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Streitigkeiten über Gewährsmängel
beim Pferde- und Viehhandel sollten
durch Arbitrage entschieden werden.
Ein Beitrag zur Frage des Währschaf tsrechtes
mit besonderer Berücksichtigung holländischer Verhältnisse.
Inaugural-Dissertation
Erlangung' der Doktorwürde
der
hohen veterinär-medizinischen Fakultät der Universität Bern
vorgelegt von
Geert Lubberink, Reichstierarzt in Zwolle.
Bern.
Buchdruckerei Ott & Bolliger.
1912.
BIBLIOTHEEX
DIERGENEESKUNDE
UTRECHT
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Von der Fakultät auf Antrag des Herrn Prof. Dr. U. Duerst
zum Drucke genehmigt.
Bern, den 7. März 1912.
Der Dekan :
Dr. Schwendimann.
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Herrn Prof. Dr. U. Duerst
in Dankbarkeit gewidmet.
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I. Einleitung.
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Ein für die Praxis der Tiermedizin überaus wichtiges Kapitel
bildet die Frage der Vieluvahrschaft, auch Gewährsmängel im Vieh-
handel (holländisch: koopvernietigende gebreken, französisch: vices
redhibitoires) genannt. Ich hätte mir während meiner Studienzeit
nie vorgestellt, welche überaus grosse Bedeutung dieselben, speziell
für meine eigene Praxis haben würden.
Nach einjähriger Praxis bereits wurde mir ein Fall vorgelegt, von
dem behauptet wurde, dass es sich um einen Gewährsmangel handle;
doch war die Sache von wenig Bedeutung, da die Gegenpartei,
nachdem sie mein Attest gelesen hatte, davon überzeugt war und
das verkaufte Tier sofort wieder in Empfang nahm und den ur-
sprünglichen Kaufpreis zurückzahlte.
So wie mein Klient mir mitteilte, hatte die Gegenpartei ge-
äussert: «Ich habe Angst vor den Advokaten,» und wirklich habe
ich damals mir noch nicht vorstellen können, wie oft bei Gewährs-
mängeln die Herren Advokaten uns Tierärzten zu Hilfe kommen
müssen; denn die Praxis lehrt uns täglich, dass es Menschen gibt,
die, falls sie die nötigen Mittel dazu haben, darauf bestehen, dass
ein Kaufverlust durch das Gericht behandelt werden muss, kostet
es dann auch Tausende mehr, und die von dem Sprichwort: «Wer
plädiert um eine Kuh, gebe lieber eine noch dazu,» nichts wissen
wollen.
Nach sehr kurzer Zeit Hess ich mich in Zwolle, der Hauptstadt
der Provinz Over-Yssel, als Tierarzt nieder (1891).
Diese Stadt ist im In- und Auslande wegen der grossen wöchent-
lichen Viehmärkte und der monatlichen, stark besuchten Pferde-
märkte gut bekannt.
Hier erst wurde ich als Tierarzt besonders häufig gezwungen,
Gewährsmängel zu entdecken; und man würde erstaunt sein,
wenn ich eine Spezifikation von all den Fällen überliefern würde,
die ich in ungefähr 20j ähriger Praxis zu Zwolle untersucht und
behandelt habe.
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Ganz Holland habe ich dieserhalb bereist; ja, nicht allein in
meinem Vaterland, sondern auch in Italien, Deutschland und Belgien
bin ich gewesen, um daselbst Untersuchungen an Ort und Stelle
anzustellen, und nur die Tausende von Pferden und Rindern, die
jährlich unsere Märkte verlassen und in weite Fernen transportiert
werden, sind hiervon immer die Ursache gewesen, da sie mit Ge-
währsmängeln behaftet waren.
Man wird vielleicht fragen: «Warum kommen Gewährsmängel
besonders bei Vieh vor, das auf Märkten verhandelt wird?»
Die Antwort hierauf kann kaum anders lauten als: «Solche
Tiere sind sehr vielen ungünstigen äussern Einflüssen ausgesetzt,
viel mehr als solche, die ruhig im Stalle des Eigentümers stehen
bleiben und daselbst zum Verkaufe gelangen.»
Wie oft müssen die Tiere, wenn der Markt still ist und das
Wetter zu wünschen übrig lässt, während vieler Stunden in einer
Temperatur verbleiben, woran sie in dem Stall des Eigentümers,
in dem sie sorgfältig gepflegt werden, nicht gewöhnt sind (Ursache
zu Erkältungen etc.).
Der Viehhandel bringt es aber auch mit sich, dass, wenn ein
Muttertier geworfen hat, es öfters sofort nachher zum Markte ge-
bracht wird; ja, es kommt selbst vor, dass es zum Markt gebracht
wird, bevor es von der Nachgeburt gesäubert istl
Kaum Mutter geworden, wird das Tier auf den Markt geführt,
und versucht der Eigentümer dasselbe mit Vorteil zu verkaufen,
indem er dabei weniger auf das Wohl und Wehe des Tieres achtet,
sondern nur durch die Auri sacra fames getrieben wird, und weiter
beeilt er sich mit dem Tier per Eisenbahn nach einem anderen
Viehmarkt, um daselbst das Tier aufs neue dem schlechten Wetter
auszusetzen.
Wieviel Gebärmuttererkrankungen, Lungenkrankheiten, Brust-
fellentzündungen, Eutererkrankungen sind gerade hiervon die not-
wendige Folge, und es sind auch wiederum gerade die Rinder, die
von Viehmärkten gekommen sind, die am häufigsten die Ursache
von Prozessen über Gewährsmängel bilden.
Auch bei Pferden kommt es vielfach vor, dass ein Gebrechen
der Atmungsorgane ein zur Wandelungsklage berechtigender Fehler
ist, wenigstens wird seitens des Käufers behauptet, dass dem so
sei. Bevor die Pferde nach dem Auslande verkauft werden, pflegt
man sie stark zu füttern, und sie verrichten wenig. Arbeit, und so
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ist es gar nicht anders möglich, als dass während des Transportes
oder des Aufenthaltes auf dem Viehmarkt der ungewohnte Tempe-
raturwechsel Ursache des Gebrechens der Atmungsorgane ist. Der
Käufer des Pferdes, der sei es in Holland oder im Auslande wohnt,
sagt: «Das wird das Tier wohl schon bei dem Verkäufer gehabt
haben!» Er konsultiert einen Tierarzt, und schon oft ist dies der
Grund dazu gewesen, einen Kauf rückgängig zu machen.
Ferner besteht noch eine weitere sehr wichtige Ursache, warum
gerade die Viehmärkte die hauptsächlichsten Lieferanten der «ver-
borgenen Fehler > sind.
Gibt es nicht eine ganze Anzahl Leute, die ein Geschäft daraus
machen, mit «fehlerhaftem» Vieh zum Markte zu kommen? Dadurch
wird manch einer das Opfer solcher unehrlichen Machenschaften.
Sind die jeweiligen Körungen bei Viehmärkten hier zu Lande auch
noch so streng, es passieren stets wieder dergleichen Dinge.
Ich kenne bei uns Leute, die sich keine Gewissensbisse daraus
machen, um eine ihres Wissens auf unehrliche Weise erhaltene
Kuh zu verkaufen, dieselbe gegen billigeren Preis wieder zurück-
zunehmen, weil der Käufer einen Prozess umgehen will, und die
dann die Kuh auf» neue als gutes, brauchbares Vieh wieder ver-
kaufen.
Ich erinnere mich z. B. folgenden Pralles: Ein sehr bekannter
Pferdehändler verkaufte ein Pferd. Der Käufer fragt: «Garantieren
Sie, dass das Tier fehlerfrei ist?» Danach gab der gewissenlose
Kerl, indem er das Tier am Zügel fasste, zur Antwort: «Daar
sta ik voor! » *)
Kaum ist der Bauer mit dem Pferde zu Hause, und er ent-
deckt, dass das Pferd ein schweres Gebrechen am linken Auge
hatte. Auf dem Markt hatte er die Augen nicht untersucht und
den Kauf auf «gutes Vertrauen» geschlossen.
Dergleichen Kniffe wendete dieser Verkäufer öfters an und
hatte dabei den Vorteil, dass er dabei sehr ernst aussehen konnte,
so dass ihm seine unehrlichen Geschäfte oft glückten, und dann hatte
er noch ein wenig «Nacharbeit», wie er sagte, wovor er jedoch
keine Angst besass. Es gibt leider viel zu viel Leute, die mit dem
*) « Davor stehe ich >, was in der holländischen Sprache gleichbedeutend
ist mit: < Dafür garantiere ich >. Hier sollte es aber nur heissen, dass der
Händler «vor dein Fehler», d. h. dem kranken Auge stehe.
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Viehhandel zu schaffen haben, die mit den gesetzlichen Vorschriften,
die auf eine Rückgängigmachung des Kaufs Bezug haben, absolut
unbekannt sind. Es wäre wünschenswert, dass diese Personen ein-
mal ein einschlägiges Werk, wie das von van Leenioen, *) einsähen,
bevor sie zu Markte gehen.
Habe ich nunmehr gezeigt, dass die Viehmärkte das Haupt-
kontingent der Gewährsmängel stellen, so muss ich jetzt noch
betonen, dass es eben dem gewöhnlichen Käufer schwer ist, wenn
nicht gar unmöglich, solche Fehler zu entdecken. Nicht mit Unrecht
spricht § 1540 des holländischen Bürgerlichen Gesetzbuches von
«verborgenen Fehlern» ; es sind aber solche, die allein bei beson-
derer Fachkenntnis und bei einer sehr eingehenden Untersuchung
wahrgenommen werden können.
Manchmal muss man dabei von wissenschaftlichen Hilfsmitteln
Gebrauch machen, und es kommt oft vor, dass man erst bei der
Oeffnung der Leiche das Gebrechen konstatieren kann.
Hierbei kann ruhig gesagt werden, dass die Aufgabe, die einem
Tierarzt dabei gestellt wird, meist eine sehr schwierige ist, und es
ist auch nicht zu verwundern, dass hierin die Meinungen der Fach-
männer auseinander gehen.
Der Sachverständige muss nicht allein ein tüchtiger Tierarzt
sein, nein, er muss dabei auch gleichzeitig eine gute Kenntnis der
Gesetze haben, und zwar derjenigen Paragraphen, die auf den Aus-
gleich in Streitigkeitssachen von «Kaufverlusten» Bezug haben.
Nicht allein in seiner Eigenschaft als gerichtlicher Sachver-
ständiger muss der Tierarzt über oben Erwähntes verfügen, sondern
auch als Schiedsrichter (Arbiter), wozu er mehrfach durch eine oder
beide Parteien ersucht wird, um die eine oder die andere Angelegen-
heit ins Reine zu bringen.
Hinsichtlich der Rechtsgelehrten endlich, die ab und zu damit
beauftragt sind, um die Streitigkeiten, die im Viehhandel entstehen,
zu vergleichen oder auch die Verteidigung einer der Parteien zu
führen, möchte ich hier nur bemerken, dass ich in meiner Praxis
mehrfach erkannt habe, dass manche derselben bitter wenig von
den im Viehhandel vorkommenden Gebräuchen und von den vor-
kommenden verborgenen Fehlern wissen.
*) van Leeuiven, Koopvernietigonde Gebreken in den Veehandel.
II. Druk. Groningen 1905.
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Dies ist auch nicht zu verwundern, da ja sehr viele Rechts-
gelehrte durchaus nicht täglich mit dem Viehhandel in Berührung
kommen. Immerhin gibt es auch hier solche, die durch die Ver-
hältnisse zu ganz hervorragenden Kennern der Gewährs- und Vieh-
handelsfragen geworden sind und daraus ihre Spezialität gemacht
haben.
Die Grosszahl aber ist dem Wesen dieser Rechtsfragen doch
noch völlig fremd.
Um hierzu ein beweisendes Beispiel zu geben, erinnere ich
daran, dass man stets über den bekannten Termin von sechs Wochen
streiten hört, anfangend mit dem Augenblick dos Kaufes, während
«eichen Termines der Verkäufer eines Tieres für alle verborgenen
Fehler einstehen müsse. In keinem einzigen Paragraphen unseres
Bürgerlichen Gesetzbuches ist aber von einem solchen Termin die
Rede, und dazu ist schon mehrfach durch gerichtliche Urteile die
Ungültigkeit davon festgestellt worden.
Jeder Sachverständige wird erkennen müssen, dass ein solcher
Termin nicht angenommen und verteidigt worden kann. Die be-
rühmten sechs Wochen sind ein Gewohnheitstermin, der im Mittel-
alter entstand, als die Tiermedizin noch auf sehr niedriger Stufe
stand. Es ist darum auch ein sehr gutes Zeichen, dass verschiedene
Rechtskollegien diesen Termin nicht mehr innehalten, und man kann
von Glück sprechen, dass bei den vielen Streitigkeiten, die beim
Viehhandel vorkommen, in unserem Vaterlande verhältnismässig
wenig Prozesse über diesen Punkt geführt werden.
Endlich möchte ich noch einen letzten Punkt hier signalisieren.
Es ist gar nicht selten, dass die Gewährsstreitigkeiten ihrerseits
Anlass geben zu Zwistigkeiten zwischen den Tierärzten beider Par-
teien, indem jeder auf seiner vielleicht mit bestem Wissen und
Können gestellten Diagnose beharrt und hierauf die Persönlichkeit
nicht von der Sache mehr zu trennen vermag und seinen Gegner
durch Handlung und Gesinnung wissen lässt.
Ich habe es in meiner Praxis erlebt, dass meine Partei die
Sache nicht zum Austrag zu bringen wünschte, weil, wie sie sagte,
der Tierarzt der Gegenpartei viel älter war als ich (es galt einer
Sache, als ich erst ein Jahr Tierarzt war), also, mit andern Worten,
mehr Erfahrungen als ich haben müsse.
Wie sehr ich auch behauptete, dass das Pferd mit sehr ver-
altetem Pfeiferdampf (Cornage) behaftet sei: nein, sagte der Gegen-
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tierarzt, der meiner Partei weiss gemacht, dass das Tier Bronchial-
katarrh habe und in einigen Wochen wieder hergestellt sein würde.
Als ich den Eigentümer nach Verlauf von einem halben Jahre
einmal wieder nach dem Pferde fragte, war er so ehrlich, mir zu
bekennen, dass der Gegentierarzt ihn zum Narren gehabt habe
und dass er das Pferd mit Fl. 300 Schaden wieder verkauft habe.
Auch damals erachtete ich noch den Termin von sechs Wochen
nach dem Verkaufstage in Kraft, und es war deshalb auch nichts
mehr daran zu ändern.
Oft endigen aber im Viehhandel solche Streitigkeiten mit Un-
kollegialität.
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II. Geschichte des Währschaftswesens
bis in die neueste Zeit.
Der heutige Kulturmensch pflegt von vornherein, auch ohne
juristische Studien, nur durch Vererbung und Jugenderziehung,
einigermassen zu wissen, was Recht und Unrecht ist. Wir wollen
ja gerne zugeben, dass die Anlagen des Rechtsgefühles bei den
Menschen verschieden sind. Aber dennoch sind solche Anlagen
zweifelsohne vorhanden und erst im Laufe der Zeit herausgebildet.
Der Begriff des Sachenrechtes ist notgedrungen geknüpft an
denjenigen des Eigentumes, denn ein primitives Volk, ohne jedes
Privateigentum, bedurfte auch keines Rechtes zum Schutze desselben.
Sobald aber im Menschen der Begriff des Dein und Mein erwachte,
entwickelte sich auch das erste Recht, das in seinen Strafen unsern
modernen Auffassungen ja durchaus nicht mehr entspricht.
Mit dem Uebergange der Haustiere in das menschliche Eigentum,
was in Buropa jedenfalls schon in grauen neolithischen Zeiten, ja
möglicherweise schon früher geschah, entwickelte sich allmählich
auch der Tausch und der Handel mit denselben, d. h. ihr Uebergang
aus dem Besitz des einen Individuums in den eines andern. Die
Haustiere wurden Gegenstand öffentlichen Verkehres, und infolge
davon mussten sich gewisse Bestimmungen heranbilden, die bei dem
Tauschhandel jeweils zur Ausübung gelangten.
Die Währschaft hat sich natürlich bei denjenigen Völkern am
ehesten und besten entwickelt, die ausser grossen Viehherden auch
eine hohe Kultur und speziell eine Liebhaberei für genaue Buch-
führungen aller Art besassen, wie die klassischen Völker des Orients,
die Babylonier und Aegypter.
Schon in den Gesetzen des Hammurabi finden wir, wie uns
Albrecht*) erzählt, die Bestimmung, dass jeder Ankauf von Haus-
tieren, um legale Gültigkeit zu erlangen, vor Zeugen schriftlich
abgefasst sein musste. Jede andere Art der Erwerbung lässt den
Verdacht der Unreohtmässigkeit und des Diebstahles zu, worauf
*) Albrecht, Forensische Tiermedizin der Babylonier. Berliner Tier-
ärztliche Wochenschrift 1903, pag. 824, und 1905.
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die Strafe des 10—30fachen Ersatzes des Gestohlenen und bei
NichtZahlungsfähigkeit die Todesstrafe stand.
Herrn Prof. Dr. Duerst gebührt aber das Verdienst, noch ent-
deckt zu haben, dass die Babylonier in ihre schriftlichen Vieh-
handelskontrakte auch die Garantie für gewisse Eigenschaften der
betreffenden Haustiere aufnahmen, also schon eine eigentliche Vieh-
währschaft mit schriftlicher Form besassen, wie dieselbe heute in
einigen Staaten von Gesetzes wegen als Neuerung eingeführt wird.
Herr Prof. Dr. Duerst hatte die Güte, mir aus seiner Sammlung von
babylonischen Tontäfelchentexten folgendes von 529 v. Ohr. stammende
Beispiel, zum Beweise des Gesagten, zur Publikation zu überlassen:
Ein achtjähriger Esel (oder Pferd), ein dunkelfarbiger, auf
dem kein Fleck ist, welchen Nidintum-Bil, Sohn des Har-ibni, für
50 Sekel Geld unter Abschlagszahlung an Bil-usallim, Sohn des
Simillu, Sohns von Ipis-ilu, gegeben hat. — Die Garantie für.....
(hier eine unübersetzbare Eigenschaft, vielleicht das Freisein von
Krankheiten) des Esels trägt Nidintum-Bil, Sohn des Har-ibni.
Zeugen: Nabü-sum-ukim, Sohn des Nirgal-usalim, Sohns von Signa,
Ina-iss-itu, Sohn des Ina-Isajil, Sohns von Illati
und der Schreiber Rimüt-Bil, Sohn des Bil-ikisa, Sohns
des Bil-itirü.
12. Ulul. Jahr des Regierungsanfangs von Kambüzia, Königs
von Babylon und Königs der Länder.
Von den alten Aegyptern und den Israeliten sind uns keine
derartigen Kaufkontrakte mit Währschaftsbestimmungen überliefert
worden, obwohl, wie uns der Stierhandel des Amenmes zeigt,*) die
Kaufkontrakte bei den Aegyptern, der Legion der Schreiber ent-
sprechend, ebenfalls schriftlich aufgesetzt wurden.
Auch das Gesetzbuch der Indier, das Manava Dharma Sastra gibt
ausser den vielen Vorschriften über Haftpflicht bei Schaden, der durch
die Haustiere entsteht, wie sich solche ja auch in der mosaischen
Gesetzgebung finden, nichts über das Wäbrschaftsrecht an.**)
Erst die römische Gesetzgebung machte hier Vorschriften und
stellte Regeln auf.
*) Victor Loret, Les animaux reproducteurs dans l'Egypte ancienne.
Recueil de travaux relatifs ä la philologie et ä l'archeologie ögyptienne
et assyrienne. XVIII8 annee. Paris et Caire.
**) Panckoucke, Les lois sacrös de l'Orient.
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Die ältesten römischen Vorschriften in dieser Beziehung waren
die sogenannten « Mamilischen Gesetzesformeln für Verkäufer > (leges
venalium vendendorum), die nach ganz bestimmtem Wortlaute der
Anfragen des Käufers vorgeschrieben waren und, da sie gesetzlich
festgelegt, gewissermassen ein Gelübde darstellten.*) Es ist natürlich
klar, dass solche Vorschriften nur so lange Geltung haben konnten,
als der Geist der Treue und der Wahrhaftigkeit noch den Handel
beherrschte. Denn wie unterscheiden sich die damaligen Fragen
des Käufers: Versicherst Du, dass diese Tiere gesund sind? Willst
Du für Schäden einstehen? von denjenigen, die heutzutage z. B.
in Holland üblich sind, wo der Käufer gewohnheitsmässig fragt:
«Ist alles brav und ehrlich ? »
Und wie kernig werden dann gewöhnlich von dem Verkäufer
die Worte geantwortet: «Dafür stehe ich voll und ganz ein! »
Aber wie oft enthalten sie eine Unwahrheit, und wie oft weiss
der Verkäufer auch selbst, dass er eine Unwahrheit gesagt hat.
Wenn es sich nun später herausstellt, dass die gekaufte Ware
doch wirklich unter Betrug erworben ist, wie oft kommt es nun
vor, dass man sich dann doch nicht einmal darauf berufen kann,
um Schadenersatz ra beanspruchen, da z. B. der Verkäufer so arm
ist, dass von seiner Seite nichts zu erwarten ist. Daraus geht hervor,
dass es früher wie heute von grösster Wichtigkeit ist, zu wissen,
von wem man kauft; aber auf grossen Viehmärkten, wo die Vieh-
händler mit ihrem Vieh von weit und breit zusammenströmen, ist
dies ein Ding der Unmöglickeit.
Ja, es kommt selbst manchmal vor, dass der Eigentümer
seine Ware durch den einen oder anderen armen Nachbar ver-
*) Varro beschreibt in § 2 des II. Buches das Vorgehen beim Schaf-
kauf äusserst eingehend. Das Kaufgeschäft wurde in folgender Reihenfolge
erledigt: zuerst wurde der Preis erfragt, dann folgen die Währschaftsfragen,
hierauf wurden dem Käufer die Tiere zugezählt, resp. vorgezeigt, und wenn
sie ihm daraufhin nicht übergeben wurden, so hatte er, ohne eine Zahlung-
geleistet zu haben, das Recht, diese Uebergabe nach dem Rechtskapitel
« De actionibus emti et venditi > zu verlangen. Umgekehrt hat nun aber
sofort nach der Uebergabe der Verkäufer das Recht, sofortige Bezahlung
zu verlangen. — Die Mamilischen Fragen für den Schafkauf schildert
Varro so: Cum emtor dixit: Tanti mi sunt emtae? et ille responsit: sunt,
et expromisit nummos; emtor stipultur prisca formula. Illaque oves qua
de re agitur sanas recte esse, uti pecus ovillum, quo recte sanuui est,
extra luscam, surdam, minam, id est ventro glabro, necque de pecore
morboso esse, habere recte licere, haec sie recte fieri spondesne ?
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kaufen lässt, und dann ist es eine sehr schwierige Sache, hierüber
zu prozedieren.
Dies sind glücklicherweise Ausnahmen von der Regel, und
diese Fälle ausgenommen, hat man schon seit altersher erkannt,
dass nicht allein das eigene «Ich » Rechte hat, sondern dass auch
jeder andere diese Rechte haben muss, und dass man auch ver-
pflichtet ist, diese Rechte anderen gegenüber zu ehren. Denn es
heisst sehr richtig: Was Du nicht willst, das man Dir tut, das füge
keinem andern zu.
Weil man sich mit der weiteren Entwicklung der Nachteile
der Kultur im alten Rom auch darüber klar wurde, dass diese
mamilischen Formeln nichts nützen und, wie Varro sagt, dessen-
ungeachtet der Käufer übervorteilt werde, so gaben die Aedilen,
denen im alten Rom die Marktaufsicht oblag, ein neues Reglement
über den Handel heraus, das das alte sogenannte « Zwölf-Tafelgesetz >
vorzüglich ergänzte und diese Rechtsfrage wenigstens bis ins Kleinste
regelte. Das Bdictum sedilitium besteht aus drei Teilen: das erste
Kapitel handelt von dem Verkaufe fehlerhafter Sklaven, das zweite
von dem Verkaufe fehlerhaften Viehes und das dritte vom Halten
gefährlicher Tiere.
Die Hauptsätze sind etwa die folgenden:
1.   Der Verkäufer, der gute Eigenschaften der Kaufsache, sei
es in positiver oder negativer Form, behauptet hat, muss für die
Wahrheit seiner Aussagen in gleicher Weise haften, wie wenn er
die Haftverbindliohkeit ausdrücklich übernommen hätte. Allgemeine
Lobeserhebungen hingegen verpflichten noch nicht.
2.  Der Verkäufer muss sodann für die zur Zeit des Kauf-
abschlusses vorhanden gewesenen und noch nicht gehobenen Morbi
(Krankheiten) und Vitia (Gebrechen oder Laster) einstehen, wobei
es gegenstandslos ist, ob er von dem Fehler Kenntnis hatte oder
nicht, ob er also betrog oder unabsichtlich fehlte.
Von den ediktmässigen Fehlern wurde aber verlangt, dass sie
die Brauchbarkeit mehr oder weniger beeinträchtigen und ausserdem
dem Käufer nicht leicht in die Augen fallen; denn wenn der Fehler
so am Tage liegt,
dass ihn der Käufer gleich erkennen kann, so
haftete der Verkäufer durchaus nicht. Auf gleiche Weise fällt die
Verantwortlichkeit, wenn dem Käufer der B^ehler bekannt gewesen
ist, da ja dann eine Schädigung nicht vorliegt.
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Es wurden dann eine Reihe von Krankheiten angeführt, die
namentlich bei Sklaven die Ediktklage nicht zu begründen imstande
waren. Aber von den Pferden wurden als wichtige Fehler schon
namentlich aufgeführt: das Rückwärtsgehen der Pferde (cessum
dare) und das plötzliche Scheuen ohne Ursache (jumenta, quse sine
causa turbantur).
3.   Musste der Verkäufer eines Lasttieres auch für die Orna-
menta desselben haften, wie Geschirr etc. Im Nichteinlieferungsfalle
hatte der Käufer das Recht, binnen 60 Tagen diese Gegenstände
einzufordern oder den Kauf rückgängig zu machen.
4.  Der Käufer eines Sklaven oder Haustieres konnte vom Ver-
käufer die Stipulatio duplex verlangen, wonach dann der Verkäufer
beim Kaufabschlüsse versprechen musste, das doppelte des Kauf-
betrages zu ersetzen, wenn sich ediktsmässige Fehler an der Kauf-
sache vorfinden sollten.
Das Grundprinzip des Edictum Eedilitium geht auf einen nahezu
gleichmässigen Schutz sowohl des Käufers als auch des Ver-
käufers hin.
Die bei Ediktsverletzung zu führenden Klagen waren die
folgenden:
a.  Die Wandelungsklage, actio redhibitoria, welche die Aufhebung
des Kaufvertrages zur.Folge hatte.
b.  Die Minderungsklage, actio quanti minoris, die die Erstattung
des Minderwertes im Auge hat.
Es ist natürlich klar, dass die eine der Klagen die andere
ausschliesst. In beiden muss der Käufer den Beweis erbringen,
dass der Fehler schon zur Zeit des Kaufabschlusses vorhanden war.
Die Wandelungsklage ist nicht ausgeschlossen durch einen
zufälligen Untergang des Tieres. Wenn das Tier beim Käufer stirbt,
so wird er frei von irgend einer Ersatzleistung, wenn er nachweisen
kann, dass er und seine Leute das Tier mit aller erforderlichen
Sorgfalt gepflegt haben und der Verkäufer den Gegenbeweis nicht
zu leisten imstande ist. Kann aber der Verkäufer beweisen, dass
das Tier vom Käufer unrecht behandelt worden ist, so steht dem
Käufer dennoch die Berechtigung zur Klage zu, nur wird dann der
Wert des Tieres nach der gerichtlichen Schätzung in Anrechnung
gebracht. Wurde bei Schlachtvieh die Actio redhibitoria eingeleitet,
so musste der Käufer dem Verkäufer nur die brauchbar erfundenen
Fleischstücke zurückgeben gegen den Ersatz des Kaufpreises.
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Immerhin war für die Actio redhibitoria eine kurze Verjährungs-
zeit festgesetzt, nämlich sechs Monate.
Ad b. Anders verhält es sich mit der Actio quanti minoris.
Während man nur einmal auf Wandelung klagen konnte, war inner-
halb eines Jahres eine Minderung wegen jedes sich zeigenden
Fehlers gestattet.
5. Endlich stand dem Käufer noch die alte, schon im Zwölf-
Tafelgesetze erwähnte Schadenersatzklage zu, die Actio emti dictum
promissum,
aber nur dann, wenn sie in der Tat im Kaufvertrage
ausdrücklich zugesagt worden war.
In ganz schweren Fällen war endlich die Klage auf Betrug,
die Actio doli, noch möglich.
Die germanischen Völker gelangten unter dem Einflüsse der
römischen Kultur ebenfalls dazu, ähnliche Gesetze aufzustellen.
Die Anregung zur Abfassung der meisten Gesetzbücher ging
von den Königen aus; durch die Verwandtschaft der Stämme er-
gaben sich dann nähere Beziehungen gewisser «leges» zueinander;
man kann daher das salische und ripuarische, das alemannische
und bayerische, das friesische, thüringische und sächsische, das
burgundische und westgothische Gesetz einander zugesellen.
Zuerst entstand, wahrscheinlich unter König Ohlojo (gest. 447),
die Lex Salica, das alte Recht der salischen Franken. Hierauf die
Lex Ripuaria, unter König Theodorioh 511—534 geschaffen. Dann
die Lex Alamannorum, deren ältester Teil, der «Pactus», schon
558 aufgezeichnet wurde.
Die Lex Bajuvariorum wurde unter König Dagobert (gest.
638) verfasst.
Von der älteren Fassung der Lex Wisigolhorum, die unter
den Königen Leovigild und Reccared I. entstand, haben sich nur
wenige Reste erhalten, hingegen ist das Liber judicum der Könige
Chindaswind und Rekeswind ein vorzüglich ausgeführtes Gesetzbuch,
das auf das römische Recht grossen Einfluss ausgeübt hat.
Der älteste Teil der Lex Burgundionum entstand unter König
Gundobad (517 gest.).
Die Longobarden-Gesetzgebung knüpft sich an an das Judicium
Rotharis
(643) an. Hier macht sich ein sehr aufgeklärter und
humaner Geist geltend.
Sodann sind hier noch zu nennen, die Lex Saxonum, di T^ex
Friesionum,
die Lex Anglorum et Werinorum i. e. Thuringiorum,
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ferner noch die angelsächsischen, isländischen und dänischen, ober-
schwedischen Gesetze, die aber im Gegensatz zu den vorigen in
der Landessprache geschrieben wurden.
Alle diese Gesetze sind durchaus nicht übereinstimmend mit
dem römischen Recht, denn da die Viehzucht bei den alten Deutschen
eine Hauptbeschäftigung, ja sogar das Alpha und Omega des Lebens
war, so lassen die ältesten der gemanischen Volksrechte die Wandel-
barkeit des einmal geschlossenen Kaufes und Tausches gelten und
gestatten nur ausnahmsweise Anfechtung des Vertrages wegen ver-
heimlichter
Mängel binnen einer kurzen Frist.
Ueber drei Nächte hinaus haftet der Verkäufer überhaupt nicht,
ausser wenn er in dieser Zeit nicht aufzufinden war.
Neben dieser kurzen Gewährsfrist ist besonders das Aufführen
von bestimmten Krankheiten und Gebrechen beachtenswert, die
augenscheinlich besonders häufig die Ursache der Vertragsanfech-
tung waren.
So verlangt das ripuarische Gesetz (XXXVI, 11) von einem
guten Pferde, dass es sehend und gesund sei. Der gerichtliche
Wert eines solchen gesunden Pferdes war sechs, der einer Stute
drei Schilling.
Das bajuvarische Gesetz *) enthält sogar die Angaben einzelner
Mängel, so: Blindheit, Bruch, Fallsucht und Ausschläge. Andere
Autoren übersetzen statt Fallsucht und Ausschlag: Steifigkeit und
Rotz (Anton, Teutsche Land).
Diese Mängel nun berechtigten aber nicht ausschliesslich zur
Klage, sondern waren wegen ihrer hervorragenden Bedeutung als
besonders gefürchtet namhaft gemacht worden, wodurch denn der
*) Tomus XV, cap. 9, des bajuvarischen Gesetzes enthält folgenden
Passus: < Nemo firmitatem venditionis inrumpat, nisi forte vitium in-
venerit quod ille venditor celavit, hoc est in mancipio, aut in caballo, aut
in qualicunque peculio, id est autem coecum, aut herniosum, aut caducum,
aut leprosum. Si autem venditor dixerit vitium, stet emptio. — Si autem
non dicerit, mutare potest. — Si plus de tribus noctibus habuerit, non
potest mutare. Nisi forte id invenire non potuerit infra tres dies, tunc
quando invenerit, recipiat qui vitiatum vendidit. Aut si non vult recipere,
juret cum sacramentali uno, quia vitium ibi nulluni sciebam in illa die,
quando negotium fecimus: et stet factum. >
Caducus heisst bekanntlich zum Fallen geneigt, und daher kann man
in der Tat darunter verstehen Epilepsie oder Steifigkeit. Leprosus heisst
bekanntlich aussätzig und kann somit beim Menschen die eigentliche
Lepra bedeuten und übertragen beim Pferde den Rotz.
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Grund gelegt wurde zu der später allgemein üblich gewordenen Be-
zeichnung « Hauptmängel».
Die angelsächsischen Gesetze berichten: Wenn jemand ein
Tier kauft, und dann an ihm irgend einen Fehler findet, innerhalb
dreissig Nächten, so liefert er es dem Verkäufer zu Händen, oder
dieser schwöre, dass er keinen Mangel an ihm wusste, als er es
ihm verkaufte.
Der Sachsenspiegel schreibt:*) « Dreierleie ding sint an eime
ieglichen pferd, ap is dem andern vorkewfnt, vor die her im weren
sal, das ieste vor Unrechtem, anfange, das andir vor starblint und
das dritte vor hawptsich. Vor hawptsich wert man obir 14 nacht
— vor starblind 4 wochen. — Wer auch das in den genanten
tagin jeme, icht wedir verkündiget, wedir den her is gekawfft hat,
denne dornach mag her is nicht gethun. verkündigt her is abir
jeme in der czit, her muss sin pfert wedir nehmen und mus desen
sin gelt wedir gebin; verkündigt her is abir jeme nicht wider in
der benanten czit, so mus her sinen kawff behaldin.
« Gebe her im abir schult, her hette im das pfert verkawfft mit
eime rechten unwandilweren namen und hette den gebrechin an
em wol gewust, so muss her im dorumb sprechin jo adir neyn,
und wil her sich deme des entschuldigen, so mus her swerin uff
den heiligin, das her den gebrechin an dem pferte czu der czit
nicht gewust in habe, do her is im verkawffte. Wil her sich abir
des nicht entschuldigen, so sal her sin pfert wedir nemen und mus
desin sin gelt wodir gebin. »
Das Hamburger Statut von 1292 erklärte: «So wan so ein
man coft einen coep und godes penning dar op ghift, de coep scal
to recht stede wesen, is id varende have. Id ne scal over nen man
ghan uth der stat uame goet vore to copende. So we dat deit, de
scal dal beteren mit 3 marken zulveres dheme rade. Guame aver
ein man in dhe stat vor sineme goede u. verkofte he id eir id gueme,
dat moet wol sin, behalven körne. So welkerhande goet ein mann
koft u. besuth u. nae sine werbringhet, dat scal he ghelden.
«Ware aver koren ofte holt an eneme schepe, u. boven beter
were denne neden, u. nicht gheseghet wurde, so wat ein man des
goedes an sine were bringet, dat scal he he ghelden, u. dat andere
*) Diese und die zwei folgenden Originalvorschriften entnehme ich
Falke, J. E. L., Compendium der Veterinär-Jurisprudenz. Braunschweig 1850.
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nicht, u. de id valschelike in dheme schepe hevet scal id beteren
mit 3 mark zülvers. Oft ein man quic u. besuth he id, he scal id
ghelden. Ein man moet wol swin besen, dar he se coft, ofte se
ghewe sin. Coft och ein man ein perth, dar ne darf he nicht ane
waren den men dar ane suth, sunder hovetseec, ere verwort ne
sin anders.
»
Die Nürenberger Stat-Reformation von 1564 benachrichtete:
«Wann Ainer dem andern ein Pferd verkaufTt, so ist er gegen dem
Kauffer nach Herkommen dieser Stat, für die folgenden Wandel zu
steen, verpflicht, nemlich für Rützig, Reudig und harschlechtig,
viertzelien tag lang nach beschehenem Kauf und Zustellung des
Pferdes.
«Were aber das verkauft Pferd geraubt oder gestolen, und der
Kauffer dasselb widergeben müsst, so ist der Verkauffer, den Kauffer
schadlos zu halten, schuldig.
«Wurden dann Schwein, oder andere dergleichen Tiere, die der
Schaw bedörfen, verkauft, die sollen durch die schaw dem Kauffer
gefertigt werden, und die werscliaft viertzelien tag, wie oblaut,
besteen.»
Bin Ratsbeschluss vom 23, Juli 1663 und 14. Juli 1640 be-
stimmt noch das Kollern, und bei Schweinen und anderen Tieren
die Eiterflüssigkeit mit 4 Wochen, und die Meerlinsen mit 6 Wochen
Gewähr ordnet ein Dekret vom 12. Januar 1697.
Allgemein kann man also sagen, dass der Käufer von dem
Kaufe zurücktreten konnte unter den folgenden Bedingungen:
1.   Wenn die Fehler verheimlicht werden konnten und vom Ver-
käufer wirklich verheimlicht worden waren.
2.  Wenn dieselben in einer bestimmten Frist erkannt und dem
Verkäufer mit der Aufforderung zur Wandlung angezeigt
worden waren. Diese Frist — die spätere Gewährszeit —
betrug, wie bei andern Gegenständen, in der Regel 3 Tage,
in dem germanischen Norden jedoch, nach altem angelsäch-
sischen Rechte, 30 Tage. Diese Zeit war keine eigentliche
Verjährungsfrist der Klage, sie hatte mehr den Sinn, der
Haftung des Verkäufers eine Grenze zu setzen und dem Käufer
zugleich eine Zeit zur Prüfung zu geben, sie war eine Probe-
zeit (Probetage),
3.  Eine weitere Voraussetzung bei der Wandlung war, dass der
Verkäufer den Mangel gekannt haben musste;
derselbe wurde
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sogar zum Schwüre zugelassen, dass er den Fehler nicht ge-
kannt habe,
eine Bestimmung, die nur bei der alten deutschen
Biederkeit ohne Gefahr sein konnte. Man war eben gewohnt,.
Treue und Glauben im Verkehr vorauszusetzen.
Im erwähnten angelsächsischen Gesetze hiess es hierunter:
Wenn jemand ein Tier kauft und in den ersten 30 Tagen irgend eine
Krankheit an demselben bemerkt, so muss der Verkäufer die Hand
auf das Tier legen und schwören, dass er davon nichts gewusst habe.
Das alte schwedische Gesetz weicht hiervon wiederum ab; es
betrachtet den Kauf der Haustiere als einen Kauf auf Probe und
stellte dem Käufer die Rückgabe frei, wenn er innerhalb drei Tagen
einen Fehler entdeckt, ohne dass sich der Verkäufer durch den
Eid der Unwissenheit von der Wandlung
befreien könnte.
Durch diese Probezeit sollte dem Käufer Gelegenheit gegeben
werden, sich mit den Eigenschaften des Tieres bekannt zu machen.
Hörten wir schon, dass zur Römerzeit bestimmte Formeln, die
sogenannten mamilischen, gebraucht wurden, so geschah dieses
auch in Germanien mit Beginn der mittelalterlichen lateinischen
Sprache, das «sanum usque anno et die-», gesund bis auf den heu-
tigen Tag, «servum non furem, non fugitivum neque cadivum »,.
folgsam, nicht diebisch, nicht ausreisserisch und nicht gebrechlich.
Jahrhundertelang hielten sich diese alten germanischen Volks-
rechte ungeschrieben durch Ueberlieferung. Im Mittelalter stellte
sich dann nach und nach mit der Zunahme des Handelsverkehres,
namentlich in Norddeutschland das Bedürfnis heraus, die alten
Gewohnheitsrechte aufzuzeichnen.
So entstanden dann die Stadt-
rechte,
von denen wir soeben einige Proben gegeben und in denen
bestimmte Mängel namhaft gemacht und nunmehr, im Gegensatze
zur frühern Praxis, alle anderen Mängel von der Nachwährung
ausgeschlossen wurden,
so dass die Käufer viel weniger begünstigt
waren als nach dem alten, viel willkommeneren deutschen Rechts-
gebrauche. Am meisten wurden hier die Mängel der Pferde berück-
sichtigt. Als Gewährsmängel, für welche der Verkäufer, auch ohne
ausdrückliches Versprechen, haften musste, galten im 13. und
14. Jahrhundert:
Rotz — in jener Zeit hauptsichtig, hauptsich, hauptmörtig oder
mordisch genannt.
Stättigkeit und Koller, diese aber schon seltener. Von Rinder-
krankheiten
findet man erwähnt: Drusen (diese unter dem Namen
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Franzosenkrankheit), Darmfäule, schwere Not (Epilepsie) und Selbst-
aussaugen der Milch.
Die Gewährszeit war auch jetzt meist noch drei Tage; in den
Leges Goslarienses, den Braunschweigischen Statuten und den Fran-
kenberger-Gewohnheiten wurde diese Zeit jedoch auf vier Wochen
festgesetzt. Der vermehrte Sachsenspiegel (Schlesisches Landrecht)
führt als Gewährsmängel auf: Gestohlen (Unrechter Anfang), Rotz
und Staarblindheit und bestimmt, dass für Gestohlen gar keine
bestimmte Zeit, für Rotz 14 Tage und für Staar vier Wochen, also
verschiedene Zeiten festgesetzt werden.
Das ausführlichste Währschaftsgesetz hatten die Franken,
worin jedoch für die verschiedenen Mängel auch sehr verschiedene
Gewährszeiten festgesetzt waren und welches noch insofern geschicht-
liches Interesse hat, als es mehr von tierärztlichen Kenntnissen
zeugt, wie alle spätem des Mittelalters.
Die Gewährsmängel waren folgende:
1.  Pferde: Koller 3 Tage; Rotz 3 Monate; Wurm 1 Jahr;
Stättigkeit, bis sie sich dreimal gezeigt hat.
2.  Rinder: Koller und Schwindel 3 Tage; Knotenkrankheit
(pommeliere) 3 Monate; Geschwülste 1 Jahr; Räude bis zum
St. Peterstage — der Käufer muss hier jedoch schwören, dass er
das Tier auf eine gesunde Weide und in einen Stall gebracht hat,
in welchem seit 7 Jahren kein räudiges Tier gewesen ist — ferner
krankes Euter.
3.  Schafe: Schwindel, Koller 3 Tage; Lungenkrankheit und
Schafrotz von dem Feiertage des St. Michael bis Mitte April; Fäule
bis zum 1. Mai, wenn sich alle Schafe dreimal satt gefressen haben
auf junger Weide; Räude von Allerheiligen bis zum 1. April.
4.  Schweine: Bräune 3 Tage; das Auffressen der Jungen.
5.  Hunde: Für den Schaden, den ein toller Hund anrichtet,
wird nichts vergütet. Wenn der Besitzer eines getöteten Hundes
leugnet, dass der Hund toll war, so muss derjenige, der ihn getötet,
beweisen, dass der Hund Menschen und Vieh angefallen und dass
seine Zunge herausgehangen hat.
6.  Katzen: Wer eine Katze verkauft, muss dafür garantieren,
dass sie Ohren, Augen, Zähne und Tatzen hat, nicht die Jungen
frisst und dass sie Mäuse fängt.
In Oesterreich waren in der mittelalterlichen Zeit durchaus
ähnliche Vorschriften, wie die früher erwähnten, geltend.
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Die einzigen wichtigeren Gesetze sind die folgenden: Unter
der Regierung Leopold I. wurden in den Codex austriacus auch ein
Gesetz über: Ross- und anderer Vieh-Kauff und Verkauf auf-
genommen, das schon unter Kaiser Rudolf am 16. September 1597
erlassen nnd hierauf mehrfach verbessert worden war.
Die wichtigsten Punkte dieses Gesetzes bestehen darin, dass:
Alle Käufer und Verkäufer sind bei den Land-Grafen-Amt wegen
Entrichtung des Ross-Kauffgeldes anzumelden. Zu Wien fanden jähr-
lich zwei Hauptrossmärkte statt und jeden Samstag der Wochen-
markt. Von der Amtsgebühr sind befreit die oberen drei Stände
(Prälaten, Herren- und Ritterstand), ferner wie es mit den Haupt-
und andern Mängeln zu halten sei. Als Hauptmängel des Pferdes
werden angegeben: der Dampf, der Rotz, der Wurm, der Dumm-
koller und das Gestohlensein mit einer Gewährsfrist von vier Wochen
und drei Tagen.
Der betreffende Absatz, dessen Wortlaut ich Csokor*) entnehme,
lautet:
«Und nachdem auch fürkombt, dass sich in Versprechung der
Haubt- und andern Mängel von Kauff und Verkaufter, und der-
gleichen vil Zvitracht und Ungelegenheiten zugetragen; Als wollen
Wir, dass es dissfalls also gehalten werden solle: dass nemblich
bey Ansagung des Kauff- oder Tausches, und Entrichtung schuldiger
Gebühr, beyde Teile zugegen seyn, neben denen fünff haubt — als
dampffig, ritzig, wurmig, kollerisch und gestohlen, die sonsten aus-
genommene Mängel recht ansagen, ordentlich, und vermerken lassen,
und wann nun diese geschehen, und hernach vor Ausgang vier
Wochen und drey Tage an den erkaufften, eingetauschten, oder
eingehandelten, Ross, ein von deren vorgemerkten Mängeln, jedoch
nach vorhero durch die hierzu bestellte und geschworene Schmid
geschehener Beschau, sich befunden, den übetvortheilten durch
Unseren Handgrafen die billiche Ausrichtung gethan, widrigenfalls
aber mit keiner Klag angehöret werden, sondern ihnen selbst den
Schaden zumessen solle.»
Die Kaiserin Maria Theresia fasste dann zuerst den Entschluss,
für die Völker ihres Staates ein einheitliches, systematisches Gesetz-
buch zu schaffen, das dann aber erst unter der Regierung des
Kaisers Joseph IL im Jahre 1786 in seinem ersten Teile erschien.
*) Csokor, Lehrbuch der gerichtlichen Tiermedizin, pag. 15.
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Die Portsetzung kam aber erst unter Leopold IL unter dem Namen
«Westgalizisohes Gesetzbuch 1797 >. Dieser Teil umfasste jedoch
nur das Personenrecht; in Rücksicht des Sachenrechtes verblieb
es bei dem Codex austriacus. Eine Portsetzung des Josefinischen
Gesetzbuches erschien nicht. Erst nach dem Tode dieses Monarchen
organisierte Leopold II. von neuem eine Kommission in Gesetzes-
sachen, welche einen neuen Entwurf ausarbeitete; das Gesetz erschien
unter dem Namen «Westgalizisohes Gesetzbuch» mit dem Patent
vom 13. Februar 1797 und wurde in West- und Ostgalizien ein-
geführt. In Bezug auf den Tierhandel befinden sich im westgali-
zischen Gesetzbuch schon sehr genaue Bestimmungen, welche zum
Teil mit den heute bestehenden sogar im Text übereinstimmen.
Erwähnenswert sind im fünften Hauptstück unter dem Titel « Vom
Tausche > nachstehende Paragraphen: Wenn ein Stück Vieh binnen
24 Stunden nach der Uebernahme erkrankt oder umfällt, so wird
vermutet, dass es schon vor der Uebernahme krank gewesen sei;
die nämliche Vermutung gilt, wenn binnen 8 Tagen bei Schweinen
und Schafen die Pinnen und binnen 30 Tagen bei Pferden und
Lasttieren der Dampf, die Stättigkeit, der Koller oder der Rotz
entdeckt wird.
Auf Grundlage des westgalizischen Gesetzbuches wurde unter
der Regierung Kaiser Franz I. ein neues Gesetzbuch ausgearbeitet;
dasselbe kam am 7. Juli 1810 zur Sanktion und wurde am 1. Juni
1811 unter dem Namen: «Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch»
bekanntgegeben. Das bürgerliche Gesetzbuch besteht seit jener Zeit
bis auf den heutigen Tag in voller Gültigkeit; es bildet die gesetz-
liche Grundlage aller jener Rechtsfragen, die sich bei Tierprozessen
in Bezug auf den Handel auch gegenwärtig ergeben.
In den Gesetzen des 18. Jahrhunderts herrscht im allgemeinen
das römische Recht, in den neueren wieder das alte deutsche Recht
vor. Am reinsten erhielt sich das deutsch-rechtliche Prinzip der
Festigkeit der Verträge und die Beschränkung ihrer Auflösung in
den Partikulargesetzgebungen kleiner Territorien und namentlich
in den Statuten der freien Städte aus dem 16. und 17. Jahrhundert,
während z, B. die Gesetzgebungen von Mecklenburg-Schwerin und
Mecklenburg-Strelitz ausschliesslich dem römischen Rechte huldigten.
Der Einfluss des römischen Rechtes zeigte sich am bedeutungs-
vollsten darin:
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1.  dass man weniger die bona fides der Verkäufer berücksich-
tigte und der Einrede des Nichtwissens keine Geltung mehr
zukommen liess;
2.  dass man einen Unterschied zwischen Haupt- und Neben-
mängeln machte und wegen letzterer die Minderungsklage gab;
3.  dass man die Haftung des Verkäufers auf alle bedeutenderen
Mängel ausdehnte und die langen Verjährungsfristen einführte.
In den Gewährsmängeln für den Tierhandel hat sich der Ein-
fluss des alten römischen Rechtes aber nicht in gleichem Masse
wie für die andern Rechtsprinzipien geltend gemacht; die alten
germanischen Währschaften haben sich neben der Ausbildung des
gemeinen Rechtes bis in unsere Tage erhalten; sie haben sich selbst
im 18. Jahrhundert Geltung verschafft in diesen Gesetzen, wo sonst
ja das römische Element ganz entschieden prävaliert, und im 19. Jahr-
hundert sind sie selbst nach Italien und Prankreich gelangt.
In Italien hatten namentlich Sardinien, Piemont und Neapel
neben ihren römischen Rechtsprinzipien die deutschen Gewährs-
mängel adoptiert.
Frankreich, dessen Gesetze, im nördlichen Teile wenigstens,
dieselbe Entwicklung genommen haben wie in Deutschland, hat
ebenfalls am Anfang des letzten Jahrhunderts eine «Loi des vices
redhibitoires des animaux domestiques» (1838) eingeführt.
Die germanische Währschaft der alten Zeit hat daher eine
weite Verbreitung gefunden.
In Frankreich galten bis zum « Code civil > je nach den Pro-
vinzen verschiedene Gesetze.
Hier waren es auch wiederum die Hauptfehler, also die schwersten
Gebrechen (vices redhibitoires), wofür der Verkäufer garantieren
musste.
Man soll nun fragen, welche Gebrechen man als die schwersten
betrachtete.
In Nordfrankreich (der Normandie) waren dies Pfeiferdampf
(Oornage), Rheumatismus, Dampfigkeit und Rotz.
Vor Isle-de-Pranoe wurde noch hinzugefügt: Störrigkeit, ver-
altete Verkrüppelungen und Krippensetzer, dies letztere jedoch nur
dann, wenn die Zähne nicht abnormal abgeschliffen waren; denn
dann galt dabei der Umstand, dass das für jedermann sichtbar war.
Es ist begreiflich, zu welchen Schwierigkeiten allein verschie-
dene Wohnplätze von Käufer und Verkäufer führen können, so wie
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z. B. van Leeuwen sagt: «Verkauft ein Kaufmann in Paris ein
dampfiges Pferd an einen Bewohner der Normandie, dann braucht
der erstere nur neun Tage für alles zu garantieren, während der
letztere bei Wiederverkauf für 30 Tage Garantie leisten muss.»
Der «Code civil», bei dem zum grossen Teile die Grundsätze
des römischen Rechtes vorliegen, enthält den folgenden wichtigen
Paragraphen:
«§ 1641. Le vendeur est tenu de la garantie ä raison des
defauts Caches de la chose vendue que la rendent impropre ä l'usage
auquel on la destine ou qui diminuent tellement cette usage, que
l'acheteur ne 1'aurait pas acquise ou non aurait donne qu'un moindre
prix, s'il les avait connus. »
§ 1540 unseres Bürgerlichen Gesetzbuches ist also eine wört-
liche Uebersetzung von § 1641 des Code civil.
Auch wird nun zum erstenmal von «örtlichen Gesetzen» ge-
sprochen, da durch § 1648 des Code civil bestimmt ist:
cL'action resultant des vices redhibitoires doit 6tre intentee
par Facquereur dans un bref delai, suivant la nature des vices redhi-
bitoires et l'usage du lieu oü la vente a ete faite.».
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III. Die Währschaftsrechte der Gegenwart.
In Deutsehland hatte man neben dem sogenannten « Gemeinen
Recht» noch eine Menge von verschiedenen Gewährsmängeln mit
dazu gehörenden Garantiezeiten.
In manchen Gegenden hat das römische Recht das germanische
oft verdrängt, u. a. in Mecklenburg, Lippe, Oldenburg, Hannover,
Holstein und im Regierungsbezirk Stralsund.
In diesen Distrikten hatte man also keine Listen von bestimmten
Gewährsmängeln und musste der Verkäufer für die wichtigsten
verborgenen Fehler haften.
In anderen deutschen Ländern aber hatte man eine Liste von
Gewährsmängeln aufgestellt und hierbei bestimmt, dass der Ver-
käufer für alle anderen, nicht unter den auf der Liste vorkommenden
Gebrechen nicht zu haften brauchte. Dies war u. a. der Fall in
Bayern, Baden, Hohenzollern, Württemberg.
Wenn wir dann auch die Liste der Hauptgewährsmängel, die
bis zum Jahre 1900 in den verschiedenen deutschen Staaten ge-
braucht ist, näher betrachten, dann sehen wir den grossen Unter-
schied in Hafttagen, welche gefordert wurden, und es war nicht
anders möglich, als dass dies auch grosse Schwierigkeiten verur-
sachte, die die Ursache davon waren, dass man in Deutschland
wiederholt darauf drang, eine Aenderung hierin zu bringen, was
im Jahre 1895 geschehen sollte; jedoch diese Gesetzesänderung
gelangte erst mit dem neuen Bürgerlichen Gesetzbuche in An-
wendung.
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Rotz
Hautwurm
Verdächtiger
Rotz
Räude
1
M
C
E
CS
o
Pfeiferdampf
(Cornage)
Dumm-Koller
Rasender Koller
Epilepsie
Schwarzer Staar
Mondblindheit
Krippensetzer
Krippensetzer
ohne abgenutzte Zähne
Störrigkeit
14
14
14
21
28
8
40
8
14
14
14
21
40
8
40
8
Elsass-Lothringen . . .
9
9
9
9
9
30
30
9
6
6
4
4
4
4
5
14
14
14
14
28
28
8
28
8
14
Preussen, Landrechts-
14
14
28
28
28-
28
4
Preussen, Provinz
Hannover-Luneberg .
90
90
90
90
Preussen, Provinz
Hannover-Hildesheim.
84
84
84
84
Preussen, früheres Kur-
fürstentum Hessen. .
14
14
14
14
14
21 | 21
28
8
42
8
5
Preussen, früher Hessen-
14
14
14
28
28
8
28
8
14
Preussen, Herzogtum
29
29
29
29
29
Sachsen (Königreich). .
15
15
15
15
15
15
15
15
50
5
> -Koburg . . .
14
14
14
21
40
8
40
8
> -Gotha ....
14
14
14
14
14
> -Meiningen . .
14
14
14
21
40
8
40
8
Waldeck......
14
14
28
28
28
28
4
14
14
14
21
28
8
40
8
Hinsichtlich der Gewährleistung für Mängel beim Viehkaufe
wurden mit dem 1. Januar 1900 sämtliche landesrechtlichen Spezial-
gesetze und Gewohnheitsrechte im Deutschen Reiche aufgehoben.
Es gelten die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches über den
Kauf, §§ 459—467 und 469—480, und, falls ein Handelskauf in
Frage kommt, die Vorschriften des Handelsgesetzbuches.
§ 459. Der Verkäufer einer Sache haftet dem Käufer dafür,
dass sie zu der Zeit, zu welcher die Gefahr auf den Käufer über-
geht, nicht mit Fehlern behaftet ist, die den Wert oder die Taug-
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lichkeit zu dem gewöhnlichen oder dem nach dem Vertrage voraus-
gesetzten Gebrauch aufheben oder mindern. Eine unerhebliche
Minderung des Wertes oder der Tauglichkeit kommt nicht in
Betracht. Der Verkäufer haftet auch dafür, dass die Sache zur Zeit
des Ueberganges der Gefahr die zugesicherten Eigenschaften hat.
§ 460. Der Verkäufer hat einen Mangel der verkauften Sachen
nicht zu vertreten, wenn der Käufer den Mangel bei dem Abschlüsse
des Kaufes kennt. Ist dem Käufer ein Mangel der im § 459, Abs. 1,
bezeichneten Art infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt geblieben,
so haftet der Verkäufer, sofern er nicht die Abwesenheit des
Fehlers zugesichert hat, nur, wenn er den E'ehler arglistig ver-
schwiegen hat.
§ 461. Der Verkäufer hat einen Mangel der verkauften Sache
nicht zu vertreten, wenn die Sache auf Grund eines Pfandrechts
in öffentlicher Versteigerung unter der Bezeichnung als Pfand ver-
kauft wird.
§ 462. Wegen eines Mangels, den der Verkäufer nach den
Vorschriften der §§ 459, 460 zu vertreten hat, kann der Käufer
Rückgängigmachung des Kaufes (Wandelung) oder Herabsetzung
des Kaufpreises (Minderung) verlangen.
§ 463. Fehlt der verkauften Sache zur Zeit des Kaufes eine
zugesicherte Eigenschaft, so kann der Käufer statt der Wandelung
oder der Minderung Schadenersatz wegen Nichterfüllung verlangen.
Das gleiche gilt, wenn der Verkäufer einen Fehler arglistig ver-
schwiegen hat.
§ 464. Nimmt der Käufer eine mangelhafte Sache an, obschon
er den Mangel kennt, so stehen ihm die in den §§ 462 und 463
bestimmten Ansprüche nur zu, wenn er sich seine Rechte wegen
des Mangels bei der Annahme vorbehält.
§ 465. Die Wandelung oder die Minderung ist vollzogen, wenn
sich der Verkäufer auf Verlangen des Käufers mit ihr einverstanden
erklärt.
§ 466. Behauptet der Käufer dem Verkäufer gegenüber einen
Mangel der Sache, so kann der Verkäufer ihn unter dem Erbieten
zur Wandelung und unter Bestimmung einer angemessenen Frist
zur Erklärung darüber auffordern, ob er Wandelung verlange. Die
Wandelung kann in diesem Falle nur bis zum Ablaufe der Frist
verlangt werden.
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§ 467. Auf die Wandelung finden die für das vertragsmässige
Rücktrittsrecht geltenden Vorschriften der §§ 346—348, 350—354,
356 entsprechende Anwendung, im Falle der Mangel sich erst bei
der Umgestaltung der Sache gezeigt hat. Der Verkäufer hat dem
Käufer auch die Vertragskosten zu ersetzen.
§ 469. Sind von mehreren verkauften Sachen nur einzelne
mangelhaft, so kann nur in Ansehung dieser Wandelung verlangt
werden, auch wenn ein Gesamtpreis für alle Sachen festgesetzt
ist. Sind jedoch die Sachen als zusammengehörend verkauft, so
kann jeder Teil verlangen, dass die mangelhaften Sachen nicht
ohne Nachteil für ihn von den übrigen getrennt werden können.
§ 470. Die Wandelung wegen eines Mangels der Hauptsache
erstreckt sich auch auf die Nebensache. Ist die Nebensache mangel-
haft, so kann nur in Ansehung dieser Wandelung verlangt werden.
§ 471. Findet im Falle des Verkaufs mehrerer Sachen für
einen Gesamtpreis die Wandelung nur in Ansehung einzelner Sachen
statt, so ist der Gesamtpreis in dem Verhältnisse herabzusetzen,
in welchem zur Zeit des Verkaufs der Gesamtwert der Sachen in
mangelfreiem Zustande zu dem Werte der von der Wandelung
nicht betroffenen Sachen gestanden haben würde.
§ 472. Bei der Minderung ist der Kaufpreis in dem Verhält-
nisse herabzusetzen, in welchem zur Zeit des Verkaufs der Wert
der Sache in mangelfreiem Zustande zu dem wirklichen Werte
gestanden haben würde.
Findet im Falle des Verkaufs mehrerer Sachen für einen Gesamt-
preis die Minderung nur wegen einzelnen Sachen statt, so ist bei
der Herabsetzung des Preises der Gesamtwert aller Sachen zu Grunde
zu legen.
§ 473. Sind neben dem in Geld festgesetzten Kaufpreise Lei-
stungen bedungen, die nicht vertretbare Sachen zum Gegenstande
haben, so sind diese Leistungen in den Fällen der §§ 471 und 472
nach dem Werte zur Zeit des Verkaufs in Geld zu veranschlagen.
Die Herabsetzung der Gegenleistung des Käufers erfolgt an dem
in Geld festgesetzten Preise; ist dieser geringer als der abzusetzende
Betrag, so hat der Verkäufer den überschiessenden Betrag dem
Käufer zu vergüten.
§ 474. Sind auf der einen oder andern Seite Mehrere beteiligt,
so kann von jedem und gegen jeden Minderung verlangt werden.
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Mit der Vollziehung der von einem der Käufer verlangten Min-
derung ist die Wandelung ausgeschlossen.
§ 475. Durch die wegen eines Mangels erfolgte Minderung
wird das Recht des Käufers, wegen eines andern Mangels Wan-
delung oder von neuem Minderung zu verlangen, nicht ausge-
schlossen.
§ 476. Eine Vereinbarung, durch welche die Verpflichtung des
Verkäufers zur Gewährsleistung wegen Mängeln der Sache erlassen
oder beschränkt wird, ist nichtig, wenn der Verkäufer den Mangel
arglistig verschweigt.
§ 477. Der Anspruch auf Wandelung oder auf Minderung,
sowie der Anspruch auf Schadenersatz wegen Mangels einer zuge-
sicherten Eigenschaft verjährt, sofern nicht der Verkäufer den Mangel
arglistig verschwiegen hat, bei beweglichen Sachen in sechs Monaten
von der Ablieferung, bei Grundstücken in einem Jahre von der
Uebergabe an. Die Verjährungsfrist kann durch Vertrag verlängert
werden.
Beantragt der Käufer gerichtliche Beweisaufnahme zur Sicherung
des Beweises, so wird die Verjährung unterbrochen. Die Unter-
brechung dauert bis zur Beendigung des Verfahrens fort. Die Vor-
schriften des § 211, Abs. 2, und § 212 finden entsprechende An-
wendung.
Die Hemmung oder Unterbrechung der Verjährung eines der
im Abs. 1 bezeichneten Ansprüche bewirkt auch die Hemmung oder
Unterbrechung der Verjährung der andern Ansprüche.
§ 478. Hat der Käufer den Mangel dem Verkäufer angezeigt
oder die Anzeige an ihn abgesendet, bevor der Anspruch auf Wan-
delung oder auf Minderung verjährt war, so kann er auch nach
der Vollendung der Verjährung die Zahlung des Kaufpreises inso-
weit verweigern, als er auf Grund der Wandelung oder der Min-
derung dazu berechtigt sein würde. Das gleiche gilt, wenn der
Käufer vor der Vollendung der Verjährung gerichtliche Beweis-
aufnahme zur Sicherung des Beweises beantragt oder in einem
zwischen ihm und einem späteren Erwerber der Sache wegen des
Mangels anhängigen Rechtsstreite dem Verkäufer den Streit ver-
kündet hat.
Hat der Verkäufer den Mangel arglistig verschwiegen, so bedarf
es der Anzeige oder einer ihr nach Abs. 1 gleichstehenden Hand-
lung nicht.
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§ 479. Der Anspruch auf Schadenersatz kann nach der Voll-
endung der Verjährung nur aufgerechnet werden, wenn der Käufer
vorher eine der im § 478 bezeichneten Handlungen vorgenommen
hat. Diese Beschränkung tritt nicht ein, wenn der Verkäufer den
Mangel arglistig verschwiegen hat.
§ 480. Der Käufer einer nur der Gattung nach bestimmten
Sache kann statt der Wandelung oder der Minderung verlangen,
dass ihm an Stelle der mangelhaften Sache eine mangelfreie ge-
liefert wird. Auf diesen Anspruch finden die für die Wandelung
geltenden Vorschriften der §§ 464—466, des § 467, Satz l, und
der §§ 469, 470, 474—479 entsprechende Anwendung.
Fehlt der Sache zu der Zeit, zu welcher die Gefahr auf den
Käufer übergeht, eine zugesicherte Eigenschaft oder hat der Ver-
käufer einen Fehler arglistig verschwiegen, so kann der Käufer
statt der Wandelung, der Minderung oder der Lieferung einer
mangelfreien Sache Schadenersatz wegen Nichterfüllung verlangen.
Insofern es sich nun um den Verkauf oder um jede andere
entgeltliche Veräusserung (§ 493 des Bürgerlichen Gesetzbuches)
von Pferden (Eseln, Mauleseln, Maultieren), von Rindvieh, Schafen
und Schweinen handelt, gelten die Sonderbestimmungen des Bürger-
lichen Gesetzbuches, §§ 482—492.
§ 482. Der Verkäufer hat nur bestimmte Fehler (Hauptmängel)
und diese nur dann zu vertreten, wenn sie sich innerhalb bestimmter
Frist (Gewährsfristen) zeigen.
Die Hauptmängel und die Gewährsfristen werden durch eine
mit Zustimmung des Bundesrates zu erlassende kaiserliche Ver-
ordnung bestimmt. Die Bestimmung kann auf demselben Wege
ergänzt und abgeändert werden.
§ 483. Die Gewährsfrist beginnt mit dem Ablaufe des Tages,
an welchem die Gefahr auf den Käufer übergeht.
§ 484. Zeigt sich ein Hauptmangel innerhalb der Gewährsfrist,
so wird vermutet, dass der Mangel schon zu der Zeit vorhanden
gewesen sei, zu welcher die Gefahr auf den Käufer übergegangen ist.
§ 485. Der Käufer verliert die ihm wegen des Mangels zu-
stehenden Rechte, wenn er nicht spätestens zwei Tage nach dem
Ablaufen der Gewährsfrist oder, falls das Tier vor dem Ablaufe der
Frist getötet worden oder sonst verendet ist, nach dem Tode des
Tieres den Mangel dem Verkäufer anzeigt oder die Anzeige an ihn
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absendet oder wegen des Mangels Klage gegen den Verkäufer erhebt
oder diesem den Streit verkündet oder gerichtliche Beweisaufnahme
zur Sicherung des Beweises beantragt. Der Rechtsverlust tritt nicht
ein, wenn der Verkäufer den Mangel arglistig verschwiegen hat.
§ 486. Die Gewährsfrist kann durch Vertrag verlängert oder
abgekürzt werden. Die vereinbarte Frist tritt an die Stelle der
gesetzlichen Frist.
§ 487. Der Käufer kann nur Wandelung, nicht Minderung ver-
langen. Die Wandelung kann auch in den Fällen der §§ 351 bis
353, insbesondere wenn das Tier geschlachtet ist, verlangt werden;
an Stelle der Rückgewähr hat der Käufer den Wert des Tieres zu
vergüten. Das gleiche gilt in anderen Fällen, in denen der Käufer
infolge eines Umstandes, den er zu vertreten hat, insbesondere einer
Verfügung über das Tier, ausser Stande ist, das Tier zurück-
zugewähren.
Ist vor der Vollziehung der Wandelung eine unwesentliche
Verschlechterung des Tieres infolge eines von dem Käufer zu ver-
tretenden Umstandes eingetreten, so hat der Käufer die Wert-
minderung zu vergüten.
Nutzungen hat der Käufer nur insoweit zu ersetzen, als er sie
gezogen hat.
§ 488. Der Verkäufer hat im Falle der Wandelung dem Käufer
auch die Kosten der Fütterung und Pflege, die Kosten der tierärzt-
lichen Untersuchung und Behandlung, sowie die Kosten der not-
wendig gewordenen Tötung und Wegschaffung des Tieres zu ersetzen.
§ 489. Ist über den Anspruch auf Wandelung ein Rechtsstreit
anhängig, so ist auf Antrag der einen oder der anderen Partei die
öffentliche Versteigerung des Tieres und die Hinterlegung des Er-
löses durch einstweilige Verfügung anzuordnen, sobald die Besich-
tigung des Tieres nicht mehr erforderlich ist.
§ 490. Der Anspruch auf Wandelung, sowie der Anspruch auf
Schadenersatz wegen eines Hauptmangels, dessen Nichtvorhanden-
sein der Verkäufer zugesichert hat, verjährt in sechs Wochen von
dem Ende der Gewährsfrist an. Im übrigen bleiben die Vorschriften
des § 477 unberührt.
An die Stelle der in den §§ 210, 212, 215 bestimmten Fristen
tritt eine Frist von sechs Wochen.
Der Käufer kann auch nach der Verjährung des Anspruchs
auf Wandelung die Zahlung des Kaufpreises verweigern. Die Auf-
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rechnung des Anspruchs auf Schadenersatz unterliegt nicht der im
§ 479 bestimmten Beschränkung.
§ 491. Der Käufer eines nur der Gattung nach bestimmten
Tieres kann statt der Wandelung verlangen, dass ihm an Stelle des
mangelhaften Tieres ein mangelfreies geliefert wird. Auf diesen
Anspruch finden die Vorschriften der §§ 488—490 entsprechende
Anwendung.
§ 492. Uebernimmt der Verkäufer die Gewährleistung wegen
eines nicht zu den Hauptmängeln gehörenden Fehlers oder sichert
er eine Eigenschaft des Tieres zu, so finden die Vorschriften der
§§ 487—491 und, wenn eine Gewährsfrist vereinbart wird, auch
die Vorschriften der §§ 483—485 entsprechende Anwendung. Die
im § 490 bestimmte Verjährung beginnt, wenn eine Gewährsfrist
nicht vereinbart wird, mit der Ablieferung des Tieres.
Die in § 4482, 2. Zeile, bestimmte Kaiserliche Kabinettsorder
über die Gewährsmängel lautet folgendermassen:
§ 1. Für den Verkauf von Nutz- oder Zuchttieren gelten als
Hauptmängel:
1. Bei Pferden, Eseln, Mauleseln und Maultieren:
1.  Rotz mit einer Gewährsfrist von 14 Tagen.
2.  Dummkoller mit einer Gewährsfrist von 14 Tagen; als
Dummkoller ist anzusehen die allmählich oder infolge der
akuten Gehirnwassersucht entstandene, unheilbare Krank-
heit des Gehirns, bei der das Bewusstsein des Pferdes herab-
gesetzt ist.
3.   Dämpfigkeit, Dampf, Hartschlägigkeit, Bauchschlägigkeit
mit einer Gewährsfrist von 14 Tagen; als Dämpfigkeit ist
anzusehen die Atembeschwerde, die durch einen chronischen
unheilbaren Krankheitszustand der Lungen oder des Herzens
bewirkt wird.
4.  Kehlkopfpfeifen (Pfeiferdampf, Hartschnaufigkeit, Rohren)
mit einer Gewährsfrist von 14 Tagen; als Kehlkopfpfeifen
ist anzusehen die durch einen chronischen und unheilbaren
Krankheitszustand des Kehlkopfos oder der Luftröhre ver-
ursachte und durch ein hörbares Geräusch gekennzeichnete
Atemstörung.
5.  Periodische Augenentzündung (innere Augenentzündung',
Mondblindheit) mit einer Gewährsfrist von 14 Tagen; als
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periodische Augenentzündung ist anzusehen die auf inneren
Einwirkungen beruhende entzündliche Veränderung an den
inneren Organen des Auges.
6. Koppen, Krippensetzen, Aufsetzen, Preikoppen, Luft-
schnappen, Windschnappen, mit einer Gewährsfrist von
14 Tagen.
2.  Bei Rindern:
1.  Tuberkulose, insofern infolge dieser Krankheit ein allge-
mein schädlicher Einfluss auf den Nährwert des Tieres
verursacht wurde, mit 14 Hafttagen.
2.  Ansteckende Lungenkrankheiten mit 28 Haftfcagen.
3.  Bei Schafen:
Räude mit 14 Hafttagen.
4.  Bei Schweinen:
1.   Rotlauf mit 3 Hafttagen.
2.  Schweinekrankheit (Brustkrankheit und Schweinepest) mit
10 Hafttagen.
§ 2. Für den Verkauf von Tieren, die baldigst geschlachtet
werden sollen und die bestimmt sind, als Nahrung für Menschen
zu dienen (Schlachtvieh), gelten als Gewährsmängel:
1.  Bei Pferden, Eseln, Mauleseln und Maultieren:
Rotz mit 14 Hafttagen.
2.  Bei Rindern:
Tuberkulose, insofern infolge dieser Krankheit mehr als die
Hälfte des Schlachtgewichtes nicht oder unter Vorbehalt
als Nahrungsmittel für Menschen tauglich erachtet ist, mit
14 Hafttagen.
3.  Bei Schafen:
Allgemeine Wassersucht mit 14 Hafttagen; als allgemeine
Wassersucht ist zu verstehen der durch innere Krankheit
oder durch ungenügendes Putter entstandene wassersüch-
tige Zustand des Fleisches.
4.  Bei Schweinen:
1.  Tuberkulose, Bestimmungen sub Nr. 2.
2.  Trichinen mit einer Gewährsfrist von 14 Tagen.
3.  E'innen mit einer Gewährsfrist von 14 Tagen.
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Frankreich.
Neben dem « Code civil», der mit unserem Bürgerlichen Gesetz-
buch und dem römischen Recht ziemlich übereinstimmt, hat man
dabei noch das Gesetz vom 2. August 1889, später verändert durch
den Gesetzesbeschluss vom 31. Juli 1895, und eine Liste von < Vices
redhibitoires » (Gewährsmängel). § 2 dieses Gesetzes sagt: Als Ge-
währsmängel sind die nachstehenden anzusehen, die allein Anlass
geben können zur Einleitung einer Klage laut §§ 1641 u. ff. des
Code civil, ohne Rücksicht auf Ort und Stelle, wo der Kauf oder
Tausch zustande gekommen ist.
Für das Pferd, den Esel und den Maulesel: Dummkoller,
Dämpfigkeit, Pfeiferdampf (Oornage), Krippensetzer und Luft-
schlucker mit und ohne Abnutzung der Zähne, zeitweilige Lahm-
heit, Mondblindheit.
Für Schweine: Finnigkeit.
Hieraus folgt also, dass zu allen örtlichen Gesetzen ein Zusatz
gemacht wurde, da das römische Recht, im Code civil gehandhabt,
ausser Kraft gesetzt wurde.
Man ging selbst noch weiter; etwas, das in unserem Bürger-
lichen Gesetzbuch gar nicht zu finden ist, lesen wir in dem Gesetz
(§ 4), nämlich, dass keine Klage eingeleitet werden kann, falls der
Wert Fr. 100 nicht überschreitet.
Jedermann versteht, dass dies von grosser Bedeutung für den
Schweinehandel ist, da viele Schweine unter dem Preise von Fr. 100
verkauft werden.
§ 5 enthält die Bestimmung, dass eine Klage innerhalb neun
Tagen eingereicht sein muss, ausgenommen bei Mondblindheit, in
welchem Falle dieser Termin auf 30 Tage gestellt ist.
Ausserdem bestimmt das Gesetz vom 31. Juli 1895 noch, dass
der Verkauf von Tieren, die aii einer ansteckenden Krankheit leiden,
von Rechts wegen ungültig und verboten ist. Eine Klage hierüber
muss anhängig gemacht werden innerhalb 45 Tagen nach der
Lieferung oder, im Falle der Schlachtung, 10 Tage nach dem
Tage der Schlachtung.
Doch umgeht man in Frankreich noch das Gesetz. Es ist
nämlich zur Gewohnheit geworden, im Viehhandel noch besondere
Bedingungen zu stellen, bei denen der Verkäufer für F'ehler haftet,
die im Gesetze nicht genannt sind; dies hat sozusagen die Billig-
keit gefordert.
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Belgien.
Erst im Jahre 1850 kam in diesem Land das erste Gesetz
gegen die verborgenen Fehler zustande, jedoch wurde dies durch das
Gesetz vom 25. August 1885 ersetzt und dann eine Liste der ver-
borgenen Fehler durch das Gesetz vom 3. September 1885 festgestellt.
§ 1. Bei Verkauf und Tausch von Haustieren werden die
folgenden Krankheiten und Gebrechen als Gewährsmängel betrachtet:
1.  Bei Pferden, Eseln und Maultieren:
1.  Rotz.
2.  Mondblindheit, insofern der Wert des verkauften oder ge-
tauschten Tieres Fr. 300 übersteigt.
3.  Dummkoller, falls der Wert des verkauften oder gelauschten
Tieres Fr. 300 übersteigt.
2.  Bei Rindvieh:
1.  Viehpest.
2.  Lungenkrankheit.
3.  Lungentuberkulose.
4.  Die Folgen vom Wegbleiben der Nachgeburt, falls das
Kalben nicht beim Käufer geschehen ist.
(Die beiden letzten Bestimmungen sind allein dann als
Gewährsmängel gültig, wenn der Wert der Tiere Fr. 150 über-
steigt.)
3.   Bei Schafen:
1.  Viehpest.
2.   Schafpocken.
§ 2. Werden bei einem Tier Viehpest und Pocken konstatiert,
so ist der Kauf als entbunden zu betrachten, und zwar für alle
Tiere einer Herde, die die Marke des Verkäufers tragen.
§ 3. Der Termin, innerhalb dessen eine Klage eingeleitet sein
muss, beträgt, ausschliesslich des Tages der Lieferung:
30 Tage bei Lungenkrankheit.
28 Tage bei Mondblindheit,
9 Tage bei allen anderen Krankheiten oder Gebrechen.
Hierzu kam dann noch das Gesetz vom 3. Juli 1894, welches
in einem Paragraphen für Schlachtvieh bestimmt:
« Die Klage wegen Währschaft von Tieren, die für die Schlacht-
bank und für den menschlichen Konsum bestimmt sind, ist hinsieht-
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lieh der Gebrechen, die diese für den Gebrauch untauglich machen,
nur dann zuständig, wenn sie innerhalb fünf Tagen nach Lieferung
des verkauften Tieres eingeleitet wird, unter der Bedingung, dass das
Tier nicht weiter als 50 km vom Verkaufsorte transportiert ist oder
dass das Tier für den Gebrauch gänzlich untauglich erklärt ist. »
In diesem Falle, da keine genauen Bestimmungen über die
die Wandelungsklage bedingenden oder die Unbrauchbarkeit des
Fleisches hervorrufenden Ursachen vorliegen, hat der Ministerial-
erlass vom 31. März 1901 folgendes bestimmt:
Folgende Fälle veranlassen die völlige Bankunwürdigkeit aller
vier Viertel eines Sohlachttieres:
1.  Die Vergiftungen mit toxischen Substanzen oder Medikamenten,
wie besonders Ammoniak, Schwefeläther, Terpentin, Kampfer,
Assa fetida.
2.  Alles schlecht (anormal) riechende Fleisch, besonders der
cryptorchiden Schweine.
3.  Infiltriertes Fleisch.
4.  Milzbrandiges Fleisch.
5.  Tuberkulöses Fleisch in folgenden Fällen: Muskulartuberkulose;
Miliartuberkulose der Milz oder Niere;. grösserer Tuberkelherde
in Abdomen oder Brusthöhle; kleinere Tuberkelherde als die
vorigen an gleichen Orten, wenn ihr Charakter ernster (erweicht,
eiterig oder sehr zahlreich) ist; wenn geringe Mengen grosser
Tuberkelherde in Brust und Bauch gleichzeitig mit andern
äusseren Tuberkelherden verbunden sind; ferner, wenn bei
irgendwelcher Quantität und Art der Tuberkelherde das Tier
einen abgezehrten Zustand aufweist.
6.  Fleisch von wutkranken oder wutverdächtigen Tieren.
7.  Fleisch von Tieren, die mit Pyelitis, Septicämie, Urämie, Icterus,
Arthritis, A^isceralgangrän, Melanose, Tetanus, Pneumoenteritis
septica, Finnen, Rinderpest, Coryza gangrenosa, Kälberruhr,
Rotz und Hautwurm, Pferdepest, maligne Druse, Trichinose,
Rotlauf, Schweineseuche, Schweinepest, Pocken erkrankt waren.
Betrachten wir nun noch einmal § 4 des genannten Gesetzes
vom 25. August 1885. Nach diesem Paragraphen ist der Käufer ver-
pflichtet, innerhalb der Garantiezeit, die gleichzeitig die Termine
bestimmt zur Binreichung einer Rechtsforderung, die Ernennung
von Sachverständigen nachzusuchen, die damit belastet sind, die
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Gewährsmängel festzustellen und ebenfalls ein Protokoll aufzusetzen
von dem, was sie vorgefunden haben.
Dieses Gesuch muss, es sei mündlich, schriftlich oder tele-
graphisch, an den Richter des Ortes geschehen, in dem sich das
Tier befindet, und es muss bei Strafe von Ungültigkeitserklärung das
« Gebrechen > angegeben sein, an welchem das Tier angeblich leidet.
§ 5 schreibt vor, dass der Käufer, falls er im Auslande wohnt,
das Tier nach Belgien zurücktransportieren und es in den Wohnort
des Verkäufers oder in die Provinzialhauptstadt bringen muss.
Ist es auf dem Markt verkauft, so kann man es auch an den
Marktort schicken oder auch nach dem Ort der Ablieferung. Beim
Zurücklegen dieser Entfernung wird jedoch der Termin, innerhalb
dessen die Klage eingereicht werden muss, mit einem Tag für je
150 km verlängert.
In § 8 lesen wir, dass der Verkäufer nicht gezwungen ist, eine
Garantie zu leisten, wenn das Tier innerhalb der obengenannten
Garantiezeit stirbt, es sei denn, dass der Käufer beweisen kann,
dass der Tod des Tieres die Folge eines der Gebrechen ist, die
durch das Gesetz als « Gewährsmängel > anerkannt werden.
In Belgien wurde somit mehr auf die Interessen des Verkäufers
als auf die des Käufers geachtet, und das ist natürlich eine sehr
grosse Ungerechtigkeit im Handel.
England, Schottland und Irland.
Wenn man hier als Ausländer Einkäufe macht, muss man ganz
besonders gut mit den verborgenen Fehlern vertraut sein und gut
bedenken, dass man für eigenes Risiko handelt.
Hier besteht die Gewohnheit: «Wenn der Kauf geschlossen
ist, dann ist das Risiko gänzlich zu Lasten des Käufers.»
Natürlich kann man auch unter Garantie kaufen, aber dann
muss diese ausdrücklich schriftlich bedungen und am besten noch
gerichtlich beschrieben werden.
Amerika.
Hinsichtlich des Betruges im Viehhandel hat man also in
Amerika auch Erfahrungen gemacht, jedoch besteht dort so wenig
wie in England ein Verzeichnis von «Gewährsmängeln», ebenso
ist von einer Garantiezeit keine Rede.
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Auch in Amerika muss man also sehr vorsichtig zu Werke
gehen und besser von einer schriftlichen Garantie Gebrauch machen.
Schweden, Norwegen, Finnland.
In diesen Ländern muss der Verkäufer noch, wie in früheren
.Jahrhunderten, drei Tage Garantie für alle Gebrechen gewähren.
Ungarn.
Auch hier ist allein Betrug strafbar.
Russland.
In Russland ist ungefähr derselbe Zustand wie in Amerika.
Oesterreieh.
Schlagen wir das früher erwähnte Bürgerliche Gesetzbuch vom
Jahre 1811 dieses Landes auf, dann lesen wir in § 922:
«Der Verkäufer muss dafür haften, dass die verkaufte Ware
die gewöhnlich angenommenen Eigenschaften besitzt und dass sie
gemäss den Gewohnheiten wirklich brauchbar sein muss. >
§ 924 sagt: «Wird ein Stück Arieh innerhalb 24 Stunden nach
dem Verkauf krank oder stirbt es, oder wird die Vermutung aus-
gesprochen, dass es vor dem Verkauf krank gewesen ist, dann
wurde dies also wiederum als gänzlich willkürlich und total unge-
recht als ein Axiom angenommen.»
In § 925 wurden die verschiedenen « Gewährsmängel» mit der
Garantiezeit genannt.
Sollten innerhalb der genannten Termine die Gebrechen ent-
deckt werden, dann besteht das gerechtfertigte Vermuten, dass
dieselben auch vor der Zeit bestanden haben.
Ein jeder wird hieraus mit Leichtigkeit die Schlussfolgerung
ziehen, zu welchen Schwierigkeiten die Worte «gerechtfertigtes
Vermuten > führen können, denn wir lesen in § 926, dass allein
dann der Käufer dieses < gerechtfertigte Vermuten» aussprechen
darf, wenn er den Verkäufer von dem Gebrechen, sofort nachdem
er es bemerkt, in Kenntnis gesetzt hat oder es bei dessen Abwesen-
heit bei der zuständigen Gerichtsbehörde an Ort und Stelle ange-
geben hat, durch einen Sachverständigen die Angabe verrichtet und
eine gerichtliche Untersuchung eingeleitet ist.
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Darauf lässt § 927 die Worte folgen: « Versäumt der Käufer,
diesen Vorschriften nachzukommen, so muss er den Beweis liefern,
dass das Vieh bereits vor dem Datum vom Verkauf mit dem Ge-
brechen behaftet gewesen ist.»
In der österreichischen Gesetzgebung ist jedoch in gleicher
Weise für den Verkäufer sowohl wie für den Käufer gesorgt.
Bin grosser Fehler ist es jedoch, dass man auch da versäumt
hat, eine grosse Anzahl von verborgenen Fehlern in das Gesetz
aufzunehmen, da Pfeiferdampf (Oornage), Krippensetzen und zeit-
weilige Lähmung nicht genannt sind.
Schweiz.
In der Schweiz lag die Frage der Viehwährschaft am ver-
wickeisten und schwierigsten von allen Ländern, und hier hat man
auch wohl am meisten in dieser Angelegenheit publiziert und ge-
arbeitet. Die Verhältnisse bei dem Bund vieler kleiner Staaten mit
selbständiger Oberhoheit und dem regen Handel mit Vieh, das schon
in alten Zeiten weitberühmt war, mussten natürlich vielfache Streitig-
keiten verursachen.
Fast jeder Kanton hatte seine eigenen Arorschriften, die sehr
verschiedenartige waren. Strebet*), Hirzel**) und Gsell***) haben
in eingehenden Arbeiten diese komplizierten A^erhältnisse der alten
schweizerischen Währschaftsgesetzgebung sorgfältig zusammen-
gestellt, und erwähne ich hier als ein Muster der alten Gesetzgebung
die altbernische, aus der hervorgeht, dass in diesem einen Kanton
schon mindestens fünf oder sechs verschiedene Währschaftsrechte
galten.
Als älteste, bis jetzt bekannt gewordene Vorschrift, den Vieh-
handel betreffend, sind die Satzungen des Ehrenlandes Emmental
zu nennen, vom 30. März 1559 und 17. November 1659, wo im
Art. 130 steht: «So einer dem andern unsauber oder finnig, des-
gleichen fauls oder sturms Vieh zu kaufen gibt, er thue es mit
Wüssen oder ohne Wüssen und ieme dasselbig vom Käufer innert-
halb 8 Wochen wieder angeboten wird, so soll er, der Verkäufer,
*) Strebet, Zum gegenwärtigen Stande der Gewährleistungsfrage beim
Viehhandel in der Schweiz. Archiv für Tierheilkunde. 1882, pag. 194.
**) Hirzet, Die schweizerische Gesetzgebung betreffend Viehwährschaft.
Arch. d. T. 1889.
***) Gsell, J., Die gesetzliche Gewährleistung, beim Handel mit Vieh
in der Schweiz. Inaugural-Dissertation. Zürich 1907.
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dasselbige wiederum abnehmen, ohne alle Widerred. So aber 8 Wochen
verschienen und ieme das Vyh hiezwischen nit wider angeboten
wird, so ist der Verkäufer nit schuldig, dasselbig wider anzunehmen. »
Denselben Wortlaut hat der Berner Stadtgerichtssatz von 1614
P. I, Tit. 7, leg. I, immerhin noch mit der Ergänzung: « so einer dem
andern.....sturms Vieh kaufs oder tuschivys hingibt, > auch soll
dasselbe durch eine «Weibel widerum anbotten werden».
Auch die Bieler Satzung. Tit. 22, leg. I, stimmt mit der Berner
Stadtgerichtssatzung völlig überein, nur dass in der bielischen
anstatt 8 Wochen nur 1 Monat ausgesetzt war. Bezüglich Pferden
und Rossen besagt der bernische Gerichtssatz P. I, Tit. 7, leg. II, aus-
führlich : « Wann jemands anderem ein Ross so hauptmürdig, buch-
stössig
oder spätige wäre, kauff- oder tuschwys hingibt, er thüge
es glichwohl auch wüssentlich oder unwüssentlich und ihm dasselbig
innerthalb 6 Wochen durch ein Weybel nit wider anbotten wurde,
der Verkäufler oder Vertuscher dasselbig widerumb zenehmen nit
schildig; wo aber einer vom andern ein Ross erkaufte oder er-
tauschte und dann söllich Ross innerhalb abmelten sechs Wuchen
von Feule (Fäule) abginge, der so es also erkaufft oder ertauscht,
dasselbig abgangen Ross durch die geschwohren Meister Schmidt-
Handwerks besichtigen lassen, zügendt dann dieselbigen by ihren
Ehren und Trüwen, dass solche Feule eine alte Feule sye, der Ver-
käufer oder Vertuscher es widerumb nehmen; zügendt sie aber by
ihren Trüwen und Ehren, dass es ein nüwe Feule sye, es dem der
es erkaufft oder ertauscht verblyeben und der Verkäufer oder Ver-
tuscher dessen nützid entgälten solle.»
In Bezug auf die Gewährleistung der Trächtigkeit statuiert das
alte Landrecht von Saanen (1598), Art. 706 d, unter dem Titel:
Täuschung in Zusage vom Stand der Kühe: «Wann einer dem
andern eine Kuh verkauft, und sich die später erneuert, dann muss
der Verkäufer dem Käufer vorgeben, so soll der Verkäufer dem
Käufer für jeden Tag so er gefält, ein Batzen ersetzen. Jedoch soll
keiner den andern von 14 Tagen wegen zu ersuchen haben. Falte
er aber mehr, so mag er dann die ganze Zeit, so die Kuh gefält,
zusammen nehmen und soll der Verkäufer ihn darum bezahlen. >
Die Bräuche und Gewohnheitsartikel des Landrechtes vom
Obersimmental vom 13. Juli 1645 regelten mit Art. 26 die Wandel-
klage
wie folgt: «Und weilen von Alter her also geübt und ge-
braucht bei der Fürsehung es nochmals verbleibt, dass so einer dem
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andern unsauber oder finnig, desgleichen fauls oder Sturms Vieh
kaufs oder tuschwvs higibt, es thüe es mit Wüssen wiederumb
angeboten werden soll, so soll er, der Verkäufer, dasselbig wieder
abnehmen > u. s. w.
Die erste gesetzliche Regelung erfuhr die Gewährspflicht für
die verborgenen Mängel der Pferde und des Viehes in Stadt und
Republik Bern durch deren Zivilgesetzbuch, IL Teil, Sachenrecht,
de dato 18. März 1880 (Satzungen 714-719).
Hiernach konnte der Uebernehmer dem Uebergeber binnen
einer Notfrist von 30 Tagen, von dem Tage der Uebergabe an
gerechnet, die Zurückgabe des Tieres durch einen Weibel anbieten
lassen, insofern dasselbe nicht schon früher aus Auftrag der Polizei
weggenommen worden war, und in jedem Falle den empfangenen
Gegenwert von ihm zurückfordern, wenn an einem Stück Rindvieh
Lungenfäule, Leberfäule, Pinnen, der Tippel (Koller), Birchen (der
Vorfall der Mutterscheide) oder an einem Pferd Dampf, Rotz (haupt-
mürdig), Koller, Lungenfäule oder Leberfäule entdeckt wurde.
Weigerte sicli der Uebergeber, das ihm auf diese Weise zurück-
gebotene Tier anzunehmen, so konnte der Uebernehmer dasselbe
mit Bewilligung des Oberamtmanns durch zwei von demselben zu
ernennende Sachverständige, vorzugsweise patentierte Tierärzte,
untersuchen lassen. War dasselbe nach deren Brachten mit einem
der genannten Gewährsmängel behaftet, so sollte der Uebergeber
das Tier zurücknehmen, den empfangenen Gegenwert wieder er-
statten und dem Uebernehmer nebstdem noch den notwendigen
Aufwand vergüten.
Das Bedürfnis nach einem schweizerischen Währschaftsgesetze
machte sich daher schon recht bald geltend, und aus einer dies-
bezüglichen Preisfrage, die die Gesellschaft schweizerischer Tier-
ärzte im .fahre 1836 über diese Angelegenheit stellte und die von
Dr. Kö'chlin und von dem spätem eidgenössischen Oberpferdearzt
Näf beantwortet wurde, entwickelte sich dann unter Hülfe der
Regierung des Kantons Aargau ein Konkordat, d. h. eine Ueberein-
kunft zwischen mehreren Staaten, die am 1. August 1853 in Kraft
trat. Zuerst gehörten diesem Konkordate nur die 6 Kantone Aargau,
Bern, Preiburg, Neuenburg, Zug und Zürich an; bald aber schlossen
sich noch andere Kantone an, so dass im .Jahre 1866 16 der
22 schweizerischen Kantone sich zu diesem Rechte bekannten.
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Dieses Konkordat und seine Schicksale sind auch für uns recht
wichtig, weshalb wir die Vorschriften desselben hier in extenso
wiedergeben wollen:
Konkordat über Bestimmung und Gewähr der Viehhauptmängel.
Vom 1. August 1853.
Die Kantone Aargau, Bern, Preiburg, Neuenburg. Zug und
Zürich sind übereingekommen, über Bestimmung und Gewähr der
Hauptmängel bei Tieren aus dem Pferdegeschlecht und beim Rind-
vieh folgende gesetzliche Vorschriften festzustellen.
§ 1. Beim Handel mit Tieren aus dem Pferdegeschlecht und
mit Rindvieh, wenn das Tier über 6 Monate alt ist, hat der Ueber-
geber (Verkäufer oder Vertauscher) dem Uebernehmer (Käufer oder
Eintauscher) während der gesetzten Zeit dafür Währschaft zu leisten,
dass dieselben mit keinem von den im § 2 aufgezählten Gewährs-
mängeln behaftet sind.
§ 2. Gesetzliche Gewährsmängel sind:
a.  Bei Tieren des Pferdegeschlechts:
1.  Abzehrung als Folge von Entartung der Organe der Brust-
und Hinterleibshöhle (Verhärtung, Verschwärung, Vereite-
rung, Krebs, Tuberkelbildung). Währsohaftszeit 20 Tage.
2.  Verdächtige Drüse, Rotz und Hautwurm. Währsohaftszeit
20 Tage.
3.   Still- oder Dummkoller. Währschaftszeit 20 Tage.
b.  Beim Rindvieh:
1.  Abzehrung als Folge von Entartung der Organe der Brust-
und Hinterleibshöhle (Verhärtung, Verschwärung, Vereite-
rung, Krebs, Tuberkelbildung mit Inbegriff der Perlsucht
oder sogenannten Pinnen). Währschaftszeit 20 Tage.
2.  Ansteckende Lungenseuche. Währschaftszeit 30 Tage.
Die Währschaftszeit beginnt mit dem Tage der Uebergabe des
Kaufsgegenstandes.
§ 3. Das Vorhandensein eines Gewährsmangels innerhalb der
Währschaftszeit hat zur Folge, dass der Uebergeber gehalten ist,
das Tier zurückzunehmen und den empfangenen Kauf- oder An-
schlagspreis dem Uebernehmer zu ersetzen.
§ 4. Wurde beim Kauf oder Tausch der Wert nicht bestimmt,,
so muss das zurückgebotene Tier durch zwei Sachverständige ge-
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wertet werden, welche der Gerichtspräsident vom Wohnorte des
Uebernehmers ernennt.
§ 5. Pur Tiere, welche vor Ablauf der Währschaftszeit in
andere als die konkordierenden Kantone oder in das Ausland geführt
werden, dauert die Währschaftspflicht nur so lange, bis dieselben
■die Grenzen des Konkordatsgebietes überschritten haben.
§ 6. Abweichungen von den gesetzlichen Bestimmungen über Ge-
währsmängel und Gewährzeit können durch Vertrag bedungen werden.
§ 7. Nimmt der Uebernehmer eines Tieres einen Gewährs-
mangel an demselben wahr, so hat er dem Uebergeber durch einen
Gemeindebeamten davon Anzeige zu machen und ihm das Tier
zurückzubieten.
Der Uebergeber hat sich binnen 2 Tagen zu erklären, ob er
das Tier zurücknehmen wolle.
§ 8. Erfolgt diese Erklärung nicht, oder kann der Uebernehmer
wegen nahe bevorstehenden Auslaufes der Gewährszeit oder aus
einem andern Grunde den Uebergeber nicht befragen, so soll der
Uebernehmer durch den Gerichtspräsidenten seines Aufenthaltsortes
zwei patentierte Tierärzte bezeichnen lassen, welche das Tier zu
untersuchen haben.
Derjenige, welcher das Tier zuvor ärztlich behandelte, darf nicht
mit der Untersuchung beauftragt werden.
§ 9. Die berufenen Tierärzte haben die Untersuchung sogleich,
jedenfalls innert 24 Stunden nach Empfang der Aufforderung, vor-
zunehmen. Sind sie in ihren Ansichten einig, so ist der Befund
und das Gutachten gemeinschaftlich, bei geteilter Ansicht aber von
jedem besonders abzufassen. In letzterem Falle wird der Gerichts-
präsident unverzüglich eine nochmalige Untersuchung durch einen
dritten Tierarzt anordnen und dann die sämtlichen Berichte der
Medizinalbehörde des Kantons zur Aufgabe eines Obergutachtens
übermitteln.
§ 10. Erklären die untersuchenden Tierärzte, dass zur Abgabe
eines bestimmten Befindens die Tötung des Tieres notwendig sei, so
kann diese auf Bewerben des Uebernehmers vom Gerichtspräsidenten
bewilligt werden. Jedoch ist der Uebergeber vorher davon in Kenntnis
zu setzen, wenn solches möglich und keine Gefahr im Verzuge ist.
§ 11. Sollte ein im lebenden Zustande untersuchtes Tier während
der Gewährszeit umstehen oder aus polizeilichen Rücksichten ge-
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tötet werden, so ist dasselbe nochmals zu untersuchen, ein Sektions-
befund mit Gutachten abzufassen und nötigenfalls das frühere Be-
finden zu berichtigen.
§ 12. Die erste Untersuchung eines Tieres muss innerhalb der
Währschaftszeit vorgenommen werden, ansonst dieselbe keine recht-
liche Wirksamkeit hat.
§ 13. Der Gerichtspräsident wird nach Empfang des Gut-
achtens der Tierärzte oder des Obergutachtens der Medizinalbehörde
sofort dem Uebernehmer das Original, dem Uebergeber eine Ab-
schrift davon zustellen und den letztern auffordern lassen, sich zu
erklären, ob er das Vorhandensein eines Gewährsmangels bei dem
untersuchten Tiere anerkenne. Gibt der Uebergeber keine bejahende
Erklärung, so kann er von dem Uebernehmer rechtlich belangt werden.
§ 14. Das übereinstimmende Gutachten der untersuchenden
Tierärzte oder das Obergutachten der Medizinalbehörde ist für das
richterliche Urteil massgebend.
§ 15. Die Kosten der Rückbietung, der tierärztlichen Unter-
suchung, sowie die nach der Rückbietung erlaufenden Kosten der
ärztlichen Behandlung und Fütterung des Tieres sind von dem-
jenigen Teil zu tragen, welchem das untersuchte Tier anheimfällt.
§ 16. Nach angehobenem Rechtsstreite soll der Richter auf
Begehren der einen oder andern Partei die öffentliche Versteigerung
des Tieres anordnen.
Der Erlös wird vom Richter in Verwahrung genommen.
§ 17. Wird Rindvieh zum Schlachten veräussert und dann
mit einer solchen Krankheit behaftet erfunden, dass der Verkauf
des Fleisches ganz oder teilweise untersagt wird, so hat der Ueber-
geber für den erweislichen Minderwert Vergütung zu leisten.
Obgleich nun diese Bestimmungen das Währschaftsrecht in der
Schweiz vereinfachten, so waren sie dennoch durchaus nicht den
Verhältnissen entsprechende. Es zeigte sich dies in dem bald erfol-
genden Rücktritte der meisten Kantone, so dass seit 1909 nur noch
Zürich, Baselland und Thurgau dem Konkordate angehörten.
Die Fehler des alten Konkordates, wie sie uns in den kritischen
Untersuchungen von Gsell *) und Woher **) vorgeführt werden, sind
*J Op. cit.
**) Woher, R. Die Gewährleistung für Mängel und zugesicherte Eigen-
schaften heim schweizerischen Viehhandel. Inaugural-Dissertation. Bern 1909.
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46 —
auch für unsere holländischen Verhältnisse von höchster Bedeutung,
obwohl zahlreiche derselben von uns bisher vermieden sind.
Beachtenswert ist für uns vor allem die Frage der Aufzählung
gesetzlicher Gewährsmängel. Dieselbe ist jedoch so wichtig, dass
ich sie später eingehend betrachten möchte.
Sodann ist wichtig, dass das Konkordat keine Minderungsklage,
die Actio quanti minoris, zuliess, sondern nur die Wandelungsklage,
die Actio redhibitoria, die gerade für Schlachtviehhandel ja besondere
Bedeutung besitzt.
Was das Prozessverfahren angeht, so bemerken wir ja ohne
weiteres das Bestreben der Beschleunigung des Verfahrens; aber
für mich besonders beachtenswert ist die Kritik der Urteile der
Sachverständigen, wie sie besonders von Woher in seiner tiefdurch-
-dachten, dem auch bei uns rühmlichst bekannten Berner Professor
Dr. Ernst Hess gewidmeten Arbeit dargelegt wurde.
Woker wendet sich, gestützt auf die schweizerischen Erfah-
rungen, gegen das durch dieses Gesetz in der Praxis bedingte
« Berufsexperten tum ». Er vertritt die Anschauung, dass beiden
Parteien das Recht zustehen sollte, je einen sachverständigen Tier-
arzt vorzuschlagen; denn die Erfahrung habe gezeigt, dass gewöhn-
lich die beiden zugezogenen tierärztlichen Experten sich zur Regel
machten, immer einer Meinung zu sein, weshalb in praxi selten
der vom Gesetze vorgesehene Fall eintrat, zwei geteilte Meinungen
unter den Experten zu haben, für die ein Obergutachten eingeholt
werden musste. Dies erzeugte dann Misstrauen gegenüber den
Experten und den Tierärzten überhaupt.
Diese auf verschiedenen menschlichen Regungen beruhende
Tatsache wurde nur da erfolgreich verhindert, wo sowieso jedes
tierärztliche Gutachten beider Sachverständigen, ob getrennter oder
geteilter Meinung, den kantonalen Medhinalbehörden zur Einsicht
zugestellt wurde.
Sehr übel wurde auch die Bestimmung des § 14 empfunden.
Woker schreibt sogar, dass « dieselbe gar nicht genügend verurteilt
werden könne », dass nämlich das Urteil der Sachverständigen unter
allen umständen ausschlaggebend
war für das Urteil des Richters.
Mir scheint aber hier der § 13 doch die entsprechende Al>-
schwächung in dem später auch von mir vertretenen Sinne zu sein.
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Hier heisst es nämlich, dass das Gericht sofort nach Abschluss der
Gutachten der Sachverständigen und der Medizinalbehörde je ein
Doppel des Befundes den Parteien zustellen lassen solle, mit der
gleichzeitigen Aufforderung, sich über Anerkennung derselben zu
erklären und so die Portsetzung des Streites vor dem Gerichte
völlig zu vermeiden.
Denn da der Richter ja an den Expertenentscheid gebunden
ist, so würde in den meisten Fällen ein Reehtsspruch vermieden
werden können.
Seit 1882 wurde dann eine neue Bewegung zur Aenderung der
bestehenden Währschaftsvorschriften eingeleitet, die den behandelten
Mängeln Rechnung trugen. Es wurde dabei zuerst verlangt: Völlige
Vertragsfreiheit bei schriftlicher Form des Kaufvertrages; beschleu-
nigtes Gerichtsverfahren mit Möglichkeit der Heranziehung einer
Oberexpertise; 6 Gewährsmängel und 9 Tage Gewährszeit.
Auch hier möchte ich aus der Geschichte der Bewegung zu
diesem neuen Gesetz darauf aufmerksam machen, dass 1883 der
Gesellschaft schweizerischer Tierärzte der Antrag vorgelegt wurde,
dass bei den Prozessverfahren nach dem Konkordate es jeder Partei
gestattet werde, vom Richter zu verlangen, dass über die richtige
Abfassung und Schlussfolgerung der Gutachten der Expertentierärzte
ein Obergutachten eingeholt werde, bevor eine Prozessverhandlung
stattfände, und dass alle Währschaftsstreitigkeiten durch ein summa-
risches Rechtsverfahren geregelt werden möchten.
Im Jahre 1896 beschloss dann die schweizerische Bundesver-
sammlung ein neues Gesetz über die Gewährleistung im Viehhandel,
ungefähr auf den angeführten Grundsätzen gegründet; jedoch wurde
dasselbe bei der Volksabstimmung verworfen. Ebenso misslang auch
ein neues Konkordat zwischen den Kantonen, dem sich nur zwei
Kantone anzuschliessen vermochten.
Der Zustand der schweizerischen Währschaftsgesetzgebung im
Jahre 1911 stellte sich somit etwa folgendermassen dar:
1. Konkordat von 1852.
20 Tage Währfrist mit bestimmten Hauptmängeln (ansteckende
Lungenseuche 30 Tage), nur gültig für Tiere über 6 Monate. Erste
Untersuchung noch während der Gewährsfrist.
Gültig in Zürich, Baselland, Thurgau (Wallis und Schaffhausen).
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2.  Sogenanntes Konkordat von 1900.
14 Tage Gewährsfrist, wenn nichts besonderes bestimmt wurde,
sonst freie mündliche oder schriftliche Konvention. Untersuchung
innerhalb 3 Tagen nach Ablauf der Rügefrist.
Gültig in St. Gallen und Schwyz.
3.  Konventionelle Währschaft.
Ohne Gewährsfristbeschränkung.
A.  Nur gültig, wenn schriftlich vereinbart, in den Kantonen Bern,
Obwalden, Nidwaiden, Preiburg, Solothurn, Aargau, Waadt,
Neuenburg und Luzern.
B.   Sowohl mündlich als auch schriftlich gültig.
9 Tage Gewährsfrist, falls nichts ausdrücklich bestimmt wurde.
Gültig in Appenzell A.-Rh. und Appenzell I.-Rh.
4.   Obligationenrecht allein gültig, also Haftung ohne Be-
schränkung.
In Zug.
5.  Kantonale Bestimmungen.
A.  Nicht abweichende vom Konkordat von 1852:
Wallis und Schaffhausen.
B.  Verschiedenartige Bestimmungen:
Graubünden: Art. 345—348 des bündnerischen Zivilgesetzbuches
vom 1. September 1862. Gesetzliche Währschaft mit Haupt-
mängeln: Dummkoller, Rotz, Dampf für Pferde, Perlsucht
und Lungenseuche beim Rinde. 20 Tage Gewährsfrist.
Glarus: Altes Währschaftsgesetz. Frist 1 Jahr 1 Tag für Rind-
vieh, 4 Wochen für Pferde.
Uri: Landbuch von 1891, alte Bestimmungen von 1607 und
1608, modifiziert 1763. Gewährsmängel mit alten Namen
und « Monatsfrist » als Gewährszeit.
Tessin: Zivilgesetzbuch vom 15. November 1882. Bestimmte
Gewährsmängel mit 40 Tagen Frist.
Genf: Währschaftsgesetz vom 2. April 1859. 6 Pferdemängel
mit 40 Tagen Garantie (Augenentzündung, Epilepsie, Rotz
[2 Arten], Lungenseuche, Tuberkulose). Alle andern Fälle
(auch Rindvieh) mit 14 Tagen Frist einklagbar, sofern sie
dem Käufer verborgen waren.
Seit 1908 hatte dann der schweizerische Bauernverband mit
Rücksicht auf die Revision des schweizerischen Obligationenrechtes
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energische Anstrengungen zur Erreichung einer Rechtseinheit für
Viehwährschaft in der ganzen Schweiz gemacht, die nunmehr mit
dem 1. Januar 1912 von Erfolg gekrönt wurdem
Die am 14. November 1911 vom Bundesrate publizierte Ver-
ordnung betreffend das Verfahren bei der Gewährleistung im Vieh-
handel enthält folgendes:
I. Allgemeine Bestimmungen.
Art. 1. Beim Handel mit Vieh (Pferden, Eseln, Maultieren, Rind-
vieh, Schafen, Ziegen und Schweinen) besteht eine Pflicht zur
Gewährleistung nur insoweit, als der Verkäufer sie dem Käufer schriftlich
zugesichert oder den Käufer absichtlich getäuscht hat (Art. 198 O.-R.).
Art. 2. Gestützt auf die schriftlich übernommene Gewährleistung
für Trächtigkeit haftet der Verkäufer dem Käufer nur, wenn der Mangel
dem Verkäufer, nachdem sich sichere Zeichen des Nichtträchtigseins
gezeigt haben oder das Tier auf den angegebenen Zeitpunkt nicht
geworfen hat, sofort angezeigt und bei der zuständigen Behörde die
Untersuchung des Tieres durch Sachverständige verlangt wird.
Gestützt auf die schriftlich zugesicherte Gewährleistung dafür,
dass das Tier innert bestimmter Frist werfe, haftet der Verkäufer
dem Käufer nur, wenn sofort nach der Geburt deren Verspätung
dem Verkäufer angezeigt wird.
Art. 3. In den in Art. 2 nicht genannten Fällen der Gewähr-
leistung im Viehhandel haftet, sofern die schriftliche Zusioherung
keine Fristbestimmung enthält, der Verkäufer dem Käufer nur, wenn
der Mangel binnen neun Tagen, von der Uebergabe oder vom An-
nahmeverzug (Art. 91 ff. O.-R.) an gerechnet, entdeckt und dem
Verkäufer angezeigt und binnen der gleichen Frist bei der zuständigen
Behörde die Untersuchung des Tieres durch Sachverständige ver-
langt wird (Art. 202, Abs. 1, O.-R.).
Enthält die schriftliche Zusioherung eine Fristbestimmung, so
haftet der Verkäufer dem Käufer nur, wenn der Mangel sofort nach
der Entdeckung und innert der Garantiefrist dem Verkäufer an-
gezeigt und bei der zuständigen Behörde die Untersuchung des
Tieres durch Sachverständige verlangt wird.
Art. 4. Ist eine Frist nach Tagen bestimmt, so wird der Tag
nicht mitgerechnet, von welchem an sie zu laufen beginnt.
Ist der letzte Tag ein Sonntag oder ein staatlich anerkannter
Feiertag, so endigt die Frist am nächstfolgenden Werktag.
4
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Die Frist läuft am letzten Tag abends 6 Uhr ab.
Wird für die Uebermittlung einer Anzeige oder eines Begehrens
die Post oder der Telegraph benutzt, so gilt die Frist als ein-
gehalten, wenn die Aufgabe vor ihrem Ablauf erfolgt ist.
II. Das Vorverfahren.
Art. 5. Die Kantone bezeichnen die zur Leitung des Vorver-
fahrens kompetente Behörde.
Zur Leitung des Vorverfahrens örtlich zuständig ist die Be-
hörde, in deren Amtskreis sich das Tier befindet.
Art. 6. Auf Begehren des Käufers (Art. 2, Abs. 1, und Art. 3)
ordnet die Behörde sofort eine Untersuchung des Tieres durch
einen oder mehrere Sachverständige an.
Art. 7. Sind mehrere Sachverständige ernannt worden und
können sie sich über ein gemeinsames Gutachten nicht einigen, so
kann die zuständige Behörde auf Begehren einer Partei eine Ober-
expertise anordnen.
Art. 8. Als Sachverständige sind in der Regel Inhaber eines
eidgenössischen tierärztlichen Diploms beizuziehen.
Die Behörde bezeichnet die Sachverständigen, ohne über die
zu ernennenden Personen Vorschläge von den Parteien einzuholen.
Art. 9. Wer nach kantonalem Zivilprozessrecht in dem Rechts-
streit das Richteramt nicht ausüben könnte und wer das Tier un-
mittelbar vor oder nach dem Abschluss des Kaufvertrages tierärztlich
behandelt hat, darf als Sachverständiger nicht berufen werden.
Die Behörde hat den Parteien Gelegenheit zu geben, Einspruch
gegen die von ihr bezeichneten Sachverständigen zu erheben.
Art. 10. Die Untersuchung des Tieres ist von den Sachver-
ständigen innert 48 Stunden nach der Mitteilung ihrer Ernennung
vorzunehmen.
Mehrere Sachverständige haben die Untersuchung gemeinsam
vorzunehmen.
Von Zeit und Ort der Untersuchung hat die Behörde den
Parteien Kenntnis zu geben.
Art. 11. Die Sachverständigen prüfen, ob das Tier mit dem
gerügten Mangel behaftet ist.
Bejahen sie die Frage, so haben sie den Minderwert des Tieres.
und den Schaden festzustellen, den der Käufer infolge des Mangels
erleidet.
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Als Minderwert gilt in allen Fällen die Differenz zwischen dem
Verkehrswert, den das Tier in vertragsgemässem Zustand gehabt
hätte, und dem Werte des mit dem gerügten Mangel behafteten
Tieres.
Art. 12. Ist nach dem Gutachten der Sachverständigen zur Pest-
stellung des Tatbestandes die Tötung des Tieres unerlässlich, so
hat die Behörde nach Anhörung der Parteien hierüber zu entscheiden.
Steht das Tier während des Verfahrens um oder ist dessen
Notschlachtung erforderlich, nachdem bereits eine Expertise statt-
gefunden hat, so kann die Behörde, auf Verlangen einer Partei, am
toten Körper eine weitere Untersuchung anordnen.
Art. 13. Die Sachverständigen haben ohne Verzug der Behörde
ein schriftliches, motiviertes Gutachten einzureichen.
Die Behörde stellt eine Abschrift des Gutachtens ungesäumt
den Parteien zu.
Art. 14. Nach Eingang des Gutachtens ordnet die Behörde,
sofern die Besichtigung des Tieres nicht mehr erforderlich ist, auf
Verlangen einer Partei und unter Benachrichtigung der Beteiligten,
die öffentliche Versteigerung des Tieres an und nimmt den Erlös
in amtliche Verwahrung.
Es steht jedoch den Parteien zu, durch Sicherheitsleistung die
Versteigerung auszuschliessen.
III. Das Hauptverfahren.
Art. 15. Auf die Gewährleistungsprozesse der Art. 2 und 3
kommen die Zuständigkeits- und Verfahrensbestimmungen der kan-
tonalen Zivilprozessordnungen zur Anwendung.
Die Kantone haben jedoch dafür zu sorgen, dass diese Kechts-
streitigkeiten im beschleunigten Verfahren erledigt werden.
Art. 16. Im Hauptverfahren wird auch darüber entschieden, wer
die Kosten des Vorverfahrens zu tragen hat.
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IV. Die niederländischen Währschafts-
bestimmungen.
Die Gesetzesbestimmungen über den Viehverkehr in den Nieder-
landen finden wir im Bürgerlichen Gesetzbuch, III. Band, Titel V,
§§ 1493—1547.
§ 1493. Kauf und Verkauf ist eine Uebereinkunft, wobei der
eine sich verpflichtet, eine Sache zu liefern, und der andere, den
dafür bedungenen Preis zu bezahlen.
§ 1494. Sie wird angenommen, zwischen Parteien vollzogen
zu sein, sobald diese über die Sache und den Preis einig geworden
sind, obschon die Sache noch nicht geliefert und der Preis auch
nicht bezahlt ist.
§ 1495. Die verkaufte Sache geht nicht eher ins Eigentum
des Käufers über, als bis die Lieferung derselben geschehen ist laut
§§ 667, 668, 671.
§ 1496. Indem die verkaufte Sache aus einem gewissen Gegen-
stande besteht, so ist dieselbe von dem Augenblick des Kaufes ab
für Rechnung des Käufers, obgleich die Lieferung derselben noch
nicht stattgefunden hat, und hat der Verkäufer das Recht, den Preis
zu fordern.
§ 1509. Der Verkäufer ist verpflichtet, sich deutlich auszu-
drücken, wozu er sich verbindet; alle undeutlichen und doppel-
sinnigen Bedingungen werden zu seinem Nachteile ausgelegt.
§ 1510. Er hat zwei Hauptverpflichtungen, nämlich: die ver-
kaufte Sache zu liefern und dafür zu haften.                             .
§ 1511. Die Lieferung ist eine Uebertragung der verkauften
Ware in die Macht und den Besitz des Käufers.
§ 1517. Die Ware muss in dem Zustande geliefert werden, in
dem sie sich im Augenblick des Verkaufes befindet.
Von dem Tage an sind alle Vorteile davon für den Käufer.
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§ 1529. Parteien können durch spezielle Uebereinkunft diese
durch das Gesetz auferlegten Verpflichtungen erweitern oder ein-
schränken; sie können selbst übereinkommen, dass der Verkäufer
zu keinerlei Garantie irgendwelcher Art verpflichtet sein soll.
§ 1540. Der Verkäufer ist für verborgene Gebrechen der ver-
kauften Ware haftbar, die die Ware für den Gebrauch, wozu sie
bestimmt ist, unbrauchbar machen oder den Gebrauch dermassen
vermindern, dass, wenn der Käufer die Gebrechen gekannt hätte,
er die Ware entweder gar nicht oder nicht anders als zu einem
niedrigeren Preise gekauft hätte.
§ 1541. Der Verkäufer ist nicht verpflichtet, für sichtbare Ge-
brechen, die der Käufer selbst hätte entdecken können, zu haften.
§ 1542. Er muss für die verborgenen Gebrechen haften, selbst
wenn er dieselben nicht kannte, es sei denn, dass er bedungen hat,
dass er zu keiner Haftung, von welcher Art auch, verpflichtet war.
§ 1543. In den in den §§ 1540 und 1542 erwähnten Fällen
hat der Käufer die Wahl, die Ware zurückzugeben und den Kauf-
preis zurückzufordern oder die Ware zu behalten und sich den-
jenigen Teil des Kaufpreises zurückgeben zu lassen, den der Richter,
nachdem er Sachverständige in dieser Angelegenheit gehört hat,
feststellen wird.
§ 1544. Wenn der Verkäufer die Gebrechen der Ware gekannt
hat, ist er, ausser zur Rückgabe des dafür empfangenen Kaufpreises,
noch dem Käufer für die Vergütung aller Unkosten, Schäden und
Interessen haftbar.
§ 1545. Wenn der Verkäufer die Gebrechen der Ware nicht
gekannt hat, haftet er nur für die Rückgabe des Kaufpreises und
auch dafür, um an den Käufer die Kosten, die bei dem Kauf und
der Lieferung entstanden sind, falls er diese bezahlt haben sollte,
zurückzuerstatten.
§ 1546. Wenn die verkaufte Ware, die verborgene Gebrechen
hatte, infolge derselben zu Grunde gegangen ist, kommt der Verlust
zu Lasten des Verkäufers, der gegenüber dem Käufer zur Rück-
gabe des ■ Kaufpreises verpflichtet ist, wie auch zur Vergütung der
übrigen Schäden, wovon in den zwei vorgenannten Paragraphen die
Rede ist.
Ist jedoch der Verlust durch Zufall verursacht, so geschieht
er zu Lasten des Käufers.
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§ 1547. Die Klage, die aus den Gebrechen, die den Verlust
des Kaufes zur Folge haben, hervorgeht, muss durch den Käufer
innerhalb einer kurzen Frist eingereicht werden, und zwar in Ueber-
einstimmung mit den Gebrechen und mit Berücksichtigung der Ge-
wohnheiten des Ortes, in dem der Kauf geschlossen wurde.
Wie durch mich bereits erwähnt wurde, hat man im Viehhandel
in erster Linie mit Paragraphen des Gesetzes zu tun, die sich auf
den Kauf und Verkauf beziehen, und hiervon haben jedoch wenig
Leute einen festen Begriff, da sie die §§ 1495 und 1496 wenigstens
in der Praxis sehr verschieden aufTassen.
Zum deutlichen Verständnis von einem oder anderem werde
ich zunächst einige der obenerwähnten Gesetzesparagraphen näher
behandeln.
§ 1493 lehrt uns, was unter einer «Uebereinkunft von Kauf
und Verkauf» verstanden wird.
Dazu ist also nötig eine * Kauf Sachet, welche der Verkäufer
sich verpflichtet, an den Käufer zu liefern, während der Käufer sich
verpflichtet, dafür den Kaufpreis an den Verkäufer zu bezahlen.
Allerdings sagt genannter Paragraph nicht, dass die Lieferung
an den Käufer und die Bezahlung an den Verkäufer geschehen
muss; doch ist dies u. a. ersichtlich aus § 1421 desselben Gesetz-
buches in dem Titel, der über «zu Grunde gehen» von Verbind-
lichkeiten handelt.
Laut letztgenannten Paragraphen muss die Bezahlung an den
Gläubiger erstattet werden oder an jemand, der Vollmacht von ihm
hat oder der durch den Richter oder das Gesetz ermächtigt ist,
die Bezahlung für ihn in Empfang zu nehmen.
Das Wort «bezahlen > muss nicht im beschränkten, sondern
im allgemeinen Sinne aufgefasst werden, so dass man unter «be-
zahlen» versteht das Geben von «etwas», das man schuldig ist.
Besteht also die Schuldverpflichtung z. B. im Geben einer Kuh,
dann folgt aus dem eben erwähnten Gesetzesparagraphen, dass diese
Kuh an den Gläubiger gegeben werden muss, d. h. an den Verkäufer.
Der Käufer ist kraft der Kaufübereinkunft verpflichtet, die Kauf-
summe zu bezahlen; die Bezahlung hiervon muss also infolge des-
selben Paragraphen an den Verkäufer geschehen.
Betrachten wir nun die §§ 1496 und 1517. Nach dem ersteren
Paragraphen ist die Sache, indem es ein gewisser Gegenstand, z. B. ein
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angewiesenes Pferd ist, vom Augenblick des Kaufes ab zu Lasten
des Käufers, obschon die Lieferung noch nicht stattgefunden hat,
wahrend der Verkäufer das Recht hat, den Kaufpreis einzufordern.
Nach diesem Paragraphen ist also, sobald die Kaufübereinkunft
zustande gekommen ist, das Risiko für die verkaufte Ware zu Lasten
des Käufers.
Wenn die Lieferung einige Tage nach dem Kauf stattfinden
soll und dem verkauften Tiere stösst in der Zeitspanne, die zwischen
dem Augenblick des Kaufes und dem Lieferungstermin liegt, etwas
zu, dann ist der dadurch entstandene Nachteil zu Lasten des Käufers.
§ 1517 sagt, dass die Ware (d. i. die verkaufte) in dem Zu-
stande geliefert werden muss, in dem sie sich im Augenblick des
Verkaufes befand.
Nehmen wir nun den Fall an, dass ein Pferd in der oben-
erwähnten Zeitspanne ein Bein bricht.
Nach § 1496 des Bürgerlichen Gesetzbuches ist das Brechen
des Beines ein Risiko für den Käufer, jedoch laut § 1517 muss
das Pferd geliefert werden, sowie es zur Zeit des Kaufes war.
Dies kann natürlich nicht mehr geschehen 1
Wir haben jedoch noch § 1271 des Bürgerlichen Gesetzbuches,
und in diesem Paragraph wird festgestellt, dass in der Verpflichtung,
etwas zu geben, die weitere A^erpflichtung inbegriffen ist, für die
Sache, die geliefert werden muss, bis zum Lieferungstermin < wie
ein guter Hausvater
» zu sorgen.
Der Verkäufer muss also während der Zeit, in der er das
verkaufte Tier noch in seinem Besitze hat, dafür sorgen wie ein
guter Hausvater, d. h. er muss für die Sache sorgen, als ob das
Tier noch sein Eigentum wäre.
Ist deshalb dem verkauften Tier, durch Schuld des Verkäufers,
etwas zugestossen, dann muss er die Folgen davon tragen, weil
er nicht wie ein guter Hausvater gehandelt hat, und ist er in diesem
Fall für den Schaden verantwortlich, den der Käufer erleidet, da
diesem das Pferd nicht in dem Zustande geliefert wird, in dem es
sich im Augenblick des Kaufes befand.
Ist jedoch der Schaden ohne Schuld des Verkäufers entstanden,
dann hat er sich nicht um den Unfall zu kümmern.
Um alle Streitfragen über diesen Punkt zu vermeiden, kommt
es oft vor, dass ein Käufer von Vieh, das nach Verlauf einer be-
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stimmten Zeit geliefert werden muss, das in § 1517 des Bürgerlichen
Gesetzbuches erwähnte Risiko auf den Verkäufer überträgt.
In dergleichen Fällen braucht der Käufer, wenn dem verkauften
Vieh in der Zeit zwischen Kauf und Lieferung ein Unglück zu-
stösst, das Gekaufte nicht anzunehmen und auch nicht zu bezahlen.
Auch hieraus können wieder grosse Schwierigkeiten entstehen,
da dies gewöhnlich nicht unter schriftlicher Garantie stattfindet.
Der § 1510 des Bürgerlichen Gesetzbuches stellt ferner fest,
dass der Verkäufer zweien Hauptverpflichtungen nachzukommen hat,
und zwar in erster Linie, um die verkaufte Sache zu liefern, und
in zweiter Linie, dafür zu haften.
Das Gesetz sagt nun in § 1527 des Bürgerlichen Gesetzbuches,
welche Tendenz die Haftung hat, nämlich für den ruhigen, fried-
lichen Besitz der verkauften Ware und der verborgenen Fehler
hiervon, oder von denjenigen, die Anlass zu einem Kaufverluste
geben können.
Der Verkäufer hat also dafür zu sorgen, dass der Käufer die
freie Verfügung über die gekaufte Ware hat und ohne Berück-
sichtigung anderer nach eigenem Gutdünken damit handeln kann.
Behauptet ein anderer, Eigentümer von der gekauften Sache zu
sein, dann muss der Verkäufer dem Käufer für die Folgen davon haften.
Die Haftung für verborgene Fehler ist jedoch beschränkt.
§ 1540 des Bürgerlichen Gesetzbuches schreibt vor, dass der Ver-
käufer für verborgene Fehler der verkauften Ware haften muss,
die die Ware für den Gebrauch, wozu sie bestimmt ist, unbrauchbar
macht oder die den Gebrauch dermassen vermindert, dass, falls
der Käufer die Gebrechen gekannt hätte, er die Ware entweder gar
nicht oder nicht anders als zu einem niedrigem Preise gekauft hätte.
Hierzu bemerke ich sofort, dass «Haftung > für verborgene
Gebrechen nicht allein bei Kauf und Verkauf, sondern auch bei
Tausch vorkommt, da die gesetzlichen Vorschriften, den Kauf und
Verkauf betreffend, auch für Tausch in Kraft sind.
Bin Fall aus meiner Praxis diene zur näheren Erläuterung.
Ein Fleischer zu Zwolle gab daselbst eine durch ihn an dem-
selben Morgen gekaufte Kuh als Schlachtvieh zur Versteuerung an.
Nach dem Gesetz für das Schlachtvieh muss der Angeber, also
in diesem Falle der Fleischer, selbst den Wert des Tieres feststellen.
Die diensttuenden Beamten fanden den angegebenen Wert zu
niedrig und machten demzufolge von ihrem Recht zur Beschlag-
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nähme Gebrauch, welches Recht ihnen nach dem genannten Ge-
setzesparagraphen, das Schlachtvieh betreffend, zukommt.
Die Kuh war deshalb vom Augenblick der Beschlagnahme ab
das Eigentum des Staates. In den Niederlanden, und natürlich dann
auch in Zwolle, haben die Beamten die Befugnis vom Staat erhalten,
die beschlagnahmten Tiere wieder an den Angeber zu verkaufen.
Die Beamten machen von dem Recht gerne Gebrauch, da sie
in den Vorteil, den der Staat durch Beschlagnahme und Verkauf
erzielt, sich teilen.
Sehr bald nach der Beschlagnahme wurden dann auch zwischen
den Beamten und dem Angeber Unterhandlungen angeknüpft über
den Verkauf der Kuh.
Diese Unterhandlungen hatten zum Resultat, dass die Parteien
über den Preis einig wurden, und dass der Angeber demzufolge
wiederum Eigentümer der Kuh wurde.
Der Angeber, der die Kuh gekauft hatte, um sie zu schlachten,
Hess dies noch am selben Tage ausführen. Und was stellte sich
bei der Schlachtung heraus? Man sah, dass die Kuh an heftiger
Tuberkulose litt.
Das Fleisch wurde in Zwolle für den Konsum untauglich er-
klärt, jedoch durfte es zur Sterilisation nach dem Schlachthause
zu Utrecht geschickt werden. Die Frage war nun, ob der Staat,
laut § 1640 des Bürgerlichen Gesetzbuches, dem Angeber gegen-
über verpflichtet war, für dieses verborgene Gebrechen zu haften,
und ob der Staat umgekehrt den Angeber (denn von ihm stammte
doch die Kuh ab) wiederum zur Verantwortung ziehen konnte.
So wie ich oben bereits mitteilte, kommt «Haftung» allein in
Betracht im Fall eines Kaufes oder Tausches.
Für beide Uebereinkünfte ist für die diesbezügliche Handlung
der gegenseitige Wunsch beider Parteien dazu nötig.
Dieser Umstand lag vor beim Abschliessen des Kaufes zwischen
den Beamten und dem Angeber.
Ohne Zweifel war also der Staat verpflichtet, dem Käufer (An-
geber) gegenüber für das verborgene Gebrechen zu haften.
Dies geschah aber eben nicht infolge der Beschlagnahme.
Die Beschlagnahme ist eine einseitige Handlung — eine Hand-
lung der Beamten, diesen durch ein Verwaltungsgesetz zuerkannt,
eine Handlung also, zu welcher die Mitwirkung des Angebers nicht
nötig ist.
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Darum ist sie auch eine gezwungene Enteignung.
Von einer Uebereinkunft von Kauf und Verkauf kann also
bei einer Beschlagnahme keine Rede sein, und darum musste der
Staat den Schaden tragen.
Nach diesem Vorfall hat der Staat die Massregel eingeführt,
dass, wenn ein Verkauf von beschlagnahmten Kühen stattfindet, die
Haftung ausgeschlossen ist.
Obschon es nichts zur Sache tut, möchte ich doch noch mitteilen.
warum die tuberkulöse Kuh nach Utrecht geschickt wurde und was mit
derselben geschah. Dies letzte vermelde ich ausdrücklich, um sehen zu
lassen, welche grosse Hindernisse dem Transport von Fleisch auf Staats-
kosten manchmal in den Weg gelegt werden.
Zu Zwolle nämlich ist kein öffentliches Schlachthaus, und eine Ge-
legenheit zur Sterilisierung besteht nicht.
Der kontrollierende Tierarzt zu Zwolle hat kraft einer Magistrats-
verordnung die Befugnis, eine Kuh, wie hier oben erwähnt ist, gänzlich
vernichten zu lassen, oder aber er darf auch erlauben, dass das Fleisch
zur Sterilisierung nach einem Ort geschickt wird, woselbst Gelegenheit
dazu besteht.
Solches wird getan, um den Eigentümer so viel wie möglich vor
Schaden zu behüten.
Der genannte Tierarzt sorgt natürlich dafür, dass er sicher ist, dass
das Fleisch wirklich zur Sterilisierung verschickt wird, so dass er über-
zeugt ist, dass das Fleisch nicht, ohne sterilisiert zu sein, konsumiert wird.
Das Fleisch wird nach der Sterilisierung am betreffenden Schlacht-
hause verkauft und der Ertrag dem Eigentümer gegenüber verantwortet.
Für den Transport des Fleisches nach dem Schlachthause ist ein
staatlicher Begleitschein benötigt.
Der betreffende Fleischer hatte um einen solchen Begleitschein für
diese Kuh angefragt und denselben erhalten; er hatte aber bei der An-
frage vergessen, anzugeben, dass das Fleisch allein für « Durchfuhr > be-
stimmt war.
Auf dem Begleitschein stehen nämlich die Worte: « Ein- und Durch-
fuhr
».
Der Beamte in Utrecht konstatierte, dass der Begleitschein nicht für
das Fleisch der obenerwähnten Kuh sein konnte, da das Fleisch von der
Kuh allein durchgeführt wurde (d. h. von Zwolle nach Utrecht).
Man nahm darum auch das Fleisch, weil es nicht durch einen Be-
gleitschein genügend gedeckt war, in Beschlag.
Infolge des eben erwähnton Irrtums bei der Angabe fand nun wiederum
Enteignung statt, deren nachteilige Folgen sich doch schliesslich zu Lasten
des Staates stellten.
Wenn nämlich das Fleisch in Utrecht nicht beschlagnahmt worden
wäre, dann wäre es sterilisiert und danach verkauft worden, während der
Ertrag dem Angeber-Fleischer verantwortet wäre.
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Der Schlachter hätte dann infolge des verborgenen Gebrechens weniger
Schaden erlitten, und der Staat würde dann auch wiederum weniger
Schaden an den Schlächter haben bezahlen müssen.
Nun bekam der Schlächter nichts vom Ertrag, und musste der Staat
dem Schlächter den ganzen Schaden ersetzen.
Zum Ueberfluss verdient es noch der Meldung, dass 16 Beamte, ob-
gleich keine Sachverständigen, deutlich sehen konnten, dass das Fleisch
in hohem Grade tuberkulös war.
Das Fleisch wurde sofort nach der Beschlagnahme vernichtet.
Obschon laut § 1496 des Bürgerlichen Gesetzbuches die ver-
kaufte Ware, falls diese sicher und gewiss aus einem Gegenstand
besteht, von dem Augenblicke des Einkaufs ab für Risiko des
Käufers ist und obschon im § 1540 des Bürgerlichen Gesetzbuches
nicht ausdrücklich von der gelieferten Ware gesprochen wird, so
kann ein Käufer sich nicht auf eine Garantie gegen verborgene
Fehler berufen, wenn die Ware nicht an ihn geliefert ist.
Dies ist aus der ganzen Zusammenstellung des Gesetzes über
diese Angelegenheit ersichtlich, während das Reichsgericht (der
hohe Rat) der Niederlande dies durch seinen Beschluss vom
28. Januar 1881 entschieden hat.
Es betraf in dem Prozess allerdings kein Tier, sondern Effekten,
aber das tut nach dem Niederländischen Gesetz nichts zur Sache;
das Gesetz spricht von «Ware >, und darunter versteht man alle
Güter und Rechte, welche Gegenstand eines Eigentums sein können
(§ 555 Bürgerliches Gesetzbuch).
Zu einer Klage wegen Garantieleistung ist infolge des mehr-
fach genannten § 1540 nötig:
1.   dass das Tier verborgene Fehler hat;
2.  dass die verborgenen Fehler das Tier zum Gebrauch, wozu
es bestimmt ist, untauglich machen, oder die diesen Gebrauch
insofern verringern, dass, wenn der Käufer diese Gebrechen
gekannt hätte, er die Ware gar nicht oder nicht anders als
zu einem geringeren Preis gekauft haben würde.
Was dieses letztere betrifft, so kommt es nicht darauf an, ob das
Tier für den bestimmten Gebrauch untauglich ist oder ob das Ge-
brechen die Abnahme einschränkt.
Einer dieser zwei Umstände ist genug, um einen Prozess wegen
einer Garantie zu beginnen. In allererster Linie ist deshalb nötig,
dass das Tier an einem verborgenen Gebrechen leidet, jedoch muss
dieses Gebrechen schon im Augenblick des Kaufes bestanden haben.
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Dies ist die allgemeine Regel, doch folgt sie auch der Bestim-
mung des § 1496 des Bürgerlichen Gesetzbuches, da die gekaufte
Ware vom Augenblick des Kaufes ab für Risiko des Käufers ist.
Hier ist nun gerade eine der grössten Schwierigkeiten, welche
meistens bei einem Prozesse wegen einer Garantieleistung für ver-
borgene Fehler bei einem Tiere anwesend sind.
Es kommt doch hauptsächlich darauf an, welche Bestimmung
der Käufer dem Tier gab, als er es kaufte.
Kommt nun der Fall vor, dass ein Fleischer (kein Viehhändler)
eine Kuh kauft, so ist durch die Tatsache, dass er die Kuh kauft,
bewiesen, dass das Tier bestimmt ist, um geschlachtet zu werden.
Bin solcher Fall bietet gewöhnlich nach der Schlachtung keine
Schwierigkeiten, um festzustellen, ob ein Tier schon während des
Kaufes mit einem verborgenen Gebrechen behaftet war; jedoch ist
es ein anderer Fall, wenn ein Viehhändler, eine Kuh kauft, denn
der Viehhändler kauft die Kuh, um sie wieder zu verhandeln.
Das Tier bleibt deshalb am Leben. Ist man so gut wie sicher,
dass das Tier an einem verborgenen Gebrechen leidet, dann darf
das Tier doch nicht geschlachtet werden, da dies nicht die Be-
stimmung des Tieres war.
Schlachtet er die Kuh trotzdem, dann verliert er sein Recht,
eine Klage wegen Garantie einzureichen.
Es ist selbstverständlich, dass bei einem lebenden Tier die
Anwesenheit eines verborgenen Gebrechens nicht leicht positiv fest-
gestellt werden kann, und gerade dies ist die Schwierigkeit, der
so viele Käufer zum Opfer fallen.
Ein anderer Fall ist es, wenn das durch den Viehhändler ge-
kaufte Tier infolge eines verborgenen Gebrechens stirbt.
Hierbei wird angenommen, dass das Tier infolge des verborgenen
Gebrechens zu Grunde gegangen ist, und hierauf kommt § 1547 des
Bürgerlichen Gesetzbuches zur Anwendung, wodurch festgestellt ist,
dass in einem solchen Fall der Verlust zu Lasten des Verkäufers ist.
Allerdings wird in § 1546 nicht von «sterben > gesprochen,
jedoch ist die niederländische Jurisprudenz einstimmig im Urteil,
dass « sterben > infolge eines verborgenen Gebrechens gleichgestellt
werden muss mit < zu Grunde gehen ■>, da das Sterben eine natürliche
Folge von dem Verlauf der Krankheit ist.
Eine grosse Schwierigkeit kann hierbei entstehen, wenn der
Fleischer gleichzeitig Viehhändler ist. Kauft er die Kuh als Vieh-
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händler, dann ist die Bestimmung des Tieres, um es lebend zu
verhandeln, und kauft er das Tier als Fleischer, dann ist es be-
stimmt, um geschlachtet zu werden. In dergleichen doppelter Stel-
lung des Käufers muss beim Kauf die Bestimmung ausdrücklich
angegeben werden; denn ist dies nicht geschehen und kommt es
zu einem Prozess wegen eines verborgenen Gebrechens und be-
hauptet der Fleischer-Viehhändler, dass er das Tier kaufte, um es
zu schlachten, während der Verkäufer solches leugnet, dann wird
der Käufer zu beweisen haben, dass er das Tier kaufte, um es zu
schlachten, weil dies einen Bestandteil der Klage betreffend die
Garantie darstellt.
§ 1902 des Bürgerlichen Gesetzbuches kommt dem Verkäufer
zu Hülfe und sagt, dass ein jeder, der behauptet, irgend ein Recht
zu haben oder sich auf irgend eine Tatsache zur Unterstützung
seines Rechtes beruft, das Bestehen dieses Rechtes oder dieser
Tatsache zu beweisen haben soll.
Viele Prozesse über Garantie stranden dann auch an der Klippe
des Beweises.
Der Viehhandel ist ein Handel auf Vertrauen. Zuweilen ge-
schieht es, dass bei dem Kauf kein einziger Zeuge zugegen ist,
und hat man es mit einem Verkäufer zu tun, der die Ehrlichkeit
nicht besonders hoch schätzt, dann ist in vielen Fällen dem Käufer
anzuraten, von einem Prozesse abzusehen und den Verlust für seine
Rechnung zu nehmen.
Die Garantieprozesse können selbst im Gewinnfalle auch noch
unangenehme Folgen für den Käufer haben, wenn bei dem Ver-
käufer keine Aktiven vorhanden sind.
Ich habe selbst mehrfach erlebt, dass ein in guten Verhält-
nissen lebender Bauer seinen Knecht, der nichts besass, mit einer
verdächtigen Kuh zum Markte schickte, um diese zu verkaufen.
Der Knecht bekam den Auftrag mit, die Kuh nicht auf den Namen
seines Herrn, sondern auf seinen eigenen Namen zu verkaufen.
Der Käufer wird auch oft in solchen Fällen das Opfer von
unehrlicher Handlungsweise der Bauern.
Ich könnte mehrere solcher Fälle nennen, woraus ersichtlich
ist, wie hoch nötig es ist, im Viehhandel Massregeln zu treffen,
die den Käufer vor dergleichen unehrlichen Machenschaften in
Schutz nehmen; doch meiner Ansicht nach ist hier nicht der an-
gewiesene Platz dafür.
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V. Vorschläge zur Verbesserung der nieder-
ländischen Währschaftsgesetzgebung.
Vergleicht man nun unser niederländisches Währschaftsrecht
mit den Bestimmungen der Schweiz und Deutschlands, so sieht man
ohne weiteres ein, dass unsere Gesetzgebung eine Ergänzung bedarf.
Wie aber und in welcher Richtung?
Was zunächst den Umfang unseres Gesetzes angeht, so ist
klar ersichtlich, dass eine Beschränkung auf gewisse Tiergattungen,
wie dies in der Schweiz z. B. früher der Fall war, nicht geschieht.
Es erscheint allerdings etwas zu weitgehend, auch Hunde, Katzen,
Kaninchen, Geflügel hier miteinzubegreifen. Doch Hesse sich zwar
bemerken, dass Währschaftsstreitigkeiten hier seltener vorkommen
werden, da der Wert im allgemeinen zu gering ist, anderseits es
aber doch von Vorteil wäre für Leute, welche für Hunde oder Ge-
flügel sogenannte «Liebhaberpreise > zahlen, eine gewisse Garantie
von Gesetzes wegen zu besitzen. Hierin würde ich also keinen
Nachteil unseres Rechtes erblicken.
Was den zeitlichen Umfang der Währschaft angeht, so bestimmt,
wie ich eben bemerkte, unser Gesetz überhaupt gar nichts darüber.
Das ist natürlich ein Fehler, der vor allem nachgeholt werden muss.
Man kann nun hierbei aber verschieden vorgehen, je nachdem man
Hauptgewährsmängel aufstellt, wie dies das deutsche Gesetz tut,
oder ob man nur eine Mittelfrist für alle Mängel annimmt, wie dies
die neue schweizerische Gesetzgebung vorschreibt. Dass diese Frist
dann möglichst kurz gefasst werden sollte vom Standpunkte des
Verkäufers, aber auch nicht zu kurz vom Standpunkte des Käufers,
ist ebenfalls nach den historischen Schilderungen augenfällig. Die
jetzt neuerdings von der Schweiz auch wieder angenommene Frist
von neun Tagen erscheint jedenfalls das allerknappeste Mindestmass.
Auch vom Gesichtspunkte der Verhinderung von Streitigkeiten,
den wir ja hier vertreten, muss eine möglichst kurze Gewährsfrist
ebenfalls bevorzugt sein.
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Jedenfalls ist die legendenhafte sechswöchentliche Gewährsfrist
der Niederlande mit eine Ursache der vielen Wahrschaftsstreite.
Was nun die Mängel und Eigenschaften angeht, für die der
Verkäufer zu haften hat, so weist unser niederländisches Gesetz
gegenüber dem schweizerischen den Hauptunterschied auf, dass bei
uns der Kauf ohne jegliche Garantie nur dann möglich ist, wenn
dies ausdrücklich bestimmt wird, während nach der neuen schwei-
zerischen Gesetzgebung die Garantie nur dann geleistet wird, wenn
dieselbe ausdrücklich schriftlich für ganz bestimmte Mängel oder
allgemein als « gesund und recht > versprochen wird. Nach deutschem
Recht gelten ebenfalls nicht, wie bei uns, alle unsichtbaren Mängel,
die den Gebrauch des Tieres schmälern oder gänzlich aufheben,
sondern ganz bestimmte Hauptmängel.
Es würde sich nun fragen, ob wir nicht auch solche Haupt-
mängel aufstellen sollten oder was wir unter den vom Bürgerlichen
Gesetzbuch behandelten Gebrechen verstehen sollen.
Hierbei sei bemerkt, dass das Wort «Gebrechen», so wie es
in § 1540 des Bürgerlichen Gesetzbuches vorkommt, auf die An-
wesenheit der ungewöhnlichen Eigenschaften hinweist, die den
Gegenstand für den Gebrauch, wozu er bestimmt ist, untauglich
oder ihn für den Gebrauch minderwertig machen.
Als solche Gebrechen sind meiner Ansicht nach zu erachten:
A. Beim. Pferde.
In erster Linie ein sehr vielfach vorkommendes Gebrechen mit
Namen Cornage (Pfeif er dampf), ferner die gewöhnliche Dämpfigkeit.
Diese zwei Gebrechen sind also die Leiden der Atmungsorgane.
In zweiter Linie die Gebrechen der Augen, worunter zu
rechnen sind:
1.  Die Mondblindheit oder auch wohl «Periodische Augenent-
zündung » genannt;
2.   der Schwarze Star, auch wohl Amaurosis genannt.
Auch spricht man noch von einer anderen Augenkrankheit, der
« Graue Star » genannt.
In dritter Linie eine sehr schwierige Abteilung, nämlich die
Gebrechen des Nervensystems, wozu vor allem gehören:
1.  Dummkoller und
2.   die Epilepsie oder Fallsucht.
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In vierter Linie eine parasitäre Krankheit: die Räude, Sarcoptes-
räude genannt.
In fünfter Linie eine sehr gefährliche Krankheit: der Rotz.
In sechster Linie ein Gebrechen der Geschlechtsteile: der
Klopfhengst (Cryptorchidie).
In siebenter Linie eine gewisse Lähmung: periodisches Hinken.
Ferner darf man noch zu den Gewährsmängeln die Unarten
zählen, wozu zu rechnen sind:
1.   die Stätigkeit oder Störrigkeit;
2.   die Unleidlichkeit und
3.   die Scheu.
Hierzu rechnet man auch das Koppen und Krippensetzen und
das Luftschlucken.
B. Beim Rinde.
Sehen wir nun zu, welche Gewährsmängel man bei Rindern
antrifft. Da ist dann in erster Linie die sehr viel vorkommende
Tuberkulose oder Perlsucht zu nennen.
Natürlich können Pest der Rinder, Lungenseuche und Maul-
und Klauenseuche auch Anlass zu Gewährsmängeln sein; aber diese
«
Fälle kommen nicht so oft bei uns in Holland vor.
Ferner parasitäre Krankheiten, worunter in zweiter Linie
Leberegelkrankheit und in dritter Linie Lungenwurmkrankheil.
Auch die Coenurus cerebralis und die Finnigkeit kann man
hierzu rechnen.
Die Cysticercus bovis kommt hierzulande nicht viel vor, jedoch
viel in Deutschland und kann natürlich Anlass zu Gewährsmängeln
geben.
In vierter Linie eine Krankheit, die vielfach bei Milchbauern,
die in oder in der Gegend von Städten wohnen, nämlich die trau-
matische Pericarditis.
In fünfter Linie die chronische Metritis in Form von Fluor albus.
Zu einem Gebrechen der Gebärmutter darf auch noch gerechnet
werden das Zurückbleiben der Nachgeburt (retentio secundinse).
Auch dürfen nicht vergessen werden die sogenannten verstei-
nerten, aufgeweichten und faulen Früchte
und dann noch habi-
tueller Scheidenvorfall.
Auch entstehen im Viehhandel oft Prozesse darüber, ob die
Kuh tragend gewesen ist oder nicht.
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— 65 —
Bei Milchkühen sind die folgenden Gebrechen noch für den
Viehhandel von Bedeutung, und zwar das sogenannte « Laufenlassen
der Milch
» und das Milchsaugen, während auch die Nymphomanie
als ein Gewiihrsmangel angesehen wird.
Das sogenannte < Toilette machen > der Kühe, d. h. das < Jünger
machen > der Kühe, indem man die Hörner abschneidet oder abfeilt, wird
in Deutschland als Betrug angesehen, in den Niederlanden hingegen nicht.
Ich muss ehrlich bekennen, dass dies < Toilette machen > in Zwolle
ausgezeichnet verrichtet wird, und wenn der Kunsthandwerker damit be-
schäftigt ist, hat er gewöhnlich viel Bewunderer um sich her versammelt.
Es ist mir dann auch mehrfach bewiesen worden, dass der Verkäufer
nicht einmal seine durch ihn selbst verkaufte Kuh wieder erkannte.
Bei Schlachtvieh kann auch noch eine Klage eingereicht werden,
wenn die Kälber nicht gut fett gemästet sind, d. h. wenn das Kalb nicht
ausschliesslich mit unverfälschter Kuhmilch gefüttert ist und trotzdem
dafür verkauft wird.
C.   Bei Schafen.
Bei Schafen wird zu den Gewährsmängeln gerechnet die Räude,
von der Abteilung der ansteckenden Krankheiten, und hinsichtlich
der parasitären Krankheiten kommen in Betracht die Lungenwurm-
krankheit, weiter der Coenurus cerebralis und die Echinococcus-
krankheit.
Natürlich kann auch bei Schafen die Maul- und Klauenseuche
Anlass zu Gewährsmängeln sein.
D.   Bei Schweinen.
Bei Schweinen gehört natürlich auch die Tuberkulose, wenig-
stens bei Schlachtvieh, zu den Gewährsmängeln, und in zweiter
Linie können Brustseuche, Schweinepest und Rotlauf Anlass zu
Gewährsmängeln geben.
Was die parasitären Krankheiten betrifft, sind als gefährlich
zu betrachten: die Trichinose, zweitens die Cysticercose und endlich
die Echinococcenkrankheit (Pinnigkeit), ebenso wie bei den Rindern.
Es Hesse sich diese Liste ohne Zweifel noch vermehren, und;
kann ioh daher den schweizerischen Autoren nur zustimmen, wenn
sie die Aufzählung einer bestimmten Anzahl der wichtigsten, mit
ganz präzisen tierärztlichen Begriffen bezeichneten Krankheiten und
Mängel (sogenannten Hauptmängel) als ungenügend erachten, indem
die Begrenzung der hierher zu zählenden Gebrechen eine inkonstante,
jedenfalls aber eine subjektiv-konventionelle sein muss und ja, wie
o
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Hachenburg*) schon erwähnt, der den Grund der Beschränkung
auf etliche Hauptmängel studiert, nach Ansicht des Käufers und
Verkäufers verschieden sein können.
Ich gebe auch gerne zu, dass darin die Gefahr für manchen
Käufer liegt, im Vertrauen auf die gesetzlichen Vorschriften nicht
die Vorsicht beim Kaufe aufzuwenden, wie dies vielleicht geschähe,
wenn er darüber klar ist, dass nur die persönliche Uebereinkunft
mit seinem Verkäufer ihn vor Schaden bewahren kann.
Dennoch würde ich persönlich der Meinung sein, man möge
die bisherige Bestimmung unseres Gesetzbuches in dieser Hinsicht
nicht durch Aufzählung von bestimmten Mängeln einschränken.
Ich möchte im Gegenteil mehr in der Aenderung des prozessualen
Verfahrens die Richtung erblicken, in der unsere holländische Gesetz-
gebung vorzuschreiten hat.
Hier sollte alles auf eine Vereinfachung und Verkürzung des
Rechtsstreites gerichtet sein.
Welchen Weg muss man nun heutzutage in den Niederlanden
einschlagen, um zu versuchen, zu seinem Rechte zu kommen, wenn
man eine Klage wegen eines Gewährsmangels einreichen will?
Wenn wir das Bürgerliche Gesetzbuch aufschlagen, dann lesen
wir, dass hierauf die folgenden Paragraphen angewendet werden:
§ 1. Jede Sache wird statthaft gemacht durch eine Vorladung
durch den Gerichtsvollzieher, der an dem Orte zum Exploitieren
derselben befugt ist; er ist verpflichtet, eine Abschrift der Vorladung
bei der betreffenden Person oder in der Wohnung des Vorgeladenen
zu lassen u. s. w.
§ 19. Der Richter kann in jedem Falle und in jedem Stadium
der Sache, wenn ihm dieselbe geeignet scheint, um schicklicherweise
beigelegt zu werden, sei es auf Antrag der Parteien oder einer
derselben, sei es von Amtes wegen, den Parteien vorschreiben, ent-
weder in eigener Person oder mit ihren Sachwaltern vor ihm oder
vor einem oder mehreren Gerichtskommissaren zu erscheinen, um
einen eventuellen Vergleich herbeizuführen zu versuchen u. s. w.
§ 20. Die Parteien dürfen ihre eigenen Sachen verteidigen;
jedoch wird das Amts- oder das Landesgericht das Recht haben,
ihnen dieses Recht zu entziehen, falls dieselben ausserstande er-
*) Hachenburg, M., Das Recht der Gewährleistung beim Tierhandel.
Mannheim 1888. Nr. 74.
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achtet werden, um entweder durch Heftigkeit ihre Sache mit der
verlangten Schicklichkeit und mit der Deutlichkeit, die für Kenntnis-
nahme des Richters genügend ist, behandeln zu können.
§ 56. Jeder, dem durch ein Urteil sein Unrecht bewiesen wird,
wird die Kosten tragen u. s. w. Der Richter wird die Kosten, die
unnütz angewendet oder verursacht sind, derjenigen Partei, die sie
anwendete oder verursachte, zuweisen u. s. w.
§ 75. Indem der Kläger am festgesetzten Termintage nicht
erscheint, so wird er in Kontumaz gestellt, und der Angeklagte
wird von dem Termin freigestellt, mit Verweisung der Kosten zu
Lasten des Klägers.
In diesem Fall darf kein Widerspruch stattfinden; jedoch kann
der Kläger die Sache von neuem beginnen, nachdem er die Kosten
der oben erwähnten ersten Verhandlung erst bezahlt hat.
§ 76. AVenn der Angeklagte nicht erscheint und die vorge-
schriebenen Termine und Formalitäten nicht in acht genommen
sind, so wird er in Kontumaz gestellt, und die Entscheidung ist zu
Gunsten des Klägers, es sei denn, dass sie dem Richter unrecht-
mässig und unbegründet erscheint.
§ 81. Der Angeklagte, der in Kontumaz gestellt ist, wird da-
gegen keinen Widerspruch erheben können. Der Widerspruch muss
14 Tage, nachdem das Urteil ihm persönlich ausgehändigt oder
durch irgend eine infolge des Urteils aufgestellte oder durch eine
zur Ausführung des Urteils dienende Akte bekannt gemacht ist,
erfolgen. Ausserdem in den Fällen in dem vorigen Absatz genannt,
ist der Widerspruch zulässig, bis das Urteil ausgeführt ist.
Der Verurteilte, der sich mit dem Urteil begnügt, kann dagegen
später keinen Widerspruch erheben.
§ 87. Der Opposant, der zum zweiten Male in Kontumaz gestellt
wird, hat nicht mehr das Recht, fernerhin einen Widerspruch zu
erheben.
§ 97. In Sachen, die rein persönlich sind oder sich auf beweg-
liche Güter beziehen, wird die Vorladung vor denjenigen Richter
geschehen, in dessen Bezirk der Vorgeladene wohnt u. s. w. Falls
der Vorgeladene keinen Wohnsitz hat, wird er vor den Richter
desjenigen Bezirkes vorgeladen, in welchem sich sein Aufenthaltsort
befindet, und wenn er keinen wirklichen Aufenthalt im Königreich
hat, dann vor den Richter des Klägers u. s. w.
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§ 127. Bin Ausländer kann, selbst wenn er sich nicht in den
Niederlanden aufhält, vor den niederländischen Richter geladen
werden hinsichtlich der Verbindlichkeiten, die durch ihn einem
Niederländer gegenüber, sei es in den Niederlanden oder in einem
fremden Lande, eingegangen sind u s. w.
§ 152. Alle Ausländer, indem sie die Kläger sind......sind
verpflichtet, auf Antrag der Gegenpartei, bevor letztere sich in irgend
einer Weise durch Rechtsmittel zu wehren oder Einwände zu er-
heben braucht, eine Sicherheit für die Zahlung der Kosten, Schäden
und Interessen zu stellen, die ihnen eventuell zugewiesen werden
könnten u. s. w.
§ 199. Wenn Parteien sich über die Tatsachen nicht einigen
können und die Beweisführung durch Zeugen durch das Gesetz
erlaubt ist, dann wird der Richter auf Antrag einer der Parteien
ein Zeugenverhör anordnen u. s. w.
Der Gegenbeweis ist von Rechts wegen erlaubt.
§ 222. Wenn der Gerichtshof oder das Landgericht, sei es auf
Antrag beider Parteien, sei es von Amtes wegen, es nötig erachtet,
so kann befohlen werden, dass eine Untersuchung oder Aufnahme
durch Sachverständige eingeleitet wird.
Dieser Ausspruch wird den Gegenstand der Untersuchung oder
Aufnahme deutlich angeben und gleichzeitig die Ernennung von
drei Sachverständigen befassen.
Wenn jedoch durch beide Parteien ersucht wird, dass eine Unter-
suchung durch nur einen Sachverständigen stattfinde, dann wird
nicht mehr als ein Sachverständiger ernannt.
§ 225. Die von Amtes wegen ernannten Sachverständigen können
verweigert werden aus demselben Grunde wie die Zeugen.
Die durch Parteien angewiesenen Sachverständigen können
nicht verweigert werden, es sei denn aus Gründen, die nach der
Ernennung und vor der Beeidigung zu Tage kommen.
Die Weigerung muss immer vor der Beeidigung beantragt
werden u. s. w.
§ 226. Die Weigerung muss innerhalb drei Tagen nach der
Ernennung stattfinden, und zwar durch eine einfache Akte, welche
die Gründe und die Beweise der Weigerung befasst, oder auch sie
muss das Anerbieten zur Weigerung mit Zeugen bekräftigen u. s. w.
§ 298. Kaufmännische Angelegenheiten werden in der gewöhn-
lichen Gerichtssitzung behandelt, und gelten hierfür die gewöhnlichen
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Regeln der Rechtspflege, insofern hiervon nicht in dieser Abteilung
abgewichen ist.
§ 300. Der Richter kann, auf Antrag einer der Parteien, die
Behandlung einer kaufmännischen Angelegenheit einer anderen Sache
vorgehen lassen.
§ 302. In Sachen, die Eile haben, steht es dem Amtsrichter
oder dem Präsidenten des Rechtskollegiums frei, auf Antrag des
Klägers Erlaubnis zu geben, von Tag zu Tag, selbst von Stunde zu
Stunde vorzuladen.
§ 855. Solchen Personen, die als Kläger oder Verteidiger in
Rechten vorgehen wollen und die beweisen können, dass sie nicht
imstande sind, die Prozesskosten zu tragen, kann durch den Richter,
bei dem der Rechtshandel oder die Sache angefangen oder anhängig
ist, Erlaubnis gegeben werden, um kostenlos zu prozessieren u. s. w.
§ 856. Die Erlaubnis wird durch ein Ansuchen, auf unge-
siegeltem Papier geschrieben und durch einen Anwalt unterschrieben,
der, so nötig, durch den Präsidenten hierzu angewiesen wird, falls das
Ansuchen an einen Gerichtshof oder an ein Landgericht gerichtet ist.
§ 857. Das Ansuchen enthält die Angabe der Tatsachen und
summarische Angabe der Gründe der Forderung oder der Ver-
teidigung des Bittstellers.
§ 858. Bei dem Ansuchen muss ein Zertifikat vom Unvermögen
des Bittstellers mit eingeliefert werden, das vom Magistrat seines
Wohnortes auf Grund eines Zeugnisses von Weich- oder Viertel-
meistern abgegeben wird, oder es sei von mindestens zwei bekannten
glaubwürdigen männlichen Personen.
§ 865. Jemand, der die Erlaubnis zur kostenlosen Prozedur
hatte und in erster Instanz verlor, wird keine Berufung einlegen
oder andere Kassationsmittel kostenlos anwenden können, bevor er
nicht von dem höheren Richter ebenfalls hierzu die Erlaubnis erlangt
haben wird, und zwar in derselben Weise, wie dies für die erste
Instanz vorgeschrieben ist.
Falls er jedoch in erster Instanz Recht bekommen hat, braucht
er nicht um weitere Erlaubnis nachzusuchen, um kostenlos in Be-
rufung zu kommen oder durch Kassationsmittel zu prozessieren,
und wird ihm dann allein ein Advokat auf seinen Wunsch beigegeben.
§ 869. Wenn die Gegenpartei dessen, der die Erlaubnis (kosten-
los zu prozedieren) erhalten hat, Unrecht bekommt und zu den
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Kosten verurteilt wird, so werden die Gehälter von Gerichtsvoll-
ziehern und Anwälten, als auch die Schreibgebühren, Siegel- und
BinschreibegebUhr und die gerichtlichen Geldstrafen denselben zur
Last gelegt, so als ob nicht kostenlos prozediert wäre.
§ 870. Wenn hingegen derjenige, der kostenlos prozessierte,
im Schlussurteil Unrecht bekommt und in die Kosten verurteilt
wird, so steht es der Gegenpartei frei, die von ihrer Seite auf ihn
gefallenen Kosten einzutreiben.
Aus obenstehendem Paragraphen kann man also sehen, auf
welche Weise Prozesse geführt werden können und welche Umstände
auf den Verlauf der Prozesse von Einfluss sein können.
Ausserdem lehren sie uns noch, wer die Prozesskosten bezahlen
muss, und wenn man bedenkt, wieviel solche Prozesse manchmal
kosten, so ist es zu bedauern, dass man in all den Jahren nicht
daran gedacht hat, einen anderen Weg einzuschlagen, um die Sache
zur Aufklärung und Abhandlung zu bringen.
Es ist noch etwas, worauf ich noch eben weisen möchte, näm-
lich auf das Zuerkennen der Kosten für allgemeine Rechnung.
Was dieses « Zuerkennen > betrifft, können manchmal viele hin-
zukommende Sachen von grossem Einfluss auf den Prozess sein.
Es kann z. B. vorkommen, dass nach Beendigung des Prozesses das
Pferd durch schlechte Pflege sozusagen wertlos geworden ist.
Es lässt sich verstehen, dass, nun der Eigentümer des Pferdes
nicht mehr zur Stelle ist, die Behandlung und die Fütterung des
Pferdes viel zu wünschen übrig lassen.
Hierbei wird noch oft der folgende Fehler gemacht. Man kauft
z. B. ein Gespann Pferde, jedoch bei einem der Pferde entdeckt
man einen Gewährsmangel.
Der Advokat des Käufers probiert nun, die beiden Pferde auf
allgemeine Rechnung zu verkaufen.
Dies ist absolut nicht nötig und auch schade für die noch zu
machenden Kosten. Warum sollte man nicht mit Erlaubnis beider
Parteien das gesunde Pferd von dem Gespann nehmen und dieses
gegen Taxationspreis behalten oder, wenn nötig, öffentlich verkaufen?
Es kommt im Pferde- und Rindviehhandel sehr oft vor, dass
man beim Kauf von mehr als einem Tier den Preis für jedes Tier
nicht besonders festsetzt; entstehen dann später Streitigkeiten oder
vielfach auch sofort Uneinigkeiten über die verschiedenen Preise,
so wird hierdurch die Angelegenheit je länger desto schwieriger.
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Beim Zuerkennen der Kosten für allgemeine Rechnung können
sich noch sehr eigentümliche Schwierigkeiten herausstellen. Ange-
nommen z. B., dass ein Pferd wegen Lungenemphysem eingestallt
ist. Das Pferd wird in einem Stall untergebracht, in dem nicht die
geringste Kontrolle hinsichtlich der Ventilation und des Futters
besteht.
Welchen Nachteil kann z. B. verschimmeltes oder staubiges
Heu auf das Lungenleiden ausüben?
Es ist doch zur Genüge bekannt, dass staubiges Heu allein
schon imstande ist, um Lungenemphysem zu erzeugen. In welche
Schwierigkeiten können dann die später zu ernennenden Sachver-
ständigen kommen, um ein Urteil zu fällen, wenn das Urteil erst
ein paar Monate später von ihnen verlangt wird.
Daher kommt es, dass man in den Niederlanden darauf aus
ist, um dem « Zuerkennen > mehr und mehr vorzubeugen, wenigstens
in denjenigen Fällen, in denen das längere Zuerkennen der Kosten
für allgemeine Rechnung auf den Gang des Prozesses von keinerlei
Einfluss ist und von beiden Parteien natürlich nichts dagegen ein-
gewendet wird.
Ich glaube nunmehr deutlich mitgeteilt zu haben, von wie
grosser Wichtigkeit es sein würde, die Angelegenheit der Währschaft
auf eine bessere, schnellere und weniger kostspielige Weise aus
dem Wege zu räumen.
Das Gesetz gibt auch aus anderen Gründen an den Käufer
das Recht, die Entbindung von einer Uebereinkunft zu fordern.
Denn durch § 1346 des Bürgerlichen Gesetzbuches wird fest-
gestellt, dass Betrug ein Grund zur Entbindung von einer Ueberein-
kunft ist, wenn die Kunstgriffe, durch eine der Parteien angewendet,
derart sind und es auf der Hand liegt, dass die andere Partei, ohne
dass diese Kunstgriffe angewendet wären, die Uebereinkunft nicht
geschlossen haben würde.
Nach demselben Paragraphen wird Betrug nicht vorausgesetzt,
doch muss er bewiesen werden.
Selten geschieht es, dass ein Käufer wegen Betruges einen
Prozess zur Entbindung von der Kaufübereinkunft anhängig macht,
aus dem einfachen Grunde, dass es beinahe nicht zu beweisen ist,
ob der Verkäufer listige Kunstgriffe und betrügerische Handlungen
ausdrücklich ausgeführt hat, und um in einer solchen Forderung
zu seinem Rechte zu kommen, muss man den Beweis liefern, dass
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die listigen Kunstgriffe und betrügerischen Handlungen wirklich
ausgeführt sind.
Laut Beschluss des Reichsgerichtes müssen beim Anfang des
Prozesses, d. i. bei der den Prozess einleitenden Vorladung der-
gleichen Tatsachen erwähnt werden, woraus die betrügerischen
Handlungen und die listigen Kunstgriffe ersichtlich sind, und das
ist gerade das Schwierige bei der Sache.
Ein und dieselbe Handlung kann betrügerisch heissen oder
auch nicht; eine sogenannte betrügerische Handlung kann auch
eine Handlung sein, die durch einen Irrtum geschah. In diesem
letzten Falle kann natürlich keine Rede von Betrug sein im Sinne
des Gesetzes.
Bin charakteristisches Beispiel hierfür wurde vor kurzem vor
einem holländischen Gericht behandelt.
Ein Schweinehändler verkaufte an einen anderen Händler ein
Schwein, und zwar behauptete er, dass das Tier trächtig sei.
Alle Kennzeichen hiervon waren auch anwesend. Einige Tage
später bemerkte der Käufer, dass das Tier nicht trächtig sei. Hier-
über interpellierte er den Verkäufer und behauptete, dass dieser ihn
betrogen habe. Der Verkäufer blieb dabei, dass das Schwein während
des Verkaufes bestimmt trächtig war, und äusserte das Vermuten,
dass das Tier, was wohl mehr passiert, nach dem Kauf abortiert
und das Ausgeworfene aufgefressen habe.
Der Käufer beharrte bei seiner Ansicht und begann einen
Prozess wegen Betruges, aber er gab keine Tatsachen an, woraus
die listigen Kunstgriffe oder die vorsätzliche Unehrlichkeit ersicht-
lich waren.
Solche Tatsachen konnte er allerdings auch nicht angeben, da
der Verkäufer bei dem Kauf nichts anderes getan hatte, als zu
sagen, dass das Tier trächtig sei.
Der Käufer verlor deshalb auch seinen Prozess auf Grund
davon, dass keine Tatsachen, so wie oben erwähnt, anwesend waren,
und ein Irrtum seitens des Verkäufers deshalb ausgeschlossen sei.
Von einem Prozess wegen Betruges im Viehhandel wird dann
auch nur in ganz speziellen Fällen die Rede sein können.
Auch hieraus ist wiederum ersichtlich, wie nötig es ist, dass
eine bessere Regelung der Transaktionen im Viehhandel ins Leben
gerufen werde.
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Es ist selbstverständlich, dass jemand, der ein Tier für trächtig
kauft und bemerkt, dass das Tier nicht trächtig ist, Schaden erleidet.
Nach den allgemein geltenden Regeln der Jurisprudenz gehört
der Umstand, ob ein Tier trächtig ist oder nicht, nicht zu den
verborgenen Fehlern, so dass in dem hier oben beschriebenen Fall
der Käufer dem Verkäufer gegenüber ohne Rechte steht, und die
Billigkeit fordert, dass das Gesetz diesem Mangel abhelfe.
In einigen Kantonen der Schweiz hat man schon in alten Zeiten
die Trächtigkeitswährsohaft von Gesetzes wegen eingeführt. So
enthält z. B. der erste Paragraph des graubündischen Landbuches
von Castels (Jenatz-Luzein) aus dem Jahre 1654 schon die Bestim-
mung, dass derjenige, der einem andern eine Kuh oder ein tragendes
Rind verkaufe unter Angabe, dass sie so und so lange tragend
seien und die Kuh länger als 18 Tage über den festgestellten
Zeitpunkt des Kalbens hinaus trage, verpflichtet sei, für jeden Tag
längerer Trächtigkeitsdauer 6 Kreuzer dem Käufer zu bezahlen,
als Futterkosten für die Kuh.
Im Kanton Freiburg wurde sogar 1806 noch ein Gesetz erlassen
über die Gewährleistung betreuend der Trächtigkeit von Kühen
und Pferden. 1861 wurde dann dieses Gesetz den erhöhten Futter-
preisen zufolge wieder umgeändert und enthielt nunmehr etwa
folgende Gesichtspunkte:
Garantiert der Verkäufer einer Kuh oder einer Stute für Werfen
des Jungen an einem ganz bestimmten Tage und erfolgt die Geburt
vor diesem Tage, so entsteht kein Anspruch auf Entschädigung.
Erfolgt sie nachher, so ist bei einer Kuh 80 Cts., bei einem Rinde
(Kalbin) 60 Cts. für jeden Tag der Verspätung dem Käufer aus-
zuzahlen.
Garantiert der Verkäufer nur allgemein für Trächtigkeit und
erweist sich, dass das betreffende Tier nicht trächtig ist, dann erhielt
der Käufer damit das Recht, entweder Wandelung zu verlangen
oder 60 Cts. pro Tag während zwei Monaten, wenn es eine Kuh
betrifft, oder 50 Cts. pro Tag, wenn es eine Kalbin anbelangt. Im
letzteren Falle aber nur für die Zeit, die das Tier bis zur Erledi-
gung der streitigen Angelegenheit in seinem Besitze war. Behielt
-er die Kuh oder Kalbin, so musste ausser dem vorgenannten Futter-
geld der Verkäufer auch noch Fr. 35 im ersteren oder Fr. 15 im
letzteren Falle für das nicht erschienene Kalb bezahlen. Vom Käufer
wurde nur verlangt, dass er zwei Monate vor der für das Werfen
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bezeichneten Zeit dem Verkäufer anzeige, dass die Kuh nicht trächtig
sei und gleichzeitig mitteile, ob er sie trotzdem behalten wolle.
Diese Gesetze wurden ebenfalls nur zu dem Zwecke erlassen,
die häufigen Rechtsstreitigkeiten über Trächtigkeit zu verhindern:
es liessen sich aber im speziellen Falle auch hier wieder Unklar-
heiten auffinden, die trotzdem die Parteien dazu brachten, den Weg
des Rechtsstreites zu betreten.
Die neueste Verordnung des schweizerischen Bundesrates über
Währschaft vom 1. Januar 1910 bestimmt nunmehr in Bezug auf
Trächtigkeit, deren Garantie ja ebenfalls schriftlich ausdrücklich
übernommen werden muss, dass der Verkäufer auch nur dann hafte,
wenn der Mangel sofort vor oder mit dem als Frist abgemachten
Zeitpunkt des Kalbens angezeigt und bei den zuständigen Behörden
die Untersuchung durch Sachverständige verlangt werde.
Nach meiner Meinung würde es für Holland wohl die beste
Regelung sein, die Entscheidung durch eine Arbitragekommission,
ein Schiedsgericht,
vornehmen zu lassen, wie durch mich nach-
stehend auseinandergesetzt werden soll.
Das niederländische Gesetz kennt «Arbitrage».
Nach § 620 des Bürgerlichen Gesetzbuches kann ein jeder
bei Streitigkeiten über etwas, worüber er die freie Verfügung hat,,
die Entscheidung derselben Schiedsrichtern unterwerfen.
Durch die folgenden Paragraphen wird die Weise eines solchen
Prozesses ausführlich geregelt, während durch § 636 des Bürger-
lichen Gesetzbuches festgestellt wird, dass die Schiedsrichter Urteile
fällen sollen nach den Rechtsvorschriften, es sei denn, dass ein
Kompromiss (das ist die schriftliche Uebereinkunft, infolge welcher
man die Streitigkeiten der Entscheidung von Schiedsrichtern
unterwirft) ihnen die Befugnis gibt, um als ehrliche Männer und
nach Billigkeit zu urteilen. Aus den §§ 620 und 636 sieht man
sofort, dass
1.  beide Parteien ausdrücklich übereinkommen, um die Streitigkeit
dem Urteil von Schiedsrichtern zu unterwerfen;
2.  dass die Schiedsrichter nach dem Gesetze Recht sprechen müssen,,
es sei denn, dass beide Parteien übereinkommen, dass ein Urteil
gefällt wird als durcli ehrliche Männer und nach Billigkeit.
Es fällt hierbei sofort auf, dass dann allein von einem Schieds-
gerichtsprozess die Rede sein kann, wenn beide Parteien dazu bereit
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— (5 —
sind, und da es im Viehhandel nicht so leicht ist, den Käufer und
Verkäufer zu solchen Handlungen zu bewegen und so lieber jeder
des anderen Rechtsmassregeln ruhig abwartet und wegen der Gefahr
eines solchen (schiedsrichterlichen) Prozesses über verborgene Fehler
werden diese Prozesse jetzt zu den Seltenheiten gehören.
Ausserdem sind mit schiedsrichterlichen Prozessen so viele
Formalitäten verbunden, dass es meistens viel einfacher ist, den
gewöhnlichen Rechtsweg zu betreten.
Die Sohiedsgerichtsprozesse sind auch viel kostspieliger, da die
Schiedsrichter natürlich durch die prozedierenden Parteien für ihre
Arbeit bezahlt werden müssen, was bei Richtern nicht der Fall ist.
Es kommt mir daher wünschenswert vor, dass in Sachen der
Währschaftsprozesse ein einfacherer und zweckmässiger Prozess-
gang festgestellt würde, und ich meine deshalb, es sollte ein Gesetz
ins Leben gerufen werden, wie ich es nachstehehend näher be-
schreiben will, da durch dasselbe viele Schwierigkeiten aus dem
Wege geräumt würden und dieses für den Viehhandel im allge-
meinen von grossem Nutzen sein würde.
Vielen Einwänden wird hierbei vorgebeugt, und die Entschei-
dung liegt doch zum grossen Teile in Händen von Sachverstän-
digen auf tierärztlichem Gebiet — prozessliche P^ormen brauchen
nicht mehr in acht genommen zu werden —; ohne Rücksicht auf
die Höhe des Betrages, der gefordert wird, ist jede Berufung aus-
geschlossen, und es ist vorgesehen, dass die Prozesse nicht viel
länger dauern werden, als es gegenwärtig der Fall ist.
Das mir vorschwebende Gesetz müsste meiner Ansicht nach
lauten wie folgt:
§ 1. Alle Währschaftsstreitigkeiten, die Kauf oder Tausch von
Haustieren betreffen, werden durch den in § 2 genannten Rat ent-
schieden, es sei denn, dass die Parteien übereingekommen sind,
die Entscheidung dem gewöhnlichen Richter zu überlassen.
§ 2. Die Schlichtung der in § 1 genannten Streitigkeiten wird
einem «Schiedsgericht für den Viehhandel» übertragen, welches
je in Leeuwaarden, Zwolle, Utrecht, Rotterdam und 'sHertogen-
bosch kreiert wird.
Die Rechtssprache derselben wird durch königliche Kabinets-
order festgesetzt.
§ 3. Diese Kommissionen sind folgendermassen zusammen-
gestellt: Präsident, Sekretär und vier Mitglieder, während ebenso-
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viele Stellvertreter ernannt werden; der Sekretär hat bei Behand-
lung von Angelegenheiten der Entscheidung keine gültige Stimme.
Der Präsident und Sekretär, als auch ihre Stellvertreter, müssen
diplomierte Advokaten sein, während die Mitglieder und ihre Stell-
vertreter diplomierte Tierärzte sein müssen. Präsident, Sekretär
und Mitglieder werden vom Minister für Landbau. Handel und
Industrie ernannt.
Sie werden vereidigt, so wie es die oben erwähnte königliche
Kabinetsorder vorschreibt.
Sie werden für die Zeit von fünf Jahren ernannt; sie können
jedoch stets wieder aufs neue bestätigt werden.
Tritt während der Sitzungsperiode ein Mitglied aus, so nimmt
das neuernannte Mitglied für die laufende Sitzungsperiode den Platz
des abgetretenen Mitgliedes ein.
Der Präsident, Sekretär und die Mitglieder, als auch ihre Stell-
vertreter, können zu jeder Zeit ihrer Stellung enthoben werden.
§ 4. Die Korporationen sind bei der Behandlung und Ent-
scheidung von Streitigkeiten an keinerlei Form von Prozess ge-
bunden; sie können diejenigen Untersuchungen vorschreiben, die
ihnen nötig erscheinen, während sie ihr Urteil fällen durch Stimmen-
mehrheit als ehrliche Männer und nach Billigkeit.
Ihre Entscheidungen werden innerhalb acht Tagen nach dem
Ausspruch auf der Amtsgerichtskanzlei des Ortes, in welchem der
betreffende Rat von Arbitrage seinen Sitz hat, hinterlegt.
Die Entscheidung wird zur Ausführung gebracht infolge einer
Vorschrift des Präsidenten des Rates, welche Vorschrift auf die
hinterlegte Entscheidung geschrieben werden soll.
Von der Entscheidung und der Vorschrift des Präsidenten muss auf
Antrag beider Parteien und des Rates eine Abschrift abgegeben werden.
§ 5. Der Präsident und die Mitglieder, als auch deren Stell-
vertreter, erhalten Sitzungsgelder, wie auch Reisespesen, so wie dies
durch königliche Kabinetsorder festgestellt wird.
Der Sekretär erhält einen durch königliche Kabinetsorder fest-
zustellenden Gehalt, ausserdem bekommt er die Reisespesen ver-
gütet, so wie dies durch königliche Kabinetsorder, in § 5 erwähnt,
festgestellt wird.
§ 6. Die Entscheidungen des Rates können keinem Kassations-
mittel oder keinen Ungültigkeitserklärungen unterworfen werden.
•oder mit der später behandelten Abänderung.
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§ 7. Derjenige, der eine Entscheidung des Rates wünscht, wendet
sich schriftlich an den Vorsitzenden mit einer ausführlichen Auseinander-
setzung der Tatsachen und einer deutlichen und bestimmten Forderung.
Die Forderung muss auf Strafe von Abweisung eingereicht werden
innerhalb sechs Wochen, nachdem der Kläger das verborgene Ge-
brechen bemerkt hat, wofür er Sicherstellung fordert.
§ 8. Der Rat setzt die Prozesskosten fest und verurteilt den-
jenigen, der Unrecht erhält, zu allen Kosten, worunter die Sitzungs-
gelder und Reisespesen für den Vorsitzenden und die Mitglieder
inbegriffen sind.
Wenn der Rat Anlass findet, kann er die Kosten gänzlich oder
teilweise kompensieren.
Falls eine der Parteien in dem Prozesse durch einen Rechts-
gelehrten verbeistandet wird, so kann der Rat die Kosten hierfür
auch ganz oder teilweise der verlierenden Partei zur Last legen.
§ 9. Die in § 8 erwähnten Sitzungsgelder und Reisespesen
werden bei der Entscheidung besonders überschlagen, während die
Verurteilung zu deren Bezahlung im Interesse des Rates ausge-
sprochen wird, der die in § 4 erwähnte Abschrift exekutieren lassen
kann zur Eintreibung dieser Kosten.
Werden die Kosten eingetrieben oder auch schlechthin bezahlt,.
so werden dieselben durch, den Rat an den Staat restituiert.
*                   *
*
In Dänemark hat man offenbar den Nutzen einer Prozess-
führung wegen Garantie, so wie ich dieselbe vorgesehen habe, eben-
falls eingesehen.
Dort besteht nämlich das Gesetz vom 19. April 1907 betreffend,
schiedsrichterliche Urteile beim Kauf und Verkauf von Haustieren.
Dieses Gesetz ist nach meiner Meinung viel zu weitläufig, denn
das Gesetz über Arbitrage in den Niederlanden kann viel kürzer
gefasst sein, da das niederländische Gesetz «die Garantie > voll-
kommen behandelt.
Am 8. Juni 1912 hat dann Dänemark noch eine Ergänzung des
Gesetzes vom 19. April 1907*) angenommen, die folgendermassen lautet:.
§ 1. Wenn zwischen (zwei) Parteien wegen Kauf oder Tausch
von Rindvieh, Pferden, Schweinen oder Schafen oder von lebenden
*) Dieses neue Gesetz wurde kurz vor. der Drucklegung dieser Arbeit
an Stelle desjenigen vom 19. April 1907 hier aufgenommen.
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Jungen solcher Haustiere Streitigkeiten entstehen, so soll jede Frage
wegen Rückgängigmachung des Geschäftes infolge von Mängeln
der verkauften Tiere oder betreffend Erstattung oder Ermässigung
von Kauf- und Tauschsummen infolge von solchen Mängeln dem
Urteil von Schiedsrichtern unterstellt werden, gemäss den hiernach
aufgestellten Vorschriften, es sei denn, dass die Parteien beim Ab-
schluss des Geschäfts sich vorbehalten hätten, Streitigkeiten, die
.aus Anlass des Geschäfts entstehen könnten, vor die ordentlichen
Gerichte zu bringen. Unter Kauf ist sowohl der Handel zwischen
Mann und Mann verstanden, als der Kauf bei einer Versteigerung
oder zu Bedingungen, welche einer Versteigerung gleichkommen.
§ 2. Für jeden Gerichtskreis werden fünf bis sieben im Kreise
selber wohnende, unbescholtene und erfahrene Männer bestellt,
welche bereit sind, die in § 1 erwähnten Streitigkeiten als Schieds-
männer zu entscheiden. Einer der Schiedsmänner wird zum Obmann
und einer zum zweiten Obmann ernannt; der letztere hat bei Ver-
hinderung des ersteren an dessen Stelle zu treten. Mit Zustimmung
des Justizministers kann die Anzahl der Schiedsmänner für einen
Gerichtskreis entweder höher oder niedriger angesesetzt werden.
Die Ernennung erfolgt in Kopenhagen und Frederiksberg durch die
Kommunalverwaltung, in den Provinzialstädten durch den Stadtrat;
auf dem Land ernennen die Kirchgemeinderäte einen Mann aus
Jeder Kommune, und aus diesen ernennt der Amtsrat die oben
angegebene Zahl. Die Ernennung gilt für die fünf nachfolgenden
Jahre, im Fall jedoch, dass ein Schiedsmann vor Ablauf dieser Zeit
.abgeht, bloss für den noch verbleibenden Rest der Amtsdauer.
Geschäfte, welche den Schiedsmännern während ihrer Amtsdauer
unterbreitet werden, können ohne Rücksicht auf den Ablauf der
Amtsdauer von ihnen zu Ende geführt werden.
Wer zum erstenmal ernannt wird, hat der zuständigen Behörde
eine schriftliche Erklärung auszustellen, worin er sich auf Treu und
Glauben verpflichtet, sein Amt nach bestem Wissen und Gewissen
zu führen.
Die Ernennung wird auf Anordnung der Wahlbehörde in den
meist verbreiteten öffentlichen Blättern bekannt gemacht.
Der Schiedsmann, welcher mundtot erklärt wird oder sein
Verfügungsreoht über seine Habe verliert, oder durch ein Urteil einer
Handlung schuldig erklärt wird, welche in der öffentlichen Meinung
.als entehrend gilt, geht seines Amtes als Schiedsmann verlustig.
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§ 3. Wenn durch Verabredung der Parteien nichts anderes
bestimmt worden ist, so fällt die Streitsache in die Kompetenz der
Schiedsmänner desjenigen Gerichtskreises, wo der Verkäufer beim
Abschluss des Geschäfts seinen Wohnsitz hatte.
Wenn es sich um ein Tauschgeschäft handelt, so wird die
Streitsache von den Schiedsmännern desjenigen Gerichtskreises be-
handelt, wo die Partei, die zuerst Klage erhebt, ihren Wohnsitz hat.
Wenn Zweifel darüber bestehen, welchem Gerichtskreis die Streit-
sache gemäss diesem Paragraph zuzuteilen ist, so kann jede Partei
über diesen Punkt den Entscheid des Justizministers anrufen.
§ 4. Wer bei den in diesem Gesetz erwähnten Schiedsmännern
wegen eines Handels mit Haustieren Klage erheben will, hat sich
mit seinem Begehren innerhalb dreissig Tagen vom Lieferungstage
ab schriftlich an die Behörde (in Kopenhagen an den Magistrat,
anderswo an den Polizeidirektor) zu wenden. Wenn der Streit
Tuberkulose, Trächtigkeit, Verkauf auf Willkür *) oder irgendwelche
-andere Fälle betrifft, wo es der Natur der Sache nach nicht möglich
ist, die Klage innerhalb der erwähnten Frist einzureichen, so kann
dieselbe auch später eingereicht werden. Die Schiedsmänner haben
dann zuerst zu entscheiden, ob die Klage unnötig lange zurück-
gehalten wurde; findet man, dass dies zutrifft, so wird der Bescheid
erteilt, dass der Klage keine Folge gegeben werden kann.
Sofern derjenige, gegen welchen dergestalt Klage erhoben wird,
sein Regressrecht gegen denjenigen wahren will, von welchem er
selbst, das Tier erworben hat, so hat er denselben innerhalb acht
Tagen, nachdem er die Vorladung zur ersten Sitzung erhalten hat,
schriftlich oder durch Vermittlung der Schiedsmänner von Ort und
Zeit der Sitzung zu benachrichtigen. Wenn der Beklagte dies
beobachtet, so hat er das Recht, die Sache gegen seinen Gewährs-
mann (Vordermann) weiter zu verfolgen, sofern er innert acht Tagen,
nachdem ihm das Urteil der Schiedsmänner verkündet worden ist,
die hierfür nötigen Schritte tut. Ist ihm der Aufenthaltsort des
Gewährsmannes unbekannt, so werden die angegebenen Fristen bis
acht Tage, nachdem ihm derselbe bekannt geworden ist, verlängert.
Wenn eine Streitsache vom Schiedsgericht behandelt werden
soll, so teilt die Behörde dies dem Obmann der Schiedsmänner mit
und überweist ihm die Klage nebst allen bezüglichen Akten, mit
*) Bedeutet wahrscheinlich: Kauf auf besondere Bedingungen hin.
Der Uebersetzer.
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der gleichzeitigen Mitteilung der Namen der Schiedsmänner des
Gerichtskreises, welche die Behörde zur Mitwirkung bei dem Ent-
scheid über das Geschäft bestimmt hat.
Der Obmann ladet innerhalb drei Tagen beide Parteien vor
und teilt ihnen mit, wann und wo sie erscheinen sollen. Nötigenfalls
kann die Vorladung durch den Gerichtsdiener erfolgen. Der Obmann
leitet die Verhandlungen und führt das Schiedsgerichtsbuch.
Wenn die beklagte Partei behauptet, dass eine gültige Verab-
redung im Sinne der Erledigung der Sache auf dem ordentlichen
Rechtsweg bestehe, so sollen die Schiedsmänner sich hierüber Ge-
wissheit verschaffen, zu welchem Behufe sie nötigenfalls verlangen
können, dass die Behauptung durch Gerichtszeugen oder auf andere
Art bewiesen werde.
Wenn die Schiedsmänner konstatieren, dass eine solche gültige
Verabredung vorliegt, so weisen sie die Klage ab.
Der Entscheid des Schiedsgerichts erfolgt durch Stimmen-
mehrheit des Obmanns und der zwei andern Schiedsmänner. Findet
sich keine Mehrheit für irgend einen Entscheid über die vorliegende
Streitigkeit, so gibt die Stimme des Obmanns den Ausschlag.
Zum Schiedsmann darf niemand bestellt werden, der mit einer
der Parteien so nahe als Geschwisterkinder verwandt, oder mit einer
derselben im gleichen Grad verschwägert ist, oder der an der Sache
ein persönliches Interesse hat; ebensowenig dürfen die Befugnisse
des Obmanns von jemand ausgeübt werden, der sich im gleichen
Falle befindet. Besteht in dieser Hinsicht vor der Entscheidung
des Schiedsgerichts Meinungsverschiedenheit, so trifft die Behörde
auf das Verlangen einer der Parteien einen bindenden Entscheid.
§ 5. Die Behandlung der Streitsache wird vom Obmann mit
einein Vergieichsversuch eingeleitet, der übrigens auch noch später
aufgenommen werden kann, wenn sich ein Anlass dazu bietet.
Falls ein Vergleich nicht schon beim Beginn der Verhandlungen
herbeigeführt werden kann, so werden die dafür bestimmten Schieds-
männer einberufen, sofern dies nicht bereits geschehen ist.
Bei der ersten Sitzung müssen die Parteien persönlich er-
scheinen, es sei denn, dass sie einen gesetzlichen Verhinderungs-
grund haben, in welchem Fall die betreffende Partei sich durch
eine andere volljährige, unbescholtene und mit genügender Voll-
macht versehene Person kann vertreten lassen. Diejenige Partei,
welche nicht nur ausserhalb des betreffenden Gerichtskreises, sondern
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25 km weit von der Ortschaft wohnt, wo die Gerichtsverhandlung
stattfindet, soll indessen von der Verpflichtung zum persönlichen
Erscheinen befreit sein. Eine Partei, welche an der Sitzung sich
durch einen Bevollmächtigten vertreten lässt, wird bei Anlass der
Urteilsfällung zu einer Busse von '4 Kr. an die Polizeikasse ver-
urteilt, wenn sie trotz Aufforderung durch die Gegenpartei nicht
nachweist, dass sie dazu berechtigt war.
Wenn der Kläger ohne gesetzlichen Verhinderungsgrund von
der Sitzung wegbleibt, so wird die Klage abgewiesen, und die Schieds-
männer können gemäss Forderung des erschienenen Beklagten dem
Kläger die Bezahlung einer angemessenen Entschädigung an den
Beklagten für die vergebliche Mühe auferlegen. Bleibt der Beklagte
ohne gesetzlichen Verhinderungsgrund aus, so wird die Darstellung
des Klägers dem Entscheid über die Streitsache zu Grunde gelegt.
Bleiben beide Parteien aus, so wird das Geschäft beiseite gelegt.
Wenn die ausgebliebene Partei innert 8 Tagen nachweist, dass ihr
Ausbleiben von der anberaumten Sitzung durch einen gesetzlichen
Verhinderungsgrund veranlasst war, so kann sie die Wiederaufnahme
der Verhandlungen verlangen, als ob sie nicht ausgeblieben wäre.
Die Parteien sind berechtigt, den Schiedsmännern schriftliche
Darstellungen uer Verumständungen des Falles einzureichen. Die
Parteien sind verpflichtet, den Schiedsmännern alle ihre Streitsache
betreffenden Aufschlüsse, die sie verlangen, zu erteilen und ihnen
sämtliche zu der Streitsache gehörenden Dokumente vorzulegen..
Ein Abweichen von dieser Verpflichtung hat zur Folge, dass die-
Angaben der Gegenpartei betreffend den fraglichen Punkt dem Ent-
scheid über die Streitsache zu Grunde gelegt werden. Die Herbei-
schaffung von Zeugen zu den Verhandlungen kann von Gerichts
wegen erfolgen und ihre Abhörung gemäss dem Fremdenrecht vor-
genommen werden.
Die Schiedsmänner haben die gleiche Verantwortlichkeit wie»
diejenige, welche den Beamten gemäss der allgemeinen Strafgesetz-
gebung für unberechtigtes Ausbringen von Amtsgeheimnissen obliegt;,
sie sind verpflichtet, Unbefugten keine Mitteilungen über dasjenige
zu machen, was sie in Ausführung ihres Auftrages über die jeweilen
vorliegenden Verhältnisse erfahren und was in den von ihnen ge-
fällten Urteilen enthalten ist.
Der Vergleich und die Urteile werden in eines der von der
Wahlbehörde genehmigten Schiedsgerichtsbücher eingetragen; in dem
letztern wird der Vergleich von den Parteien und dem Obmann,.
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die Urteile von den Schiedsmännern unterzeichnet. Die Schieds-
gerichtsbücher, von welchen für jeden Gerichtskreis durch die be-
treffende Kommunalkasse eines oder mehrere angeschafft werden sollen,
werden beim Obmann aufbewahrt. Von dem zustande gekommenen
Vergleich oder von dem gefällten Urteil gibt der Obmann sofort jeder
Partei eine beglaubigte Abschrift auf ungestempeltem Papier.
Das Urteil soll auch den Entscheid darüber enthalten, welcher
Partei es obliegt, die mit dem Schiedsgericht verbundenen Kosten
zu tragen und wie hoch sich dieselben belaufen.
Für die Ausführung der schriftlichen Arbeiten und den ein-
leitenden Vergleichsversuch kommen dem Obmann 10 Kr. zu, ausser-
dem die allfälligen Transportkosten, welche mit 15 Oere für den
laufenden Kilometer oder unter Zugrundelegung eines Eisenbahn-
billets zweiter Klasse berechnet werden. Für jede der nachfolgenden
Sitzungen kommen dem Obmann und den einberufenen Schieds-
männern Reisekosten zu, die wie oben berechnet werden, und
ausserdem jedem für die drei ersten Sitzungen ein Taggeld von
5 Kr. Die Schiedsmänner sind berechtigt, bevor sie mit der Gerichts-
verhandlung beginnen, vom Kläger dafür entweder Sicherheit oder
einen angemessenen Vorschuss zur Deckung der Kosten des schieds-
gerichtlichen Verfahrens zu verlangen. Für diese Kosten besteht
ausserdem ein Pfändungsrecht gegenüber der Partei, welcher durch
das Urteil die Bezahlung der Kosten auferlegt worden ist.
§ 6. Der Ausgang der Streitsache darf nicht vom Eid einer
der Parteien abhängig gemacht werden.
Das Urteil soll in der Regel innert 6 Wochen von dem Tag
an, wo die Schiedsmänner bestellt wurden, gefällt werden. Wenn
jedoch eine die Streitsache betreffende EVage dem Viehsanitätsrat
vorgebracht werden muss, oder wenn es aus einem andern Grunde
untunlich ist, die erforderlichen Aufklärungen so zeitig beizubringen,
dass die genannte Frist^eingehalten werden kann, so ist der Obmann
befugt, die Frist vor ihrem Ablauf durch motivierten Entscheid zu
verlängern, jedoch nicht über vier Wochen. Eine solche Verlängerung
darf einmal wiederholt werden.
Wird das Urteil bis zum Ablauf dieser Fristen nicht gefällt.
so haben die Schiedsmänner keinen Anspruch auf Honorar, Taggeld
oder Transportkosten, ebenso sind sie verpflichtet, die allfällig im voraus
bezogenen Vorschüsse zurückzubezahlen, und steht es alsdann den
Betreffenden frei, die Sache bei den ordentlichen Gerichten anzubringen.
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§ 7. Die in Anwendung dieses Gesetzes gefällten Urteile können
in der Regel nicht angefochten werden. Unter besonderen Um-
ständen kann jedoch die Oberbehörde erlauben, dass eine nach
Inkrafttreten dieses Gesetzes abgeurteilte Streitfrage zu nochmaliger
Behandlung an ein ständiges Schiedsgericht gewiesen werde, wie
deren zu diesem Behufe in jedem Oberbehördekreis eines errichtet
wird. Diese Erlaubnis soll erteilt werden, wenn die Oberbehörde
zu der Ansicht gelangt, dass das Urteil über einen Handel mit den
genannten Haustieren Widersprüche enthält.
Dieses Schiedsgericht, dessen Mitglieder vom Amtmann (in
Kopenhagen vom Oberpräsidenten) für fünf Jahre auf einmal ge-
wählt werden, besteht aus einem rechtskundigen Obmann, der die
nötigen Eigenschaften haben muss, um in einem gewöhnlichen Gericht
als tüchtiger Richter amten zu können, und aus vier sachverstän-
digen Mitgliedern. An der Behandlung jedes einzelnen Geschäftes
nehmen der Obmann und zwei sachverständige Mitglieder teil. Die
Vorschriften von § 2, Absatz 2—4, finden analoge Anwendung auf
die Mitglieder dieser Schiedsgerichte.
§ 8. Eingaben betreffend die Prüfung eines Urteils durch das
in § 7 erwähnte ständige Schiedsgericht sollen der zuständigen
■Oberbehörde binnen 14 Tagen nach Fällung des Urteils eingereicht
werden und müssen von einer Abschrift des Urteils, sowie von den
bezüglichen Beweismitteln begleitet sein, welche zu diesem Zweck
-den Parteien leihweise zu überlassen sind.
Wenn eine solche Prüfung stattfinden soll, so Übermacht die
Oberbehörde dem Obmann des in § 7 erwähnten Schiedsgerichts
die Eingabe nebst den übrigen Belegen und teilt ihm die Namen
der sachverständigen Mitglieder mit, die sie für die Mitwirkung bei
der Erledigung des Geschäfts bestimmt hat.
Für die Behandlung der Geschäfte durch dieses Schiedsgericht
finden die Vorschriften von § 4, Absatz 4—7, sowie §§ 5 und 6
analoge Anwendung. Von einem nochmaligen Vergleichsversuch
kann abgesehen werden, jedoch kommen dem Obmann trotzdem
für die erste Sitzung 10 Kr. zu. Die Parteien sind nicht an die
für die Schiedsmänner vorgeschriebene Prozedur gebunden; auch
können neue Aufschlüsse erteilt und neue Anträge gestellt werden.
§ 9. Sofern die in Anwendung dieses Gesetzes abgeschlossenen
Vergleiche oder gefällten Urteile dahin lauten, dass eine Partei
wegen eines Mangels des verkauften Tieres zur Annullierung des
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Geschäftes mitwirken soll, oder dass sie etwas zurückgeben soll,
das sie kraft des Geschäftsabschlusses erhalten hat, oder dass sie
Ersatz leisten soll, so können sie, nachdem sie gemäss den Vor-
schriften für die Verkündigung von Urteilen verkündet worden sind,
auf gleiche Weise wie endgültige Urteile zwangsweise vollstreckt
werden, jedoch bei den in § 7 erwähnten schiedsgerichtlichen Ur-
teilen erst nach Ablauf von fünf Tagen von der Verkündigung des
Urteils an, und bei den andern Urteilen erst, wenn drei Wochen seit
der Verkündigung verflossen sind und unter der Voraussetzung,
dass der Verurteilte nicht im Falle sei, ein Attest der zuständigen
Oberbehörde vorzuweisen, dass einem Gesuch um nochmalige Be-
handlung durch das in § 7 erwähnte Schiedsgericht Folge gegeben
worden sei.
Die Vollstreckbarkeit erlischt nach Ablauf von sechs Monaten
seit der Fällung des Urteils oder seit dem Abschluss des Vergleichs,
und beide haben alsdann die gleiche Rechtskraft wie ein Urteil, dessen
Vollstreckbarkeit verjährt ist.
§ 10. Die Verantwortlichkeit, welche dem ordentlichen Richter
gemäss §§ 120 und 123 des allgemeinen bürgerlichen Strafgesetz-
buches wegen Bestechlichkeit oder vorsätzlicher Ungerechtigkeit
Überbunden ist, wird auch auf die in Kraft dieses Gesetzes ernannten
Schiedsmännern ausgedehnt, jedoch mit der Einschränkung, dass
bei den Strafen auch unter das gesetzliche Minimum gegangen
werden kann. Urteile oder Vergleiche, die durch verbrecherische
Mittel zustande gebracht wurden, sind ungültig, und die Streitfragen,
auf welche sich das Urteil oder der Vergleich bezieht, können auf
dem ordentlichen Rechtswege erledigt werden.
§ 11. Dieses Gesetz, das mit den nötigen Abänderungen durch
königliche Verordnung auch auf Färöer ausgedehnt werden kann,
tritt drei Monate nach seiner Veröffentlichung im Gesetzblatt in
Kraft und gilt so lange, als es nicht von der gesetzgebenden Be-
hörde einer Revision unterstellt wird, doch nicht über fünf Jahre.
Bis zu seinem Inkrafttreten bleibt das Gesetz über Schiedsgerichte
bei Streitigkeiten betreffend den Handel mit Haustieren vom 19. April
1907 in Kraft.
Nach meiner Meinung müssen die Schiedsrichter nicht den
Worten des Gesetzes gemäss Recht sprechen, sondern als ehrliche
.Männer und nach dem, was recht und billig ist.
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Schon hierdurch wird Weitläufigkeit vermieden. Mein Haupt-
zweck ist eine Veränderung in die Form der Prozesse zu bringen.
Bei dem dänischen Gesetz sind die Schiedsrichter an ver-
schiedene Gesetzesformen gebunden, und das ist es gerade, dem
ich vorbeugen möchte.
Die Schiedsrichter müssen nach eigenem Gutdünken handeln
können. Sie müssen nicht an allerlei gesetzliche Vorschriften ge-
bunden sein, sondern auftreten können, als ob sie berufen seien,
ein Urteil zu fällen, gerade wie gewöhnliche Sachverständige.
Um dies nun so streng wie irgend möglich durchzuführen,
würde ich gerne in jedem Rat von Arbitrage vier Tierärzte als
Sachverständige ernannt sehen.
Dass ich zum Vorsitzenden und Sekretär Rechtsgelehrte wünsche,
findet seinen Grund hierin, dass der Vorsitzende jemand sein muss,
der mit der Rechtssprache bekannt ist und der vollkommen damit
vertraut ist, um die Untersuchungen und Sitzungen zu leiten und
die Urteile aufzusetzen, während der Sekretär allein mit den schrift-
lichen Arbeiten belastet ist. (Absolut nötig finde ich es jedoch
nicht, dass der Sekretär ebenfalls den Dr. juris-Titel hat.)
Im allgemeinen kommt man durch Arbitrage, wie die durch
mich beschriebene, schneller zu seinem Rechte, als wenn man der
gebräuchlichen Weise eines Prozesses folgt.
Schriftliche Behandlung, so wie diese bei der Rechtspflege ge-
bräuchlich und bei Gerichtshofangelegenheiten selbst vorgeschrieben
ist, möchte ich ganz ausschliessen.
Dass eine schnelle Behandlung der Sache speziell im Vieh-
handel vielfach dringend gewünscht ist, ist vor allem zu bemerken,
wenn ein Tier untersucht werden muss.
Denn bei der gewöhnlichen Weise zu prozessieren, vergehen
manchmal Monate, bevor der Prozess in dem Stadium ist, dass eine
solche Untersuchung befohlen werden kann, und gerade dann ent-
steht die Schwierigkeit, zu konstatieren, ob das Gebrechen oder
die Keime desselben im Augenblicke des Kaufes schon bei dem
Tiere vorhanden gewesen sind.
Mit wieviel Sicherheit können doch die Sachverständigen ihre
Meinung äussern, wenn die Untersuchung sofort oder einige Tage
nach dem Anfang des Prozesses stattfindet.
Dies allein ist für mich bereits Grund genug, um die gebräuch-
liche Weise zu prozessieren der Arbitrage weit hinten nach zu setzen.
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Die Arbitrage hat dann auch den Vorteil, dass Sachverständige als
Richter auftreten.
Die Sachverständigen-Richter können sicli sofort eine eigene
Ansicht bilden und dadurch auch noch die arbitralen Prozesse ver-
kürzen.
In Sachen, die beim gewöhnlichen Gerichtshof behandelt werden,
können die Richter vorher bei Sachverständigen Erkundigungen
einziehen, doch sind sie nicht hierzu verpflichtet, und sie sind auch
nicht an den Rat eines Sachverständigen gebunden, so dass ihre
eigene Meinung über der des Sachverständigen steht.
Ich brauche natürlich nicht zu erwähnen, zu welchen eigen-
tümlichen Urteilen dies führen kann.
Es ist selbstverständlich, dass bei den sachverständigen Arbitern
Meinungsverschiedenheiten bestehen können, jedoch sind sie an
keinerlei Formen gebunden, und sie können Untersuchungen an-
stellen, Sachverständige und Zeugen in Verhör nehmen, alles nach
eigenem Gutdünken, und es liegt auf der Hand, dass sie bei Mei-
nungsverschiedenheiten Sachverständige heranziehen werden und
alles dasjenige aufbieten, was nötig sein wird, um das helle Licht
auf die Sache scheinen zu lassen.
Die durch mich vorgeschlagenen Arbitrageprozesse werden
auch weniger kosten, und der Betrug wird ganz sicher kleiner
werden, wenn die Parteien wissen, dass ihre Handlungen vor Fach-
leute gebracht werden. In Dänemark arbeitet die Arbitrage in Bezug
auf diesen Punkt schon gänzlich nach Wunsch.
Herr Job. Arup, tierärztlicher Konsulent für den dänischen
Fleisch- und Vieliexport zu Hamburg, teilte Herrn H. M. Kroon,
Professor an der tierärztlichen Schule zu Utrecht, bei Anlass einer
durch diesen gemachten Mitteilung in der Zeitschrift für Tierarznei-
kunde vom 15. Februar 1910 auf eine diesbezügliche Frage mit,
dass der grösste Nutzen des Gesetzes vom 19. April 1907 (das ist
das Gesetz, wodurch die Arbitrage für den Viehhandel bestimmt
wird) darin besteht, dass der Betrug in diesem Handel auf den
Viehmärkten weniger geworden ist, da die Leute, die sich damit
befassten, ganz besondere Achtung vor den stets sachverständigen
Schiedsrichtern haben.
Es darf aber, wenn ich objektiv die ganze Angelegenheit be-
handeln will, nun doch nicht verschwiegen werden, dass nach den
in der Schweiz gemachten, früher geschilderten Erfahrungen auch
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bei der Ausführung meines Vorschlages sich einige Nachteile er-
geben werden.
Das schweizerische Konkordat von 1853 enthält, wie wir sahen,
in § 14 die Bestimmung, dass das übereinstimmende Urteil der
untersuchenden Tierärzte oder das Obergutachten der Medizinal-
behörde für das richterliche Urteil massgebend ist. Hier war also
in der Tat schon der Richter nur das Sprachrohr des Sachver-
ständigen.
Die Folge davon war nun aber, so lehren uns die bezüglichen
Erfahrungen in der Schweiz, dass gegen die Tierärzte ein gewisses
Misstrauen entstand, und aus dem Grunde wurde dann auch nur
in den Kantonen Zürich und Thurgau, wo jedes tierärztliche Gut-
achten erst dem Sanitätskollegium zur Kontrolle vorgelegt werden
musste, dieses Rechtsverfahren bis zum Schlüsse aufrecht erhalten.
Und um gerade vom Tierarzte selbst die Verantwortung für
die endgültige Aburteilung abzuwälzen, wurde vom Vorstande der
Gesellschaft schweizerischer Tierärzte im Dezember 1888 in einer
Eingabe an die Behörden empfohlen, dem Richter freie Beweis-
würdigung zuzugestehen.
So wie ich oben bereits erwähnte, erkennt das niederländische
Gesetz die Arbitrage, aber diese Arbitrage ist wiederum auch an
viele Formen gebunden, und gerade diese Formen machen es so
schwierig und lästig, dass nur selten von dieser Arbitrage Gebrauch
gemacht wird.
Es muss ein von beiden Parteien unterschriebener Kompromiss
aufgesetzt werden, es müssen Arbiter ernannt werden, diese müssen
die ihnen auferlegte Pflicht annehmen, und sie bestimmen die Weise
des Prozesses; wenn sie nicht zeitig genug ein Urteil fällen, so
können die Parteien dieselben entlassen, und schliesslich kann
ede der Parteien vor dem Gericht aus verschiedenen gesetzlichen
Gründen eine Vernichtung des Urteils fordern.
Hieraus ist ersichtlich, dass es bei Arbitrageprozessen sehr
erwünscht ist, Rechtsgelehrte als Arbiter zu wählen, da es sonst
vorauszusehen ist, dass das Urteil einer Ungültigkeitserklärung aus-
gesetzt ist. Wenn aber wieder Rechtsgelehrte allein als Schieds-
richter auftreten und die Macht in Händen haben, kommt man mit
Arbitrage nicht weiter.
Arbitrage nach dem Gesetz gehört denn auch zu den Selten-
heiten, und im Viehhandel ist dies in den Niederlanden ohne Zweifel
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noch niemals vorgekommen. Für die Arbitrage ist nun einmal die
Mitwirkung von Käufer und Verkäufer nötig, und es ist selbstver-
ständlich, dass ein Verkäufer, dessen Gewissen ziemlich weit ist,
bei einer Streitfrage zu einem Advokaten geht und ihn um Rat
fragt; von diesem nun bekommt er natürlich stets den Rat, zu
warten, um zu. sehen, was die Gegenpartei tut, wobei dann in erster
Linie darauf spekuliert wird, den Hafttermin verlaufen zu lassen.
Allerdings ist der Viehhandel ein Handel auf Vertrauen; das Ver-
trauen hat jedoch auf mich mehrfach einen traurigen Bindruck
gemacht.
Bei einem gewöhnlichen Prozess strauchelt der Kläger auch
mehrfach über die Beweisführung.
Es kommt nicht selten vor, dass eine Kaufsübereinkunft ge-
schlossen wird, ohne das Dritte dabei zugegen sind, und in solchen
Fällen ist ein Prozess für den Kläger sehr schwierig, da im nieder-
ländischen Recht die Lehre des ungeteilten Bekenntnisses besteht,
und davon wird nun allzuviel Missbrauch gemacht.
Ich werde dies in einem Beispiel verdeutlichen:
A. kauft eine Kuh von B. für Fl. 200; die Lieferung und die
Bezahlung finden statt. Niemand anders ist bei dem Kaufe zugegen
gewesen. Einige Tage nach dem Kaufe bemerkt der Käufer nach
vorheriger tierärztlicher Untersuchung, dass die Kuh an einem ver-
borgenen Gebrechen leidet und dass dieses Gebrechen schon während
des Kaufes vorhanden war.
Der Käufer fordert den Verkäufer auf, die Kuh zurückzunehmen
und den Kaufpreis zurückzubezahlen, die eigentliche < actio red-
hibitoria » oder auch einen Teil des Kaufpreises zurückzugeben, d. i.
die « actio quanti minoris ».
Der Verkäufer ignoriert alles; er schreibt nicht und sagt auch
nichts.
Der Käufer ladet den Verkäufer zur Rückzahlung des Kauf-
preises gegen Rückgabe der Kuh vor das Gericht. Der Verkäufer
sagt nichts weiter als das folgende: «Ich bestätige, dass ich die
Kuh für Fl. 200 an den Kläger verkauft habe; auch bestätige ich.
dass die Kuh leidend ist und dass sie während des Kaufes an dem
verborgenen Gebrechen litt; aber ich habe die Kuh an den Kläger
verkauft mit Ausschluss der Haftzeit und also ohne weitere Be-
denken. >
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Nun sollte man meinen, dass der Verkäufer den Kauf aner-
kannt habe; jedoch das ist nicht wahr.
Er erkannte den Kauf an, indem er hinzufügte, dass er zu
keinerlei Garantie verpflichtet war.
Diese letzte Hinzufügung befreit ihn vollkommen, und deshalb
darf der eine Teil seines Bekenntnisses von dem andern nicht ge-
schieden werden. Der Kläger muss die ganze Verteidigung annehmen
oder verwerfen. Nimmt er sie an, dann hat er seinen Prozess ver-
loren, weil er dann zugibt, dass die Garantie ausgeschlossen war.
Nimmt er die Verteidigung nicht an, dann wird angenommen,
dass dem Verkäufer nichts bekannt ist, und muss der Käufer dann
in allererster .Linie die Kaufsübereinkunft und das Bestehen des
verborgenen Gebrechens beweisen.
Hierin liegt gerade die grosse Gefahr, und so etwas kann bei
der durch mich vorgeschlagenen Arbitrage nicht geschehen, da
hierbei die Lehre von dem ungeteilten Bekenntnisse nicht gültig ist.
. In den Niederlanden wird in vielen Fällen Arbitrage vorge-
schrieben, doch ist es eine Arbitrage, wobei gänzlich von den Vor-
schriften des § 625 und folgende des Zivilstrafgesetzbuches abge-
wichen wird.
So wird bei Kontrakten zur Lieferung von Lebensmitteln für
die Armee beinahe immer festgestellt, dass bei Differenzen, die
Qualität der gelieferten Waren betreffend, in höchster Instanz durch
den Kriegsminister entschieden wird.
Wiederholt wurde diese arbitrale Klause! in Rechten ange-
fochten, doch das Reichsgericht (der hohe Rat) hat bestimmt, dass
so etwas nicht mit dem Gesetz im Widerspruch ist, da Parteien
zum Abschliessen einer Uebereinkunft befugt sind, so wie diese
ihnen gutdünkt, falls diese Uebereinkunft nicht mit den guten Sitten
und der öffentlichen Ordnung im Widerspruch ist. In diesem Fall
wurde die Frage aufgeworfen, ob der Arbiterminister nicht in eigener
Angelegenheit Richter wäre.
Durch das Abschliessen und die Annahme der Uebereinkunft
haben beide Parteien für gut befunden, die Entscheidung dem Urteil
des Ministers zu unterwerfen. Die Uebereinkunft, die nicht im
Widerspruch ist mit den guten Sitten und der öffentlichen Ordnung,
bindet beide Parteien in Ueberemstimmung mit der französischen
Rechtsregel: < Toutes connections faites legalement sont une loi
pour ceux qui font l'engagement. »
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Auch kommt in den allgemeinen Vorschriften zur Ausführung
von Werken, welche Vorschriften durch den Minister der öffent-
lichen Arbeiten für gut befunden wurden, die Bestimmung vor,
dass, wenn zwischen den Unternehmern und den Ingenieuren oder
bei deren Abwesenheit zwischen den erstgenannten und den die
Aufsicht führenden Unterbeamten über das Werk, den Bauplan
(mit Kostenvoranschlag) oder die Übereinkunft oder über die all-
gemeinen Vorschriften Streitigkeiten entstehen, die Entscheidung
derselben dem Hauptingenieur oder dem Regierungsbaumeister an-
heimgestellt wird, woran sich die Unternehmer zu halten haben,
vorbehaltlich Berufung auf den Minister.
Dies ist also eine gleiche Bestimmung wie die früher erwähnte.
Durch die allgemeinen Vorschriften wird noch weiter festgestellt,
dass, wenn eine Differenz über die Art des Werkes, die Verrechnung
von mehr oder weniger Arbeit und noch mehr bei dieser Gelegen-
heit genannten Fälle der Unternehmer das Recht hat, falls er mit
dem Beschluss des Ministers sich nicht vereinigen kann, dann das
Urteil einer Kommission, die aus drei Mitgliedern besteht, nach-
suchen kann; je eins der Mitglieder wird von beiden Parteien und
das dritte durch die Parteien zusammen nach gegenseitiger Ueber-
einstimmung gewählt; kommen die Parteien nicht zur Ueberein-
stimmung, dann kann die Zwischenkunft des Amtsrichters nach-
gesucht werden.
Die drei Mitglieder dieser Kommission sind die Arbiter, die
die Streitigkeit schlichten. Formalitäten, so wie dies bei gerichtlicher
Arbitrage der Fall ist, werden hierbei nicht berücksichtigt.
Diese allgemeinen Vorschriften werden sowohl bei allen Staats-..
Provinz- und Gemeindebetrieben angewendet als auch, wenigstens
in der letzten Zeit, beinahe bei allen Privatbetrieben.
Es ist also ersichtlich, dass die Regierung in vielen Fällen
die Arbitrage der Rechtsprache vorzieht und dann noch wohl eine
Arbitrage, bei der von den Vorschriften des Gesetzes abgewichen wird.
Die Arbitrageklausel in den Vorschriften hat auch oft Anlass
zu Prozessen vor dem Richter gegeben.
Einmal geschah es, dass der, Unternehmer mit der Person, die
das Werk ausgab, über mehr oder weniger Arbeit Differenzen
bekam. Diese Streitigkeit wurde durch die Direktion zum Nachteile
des Unternehmers entschieden. Dieser begnügte sich nicht mit der
Entscheidung der Direktion ; er verlangte nicht das Urteil der Kom-
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mission, sondern lud den, der die Arbeit ausgeschrieben hatte, vor-
Gericht zur Bezahlung.
Der Angeklagte berief sich auf die «Arbitrageklausel» der all-
gemeinen Vorschriften und behauptete, dass demzufolge das Gericht
nicht befugt sei, die Klage zu erkennen.
Der Unternehmer hingegen glaubte, dass er das Recht hätte,,
die Entscheidung einer Kommission zu fordern, dass er jedoch nicht
dazu verpflichtet sei. Das Gericht vereinigte sich mit dieser Ansicht
und erklärte, dass es befugt sei, eine Entscheidung zu nehmen.
Die Entscheidung wurde genommen, und das Gericht verur-
teilte den Angeklagten zur Bezahlung dessen, was von ihm gefordert,
und auch zu den Prozesskosten.
Dieses Urteil wurde vom Gerichtshof in Zwolle ausgesprochen.
Der Angeklagte legte gegen das Urteil Berufung beim Gerichtshof
zu Arnheim ein; jedoch auch hier bekam er Unrecht. Hieraus ist
wiederum ersichtlich, dass, falls man Streitigkeiten durch Arbiter
entscheiden lassen will, auch solche Vorschriften ausgefertigt werden
müssen, von denen nicht abgewichen, werden kann.
Im Getreidehandel kommt auch wiederholt Arbitrage vor. Die
Käufe und Verkäufe, die an der Kornbörse in Amsterdam und
Rotterdam stattfinden, werden immer unter den an diesen Börsen
gebräuchlichen Bedingungen hierfür abgeschlossen.
Zu diesen Bedingungen gehört auch die, dass Streitigkeiten
über Abladung, Qualität und. Mindergewicht u. s. w. durch Schieds-
richter entschieden werden müssen. Die Schiedsrichter sind auch
an keine gesetzlichen Vorschriften gebunden.
Auf beinahe allen Feuerversicherungspolicen kommt eine Ar-
bitrageklausel vor, bei Lebensversicherungen auf Gegenseitigkeit
ebenso.
Einmal habe ich eine Police gesehen, auf welcher die Vor-
schrift stand, dass alle Streitigkeiten durch den Aufsichtsrat ent-
schieden werden.
Nun war es der Fall, dass der Aufsichtsrat aus vier Mitgliedern
bestand.
Die Gesellschaft, von welcher die Police stammte, bekam mit
einem Versicherten über eine Auszahlung Differenzen. Der Ver-
sicherte reichte beim Gericht zur Bezahlung des versicherten Be-
trages eine Klage ein.
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Die Gesellschaft berief sich auf die Arbitrageklausel und be-
hauptete, dass das Gericht nicht befugt sei, die Differenz zu be-
urteilen. Der Versicherte behauptete, dass die Arbitrageklausel
ungültig sei, weil vier Aufsichtsratsmitglieder anwesend waren und
dass dies im Widersprüche wäre mit § ß32 des Gesetzbuches für
bürgerliche Rechtsforderungen, welcher Paragraph auf Strafe von
Ungültigkeitserklärung bestimmt, dass die Zahl der Schiedsrichter
stets ungerade sein muss.
Das Gericht nahm jedoch an, dass die Aufsichtsratsmitglieder
nicht individuell Arbiter waren, aber doch, dass der Aufsichtsrat
als solcher ein Urteil fällen müsse und dass es deshalb nichts zur
Sache tue, aus wieviel Mitgliedern der Aufsichtsrat bestände.
Der Versicherte war hiermit nicht zufrieden und legte beim
Reichsgericht Berufung ein; doch dieses vereinigte sich mit dem
Urteil des Gerichtes und gab dem Versicherten Unrecht.
Dass selbst die niederländischen Gesetzgeber den Nutzen davon
eingesehen haben, um in besonderen Fällen eine Rechtsprechung
mit Ausschluss des gewöhnlichen Bürgerrichters ins Leben zu rufen,
sieht man aus dem Unfallgesetz vom Jahre 1901. Denn hierdurch
wird bestimmt, dass die Differenzen über die zu bezahlenden Schaden-
vergütungen entschieden werden durch den Vorstand der Reichs-
versich erungsbähk.
Gegen ein Urteil dieses Vorstandes kann Berufung eingelegt
werden beim Berufungsrat und hierüber kann wieder Berufung ein-
gelegt werden beim zentralen Berufungsrat.
Dieses letzte Rechtskollegium urteilt dann also als höchste
^Instanz.
Diese Art von Rechtsprechung ist meiner Ansicht nach auch
nicht ganz in Ordnung. Der erste Richter hierbei ist doch der
Vorstand der Bank. Wenn jemals nun von einem Richter in eigener
Sache die Rede sein kann, dann ist es doch sicher hier der Fall.
Gewiss besteht für das Urteil noch eine Berufung, jedoch die
Zusammenstellung der Berufungsräte gibt meiner Ansicht nach
keine genügende Garantie für eine richtige Rechtsprechung.
Die Berufungsräte sind doch zusammengestellt aus dem Vor-
sitzenden (Dr. juris) und einigen Arbeitgebern und Arbeitnehmern
der verschiedenen Branchen. Nun werden durch diese Berufungs-
räte, was selbstverständlich ist, immer Urteile gefällt über Schaden-
vergütungen bei Unfällen von Arbeitern, und dabei ist natürlich
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vielfach Kenntnis der Umstände wünschenswert, unter denen der
Unfall stattfand,, da mit verschiedenen Umständen hierbei gerechnet
werden muss.
Wie soll nun ein Maurer mit Bestimmtheit beurteilen können,
was die Ursache eines Unfalles eines Maschinisten oder Monteurs
in einer Maschinenfabrik war, und wie soll ein Maschinist beurteilen
können, was die Ursache eines Unfalles eines Zimmermannes war?
Noch mehr solche Beispiele würde ich nennen können, jedoch
dazu ist hier nicht der rechte Platz.
Aus all dem Vorstehenden ist deutlich zu ersehen, wie wünschens-
wert es ist, die Entscheidung über Streitigkeiten, den Viehhandel
betreffend, den gewöhnlichen Richtern zu entziehen und diese dem
Urteil von Sachverständigen zu unterwerfen.
Die Frage, ob gegen die Entscheidungen des Schiedsgerichts
noch Berufung eingelegt werden kann, glaube ich nach meiner
Ueberzeugung dahin beantworten zu müssen, dass hier ein Appell
auszuschhessen sei.
Ein Appell Hesse sich einzig durch die vorerwähnten Erfah-
rungen des schweizerischen Konkordates rechtfertigen. Er würde
vielleicht den Schein einer parteilichen Haltung unter den Sach-
verständigen oder eventuelle Streitigkeiten unter ihnen mit einem
Supraarbitrium regeln, das jedoch ohne Zweifel von dem jeweiligen
Spezialgelehrten der Reichstierarzneischule abgegeben werden sollte..
Und nur unter solcher Beschränkung würde ich mich schliesslich
auch mit dem Gedanken an einen Appell, aber nur an den höchsten
Sachverständigen, befreunden können.
Ausser dem Vorsitzenden des Schiedsgerichts sind alle Mit-
glieder Tierärzte - Sachverständige; die freie Beweistheorie muss
erlaubt sein, juridische Fragen sind ausgeschlossen; kurze Rechts-
sprache ist eine Bedingung; die Streitigkeiten laufen weitaus in
den meisten Fällen über verhältnismässig kleine Beträge, und gerade
dieses letztere hat durch die weitläufige Weise von Prozessen vor
dem gewöhnlichen Richter das Sprichwort ins Leben gerufen:
< Der, der plaidiert um eine Kuh,
Geb' lieber eine noch dazu. >
*                 *
*
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Ich habe im Vorhergehenden versucht darzulegen, dass es für
den Viehhandel sowohl auf den Märkten, als auch ausser diesen,
von der grössten Bedeutung sei, beim Entstehen von Differenzen
über Gewährsmängel auf die kürzeste und billigste Weise den
Parteien zu ihrem Recht zu verhelfen, zu einem Recht, nicht im
Sinne einer Rechtsprache, worauf oft der Ausspruch, der von den
Römern zu uns kam:
« Summ um jus — summa injuria»
angewendet werden kann, sondern zu einem Recht in dem Sinne,
■ den jeder ehrliche Bürger im vollen Vertrauen davon erwartet.
Es wird wohl für ewig eine Utopie bleiben, dass die Menschen
und vor allem die Handelsleute nicht stets ihren finanziellen Vor-
teil suchen.
Die «auri Sacra fames» wird wohl immer bestehen bleiben.
Der alt-holländische Dichter Dirk Rafaelsz Camphuyzen sagte nicht
mit Unrecht:
<Ach wären alle Menschen weis
Und wollten dabei wö'll,
Die Erd' war ihn' ein Paradeis,
Nun ist sie ineist 'ne Höll. >
Wenn aber die durch mich vorstehend gegebenen Gedanken
in Praxis umgesetzt würden, dann wäre ein grosser Schritt getan.
um viele unehrliche Handlungen im Keime zu ersticken und soviel
wie irgend möglich nach der Verwirklichung eines der alten Rechts-
.Sprichwörter gestrebt werden:
« Vergleichen und vertragen
Ist besser als zanken und klagen. >
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Thesen.
1.  Schon im römischen Rechte werden gewisse häufige Ge-
brechen von Haustieren erwähnt. Es sind aber hier solche, die
nicht als Ursache eines Rechtsstreites dienen können.
2.  Bei den Germanen werden sodann erstmals gewisse, haupt-
sächlich wichtige Fehler und Gebrechen genannt, die meistens die
Ursachen von Währschaftsstreitigkeiten bildeten. Ausser diesen
Mängeln konnten aber auch noch irgendwelche andere als Grund
der Wandelung dienen.
3.  Im Mittelalter, erstmals mit der Entstehung der Stadtrechte,
werden diese Fehler und Mängel, die das Gesetz aufführt, als die ein-
zigen
betrachtet, für die Währschaft gegeben werden musste, während
für alle nicht genannten Mängel Währschaft ausgeschlossen war.
4.  Diese Mängel, als auch die Fristen, die je nach dem Zu-
stande der Tiermedizin hierfür als Währschaftszeiten namhaft ge-
macht wurden, änderten . ungemein nach den Ländern, Provinzen
und Bezirken, so dass der Viehhandel ganz allgemein sehr erschwert:
wurde.
5.  In neuester Zeit werden die Gewährsmängel im Sinne von 2.
in verschiedenen Ländern, speziell in Deutschland, beibehalten,
während Frankreich sogar noch hierüber den Sinn des Artikels 3
befolgt.
6.  Die Niederlande haben die gesetzliche Bestimmung der Haf-
tung für alle unsichtbaren Gebrechen, sofern dieselbe nicht aus-
drücklich wegbedungen
wurde.
7.  Die neuesten Bestimmungen der Schweiz gehen dahin, sowohl
die gesetzliche Haftung als auch bestimmte Geivahrsmängel weg-
fallen
zu lassen. Die konventionelle Haftung, die Währschaft nach
schriftlicher Uebereinkunft zwischen Käufer und Verkäufer, wird
hier eingeführt, wodurch der Käufer gezwungen wird, besser auf-
zupassen, und bei der schriftlichen Form Streitigkeiten möglichst
vermieden werden. Diese Art der Währschaft, die in verschiedenen
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Kantonen schon längere Zeit in Kraft stand, hat eine starke Ver-
minderung der Währschaftsstreitigkeiten und die Vereinfachung
der Schlichtung derselben oft durch einfaches tierärztliches Gut-
achten zur Folge. Die Gewährsfrist für alle Fälle wird hier gesetz-
lich auf 9 Tage, also eine sehr kurze Frist, festgesetzt.
8.  Auch in den Niederlanden sollte die Währschaftsgesetz-
gebung speziell und sorgfältig geregelt werden. Wenn diese Regelung
auf Grund des bestehenden Bürgerlichen Gesetzbuches vorgenommen
werden muss, so soll dieselbe wenigstens genaue Gewährsfristen
bestimmen.
Ferner sollte, wenn die Aufstellung der Hauptmängel nicht zu
vermeiden ist, jedenfalls nur im Sinne von 2. deren Feststellung
stattfinden, dass auch noch alle übrigen Mängel eingeklagt werden
könnten.
9.  Unter diesen Voraussetzungen scheint es dann am besten,
um das Regime der jetzigen Prozessordnung abzukürzen und zu
einem summarischen Verfahren durchzudringen, das im Interesse
der Sache dringend notwendig ist, ähnlich wie in Dänemark, zur
Errichtung von Schiedsgerichten für Währschaftsstreitigkeiten zu
greifen, die zum überwiegenden Teile aus Tierärzten zu bestehen
haben.
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Literatur.
1.  Leeuwen, van A., Koopvernietigende Gebreken in den Veehandel. II. Druk.
Groningen 1905.
2.  Albrecht, Forensische Tiermedizin der Babylonier. Berliner Tierärzt-
liche Wochenschrift 1903, pag. 824, und 1905.
3.  Loret, Victor, Les animaux reprodueteurs dans l'Egypte ancienne.
Recueil de travaux relatifs a l'archeologie et la philologie egyp-
tiennes. Gaire. XVIII6 anne"e, pag. 196.
4.  Panckoucke, Les lois sacres de l'Orient. Paris.
5.  Varro, De re rustica.
6.  Anton, K. G., Geschichte der deutschen Landwirtschaft von den ältesten
Zeiten bis zu Ende des 15. Jahrhunderts. Görlitz 1799.
7.  Falke, J. E. L., Compendiurn der Veterinär-Jurisprudenz. Braunschweig
1850.
8.  Hachenburg, Max, Das Recht der Gewährleistung beim Tierhandel.
Mannheim 1888.
9.   Csokor, Lehrbuch der gerichtlichen Tiermedizin. Wien 1895.
10.   Gsell, J., Die gesetzliche Gewährleistung beim Handel mit Vieh in
der Schweiz. T.iaugural-Disscrtation. Zürich 1907.
11.  Strebet, M., Zum gegenwärtigen Stande der Gewährleistungsfrage beim
Viehhandel in der Schweiz. Archiv für Tierheilkunde. 1882, pag. 194.
12.  Hirzel, Die schweizerische Gesetzgebung betreffend Viehwährschaft.
Archiv für Tierheilkunde. 1889, pag. 105.
13.   Woker, Harald, Die Gewährleistung für Mängel und zugesicherte Eigen-
schaften beim schweizerischen Viehhandel (Viehwährschaft). Inau-
gural-Dissertation. Bern 1909.
14.  Burgerldoor Wetboek, X. Druk, uitgegeven yk Mr. Dr. J. G. Stenfert
Kroese. Zwollo 1909.
15.  Hebrant, G, Precis de medecine legale veterinaire. Ixelles-Bruxelles
1912.
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