringe Röthung zeigte und alle übrigen Organe gar nicht verändert zu sein schienen. Lyssae bestanden nicht, das Blut war schwarzroth.
Die beiden übrigen Hunde verhielten sich indessen vom 21. December noch ferner bis zum 29. desselben Monats, oder bis zum 40. Tage nach der Impfung in jeder Hinsicht als völlig gesund.
An dem zuletzt genannten Tage zeigte sich aber der ältere von den beiden Pinschern (ß.) sehr schüchtern, und er bemühete sich immer mit den heftigsten Sprüngen und mit der grössten Anstrengung gegen die Kette aus dem Stalle zu kommen, so oft die Thur desselben geöffnet wurde.
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über die Wuthkraukheit bei den Thicrcu.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;HI
Auch zeigte er sich mehr beissig als sonst, versagte alles Futter und bellte in einem widrigen Tone, fast heulend. Sonst war am ganzen Thiere nichts Abnormes zu bemerken.
Am 30. December, den 41. Tag. Alle die früher schon angegebenen 2!eicheu der Tollheit sind in einem hohen Grade und deutlich erkennbar vorhanden.
Die Krankheit erreichte am 6. Tage ihrer Dauer, den ö. Januar 182o ihr Ende, und bei der am folgenden Tage unternommenen Sektion fanden sich im Magen und im Diinn-davm die Wände sehr dunkel gerüthet und aufgelockert, ausserdem in dem Ersteren ein Convolut von Stroh und Holz-spiihnen, und die Lungen waren oberflächlich mit mehreren dunkelrothen Flecken versehen (Extravasate unter der Pleura), im Innern aber sehr blutreich.
VI.
15. Der 1. von den zur vorigen Impfung benutzten Hun­den (A.) war bis zum 9. Januar 1825 völlig gesund geblie­ben, und wurde daher an diesem Tage von dem, seit 36 Stunden gestorbenen, wuthkranken Hunde des Herrn Direk­tor B,, mit völlig erkaltetem Speichel auf die schon ange­gebene Art geimpft. Die Heilung der Impfwanden erfolgte bis zum 27. Januar ohne irgend einen Zufall, und der Hund zeigte sich bei der bis zum 1. Juni desselben Jahres fortge­setzten genauen Beobachtung stets gesund.
VII.
IG. Am 18. November 1825 des Morgens gegen 9 Uhr impfte ich nach der früher angegebenen Methode von dem seit 15 Stunden getödteten, tollgewesenen Hunde des Vcr-golder G. mit kaltem Speichel einen 5 Jahre alten, männ­lichen rothen Pudel.
Die 3 Impfwunden in der Stirnhaut heilten sämmtlich bis zum 3, December ohne Eiterung ab, und der Hund zeigte
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während dieser Zeit und bis zum 27, December keine Spur von Krankheit, An diesem Tage aber fand sich die stille Wuth, mit allen ihren Symptomen ganz plötzlich ein und tüdtete das Thier am 9. Tage der Krankheit,
Die Sektion zeigte nirgends erkennbar organische Ver­änderungen; der Magen war leer, das Blut dunkelroth.
Auf ähnliche Weise -wurden, noch im Jahre 1826 von 3 verschiedenen wuthkranken Hunden resp, 24, 36 und 48 Stunden nach ihrem Tode, 5 Hunde mit kaltem Speichel geimpft, ohne dass jedoch bei einer Gmonatlichen Beobach­tung eine Wirkung eingetreten ist.
In den Jahren 1823 und 1824 impfte ich auch noch 7 Hunde mit kleinen Stückchen von den sämmtlichen Speichel­drüsen, indem ich dieselben in Wunden an verschiedenen Körpertheilen legte und zur Zeit der eintretenden Eiterung, am 2. oder dritten Tage wieder entfernte, ISur einer von diesen Impflingen, ein Dachshund, welcher mit einem Stück­chen von der ünterkieferdrüse eines rasend tollen Hundes gleich nach dem Tode desselben geimpft worden war, wurde angesteckt und am 25, Tage gleichfalls von der rasenden Wuth befallen. — Die übrigen 6 Impflinge blieben während einer sechsmonatlichen Observation völlig gesund.
Um nicht zu weitläufig zu werden, übergehe ich die specielle Aufzählung dieser Versuche, da dieselben sich in ihrem Verlaufe und in ihren Erfolgen fast ganz gleich sind.
B. Natürliche Impfung durch den Biss.
VIII.
Am 31, Juli 1824 wurde ein Sjähriger männlicher Dachs­hund (Teckel), zu einem, seit etwa 24 Stunden an der stil­len Wuth erkrankten, männlichen Pinscher-Hunde des Uhr-
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über die Wuüikiankheit bei den TLieren.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 143
machers Herrn P. in den Tollstall gebracht. Beide Hunde liefen frei in dem Stalle herum. Gleich nachdem sie zusam­mengebracht worden, berochea sie sich, einer den andern am ganzen Körper, und der Dachshund schien dabei nicht die geringste iustinktartige Empfindung von dem gefährlichen Zustande seines Gesellschafters zu habenquot;); denn er zeigte nicht die mindeste Furcht, sondern wedelte freundlich mit dem Schwänze. Nach etwa 7 Minuten fing der tolle Hund plötzlich an recht heftig gegen den Teckel zu beissen, und dieser setzte sich tüchtig zur Gegenwehr, so class beide sich das Maul blutig verletzten. Dieses Beissen wiederholte sich nach ruhigen Zwischenzeiten innerhalb einer Stunde noch dreimal.
Der Teckel wurde nun aus dem Tollstalie genommen, genau besichtigt und hierauf zur Beobachtung in den dazu bestimmten Stall gebracht. Er hat eine kleine Hautwunde an der Wange unter dem linken Auge, eine dergleichen an der Nase, und 2 in's Zahnfleisch am Unterkiefer erhalten. Alle diese Wunden, mit Ausnahme der an der Wange befind­lichen, bluteten ganz massig, und sie wurden völlig unberührt gelassen. Im Verlaufe des Tages erfolgte eine geringe An­schwellung der Nase und der Wange, andere krankhafte Zu­fälle traten aber nicht ein.
Am 1. August. Die Wunden an der Wange und an der Nase sind mit einem Schorfe bedeckt und im Umfange ist
*) üeberhaupt sähe ich niemals, dass vor dem crfolsenden Beissen ein gesunder Hund vor dem wuthkranken auf irgend eine Art Furcht gezeigt hätte, und wenn es zum Beissen kam, dann bissen die ge­sunden Hunde auch tüchtig gegen die tollen. Im Magazin für d. ge. sammte Heilkunde von ßust, Bd. XV. S. 103 ist ein Fall mitge-theilt, in welchem sogar zwei Hunde einen tollen Hund aufgefressen haben. — Eben so wenig habe ich die Angabe Waldinger's bestä­tigt gefunden, dass die gesunden Hunde sogleich verstummen, wenn ein wuthkrankor in ihrer Nähe seine Stimme hören lässt.
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noch eine geringe Anschwellung, aber ohne Bläschen. Auch sind an und unter der Zunge weder Bläschen, noch Knot-chen zn sehen. Die quot;Wunden am Zahnfleische waren blass und eiterten etwas. Uebrigens zeigt sich der Hund so mun­ter wie sonst.
Am 2. August. Die Wunden an der Nase und Wange haben ihren Schorf verloren, und zeigen eine lymphat. Flüs­sigkeit an ihrem Grunde. Die Umgebung ist noch unbedeu­tend angeschwollen, aber ohne sonstige pathol. Veränderung. Die Wunden am Zahnfleisch eitern, scheinen aber schon zu heilen. Weder hier noch an der Zunge sind Bläschen zu bemerken, und der Hund ist nach seinem Benehmen, noch ganz gesund.
Am 3. August verhielt sich der Hund ziemlich in dem­selben Zustande. Die sämmtlichen Wunden eiterten nun, und die am Zahnfleische befindlichen verkleinerten sich sehr be­merkbar.
Am 4., 5. und 6. August. Die Wunden an der Nase und an der Backe eitern massig und es zeigt sich gute Gra­nulation in ihnen. Die Verletzungen am Zahnfleische sind fast gänzlich geheilt. Nirgends ist etwas Krankhaftes zu bemerken.
So heilten bis zum 15. August die sämmtlichen Wunden zu, ohne dass dabei und nachher bis zum 28. August am Thiere irgend eine ungewöhnliche Erscheinung beobachtet wurde.
Am 28. August war der Hund traurig, Hess den Schwanz hängen und versagte das Morgenfutter. Gegen Abend frass er fast die Hälfte seines Futters, aber sehr langsam und nach kaum 15 Minuten brach er dasselbe vermischt mit einer gelbgrünen, schleimigten Flüssigkeit wieder aus. Seine Stimme Hess er trotz allen Heizungen hierzu nicht hören. Fieber war nicht vorhanden, die Pupille nicht verändert. —
Am 29. August. Dom Runde ist der ganze Kopf dick
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ülier die Wuthkrankheit bei den Thieren.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;145
angeschwollen, der Hinterkiefer hängt schlaff herab, das Bellen geschieht mit rauher Stimme, zuletzt bei einzelnen Lauten heulend, die Fresslust fehlt gänzlich. Die Symptome der stillen Wuth waren also deutlich zugegen. Die Krank­heit erreichte sehr schnell einen hohen Grad und führte am 2. September den Tod herbei, — Die Sektion gab die ge­wöhnlichen Hesultate.
IX.
Am 1. August 1824 wurde zu demselben Hunde, von welchem der vorige angesteckt worden war, — der bereits am 17. December 1823 mit Speichel vorgeblich geimpfte 4jährige Mops in den Tollstall gebracht. Beide Hunde bissen sich im Verlaufe des Tages zu verschiedenen Zeiten und der Mops erhielt dabei drei durch die Haut gehende blutende Wunden an den Lippen und eine ganz unbedeutende mehr gekratzte, als gebissene und nicht blutende Verletzung an der Nase.
Abends wurde dieser Hund wieder von dem Tollen ent­fernt, in seinen früheren Stall gebracht und hier täglich un­tersucht und beobachtet. Die Wunden heilten sämmtlich in Zeit von 3 Wochen so, dass nur ganz unbedeutende kleine Narben znrückblieben. Während dieser Zeit und auch weiter bis zum 5. Januar des folgenden Jahres war weder örtlich in der Nähe der Beissstellen, noch unter der Zunge, noch im allgemeinen Befinden des Thieres, irgend ein Symptom, welches auf das Entstehen der Wuthkrankheit deutete, zu bemerken.
X.
Am 5. Januar 1825 brachte ich den zuletzt erwähnten Mops und gleichzeitig einen gegen 6 Jahr alten männlichen Pinscher - Bastard zu dem rasend tollen Hunde des Herrn Direktor B. in den Tollstall, (Siehe Krankheitsgesch. No. 1.)
Mag. f. Thierheilk. XL. 3. u. 1.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; IQ
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Die Hunde zeigten sich zuerst eben nicbt sehr ängstlicli, sondern berochen ganz ruhig den tollen Hund, so wie dieser dasselbe auch mit ihnen that. Nach einigen Minuten ent­stand aber ein sehr heftiges Beissen unter allen 3 Hunden, indem der tolle zuerst den Mops, und dann den Pinscher tückisch beissend anfiel. Letztere beide wehrten sich aber tüchtig gegen den Angreifer, so dass binnen kurzer Zeit einer wie der andere einige blutende Verletzungen erhalten hatte.
Da der tolle Hund diese Angriffe immer wieder mit der grössten Heftigkeit wiederholte, so oft er sich durch Ruhe neue Kräfte gesammelt hatte, und da der Zweck des Zu-sammenbringens der 3 Hunde vollkommen erreicht war, so wurden die beiden Impflinge nach zwei Stunden wieder aus dem Stalle genommen.
Bei dem Mops fanden sich 8 grössere und kleinere Wun­den, äusserlich am Kopfe, im Maule, am Halse und an den Pfoten, — und bei dem Pinscher waren 7 Verletzungen von verschiedener Grosse und ebenfalls an allen Theilen des Kör­pers zu bemerken.
Alle diese Wunden blieben sich selbst überlassen, wobei die an den Pfoten befindlichen von den Hunden nach gewohn­ter Art beleckt wurden.
Am 3. Tage befanden sich die meisten Wunden schon in einer massigen Eiterung und bis zum 17. Tage, am 22. Januar, waren sie sämmtlich geheilt.
Die Hunde wurden sowohl während dieser Zeit, als auch ferner bis zum 7. Februar täglich zweimal untersucht, aber stets in einem muntern und ganz gesund scheinenden Zu­stande befunden. Namentlich war weder an und um die Wunden, noch im Maule an und unter der Zunge, irgend eine Abnormität zu entdecken.
Am 7. Februar lag der Pinscher traurig in einer Ecke des Stalles und zitterte am ganzen Leibe heftig; auf Befehl
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über die WuthkranKheit liei den Thiereu.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 147
kam er hervor, ging aber bald wieder an seinen vorigen Ort, ohne das ihm vorgesetzte frische Futter zu berühren. Sein Ansehn war, ausser dem Ausdruck der Traurigkeit, eben nicht verändert, und besonders konnte ich an den Pu­pillen der Augen weder eine Erweiterung, noch eine Veren­gerung wahrnehmen. Beisssucht zeigte der Hund nicht. Puls und Athmen waren etwas beschleunigter als im gesunden Zustande, doch liess sich bei dem heftigen Zittern des gan­zen Körpers weder das eine noch das andere genau erfor­schen. Dem Ansehen nach, litt der Hund an einem etwas heftigen Catarrhalfieber.
Gegen Mittag war der Frost, der beschleunigte Puls und das sehnellere Athmen verschwunden, der Hund hatte einen Theil seines Futters verzehrt, und schien wieder ge­sund zu sein, obgleich er noch etwas traurig war. — An den Narben und unter der Zunge zeigte sich keine Verän­derung. —
Abends war derselbe Zustand.
Am 8. Februar, am 35. Tage nach der Ansteckung, zeigte sich der Hund traurig, schüchtern und ohne Fresslust; zuweilen knurrte er ohne Veranlassung hierzu; seine Stimme war nicht verändert, Wasserscheu nicht zugegen; an den Wunden und unter der Zunge war keine Veränderung wahr­zunehmen.
Am 9, Februar, am ?.6. Tage der Beobachtung war der Hund sehr unruhig, schüchtern, und bei Reizungen mit einem , Stocke auffallend beissig, auch zeigte er sich gegen einen amkrn Hund, welchen ich ihm näherte, gleichfalls sehr beis sig. Der Blick verrieth Unruhe. Die Stimme war rauh, das Bellen nicht mehr rein, sondern fast heulend. Athmen und Puls zeigten nichts Krankhaftes. Licht- und Wasserscheu waren nicht zu bemerken. Der Appetit fehlte ganz. Die Exkretionen schienen nicht verändert zu sein.
Bis zum 10. Februar, dem 37, Tage der Beobachtung^
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H e r t w i g,
war der Hund niclir und mehr mapjer geworden, hatte strnp-pigte Haare auf dem Rücken und eingefallene Flanken; er war unruhig und beissig und heulte mit veränderter wi­driger Stimme. Das Athmen war ruhig; der Puls konnte nur bei gewaltsamen Festhalten des Thieres untersucht und daher nicht ganz richtig beurtheilt werden, er schien jedoch nicht sehr vermehrt zu sein. Futter verschiedener Art rührte der Hund nicht an, Wasser und Milch leckte er oft, Glanzscheu war nicht vorhanden. Die Augen schienen etwas zurückgezogen und geröthet zu sein, und wurden oft, wenn es ganz stille in der Nähe des Thieres war, durch etliche Secunden geschlossen. Die Haut auf der Stirn war in Fal­ten zusammengezogen. Geifer am Maule wurde nicht bemerkt, dasselbe war im Gegentheil mehr trocken und mehr geröthet, als im gesunden Zustande. So weit die Untersuchung gründ­lich gemacht werden konnte, zeigte sie, dass alle frühere Biswunden noch vernarbt und sowohl die Narben wie auch ihre Umgebungen ohne eine neu hinzugekommene Verände­rung waren. Kothentleerungen wurden heute nicht bemerkt. Der zweimal abgesetzte Urin war dunkelbraun gefärbt.
Am 11. Februar dieselben Zufälle.
Am 12. Februar desgleichen; aber das Thier ist sehr schwach und sein Gang ist wankend.
Am 13. Februar. Unter fortwährender Zunahme der Schwäche und bei der Fortdauer aller übrigen Symptome erfolgte heute der Tod ohne Convulsionen. —
Die Sections-Data waren wenig verschieden von denen, welche bereits bei andern Cadavern sich ergeben hatten,.
Der Mops blieb gesund bis zum 5. April 1825.
XI.
Am 5. April 1825 brachte ich zu dem an der stillen Wuth im hohen Grade leidenden Schäferhund-Bastard des Herrn T. folgende 3 Hunde in den Stall:
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über die WuiMi'ankamp;eit bei den Thieren.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; HO
1)nbsp; nbsp;einen 2 jährigen .sehr bösen Spitz niiinnlichen Ge­schlechts ;
2)nbsp; nbsp;eine ojahnge Pinscherhüntlin, und
3)nbsp; nbsp;den schon mehrmals benutzten 4jährigen männlichen Mops.
Alle vier Hunde liefen auf einen Haufen zusammen und berochen sich gegenseitig; Furcht vor dem Tollen zeigte keiner, obgleich dieser der grösste und stärkste unter ihnen war. Sowohl die beiden gesunden männlichen Hunde, als auch der Tolle, drängten sich beständig an die Hündin und alle äusserten gegen dieselbe sehr deutliche Spuren des rege gewordenen Geschlechtstriebes. Hierbei kam es aber zu einem heftigen und mehrmals wiederholtem Gebeisse, bei welchem alle 4 Hunde an mehreren Stellen blutige Verletzungen von verschiedener Grüsse erhielten.
Nach Verlauf von 6 Stunden wurden die gebissenen Hunde aus dem Tollstalle wieder herausgenommen, vollstän­dig untersucht und dann in einzelne, reine Ställe gelegt. — Die durch das Beissen entstandenen Wunden blieben sich selbst überlassen und heilten sämmtlich bei massiger Eite­rung in Zeit von 6 Tagen bis zum Ende der dritten Woche Während dieser Zeit und auch später, bis zum 24. Mai, also gerade bis zum Ende der siebenten Woche, war weder in dem Benehmen der Thiere, noch örtlich an irgend einer Stelle ihres Körpers etwas zu bemerken, was auf die gesche­hene Ansteckung hindeuten konnte. —
XII.
Am 25. Mai wurden dieselben ta dem vorstehenden Impfversuch benutzten 3 Hunde zu einem Bullenbeisser, wel­cher dem Herrn Lieutenant E. gehörte und im hohen Grade an der stillen Wuth seit mehreren Tagen litt, in den Toll­stall gebracht.
Auch hier fand zwischen den einzelnen Hunden zuerst
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Mertwig,
ein gegenseitiges Beriechen statt, wobei aber die drei klei­nen etwas schüchtern und furchtsam zu sein schienen und sich auch gleich nachher in die Ecken des Stalles ruhig aiegerlegten. — Der Tolle ging von einem zum andern und beroch einen jeden von allen Seiten, hielt sich aber bei der Hündin nicht länger auf, als bei den übrigen. Er zeigte in der ersten Zeit keine Beisslust, obgleich die Hündin und der Spitz ihm mit einer bösen Miene stark entgegenknurr­ten, so oft er ihnen nahe kam. Als aber nach Verlauf einer Stunde die Hunde etwas gereizt worden waren, entstand ein fürchterliches Beissen7 welches nach kurzen Pausen sich immer wieder erneuerte, und wobei jeder der Impflinge wieder einige Wunden an verschiednen Theilen, namentlich aber am Kopfe erhielt.
Nach 4 Stunden wurden diese Thiere wieder in ihre Observationsställe gebracht, täglich untersucht und fleissig beobachtet.
Am 12. Junir oder am 19. Tage versagte die Hündin zum ersten Male das Futter, ohne jedoch irgend ein ande­res Krankheits-Symptom zu äussern; sie hatte bei dem Beissen 3 Wunden am Kopfe erhalten, welche sämmtlich von gerin­ger Tiefe und Grosse waren und sich bereits seit dem 13. Tage ganz geschlossen hatten. An den Narben war nichts zu bemerken als etwas grössere Empfindlichkeitr welche man aber auch an den frischen Narben bei den andern beiden Bunden wahrnehmen konnte. Bläschen unter der Zunge hatten sich bisher nicht gezeigt. —
Am 13. Juni suchte die Hündin im Futternapfe herum und verschluckte einige Bissen Fleisch, ohne dieselben gehö­rig zu kauen, auch leckte sie Wasser-, sie zeigte sich bald sehr schüchtern und furchtsam, bald wieder traurig, und zitterte zuweilen am ganzen Körper heftig, trotzdem die At­mosphäre sehr warm war. Fieber, wenigstens schnellen Puls konnte ich zu dieser Zeit nicht wahrnehmen; auch war das
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über die Wuthkrankheit bei den Ttiieren.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;151
Athmen nicht schneller, als iui gesunden Zustande. Der Blick des Hundes war nicht verändert, die Nase war mehr kalt als warm, das Maul und die Zunge waren feucht, massig geröthet; die Stimme hatte beim Bellen einen Leiseren Nach­klang; Schmerzen zeigte das Thier nirgends. Die Aufmerk­samkeit und Folgsamkeit schien unverändert zu sein.
Am 14; Juni, dem 21. Tage, waren alle Zeichen der ra­senden Wuth zugegen. Die Beisssucht war in einzelnen Mo­menten so gross, dass das Thier sich selbst in die Lende biss, — der Gehorsam fehlte zu dieser Zeit fast gäiiKlich, — die Stimme hatte die bekannte Eigenthümlichkeit angenom­men, die Fresslust war ganz verschwunden; Wasser-, Licht-und Glanzscheu konnten nicht bemerkt werden.
Am 19. Juni starb das Thier. Die am folgenden Tage gemachte Sektion des Cadavers gewährte keine neue Re­sultate. —
Die beiden andern, zu diesem Versuche gleichzeitig be­nutzten Hunde blieben gesund bis zum 28. September, wo sie mit Blut von einem tollen Hunde geimpft wurden, und dann, als sie auch hiervon nach drei Monaten nicht ange­steckt worden waren, zu dem folgenden Versuche verwen­det wurden.
XIII.
Zu einem rasend tollen Hunde des Geh. Sekretair Hrn. T. wurden am 22. December 1825 die beiden bei dem letz-tenVersuch und auch schon anderweitig benutzten Hunde in den Tollstall gebracht. — Als sie sich hier mit dem Tollen tüchtig herumgebissen hatten, wurden sie nach 3 Stunden wieder in ihre gewöhnlichen Ställe zurückgeführt. Der Spitz hatte an verschiedenen Theilen zusammen 8 Wunden erhal­ten, von denen sich eine in der Nähe des linken Auges durch Grosse und Tiefe auszeichnete. Der Mops hatte 10
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Wunden, und dabei 4 ziemlich tiefe an den Lippen und am Halse. —
Bis zum 25. Januar 182G war an beiden Hunden nichts Ungewöhnliches wahrzunehmen; die Wunden waren sämmt-lich, bis auf die eine beim Spitz, welche in der Nähe des Auges sich befand, durch Eiterung geheilt, diese eine aber war noch offen und sonderte eine jauchenartige Flüssig­keit aus.
An dem genannten Tage erschien der Spitz traurig und ohne Fresslust; der Blick war trüb und finster, die Stimme heiser, das Bellen heulend. Fieber und beschwerliches Ath-rnen, Wasserscheu und Beisssucht waren nicht zugegen. Die noch offene Wunde zeigte weder in ihrem Ansehn, noch in ihrem Sekret eine Veränderung, und eben so verhielten sich die Narben ganz unverändert. —
Am Morgen des 2G. Januar zeigte sich der Hund mit angeschwollenem Kopfe und mit offenstehendem Maule. Die Stimme war sehr verändert, heiser, heulend; die Fresslust fehlte gänzlich; der Körper erschien auffallend abgemagert' Fieber und schnelleres Athmen waren nicht zu bemerken; Beisssucht und Wasserscheu fehlten gleichfalls.
Am 30. Januar starb der Hund, nachdem er bereits seit mehr als 24 Stunden ganz gelähmt gewesen war.
Bei der Sektion fanden sich die gewöhnlichen Verände­rungen am Magen, alle übrigen Theile erschienen in einem gesunden Zustande. Am Kopfe war im Zellgewebe unter der Haut eine Menge hellgelbes Serum ergossen, wodurch eben jene Anschwellung des Kopfes entstanden war.
Der Mops zeigte sich bei der ferneren Beobachtung bis zum 12. April 1826 völlig gesund. —
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XIV.
Zu dem oben beschriebenen, an der stillen Wuth leiden­den Pinscher des hiesigen Messerschmiedmeisters Herrn K.,
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fiber die AVutlikrankhcit bei den Thieren.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;153
brachte ich am 12. April 182G, während des Vormittags, den schon zu mehreren angegebenen Versuchen benutzten 4jähri-gen Mops und zugleich eiüen ganz kahl geschorenen, gegen G Jahr alten Pudel. Beide bissen sich mit dem Tollen und erhielten von ihm mehrere Wunden, von denen sich die grössten am Kopfe und am Maule befanden. Nachmittags brachte ich zu dem Tollen noch einen 1% Jahr alten Jagd­hund, welcher ebenfalls 5 blutende Verletzungen am Kopfe und Maule erhielt und dann in den Beobachtungsstall zurück­geführt wurde.
Ueber diesen letztern Hund muss ich noch bemerken, dass derselbe vorher niemals mit einem tollen Hunde auf irgend eine Weise in Berührung gekommen ist, denn er war von einem meiner Bekannten auferzogen und stets mit der grössten Sorgfalt beobachtet und gepflegt worden, musste aber wegen Dienstverhältnissen dieses Herrn von ihm abge­schafft werden.
Bis zum 8. Mai, oder bis zum 26. Tage des Versuchs zeigten sich alle 3 Hunde gleichmässig wohl, und ihre Wun­den waren sämmtlicli geheilt. An diesem Tage aber hatte der zuletzt erwähnte Jagdhund sein Futter nicht gefressen und schien auch gegen Abend etwas weniger munter zu sein als sonst. Fieber hatte er nicht, die Pupille war nicht ver­ändert, an den Wunden und unter der Zunge war keine krankhafte Veränderung wahrzunehmen. Er war nur schwer zum Bellen zu reizen, seine Stimme war nicht bemerkbar verändert.
Am 9. Mai des Morgens fand ich diesen Hund mit ganz offenstehendem Maule und mit allen übrigen Symptomen der stillen Wuth. Das Thier war aber dabei noch sehr gutmüthig und gehorsam, so dass ich ihm ohne Zwang das Maul noch mehrmals untersuchen konnte; es fanden sich auch jetzt, und eben so am folgenden Tage keine Bläschen unter der Zunge.
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Hertwig,
Am 13. Mai erfolgte der Tod, nachdem erst noch am vorhergehenden Tage ein Fieber, und zuletzt Convulsionen sich eingefunden hatten.
Die andern beiden Hunde blieben bis zum Anfange des Juli in Beobachtung, zeigten sich aber stets gesund, und wurden deshalb später noch zu andern Versuchen benutzt*).
XV.
Am 5. Juni 1827 wurde ein, dem Repetitor Fischer gehörendes ganz gesundes, 5 Jahre altes Mutterschaaf zu einem an der rasenden Wuth leidenden Hunde gebracht, um es von diesem beissen zu lassen.
Der wuthkranke Hund beroch zuerst dieses Schaf an den Schenkeln, Geschlechtstheilen und am Kopf; dann aber biss er es mehreremale in der Gegend des Maules. Bei der Untersuchung des nun wieder vom Hunde entfernten Scha­fes fand man an der linken Wange eine durch die Haut ge­hende Wunde, von etwa k Zoll im Umfange, und an den Rändern der Ober- und Unterlippe beider Seiten mehrere kleine Risse.
Bis zum 26. Juni war noch keine Veränderung in dem Benehmen und Verrichtungen des Thieres eingetreten; aber an diesem Tage hatte sich seine Fresslust etwas vermindert, und es zeigte sich etwas weniger furchtsam als vorher; denn schlug man mit einem Schnupftuche nach ihm, so floh es nicht, sondern blieb ruhig stehen und stampfte mit den Vor-derfüssen.**)
*) Von 137 Hunden, welche von tollen Hunden gebissen waren, und deshalb in der Konigl. Thierarzneischule vom Jahre 1823 bis zur Hälfte des Jahres 1827 observirt wurden, sind nur 6 an der Wuth gestorben, die übrigen aber stets gesund geblieben; also ein Verhält-niss der wirksam gewesenen Ansteckung wie 1 zu 23. Ein ziemlich gleiches Verhältniss hat sich auch bei den in den folgenden Jahren und bisher in Observanz gehaltenen, gebissenen Hunden ergeben.
**) Mit Berücksichtigung des weitern Verlaufs dieses Versuchs muss man wohl annehmen, dass die Wuthkrankheit bei dem Schafe
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laquo;Ijer die Wüthkraniüeit bei i(en TMeren.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Iöamp;
Am 27. Juni war noch derselbe Zustacd.
Am 28. d. M. Abends als ich dem Thier Futter reichen wollte, bemerkte ich folgende ungewöhnliche Erscheinungen : Das nahe am Eingange des Stalles stehende Thier war auf keine Weise weder durch Drohungen, noch durch heftiges Geräusch aus seiner Stellung zu bringen, und zeigte sich, als ich es durch Ergreifen des Kopfes zur Bewegung zwang, auffallend widersetzlich. Kaum aber hatte ich das Thier wie­der losgelassen, so fiel es sogleich nieder, und lag durch einige Zeit mit ausgespreitzten Fü.'seu und gestrecktem Kopf Als es wieder aufgestanden war, lief es mit dem Kopf gegen die der Thür gegenüberstehende Wand, fiel aber auch hier, wie ganz erschöpft wieder zur Erde.*J Warf man ein Stück
am 26. Juni, am 21. Tage nach der Infektion, entstanden ist. Das ist im Vergleich mit vielen anderen Fällen eine mittlere Ineubations-zeit. —
*) Diese momentan paralytischen Zufälle sind nicht gewöhnlich vorhanden, jedoch auch bei Kühen beobachtet worden, wie folgender von dem Kreis-Thicrarzt Krekeler in Steinheim (Kreis Höster) an einer mit Wuthkrankheit behafteten Kuh beobachtete interessante Fall zeigt. Herr K. schreibt:
„Am 7. Oktober v. J. ersuchte mich ein Ackerwirth aus Eversen mit ihm zu seiner Weide zu gehen, auf welcher er 7 Stück Rindvieh, theils Kühe, theils Kälber habe, von denen sich eine Kuh ganz eigen-thümlich benähme, ähnlich als wenn sie rinderig (ochsig) wäre. Das Thier brülle sehr viel, liefe auch häufig in der Weide umher, und scheine dabei ganz irre zu sein; ich erklärte dem Eingenthümer hierauf, dass ich befürchtete, die Kuh sei toll und ging sofort mit zur Weide. Als wir bis auf etwa 5 Minuten Entfernung an die Weide herange­kommen waren, hörten wir beide schon das heftige, etwas heisere Brüllen einer Kuh, worauf der Eigenthümer erklärte, dass dieses die kranke Kuh sei.
Als wir in die Weide kamen, brüllte die Kuh wieder sehr heftig und drängte sich neben eine andere Kuh, die an einer hohen Hecke stand. Als ich nun den Eigenthümer darauf aufmerksam machte, dass wir uns der Kuh nur wohl mit Vorsicht nahen dürften, weil wir sonst
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Hortwig,
Holz etc. hin, so fuhr es hierauf los und sties darnach, stürzte aber in der Kegel, kaum einige Scliritte weit gehend, nieder, wie es schien, wegen einer grossen Schwäche im
Gefahr liefen, von derselben übergerannt und niedergostossen zu wer­den, sagte der Eigentlnimer, dass das durchaus nicht zu liefürcliteu sei, indem die Kuh, wenn sie auch anscheinend auf uns loskomme, doch wenn sie uns siilie, ausweiche und neben uns herlaufe, dann noch, eine Strecke weiter liefe, dabei brüllte und dann auch wohl zu Boden stürzte. Wir gingen dann auch langsam auf die Kuh los, die neben­stehende Kuh ging aber von der Stelle und die kranke folgte ihr un­ter fortwährendem Brüllen, welches die ersten paar Male weniger laut, dann stärker und zuletzt heiser wurde. Hierauf nähorten wir uns ganz langsam, fassten sie an und als wir versuchten, dieselbe weiter zu führen, fing sie an zu taumeln, fiel zur Erde nieder und lag wie todt am Boden. Das Thier rührte kein Glied am Leibe, die Augenlider waren geschlossen, die Ohren standen ruhig hin, kein Athemzug war bemerkbar. Wir fingen nun an, anfänglich leicht, später stärker und stärker es zu schlagen, riefen das Thier an, aber es rührte kein Ohr am Kopfe, üierauf fingen wir an die übrigen Tbiore anzurufen, trieben sie ganz langsam vom Platze, wobei einige anfingen zu blöken und kauen und kaum hatte dieses angefangen, als das kranke Thier ganz leicht zu schluchzen anfing, das Schluchzen wurde immer lauter, die Ohren wurden leicht bewegt, die Augen langsam geöffnet und mit einem Male sprang das Thier wieder auf, lief hinter den Kühen her mit taumelndem Gange, wobei es um uns herumbog, gleichsam als wenn es uns fürchtete. Hierauf trieben wir die Kühe in eine Ecke der Weide; die meisten Kühe drängten sich neben uns her, die kranke konnte nicht so rasch fort, stürzte zu Boden und benahm sich ganz wie das erste Mal.
Diese Experimente wurden vier bis fünf Mal gemacht und es tra­ten immer dieselben Erscheinungen ein. Wie lange das Thier Tegcn bleiben sollte, das lag in unserer Gewalt; lockten wir das übrige Vieh recht bald oder trieben es unter lautem Rufen weg, dann sprang das Thier auch dann schon auf; warteten wir länger damit, dann blieb das Thier auch so lange liegen. Anrufen oder Schlagen half nichts. Die längste Zeit, dass wir die Kuh liegen Hessen, währte wohl 5 Mi­nuten. Auch hatte die Kuh augenscheinlich eine Lieblingskuh auf der Weide, denn wenn sie aufsprang, suchte sie immer diese Kuh auf und blieb auch bei ihr. Diese letzte Kuh war auch circa S Tage vorher
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über die Wuthkrankheit bei den Thicivu.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;157
Kreuz. Auf eine zu einem runden Paket zusammengewickelte Pferdedecke, die ihm vorgeworfen worden, führ es mit Hef­tigkeit stosserd los, und al^s diese fortrollte, schien sich die Wuth des Thieres nur noch zu verstärken. Näherte man sich ihm und neckte es, so kam es einige Schritte, aber immer in Sprüngen heran, fiel jedoch bald zur Erde nieder. Als ich ein Lamm auf meinen Armen tragend in den Stall brachte, betrachtete das Schaf dasselbe mit stieren Blicken,
rindig gewesen. Als wir mm sahen, dass sich die Kuh nicht führen Hess, ohne jedesmal hinzustürzen, und da aus der Weide raiitelst ei­nes Schlittens oder Wagens nach dem viel höher gelegenen Orte Ever-sen beschwerlich hinzukommen war, beschlossen wir, die kranke Kuh mit ihrer Gesellschafterin nach Hause treiben zu lassen, was denn auch eine Stunde später geschah. Der Weg von der Weide nach Eversen beträgt circa ^ Stunde; es geht ziemlich steil bergan und ist dabei noch recht rauh und uneben. Trotz aller dieser Beschwernisse ist die kranke Kuh der gesunden bis nach Eversen gefolgt, wobei sie zwar einmal hingestürzt, aber wie in fiühercr Weise bald wieder auf­gestanden ist.
Im Stalle angekommen, wurde sie mit zwei starken Ketten ange­bunden, ihr dann etwas Grünfutter vorgeworfen, von dem sie jedoch nichts annahm, das sie vielmehr nur begeiferte. Das Thier hat dann noch zwei volle Tage gestanden, hat sehr viel und zuletzt immer mehr mit heiserer Stimme gebrüllt und ist zulefzt am dritten Tage dos Mor­gens gestorben. Die Section habe ichinicht gemacht.
Am 2. December erkrankte eine zweite von den obigen Kühen. Das Thier fing ebenfalls an häufig zu brüllen, versagte das Futter, geiferte stark aus dem Maule, magerte zusehends ab; ging Jemand um sie herum, dann wich sie aus und sah sich den in ihrer Nähe Befind­lichen neugierig und mit glotzenden thränenfeuchten Augen an. Am fünften oder sechsten Tage nach dem bemerkten Ausbruche ist die Kuh gestorben. Wann dieselbe gebissen worden, ist nicht bekannt geworden; jedenfalls in derselben Zeit, als die zuerst Erkrankte. Diese zuletzt erkrankte Kuh begeiferte das ihr vorgelegte Futter sehr stark und es bat die nebenstehende Kuh viel von diesem begeiferten Futter gefressen, ohne dass es derselben schadete. Der Eigenthümer der Thiere war etwas gleichgültig und lässig. (Yeter.-Sanit.-Bericht pro 1871/72).
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1Ö8nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Hertwig
blökte einigemal, und sprang dann plötzlich gegen uns stos-send los, so dass man mit dem jungen Thier entfliehen musste. Jedesmal wurde aber auch das Schaf durch Nieder­stürzen an der weiteren Verfolgung gehindert. Letzterer Ver­such zeigte bei mehrmaliger Wiederholung stets denselben Erfolg.
Das Thier hatte in diesem Zustand sowohl seine Fress-und Sauflust, als auch das Wiederkäuen verloren. Der Herz­schlag war massig stark 97 mal, und das Athmen 21 mal in einer Minute bemerkbar. Das Auge war hell und klar, aber der Blick stier. Das Thier sprang öfters ohne äussere Veranlassung heftig stossend gegen die Wände und andere Gegenstände, hierbei erweiterten sich die Nasenlöcher bedeu­tend und ein eigenthümliches Schnaufen war hörbar. Die Nase und das Innere des Maules war feucht. Die Stimme, welche es bisweilen hören liess, war nicht mehr wie früher hell und klingend, sondern mehr tief, rauh und schnarrend. Das Thier beleckte öfters das Maul, und hatte es Urin ent­leert, so leckt es auch diesen von der Erde auf.
Nach einigen Stunden zeigte sich das Thier nicht mehr so schwach wie zuerst; es stiess mit grosser Heftig­keit gegen die Wände, stampfte häufig mit den Fassen, und lief auf hingeworfene Gegenstände los, wobei es jedesmal ein eigenes Grunzen oder Brummen, ähnlich dem der Kühe, hören liess. Es leckte noch öfters an den Steinen, auf welche sein Urin gelaufen war, nagte an einem frei liegenden Stein, und nahm später einige Halme Gras zu sich, die es, unter ausserordentlich schneller Kieferbewegung, verzehrte. Das Schaf zeigte weder beim Bespritzen mit Wasser, noch bei einem ihm am Abend vorgehaltenen brennenden Lichte ein verändertes Benehmen, eben so wenig Wasser- wie Lichtscheu.
Am 29. Juni hatte die Schwäche im Kreuze mehr zugenom­men, diese Zunahme äusserte sich jedoch periodisch stärker, denn zuweilen machte es die stärksten und lebhaftesten
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Sprünge. — Im Uebrigen benahm es sich bei dem Hinwer­fen von Holz, Steinen etc., bei dem Vorzeigen des Lammes etc. ganz so wie gestern.
Fresslust, Wiederkäuen und Sauflust waren ganz unter­drückt; die Stimme noch wie gestern. Das um vieles unru­higer gewordene Thier sah sich öfters ängstlich blökend nach dem Leibe um, ähnlich als ob es gebären wollte, raufte sich dabei Wolle in der Flankengegend aus, und kauete dieselbe. Klatschte man stark und anhaltend in die Hände, so kam es auf dies Geräusch los, stürzte aber bald ganz erschöpft nieder. Wollte man es in diesem Zustande aufhe­ben, so bemerkte man eine auffallende Schlaffheit.
Durch das öftere Stossen gegen die Wände hatte sich das Thier am oberen Theil des Schädels einige Verletzungen zugezogen; aus dem rechten Nasenloch floss hellrothes dün­nes Blut; die Flanken waren mehr eingefallen. Im Maule war selbst bei der genauesten Untersuchung nichts Auffallen­des zu bemerken, ebenso zeigten die inzwischen vernarbten Bisswunden keine Veränderung.
Auf eine in den Stall geworfene junge Katze ging es mit gebeugtem Kopf und widerlich blökend los. Dieselbe Erscheinung zeigte es auch bei Annäherung eines Hundes.
Einen getödteten mit Blut besudelten Hund, der dem Schaf vorgeworfen wurde, beroch es, und zwar häufig an den Geschlechtstheilen, und beleckte hierauf, wie es schien mit einer Art von Wohlgeschmack, die mit Blut befleckten Stellen. Auch zeigte sich heute Abend etwas Beisslust; denn in einen ihm vorgestellten irdenen Topf, und in einen im Stalle liegenden Stein, biss es öfters so stark, dass man ein lautes Knirschen vernehmen konnte.
Am 30. Juni. Heute war der Blick des Schafes sehr stier, das Auge hervorgedrängt und glänzend, die Stimme und das Betragen des Thieres noch wie früher. Die Schwäche hatte zugenommen, die Flanken waren mehr eingefallen,
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ICOnbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Hartwig,
überhaupt war das Thier auffallend mager geworden. Die Wuth schien heute noch mehr gestiegen zu sein, denn es biss viel häufiger, als gestern in Steine und andere Gegen­stände; brachte man das schon erwähnte Lamm in seinen Stall, so kam es mit grosser Schnelligkeit darauf losgesprun­gen; überhaupt war das Thier heute sehr leicht zum Zorn zu reizen. Es sprang vielmals im Stall umher, stiess öfter gegen die Wände und war überhaupt sehr ungestüm. TVess-, Sauflust und Wiederkauen waren gar nicht zu bemerken-, aber von dem in den Stall gestellten Aderlassblut eines Pferdes leckte es oft mit Begierde.
Am Abend konnte das Thier ohne Hülfe nicht aufstehen; es lag mit ausgestrecktem und etwas rückwärts gebogenen Kopfe und Halse, schlug fortwährend mit den Füssen und hatte bedeutende, ohne Unterbrechung anhaltende Krämpfe. Das Athmen geschah stossweis, und war von einem eigen-thümlichen Getön, etwa wie „Hm Hmquot; begleitet. Zum Was­sereimer gebracht, fuhr es mit dem Maul hinein, leckte im Wasser, schluckte aber nichts hinab. Einige aufgenommene Gras- und Heuhalme behielt es längere Zeit im Maule. Hatte man ihm aufgeholfen, so konnte man fast nicht so schnell entfliehen, als man verfolgt wurde, machte man die Thiir zu, so stiess es öfters mit dem Schädel gegen dieselbe; stand überhaupt, wenn es erst auf den Fassen war, wenig still, sondern stiess entweder gegen Thür und Wände, oder sprang mit steifen Füssen und zurückgebogenem Kopf und Halse so lange herum, bis es wieder erschöpft zu Boden fiel, von wel­chem es sich nur durch fremde Hülfe erheben konnte. Das Thier hatte überhaupt seit dem 28. seine Fortbewegung immer in eigenen Sprüngen gemacht.
Am 1. Juli des Morgens gegen 5 Uhr lag das Thier in fortwährenden Zuckungen und konnte nicht mehr sich von der Erde erheben; half man ihm auf, so fiel es ganz erschlafft wieder nieder; es achtete nicht mehr auf das um ihn vorge-
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über die Wuthkrankheit bei den Thieren.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;1G1
hende Geräusch: Im Manie Latte es etwa eine Hand voll Gras, welches es sehr fest hielt; anscheinend bestand ein starker Krampf in den Kaumnsken: Der Herzschlag war sehr unregehnässig und das Athmen wurde stosswcise ausgeübt. Das Auge war noch klar, und der Blick lebhaft.
Unter diesen Erscheinungen verliess ich das Thier, wel­ches kurz darauf gestorben sein musste, da man es des Morgens um 7 Uhr schon todt fand.
Die Obduction, welche am 2. Juli unter der Leitung des Herrn Prof Dr. Gurlt und im Beisein des Repetitor Fisch er vollzogen wurde, ergab Folgendes:
a.nbsp; nbsp;Das Thier war sehr abgemagert, stark aufgeblähet, und auf der rechten Seite (auf der es gelegen), waren die Hautgefässe voll von Blut.
b.nbsp; nbsp;Bei Oeffnang der Bauchhöhle entwichen einige sehr stinkende Gase; in der Höhle selbst befand sich viel roth­gefärbtes Wasser. Die Eingeweide hatten ihre gehörige Lage, waren aber sehr schlaff und blass.
Der Wanst enthielt eine ziemliehe Menge fest zusam­mengeballten Futters; an seinen Häuten war aber nichts Krankhaftes zu bemerken.
Die Haube war futterleer, übrigens gesund. -
Der Psalter war äusserlich an seinem gewölbten Rande etwas geröthet; enthielt kein Futter und zeigte nichts Ab­normes.
Der Labmagen und die dünnen Gedärme enthielten einen dünnen grünen Futterbrei. Im Grimmdarm war massig viel von einem, einem dicken Brei ähnlichen Futter. Im hinteren Theil des Mastdarmes, etwa auf der Strecke von einem Fuss, fand man viel Mist (Lorbeeren), welcher sich hier angehäuft und diesen Theil des Darmes sehr ausgedehnt hatte.
An der Leber, Milz, Bauchspeicheldrüse, ebenso an den Nieren, der Blase und den Geschlechtstheilen war nichts Abnormes wahrzunehmen.
Mag. f. Thierheilk. XL, 3. u. 4.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;H
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Hertwig,
c. lu der Brusthöhle war an den Lungen nichts Abnor­mes zu bemerken; nur die Luftröhre war etwas schmutzig gerötliet und mit einem grünlichen Schleim angefüllt. Der Herzbeutel enthielt eine ziemliche Menge einer röthllchen Flüssigkeit, das Herz war welk und schlaff, und in der rech­ten Vor- und Herzkammer fand sich viel schwarzes geron­nenes Blut. Von ähnlicher Beschaffenheit war das Blut in den Venenstänunen.
Die Maul- und Rachenhöhle, der Kehlkopf und die Spei­cheldrüsen waren nicht verändert.
Die Oeffnuug der Schildelhöhle und des Wirbelkanals unterblieb.
C Impfungen mit Blut. XVI.
1. Von einem eben erst gestorbenen stilltollen Pinscher­hunde der Wittwe M., wurde am 30. Juli 1824 ein männlicher Sjähriger Spitz mit frischem und -ganz warmem Blute auf folgende Weise geimpft:
Ich machte dem qn. gesunden Ilundo zuerst an der Stirn zwei Einschnitte durch die Haut bis ins Zellgewebe, trennte Letzteres so, dass im Umfange des Schnittes gleichsam Ta­schen gebildet wurden, und brachte dann in jede von diesen Taschen gegen eine halbe Drachme Blut, welches aus dem Herzen des tollen Hundes genommen worden war. Hierauf wurden die Wunden mit Heftpflaster bedeckt, um das Aus-fliessen des Blutes zu verhindern.
Am 2. Tage, den 31. Juli waren die Wunc'ränder massig geschwollen und fast ganz trocken; im Grunde der Wunde sähe man geronnenes Blut. Der Hund war ganz munter und ohne Fieber.
Am 3. Tage, den 1. August zeigte sich an beiden Wun­den etwas eitrige Flüssigkeit, ihre Ränder sahen schmutzig aus, im Grunde sähe man deutlich noch einen Theil des
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hineingebrachten Blutes im geronnenen Zustande. Die Um­gebung der Wunden war massig angeschwollen, ohne weitere pathologische Veränderung. Die Maulhöhle, namentlich die Zunge rein, ohne Bläschen. Der Hund munter, ohne Fieber.
Am 4. und 5. Tage fast ganz derselbe Zustand.
Am G. Tage, den 4. August erschienen die Wunden mehr trocken und rein, das Blut war resorbirt, die Ränder legten sich fest an den Grund, und alles zeigte die beginnende Hei­lung. Diese erfolgte auch wirklich bis zum 13. Tage völlig. An dem Hunde Hess sich bei der sorgfältigsten täglichen Beobachtung während einer Zeit von 6 Monaten keine Spur von irgend einer Krankheit wahrnehmen.
XVII.
2.nbsp; nbsp;Am 15. August 1824 nahm ich aus der Drosselvene eines seit 2 Tagen mit der stillen Wuth behafteten, noch ziemlich kräftigen Piuscherhundes gegen eine halbe Unze Blut, und brachte dasselbe noch ganz warm in eine frisch-gemachte Wunde am Nacken eines 2jährigen männlichen Mopses. Diese Wunde wurde hierauf mit Heftpflaster bedeckt, und täglich untersucht. Am 3. Tage trat massige Eiterung ein, welche bis zum O.Tage fortdauerte und wobei ein Theil des unter die Haut gebrachten Blutes zersetzt und wieder entleert worden sein mag; denn es fand sich bei der Unter­suchung oft neben dem Eiter ein kleines schwarzes Blut-klümpchen an dein Pflaster; doch ist dieses ganz sicher nicht mit der ganzen Masse dieses Blutes geschehen. Die Heilung der Wunde erfolgte am 14. Tage.
Sowohl während dieser Zeit, als auch später, bei der bis zum 17. Februar 1825 fortgesetzten Beobachtung zeigte sich dieser Hund stets gesund.
XVIII.
3.nbsp; 4. Von der, am 17. December 1824, in Folge einer
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1G4nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Hertwig,
Impfung, stilltoll gewordenen Wachtelhündin, nahm ich am 18. December aus der Drosselvene gegen eine Unze Blut, und brachte dasselbe sogleich noch ganz warm, bei einem 5 Jahre alten Pudel in frische Wunden, von denen ich zwei am Kopfe und eine im Genick, und eben so viele am Kopfe und im Genick eines gegen 2 Jahre alten miinnlichen Pin­schers gemacht hatte. Damit die Resorption recht kräftig in der Nähe dieser Wunden von statten gehen sollte, war die Haut vorher tüchtig mit wollenen Lappen gerieben wor­den. Nach dem Einbringen des Blutes wurden die Wunden mit Klebpflaster bedeckt.
Bei beiden Thieren erfolgte an sämmtlichen Wunden eine nur ganz massige Eiterung, und hierbei die Heilung bis zum 14. Tage.
Eine Wirkung der Impfung zeigte sich, bis zum 17. Febr. 1825 auf keine Weise.
XIX.
5. 6. Von einem am 17. Februar 1825 getödteten, im hohen Grade rasend tollen Pinscherhunde des hiesigen Gast-wirths F., nahm ich aus der linken Herzkammer gegen eine Drachme arterielles, ganz warmes Blut, und brachte dasselbe in zwei frische Wunden, welche ich im Genick des vorhin im Versuch No. XVI. bemerkten Spitzes gemacht hatte. Eben so nahm ich aus der rechten Herzkammer eine gleiche Quantität venöses Blut, und brachte es in zwei frische Wun­den, welche ich im Genick des oben bezeichneten zu dem 2. hierher gehörigen Versuche, (No. XVII.) benutzten Mops­hundes gemacht hatte. Die Wunden wurden wieder mit Heftpflaster bedeckt.
Am 18. Febr. war nichts Abnormes in dem allgemeinen Gesundheitszustande der beiden Hunde zu bemerken. An den Wunden zeigte sich massige Entzündung und zugleich Aus­sickerung von einer röthlichen, serösen Flüssigkeit, jedoch
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nur in ganz geringer Menge. Pusteln in ihrer Umgebung oder unter der Zunge waren nicht zugegen.
Am 19. Febr. Die Wunden beginnen zu eitern; in allem üebrigen spricht sich an beiden Hunden ein gesunder Zu­stand aus.
Vom 20. bis zum 28. Februar dauerte die Eiterung in einem sehr massigen Grade fort, und die Heilung erfolgte dabei zum Theil durch Granulation, zum Theil durch Adhä­sion der losgetrennten Haut an die Halsmuskeln. Eine we­sentliche Verschiedenheit in der Heilung der Wunden, bei dem einen oder dem andern Hunde, konnte ich nicht wahr­nehmen.
Am 4. März, oder am 16. Tage, waren sämmtliche Wun­den gut vernarbt, und beide Hunde befanden sich ganz wohl. Bei der täglichen an ihnen veranstalteten Untersuchung, war bis-zum 20. März, weder an den Wunden, noch im Maule, noch am Pulse u. s w. irgend eine krankhafte Veränderung zu entdecken.
Am 20. März, den 32. Tag nach der Impfung, zitterte der mit Venenblut geimpfte Mops am ganzen Leibe, durch fast eine halbe Stunde recht heftig, und zeigte sich dann etwas traurig. Fieberhafter Puls war dabei nicht zu bemer­ken.*) Die Fresslust war etwas vermindert, doch nahm der Hund des Nachmittags auch Brod und Fleisch, aber in ge­ringerer Menge als sonst zu sich. Eben so soff er noch Wasser. Seine Stimme war nicht verändert.
Am 21. März, den 33. Tag, war derselbe Zustand zu­gegen, doch zeigte der Hund auch etwas mehr Schüchtern­heit als gewölinlich, aber im Verlaufe des Tages keinen Frost.
Am 22. März, den 34. Tag. Zu den gestern und vor-
*) Temperatur-Wechsel und beschleunigter Puls dienten damals als #9632;wesentliche Merkmale des Fiebers; die Temperatur-Messungen wa­ren noch nicht im Gebrauch.
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1G6nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Hertwig,
gestern beobachteten geringen Krankheitssymptomen, fand sich heute noch ein sehr unbedeutendes und nur in einzel­nen Momenten bemerkbares Offenstehen des Maules. Die Stimme wurde nur selten gehört und schien nicht besonders verändert zu sein; Fieber war nicht zugegen, das Athmen ruhig, der Blick etwas matt und traurig. Bcisssucht äusserte das Thier nicht.
Am 23. März, den 35. Tag. Der Hund zeigt gar keine Fresslust, säuft aber oft; sein Maul steht jetzt anhaltend und zwar so weit offen, dass man etwa eine starke Feder­spule zwischen die obern und untern Schneidezähne bringen könnte. Die Zunge ist rein, schön geröthet, massig feucht und hängt nicht aus dem Maule. Speichel fliesst von Zeit zu Zeit in einigen zähen Tropfen aus dem Maule. Der Blick ist trüb, die Stirn gerunzelt; die Stimme ist heiser und das Bellen zuweilen, aber nicht immer ein widriges Geheul. Wenn andere Hunde oder ein Stock ihm gezeigt werden, äussert der Kranke ganz deutlich Beisssucht
Am 24. März. Dieselben Erscheinungen wie gestern, aber in einem noch mehr ausgebildeten Grade. Am 25. und 26. März desgleichen.
Am 27. März erfolgte der Tod, nachdem der Hund seit fast 24 Stunden in einem halbgelähmten Zustand sich be­funden.
Der Spitz zeigte sich bei der bis Ende Juli d. J. fort­gesetzten Beobachtung völlig gesund.
XX.
Am 28. September 1825 impfte ich
a)nbsp; nbsp; den schon oft erwähnten, und zu vielen Versuchen benutzten 4jährigen Mops und
b)nbsp; nbsp; den gleichfalls schon zweimal von tollen Hunden gebissenen 2jährigen Spitz, auf eine gleiche Weise mit Arterien- und Venenblut, welches ich aus
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dem Herzen des eben gestorbenen rasend tollen Spitzes des Liesigen Kaufmanns H. genommen hatte. Bei beiden Hunden waren die Zufälle nach der Impfung nur allein auf die Wunden beschränkt, und beide zeigten sich bei der bis zum 22. December d. J. fortgesetzten ge­nauen Beobachtung stets ganz gesund.
XXI.
Am 18. November 1825 impfte ich auf gleiche Weise einen 1 Jahr alten Pinscher, mit kaltem Blut, welches von dem tollen seit einigen Stunden getödteten Hunde des Ver­golder G. genommen worden war.
Die Impfung zeigte innerhalb 6 Monaten keine Wirkung.
XXII.
Von einem rasendtollen und sehr beisssüchtigen Pinscher des Herrn Lieutenant v. S. nahm ich am 4. Tage der Krank­heit, den 5. Juli 182G, aus der rechten Drosselvene, gegen 1 Unze Blut, und brachte die Hälfte davon a) in eine frische Wunde am Halse eines 4jährigen Mopses und b) die andere Hälfte in eine solche Wunde am Halse eines Gjährigen Pu­dels, welcher schon einmal mit dem Ersteren zugleich, am 12. April d. J. durch den Biss eines tollen Hundes geimpft worden war.
Die Wunden heilten bei sehr geringer Eiterung und ohne besondere Erscheinungen darzubieten, ziemlich gleichmässig bis zum 21. Juli, und die Hunde zeigten sich hierbei und nach der völligen Vernarbung durchaus gesund.
Am 10. August versagte der Pudel das Eutter und wurde gleichzeitig etwas mehr böse und traurig gegen den Wärter, doch war seine Stimme und sein Blick noch gar nicht ver­ändert.
Am 11. August, den 38. Tag nach der Impfung war
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168nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Hertwig,
die rasende Wuth ganz ausgebildet zugegen, und der Hund starb schon am 13. desselben Monats nach sehr heftigem Wiithen.
Der Mops blieb gesund bis Ende December, und wurde
dann getödtet.
ü. Impfungen mit Nervenmasse.
XXIII. 1. 2. Den, am 17. December 1824 mit Blut vergeblich geimpften öjährigen Pudel und zugleich auch den damals mit Blut geimpften 2jilhrigen Pinscher suchte ich am 17. Februar 1825 dadurch zu inficiren, dass ich ihnen in eine frische Hautwunde am Nacken ein 2 Zoll langes Stückchen Nerv, vom nerv, cruralis, des eben erst getödteten, dem Gast-wirth F. gehörigen rasendtollen Pinscherhundes beigebracht hatte. Dieses Stückchen Nerv war ganz rein, ohne anhän­gendes Zellgewebe und ohne die geringste Spur von Blut. Die Hautwunde wurde hierauf mit einem blutigen Heft ge­schlossen.
Am 3. Tage trat massige Eiterung ein. Da nun die An­steckung schon geschehen sein musste, wenn sie irgend er­folgen sollte, und da sie durch die Eiterung vielleicht wieder vernichtet werden konnte, so wurde, um diesen Process mög­lichst zu beschränken, das Stückchen Nerv bei beiden Hun­den aus der Wunde entfernt.
Am 5. Tage waren die Wunden ganz trocken und ihre Heilung erfolgte bis zum 11. Tage ganz vollkommen.
Beide Hunde zeigten bei einer ömonatlichen Beobachtung sich stets gesund.
XXIY.
3. 4. Am 11. Mai 1826 impfte ich
a) einen 2jährigen, männlichen Hofhund und
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b) einen Tjälirigen männlichen Mops-Bastard auf eine ähnliche ^Yeise, indem ich jedem dieser Hunde in eine frische Wunde, am Halse ein 2 Zoll lange Stück Nerv s legte, welches von dem ganz sauber präparirten nerv. Sym­pathie, magn. eines an der rasenden Wuth erst eben ge­storbenen, dem Herrn Professor S. gehörigen Dachshundes genommen war.
Auch hier zeigten sich die Wunden am 3. Tage etwas eiternd und es wurden desshalb die fremden Körper aus ihnen entfernt. Die Heilung erfolgte hierauf fast ganz ohne weitere Eiterung bis. zum 13. Tage, und beide Hunde blieben bis zum 15 September dieses Jahres, wo sie nochmals geimpft wur­den, völlig gesund.
XXV.
5. 6. Die beiden zuletzt bezeichneten Hunde impfte ich am 15. September 1826 auf ganz gleiche Weise, wie es im vorigen Versuche geschehen. Ich brachte nämlich in eine frische Wunde an ihrem Halse ein Stückchen Nerv vom nerv. Sympathie, magn. eines eben getödteten stilltollen Hundes, welcher seit 2 Tagen krank gewesen war.
Schon am Ende des zweiten Tages nach der Impfung zeigte sich in der Wunde die Neigung zur Eiterung, und ich hielt daher für gut, das Stückchen Nerv aus ihr zu entfer­nen, — wobei jedoch die Wunde nicht weiter gereiniget und auch auf eine andere Weise nicht irritirt wurde. Die Hei­lung erfolgte hiernach fast ganz ohne Eiterung und die Hunde blieben bis zum Ende Decembers desselben Jahres ganz gesund.
E. Ansteckungsversuche mit innerlich angewende­ten Stoffen von wuthkranken Hunden.
XXVI.
Von einem an der rasenden Wuth eben erst gestorbenen
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170nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Hertwig,
Hunde, nahm ich vermittelst eines hölzernen Spatels so viel Schleim und Speichel aus der Maul- und Rachenhöhle, als ich nur zusammenbringen konnte, und strich dann diese Flüssigkeit einem 7jährigen Pinscher und einem 1jährigen Pudel auf die Zunge. Beide Hunde leckten hierauf mit der Zunge viel im Maule herum. Nach dem Versuch mussten sie durch 12 Stunden fasten.
Während einer 6 monatlichen Beobachtung war an die­sen Thieren nichts Krankhaftes wahrzunehmen.
XXVII.
Ich wusch mit lauwarmem Wasser das Maul eines an der rasenden Wuth eben erst krepirten Hundes mehrmals aus, und schüttete dieses verunreinigte quot;Wasser einem 2jäh-rigen Mops in den Schlund und Magen. Bei einer Gmonat­lichen Observation zeigte sich dieser Hund stets ganz gesund.
An einem andern gesunden Hunde wurde dieser Versuch mit demselben negativen Erfolge wiederholt.
XXVIII.
Von sechs verschiedenen tollen Hunden, welche eben erst getüdtet und noch ganz warm waren, nahm ich Speichel und Schleim aus der Maul- und Rachenhöhle, machte davon mit etwas Mehl kleine Pillen und gab diese sechs gesunden Hunden von verschiedener Ptace und von verschiedenem Alter ein.
Die Hunde wurden theils durch 5, theils durch 6 Monate genau beobachtet, und zeigten sie sich dabei stets ganz gesund.
XXIX.
Acht gesunden und nicht hungrigen Hunden, Hess ich Brod und Fleisch vorlegen, welches in 3 Fällen mit dem Speichel von noch lebenden, in 5 Fällen aber mit dem Spei-
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über die Wuthlirankheit bei den Thieren.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 171
chel von eben erst gestorbenen tollen Hunden stark bestrichen worden war. Alle berochen zwar diese Nahrungsmittel mehr als gewöhnlich, verzehrten sie aber zuletzt doch, und wie es schien, ohne die geringste Spur von Widerwillen.
Bei einer G monatlichen Observation zeigten diese Hunde niemals eine Spur von Krankheit *)
XXX.
Ich gab drei gesunden Hunden, und zwar jedem gegen zwei Unzen arterielles Blut durch das Maul ein. Dieses Blut war von zwei rasendtollen und einem stilltolien Hunde un­mittelbar nach dem Tode genommen worden.
Drei andern Hunden gab ich ebenso, und zwar jedem dieselbe Quantität venöses Blut, welches noch warm von einem stilltollen und zwei rasendtollen Hunden genommen worden war.
Während einer sechsmonatlichen Beobachtung war an diesen Hunden nichts Abnormes wahrzunehmen.
XXXI,
Fünf gesunde Hunde brachte ich einzeln und zu ver­schiedenen Zeiten in den Tollstall, und liess hier das Lager­stroh, die Halsbänder, Ketten, Futter und AVaschnäpfe, welche unmittelbar vorher bei tollen Hunden gebraucht worden, für sie benutzen. Bei den drei letzten Versuchen liess ich ausser-dem noch den Cadaver des eben krepirten tollen Hundes durch 24 Stunden im Stalle neben dem Lager des gesunden
*) Ausseniem wurde noch bei mehr als 20 andern Hunden der Versuch gemacht, ob sie Brod oder Fleisch, welches an dem Zahn­fleische und auf der Zunge wuthkranker Hunde gerieben, und dabei mit Schleim und Speichel besudelt worden war, verabscheuten? Dieses thaten jedoch nur 2 Hunde, welche aber auch anderes Futter zuwei­len sieht frassen; alle übrigen verzehrten jenes Futter ohne die ge­ringste Schon.
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üertwig,
Hundes liegen, so dass letzterer mit jenem in Berührung kom­men, wenigstens die Ausdünstung von ihm einatlinien musste.
Auch diese Hunde blieben siimmtlich bei einer sechs-monatliclien Observation von jedem Erankheitszustande ganz frei.
Obgleich die Resultate dieser Versuche sich von selbst ergeben, so halte ich es doch für zweckmässig, am Schluss diejenigen Punkte herauszuheben, welche wegen ihrer prak­tischen Wichtigkeit die meiste Aufmerksamkeit verdienen.
1)nbsp; Als erstes und Hauptresultat betrachte ich demnach das, dass diejenige Krankheit der Hunde, welche im ersten Theile dieses Aufsatzes nach ihren Symptomen dargestellt und für die Wuthkraukheit erklärt worden ist, sich bei den Impfungen als wirklich ansteckend bewiesen hat, so dass an der Coutagiosität dieser Krankheit nicht zu zweifeln ist. Denn nach 86 einzelnen Ansteckungsversuchen trat bei 14 Hunden eine Krankheit ein, welche in ihren Symptomen und in ihrem Verlaufe ganz genau mit der beschriebenen Wuthkrankheit übereinstimmte, und bald die eine, bald die andere Form dieser Krankheit annahm. — Es kommt also auf 5^ von den Versuchen eine Ansteckung, und wenn man die zuletzt sub E. beschriebenen 27 Versuche abrechnet, in­dem sie keine wirkliche Impfungen waren, so kommen diese 14 Ansteckungen auf 59 hierzu benutzte Hunde, also eine Ansteckung auf 43/i4 Impfungen.
2)nbsp; Zeigt sich aber auch hier wiederholt die alte Erfah­rung bestätiget, dass die Ansteckung von wuthkranken Kun­den nicht in jedem möglichen Falle, und selbst unter den scheinbar günstigsten Umständen nicht immer erfolgt. — Worin diese Verschiedenheit des Erfolges beruhet, und unter welchen Bedingungen das Wuth-Contagium bei seiner Ueber-tragung auf andere Individuen sich wirksam zeigt, ist zum grössten Theile noch ganz unbekannt, Dass bei grossen
iWL.
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Verletzungen mit heftiger Blutung, das Contagiura oft von dem ausfliessenden Blute eingehüllt, oft wieder aiisgespült und in beiden Fällen unwirksam gemacht wird, — dass beim Beissen durch dicke Kleider, durch stark behaartes Fei), durch dicke unempfindliche Oberhaut sehr oft das Contagium nicht in die Wunde, oder nicht an eine solche Stolle des Körpers kommt, wo es resorbirt werden kann und wo es daher auch unwirksam bleiben muss, — dies ist leicht ein­zusehen. Allein solche Umstünde fanden bei unsern Im­pfungen nur in sehr wenigen Fällen (nur bei den Impfun­gen durch Biss) statt, und sie können also für das Ganze nur wenig oder gar nicht in Betrachtung kommen.
Der wichtigste Grund für die verschiedene Wirkung des wirklich applicirten Contagiums, scheint mir in der eigen-thümlichen Empfänglichkeit der inficirten Individuen zu be­ruhen, welche durch Zeit und Umstände sehr verändert wer­den kann, und daher ähnlich wie die Empfänglichkeit für andere Contagien, in manchen Individuen und zu manchen Zeiten sehr gering, in andern wieder sehr gross ist. Beispiele hierzu finden sich in der Geschichte aller ansteckenden Krank­heiten sehr häufig, und hinsichtlich der Wuthkrankheit geben unsere Impfungen hierüber die offenbarsten Beweise. Denn der eine unserer Impflinge, der 4jährige Jlops, überstand durch drei ganze Jahre alle Ansteckungsversuche (wovon im Vorhergehenden 9 beschrieben sind), während 7 andere bei verschiedenen Versuchen gleichzeitig mit ihm geimpfte Hunde, wirklich angesteckt wurden. Andere überstanden zwei, drei, auch vier Versuche, und wurden erst bei dem folgenden infi-cirt, wogegen bei einigen Hunden die Ansteckung nach der ersten Impfung stattgefunden hat.
3) Daraus ergiebt sich aber auch, dass in solchen Fällen, wo man über die Krankheit eines für toll gehaltenen Hun­des, im Zweifel ist, eine oder zwei zufällige oder absichtliche Impfungen von ihm auf andere Hunde (z. B. durch Biss)
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174nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Hertwig,
zwar entscheidend sein können, wenn sie mit Erfolg beglei­tet sind, — dass sie aber bei negativem Erfolge gar nicht als ein Beweis dafür gelten können, dass der qu, Hund nickt wuthkrank gewesen sei.
4)nbsp; Das Contagium bei der Wutlikrauklieit der Hunde scheint nur allein zu den fixen zu gekoren, wenigstens sähe ick keine Ansteckung durch die blosse Ausdünstung erfolgen,
5)nbsp; Seine Vehikel sind nicht allein der Speichel und Schleim im Maule, sondern auch das Blut und die Speichel­drüsen. Die reine Nervenmasse scheint frei davon zu sein. (Ueber andere Stoffe habe ich keine Erfahrung.)
G) Das Contagium ist in jeder Periode der ausgebildeten Krankheit und selbst nach dem Tode der tollen Hunde noch durch einige Zeit zugegen; denn die Ansteckung erfolgte bei unsern Versuchen durch die genannten Stoffe sowohl, wenn dieselben von lebenden, als auch, wenn sie von todten Hun­den genommen waren; — doch schienen sie von letzteren nur binnen den ersten 24 Stunden, oder so lange der Ca­daver noch nicht ganz erstarrt war, wirksam zu sein.
7)nbsp; Das Contagium scheint nur seine Wirksamkeit zu entwickeln, wenn es von der Aussenfliiche des Körpers in die Säftemasse gelangt, dagegen aber unwirksam zu bleiben, wenn es auf die unverletzte Schleimhaut der Verdauungsor-gane gebracht worden ist; denn unter 22 Hunden, welche auf letztere Weise mit dem Contagium in Berührung kamen, ist die Ansteckung bei keinem einzigen erfolgt.
8)nbsp; Dock beweisen auck die Impfungen ganz klar, dass zur Ansteckung nicht grade der Akt des Beissens erforder­lich ist, sondern dass sie auch durch Verletzungen mit der Lanzette bewirkt werden kann.
9)nbsp; Dabei ist es durch diese Impfungen erwiesen, dass die sekundäre Wutkkrankheit weder allein von der Art der physischen Verletzung (wie Girard*) glaubte) — noch allein
*) Essay sur la totanos rabion Lyon, 1800.
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von der Furcht des Gebissenen (wie Bosquillonl) behaup­tete), abhängig sei.
10)nbsp; Die zuerst von BaderS) und dann von CapelloS) ausgesprochene Meinung: dass sich das Contagium bei der Wuthkrankheit nicht wieder erzeugt, wenn dieselbe in der 2. Generation zugegen, oder mit anderen Worten, wenn sie durch Ansteckung von einem primär tollen Hunde verursacht worden ist, — ist ganz bestimmt falsch, und durch unsere oben sub Lit. A.. No. IV. und V. beschriebenen Impfversuche gründlich wideilegt. Mit meinen Beobachtungen stimmen nicht allein die von Magendie-1) gemachten vollkommen über­ein, sondern diese Letzteren sind auch in anderer Hinsicht von Interesse und Wichtigkeit. Er impfte nämlich mit dem Speichel eines Menschen, der an der Wasserscheu litt, einen Hund, und dieser wurde nach einem Monate toll. Dieser Hund biss zwei andere, welche ebenfalls die Hundswuth be­kamen, jedoch von diesen beiden wurde keine weitere An­steckung auf andere Hunde erreicht.
11)nbsp; nbsp;Das Contagium bringt in einem angesteckten Hunde bis zum wirklichen Ausbruche der Wuthkrankheit keine be­merkbare Wirkungen oder Veränderungen, weder im ganzen Körper, noch örtlich an der Wunde hervor. Beim Menschen mag letzteres z. B. bläuliche Färbung der schon vernarbten Wundränder, Jucken in denselben etc., geschehen, aber beim Hunde sähe ich bis jetzt nichts Aehnliches, obgleich ich wegen Dr. Urban's Erfahrungenö) sehr aufmerksam auf die­sen Gegenstand gewesen bin.
1)nbsp; nbsp; Memoire sur las causes de rbydrophobie etc. Paris, 1802.
2)nbsp; nbsp;Neue Theorie der Wasserscheu. Frankfurt, 1802.
3)nbsp; Memoria sulla idrofobia. Rom, 1823.
4)nbsp; Journal de Physiologie experiment. I. p. 42.
5)nbsp; nbsp;Hufeland's Journal für die praktische Heilkunde. I82C, 7. Stück.
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176nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Hertwig,
12)nbsp; nbsp; Namentlich kommen auch beim inficirton Hunde die Maroehetti'schen Bläschen unter der Zunge nicht vor.
13)nbsp; nbsp; Es sind also auch bei den inficirten Hunden keine bestimmte Prodrome anzunehmen.
14)nbsp; nbsp;Die Wuthkrankheit pflegt bei den meisten Hunden innerhalb 50 Tagen nach der Ansteckung, dieselbe mag durch Biss oder anderweitige Impfung bewirkt sein, auszubrechen. Beispiele von später erfolgtem Ausbruch sind selten, jedoch habe ich einzelne Fälle von 8—10 Wochen, und einen selbst von 12 Wochen langer Incubation kennen gelernt.
15)nbsp; nbsp; Die durch Ansteckung entstandene Wuthkrankheit der Hunde, nimmt nicht immer dieselbe Form an, welche die Krankheit bei dem Thiere hatte, von welchem die An­steckung ausgegangen ist. Zuweilen geschieht dieses wohl, aber in andern Fällen entsteht bald die rasende Wuth von einem stilltollen, bald wieder die stille Wuth durch An­steckung von einem rasend tollen Hunde.
16)nbsp; nbsp;Hieraus entsteht aber auch der Beweis, dass diese beiden Krankheitsformen nicht zweierlei Krankheiten sind, sondern einer und derselben Krankheit angehören.
17)nbsp; nbsp; nbsp;Auch folgt hieraus und aus allem Uebrigem was im Vorhergehenden bereits gesagt worden ist: dass die Wuthkrankheit der Hunde eine wirkliche und selbst­ständige Krankheit mit materiellen speeifischen Verände­rungen im Körper ist und nicht blos imaginär, in dem Glauben der Aerzte, oder als zufälliges Symptom anderer Krankheiten besteht, wie dies von Professor E,. White*)
*) Froriep's Notizen für Natur- und Heilkunde 182G. No. 2G4, 2GG und 281. — White hielt die Krankheit bei Menschen für nichts Anderes als eine gewöhnliche Entzündung der Speiseröhre, des Ma­gens und der Respirationsmuskeln, wozu sich später erst die Wasser­scheu gesellt, und leugnete sowohl den speeifischen Charakter, als auch die Contagiosität der Wuthkrankheit gänzlich. Um letztere Behaup­tung zu beweisen, impfte er von 2 tollen Hunden mehrere Katzen,
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über die Wuthkrauliheit bei Thieren.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 177
und Franque*) in der neuesten Zeit behauptet wor­den ist.
18) Es ist unrichtig, dass gesunde Hunde durch den Geruch die wutlikranken erkennen und deshalb auch Nah­rungsmittel, welche mit Se- und Exkretionsstoffen von den letztern bestrichen sind, verabscheuen.
Kaninchen u. a. Thiere und zuletzt sicli selbst, — und zwar ohne ir-' gend einen Erfolg. — Es ist jedoch vorhin schon erwähnt worden, dass negative Erfolge bei Impfungen von tollen Hunden, vic! weniger beweisen können, als positive, — und so auch hier. Doch giebt die Impfung, welche AYhito an seinem eigenen Körper unternommen ha^ einen neuen Beweisquot; ab, dass zuweilen eine Tollkühnheit ungestraft ausgeübt werden kann. Sind nicht auch ähnliche Erfahrungen sogar über die Pest gemacht, (S. Samoilowitz Abhandlung über die Pest, welche 1771 das Russische Reich, besonders aber Moskau verheerte, u. s. w. Aus dem Französischen. Leipzig, 1785, p. 25), — und wird deshalb irgend ein vernünftiger Mensch die Pest für nicht ansteckend halten?
*) Die Seuche unter den Füchsen und andern Raubthiercn in den Jahren 1823 — 26, nebst Bemerkungen über die ursprügliche Wuth-krankheit der Thiere. Frankfurt a,'M. 1827. — Die hier beschriebene Krankheit der Füchse stimmt in ihren Symptomen ganz mit denen der Wuthkrankheit überoin, so dass ich sie auch für diese halten muss, obgleich vom Verfasser alles aufgeboten ist, um die Existenz einer primären quot;Wuthkrankheit und eines besonderen Conlagiums zweifelhaft zu machen. Auf einer wissenschaftlichen Reise, welche ich auf Kosten des Königlichen Ministem der geistlichen, Unterrichts- und Mcdizinal-Angelegenheitcn im Jahre 1828 zu machen das Glück hatte, wurden mir von dem Oberthierarzt Michel zu Zürich spezielle Data über einen Fall mitgetheilt, wo ein Schwein in der Gemeinde Ober-Lai­bach, Canton Zürich, von einem solchen kranken Fuchs gebissen und hierauf nach G Wochen toll geworden ist.
Dieser Fall wird in einem der nächsten Hefte des Archivs der Schweizer Thierärzte beschrieben werden. Die Ilundswuth scheint über­haupt der ganzen Gattung Canis eigenthümlich zu sein, denn sie kommt, so viel bis jetzt bekannt ist, ausser dem Hunde, bei dem Wolfe, Fuchse und Schakal vor. Von dem letztem, sagt Dan. John­son (Sketches of field sports as followed by the Natives of India.
Mag. f. Thierheilit. XL. 3. u. 4.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 12
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Hertwig,
.
19) Daher ist auch das ähnliche, zuerst von L. Petit*) vorgeschlagene Verfahren: in zweifelhaften Fällen an todten Hunden die Wuthkranldieit dadurch zu erforschen, dass man die verdächtigen Cadaver gesunden Hunden zum Beriechen vorlegen und dann aus dem Benehmen der Letztern auf die Natur der vorhergegangenen Krankheit, — in specie aus der Abneigung und Furcht der Hunde auf die Wuthkranldieit schliessen soll, — ganz unsicher und ohne Werth.
Soweit mein ehemaliger Aufsatz vom Jahre 1828. An denselben füge ich noch einige kurze Bemerkungen aus meinen späteren Beobachtungen und Versuchen.
I.
a. Am 5. October 1830 machte ich die direkte Trans­fusion durch Ueberleitung**) von circa 1 Pfund Blut aus der Carotis eines gesunden, 2 Jahre alten Pin­scherhundes in die Carotis eines mit der rasenden Wuthkrankheit behafteten, sehr beisssüchtigen, 3 Jahre alten, ebenfalls männlichen Pinscherhundes, bei welchem Letzteren die Krankheit erst seit 24 Stun­den hervorgetreten war. Dem Kranken hatte ich vorher 1 Pfund Blut aus der linken Carotis entzo­gen, wobei er ohnmächtig geworden war; er erholte sichjedoch wieder, nachdem er das neue Blut erhalten
London. 1822. — Vergl. v. Froviop's Notizen a. d. G. der Natur-und Heilkunde. B. V. N. 76. S. 151), dass in Indien viele Menschen die Wasserscheu durch den Biss der tollen Schakale erhalten.
*) Histoire de l'acad. des Scienc. 1723. — Portal Bemerkungen über die Natur und Heilung der Wuth vom Biss toller Thiere. Aus dem Französischen. Leipzig, 1782. S, 16.
**) Zur Ausführung der Transfusion benutzte ich als Leitungs­röhren die Corotiden und die Schenkelarterien von Pferden, nachdem die Seitenzweige dieser Gefässe nahe am Stamme unterbunden und in ihre Enden offene Röhrchen von Gänsefederkielen eingebunden waren. Bund um das eine Ende dieser Röhrchen hatte ich einen konischen
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iiWr die Wuthknmkheit bei den Thicrea.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 179
hatte. In dem Bonelinien dieses Hundes, hinsichtlich der Krankheitssymptome und ebenso hinsichtlich
des Verlaufs der Krankheit war eine auffällige Ver­änderung nicht eingetreten; das Thicr wurde 2 Tage nach der Transfusion kreuzlahm und starb am 6. Tage nach dem Ausbruch der Krankheit.
b.nbsp; nbsp;Von einem mit der stillen Wuthkrankheit im letzten Stadium behafteten männlichen, circa 5 Jahre alten Wachtelhunde habe ich am 12. October 1830 durch direkte Ueberleitung circa 100 Gramme Blutes aus der rechten Drosselvcne in die linke Drosselvene eines andern, zwei Jahre alten, männlichen V/ach-telhumles gebracht. Dieser letztere Hund hat hier­nach bei der, während 5 Monaten, fortgesetzten Be­obachtung sich fortdauernd gesund gezeigt.
c.nbsp; nbsp; Von einem an der rasenden Wuthkrankheit leiden­den Windspiel habe ich am 4. April 1831 vermit­telst direkter Transfusion 60 Gramme Blntes aus der rechten Carotls in die rechte Carotis eines 9 Monate alten männlichen Dachshundes übergelei­tet. Es sind hiernach bei der durch 5 Monate fort­gesetzten Observation dieses letzteren Hundes keine Merkmale von Wuthkrankheit eingetreten.
d.nbsp; e. Von zwei verschiedenen —ä 7 Jahre und ä 10 Jahre alten Pferden, welche beide an der rasenden Wuth litten
Ring von Siegellack gelegt, damit sie nach dem Einsetzen in die Blut-gefässe der Thiere festgebunden werden konnten. Als Letzteres ge­schehen war, Hess ich während einer halben ilinute das Blut durch die Röhre in ein mit Gewichtszeichen versehenes Gefäss fliessen und konnte hiernach später die Menge des während der Dauer der Trans­fusion übergeleiteten Blutes ziemlich genau schätzen. Ich band immer eine solche Röbre in die Ader, welche das Blut gab und eine zweite in diejenige, welche dasselbe empfing, und dann steckte ich die an den freien Enden der Röhren befindlichen Federposen in einander, wo durch ein zusammenhängender Leitungskanal hergestellt wurde.
12*
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Ilert wig,
und grosse Beisssucht zeigten, — erhielt ein mir gehöriger, mit Caries am Hufbefi behafteter, 8 Jahre alter Rapp-Wal-lach am 2. August 1833 250 Gramm ganz frisch aus der Carotis entnommenes, nicht defibrinirtes Blut durch Infusion in seine rechte Jugularis*); — und in dem zweiten Falle übertrug ich in gleicher Weise am 5. Mai 1833 circa 300 Gm. Venenblut aus der Jugularis des zweiten wuthkranken Pfer­des in die Drosselvene eines im hohen Grade mit Spatt be­hafteten, übrigens aber ganz gesunden 10 Jahre alten brau­nen quot;Wallachs. — In beiden Fällen blieben diese Pferde während ihrer mehr als dreimonatlichen Observation frei von der Wuthkrankheit,
Ob die in den vorstehend sub b, c, d, e angegebenen Versuchen nicht erfolgte Infection der betreffenden Thiere in dem Modus der Blutübertragung, oder in der geringeren Empfindlichkeit der mit dem Blut in Berührung gekommenen Thiere, oder in dem Blute selbst begründet gewesen sein möge? — wage ich nicht zu entscheiden.
II.
Hinsichtlich der Diagnosis der Wuthkrankheit bei den Hunden habe ich in den sämmtlichen, seit 1828 zu meiner Beobachtung gekommenen Fällen dieser Krankheit meine früheren Wahrnehmungen über die Symptome dersel­ben (Magaz. 40. Jahrg., 1. Heft S. 1—36) durchaus bestätigt gefunden. In keinem Falle bestanden darin wesentliche Aus­nahmen ; und wenngleich manche dieser Patienten im Grade und in der Dauer der Krankheitserscheinungen so grosse
*) Für diese Infusionen wurde an den gesunden Pferden die Vene wie zu einem Aderlass geöffnet, aber die Wunde ein wenig grosser als gewöhnlich gemacht, wonach mau statt des Trichters das Rohr einer grossen zinnernen Klystirspritze in die Vene einsetzt, den leeren Cylinder der Spritze nach oben gerichtet. Die Spritze war auf 28deg; R. erwärmt.
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über ilie Wuthkrankheit bei den Thiereu.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 181
Abweichungen zeigten, dass sie bei oberfliicMicber Betrach­tung nicht zu einer und derselben Krankheit zu gehören schienen, so hatten sie doch alle, je nach der Form des Lei' dens, in der Art des Benehmens, in der Veründenmg des Appetites, in dem Gesichtsausdruck, in dem Ton und der Modulation der Stimme, — bei der rasenden Wuthkrank-lieit in der Beisssucht, und bei der stillen Wuthkrankheit in dem Offensteheu des Maules, stets eine grosse Aehnlichkeit unter einander. In den alleimeisten Füllen lässt sich die Diagnosis der Wuthkrankheit sicher machen, wenn auch bloss einige dieser Merkmale an einem Hunde zugegen sind; aber es kommen leider auch solche Fälle vor, besonders in der Periode des Ausbruchs der Krankheit, wo die Hunde ihren Besitzern wohl etwas kränklich verstimmt erscheinen und nach den Händen und Füsssen geschnappt und selbst nach Jemanden gebissen haben, übrigens aber augenblicklich gar kein anderes Symptom der Wuthkrankheit wahrnehmen lassen. Und doch sollen wir diese Krankheit in jedem Mo­ment sogleich sicher erkennen, wenn und wo uns eben ein Hund für diesen Zweck vorgeführt wird. Es ist leicht ein­zusehen, dass unter solchen umständen die Diagnosis oft schwierig ist, dass sie aber dennoch immer wegen Anord­nung der nöthigen Sicherheitsmaassregeln und, wenn Men­schen oder andere nutzbare Hausthiere gebissen worden sind, wegen möglichst schneller Einleitung der prophylakti­schen pur so eilig wie möglich festgestellt werden muss.
In solchen Fällen hilft man sich gewöhnlich am besten dadurch, das man die betreffenden Hunde in einen abge­schlossenen Raum (etwa einen Stall, eine Remise, Kammer und dgl.) einige Zeit einsperrt und ihnen in das Lokal Futter und Getränk in Tellern hinstellt. Man beobachtet sie dann zuerst ganz ruhig, dann ruft man sie öfters mit ihrem ge­wohnten Namen, drohet ihnen mit einem etwas langen Stock oder mit einer Mistgabel, und hält ihnen auch wohl diese
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182nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Hertwig,
Gegenstände entgegen, so dass sie allenfalls in dieselben beissen können, wenn hierzu die Neigung vorhanden ist; bleiben jedoch bei diesen Reizungen die Hunde ruhig, so irri-tirt man sie noch starker, indem man sie ein wenig mit dem Stock oder mit der Gabel anstösst. — Schon durch das Einsperren allein werden die meisten Hunde, — gesunde und kranke, — sogleich unangenehm betroffen, und sie lassen in Folge hiervon gewöhnlich bald ihre Stimme hören (auf welche man sonst, d. h. ohne das Mittel des Einsperrens, oft lange warten muss), und in der Regel tritt auch ein an­deres Benehmen der Thiere ein. Gesunde Hunde verlieren im eingesperrten Zustande ihre sonstige Freundlichkeit und Munterkeit, beim Anrufen antworten sie mit bittenden oder klagenden Lauten; sie kommen dem Rufenden näher und geben durch freundliches Wedeln mit dem Schwänze, durch ihren Gesichtsausdruck und ihr ganzes,Benehmen, den Wunsch zu erkennen, baldigst wieder frei zu werden; bei weiterer Beobachtung sieht man sie wohl auch Nahrung und Getränk nehmen; und wenn man sie mit dem Stock bedroht oder berührt, so weichen sie gewöhnlich furchtsam zurück, manche knurren wohl, aber gewöhnlich beissen sie nicht. Dagegen benehmen sich die meisten der von der rasenden Wuthkrank-heit im ersten Stadium befallenen Hunde nach dem Einsper­ren unruhiger als vorher, sie bellen oft mit dem üebergange der Stimme in das Heulen, sie kratzen mit den Pfoten im Fussboden, belecken kalte Gegenstände, zernagen Stroh, Holz u. s, w, rühren aber das gewöhnliche Futter nicht an; vor dem drohenden Stock zeigen sie wenig oder gar keine Furcht, sondern sie springen und beissen nach demselben, sie beissen sogar in eiserne Gegenstände. Das Letztere geschieht von nicht tollen Hunden nur dann, wenn sie mit einem eisernen Geräth wiederholt gestossen oder geschlagen und somit gleichsam im höchsten Grade gereizt und zur Abwehr ge­zwungen werden, sie gehen aber auch dann nicht gern noch
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über die Wuthkrankheit bei den Thieren.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 183
einmal mit dem Maule an den eisernen Gegenstand; die tol­len Hunde thun dieses jedoch immer wiederholt, selbst wenn sie sich schon das Maul blutig verletzt haben. Das Beissen eines, der Wuthkrankheit aus anderen Gründen schon ver­dächtigen Hundes, in eiserne Gegegenstände, und wenn der­selbe nicht übermässig gereizt worden war, halte ich für ein sehr stark auf die Wuthkrankheit deutendes Merkmal. Im Uebrigen geschieht das Beissen der tollen Hunde gewöhnlich ohne vorhergehendes Knurren, stillschweigend und schnell schnappend, und oft schütteln sie heftig den erfassten Gegen­stand,— Auch die meisten der von der stillen quot;VVuth im ersten Stadium ergriffenen Hunde benehmen sich in ähnlicher quot;Weise, wenn sie eingesperrt und gereizt werden; ihre Aufregung tritt aber in milderem Grade hervor und sie ist in der Regel nur auf den Moment der Reizung beschränkt. In der übri­gen Zeit liegen oder sitzen diese Hunde gewöhnlich ganz ruhig, und sie lassen auch ihre Stimme nur wenig hören. Es ist selbstverständlich, dass man die Untersuchung der stilltollen Hunde mit Zuhilfenehmung des Einsperrens nicht nöthig hat, wenn bei Ihnen das Herabhängen des Unterkie­fers eingetreten und hierdurch die Krankheit evident gewor­den ist,
III. Hinsichtlich des Verlaufs der Wuthkrankheit der Hunde habe ich nur hinzuzufügen: dass mir unter meinen späteren Beobachtungen noch drei Fälle von längerer als sechswöchentlicher Dauer der Incubation, an gebissenen Hun­den vorgekommen sind, so dass ich nun mit Hinzuzählung der im vorigen Heft des Mag. S. 176 sub 14 angegebenen älteren Beobachtungen dieser Art fast ein ganzes Dutzend solcher Fälle von spätem Ausbruch der Krankheit kennen gelernt habe. Dieser Gegenstand ist gewiss von Wichtig­keit für die Medizinal-Polizei.
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184nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Ilertwig,
IV.
Bei den Pferden, bei dem Rindvieh, den Scha fen, Ziegen und Schweinen habe ich die Krankheit ganz so wie bei den Hunden in den beiden geschilderten Formen, bald mit Irritation und Raserei, bald mit ganz ruhigem Verhalten der betroffenen Thiere, selbst mit Torpor auftre­ten sehen.
Die von der rasenden Wuthhrankheit ergriffenen Pferde sind bei dem Ausbruch der Krankheit mehr empfindlich, sie schrecken von einem massigen Geräusch zusammen, zittern während einiger Zeit wie bei Fieberfrost und haben keinen Appetit; der Puls ist zuerst voll und massig beschleunigt, die Temperatur um 3 bis 4 Grad gesteigert, Ohren und Füsse sind warm, die Bindehaut der Augen sowie die Schleim­haut der Nase und des Mauls ist dunkler geröthet, das Ath-men geschieht regelmässig, Se- und Exkretionen sind normal. Nach einigen Stuuden werden die Pferde von Zeit zu Zeit unruhig; sie trippeln hin und her, kratzen mit den Füssen auf dem Fussboden oder hauen mit den Hufen gegen die Wände, wollen auch zuweilen an diesen in die Höhe steigen; sie wiehern oft wie zum Verlangen nach Begattung, aber die Stimme wird bald heiser; Hengste, (auch manche Waliache) bekommen Erektionen, sie schachten aus, und zuweilen fliesst etwas schleimige Flüssigkeit aus der Harnröhre. — Stuten benehmen sich ähnlich wie bei der Rossigkeit, indem sie sich oft zum üriniren mit ausgespreitzten Schenkeln stellen, und ausser dem Urin auch etwas Schleim aus der Vagina her­vorpressen. Bald früher bald später findet sich Beisssncht, bei welcher sie auf Menschen und Thiere losgehen, gegen dieselben, so wie in die Krippen und andere feste Gegen­stände schnappend und mit so grosser Heftigkeit beissen, dass sie sich zuweilen an den Letzteren die sämratlichen Schneidezähne ausbrechen, sogar die Kieferknochen zerbrechen;
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über die Wuthkranklieit bei den Thieren.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;ISä
manche Pferde reissen sich aus der Brust und aus anderen Stellen des eigenen Körpers ganze Stücke heraus. Das Beissen oder auch ein wiederholtes Belecken geschieht besonders (aber nicht immer allein) an den Stellen, wo sich die Biss­wunden von den tollen Hunden befunden haben. Gewöhn­lich wird die Boisssucht durch Geräusche in der Nähe oder durch Bespritzen mit Wasser stärker erregt, noch mehr aber wenn die wuthkranken Pferde einen Hund erblicken; die Krankheitsorscheinungen treten aber auch ohne diese Ver­anlassung von Zeit zu Zeit stärker ein und sie lassen dann wieder plötzlich nach, so dass man an den meisten Patien­ten deutliche Paroxysmen unterscheiden kann. quot;Während der­selben wird auch das Athmen schneller und die Temperatur oft bis zum Scliw:tzen gesteigert. Bei dem weiteren Verlaufe der Krankheit werden gewöhnlich die Anfälle schwächer und die ruhigeren Zwischenzeiten länger; die Pferde fangen an mit dem Hinthertheil zu wanken, sie knicken in den Pessel-gelenken oft zusammen, fallen zuweilen nieder, stehen jedoch wieder auf u. s. w., bis sie im Kreuz gelähmt liegen bleiben. Der Tod erfolgt bei manchen Pferden plötzlich, wie durch Apoplexie, schon am 3. oder 4. Tage nach dem Ausbruch der Krankheit, bei andern mehr langsam und unter wieder­holt entstehenden Krämpfen, am 4. bis ö. Tage. — Während der ganzen Dauer der Krankheit trinken die wuthkranken Pferde das Wasser gern, jedoch können manche dasselbe nicht immer gut hinabschlucken, sie müssen sich dabei an­strengen, und zuweilen hat man gesehen, dass es ihnen durch die Nase wieder zurückfliesst, wie bei Bräune.
Die von der stillen Wuth befallenen Pferde zittern, haben stieren Blick, erscheinen mehr empfindlich und schreckhaft, versagen das Futter entweder gänzlich oder sie nehmen nur von Zeit zu Zeit eine kleine Quantität und kauen es mit öfterer Unterbrechung; es finden sich Zuckungen an mehrern Muskeln, und in einzelnen Momenten zeigen manche Pferde
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18Gnbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Hertwig,
auch Neigung zum Beissen, Diese Neigung tritt aber bei den stilltolleu Pferden in grösseren Zwischenzeiten und weit schwächer auf als bei den rasendtollen; jene benehmen sich überhaupt viel ruhiger und sie gehorchen, so lange als sie noch stehen und gehen können, dem Zuruf der Menschen fast ebenso, wie im gesunden Zustande. Im Uebrigen ver­halten sich die Erscheinungen hinsichtlich des Wieherns, der Irritation der Harn- und Geschlechtsorgane, die spä­ter eintretenden Krampf- und Lähmungszufälle ganz ähn­lich wie bei der rasenden Wuth; und auch das Sterben er­folgt bei einzelnen Individuen apoplektisch, bei andern lang­sam im paralytischen Zustande. Von der bei den stilltollen Hunden bestehenden lähmungsartigen Schwäche der Kaumus­keln und von dem hierdurch bedingten Herabhängen des Unterkiefers habe ich bei den Pferden niemals etwas wahr­genommen,
b. Auch bei dem Rindvieh habe ich fast in allen Fällen die eine oder die andere Form der Wuth-krankeit unterscheiden können. Bei den meisten Rindern beginnt die Krankheit mit Störung des Appetites, Zittern, Unruhe, Verminderung der Milch, und mit Abfluss von Spei­chel und Schleim aus dem Maule; Einzelne haben aber noch am ersten und zweiten Tage etwas Fresslust, wiederkäuen auch anscheinend, hören aber bald damit auf.
Das rasende Rind erscheint gleich beim Ausbruch der Krankheit sehr aufgeregt, es tritt hastig hin und her, hat einen wilden Blick, bewegt die Ohren lebhaft, trägt den Kopf höher aufgerichtet, schüttelt oft mit dem Kopf und Hals und brüllt fortwährend, so dass zuletzt die Stimme (wohl mei­stens nur von dieser Anstrengung) ganz heiser wird. Die Thiere haben grosse Neigung zum Stossen mit den Hörnern gegen alle Gegenstände, und oft gehen sie springend auf Menschen los, so dass man sich ihnen nur mitgrösster Vorsicht nahen darf; sie bohren auch mit den Hörnern selbst in die
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über die Wuthkranklieit bei den Thieren.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 187
Wände, in ihnen vorgelegtes Heu, Stroh und dgi.; die meisten scharren mit den Vorderfüssen im Fussboden oder sie schlagen mit den Hinterbeinen nach Thieren, Menschen und anden; Gegenständen. Das Stossen und Schlagen geschieht beson­ders, wenn Gegenstände sich in ihrer Nähe bewegen, aber am heftigsten werden die Thiere aufgeregt, wenn sie einen Hund sehen oder dessen Stimme hören. Neben diesem Be­nehmen besteht als eine ganz constante Erscheinung ein fortwährendes Drängen zur Kothentleerur.g, welches aber oft ganz fruchtlos stattfindet (Tenesraus) oder -wobei nur ganz kleine Massen von meistens duuhelfarbigem, trockenen Koth ausgeleert werden. Bei längerer Dauer wird zuletzt der Koth oft flüssig. Viele Taiere zeigen auch Reizung der Harn- und Geschlechtsorgane, indem sie (Kühe und castrirte Stiere eben so wie die Zuchtstiere) aufeinanderspringen wie bei der Begattung, sie stellen sich oft zum Uriniren, und bei Kühen erscheint die Vagina dunkler geröthet. In späterer Zeit geht gewöhnlich der Urin tropfenweis sb. Wasserscheu be­steht in keinem Falle; aber es finden sich zu den im Vor­stehenden angegebenen Erscheinungen bald früher bald später krampfhafte Zuckungen einzelner Muskeln, auch Zittern der Gliedmassen und eine lähmungsartige Schwäche, bei welcher die Thiere plötzlich niederstürzen, eine kurze Zeit ruhig lie­gen bleiben, dann wieder aufstehen und weiter gehen. Ge­wöhnlich wiederholen sich diese Zufälle bis zum Eintritt der vollständigen Kreuzlähmung, wonach der Tod erfolgt. Die meisten Rinder sterben auf diese Weise zwischen dem 4. und 8. Tage, einzelne aber auch schon bis zum 4 Tage apoplek-tisch. Wenn die Thiere über 3 Tage leben, findet sich stets eine auffallende Abmagerung des ganzen Körpers.
Die stille Wuthkraukheit des Rindviehes beginnt in der Regel wie die rasende Wuth mit Aufhören des Fres­sens und Wiederkauens, mit sehr merkbarer Verminderung der Milchabsonderung, mit oft wiederholtem Brüllen, und in
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den meisten Fällen findet sich auch vermehrte Speichelab­sonderung im Maule. Die Thiere stehen jedoch mehr ruhig, sie brüllen weit weniger als bei der ersten Form der Krank­heit, scharren nur zuweilen mit den Füssen und zeigen sehr selten eine Neigung zu stossen oder mit den Beinen zu schlagen, und sie lassen sich gutwillig führen und untersu­chen. Ihr Blick ist in der ersten Zeit frei und gutmüthig, und die Augen sind nicht geröthet, ihre Pupille ist erwei­tert, Kopf, Hörner und das Maul sind eher kühl als heiss zu nennen; der Puls ist klein weich, das Athmen geschieht ganz ruhig. Die Thiere trinken oft, und hinsichtlich der Kothentleerung und des Urinireus verhalten sie sich wie bei der rasenden Wuth, aber das Drängen hierzu besteht eben­falls schwächer. Wenn die Thiere frei im Stalle oder auf der Weide herumgehen, bleiben sie öfters einige Zeit auf einer Stelle stehen und glotzen, wie bewusstlos, die nahen Gegenstände an. — Später (oft schon am 2. oder 3. Tage) findet sich Schwäche in den Gliedmaassen, Niederstürzen und Kreuzlähmung, und der Tod erfolgt nach eben so un­bestimmten Verlauf wie vorhin angegeben. (Mau sehe die Krankheitsgeschichte oben S. 155.)
c. Auch bei den Schafen tritt die Krankheit in den beiden bezeichneten Formen auf, jedoch ist bei ihnen die ra­sende Wuth am gewöhnlichsten. Dieselbe beginnt mit Appe­titlosigkeit, Unruhe, Hin- und Herlaufen, mit Belecken und Benagen der früher vom tollen Hunde gebissenen Körper-theile; die Stimme ist ein dumpfes Meckern, wie zur Zeit der Brunst. Dabei werden die Thiere (Lämmer, Mutterschafe und Hammel ebenso wie die Böcke) sehr dreist, und im höchst auffallenden Grade stosssüchtig, sehr oft auch beks-süchtig; sie laufen und springen mit etwas herabgesenktem Schädel gegen lebende und leblose Gegenstände oft wieder­holt mit grösster Heftigkeit, viele von ihnen beissen in alle Gegenstände, besonders gern Menschen und Thiere, überhaupt
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über die Wnthkrankhcit bei den Thicren.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 189
in die ihnen vorgebaltenen Stöcke, und sie fürchten sieh nicht vor dem Drohen mit denselben; sie richten sich viel­mehr mit dem Kopf in die Höhe, stampfen mit den Füssen gegen den Boden und gehen auf Menschen los, so dass man oft, selbst mit einem Stock in der Hand viel Mühe hat, sie abzuwehren. Durch den Anblick eines Hundes werden sie sehr erregt. Die allermeisten wuthkranken Schafe zeigen eine grosse Irritation in den Geschlechtsorganen, ganz so wie das Rindvieh, durcli ungestümes und immer wiederhol­tes Aufspringen auf andere Schafe ohne Unterschied des Geschlechts. — Wassei'scheu besteht nicht; viele tolle Schafe haben vermehrte Speichelabsonderung; Koth- und Urinent­leerungen finden selten statt. Nach 3 bis 4 Tagen tritt ge­wöhnlich Kreuzlähmung ein, zuerst im unvollständigen Grade und mit periodischer Besserung, aber mehr und mehr zuneh­mend, und an dem 5., 6. bis 8. Tage erfolgt der Tod.
Die an der stillen Wuthkrankheit leidenden Schafe zeigen im Wesentlichen die oben angegebenen Symptome, aber sie liegen viel, stossen und beissen weniger, machen mit dem Kopfe und den Füssen oft krampfhafte Bewegun­gen, und sie verfallen nach kurzer Zeit in Lähmung des Hintertheils. Einmal hat man in einem solchen Falle auch Lähmung der Kaumuskeln bemerkt.
d. Bei den Ziegen äussert sich die Wuthkrankheit fast ganz so wie bei den Schafen, hauptsächlich durch Appe­titverlust bei munterem Aussehen, durch unruhiges Beneh­men, oft wiederholtes Meckern mit etwas dumpfer, heiserer Stimme, gewöhnlich ist auch viel schleimiger Speichel im Maule; sie bewegen sehr viel den Schwanz, wie sie es thun, wenn sie bockigt sind; aber die auffallendsten Erscheinungen sind .wieder die grosse Neigung der Thiere zu stossen und zu beissen, — was sie Beides rait grosser Heftigkeit aus­üben. Letzteres zuweilen auch an sich selbst, besonders an den Körpertheilen, an welchen sie früher von einem wuth-
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TJÖnbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Hertwig,
kranken Hunde gebissen wordeu waren. Einzelne werden am 2. oder 3. Tage kreuzlabm, und sterben dann langsam, gewöhnlich tritt aber der Tod am 4. oder 5. Tage plötz­lich ein.
e. Die S ch weine zeigen unmittelbar vor dem Ausbruch der Wuthkraukheit in den früher gebissenen Theilen (hauptsäch­lich in der Narbe) ein Jucken, weshalb sie dieselben belecken und reiben und wobei diese Theile anschwellen, heiss und ge-röthet werden, auch dieNarben zuweilen wieder aufbrechen. Hierzu kommt Verminderung und dann Verlust des Appetites, öfteres Knirschen mit den Zähnen, vermehrtes Speicheln und oft auch Schäumen im Maule. Periodenweis tritt ein sehr unruhiges Benehmen ein, wobei die Thiere in der Erde oder in der Streu mit Heftigkeit wühlen, die Letztere zerbeissen, Holzwerk zernagen, selbst in Steine und Eisen beissen, rund herumlaufen, an den Stallwänden in die Höhe klettern wollen und nach allen in ihrer Nähe befindlichen Gegenständen beis­sen. Säugende Mutterschweine haben hiermit ihre eigenen Ferkel nicht verschont, und ich habe in ein Paar Fällen ge­sehen, dass die wuthkranken Schweine 4 Fuss hoch fast senkrecht in die Höhe gesprungen sind und dass hierbei in dem einen Falle ein grosser Mann in den Oberarm gebissen wurde. Sie sind deshalb gefährlich und ihre genauere Unter­suchung ist schwierig. Man sieht jedoch, dass die Augen in der ersten Zeit der Krankheit einen wilden Glanz haben und ihre Pupille erweitert, die Borsten auf dem Rücken gesträubt sind und dass die Thiere öfters wie von Frostschaudern oder von kurzen Convulsionen erschüttert werden; wasserscheu sind sie nicht, sie nehmen im Gegentheil gern das Getränk an, können jedoch dasselbe oft nicht gehörig hinabschlingen. Die Wuthanfälle dauern etwa 20 bis 30 Minuten, wiederho­len sich aber oft, und nach denselben sind die Thiere jedes­mal sehr erschöpft; gewöhnlich werden sie schon am zwei­ten oder dritten Tage der Krankheit schwach im Hintertheil,
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über die Wuthkrankheit bei ileu Thieren.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 191
dann bald wirklich gelähmt, so dass sie nur noch auf den Knieen herumrutschen können; sie behalten jedoch ihre Beiss-sucht noch bis zum Tode fort, der gewöhnlich um den fünften Tag erfolgt.
Ich habe bisher an den Schweinen immer blos die ra­sende Wuthkrankheit gesehen und deshalb die Unterschei­dung der beiden Formen der Krankheit nicht so wie bei den übrigen Hausthieren feststellen können.
f. Wuthkranke Katzen habe ieh nur drei zu beobachten Gelegenheit gehabt und an denselben Folgendes gefunden.
Die vorher an das Haus und an ihre Eigenthümer ge­wöhnten, von denselben stets freundlich behandelten, und ganz gutmüthigen Thiere versagten das Futter, wurden un­ruhig, wechselten mehrmals ihre Lagerstelle, sie verkrochen sich unter die Sophas oder in einen Winkel der Wohnung, kamen nach kurzer Zeit wieder zum Vorschein, und endlich suchten sie aus der Wohnung zu entkommen, sie kehrten aber nach 4 bis 8 Stunden wieder zurück und setzten das vorige Benehmen fort; aber gewöhnlich schon im Verlaufe des ersten Tages sprangen sie ohne Veranlassung an eine Person und bissen dieselbe in die eben zufällig bewegten Hände oder in die Füsse. In dem einen Falle war das Beissen ganz sanft geschehen und die Katze ging sogleich wie­der von der Person fort und legte sich still unter das Sopha; in einem zweiten Falle hatte zwar die Katze bei dem lauten Schreien der gebissenen Frau ebenfalls dieselbe losgelassen, sie sprang aber gleich wieder beissend nach deren Fuss, als dieser zum Weitergehen bewegt wurde; und im dritten Falle setzte sich die Katze sogar gegen den von ihr in die Hand gebissenen Eigenthümer zur Gegenwehr, als derselbe sie mit einem kleinen Stock bestrafen wollte. Eine von diesen drei Katzen wurde in einem Sacke gefangen und in die Königl. Thierarzneischule zur Observation gebracht, — was bei den beiden anderen Thieren nicht zu ermöglichen war, da diesel-
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192nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Ilortwig,
ben in kurzer Zeit immer mehr Beisssucht entwickelten, selbst sehr heftig in die ihnen (zum Fang bestimmten) hölzernen Körbe bissen, und die dritte Katze dabei grosse Sprünge machte, so dass sie über die Körbe und die Menschen hin­weg und zum offenen Küchenfenster hinauskam. Dieselbe kehrte erst am Morgen des dritten Tages sehr matt und abgemagert zurück und wurde vom Eigenthüraer sogleich erschlagen. Wo dieselbe überall gewesen sein mag, konnte nicht ermittelt werden; die Leute aber in den Nachbarhäusern erzählten, dass sie die daselbst befindlichen Katzen heftig ge­bissen und auch einen grossen Hofhund beissend angegriffen hat. Wie ich nun erst erfuhr, so war diese Katze 37 Tage vor dem Ausbruch der Krankheit von einem in demselben Hause gewesenen kranken Hunde, welcher bald darauf gestorben und vom Besitzer angeblich vergraben worden ist, gebissen worden.
Sowohl diese Katze wie auch die beiden andern Katzen haben von Zeit zu Zeit in ihrem Kehlkopfe einen knurren­den Ton, gleichsam ein unvollständiges Miauen hören lassen.
Die zweite Katze, welche in einem isolirt liegenden und sicher verwahrten Zimmer des Besitzers eingesperrt worden war, konnte ich durch die für diesen Zweck öfters von mir geöffneten Thür genügend beobachten. Ihr Blick war wild, die Haare auf dem Rücken und dem Schwänze standen ge­sträubt; sie lag oft 10—15 Minuten, hatte leichte Muskel­zuckungen und sprang bei dem geringsten Geräusch in die Höhe. — Es wurde ihr, da sie ein Liebling der Hsusfrau war, täglich eine Tasse voll frischen Wassers, eine desglei­chen mit Milch, und eine dritte Tasse mit klein geschnitte­nem Fleisch gefüllt, vorsichtig durch die Thürritze hinein­geschoben, aber sie nahmen von dem Fleisch, nachdem sie es berochen, und von der Milch gar nichts, sondern sie leckte nur einigemale von dem Wasser. Kothabgang ist, binnen 3 Tagen nicht erfolgt; von Urin fand man auf dem Fussboden
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nur einen kleinen gelben, nach Katzenurin stark riechenden Fleck. Am zweiten Tage der Einsperrung (3. Tage der Krankheit) erschien das Thier noch sehr aufgeregt und beiss-süchtig; es biss in einen durch die Thürritze gehaltenen Stock sehr heftig und wiederholte dieses mehrmals, als man den Letzteren auf dem Fussboden hin- und herzog. Gegen die Abendzeit wurde die Katze ruhiger; sie lag in längeren Pe­rioden, und wenn sie aufstand knurrte sie einigemale und ging langsam, mit schleppender Bewegung des Hintertheils. Am 4. Tage lag sie fortwährend lang hingestreckt auf der rechten Seite, fast unbeweglich, nur zu\Yeilen den Kopf ein wenig in die Höbe hebend oder mit einem Fuss zuckend; und in der folgenden Kacht starb sie.
Die im Vorhergehenden zuerst bezeichnete Katze hatte ich in der Thierarzneischule in einen kleinen Stall einge­sperrt, der in der Höhe von 6 Fuss über dem Erdboden mit einem Netz von Eisendiaht überdeckt war. Kaum war das Thier in diesen Stall gebracht, so kletterte es sogleich an den hölzernen Wänden in die Höhe und wollte durch das Gitter hinaus; und als ihm dieses nicht gelang, biss es mehrmals heftig in die Dräthe; es sprang auch öfters mit grosser Kraft vom Fussboden fast senkrecht in die Höhe nach dem Gesicht der Menschen, welche von oben her durch das Gitter hineinsahen, so dass wir hierbei mit grösster Vorsicht zu Werke gehen mussten. Drohungen mit einem Stock und starke Schläge mit demselben auf das Gitter hiel­ten das Thier von diesen Sprüngen nicht ab, dasselbe schien vielmehr hierdurch noch stärker gereizt zu werden; denn seine Augen, die Ohren und der in die Höhe getragene Schwanz wurden lebhaft bewegt, es lief hastig im Kreise herum, es sprang öfters bis an das Gitter in die Höhe und blieb während mehrerer Minuten mit den Krallen an demsel­ben hängen. Durch das Bespritzen mit Wasser wurde es ebenfalls aufgeregt. Von dem in den Stall gestellten Fleisch
Uag. f. Tbierbeilk. XL. 3. n. 4.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Jg
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19inbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Hertwig,
und Wasser rührte es nichts an. Ausleerungen von Koth und Uriu wurden nicht bemerkt.
In den folgenden zwei Tagen wurde das Thier allinälig ruhiger, schwächerund sehr mager; aber es versuchte immer noch durch das Gitter zu erweichen und hatte auch noch Neigung zum Beissen in die ihm vorgehaltenen Gegenstände. Auf einen am 3. Tage in den Stall gebrachten Hund sprang es mehreremale wiederholt ganz wüthend los und fügte ihm an verschiedenen Stellen blutende Bisswunden zu; und ebenso benahm es sich gegen eine zu ihm gebrachte Katze, Diese beiden Thiere wehrten sich aber kräftig und bissen auch die kranke Katze an mehreren Theilen blutig. Dieselbe schien von den durch diese Kämpfe verursachten Anstren­gungen ganz erschöpft zu sein; denn sie legte sich nach denselben ruhig nieder, wurde bald darauf vollständig ge-
I nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; lähmt, und starb am folgenden Tage.
Der von dieser Katze gebissene Hund wurde in weite­rer Observation behalten. Er verfiel am 40. Tage in die stille Wuthkrankheit. Die gebissene Katze ist aber sofort getödtet worden, weil ihre längere Erhaltung, wenn vielleicht die Wuthkrankheit bei ihr plötzlich ausbrechen sollte, trotz der angewendeten Vorsicht möglicherweise mit Gefahr ver­bunden sein konnte.
Ich muss hier die Bemerkung hinzufügen: dass einzelne weibliche Katzen im Zustande der Brunst ein ähnliches Be­nehmen wie bei der Wuthkrankheit gezeigt haben, indem sie das gewohnte Futter versagten, unruhig herumliefen, aus den Wohnungen zu entweichen suchten und auch zuweilen gegen Menschen gesprungen, an den Kleidern in die Höhe geklettert sind und Beisssucht gezeigt haben. Die Unterschei­dung dieser beiden Zustände ist aus den Symptomen allein nicht zu machen, sondern nur aus der Beobachtung des Verlaufs zu erlangen. Zu dieser Beobachtung ist aber ein sicherer Aufbewahrungsort erforderlich, in welchem die Katze
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über die Wuthkrankheit bei den Thieren.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;195
während 2—4 Tage isolirt gehalten werden kann. Tn dieser Zeit kehrt entweder der Appetit und ein ruhiges Benehmen des Thieres wieder zurück, oder es folgt Lähmung und der Tod. Wo ein passender Ort zur Aufbewahrung fehlt, ist es zur Verhütung von Verletzungen an Menschen und Thieren am besten, die der Wuth verdächtigen Katzen zu tödten und die von ihnen etwa erzeugten Bisswunden angemessen zu behandeln.
g. Zwei Dachse (Meles vulgaris), die mit Wuthkrank­heit behaftet erschienen, musste ich den einen in den ersten, den andern in den letzten Tagen des Monats August 1869 im König!. Forsthause Grunewald untersuchen. Dieselben hatten ihr Kranksein dadurch gezeigt, dass sie, — gegen den sonst gewöhnlichen Charakter dieser sehr scheuen und trägen Thiere, — am hellen Tage in die Nähe des sehr be­lebten Forsthauses gekommen und ohne gereizt worden zu sein, auf Menschen und Thiere beissend gesprungen waren. Der erste (ein ca. 3 Jahre alter männlicher Dachs) hatte eine auf der Wiese grasende Kuh in die Lippen und eine zweite Kuh in einen Vorderfuss gebissen, und, als der Hirtenknabe ihn mit einem Stock verscheuchen wollte, sprang er mit offenem Maule gegen den Knaben und verfolgte denselben bis auf den Hof, wurde aber daselbst von einem Knecht erschlagen. — Der zweite Dachs (auch männlichen Geschlechts) sprang einem auf dem Fahrwege ganz ruhigen Schritts gehenden Mann, welcher einen Stock in der Hand trug, plötzlich ge­gen den Leib, er erfasste aber nur die Kleider und riss ein Stück aus dem Rock; und als der Mann mit seinem Stock das Thier schlagen wollte, biss Letzteres so heftig in den Stock, dass dasselbe kaum seine Zähne wieder aus dem Holz losmachen konnte. Der Mann liess nun den Stock fallen und lief eiligst in das nahe Jägerhaus, vor welchem ein grosser Jagdhund lag, den der Dachs auch beissend angriff.
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196nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Uertwig,
Letzterer wurde während dieses Kampfes von dem hinzuge­kommenen Förster erschossen.
Das Benehmen dieser beiden TLiere, und der Befund in ihren Cadavern bei der gemachten Obduction, welcher ganz so war wie mau ihn in den meisten wuthkranken Hunden findet, nämlich das Blut durchaus schwarzroth, einige ecchy-raotische kleine rothe und schmierige Flecke im Kehlkopfe, auch im Schlundkopfe, am Magen und an der Aussenfläche des Darmes, den Letzteren ganz leer, im Magen blos eine kleine Menge gelblichen Schleimes und bei dem zuerst ge-tödteten Thiere ein wenig Moos, — berechtigen wohl zu der Annahme: dass die Dachse an der Wuthkrankheit gelitten haben*j. Wie dieselbe in ihnen entstanden sein möge, konnte nicht ermittelt werden; am nächsten liegt wohl die Vermu-thung, dass die Thiere wahrscheinlich durch einen wuthkran­ken Hund, welcher noch im kranken Zustande beim Dachs­graben benutzt würde, durch Bisse inficirt worden sind, da zu jener Zeit in hiesiger Gegend die Krankheit unter den Hunden sehr verbreitet bestand. In Würtenberg, wo sich mehrmals wüthende Dachse in Zeiten gefunden haben, in denen die Wuthkrankheit unter den Füchsen ungemein häufig (fast seuchenartig) beobachtet worden ist, (namentlich im ersten Drittheil des jetzigen Jahrhunderts), hat man das Entstehen der Krankheit bei den Dachsen von den wuth­kranken Füchsen hergeleitet**). In unserer Gegend und uber-
*) Eine Bestätigung dieser Ansicht kann man auch noch daraus entnehmen, dass im Jahre 1795 in der Gegend von Dresden eine, ron einem wüthenden Dachs gebissene Frau, ohne andere Veranlassung, •wasserscheu wurde (Winckells Handb. f. Jäger, 3. Th. S. 9), — und dass im Würtemberg. Oberamt Neuenburg ein von einem Dachs ge­bissenes Schwein ebenso zu Grunde ging (Faber, die Wuthkrankheit der Thiere und des Menschen, Th. 1, S. 99).
**) Fsber, a. a. 0.
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über die Wuthkrankheit bei den Thieren.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 197
haupt im nördlichen Deutschland hat man wuthkranke Füchse niemals kennen gelernt.
Obgleich schon die in vielen Fällen der Wuthkrankheit neben den raquo;pezifischen Symptomen derselben deutlich her­vortretenden Temperaturwechsel, selbst Frostschauder, auf ein fieberhaftes Leiden schliessen lassen, so hielt ich es doch, als vor circa 10 Jahren die abnorme Temperatursteigerung als das wesentlichste Criterium des Fiebers geltend gemacht wurde, für wissenschaftlich interessant, zu erforschen: ob dieses Criterium auch bei der ausgebrochenen Wuthkrank­heit der Thiere bestehe. Ich habe demnach in den mir vor­gekommenen passenden Fällen an 2 Hunden, welche mit ra­sender Wuth, an 2 desgl. mit stiller Wuth, an 3 Pferden, 1 Kuh und an 2 Schafen, am zweiten, resp. am dritten Tage der Krankheit und im letzten Stadium derselben Tempera­turmessungen per anum vorgenommen und hierbei in allen diesen Thieren gefunden:
a,nbsp; dass bis zum Eintritt der Lähmungen die Wärme im Rectum über die sonst bestehende mittlere Temperatur li bis 3 Grad Cls. gesteigert ist; und
b,nbsp; dass bald nach dem Eintritt der Kreuzlähmung eine Verminderung der Wärme bis zum Betrage von 4 und 5 Grad unter die normale Temperatur allmälig immer mehr und mehr bis zum Tode bemerkbar wurde.
Aus diesen Beobachtungen scheint es sich wohl zu be­stätigen, dass in den ersten Stadien der ausgebildeten Wuth­krankheit der Thiere ein Fieber besteht; einen präktischenWerth, namentlich in diagnostischer Hinsicht, etwa so wie bei der Rinderpest, kann ich aber in dieser Kenntniss nicht finden; und sowohl desshalb wie auch wegen der Schwierigkeit und Gefährlichkeit in der Ausführung der Versuche und wegen der in mehreren Fällen entstandenen Unsicherheit des Re-
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198nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Hertwig,
sultates kann ich im Allgemeinen nicht zur Wiederholung derselben rathen. Die Hunde sind am After sehr empfind­lich, sie #9632;widersetzen sich heftig dem Einbringen des Ther­mometers, sie müssen durch einen Gehilfen am Kopfe mit den Zangen, von einem andern am Körper mit den Händen festge­halten werden, während von einem dritten der Schwanz in die Höhe gezogen wird; hierbei echauffiren sie sich so sehr, dass auch bei gesunden Hunden die Wärme oft 2 bis 3 Grad steigt. Trotz des Festhaltens machen die Thiere jeder Art nicht selten eine plötzliche Seitenbewegung, bei welcher das Ther­mometer leicht zerbricht, so dass man die spitzigen Glas­stücke theils in den Händen hat, theils aus dem After her­ausholen muss und möglicherweise von denselben verwundet wird, was mit Rücksicht auf die Natur der Krankheit jeden­falls nicht angenehm ist.
Im Stadium paralyticum der Krankheit ist zwar die Kraft und Widersetzlichkeit der Tbiere viel geringer, aber selbst wenn Letztere schon wie todt liegen, richten sie sich zuweilen noch plötzlich mit dem Kopf in die Höhe und machen Bewegungen zum Beissen.
i
VI.
Hinsichtlich des Obductions-Befundes habe ich leider in den letzten Jahren bei keiner Tbiergattung nach der Wuth-krankeit andere und mehr constante pathologische Verände­rungen in den Cadavern entdecken können, als die schon bekannten. (Magaz. 40. Jahrg. Heft 1. S. 31 u. f.). Stets waren es: haupsächlich kleinere oder grössere, bald heller, bald dunkler geröthete Stellen (Ecchymosen, oft als Entzündungs­flecke bezeichnet), an dem einen oder dem anderen Organ, besonders an der Schleimhaut in der Rachenhöhle, im Kehl-und Schlundkopfe, im Magen und Darmkanal und an der Milz. Die Letztere ist oft ganz normal, zuweilen aber von Blut dick aufgetrieben, schwarzroth, mit Erhöhungen (Tumo-
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über die Wuthkrankheit bei der; Thieren.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;190
ren, Knoten) versehen. Bei den Wiederkäuern findet sicli fast constant dieRötlmng am stärksten im 4. und 3. Magen und der Letztere erscheint meist kugelförmig aufgetrieben und im Innern fest ausgefüllt mit trockenem Futter, so dass der Befund in diesen beiden Theilen eine grosse Aehnlichkeit mit dem Befund bei der Rinderpest zeigt. — 2. Mit Aus­nahme des eben über die Beschaffenheit des dritten Ma­gens Gesagten, findet sich der Magen und Darm bei allen Thieren auffallend wenig Futterstoffe enthaltend, oft ganz leer, oder im Magen nur eine kleine Quantität gelblicher, schleimiger Flüssigkeit; dagegen sind in dem Magen und im Darme der Fleischfresser die früher (S. 31) angegebenen fremdartigen Substanzen gewöhnlich vorhanden. — 3. Das Blut ist immer ganz schwarzroth, im Ansehen dem Anthrax-blut ähnlich; jedoch mehr wässerig, schmierig, ohne plasti­sche Consistenz, nicht gerinnend, und ich habe auch keine stabförmige Körperchen in ihm finden können.
Nach dieser Beschaffenheit des Blutes, nach den ecehy-motischen Blutaustretungen, den nervösen Reizungserschei­nungen, nach den eintretenden Lähmungen und nach dem akuten Verlauf der Wuthkrankheit möchte ich dieselbe für eine spezifische Art von contagiösen Typhus betrachten und sie nosologisch in die Unterabtheilung der Typhoide stellen.
VII.
Ich kann diese Beobachtungen nicht schliessen, ohne einige Worte über die Mittel zur Verhütung, oder wenigstens zurVermin derung der Wuthkrankheit hinzuzufügen, wenn­gleich dieselben im Wesentlichen nur schon Bekanntes ent­halten, und nur Bruchstücke sein sollen.
Da die Erfahrung gelehrt hat, dass die Wuthkrankheit 1. nur in den Hunden genuin entsteht und — 2., dass sie in den meisten Fällen durch den Biss dieser Thiere fortge­pflanzt und auf andere Thiere, so wie auch auf Menschen
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Hertwig,
übertragen wird, so ergiebt sich aus dieser Erfahrung: dass die richtigen Mittel zur Verminderung der Wuthlcrankheit
a.nbsp; hauptsächlich in Maassregeln bestehen, durch welche die Menge der in einem Lande gehaltenen Hunde so viel wie möglich verringert wird;
b.nbsp; in Anwendung von Vorrichtungen an den Hunden, durch welche diese am Beissen möglichst verhindert werden;
c.nbsp; in der polizeilieben Verfolgung aller vorkommenden Erkrankungsfälle bis auf ihren Ursprung; — und in der Vernichtung aller derjenigen Dinge, an denen etwa der An­steckungsstoff von vorhanden gewesenen wuthkranken Thie-ren haften könnte.
Die sub a geforderten Maassregeln erscheinen gebiete­risch notbweudig, wenn man einerseits die ausserordentlich grosse Menge der Hunde kennt, welche sich fast überall in Städten und Dörfern vorfindet, und die zum Theil nur zum Vergnügen oder auch ganz ohne Zweck gehalten wird*) und deren Beseitigung auch keinen reellen Verlust für die Eigen-thümer herbeiführt, und wenn man andererseits erwägt, dass mit der grösseren Anzahl der vorhandenen Hunde auch die Möglichkeit und die Wahrscheinlichkeit zu einem mehr zahl­reichen Entstehen der Krankheit gegeben ist. Dieses gilt ganz gleichmässig sowohl hinsichtlich der Selbstentwicklung der Krankheit wie auch hinsichtlich ihres Entstehens durch Infektion. Die Erstere wird zwar hin und wieder bestritten, ich
*) Ich kenne Ortschaften, in denen viele Häuser von vier oder noch mehreren gewöhnlichen Arbeilsleuten mit Familien bewohnt sind und wo jede Familie einen ITund besitzt, ohne dass ein nützlicher Grund hierzu vorhanden ist. Da diese Leute oft kaum die nöthigen Mittel für die eigene Existenz haben und viele von ihnen ihrer Arbeit wegen täglich aus dem Hauso sind, so treiben sich die Hunde hun­gernd und ohne Aufsicht auf den Strassen herum, wo sie gelegent­lich von tollen Hunden gebissen werden, ohne dass der Eigenthümer es weiss.
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bin jedoch (abgesehen von dem seuchenartig weit verbreite­ten und häufigen Auftreten der Krankheit in manchen Jahren, was sich wohl auch aus fortgesetzten Infektionen erklären lässt), durch einige Beobachtungen zu der Annahme eines primären, genuinen Entstehens der Wuthkrankheit gedrängt, wenngleich dasselbe gewiss verhältnissraässig die seltenere Entstehungsart ist. Wie nun aber auch die Genesis der Krank­heit in den einzelnen Fällen geschehen sein möge, das ist unbestreitbar, dass aus den uns fast unbekannten Gelegen-heitsursacben, wenn dieselben eben vorhanden sind, unter 10 Hunden in einem Orte wohl eher zwei oder drei erkran­ken können als wTenn nur 5 derselben vorhanden sind; und ebenso wird ein toller Hund, wenn er auf der Strasse nnr 2 gesunden Wurden begegnet und sich mit denselben herum-beisst, vielleicht einen derselben infiziren, — wogegen das Letztere bei dem Zusammentreffen mit zehn Hunden an meh­reren derselben geschehen kann.
Die in dieser Beziehung nothwendigen Maassregeln sind : 1. eine im ganzen Lande einzuführende Hundesteuer. Dtr Zweck derselben ist zweifach; einmal soll das Bezahlen der Steuer die Leute veranlassen, die überflüssigen, nur zum Vergnügen gehaltenen Hunde abzuschaffen, und ausserdem die Pflege und Gesundheit der Thiere mehr zu überwachen, als dieses geschieht, wenn dieselben kein Geldobjekt sind. Jlan hat zwar hin und wieder eine solche Steuer in Städten eingeführt, dieselbe hat aber den gewünschten Nutzen nicht überall herbeigeführt. Letzteres ist hauptsächlich darin be­gründet, dass die Steuer in der Umgebung dieser Orte weit und breit nicht besteht. Häufig ist sie auch zu niedrig angesetzt oder sie gestattet zu viele Ausnahmen. Bei diesen Mängeln nützt sie wenig, sie ist nur lästig. Steuerfrei dür­fen nur solche Hunde sein, welche beständig an der Kette liegen, oder zum Viehtreiben, oder zum Ziehen an Karren dienen, und die Hunde wirklicher Revier-Jäger und Förster.
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(aber nicht die der sogen. Sonntagsjäger, welche die Jagd und die Hunde zu ihrem Vergnügen haben).
Für die bezahlte Steuer gibt die Behörde für jeden Hund ein nuraerirtes Zeichen von Blech, welches derselbe am Halsbande öder am Maulkorbe befestigt trägt, wenn er ausser-halb des Hauses des Besitzers herumläuft. Hunde ohne die­ses Zeichen auf der Strasse müssen als herrenlos betrach­tet und von hierzu bestellten Leuten (gewöhnlich von dem Abdecker) gefangen und event, getödtet, die Eigenthümer aber bestraft werden.
Die oben sub b gemeinte Vorrichtung zum Verhüten des Beissens ist der Maulkorb. Mit diesem sollte jeder auf der Strasse oder auf freiem Felde gehende Hund ohne Aus­nahme bekleidet sein, denn mit guten Maulkörben können sie alle, selbst die Hirten- und andere Viehtreiber- und Jagdhunde ihren Dienst verrichten. Man hat gegen die Maulkörbe vielerlei Einwendungen gemacht, wie namentlich: dass sie die Thiere verhindern, das Athmen nach Hundeart durch das aufgesperrte Maul (lechzend) auszuführen, wie dieses besonders im echauffirten Zustande der Hunde gesche­hen muss; — dass die Thiere mit dem Maulkorb auch nicht trinken und nicht bellen können, — dass derselbe sie drückt und ängstiget und sie in Folge dessen krank werden, selbst in die Wuthkrankheit verfallen können, — dass, wenn ein Hund toll wird ohne dass der Besitzer desselben es bemerkt, dieser bei dem Anlegen und Abnehmen des Maulkorbes in Gefahr kommt, gebissen zu werden; — und dass durch den Maulkorb doch das Beissen nicht verhindert wird, also er nichts nutzt u. s. w.
Alle diese Einreden sind unbegründet, wenn der Maul­korb aus einem festen Material besteht, wenn er in der für den speziellen Kopf eines Hundes passenden Grosse und Form richtig angefertigt und wenn er richtig angelegt ist. In Betreff des Materials bemerke ich nur.
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dass Maulkörbe von gehörig starkem Metalldraht, der sich nicht zu leicht biegt, (verbiegt), die besten sind, jeden­falls besser als die Maulkörbe von Leder, und dass die blos aus ledernen Riemen zusammengesetzten Maulkörbe die schlechtesten sind, indem diese, selbst wenn sie massig fest anliegen, das Beissen und die Berührung des gebissenen Ge­genstandes mit den Lippen des Hundes nicht gänzlich ver­hindern, also bei ihrem Gebrauch eine Infection noch ganz möglich erscheint; und wenn dagegen solche Riemenmaul­körbe fest anliegen, so schliessen sie den Hunden das Maul gänzlich und machen ihnen das lechzende Athmen unmöglich.
Ein gut passender Maulkorb von steifem Metalldraht muss so gross sein, dass er an seinem Gesichtstheil die Länge des Hundekopfes von dem Genick bis zur Nasenspitze, bei kleinen Hunden um 2, bei grossen um 3—4 Centimeter über­ragt, so dass der Hund, wenn er beissen will, stets mit die­sem hervorstehenden Theile des Maulkorbes an den Gegen­stand stösst, denselben aber nicht mit dem Maule erreichen kann. Die Drahtstäbe an dem Gesichtstheil müssen nach der Form des Kopfes so gebogen sein, dass sie auf keiner Stelle, namentlich nicht auf den Schläfenmuskeln, auf der Stirn, dem Nasenrücken und der Jochleiste fest aufliegen und Druck erzeugen, und unter dem Unterkiefer muss der Maulkorb von dem Letzteren 2 — 4 Ctm., je nach der Grosse des Kopfes, abstehen, damit der Hund sein Maul innerhalb des Maulkorbes öffnen, also auch lechzen, bellen und trinken kann. Der eigentliche Maulkorb ist durch Drähte oder Metallbänder, welche in der Mittellinie von der Nase über den Kopf bis zum Genick hinaufgehen, mit dem Halsbande oder einem kreis­förmig gebogenen Drahtstabe fest verbunden, der hinter dem Genick wie ein Ring um den Hals liegt; und ebenso ist der Unterkiefertheil des Maulkorbes an seinem hinteren Ende in der Gegend des Kehlkopfes mit diesem Drahtringe verbunden.
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Die beiden Enden des Letzteren sind, je nach der Dicke des Halses bemessen, so lang, dass sie sich am Genick einander erreichen und, das eine Ende als Haken, das andere als Oehse gebogen, mit einander zusammenfügen lassen.
Maulkörbe in der vorstehend augedeuteten Beschaffen­heit lassen sich leicht anlegen und eben so leicht abnehmen, und weil sie die Hunde nicht belästigen, so gewöhnen sich dieselben sehr bald an sie; die Hauptsache ist aber, dass die mit guten Maulkörben versehenen Hunde nicht beissen können. Diese Wirkung der Maulkörbe ist für das ganze Publikum von unschätzbarem Werth, und zwar sowohl wegen des Schutzes gegen die Ansteckung von einer unheilbaren, fürchterlichen Krankheit, wie auch wegen des Gefühls von Sicherheit und Beruhigung, welches entsteht, wenn man sieht, dass ein beisssüchtiger, an einen Menschen anspringen­der Hund mit einem Maulkorb versehen und dadurch unfähig gemacht ist, zu beissen.
Diese Unfähigkeit scheinen auch die Hunde selbst zu fühlen; denn ich habe an mehreren von ihnen beobachtet, dass dieselben Erzraufbolde waren und sich mit andern Hun­den jedesmal blutig bissen, wenn sie ohne Maulkorb gin­gen, und dass sie das Beissen auch mit demselben noch während einigerZeit versuchten; wenn sie aber dies oft frucht­los gethan hatten, knurrten sie blos gegen einander und gin­gen ruhig weiter. Ihr Naturel wurde offenbar hiernach ruhiger.
Hundefreunde und Thicrärzte haben sich bemühet, gute Maulkörbe zu erfinden, welche den Zwecken der San.itäts-polizei entsprechen, den Hund möglichst wenig belästigen und zugleich schön aussehen. Es sind mir nach und nach wohl mehr als ein Paar Dutzend von Maulkörben verschie­dener Construktion bekannt geworden, von denen ich die meisten prüfen konnte, als vor einigen Jahren der Deutsche Thierschutzverein zu Berlin zu einer Preisconcurrenz für den besten Maulkorb öffentlich aufgefordert hatte. Von den hier-
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nach eingesendeten vielen Modellen habe ich diejenigen drei, welche man für besonders gut und für eigenthümlich gehal­ten, auf der hier beifolgenden Tafel II. sub B, C, D, abge­bildet und denselben eine von Erich Viborg, früher rcit-getheilte*) Zeichnung, des von dem berühmten Thiermaler Geh au er in Copenhagen angegebenen Hundemaulkorbes sub A hinzugefügt,
A. Dieser Ge bauer'sche oder trichterförmige Maul­korb ist aus zwei Theilen, - aus dem Gesichtstheil und dem Nasentheil, zusammengesetzt. Der erstere, obere Theil a, b (von Viborg der „Trichterquot; genannt), besteht aus steifem Leder, uraschliesst den oberen Theil der Nase und die Backen; sein oberer Rand geht von der Mitte aus in den Stirnrie­men c, und auf jeder Seite in den Kieferriemen b über, und der Letztere verbindet sich an seinem hinteren Ende mit dem Halsbaude d. — Der Nasentheil ist aus starkem Messingdraht gearbeitet und besteht aus einem hintern und einem vordem Nasenringe und aus vier Nasensteifen. Der hintere Ring welcher fest an den untern Rand des le­dernen Gesichtstheiles genähet ist, muss in seiner Periphe­rie ein wenig grosser sein als der Umkreis des Kopfes an der Stelle, an welcher er seine Lage bekommt. Von diesem Ringe gehen die Nasensteifen, eine obere uud eine untere e, e und zwei seitliche h, in grader Richtung zu dem vordem Nasenringe oder Schnauzenringe, i,i**), mit Welchem sie fest verbunden sind. Der Letztere soll nach Verhältniss der Grosse des Kopfes die Weite haben, dass der Hund das Maul voll-
*) Veterinair - Selskabets Skrifter, 3 Deel, Kiöbonhavm 1818, S. 346, 47. — Es sind daselbst zwei Maulkörbe abgebildet, von denen Viborg den einen als den „taschenförmigenquot; und den andern als den „trichterförmigen'' benannt hat Dem ersteren, der von dem Goldschmied Henriques angegeben worden ist, ist der hier in Ber­lin allgemein gebräuchliche, auf unserer Tafel sub D abgebildete Maulkorb ganz ähnlich, und deshalb verweisen wir auf diesen.
**) Ist auf Ger Abbild, unrichtig mit d bezeichnet.
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ständig öffnen kann, und die Steifen sollen so lang sein, dass der vordere Hing über die Nasenspitze 2—4 Centime­ter hervorsteht, — wie dieses im Vorhergehenden. S. 203 von einem guten Maulkorb verlangt worden ist.
B. Der hier abgebildete Maulkorb hat die beiden Eigen-thümlichkeiten, dass er 1., in seiner Basis aus starkem Me­talldraht (b,b b) und aus einer starken (2 bis 3 Millim. dicken) Seidenschnur (c,c, c,c) zusammengesetzt ist; und 2., dass sein unterer Theil ein Netz von Metalldraht darstellt (a), welches die Schneide- und Hakenzähne des Unterkiefers bedeckt. Die Basis wird von dem Backenstabe gebildet, einem Draht­stück, dessen mittlerer Theil bogenförmig gekrümmt, vor dem Maule liegt, die beiden Enden aber rechts und links neben den Backen, in der Längenrichtung des Kopfes, bis auf den äusseren Kaumuskel hinaufgehen, woselbst sie in Form ei­ner Oehse ringförmig gekrümmt sind, um die Schnur c hin­durchgehen zu lassen. An dieser Stelle verbindet sich mit dem Backenstabe an beiden Seiten ein nach abwärts gebo-genes Drahtstück, der Kehlgangsbogen, welcher unter den Aesten des Unterkiefers am hinteren Ende des Kehl­ganges liegt, und in seiner Mitte eine zweite Oehse besitzt. Beinahe an der Hälfte der Länge des Backenstabes ist ein rund um das ganze Gesicht, über die Nase und den Unter­kiefer gehender Drahtring befestiget und an der Verbindungs­stelle mit der dritten Oehse versehen. Der untere Theil die­ses Ringes und der vordere Theil des Backenstabes dienen dem Drahtnetz a zur Anlage; und der nach oben, über die Nase gehende Theil des Drahtringes ist auf dem Nasenrücken mit zwei Drahtstäben verbunden, welche divergirend einer rechts, der andere links neben der Nase an das Netz des Maulkorbes gehen. An dem oberen Ende dieser beiden Stäbe unmittelbar unter der Stirn befindet sich die vierte Oehse von Metalldraht. Durch diese vier und durch die auf der andern Kopfseite befindlichen zwei Oehsen (welche der be-
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zeichneten ersten und dritten Oehse entsprechen), geht die oben erwähnte seidene Schnur c, c, c hindurch und bildet über die Stirn und über den Kopf zum Genick gehend eine doppelte, vom Genick und um den Hals herum, sowie auch von dem Nasenrücken über den Oberkiefer verlaufend, eine einfache Lage.
Durch diese Einrichtung erhält der Maulkorb ein gerin­geres Gewicht, als wenn er bei der nämlichen Grosse nur allein aus MetalldraLt bestände, er drückt sowohl deshalb, wie auch weil die Schnur sich nach der Form des Kopfes überall anschmiegt, sehr wenig, und er gestattet den Hun­den wohl zu trinken,*) aber nicht andere Subtanzen aufzuneh­men.**) Der Maulkorb soll sich ohne Halsband in seiner Lage erhalten, es ist jedoch sicherer, wenn man ihn in ähn-
*) Die Hunde trinken bekanntlich vermittelst einer leckenden oder schlappernden Bewegung der Zunge; sie gebrauchen hierzu einen grösseren Raum in der Maulhöhle, den sie sich durch das Herabziehen des Unterkiefers verschaffen und wozu innerhalb des Maulkorbes ein entsprechender Raum vorhanden sein muss. Das Trinken kann bei jedem Maulkorb geschehen, welcher diesen Raum besitzt und den Un­terkiefer nicht fest an den Oberkiefer drückt; indessen hatte doch der Einsender dos in Rede stehenden Maulkorbes an demselben die Eigen­schaft, das Trinken zu gestatten, in dem mitgesendeten Motto folgen-dermaassen hervorgehoben: „Ein Motto soll es sein? Nun gut, die Uunde sollen sich freuen, wenn sie mit solchem Maulkorb laufen und unterwegs bequem können saufen quot;
**) Viele Hunde nehmen als ihnen etwas Angenehmes aus jedem Misthaufen faulende Knochen und andere aashaft stinkende Gegen­stände auf und bringen sie ins Haus, andere fressen bei jeder Ge­legenheit so viel Gras, dass sie sich Indigestionen zuziehen, und zu­weilen finden sie auch giftige Substanzen, an denen sie zu Grunde gehen können. Alle diese üblen Zustände werden durch einen Maul­korb mit Drahtnetz verhütet. Die Polizei in Paris hat früher den Ge­brauch solcher Maulkörbe dadurch erzwungen, dass sie durch Agenten täglich wiederholt vergiftete Wurststückchen in die Strassen legen Hess, welche von den ohne Maulkorb herumlaufenden Hunden bald gefunden wurden und denselben den Tod brachten.
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lieber Weise, wie es die drei anderen Abbildungen zeigen, mit einem Halsbande oder mit eißem Drabtringe verbindet.
C. Der dritte hier abgebildete Maulkorb ist von Char-riere in Paris und Lausanne angegeben. Seine Eigentbüm-lichkeit besteht darin, dass ein besonderer ünterkiefertheil beweglich mit dem Oberkiefertheil verbunden ist. Seine Construktion ist folgende:
Der Oberkiefer- oder Kopftheil besteht aus dem Stirn­bügel h, einem platten Baude von Messing, welches den Maulkorb trägt; es beginnt von dem untern Rande der Stirn, geht über dieselbe und über den Kopf zum Genick, lässt sich hier mit dem Schloss n verbinden und sich auch nach der Grosse des Kopfes etwas kürzer oder länger stellen. Das Schloss gehört eigentlich den beiden Enden des Draht­ringes i, der wie ein Halsband rund um den Hals liegt, rechts und links mit der kurzen Kette k zusammenhängt und die sichere Lage des Maulkorbes bedeutend unterstützt. Von dem unteren Ende des Stirnbügels beginnen an jeder Seile des Gesichts zwei, über dasselbe verlaufende Drahtstäbe, ein hinterer e, und ein vorderer f; der Erstere geht abwärts, unter dem Unterkiefer hinweg zur andern Seite hinüber und bildet somit einen Ring um das Gesicht; er ist gewisser-maassen die Basis des ganzen Maulkorbes, indem die übri­gen Theile sich an ihn anlegen. Um die für die Beweg­lichkeit des Unterkiefertheils nöthige Federkraft zu schaffen, st dieser Draht bei e platt gehämmert und kreisförmig ge­krümmt. Der vordere Drahtstab f geht mit seiner oberen Hälfte fast paralel neben dem Nasenrücken, beugt sich dann nach unten und verbindet sich mit dem feststehenden hori­zontalen Stabe d, dessen hinteres Ende an den Stab e be­festigt ist, der mittlere Theil aber vor der Nase bogenför­mig gekrümmt zur andern Seite des Kopfes hinumgeht und sich dort ebenfalls mit dem den Kopf umgebenden Draht­ringe e fest verbindet. Ungefähr in der Mitte zwischen die-
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sen Drähten e und f ist an den Stab d der Nasenimgel g, ein messingener platter Bogen, befestigt, welcher auf dem Nasenrücken aufliegt.
Der Unterkiefer ist an jeder Seite von einem besonde­ren unteren Drahtstabe a, a, — von dem gemeinschaftli­chen obern Drahtstabe b,—und dem nicht bezeichneten Un-terkieferbügel zusammengesetzt. Der untere Stab ist mit seinem hintern Ende unter dem Ringe c des Stabes e befes­tiget, sein vorderes Ende beugt sich vor der Unterlippe nach oben und bildet eine fast senkrecht stehende, 1 Centimeter breite, 3 bis 5 Centimeter lange Oehse, c, welche den ho­rizontalen Stab des Oberkiefertheils locker beweglich um-fasst und mit ihrem untern Ende an den horizontalen Stab des Unterkiefertheils b festgelüthet ist. Dieser letztere Stab umgiebt mit seinem mittleren, bogenförmig gekrümm­ten Theil das Maul des Hundes ganz so wie der Stab d d, unter welchem er an beiden Seiten des Gesichts parallel in der Längenrichtung des Kopfes bis an den Drahtring e verläuft, mit welchem er durch eine 2 bis 3 Ctm. lange, und 1 Ctm. breite Oehse, c, beweglich verbunden ist. — Der Unterkieferbügel ist ein 1 bis 2 Ctm. breites Band von Messing, welches unter den Rändern des Unterkiefers, gegen­über dem Nasenbügel liegt und mit dem Draht a a unter beiden Unterkieferästen fest verbunden ist.
Vermöge dieser Einrichtung kann der Hund, wenn er das Maul öffnen will, dieses durch den Druck seines Unter­kiefers auf den Unterkieferbügel sehr leicht thun; es gehen dann die beiden Theile des Maulkorbes, ebenso wie die bei­den Kiefer auseinander, wobei jedoch der Hund gewöhnlich nicht beissen kann, weil die bogenförmig vor dem Maule hervorstehenden Theile der Drähte b, d die Berührung an­derer Gegenstände mit den Zähnen verhindern. Ich glaube, dass die Sicherheit in dieser Hinsicht sehr vermehrt würde, wenn von der Mitte des Unterkieferbügels ein passend ge-
Mag. f. Thiorheilk. XL. 3. u. 4.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;14
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bogener Drahtstab an die Mitte des Drathes b, fest ange­bracht und hier mit einer senkrecht stehenden Oehse ver­sehen würde, welche au dem Stabe d sich in ganz gleicher Weise nach auf- und abwärts bewegen könnte, wie es im Vorstehenden von den Ochsen c gesagt worden ist.
D. Die Construktion des vierten (sub D gezeichneten) Maulkorbes ist aus der Abbildung sehr leicht ersichtlich. Derselbe ist ganz aus Metalldraht von 2—3 Millimeter, je nach der Grosse der Hunde, zusammengesetzt und er besteht an jeder Gesichtshälfte aus 3 Längen- und 3 Querstäben. Von den Erstered sind 2 Nasenstäbe a a vor der Mitte der Oberlippe anfangend, ein jeder schräg zum Nasenrücken aufsteigend, sich daselbst mit dem mittleren Querstab verei­nigend, dann in den Stirn- und Genickbogen und zuletzt in den Halsring g übergehend. Der zweite Längenstab d geht von demselben Punkte wie der erste, vor der Oberlippe an­fangend, in der LängenricbtuDg über die Backe, beugt sich halbkreisförmig über den Augenbogen nach oben und vorn und verbindet sich bei e mit dem Stirnbogeu. Die dritten Längenstäbe c liegen unter dem Unterkiefer, sind daselbst mit den Querstäben verbunden und vereinigen sich vor dem Kehlkopfe in einem Knoten. — Dieser Maulkorb ist der einfachste, solideste und dauerhafteste und wird am häufig­sten angewendet. In der Zeichnung ist er zu nahe an dem Unterkiefer anliegend dargestellt.
Bei allen Maulkörben ist, ausser den Formen und der passenden Grosse auch das richtige, feste Anlegen derselben ein höchst wichtiger Punkt. Jetler Maulkorb soll dauernd so liegen, dass er von dem Hunde nicht abgeschüttelt, nicht mit den Pfoten oder beim Durchlaufen durch Gebüsch nicht von diesem abgestreift oder so schief gezogen werden kann, dass ein Theil des Maules entblöst erscheint. Es müssen in dieser Hinsicht deshalb nach jedesmaligem Anlegen des Maul­korbes die iiötliige.n Prflfungen angestellt werden, und wenn
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derselbe nicht gehörig festsitzend befunden wird, und wenn er nicht schon eo ipso mit einem Halsbande verbunden ist, so ist, (wie dieses schon oben angegeben ist), das Anbiiiden des Maulkorbes an ein solches Band das sicherste Mittel zur Erhaltung desselben in seiner Lage.
Ich habe im Vorhergehenden geäussert, dass jeder Fail von Wuthkrankheit bei den Thieren, besonders beim Hunde, in BetreiF seiner Entstehung und Verbreitung in einer Gegend erforscht und bekannt werden sollte. Es würde hierdurch in recht vielen Fällen die Brutstätte der Krankheit aufgefunden und ihrer weiteren Verbreitung und ihrem zuweilen langen, durch ganze Jabre fortdauerndem Herrschen vorgebeugt wer­den. In den meisten Staaten bestehen zwar hierauf bezüg­liche Vorschriftea der Behörden, sie sind aber mehrerentheils nicht genug weitgehend, zum Theil auch veraltet, und es wird allgemein darüber geklagt, dass diese Vorschriften zu wenig erfüllt werden In ersterer Hinsicht bemerke ich z. B. nur, dass die Bekanntmachung eines Wuthkrankheitsfalles und das Festlegen der Hunde im Umfange einer halben Meile von dem Orte, in welchem der tolle Hund sich gezeigt hatte, und dass ebenso die gewöhnlich auf 6 Wochen festgesetzte Observation der Hunde eines solchen Ortes nicht genügt; denn die aus dem Hause ihrer Besitzer entlaufenen tollen Hunde schweifen meilenweit herum, und die Incubation bei den von ihnen gebissenen Hunden dauert in einzelnen Fällen bis über 12 Wochen hinaus.
Da ich aber kein neues Veterinär-Polizeigesetz über die Wuthkrankheit machen, sondern nur meine Ansicht über die wesentlichsten Maassregeln gegen dieselbe aussprechen wollte, so breche ich hiermit diesen, ohnedem schon unter der Feder zu lang gewordenen Aufsatz ab.
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