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II.
DIE PFERDE DER SÜDEUROPÄISCHEN
LÄNDER
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DIE PFERDE BESSARABIENS.
Von den vielen Pferdeschlägen des südlichen Russland, welche wahrscheinlich alle mit
der im Osten weitverbreiteten tartarischen Race nahe verwandt sind, verdient das Pferd Bess-
arabiens eine ganz besondere Beachtung. Dasselbe kommt vor in der Landschaft zwischen
dem Pruth und dem Dnjestr, ein Gebiet, welches früher einen Theil der Moldau bildete und
dessen Bewohner in ihren Sitten und Gebräuchen heute noch viel Aehnlichkeit mit denen der
rumänischen Moldau besitzen. — In jenem Lande mit günstiger klimatischer Lage und guten
Bodenverhältnissen ist seit ältester Zeit mit grossem Vortheil Viehzucht und vorwiegend die
der Pferde betrieben worden. Die bessarabischen Pferde haben in Russland und in der Türkei
als Streitpferde einen guten Ruf und sind dort, wie im Orient, hochgeschätzte, von Allen
geliebte Hausthiere. Die ländliche Bevölkerung zeigt daselbst nicht nur grosses Geschick,
sondern auch viel Neigung zur Zucht der Pferde; die Bessarabier sind tüchtige, gewandte
Reiter, welche ihre Thiere in kurzer Zeit gut abzurichten und ihnen allerlei Kunststückchen
zu lehren verstehen. Die Kunstreiter kauften von jeher gern bessarabische Pferde, weil sie
dieselben ihrer grossen Gelehrigkeit wegen zu den verschiedensten Diensten verwenden
konnten. Sehr häufig begegnen uns im Circus der grossen Reitergesellschaften diese auffällig
gescheckten oder gefleckten Thiere von mittlerer Grösse und leidlich hübschen Körperformen,
und wengleich uns ihre etwas hohen Actionen und Gangarten nicht immer befriedigen können,
so bewundern wir dennoch die grosse Gelehrigkeit und Gewandtheit dieser Geschöpfe. Man
sieht es den Thieren in vielen Fällen auf den ersten Blick an, dass es ihnen Freude macht,
ihre Kunstfertigkeiten öffentlich sehen zu lassen und dafür durch Händeklatschen etc. belohnt
zu werden.
In Bessarabien werden alljährlich sehr viele Pferde aufgezogen. Im Alter von 3—4
Jahren werden sie — leicht angeritten — auf dem grossen Herbst-Markte in Odessa zum
Verkauf gestellt und von dort auf dem Seewege vorzugsweise nach den verschiedenen Hafen-
plätzen des südwestlichen Europa ausgeführt. Seitdem inzwischen die Verbindung der süd-
russischen Bahnen mit der Linie Lemberg-Chernowitz hergestellt ist, werden jene Pferde auch
wohl in Deutschland auf den Markt gebracht; es bleiben aber die besseren Exemplare meistens
in Galizien und Polen, wo sie von den gewandten israelitischen Händlern bald erkannt und
gern angekauft werden, da solche überall Abnehmer für dieselben finden.
Im russischen Kaiserreiche erfreut sich die Pferdezucht schon seit längerer Zeit der
besonderen Pflege der Regierung; es sind hauptsächlich die südlichen Provinzen, welche für
diesen Zweck Staats-Unterstützungen erhalten, und es hat in Folge dessen gerade dort die
Pferdezüchtung einen bedeutenden Aufschwung genommen. Wenn wir den amtlichen Angaben
Frey tag, Hausthier-Racen. II.
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Glauben schenken dürfen, so wurden im Jahre 1869 bereits 19,875 Pferde aus Russland nach
dem Auslande ausgeführt; von diesen gingen 2065 Stück nach Preussen, 3728 nach Oesterreich
und 11,234 nach den Donau-Fürstenthümern. In der neuesten Zeit soll die Ausfuhr noch
bedeutender geworden sein, doch konnten wir leider keine zuverlässigen Zahlen-Angaben
erhalten, und wir scheuen uns hier Mittheilungen zu machen, welchen wir selbst keinen
grossen Glauben schenken. —
Das hier abgebildete bessarabische Pferd haben wir in Rumänien gesehen und gemessen;
dasselbe wird dort von einem Cavallerie - Officier geritten und leistet in jeder Beziehung recht
Befriedigendes. Dieses Thier hat eine Höhe von 1,58 Meter, besitzt vorzügliche Gliedmassen
und keine zu hohe Action. Die bessarabischen Pferde sind in der rumänischen Armee sehr
beliebt und werden solche gern angekauft. Die Preise für dergleichen Thiere sind immer
noch nicht sehr hoch, und es würden diese Pferde sicherlich auch in Deutschland guten
Absatz finden, wenn uns nicht der Ausschuss, sondern wirklich gute, brauchbare Exemplare
jener Race zugeführt würden, denn die Nachfrage nach leichten, gängigen Reitpferden steigt
auch bei uns von Tag zu Tag.
Wenn wir nun auch annehmen wollen, dass die bessarabischen Pferde von der tarta-
rischen Race abstammen, so zeichnen sie sich doch vor den meisten anderen hierher gehörigen
Schlägen durch schönere, ungleich gefälligere Körperformen vortheilhaft aus. Sie erreichen
nicht selten eine Höhe von 1,60 Meter, doch dürfen wir ihre mittlere Grösse nur zu 1,45 Meter
angeben; es kommen auch viele kleinere Pferde dort vor, welche aber meistens im Lande
verbleiben. Ihr Kopf ist ausdrucksvoll und erinnert uns in seinen Formen an das orientalische
Blutpferd; der Nasenrücken ist sanft gebogen und die Kinnbacken sind eher stark als fein zu
nennen. Die Augen dieser Thiere zeigen einen klugen, lebendigen Ausdruck, sind gross und
feurig; der Hals ist gut angesetzt, der Leib zwar schwach gestreckt, doch verhältnissmässig
kurz, wesshalb auch ihr ganzer Bau etwas gedrungen erscheint. Sie haben einen starken
Rücken, eine schöne Lenden-Partie und hübsch gerundete Kruppe. Ihre unteren Gliedmassen
sind kräftig und gut gestellt; man kann den Thieren mit vollem Rechte nachsagen, dass sie
einen vorzüglich kräftigen — nicht plumpen — Knochenbau und gute Sehnen besitzen; sie
zeigen sich ausdauernd und sind Gliederkrankheiten nur in seltenen Fällen unterworfen. —
Auch von diesem Schlage wird, wie fast von allen anderen tartarischen Pferden, behauptet,
dass die Thiere trotz der grossen Strapazen, welche dieselben in ihrer Heimath unter den
starken, oft sehr wilden Reitern Jahr aus Jahr ein auszuhalten hätten, ein ziemlich hohes
Alter erreichten und viele Pferde von 25 Jahren noch diensttauglich wären.
Von den physiologischen Eigenschaften der bessarabischen Pferde möchten wir noch
ihre grosse Milchergiebigkeit erwähnen; die Stuten liefern 4 bis 5 Monate hindurch reichlich
Milch für ihre Fohlen und dann noch ausserdem täglich mehrere Liter einer schönen, fetten
Milch für die Bereitung des Kumys, welcher bei den dort vielfach vorkommenden Tartaren
bekanntlich sehr beliebt ist und bis zum Herbste hin in allen tartarischen Haushaltungen
bereitet wird.
In Bessarabien finden wir an manchen Orten gut und zweckmässig eingerichtete Privat-
Gestüte, in welchen früher hauptsächlich arabische oder auch persische und tscherkessische
Hengste als Beschäler benutzt worden; in der Neuzeit verwendet man zum Decken viele
Hengste des dort heimischen Landschlages, hin und. wieder auch englische Vollblut-Hengste.
Letzteres hat darin seinen Grund, dass die südrussischen Bojaren grosse Verehrer des Sport
sind und man zu diesem Zwecke nicht nur ausdauernde, sondern auch sehr schnelle Pferde
verlangt, zu deren Züchtung ihnen die Verwendung englischer Vollblutthiere nothwendig
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erscheint. Indem wir nochmals zurückkommen auf die Leistungen der altbessarabischen Pferde
ohne englische Blutmischung, haben wir noch anzuführen, dass der Schritt dieser Thiere leider
„etwas kurz" und „unsicher" genannt werden muss, auch ihr Trab nicht recht fördernd ist;
sie werden hauptsächlich im Galop geritten und zeigen in dieser Gangart viel Ausdauer und
Geschick; sie springen sehr gut und übertreffen gerade in dieser Leistung manchen andern
Pferdeschlag des südöstlichen Europa. Für die leichte Reiterei der russischen Armee mag
dieser Pferdeschlag recht tauglich und brauchbar sein, ebenso auch für das leichte Fuhrwerk —
die so genannten Jucker-Gespanne — wollen wir dessen Werth nicht unterschätzen; allein
unseren Ansprüchen an den s. g. Wagen- oder Kutsch-Schlag genügen jene Pferde nicht, auch
würden dieselben ihrer häufig vorkommenden bizarren Haarfärbung wegen bei uns nicht so
leicht Abnehmer finden; wir lieben bekanntlich das 'einfarbige Gespann, und nur selten sieht
man Schecken oder getigerte Pferde vor einer eleganten Equipage unserer Grossstädte. Wenn
sich ausnahmsweise einmal ein sachverständiger Pferdeliebhaber dazu entschliesst, einen
Schecken zu reiten, so muss ein solches Thier ganz besondere Eigenschaften, sehr schöne
Glieder besitzen, andernfalls hat er die Neckereien seiner Bekannten und Freunde zu fürchten.
Da für die Pferde-Zucht in Süd- oder Neu-Russland, im Besonderen für die des Gouver-
nements Bessarabien die dortigen Militär-Colonien (grosse Bedeutung und Werth haben, so
wollen wir nicht unterlassen, hier Einiges über diese Colonien mitzutheilen. Bekanntlich besitzt
das grosse Kaiserreich eine ahnsehnlich grosse Zahl solcher Militär-Colonien sowohl für die
Infanterie, wie für die Cavallerie; sie sind über das ganze Reich verbreitet und zwar in der
Weise, dass die Infanterie-Colonien vorwiegend in den .Nord-Provinzen, wo sich weniger
geschickte Reiter finden, hergerichtet sind; dahingegen hat man die Colonien für die Cavallerie
gewöhnlich dorthin verlegt, wo die Unterhaltung der Pferde am wenigsten kostspielig ist und
wo sich bei der Landbevölkerung grössere Neigung zur Pferdehaltung findet. Die äUkraine
und Bessarabien sind solche Landschaften, in welcher wir jene Bedingungen im hohen Grade
erfüllt sehen. Im ganzen südlichen Russland sind die klimatischen wie auch die Boden-Ver-
hältnisse günstig für das Futter- und Gras-Wachsthum; 'die Aufzucht der Pferde — auch die
der anderen Hausthiere — wird dadurch sehr erleichtert, und es ist daher erklärlich, dass der
russische Kriegsrath schon vor Jahrzehnten den Beschluss fasste, die meisten Cavallerie-
Colonien nach dem Süden zu verlegen; wir glauben behaupten zu dürfen, dass die Ausführung
dieses Beschlusses und kaiserlichen Befehles für die Pferdezucht des genannten Gouvernements
von der weittragendsten Bedeutung gewesen ist und zur !Hebung und Besserung derselben
wesentlich beigetragen hat. Nach den Berichten aller Reisenden wird in keinem Lande Europas
die Pferdezucht so ausgedehnt betrieben, wie gerade dort in Süd-Russland.
Die russischen Militär-Colonien sind der Art angelegt, dass die Regierung in gewissen,
besonders günstig belegenen Districten an die Familien-Väter unter den s. g. Kornbauern Land
vertheilte und ihnen Häuser bauen Hess, welche einzeln in zwei Reihen stehend, die Gasse
eines grossen, etwas weitläufigen Dorfes bilden. Der Besitzer eines solchen Hauses nebst
einem Hofe heisst Ober-Colonist; derselbe hat einen Assistenten neben sich, welcher ihn bei
den verschiedenen Arbeiten nach Kräften unterstützen muss. Sehr häufig vertritt der heran-
gewachsene älteste Sohn der Familie die Rolle des Assistenten, und es geht dann auch in der
Regel nach dem Tode des Vaters Haus und Hof auf ihn über; die übrigen Kinder werden
meistens ziemlich karg abgefunden. In jedem Hofe wird ein Soldat und in den Cavallerie-
Colonien auch sein Pferd aufgestellt und verpflegt, wofür [derselbe — wenn er keine Militär-
Dienste zu verrichten hat — dem Bauer beim Ackerbau, bei allen Feld- und Hofarbeiten helfen
muss. In gewöhnlichen Friedensverhältnissen bekommen [diese Soldaten der Colonie keinen
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Sold, sondern nur dann, wenn sie zu grossen Truppen-Uebungen oder in Kriegszeiten in das
Feld rücken. Auf den meisten Höfen ist die Verpflegung der Soldaten, wie auch der Pferde
eine sehr gute und zweckmässige; Reiter und Pferd sollen sich gewöhnlich in einem vortreff-
lichen Wehrzustande befinden und beide zu grossen Leistungen befähigt sein.
Neben den eigentlichen Soldaten befindet sich in jedem Hofe noch ein Reservemann,
wozu gewöhnlich der zweite Sohn des Ober-Colonisten genommen wird. Die übrigen jungen
Männer einer Colonie — bei der Infanterie vom 12., bei der Cavallerie vom 14. Lebensjahre
an — bilden die ebenfalls uniformirten Colonisten, welche gleichzeitig zu Bauern und Soldaten
der Infanterie oder Cavallerie ausgebildet werden. Von Seiten des Vorgesetzten wird nun
besonders darauf geachtet, dass die Rekruten die Abwartung und Pflege der Pferde gut
erlernen und später auf das Sorgfältigste ausführen. — Da in den Colonien immer viele Zucht-
stuten gehalten werden, so überwacht man streng die Zutheilung der Hengste zu den verschie-
denen Stuten; unzweckmässige Paarungen oder Kreuzungen werden nicht geduldet. Die
Behandlung und Abwartung der hochträchtigen und Fohlen-Stuten wird nur den zuverlässigsten,
älteren Leuten anvertraut; aber auch diese werden von den Officieren scharf controlirt. Man
erzählte uns, dass die Aufzucht der Fohlen in den Colonien mit einer geradezu peinlichen
Sorgfalt betrieben würde; wenn dieselben das 3. Lebensjahr vollendet hätten, würden sie von
leichten, geschickten Reitern, die sich unter den dortigen Cavalleristen immer unschwer finden
Hessen, angeritten und erst nach und nach zum vollen Dienste herangezogen.
Die Dörfer der Colonisten sind sehr regelmässig nach ein und demselben Plane gebaut
und werden stets sehr ordentlich unterhalten; die Gassen sind überall mit gut geschützten
Bäumen bepflanzt; die Häuser der Soldaten wie die der Officiere sind einfach aber reinlich
gehalten; die Wohnungen der Generäle und Ober-Officiere bilden in ihrer ländlichen, äusseren
Erscheinung meistens einen sonderbaren Contrast mit den hohen Titeln, glänzenden Uniformen
und grossen Orden ihrer Bewohner. — Die Anzahl aller so angesiedelten Cavalleristen soll
60,000 betragen und man beabsichtigt, dieselben noch zu vermehren.
DIE RUMÄNISCHE PFERDE-RACE.
Die Donaufürstenthümer Moldau und Wallachei, in ihrer Vereinigung jetzt gewöhnlich
Rumänien genannt, haben in der neueren Zeit nicht nur das Interesse der Regierungen und
Politiker Europas auf sich gelenkt, sondern auch die Aufmerksamkeit vieler Land- und Volks-
wirthe in hohem Grade in Anspruch genommen. — Nach unseren eigenen Wahrnehmungen
im Herbste des vergangenen Jahres (1874) verdient das eben so schöne, wie günstig belegene
Fürstenthum in der That auch von Seiten der Thier-Züchter, vollste Beachtung. Denn wenn
auch bislang jenes Land nur als eine der besten Kornkammern des südöstlichen Europas mit
aufgezählt wurde und dessen Vieh-Export nicht sehr bedeutend war, so dürfen wir bei den
ernsten Bestrebungen und der grossen Opferwilligkeit, welche der regierende Fürst Carl I.
gegenwärtig der Viehzucht widmet, annehmen, dass Rumänien demnächst auch ansehnlich
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DIE RUMÄNISCHE PFERDE -RACE.                                                                 35
grosse Transporte von Hausthieren der verschiedenen Arten liefern und besonders dem Vieh
züchtenden Nachbar-Königreiche Ungarn grosse Concurrenz machen werde. — Wir Deutschen
müssen diese Bestrebungen des jungen Fürsten — die Viehzucht seines Landes zu heben und
zu bessern — mit unverhaltener Freudigkeit begrüssen, und wollen wünschen, dass deut-
scher Fleiss und Ausdauer auch in jenem fernen Lande des Ostens Anerkennung finden und
demselben zum Segen gereichen möge. —
Rumäniens Landwirthschaft beruht im Allgemeinen auf der natürlichen Fruchtbarkeit des
Bodens, welche an vielen Orten derjenigen der s. g. schwarzen Erde Süd-Russlands nahezu
gleichkommt. Wir sehen daselbst alle künstlichen Mittel, die Erträgnisse des Bodens zu
steigern, wie z. B. die Düngung und Drainage der Aecker oder Bewässerung der Wiesen und
Weiden fast gänzlich ausser Acht gelassen; man glaubt dort heute noch, dergleichen kost-
spielige Meliorationen unterlassen zu können, obgleich dieselben in manchen Theilen des
Landes die natürliche Fruchtbarkeit des Bodens sicher sehr unterstützen und die Erträge um
ein Bedeutendes steigern würden. So z. B. würde eine Bewässerung der Felder und Wiesen
in trockenen Jahrgängen ohne Frage von grösstem Nutzen sein, indem durch dieselbe die
Erträge aller Früchte sich wahrscheinlich auf das Doppelte würden bringen lassen. — Ebenso
wünschten wir der rumänischen Landwirthschaft an Stelle der alten, meistens sehr unbeholfenen
und plumpen, Ackergeräthe die neueren besseren Pflüge, Eggen, Walzen und dergl. mehr,
damit die Feldbestellung rationell betrieben werden könnte. — Der rumänische Bauer — zwar
arbeitsam und massig in seinen Bedürfnissen — hält mit eiserner Hand fest an den alten
Gebräuchen, und ist mit den meistens guten Erndten seiner Felder vollständig zufrieden; er
fürchtet gewissermassen alle Neuerungen und ist der festen Meinung, dass eine Düngung
seiner Felder nicht allein unnöthig sei, sondern denselben sogar Nachtheil bringen und Miss-
wachsthum der Früchte zur Folge haben würde. Der Grossgrundbesitz des Landes — meistens
in den Händen der Bojaren — lässt sich hin und wieder einmal die Einführung verbesserter
Kulturmethoden und zweckmässiger Ackergeräthe und Maschinen angelegen sein; doch es
bleibt auch hier noch viel zu wünschen übrig. Wir haben die Bekanntschaft mehrerer sehr
tüchtiger und strebsamer Grossgrundbesitzer gemacht, welche keine Opfer scheuen, ihre Güter
zu verbessern und deren Erträge zu steigern. Solche Männer haben dann meistens auch
Interesse für die Viehzucht ihres Landes; sie bemühen sich gute Zuchtthiere zu erhalten und
mit diesen ihre Stämme zu veredeln.
Wie die Bodenverhältnisse Rumäniens in hohem Grade günstig sind für den Getreidebau,
besonders für die Kultur des Weizens, der Gerste, des Mais, der Bohnen (Fisolen) und Linsen,
so auch finden wir dieselben ganz dazu angethan, den Futtergewächsbau ausgedehnt zu
betreiben. Letzterer würde sicherlich die reichsten Erhdten liefern und mit diesen, wie auf
den üppigen Weiden könnten die besten Hausthier-Racen vorzüglich gut ernährt werden;
es steht daher sehr zu wünschen, dass strebsame Viehzüchter recht bald zur Verbesserung der
heimischen Racen schreiten und die Bestrebungen ihres Landesherrn nach dieser Seite hin
kräftig unterstützen. — Manche der dort vorkommenden Racen können nach unserer Ansicht
allein schon durch zweckmässige Auswahl der Zuchtthiere, ohne Einmischung fremden
Blutes wesentlich verbessert werden; andere wieder werden nur durch Kreuzungen mit den
besseren ausländischen Racen zu veredeln sein, so z. B. dürfte für die Pferdezucht der Wallachei
und Moldau die Einführung guter orientalischer Hengste am gerathensten sein. Es erscheint
uns daher auch besonders anerkennungswerth, dass auf Veranlassung des Fürsten Carl sowohl
in Aegypten, wie in der Berberei bereits mehrere vorzüglich schön gewachsene Hengste
angekauft und auf den Beschälstationen zur Aufstellung gekommen sind. Ein neuer Ankauf
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DIE RUMÄNISCHE PFERDE-RACE.
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edler Hengste sollte noch im Laufe der allernächsten Zeit zur Ausführung kommen und wir
bezweifeln nicht, dass die tüchtigen Sachverständigen, welche jetzt mit diesem schwierigen
Geschäfte betraut werden, -eine zweckmässige Wahl treffen und die Bedürfnisse ihres Landes
nach allen Seiten hin berücksichtigen werden.
Rumänien braucht einen etwas grösseren und kräftigeren Reit- und Wagen-Schlag;
diesen in verhältnissmässig kurzer Zeit heranzuzüchten und j auszubilden, kann nach unserer
Ansicht bei den für Thier-Züchtung günstigen Verhältnissen des Landes nicht sehr schwer sein,
und muss und wird auch gelingen.
Wenn wir die in Rumänien vorkommenden, das heisst die [dort heimischen Pferde-
schläge oder Racen überschauen, so sehen wir uns genöthigt, die Zuchtrichtung, welche zur
Zeit in der Wallachei verfolgt wird, von derjenigen zu unterscheiden, welche man jetzt mit
grossem Eifer in der Moldau zu verfolgen beabsichtigt.
Wir halten uns aber nicht berechtigt"— wie es von einzelnen Autoren bereits geschehen
ist — einmal von einer scharf typirten wallachischen und weiter von einer moldauischen Race
zu sprechen und beide ängstlich von einander zu trennen. Wir glauben nach unseren Wahr-
nehmungen vielmehr behaupten zu dürfen, dass in dem Fürstenthume Rumänien nur eine s. g.
Landes-Race vorkommt, dass man aber sehr wohl von einem wallachischen und von einem
moldauischen Pferde-Schlage sprechen darf.
I. DAS WALLACHISCHE PFERD
kann nach den Merkmalen, welche es in seinem ganzen Baue, sowie in den einzelnen Theilen
seines Körpers darbietet, für einen Bastard der alten moldauischen und der gemeinen sieben-
bürgischen Race bezeichnet werden. Nur ausnahmsweise begegnen uns im Süden des Landes,
in der Donau-Tiefebene Thiere, welche in ihrem Leibesbau einige Aehnlichkeit mit den
Pferden des Fürstenthums Bulgarien haben und wahrscheinlich auch von diesen abstammen;
sie sind kleiner und gedrungener als jene Bastarde und nur allein für den leichten Reitdienst
geeignet. — Das wallachische Pferd, ,wie wir dasselbe in grosser Zahl nördlich von Bukarest
in der Mitte der grossen Wallachei antreffen, zeigt in seinen besseren Exemplaren recht schöne
Körpergestalten mit zierlichen Formen, einen hübschen, gut angesetzten Kopf mit etwas
langen, sehr beweglichen Ohren. Der Hals der Thiere ist nicht sehr kräftig, häufig hirschartig
gebogen, und man findet dann gewöhnlich auch bei so gebauten Individuen einen sehr starken,
hin und wieder sogar karpfenartigen Rücken mit etwas abgeschliffenem Kreuze. Doch es
giebt auch innerhalb dieses Schlages viele Thiere mit normalem Hals- und Rückenbau, einer
schön abgerundeten Kruppe und einem ziemlich hohen Schwanzansatze. Die Stellung der
Schulterknochen könnte vielleicht etwas besser sein. Die zierlichen, nicht zu langen Glied-
massen sind gut gestellt, haben "vorzüglich kräftige Sehnen, gute Fesseln und einen ganz vor-
trefflichen Huf. Die Muskulatur der Oberarme und Hinterschenkel lässt häufig etwas zu
wünschen übrig; es dürfte daher auch bei der beabsichtigten Veredlung der Race vor Allem
mit darauf Rücksicht zu nehmen sein, dass als Beschäler nur solche Hengste zur Verwendung
kommen, welche bei sonst normalem Gliederbau auch einen kräftigen, langen Vorderarm und
kurzes Schienbein besitzen, damit jener Fehler bei der Nachzucht möglichst bald verschwindet
und die Thiere einen besseren, weniger hohen Schritt bekommen. Wir haben mehrfach bei
den vorjährigen Herbstmanövern der rumänischen Cavallerie Gelegenheit gehabt, zu beob-
achten, dass die Pferde der Landwehr-Reiter (s. g. Calarasch), welche fast alle der heimischen
Landes-Race 'entnommen werden, zum grössten Theile eine auffällig hohe Action in allen
Gangarten, besonders aber im Trabe zeigen. Es entsteht diese fehlerhafte Bewegung in den
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Rumänische „Ra ce. ( Wallache!.)
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DIE RUMÄNISCHE PFERDE - R ACE.                                             .            37
meisten Fällen durch die langen Schienbeine der Thiere, und es sollten die Pferde-Züchter
des Landes sich ernstlich bemühen, diese Mängel durch zweckmässige Zuchtwahl zu beseitigen.
Endlich dürfte hier noch bemerkt werden, dass bei dieser Race die Hornwarze in der inneren
Fläche des Vorderarms meistens nur sehr zierlich entwickelt, klein ist, eine Eigenthümlichkeit,
welche man sonst nur bei sehr edlen Pferden des Orients oder bei englischen Vollblut-Thieren
wahrnimmt.
Die Zeichnung des hier abgebildeten wallachischen Hengstes verdanken wir der Güte
eines ebenso talentvollen, wie geschickten vaterländischen Meisters — Herrn Emil Volkers in
Düsseldorf — welcher als Thiermaler und tüchtiger Kenner der Pferde-Racen vielen Freunden
des Sport bekannt sein dürfte. — Derselbe machte im vorigen Jahre gleichzeitig mit uns eine
Studien-Reise durch Rumänien und zeichnete jenes Thier in der Nähe von Dragonescht,
wir fanden es dort im Besitz eines Grossgrundbesitzers und wurde dasselbe seit Jahren
mit bestem Erfolge zur Zucht benutzt. — Wir können dieses Pferd als einen besonders
schönen Repräsentanten des wallachischen Schlages hinstellen; sollte es den dortigen Züchtern
gelingen, solche wirklich gut gebaute Thiere in grösserer Zahl zum Verkauf auf die Märkte
zu führen, so können wir ihnen dazu nur Glück wünschen.
Das abgebildete Pferd dürfte als eine Weissisabelle bezeichnet werden; es besitzt ein
weissgelbes Deckhaar, weisse Mähnen und einen schönen weissen Schweif. So gefärbte
Thiere, aber auch Schimmel und lichtbraune Pferde kommen dort ziemlich häufig vor und
werden von den Rumänen sehr geliebt.
Die Grösse dieses Pferdes stellte sich auf 1,57 Meter heraus; doch es sind dergleichen
grosse Pferde ziemlich selten in der Wallachei. Die Thiere der Landleute und der Landwehr-
Reiterei erreichen in wenigen Fällen die Höhe von 1,50 Meter und sind gewöhnlich nur 1,40 Meter
hoch. — Sie zeigen grosse Leichtigkeit in all ihren Bewegungen; im Laufe sind sie sehr
schnell und können in Folge ihres kräftigen Rückenbaues ziemlich schwere Reiter vom frühen
Morgen bis zum späten Abend ohne sichtliche Ermüdung forttragen. Wir haben uns bei den
Manövern wiederholt davon überzeugt, dass die kleinen Pferde in ihren Leistungen durchaus
nicht hinter den grösseren Pferden der Linien-Cavallerie — welche ihre Remonten jetzt zum
grössten Theile noch aus Ungarn, Siebenbürgen und Bessarabien beziehen — zurückbleiben.
Dabei sind die Thiere im hohen Grade genügsam; mit 5—6 Pfund {2xj%3 Kilo) Gerste
und einem kleinen Bunde Gerstenstroh sind sie zu befriedigen und in Condition zu erhalten;
Heu verfüttert man in Rumänien selten an die Pferde und reicht dieses lieber den Rindern
oder Büffeln. —
Mit grossem Unrechte sagen einzelne Schriftsteller dem wallachischen wie dem mol-
dauischen Pferde nach, dass es meistens falsch und bösartig wäre; wir haben uns vielfach
überzeugt, dass man die Thiere im Gegentheil geduldig und gutmüthig nennen kann; sie
ertragen die leider oft schlechte Behandlung von Seiten ihrer Reiter, Führer und Hirten mit
grossem Gleichmuthe und werden selbst dann nicht bösartig, wenn sie in roher Weise geprü-
gelt werden. Es ist überall dort sehr zu bedauern, dass den Hausthieren im Allgemeinen,
besonders aber den Pferden keine bessere Behandlung und grössere Pflege zu Theil wird.
Die Thiere sind sehr oft in niedrigen, dumpfen Ställen untergebracht; für die Reinigung ihres
Körpers wird wenig Sorge getragen und dessen ungeachtet sind die Pferde nur selten Krank-
heiten unterworfen. Wir können sie sehr robust und dauerhaft nennen; sie erreichen im All-
gemeinen ein ziemlich hohes Alter — wohl 30 Jahre — und werden bis an ihr Ende stark
gebraucht.
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DIE RUMÄNISCHE PFERDE-RACE.
Wenn die Fohlen dort längere Zeit in voller Freiheit auf der Weide verblieben und man
sie nicht sogar häufig schon im 2. Lebensjahre zum vollen Dienste heranzöge, würde die Kraft
und Ausdauer dieses kleinen Pferdeschlages sicher noch viel bedeutender sein, und wir können
daher den rumänischen Pferdezüchtern nicht dringend genug empfehlen, bei der Aufzucht ihrer
Fohlen und der Benutzung der jungen Pferde etwas sorgfältiger zu Werke zu gehen; sie
werden sehr bald den guten Erfolg einer sorgsameren Haltung und Pflege wahrnehmen.
Das wallachische Pferd wird dann auch den alten, früher wohl verdienten Ruf, ein aus-
gezeichnet schnelles und dauerhaftes Reitpferd zu sein, bald wieder erlangen, und die Züchtung
solcher Pferde kann für das schöne Land nur von grösstem Nutzen sein und eine ergiebige
Erwerbsquelle werden.
II. DER MOLDAUISCHE PFERDESCHLAG.
Wenn wir den älteren hippologischen Schriftstellern Glauben schenken dürfen, so sind
die Pferde der Moldau in früheren Jahrhunderten — vielleicht noch zu Anfang des jetzigen —
von ganz vorzüglicher Beschaffenheit gewesen; es wird uns von Sebald und Anderen berichtet,
dass in jenem Lande die Pferdezucht sehr umfangreich und zweckmässig betrieben wurde und
dass die dortige Race besonders in der Türkei früher sehr geschätzt gewesen sei; aus diesem
Grunde wären auch alljährlich von moldauischen Händlern viele Pferde zu verhältnissmässig
hohen Preisen dorthin verkauft.
Leider ist die schöne alte Race in den letzten Decennien ein wenig zurückgegangen,
die Ausfuhr ist auf ein Minimum beschränkt und die meisten dort gezogenen Pferde werden
im Lande selbst verbraucht; nur ein kleiner Procentsatz schöner Pferde geht über die Grenze
in's Ausland oder wird an wallachische Grundbesitzer zu Zuchtzwecken abgegeben; diese
Herren sind dann meistens ehrlich genug, einzugestehen, dass der moldauische Schlag im
Allgemeinen besser als der ihrige sei und aus mehreren Gründen den Vorzug vor den walla-
chischen verdiene.
Gehen wir zur näheren Betrachtung der moldauischen Pferde der Jetztzeit über, so
erscheint es nothwendig zu unterscheiden das gemeine Landpferd vom edleren moldauischen
s. g. Race-Pferde, welches letztere von verschiedenen Gross-Bojaren gezüchtet und gut
gehalten wird.
a. Das gemeine moldauische Pferd zeigt einige Aehnlichkeit mit dem Schlage, welcher
in der Ukraine Russlands heimisch ist und wird auch wohl von diesem abstammen. Hin und
wieder begegnen uns in der Moldau Thiere, welche aus der Kreuzung des gemeinen ungarischen
Pferdes mit dem nogaischen Pferde hervorgegangen zu sein scheinen; sie erinnern auch wohl
an den hübschen Pferdeschlag, welchen wir in Siebenbürgen kennen gelernt haben und später
eingehend beschrieben werden soll.
Die gemeinen moldauischen Pferde haben weniger zierliche Formen, als die Pferde
Siebenbürgens, gute starke Knochen mit etwas grossen Hufen von fester Hornsubstanz. Die
Verhältnisse des Körpers sind an diesen Pferden sonst aber ebenmässig und verleihen den-
selben einen kräftigen Ausdruck. Das hier abgebildete Pferd wurde von einem rumänischen
Landwehr-Reiter bei den Manövern (1874) geritten; wir hatten Gelegenheit, dasselbe öfter zu beob-
achten und dessen Leistungen näher kennen zu lernen. — Der Kopf dieses Pferdes ist klein
zu nennen, doch immer hin grösser als bei den meisten ungarischen Bauerpferden; derselbe
hat proportionirte Formen, ist gut angesetzt und wird hübsch getragen. Die Stirn ist breit,
der Nasenrücken verläuft in einer geraden Linie bis herunter zu den Vorderlippen. Bei
anderen Pferden desselben Schlages sahen wir nicht selten eine etwas gebogene Rückenlinie
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Rumänische-Race (Moldau)
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DIE RUMÄNISCHE PFERDE-RACE.                                                   .              39
der Nase und ein mehr stumpfes Maul. Bei dem abgebildeten Pferde sind die Nasenlöcher
gross, welche bei der Bewegung des Thieres weit geöffnet werden, wodurch der Kopf an
Ausdruck gewinnt. Die Augen sind nicht schön und verrathen Bösartigkeit. Die Kinnbacken
oder Ganaschen sind breit und noch kräftiger als beim wallachischen Pferde. Der ebenmässige
Bau des Leibes verleihet dem moldauischen Pferde ein hübsches Ansehen; runde, muskulöse
Figuren begegnen uns dort nicht selten. Die Lenden sind flach und breit, auch die Brust ist
eher breit als schmal zu nennen. Wenn wir bei den wallachischen Pferden häufig eine gut
gebaute Schulterpartie vermissen, so finden wir im Gegentheil innerhalb des moldauischen
Schlages manches Pferd, welches grosse Schulterfreiheit zeigt. Das Schulterblatt ist ziemlich
lang und breit und hat eine gute, schräge Lage; das Widerrüst ist hoch, so dass auch die
Muskeln, welche das Schulterblatt drehen, eine erwünschte Länge und demzufolge eine grosse
Hubhöhe erhalten. Der Rücken ist kurz und ziemlich gerade, auch die Kruppe ist schön
geformt, mittellang und meistens breiter als beim wallachischen Pferde. — Wir stellen hier
absichtlich immer Vergleiche zwischen dem wallachischen und moldauischen Schlage an, weil
wir bei den Züchtern der ersteren in Rumänien zuweilen eine gewisse Rivalität wahrgenommen
haben und weil auch manche behaupten, es bestehe heute kein Unterschied mehr zwischen
beiden Schlägen des Fürstenthums. Nach unserer Ansicht ist aber das moldauische gemeine
Bauer- oder Land-Pferd immer noch etwas besser, als dasjenige, welches wir in der grossen
Wallachei als dortiges Landpferd kennen gelernt haben. — Der Schweif ist bei dem mol-
dauischen Pferde ziemlich hoch angesetzt, von mittlerer Stärke und wird meistens gut getragen.
— In Bezug auf die unteren Gliedmassen haben wir anzuführen, dass Schenkel und Vorder-
arme stark und kraftvoll, ebenfalls besser als beim wallachischen Schlage sind und dass die
Beine verhältnissmässig kurz, die Unterfasse fein, doch kräftig, trocken und gut gestellt sind.
Oft finden wir ziemlich lang gefesselte Individuen mit meistens guten, das heisst harten und
glänzenden Hufen von bester Hornsubstanz. Der Beschlag erscheint überflüssig, kommt aber
doch vielfach in Anwendung.
In der Moldau scheinen die Braunen und Dunkelfüchse beliebter, als die hellgefärbten
Pferde zu sein; man sieht dort vorwiegend jene Farben, hin und wieder auch Rappen mit
einem schön glänzenden Deckhaar und ziemlich langen Mähnen, welche leider nicht immer
sauber gehalten werden. Die Höhe dieses Pferdeschlages schwankt zwischen 1,45 und 1,55
Meter; nur ausnahmsweise sieht man unter den gemeinen moldauischen Pferden Thiere,
welche eine Höhe von 1,60 Meter erreichen. — Das moldauische Pferd hat in Folge seines
vortheilhaften Gliederbaues gute Bewegungen; dasselbe ist in allen Gangarten ziemlich schnell
und gewandt. — Die Thiere besitzen eine ganz vorzügliche Gesundheit und erreichen meistens
ein hohes Alter. Da die Bauernpferde dort in einem halbwilden Zustande aufgezogen werden,
so erklärt sich auch hieraus wohl ihr robuster Körper; wir waren erstaunt über ihre grossen
Leistungen bei massigem Futter, geringer Pflege und oft sogar sehr roher Behandlung; wir
sind fest überzeugt, dass, wenn diesen Thieren eine ordnungsmässige, gute Abwartung zu
Theil würde, ihre Leistungen noch ungleich grösser sein könnten, und sie wahrscheinlich auch
ihr jetzt oft tückisches Wesen sehr bald ablegen würden.
Für den Dienst der leichten Reiterei sind die Pferde der Moldau sehr geeignet; sie
besitzen im hohen Grade die Eigenschaften, welche auch wir für das Soldaten-Pferd der
leichten Truppen wünschen: Gewandtheit, Schnelligkeit und grosse Ausdauer; hierzu kommt
noch eine so grosse Genügsamkeit, wie wir solche kaum bei irgend welcher anderen Race der
Ost-Länder wieder gefunden haben; nur allein die geringe Körpergrösse dieses Schlages würde
unseren Remonte-Commissionen nicht genügen. Die altmoldauische Race im vorigen Jahr-
Freytag:, Hansthier-Racen. II.
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40                                                                  DIE RUMÄNISCHE PFERDE -RACE.
hundert muss wohl grössere Pferde aufgewiesen haben, denn es sollen noch zur Zeit Friedrichs
des Grossen viele starke Pferde aus der Moldau für die Husaren-Regimenter der preussischen
Armee angekauft worden sein. — Wenn man den Thieren regelmässig besseres und reich-
liches Futter darreicht, so bekommen sie sehr bald hübsche, runde Formen, die wir zwar im
vorigen Herbste, nach dem sehr trockenen Sommer und bei hohen Futterpreisen nur ausnahms-
weise zu sehen bekamen; wir glauben aber gern den Berichten sachverständiger Männer,
welche angeben, dass in guten Jahrgängen die Thiere auf den üppigen Weiden der Moldau
ein geradezu feistes Ansehen zeigten.
Die moldauischen Bauern-Pferde werden mehr als die wallachischen zum Zuge benutzt;
sie leisten sowohl bei der Ackerbestellung wie in den leichten Fuhrwerken des Landes recht
Befriedigendes. Die rumänischen Kutscher fordern von ihren kleinen Pferden oft Unglaub-
liches; durch ununterbrochenes lautes Schreien und Peitschenknall treiben sie ihre Thiere zum
schnellsten Laufen an; die Trabgangart genügt ihnen meistens nicht; wenn es die Wege nur
einigermassen gestatten, so geht es in raschem Galopp berg auf, berg ab, und die sich etwa
darbietenden Hindernisse werden mit grossem Geschicke umfahren. Die Feldwege sind zwar
häufig sehr schlecht und veranlassen die Fuhrleute, ihre Gefahre vom Wege ab, auf die Felder
zu lenken und sich hier neue Fahrbahnen zu schaffen. — Seit dem Regierungsantritte des
Fürsten Carl ist im ganzen Lande sehr viel für die Verbesserung der Heerstrassen geschehen;
es sind viele Chausseen angelegt und gute haltbare Brücken gebaut worden, so dass man jetzt
„ohne Gefahr" das Land im Wagen durchreisen kann, was früher — noch vor 10 Jahren —
nicht der Fall gewesen sein soll. — Es werden seltsam lautende Geschichten über rumänisches
Fuhrwesen der älteren Zeit erzählt und wir können den Bewohnern des Landes nur Glück dazu
wünschen, dass es auch nach dieser Seite hin dort besser geworden ist.
Unter den Kutschern, Fuhrleuten und Reitknechten herrschen sowohl in der Moldau,
wie in der Wallachei viele eigenthümliche Gebräuche, welche vermuthen lassen, dass der Aber-
glaube bei der Pferdehaltung und besonders bei der Verpflegung erkrankter Thiere immer
noch eine grosse Rolle spielt; so z. B. bemerkten wir, dass der Kutscher (birja) beim Halten
an Wirthshäusern oder vor den Ziehbrunnen, welche häufig an den Wegen stehen, seinen
Pferden vor dem Tränken die Ohren lang zieht; er glaubt nämlich ihnen dadurch eine
besondere Wohlthat zu erweisen und sie vor den üblen Folgen der Ueberanstreng-ungen zu
bewahren. Bei den Kuren greift man ebenfalls oft zu sonderbaren Mitteln; Pferdekuren im
schlimmsten Sinne des Wortes kommen in Rumänien häufig zur Anwendung und zwar nicht
immer mit dem besten Erfolge.
Der Handel hat in der kleineren Moldau ein bedeutendes Uebergewicht über den der
grösseren Wallachei, dazu kommt noch, dass auch die Bodenkultur dort höher steht als indem
Nachbarstaate. Mit dem Aufblühen des Handels und der Besserung des Ackerbaues scheint
in der Moldau bei vielen intelligenten Landwirthen der Wunsch laut geworden zu sein, für die
Veredlung des alt renommirten Pferdeschlages nach Kräften zu wirken. Aus diesen Bestre-
bungen ist in den letzten Jahren ein Pferdeschlag hervorgegangen, welchen man dort b) den
edlen moldauischen Schlag zum Unterschiede von dem gemeinen Bauern-Pferdeschlage benennt;
ob nun aber die Züchter dieser edleren Pferde heute schon berechtigt sind, sie als einen
„besonderen moldauischen Schlag" auszugeben, wagen wir hier nicht zu entscheiden. Soweit
wir Gelegenheit hatten, solche s. g. edle moldauischen Pferde zu sehen, erkannten wir in
denselben die nahe Verwandtschaft zu den besseren orientalischen Racen und waren geneigt,
sie zum Theil als reinblütige arabische und andere wieder als Halbblut-Berber-Pferde zu
bezeichnen.
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DIE PFERDE DER EUROPAISCHEN TÜRKEI.
Die Veredlung der alten Land-Race sucht man durch Kreuzungen mit orientalischen
Hengsten ins Werk zu setzen und zwar in der Weise, dass man zu den Halbblutstuten
wiederum Vollblut-Orientalen führt und diese Paarungen so lange fortsetzt, bis die Nachzucht
den orientalischen Vätern sehr ähnlich sieht. Von einigen Bojaren sollen in der Moldau in
der Neuzeit englische Hengste oder auch Beschäler von der russischen Orlow-Harttraber-Race
verwendet worden sein, und berichteten uns diese Züchter, dass sie besonders von der Nach-
zucht jener letzteren Kreuzung grosse Leistungen erwarteten; die Körper gestalten, der Glieder-
bau der Fohlen Hesse nichts zu wünschen übrig und sie erreichten schon nach zurückgelegtem
2. Lebensjahre die Grösse und Stärke ihrer Mütter.
Wir wollen den moldauischen Pferdezüchtern wünschen, dass sie bei ihren Versuchen
die richtige Wahl treffen und wirklich das für ihre Verhältnisse passendste Veredlungs-
Material in brauchbaren Hengsten erhalten; sie dürfen gewiss sein, dass ihre Bestrebungen zur
Hebung der heimischen Pferdezucht von Seiten der dortigen Regierung nicht nur Anerkennung,
sondern auch möglichste Unterstützung finden werden. —
DIE PFERDE DER EUROPÄISCHEN TÜRKEI.
In den türkischen Landschaften auf der Balkan-Halbinsel wird eine grosse Anzahl von
Pferden gehalten, jedoch sind wir nicht im Stande, zuverlässige Angaben über den dortigen
Pferdestand zu machen, da bekanntlich die osmanische Regierung alle statistischen Ermit-
telungen über Viehbestände heute noch für überflüssig erachtet. Otto Hausner giebt in seiner
vergleichenden Statistik von Europa den Pferdebestand für die europäische Türkei annähernd
zu i1/^ Million Stück an. — Diese Summe erscheint uns aber zu niedrig gegriffen, wenn man —
abgesehen für den grossen Bedarf für das stehende Heer — in Betracht zieht, dass nach nach
den Angaben aller Reisenden, die wir auf Grund eigener Beobachtungen nur bestätigen können,
der Bedarf an Pferden in der Türkei ein sehr bedeutender ist, indem sowohl in Städten, wie
auf dem Lande jeder Türke mit einigem Vermögen sich ein oder mehrere Pferde und der
Reichere nicht selten über 20 Pferde hält. Die höheren Stabsoffiziere und Generale halten
gar nicht selten 10 bis 15 Pferde; die Divisions-Generale (Ferik-Pascha) bekommen für
20 Pferde Rationen und sollen auch gewöhnlich eine so grosse Zahl von Pferden unterhalten.
Die Cavallerie des stehenden Heeres umfasst 25 Regimenter (darunter ein Tscherkessen- und
2 Kosaken-Regimenter); jedes Regiment besteht aus dem Regiments-Stab und 6 Eskadronen
mit einer Gesammt-Summe von 900 Pferden. Die Artillerie wird gebildet aus 6 Feld-Artillerie-
Regimentern mit je 15 Batterien und einem Reserve-Regimente in Constantinopel mit einer
gleicher Zahl von Batterien, deren Geschütze alle mit 6 Pferden bespannt sind und welche
ausserdem noch viele Reitpferde mit sich führen. — Ein geregeltes Train-Wesen besteht
gegenwärtig in der türkischen Armee noch nicht; auf grösseren Friedensmärschen wird der
Train für die Fortschaffung des Materials und des Proviants in einen „grossen" und einen
„kleinen" getheilt; ersterer wird aus requirirten, mit Ochsen oder Büffeln bespannten Wagen,
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DIE PFERDE DER EUROPÄISCHEN TÜRKEI.
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letzterer aus Tragthieren zusammengestellt, wozu vielfach Maulthiere und schöne, grosse Esel,
hin und wieder aber auch kleine, kräftige Pferde benutzt werden.
Wenngleich in der Türkei zum Ziehen der grösseren Lasten, auch zur Feldarbeit vor-
wiegend Rinder und Büffel verwendet werden, so ist dennoch die Nachfrage nach Fahr- und
Reitthieren, besonders Pferden in allen Provinzen so gross, dass die eigene Landes-Zucht den
Bedarf nicht entfernt decken kann, und wir sehen daher auch überall viele fremdländische
Pferde im Gebrauche. Die verschiedenen türkischen Provinzen Klein-Asiens, auch Arabien,
Persien, Aegypten, die Berberei, selbst Kurdistan und die Steppen der Turkomanen liefern
ihre Pferde auf die Märkte Constantinopels und der anderen grossen Städte des Reiches. —
Wir hatten Gelegenheit im Marstalle des Sultans viele fremde orientalische Pferde zu sehen,
von welchen uns die edlen Nedjd-Arabier durch ihre überaus schönen, gefälligen Gestalten
und herrlichen Bewegungen besonders auffielen. — Bei dem Militair sind die Pferde Bulgariens
als Reitthiere vor allen anderen beliebt; zur Bespannung der Geschütze sind aber diese
sowenig, wie die anderen türkischen Pferde-Schläge geeignet, und es sehen sich daher auch
die Assent-Commissionen immer noch genöthigt, den Bedarf an Artillerie-Pferden durch Hand-
einkauf namentlich in Ungarn, Siebenbürgen und Bessarabien zu decken. Vor ungefähr 15
Jahren wurde von dem damaligen Cavallerie - General Sefer-Pascha ein Remontirungs - System,
ähnlich wie das in Preussen bestehende, in Vorschlag gebracht und solches vom Sultan
sanctionirt, wobei der jährliche Bedarf an Remonten für die Cavallerie und Artillerie auf-den
neunten Theil der etatsmässigen Stärke berechnet ward. Leider hat dieses System nur 2 Jahre
Bestand gehabt; man kehrte wieder zu dem früher üblichen zurück, nach welchem alljährlich
auf Grund der von den Regimentern vorgelegten Anträge den Regiments - Commandeuren die
zur Deckung der Abgänge durch Handeinkauf erforderlichen Gelder vom General-Kriegsrathe
(Dari-Schurä) angewiesen wurden.
Um sich bei den Pferde-Ankäufen allmählich von dem Abhängigkeits-Verhältnisse zum
Auslande frei zu machen, hat man in der neueren Zeit (1871) im Donau-Vilayet und bei
Tschiftiler im Kiutahia-Vilayet so genannte Militair-Gestüte gegründet; dieselben haben als
Leiter einen Stabsofficier und als Hülfs- oder Bedienungs-Personal ausgediente Unterofficiere
und ältere Soldaten der Cavallerie erhalten. Die Aufgabe dieser Gestüte besteht hauptsächlich
darin, einen kräftigen Pferdeschlag für die Artillerie, vielleicht auch für die Train-Abtheilungen
auszubilden; die Zeit wird es lehren, ob diese Institute wirklich zweckentsprechend eingerichtet,
gut geleitet und den Anforderungen der türkischen Militair-Verwaltungen gerecht werden. Die
jetzt dort vorhandenen Fohlen lassen noch Manches zu wünschen übrig und sollen zum grössten
Theile keine grosse Leistungen für die Zukunft versprechen.
Nach unseren Wahrnehmungen auf der vorjährigen Reise durch die Türkei wird dort
an den meisten Orten die Hausthier-Zucht mit einer unverantwortlichen Sorglosigkeit betrieben;
wir hatten von den Türken zwar nicht viel erwartet, aber dennoch geglaubt, in jenem Lande
wenigstens die Pferdezüchtung in gutem und zweckmässigem Betriebe zu finden; allein wir
haben uns fast überall vom Gegentheile überzeugt, nur in Bulgarien fanden wir rühmliche
Ausnahmen," auf welche wir weiter unten noch zu sprechen kommen werden.
In Rumelien, Thessalien, Macedonien und Albanien herrscht fast allgemein der Gebrauch,
die Hengste nicht zu verschneiden; es scheint den dortigen Züchtern ziemlich gleichgültig zu
sein, ob dieselben gut oder schlecht gewachsen sind; man benutzt sie ohne Ausnahme als
Beschäler und zwar sehr häufig auf wirklich schlecht gebaute Stuten. Dass nun auf solche
Weise keine Besserung und Steigerung in den Leistungen der Landes-Race erreicht werden
kann, ist Jedermann — auch den Türken — einleuchtend, nichts destoweniger scheint Niemand
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Druck v. E sehet acli& Scliaefer, leijzig
Türkis eil er Hengst.
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DIE PFERDE DER EUROPÄISCHEN TÜRKEI.
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an eine Aenderung zum Bessern, an einen Fortschritt auf dem Gebiete der Pferdezucht zu
denken. Wir sind fest überzeugt, dass, wenn nicht alljährlich nach der Türkei viele fremde
orientalische Hengste und unter diesen manche wirklich schöne und werthvolle Thiere einge-
führt würden, es bei der grossen Indolenz der Osmanen noch viel schlechter, um den dortigen
Pferdeschlag stände; wir würden kaum noch Spuren von den alten, gut berufenen türkischen
Pferden entdecken können; sie würden von allen Hippologen jetzt vollständig unbeachtet und
unberücksichtigt bleiben.
Wenn wir den Berichten und Erzählungen älterer Reisenden Glauben schenken können,
so ist es wahrscheinlich, dass zu Anfang, dieses Jahrhunderts die Viehzüchtung in der Türkei
sorgfältiger betrieben worden und dass jetzt weit eher ein Rückgang, als ein Fortschritt auf
diesem Gebiete des landwirtschaftlichen Gewerbes zu constatiren ist. Auch der Acker- und
Feldbau wird an den meisten Orten der südöstlichen Provinzen mit grösster Lässigkeit aus-
geführt; plumpe, schlecht gearbeitete Geräthe und veraltete Maschinen sind im Gebrauche; es
werden beispielsweise noch heute die alten Dreschschlitten zum Ausschlagen des Getreides und
nachdem auch dieselben Instrumente zum Schneiden oder Hacken des Häckerlings verwendet.
Diese Schlitten sind auf der unteren Seite mit scharfen Feuersteinen oder breitköpfigen
Nägeln beschlagen; es werden dieselben von einem oder mehreren Ochsen auf dem Getreide
so lange umher gefahren, bis die meisten Körner vom Stroh getrennt sind; darauf wird
dieses Letztere durch hölzerne Harken von dem darunter liegenden Korne und endlich dieses
wieder durch Werfen gegen den Wind von der Spreu etc. gesondert. — Wir erwähnen hier
diese Dresch-Methode desshalb, weil sie Veranlassung giebt zu einem grossen Uebelstände bei
der Pferde-Fütterung und -Haltung in jenen Ländern; die starke Verunreinigung der Gerste
und des — fast ausschliesslich als Rauhfutter verwendeten — Gerstenstrohes ist nämlich die
Hauptursache der so häufig auftretenden Koliken bei den türkischen Pferden, und so oft auch
tüchtige Thierarzte aus dem Occident (welche in der Türkei Anstellung fanden) auf diese
Uebelstände und deren Beseitigung hinwiesen, so ist dennoch bis heute noch keine sorg
fältigere Reinigung des Futters in Gebrauch gekommen.
Werfen wir noch einen Blick auf die türkische Pferdezüchtung älterer Zeit, so ersehen
wir aus den historischen Angaben über die Regierung Mahumed I. (1730 —1754), dass dieser
Sultan sehr viel für die Verbesserung des Landbaues im Allgemeinen, ganz besonders aber
auch für die Veredlung der türkischen Pferde-Race gethan hat; unter seiner Regierung haben
die türkischen Rosse in ganz Europa einen guten Namen gehabt. Auch unter der Regierung
des Mustapha III. (1757 — 1773) soll dessen friedliebender Grossvezier Raghib-Pascha sich
ernstlich bemüht haben, den Landbau und die Viehzucht im osmanischen Reiche zu bessern;
er hätte um das Jahr 1760 viele edle Hengste aus Arabien kommen und diese als Beschäler
auf dem flachen Lande verwenden lassen. — Zu jener Zeit kamen auch viele vorzügliche
Hengste aus der Türkei nach dem westlichen Europa — vorwiegend nach England — sie
zeichneten sich dort durch ihre grossen Leistungen auf den Rennbahnen rühmlichst vor manchen
anderen orientalischen Pferden aus, doch ist leider heute: nicht mehr mit Bestimmtheit nach-
zuweisen, ob jene Individuen wirklich als originaltürkische Pferde bezeichnet werden konnten
oder ob dieselben — was nicht unwahrscheinlich ist — arabischer Abkunft, vielleicht sogar
Original-Araber waren, die nur vorübergehend in der europäischen Türkei gestanden hatten.
— In späterer Zeit, am Ende des vorigen Jahrhunderts scheint dort. wenig mehr für die
Veredlung der türkischen Pferde-Race geschehen zu sein, und so können wir uns jetzt nicht
wundern, dass dieselbe mehr und mehr in Körperform und Leistung zurückgegangen ist und
wir heute kaum noch im Stande sind, bei den Pferden Rumeliens und Macedoniens, ja selbst
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DIE PFERDE DER EUROPAISCHEN TÜRKEI.
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nicht einmal bei den, im Alterthume so berühmten Rossen Thessaliens Spuren der früheren
edlen Zucht zu entdecken.
Von einzelnen Autoren wird zwar behauptet, dass in Thessalien immer noch viele gute
Pferde vorkämen, allein nach den von uns selbst dort eingezogenen Erkundigungen gehören
alle besseren Pferde jener Landschaft fremden, orientalischen Racen an. Die Paschen und
Sandschaken halten in den fruchtbarsten Gegenden Gestüte von edlem Ursprünge; sie pflegen
zur Beschälzeit jede Woche abwechseld einen andern Hengst aus ihren Ställen zu den Stuten
frei zu lassen; auf diese Weise werden die Hengste aber stark angegriffen und frühzeitig
unbrauchbar und der Zucht wird im Ganzen hierdurch wenig genützt.
Das hier abgebildete Pferd gehört dem rumelischen Schlage an und kann als ein gut
gebauter, recht leistungsfähiger Repräsentant der südtürkischen Race bezeichnet werden; das-
selbe ist 1,45 Meter hoch (im Allgemeinen sind die Pferde dort kleiner, durchschnittlich nur
1,40 Meter gross) besitzt einen etwas kurzen, starken Kopf mit breiten Kinnbacken und
gerader Nasenrückenlinie und hat, wie die Mehrzahl der türkischen Pferde, grosse, feurige
Augen und kleine, feine Ohren. Gewöhnlich ist der Kopf der rumelischen Pferde gut angesetzt
und der etwas kurze, starke mit langen, feinen Mähnen bewachsene Hals hübsch aufgesetzt.
Der Leib ist kurz, gedrungen, die Rückenlinie gerade und die Kruppe oval und häufig
melonenartig geformt. Der starke Schweif ist hoch angesetzt und wird stets hübsch getragen.
Die Gliedmassen sind im Verhältniss zu der geringen Grösse dieser Pferde „stämmig" zu
nennen; an den Köthen finden wir in der Regel eine starke Behaarung. Sehr häufig sind
diese Thiere lang gefesselt und fast immer mit zierlichen, aber festen Hufen versehen, welche
jedoch leider schon im Fohlen-Alter mit blechartigen Eisen beschlagen werden. — Dieser im
ganzen osmanischen Reiche, auch in Griechenland beliebte Hufbeschlag erscheint uns unzweck-
mässig, da die Hufbleche durchaus nicht zu richten sind und sich in den meisten Fällen der
Huf nach dem Eisen richten muss, wodurch Uebelstände der verschiedensten Art hervorgerufen
werden. Gemeiniglich bleiben die Hufe sehr lang; man nimmt beim Beschlagen nur wenig von
der alten Hornsubstanz fort und dieserhalb haben die Beschläger auch keine Sorge, dass die
Füsse durch die dort gebräuchlichen starken Nägel irgendwie beschädigt werden.
Die Türken lieben Grauschimmel ausserordentlich, indem sie behaupten, dass Pferde von
dieser Farbenmischung am dauerhaftesten wären und die besten und gesundesten Fohlen
erzeugten. — Alle türkischen Pferde haben eine feine, weiche, sehr empfindliche Haut und ein
sehr kurzes, feines Deckhaar, welches die Reinigung derselben sehr erleichtert; aber dessen-
ungeachtet wird von den Türken das Putzen mit geringer Sorgfalt ausgeführt; man beschränkt
sich in der Regel auf ein Abfegen der Thiere mit einem sonderbar construirten, dünnen Reis-
besen, oder auch man wischt dieselben einfach mit einem aus Rosshaaren gefertigten Lappen
oberflächlich ab. Ein Verziehen der Mähnen und Beschneiden der Fesselhaare wird für über-
flüssig erachtet. Die Haltung und Pflege der Thiere ist durchweg sehr mangelhaft und harmo-
nirt wenig mit der, den Mohamedanern gewöhnlich nachgesagten grossen Liebe zu all ihren
Hausthieren; nur gegen deren Tödtung zeigen sie überall eine eigenthümliche Abneigung. —
Der Brigade-Arzt Godelewsky, welcher Jahre lang in der Türkei gelebt hat, sagt in Bezug
hierauf Folgendes: „Getödtet wird kein Pferd, indem dies bei den Türken zur grössten Sünde
gerechnet wird; kann ein Pferd wegen Alters oder Krankheit durchaus zu nichts mehr benutzt
werden, so wird ihm die Freiheit gegeben und es seinem Schicksale überlassen, und Niemand
bekümmert sich um sein ferneres Verbleiben. Desshalb sieht man nicht selten auf häuserfreien
Plätzen oder entlegenen, freien Orten innerhalb der Städte ein Pferd in den letzten Zügen
liegen, oder sich mit der grössten Mühe, schon einem Skelett ähnlich, fortschleppen und sein
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Uas turMsche Pferd aus Rume-lien.
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DIE PFERDE DER EUROPÄISCHEN TÜRKEI.                                                       45
Bischen Futter auf Misthaufen oder dergleichen suchen." — Da nun in der Türkei Abdeckereien
nur selten vorkommen, vielmehr für überflüssig erachtet werden, so verbleiben die sterbenden
Pferde auf der Strasse und werden dann sehr bald von den, dort bekanntlich in grosser Zahl
vorkommenden, herrenlosen Hunden zerrissen und ihre Kadaver verzehrt.
Schon oben wurde angeführt, dass die Pferde im Orient vorzugsweise mit Gerste und
Gerstenstroh ernährt werden, nur ausnahmsweise kommen andere Futtermittel zur Verwendung.
Die Krippen werden, nachdem die Pferde ihre kleinen Gersten-Rationen verzehrt haben, bis
zum Rande mit Gerstenstroh gefüllt — Raufen findet man in den Ställen nur höchst selten —•
und so fressen sie gewöhnlich grosse Portionen, sehr häufig 8-—10 Kilo Stroh im Tage. Man
tränkt die Thiere im Winter nur ein Mal und im Sommer 2 Male täglich; in der trockenen
Jahreszeit sollen sie oft grossen Durst leiden, woraus der indolente Türke sich aber nicht viel
zu machen scheint.
Vielfach herrscht dort die Sitte, alle Pferde — auch die des Militairs — im Monat Mai
auf die Weide zu schicken, wo sie etwa 4 Wochen verbleiben und sich meistens recht gut
erholen. Die Türken betrachten diesen Aufenthalt ihrer Pferde auf der Weide für eine noth-
wendige Reinigungkur und glauben, dass dieselben ohne solche nicht gedeihen könnten. —
Der Aberglaube spielt bei der Behandlung kranker Pferde eine sehr grosse Rolle und es
unterbleiben dieserhalb auch manche nothwendige Kuren gänzlich; die Sterblichkeit soll in
einzelnen Jahrgängen bei den Pferden, überhaupt bei allen Hausthieren sehr gross sein.
Dagegen wird von Anderen behauptet, dass die türkischen Pferde in verschiedenen
Distrikten ein sehr hohes Alter erreichten, wohl 35 bis 4° Jahr alt würden; an solchen Orten
werden wahrscheinlich die klimatischen Verhältnisse für die Pferdehaltung ganz besonders
günstig sein.
Die Einrichtung der Pferdeställe ist sowohl in den Städten, wie auf dem Lande eine
äusserst mangelhafte; meistens sind dieselben niedrig und in Folge dessen auch dumpfig; so
genannte Dunstfänge haben wir nirgends gefunden. Die Thiere werden in den Ställen oder
Schuppen auf eigenthümliche Art befestigt; es befinden sich dicht hinter den Pferden eichene
Bohlen und auf diesen für jedes Pferd zwei starke Ringe in einer Entfernung von ungefähr
0,9 Meter. Es werden nun mittelst eines Strickes, an welchem in der natürlichen Entfernung
der Füsse zwei s. g. Fesselriemen vorhanden sind, der Vorder- und Hinterfuss einer jeden Seite
gefesselt und das fortlaufende Ende des Strickes hinten an dem in der Bohle befindlichen
Ringe befestigt, doch so, dass es sich mit dem der anderen Seite kreuzt. — Es begegnen
uns in der Türkei viele, selbst junge Pferde, welche in den Knieen hängen, ohne eigentlich
stark struppirt zu sein, und wir glauben, dass die Ursache des Uebels jene eigenthümliche
Fesselung ist; die armen Thiere müssen nämlich Nacht und Tag so gefesselt stehen oder liegen,
und das Aufstehen ist ihnen dadurch sehr erschwert. Wir selbst haben mehrfach beobachtet,
dass älteren, schon etwas steifen Pferden, welche in jener eigenthümlichen Weise gefesselt
waren, das Aufstehen grosse Schwierigkeiten machte. Doch für dergleichen Quälereien hat
der Türke kein Auge oder kein Gefühl. — Diese Art des Anfesselns haben wir sogar im
Marstalle des Sultans wieder gefunden, wenigstens bei den dort aufgestellten Pferden des
Orients; die grossen englischen und normannischen Kutschpferde waren daselbst mittelst
Halfter und Stricken an der Krippe befestigt.
Die türkischen Pferde sind ausserordentlich lebhaft, sehr beweglich und ihrer grossen
Gewandtheit wegen zum Reitdienste besonders tauglich. Sie zeigen selbst unter grossen
Gewichten eine wunderbare Ausdauer; wir haben solche Pferde vom frühen Morgen bis zum
späten Abend geritten, ohne dass sie zur Mittagszeit gefüttert wurden, und fanden dieselben
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am Abend noch sehr mobil und muthig. — Der Türke hat wahrscheinlich von dem Beduinen
einen wohl zu beachtenden diätetischen Lehrsatz gelernt, welcher lautet: „Die Gerste, welche
Du des Morgens giebst, wirst Du im Miste, die des Abends in der Kruppe wieder finden;"
er füttert in der Regel nach dieser Vorschrift seine Pferde und giebt ihnen am Abend die
meisten Körner, dagegen am Morgen vor dem Ausritte nur eine kleine Portion Gerste. Zu
tadeln ist dagegen der dort allgemein übliche Gebrauch, die Krippe für die Nacht mit Rauh-
futter (Gerstenstroh oder Häcksel) vollzustopfen; ein gieriges Pferd frisst dann die ganze Nacht
hindurch, statt sich hinzulegen und auszuruhen. —
Die Leistungen der türkischen Pferde im Zuge konnten uns nicht befriedigen, dahingegen
möchten wir behaupten, dass aus dieser Race ein ganz vortrefflicher Reitschlag ausgebildet
werden könnte, welcher alle Ansprüche der leichten Reiterei erfüllen würde, wenn in jenem
Lande die Züchtungen mit mehr Sorgfalt betrieben und vor Allem etwas grössere, stärkere
Hengste als Landbeschäler benutzt würden. Die klimatischen Verhältnisse sind in den meisten
Vilayets der Türkei derartig, dass sie die Aufzucht und Haltung der leichteren Pferde sehr
begünstigen; für die Züchtung schwerer Arbeits- oder Zug-Pferde (für den Artillerie- und
Train-Dienst) sind jene Landschaften aber nach unserer Ansicht nicht geeignet.
DIE PFERDE IN BULGARIEN.
Von allen türkischen Provinzen ist die ppr. 1840 □Meilen grosse Landschaft zwischen
dem Balkan und der Donau — das alte Mösien — jetzt Bulgarien genannt, die reichste und
daher für die Pforte auch die wichtigste und werthvollste. — So viel auch in diesem Gebiete
der Ackerbau, die Viehzucht und Industrie sich noch heben können, so hat dennoch jenes
fruchtbare Land mit seinen arbeitsamen und geschickten Bewohnern heute schon ein grosses,
volkswirthschaftliches Interesse für die türkische Regierung. Bulgarien gilt als die eigentliche
Kornkammer des osmanischen Reiches; zahlreiche Küstenpunkte sind für dessen Getreide-
Handel von grosser Bedeutung; sie erleichtern die Kornausfuhr sehr und so erklärt es sich,
dass Constantinopel mit seiner Million Einwohner den Bedarf an Getreide fast zur Hälfte aus
der Bulgarei entnimmt und dass, wenn Krieg oder sonstige Unruhen einen Stillstand des
Ackerbaues in dieser Provinz herbeiführen, sehr leicht in dem grossen Istambul Theuerung und
Mangel ausbricht. — Es werden allein in dieser Provinz alljährlich 24 Millionen Francs
Steuern ohne grosse Schwierigkeiten erhoben, und es bilden diese etwa den zehnten Theil
der gesammten Staats-Einkünfte der europäischen Türkei.
Zu dem Reichthum an Getreide kommen in jener Landschaft noch die herrlichsten
Waldungen, üppige Weiden mit den schönsten Viehheerden aller Gattungen und endlich noch
ein sehr einträglicher Weinbau an den Ufern der Donau. Dieser, wie ein sehr ausgedehnt und
sorgfältig betriebener Garten- und Gemüsebau liefert dem Lande alljährlich grosse Einnahmen.
— Nicht allein die Türken, sondern auch die christlichen Nachbarstämme — Griechen, Serben
und Rumänen — geben den Bulgaren einmüthig das Zeugniss, dass sie hinsichtlich der Boden-
kultur und der Viehzucht, namentlich aber in der Gärtnerei und im Weinbau am höchsten
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DIE PFERDE IN BULGARIEN.                                                               47
unter ihnen stehen. Wir trafen bei unserer vorjährigen Reise durch das Fürstenthum Rumänien
schon im Norden der grossen Wallachei bulgarische Gärtner, welche für die grösseren, oft
auch kleinen Ortschaften den Gemüsebau besorgten; diese Leute ziehen zeitig im Frühjahr
heran, bestellen ihre erpachteten Gärten und Felder auf das Sorgfältigste und gehen im Herbst,
nach dem Verkauf der Ernte wieder in ihre Heimath zurück. Ein vortreffliches Bewässerungs-
System zeichnet die bulgarische Ackerbestellung aus; die Bewohner des Landes konnten es
ursprünglich nur bei den Griechen kennen gelernt haben, die es ihrerseits wahrscheinlich von
den Chaldäern empfingen. —
Von allen Hausthier-Gattungen werden die Rinder und Büffel in Bulgarien am meisten
gezogen; ihre Zucht wird nicht nur am ausgedehntesten, sondern auch am sorgfältigsten
betrieben; wir werden später in dem 2. Bande unserer „Hausthier-Racen" Gelegenheit
nehmen, auf die Rinderzüchtung Bulgariens zurückzukommen und gehen jetzt zur Betrachtung
der dortigen Pferdezucht über. — Schon in ältester Zeit — seit der Einwanderung der
Bolgaren oder Wolgaren ums Jahr 500 n. Chr. aus den Ländern der Wolga und des Kuban —
sollen im Lande Bulgarien vorzüglich schöne und brauchbare Pferde gezogen worden sein, die
in ihrem Leibesbau grosse Aehnlichkeit mit den wallachischen und moldauischen Schlägen
gehabt hätten. Wahrscheinlich sind sie mit diesen stammverwandt gewesen, haben zusammen
einer grösseren Race angehört; doch es wird von den älteren Historikern besonders darauf
hingewiesen, das's der altbulgarische Pferdeschlag der grösste und kräftigste im Donau-Tief-
lande gewesen wäre und die vortrefflichsten Kriegsrosse geliefert hätte, welche bei den Türken
ihrer grossen Leistungen wegen immer hoch geschätzt worden wären. — Leider ist in neuerer
Zeit die Race durch unzweckmässige Kreuzungen mit eingeführten Fremdlingen, vielleicht
auch durch schlechtere Haltung, in der Körperstärke und Grösse ein wenig zurückgegangen,
aber immerhin übertrifft dieselbe in ihren verschiedenen Eigenschaften und Formen manche
der anderen Schläge des südöstlichen Europa. Die vielen Kriegszüge, welche durch das
Land gingen, schadeten der dortigen Pferdezucht ebenfalls nicht unerheblich, und manches
gute, brauchbare Zuchtthier mag von den barbarischen Horden, welche räuberisch über den
Balkan in das Land einfielen, entführt und der heimischen Zucht verloren gegangen sein. —
Doch trotz aller dieser Calamitäten ist in Bulgarien in Folge der günstigen Belegenheit, des
reichen Bodens mit üppigen Wiesen und Weiden die Pferdezucht gegenwärtig wieder ziemlich
bedeutend und jedenfalls mit die beste im ganzen osmanischen Reiche. Nicht ohne Einfluss
auf die Verbesserung jener Land-Race ist die Einwanderung der Tartaren und Tscherkessen
ums Jahr 1856 gewesen; beide Völkerstämme kamen mit ihren Pferden (vielleicht auch sonstigen
Hausthieren) aus der Krimm und den Kaukasus-Ländern nach den letzten Kriegen herbei-
gezogen, um sich in Bulgarien, hauptsächlich in der Donau-Tiefebene niederzulassen, und
hier ihre, in der Heimath erlernten Gewerbe etc. wieder aufzunehmen. — Die Tartaren, wie
die Tscherkessen sind bekanntlich grosse Verehrer der Pferdezucht; sie haben Geschick zu
dieser Züchtung und betreiben dieselbe mit besonderer Vorliebe. Dazu kommt noch, dass sie
als tüchtige Reiter ihre Pferde gut einzureiten verstehen und ihnen der Verkauf der gezüch-
teten Pferde sehr leicht wird. — Die schlauen, lernbegierigen Bulgaren haben jenen Völker-
stämmen ihre Fertigkeiten in der Pferdezucht abgelauscht, und übertreffen jetzt ihre Lehr-
meister bei weitem. In denjenigen Districten, wo es uns vergönnt war, die besseren Pferde
der Landes-Race zu sehen, fanden wir auch häufig grosse Aehnlichkeit dieser mit dem
tscherkessischen Schlage; es waren leichte, gewandte Thierchen mit Hirschhalsung, etwas
stierer Kopfstellung, hatten meistens einen geraden, starken Rücken, wohlgebaute Schultern,
feine Glieder mit guten Sehnen und sehr dauerhaften Hufen.
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Ffeytag, Hausthier-Racen. II.                                                                                                                                     g
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Das hier abgebildete Pferd möchten wir jedoch nicht als einen Abkömmling oder Bastard
der tscherkessischen Race bezeichnen; es besitzt fast gar keine Aehnlichkeit mit den Thieren
jener Race und kann als ein echtes altbulgarisches Landpferd hingestellt werden. Wir sahen
dieses Thier auf .einer so genannten Musterwirthschaft in der Nähe von Rustschuk, woselbst
das Pferd zum Reitdienste der Beamten benutzt wurde. Es ist ein mittelgrosses, untersetztes,
sehr kräftig gebautes Individuum mit gefälligen Formen. Dasselbe hat eine hübsche Halsung
und einen mittelgrossen Kopf mit feurigen Augen. Wie hier bei diesem Pferde, so findet man
dort häufig Thiere mit einem so genannten halben Ramskopfe; die Nase ist etwas vorgew-ölbt,
während die Stirn gerade bleibt. Da die Stirn dieser Pferde meistens breit ist und die
Ganaschen weit sind, auch der Kopf im Ganzen fein und trocken genannt werden kann, so
dürfte die Kopfform dieses Schlages im Ganzen als eine „gute" und „gefällige" bezeichnet
werden. Die Führung solcher Pferde ist leicht und kann ohne grosse Schwierigkeiten selbst
von den weniger geschickten Reitern in kurzer Zeit erlernt werden. Leider findet man bei
den Thieren dieses Schlages sehr häufig ein zwar hohes, aber etwas kurzes Widerrüst,
wodurch sicherlich viele Druckschäden entstehen würden, wenn man dieselben mit englischen
Sätteln belegen und reiten wollte. Da nun aber dort zu Lande eigentlich nur hohe Bocksättel
— ähnlich wie die ungarischen Husaren-Sättel gebaut — im Gebrauch sind, so hat man auch
den Satteldruck weniger leicht zu fürchten, und kommt dieser fast niemals vor. — Der Rücken
aller gut genährten Individuen erscheint rund; es entsteht diese Form wohl dadurch, dass die
Rückenmuskeln bei denselben eine bedeutende Stärke erlangen, so dass selbst die massig
langen Dornfortsätze sie nicht überragen können. Bei weniger gut genährten Pferden erscheint
selbstverständlich der Rücken nicht mehr so hübsch abgerundet, er wird im Gegentheil dann
leicht scharf und unansehnlich. Die Lenden- oder Nieren-Partie dieser Pferde ist im
Allg'emeinen von grosser Festigkeit, und wir dürfen wohl mit Recht annehmen, dass die
Lendenwirbelsäule derselben sehr derb und fest ist, andernfalls könnten ihre Leistungen
unter den schweren Gewichten, welche man ihnen häufig auflegt, nicht so gross sein, wie
solche in Wirklichkeit sind. Die Thiere sind im Stande grosse, starke Reiter mit ihrem
schweren Gepäck vom frühen Morgen bis zum späten Abend auf oft sehr schlechten Wegen
ohne Beschwerde und Nachtheil fortzutragen; wir waren im hohen Grade erstaunt ob dieser
tüchtigen Leistungen der doch immerhin nur mittelgrossen, vielfach auch kleinen Thiere dieser
Race.' Selten erreichen dieselben eine Höhe von 1,50 Meter; das hier abgebildete Pferd war
nur 1,40 Meter hoch. Die Kruppe der meisten Pferde des bulgarischen Schlages kann man
als „gerade" bezeichnen, doch kommen auch häufig s. g. ovale Kruppen bei ihnen vor; die
Hüften sind dann ein wenig nach vorn und unten geneigt, so dass die Kruppe vorn schmaler
erscheint, als in der Mitte; bei vielen ist die Kruppe in der Hüftegeg-end ziemlich breit,
wodurch die Leistungsfähigkeit der Individuen noch um ein Bedeutendes gesteigert wird. Der
meist starke Schweif ist ziemlich hoch angesetzt und reicht nicht selten bis auf die Fessel-
gelenke hinab. Die unteren Gliedmassen sind von mittlerer Stärke; sie erscheinen uns zwar
häufig-, bei allen gutgenährten, rundrückigen Thieren, etwas fein und zierlich, doch es sind
dieselben von guter, fester Knochen-Subsanz mit starken Sehnen ausgestattet. Knochenfehler
und Sehnenklapp kommen bei diesen Pferden nur höchst selten vor. Sie sind in der
Regel ziemlich kurz gefesselt und haben einen kleinen Huf von guter, derber Hornmasse,
welcher den Beschlag desselben fast unnöthig macht. Man kann die Vortreffiichkeit dieser
Hufe sogleich aus dem Klange auf hartem Boden erkennen. Ueber die Haarfärbung der
bulgarischen Pferde vermögen wir keine bestimmten Angaben zu machen; wir haben dort alle
bekannten Farben-Nuancen gesehen, und glauben nicht, dass eine bestimmte Färbung des
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DIE PFERDE IN BULGARIEN.
49
Deckhaares den Thieren dieses Schlages eigen ist. Schimmel und Isabellen kommen ziemlich
oft vor und scheinen bei den Bulgaren sehr beliebt zu sein. Man rühmt wohl mit vollem
Rechte diesen Thieren — wie vielen anderen orientalischen Pferden — nach, dass sie gut-
müthig, gelehrig und bei Strapazen in hohem Grade ausdauernd wären; diese Eigenschaften
machen sie auch zum Reitdienste in ihrem, zum Theil gebirgigen Heimathslande recht tauglich.
Wir selbst haben mehrfach Thiere dieses Schlages in Bulgarien geritten und waren stets mit
deren Leistungen und ihren geschickten, bequemen Gangarten sehr zufrieden. — Zum
schweren Zugdienste sind sie aber nicht geeignet, und es ist uns daher auch erklärlich, dass
die türkische Militair-Verwaltung sich veranlasst sieht, alle Artillerie- und Train-Pferde aus
der Fremde zu beziehen. Nach den Mittheilungen des türkischen Artillerie-Obersten Assiz-Bei,
welchen wir als tüchtigen Sachverständigen bei den vorjährigen Herbst-Manövern in Rumänien
kennen lernten (derselbe ist auf der Artillerie-Schule in Berlin ausgebildet worden), beziehen
die Artillerie- und Train-Abtheilungen zu Schumla und an anderen Orten Bulgariens ihre
Remonten vorwiegend aus Ungarn und Siebenbürgen; nur die leichten Reitpferde für die
Officiere und Unterofnciere werden im eigenen Lande den heimischen Schlägen entnommen.
Der türkische Officier liebt nun einmal die bequeme Gangart des türkischen oder orientalischen
Pferdes über Alles; die Bewegungen der englischen Vollblut- oder Halbblut-Pferde sind ihm
unangenehm, und wir haben mehrfach bei den rumänischen Manövern wahrgenommen, dass die
türkischen Officiere sich auf den, ihnen gestellten englischen Pferden weder behaglich, noch
sicher fühlten und eine gewisse Abneigung gegen dieselben an den Tag legten. —
Die osmanische Regierung kümmert sich um die Pferde-Züchtung der Provinz Bulgarien
so gut wie nicht; man überlässt es dort ganz allein den Privat-Personen, Beschäler zu
beschaffen und zu halten; von einer sorg-fältigen Köhrung derselben weiss man nichts. — Da
das Verschneiden oder Castriren der Hengste so wenig in Bulgarien, wie in den anderen
Provinzen der Türkei beliebt ist, so erklärt es sich, dass mancher unbedeutende, vielleicht
sogar schlecht gewachsene Hengst als Beschäler zugelassen und benutzt wird, und wir können
uns daher nicht wundern, dass in dem Lande neben manchem hübsch gewachsenen, brauch-
baren Pferde, viele mittelmässige und schlechte Individuen sich finden. — Würde man in
Bulgarien auf die Auswahl der Zuchtthiere etwas mehr Sorgfalt verwenden, so könnte dort —
bei der für Pferdezucht günstigen Lage und Beschaffenheit des Landes — sicherlich ein ganz
vorzüglicher Pferdeschlag ausgebildet werden, der sowohl für den Militärdienst wie für die
Bedürfnisse der Landbewohner in jeder Beziehung tauglich wäre.
DIE PFERDE GRIECHENLANDS.
Die Pferde, welche wir auf der griechischen Halbinsel, in Rumelien und auf Morea
finden, unterscheiden sich von denjenigen, welche wir in den südlichen Provinzen der euro-
päischen Türkei kennen gelernt haben, nur wenig und gehören nach unserer Ansicht wahr-
scheinlich alle zu einer Race, welche in älterer Zeit aus der Kreuzung von turkomanischen
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DIE PFERDE GRIECHENLANDS.
5o
mit moldauischen Pferden hervorgegangen ist. Sie sind in der Regel von kleiner Statur mit
zierlichen Gliedern, werden durchschnittlich 1,45 Meter hoch und erreichen nur selten die
Höhe von 1,57 Meter (5 Fuss). Ihr Leibesbau ist hin und wieder „gefällig" zu nennen, doch
kommen auch recht viele unansehnliche, schlecht gebaute Geschöpfe dort vor, welche weder
zum Ackerbau, noch zum Kutsch- oder Reitdienste besonders tauglich sind. Man sieht daher
überall in Griechenland viele fremdländische Pferde im Gebrauche, und so gering auch der
Bedarf der griechischen Armee an Pferden ist, so sind dennoch die Remonte-Commissionen
angewiesen, ihre Pferde-Ankäufe im Auslande machen zu lassen. — Die Cavallerie formirt im
Frieden 5 selbstständige Escadronen, welche gemeinschaftlich dem Reiter-Commando unter-
stehen; diese 5 Escadronen haben im Ganzen nur 434 Pferde. Die gesammten 7 Artillerie-
Compagnien haben einen Friedensstand von 126 Pferden und 48 Maulthieren, letztere dienen
zur Bespannung der vierpfündigen Gebirgs-Geschütze. — Die Pferde für die Cavallerie werden
gewöhnlich in den benachbarten Provinzen der Türkei, diejenigen für die Artillerie in Ungarn
und Siebenbürgen angekauft. — Im königlichen Marstalle fanden wir einige sehr hübsch
gebaute türkische Pferde aufgestellt, welche vorwiegend zum Reitdienste benutzt werden. Wir
verweisen auf die beigelegte Abbildung des türkischen Hengstes „Talma", welcher seiner vor-
züglichen Leistungen wegen vom König Georg I. besonders gern geritten wird. Die dortigen
Kutsch- und Wagen-Pferde sind meistens englischer Abkunft und gut gewählte Individuen. —
Wenn irgend eine griechische Pferde-Race hier unsere Erwähnung und Beachtung
verdient, so sind es die kleinen Zwerg-Pferde, welche auf mehreren Inseln der Kykladen-
und Sporaden-Gruppe vorkommen, daselbst als wichtige Hausthiere gelten und desshalb auch
in verhältnissmässig grosser Zahl gehalten werden. — Verschiedene Reisende — unter diesen
auch der Dr. Erhard — welche die Fauna der Kykladen beschrieben haben, geben an, dass
auf Naxos eine kleine Pferde-Race vorkäme, welche dem Shetlands-Pony an Höhe weit nach-
stände und auch minder stark behaart als dieser wäre. Wir selbst haben diese kleinen Pferde
zuerst auf, der Insel Syra zu sehen bekommen, und erkannten sofort, dass wir hier einen
ganz besonderen Pferdeschlag vor uns hatten, welcher sich von dem nordeuropäischen Zwerg-
pferde wesentlich unterscheidet und jedenfalls zu der Gruppe der orientalischen Pferde gestellt
werden muss. —
Obgleich diese Thiere jetzt in grösserer Zahl auf Naxos und den übrigen Inseln der
Kykladen-Gruppe vorkommen, so ist es doch nach unseren Ermittelungen wahrscheinlich,
dass die kleine Insel Skyros als das Heimathsland jener Zwerg-Pferde zu bezeichnen ist. Auf
Skyros wird deren Zucht am ausgedehntesten betrieben, wobei keine Kreuzungen mit anderen
Pferden stattfinden, sondern stets auf strenge Reinzucht gehalten wird. In Folge dieser sorg-
fältigeren Züchtungsweise haben die Skyros-Pferde ihre eigenthümlichen, typischen Formen
am besten bewahrt, wohingegen die Stuten auf Naxos sehr häufig von anderen orientalischen
Hengsten belegt wurden, wodurch die Nachzucht zwar etwas grösser geworden ist, aber auch
viel von ihrer Eigenthümlichkeit verloren hat. —
Die kleine, nur 3 □ Meilen grosse Insel Skyros liegt abseits der nördlichen Sporaden,
westlich von Euböa, ist durchaus gebirgig, klippig und reich an einem schönfarbigen Marmor,
welcher in grosser Menge ausgeführt wird und eine nicht gering zu schätzende Einnahmequelle
für die sonst armen Inselbewohner bildet. Die kleinen Pferde werden vielfach in den Marmor-
brüchen als Last- und Zug-Thiere verwendet und sind daher für den dortigen Handel wichtige
Geschöpfe. — Von allen Inseln der nördlichen Sporaden ist Skyros noch am besten bewaldet,
hat auch an einigen Stellen einen fruchtbaren Boden, welcher zur Weizen- und Gerste-Kultur,
sowie zum Weinbau mit Vortheil benutzt wird, und die Oelbäume der Insel liefern alljährlich
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jSkjros-Pferd
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DIE PFERDE GRIECHENLANDS.                                                                     51
reiche Erndten einer beliebten Oelsorte. — Wie überall in Griechenland, so finden wir auch
auf jener Insel die Zucht der Ziegen umfangreich und wirklich zweckmässig betrieben; der
Werth dieser Hausthiere ist für die Bewohner von Hellas zu gross, als dass man ihrer Zucht
nicht jede Sorgfalt zu Theil werden lassen sollte. — Die Ziegenmilch und die aus derselben
dargestellten Producte — Butter und verschiedene Käsesorten — bilden dort sehr wichtige
Nährmittel und fehlen bei keiner Mahlzeit auf dem Tische des Griechen. —
Auch möchten wir hier noch der Bienenzucht von Skyros gedenken; dieselbe wird
ebenfalls sehr ausgedehnt betrieben und liefert eine ganz vorzügliche Sorte Honig, welche
ihres feinen, aromatischen Geschmackes wegen im ganzen Orient bekannt und beliebt ist; man
sagte uns, dass der Honig von Skyros und Mykonos vornehmlich für das Serail der hohen
Pforte gesammelt und alljährlich dorthin verkauft würde. —
Die Skyros-Pferde haben einen zierlichen, trockenen Kopf mit gerader Nasenrückenlinie;
an dem Kopfe zeigen sich die einzelnen Partieen deutlich markirt und schon hierdurch unter-
scheiden sich diese Pferde wesentlich von den schottischen und Shetlands-Ponies, bei welchen
wir in der Regel breite, etwas schwere und plumpe Köpfe mit stark entwickelten Ganaschen
wahrnehmen. Die Ohren der Skyros-Pferde sind mittellang; ihre Augen sind gross, blicken
meistens scheu und bös um sich und sind zum Theil von einem langen, feinen Haarschopfe
bedeckt. Der Kopf ist immer fein angesetzt; der mittelstarke Hals ist hübsch aufgesetzt und
geht in eine schräg gestellte Schulter gut über. Die Mähnen sind lang, werden aber von
einem feinen, weichen Haar gebildet. Die Brust und der Rumpf sind gut gebaut, weit und
geräumig. Die Leibeslänge steht zu der Höhe der Thiere (1,18—1,20 Meter) im besten Ver-
hältnisse. Die Lenden-Partie erscheint meistens sehr kräftig und entspricht der grossen
Leistung dieser Pferde als Lastthiere; wir haben uns mehrfach selbst überzeugt, dass die kleinen
Geschöpfe auf den Gebirgspfaden ihres Heimathslandes unverhältnissmässig schwere Lasten
fort zu tragen vermögen. Die Kruppe ist häufig etwas abschüssig, aber doch oval zu nennen;
sie zeigt einige Aehnlichkeit mit der der Berber-Pferde. Der Schwanzansatz ist nicht so hoch,
wie bei den meisten anderen orientalischen Racen; der Schweif besteht aus sehr feinem Haar
und erreicht gewöhnlich eine grosse Länge. Die Behaarung dieser Pferde ist äusserst fein
und weich, steht aber auf der dünnen Haut sehr dicht. Bei den Thieren, welche beständig
im Freien gehalten werden, ist selbstverständlich das Winterhaar etwas stärker und länger als
das Sommerhaar; jenes kräuselt sich dann auch wohl ein wenig. Die Farbe des Deckhaares
ist in der Regel dunkelbraun und nur selten kommen dort anders gefärbte Pferde vor. Die
Gliedmassen der Skyros-Pferde sind gut gestellt, zwar etwas fein von Knochen, aber
dennoch kräftig und mit starken Sehnen ausgestattet. Ihre kleinen Hufe sind von fester Horn-
masse, so dass man einen Beschlag derselben für überflüssig erachtet und dieser daher auch
auf jenen Inseln nur ausnahmsweise in Anwendung kommt.
Besonders rühmenswerth ist die grosse Geschicklichkeit dieser Pferde bei dem Besteigen
der Berge; sie suchen sich selbst die besten Pfade aus, und wandern hier ruhig mit ihren oft
sehr grossen Lasten — man packt ihnen nicht selten 150—200 Kilo auf—vom frühen Morgen
bis zum späten Abend Tag für Tag in derselben Weise, und es zeigen dabei die Pferdchen eine
Ausdauer und Zähigkeit, wie sie die Maulthiere jener Gegenden nicht besser besitzen. Bei
diesem mühsamen Leben erreichen sie dennoch ein. Alter von 30 Jahren und darüber. —
Die Skyros-Pferde sind in hohem Grade genügsam; ihre Ernährung ist fast immer eine karge;
Morgens und Abends bekommen sie kleine Portionen Gerste und Gerstenstroh und selten
einmal Heu; die Thiere, welche nicht arbeiten, lässt man unbekümmert auf den Gebirgsweiden
gehen; dort mögen sie sich wie die Ziegen ihr Futter nach Belieben selbst suchen. In
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trockenen Jahrgängen wird solches oft sehr knapp; auch das Wasser der Gebirgsbäche verläuft
sich dann rasch und die armen Thierchen haben häufig grossen Durst zu leiden. —
Von dem regen Seelenleben dieser Pferde wurden uns verschiedene hübsche Stückchen
erzählt, die wir jedoch hier nicht wieder zu geben wagen, weil uns dieselben etwas fabelhaft
erschienen; immerhin mögen die Thiere recht klug und geschickt sein. Leider zeigen sehr viele
Individuen dieser Race einen bösartigen Charakter; fremde Personen, welche in ihre Nähe kommen,
müssen sich wohl hüten, dass sie nicht von ihnen gebissen und geschlagen werden; sie stellen
sich g-ar nicht selten auf die Hinterbeine und schlagen derb mit den Vorderfüssen um sich.
Diese Bösartigkeit und ein eigenthümlich scheues Wesen behalten selbst diejenigen Exemplare
bei, welche Jahre lang in der Gefangenschaft, im Stalle gehalten werden. Die sechs Skyros-
Pferde, welche im Königlichen Marstalle zu Athen aufgestellt sind und die wir öfter zu sehen
Gelegenheit hatten, waren alle gleich scheu und unartig, so dass man nicht wagen durfte,
dieselben als Reitthiere für den Königlichen Prinzen zu benutzen. Bei den Grössenmessungen
dieser Thiere mussten wir sehr vorsichtig zu Werke gehen; an jeder Seite derselben standen
Reitknechte, welche sie fest im Zaume hielten, um Beissen und Schlagen möglichst zu ver-
hüten. -— Die Bauern auf den Inseln scheinen durch strenge Behandlung etc. leidlich gut mit
ihnen fertig zu werden;, dieselben benutzen sie vorzugsweise als Last- und Reitthiere; auch
verwendet man sie wohl zum Ausdreschen des Getreides. Zu diesem Zwecke werden drei und
vier Thiere neben einander vor den Dreschschlitten oder das Dreschbrett gespannt, und man
treibt dann dieselben in wildem Lauf über das im Felde kreisförmig ausgebreitete Getreide,
wobei die Trennung der Körner vom Strohe stets eine sehr unvollkommene ist. — Wir können
nicht unterlassen hier anzuführen, dass wir bei den Griechen im Allgemeinen — auch bei den
griechischen Landwirthen in Anatolien —■ sehr wenig Zuneigung oder Liebe für ihre Hausthiere
gefunden haben; sie behandeln ihre Pferde meistens sehr schlecht, fordern von ihnen die
grössten Leistungen bei wirklich sehr mangelhafter Ernährung und schlechter Pflege. Der
griechische Fuhrmann oder Vieh-Treiber schlägt fort und fort auf die unglücklichen Geschöpfe,
welche oft unter ihren allzugrossen Lasten zusammenzubrechen drohen, in rohester Weise ein,
und Niemand denkt an die Verhinderung solchen Unfugs. — Bei den Türken dagegen haben
wir im Grossen und Ganzen eine bessere, sanftere Behandlung der Pferde gefunden, obgleich
auch diese von denselben viel und oft mehr, als sie zu leisten im Stande sind, verlangen. —
Man sieht in Griechenland die kleinen Landpferde vielfach in plump gebaute Kippkarren
gespannt, welche meistens sehr stark — mit 15 bis 18 Cntr. schweren Lasten — beladen
werden; diese ziehen die Thiere auf schlechten Wegen muthig bergauf; sie gehen dabei in
raschem Schritte und zeigten Leistungen, über welche wir in hohem Grade erstaunt waren.
Wir haben dort wiederholt gegen Landwirthe und Thierzüchter unser Bedauern darüber
ausgesprochen, dass man so geringe Sorgfalt auf die Pflege und Züchtung der Pferde
verwendet, und sind der Meinung, dass mit geringem Kostenaufwande ein weit besserer
Pferdeschlag in Griechenland ausgebildet werden könnte, wenn man nur für die Aufstellung guter
Beschäler, welche aus Kleinasien und Arabien ziemlich leicht und preiswürdig zu beschaffen
sind, sorgen wollte. Auch in Griechenland ist — wie in der Türkei — das Castriren der
Hengste nur ausnahmsweise im Gebrauch; gut wie schlecht gebaute Individuen werden als
Beschäler zur Zucht benutzt. Die Ernährung der Fohlen scheint sehr unzweckmässig zu sein;
die jungen Thiere sahen in der Regel vollständig vernachlässigt aus; nur in den grösseren,
besser organisirten Wirthschaften reicht man den Fohlen im ersten Lebensjahre etwas Hafer;
dieser ist aber gewöhnlich dickhülsig und leicht im Gewicht; für Arbeitspferde hält man daher
das Haferfüttern für unzweckmässig und giebt ihnen lieber Gerste, welche meistens ein
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DIE PFERDE GRIECHENLANDS.                                                                     53
schönes, volles Korn und dort wahrscheinlich einen ungleich höheren Nährwerth als unser
heimisches (westeuropäisches) Product besitzt. — Fast in allen Ländern des südöstlichen Europa
liefert der Hafer ein kleines, leichtes Korn, wesshalb auch die dortigen Landwirthe dessen
Anbau immer mehr und mehr auf solche Aecker beschränken, welche sich zur Kultur anderer
Früchte nicht gut eignen. —
In der Nomarchie Phthiotis, im westlichen Theile von Rumelien finden sich grosse
Weideflächen mit einem reichen, üppigen Graswuchse; man sieht hier einen etwas grös-
seren und stärkeren Pferdeschlag, als an den meisten anderen Orten des Königreichs; der-
selbe hat einige Aehnlichkeit mit den Thieren des südöstlichen Italien und soll von dem alten
tarentinischen oder apulischen Pferde abstammen. In jener Landschaft wird die Pferdezucht
auch etwas ausgedehnter und besser betrieben, als in den anderen Nomarchien Griechenlands.
Einzelne Grossgrundbesitzer, welche im westlichen Europa die rationelle Züchtung und
Haltung unserer Hausthiere kennen gelernt haben, bemühen sich in der neueren Zeit für die
Verbesserung ihrer heimischen Landes-Racen etwas mehr zu thun; sie zeigen sich geschickt
und opferwillig, und wollen wir ihnen wünschen, dass ihre Bestrebungen nicht erfolglos
bleiben mögen. Als einen der strebsamsten, höchst intelligenten Landwirth lernten wir dort
den Dr. A. Tombasis kennen; derselbe hat Jahre lang auf deutschen Llochschulen studirt
und den praktischen Wirthschaftsbetrieb bei verschiedenen unserer renommirtesten Landwirthe
kennen gelernt; dessen Wirthschafts-Organisation auf seinen ausgedehnten Besitzungen auf
Euböa können wir als eine „mustergültige" bezeichnen. —
Die Mittel der Staats-Regierung sind in Griechenland leider sehr gering, und man darf
daher von derselben vor der Hand nicht viel für die Hebung der Thierzucht erwarten. —■
Wenn der Reisende aus dem westlichen Europa in Piräus den griechischen Boden betritt, sein
Blick auf die herrlichen Kunstwerke des Alterthums fällt und er dann diese mit dem vergleicht,
was ihm jetzt dort vorkommt und fast überall begegnet, so fragt er sich wohl: „Wie ganz
anders muss es damals, zur Zeit der alten Hellenen hier ausgesehen haben!" Die attischen
Pferde mit ihren edlen Köpfen — wie sie die Bildwerke des Frieses vom Parthenon, von der
Meisterhand eines Phidias gefertigt, uns vorführen — müssen ganz andere Geschöpfe gewesen
sein, als die griechischen Rosse der Gegenwart. Die Historiker erzählen uns Mancherlei über
die Schönheit und die grossen Leistungen der thessalischen Pferde; der alten Hellenen
Verfahren in der Abrichtung und Reinigung ihrer Pferde war sehr genau, auch waren sie
sicherlich im Besitze einer, zu jenen Zeiten ganz ausgezeichneten Race. — Die Neugriechen,
welche sich gern „Hellenen" nennen lassen, müssen die grössten Anstrengungen machen,
wenn sie auf diesem Gebiete der Kultur noch etwas leisten und ihren grossen Vorfahren als
Pferdezüchter nachkommen wollen. —
Das hier abgebildete Skyros-Pferd, — einen kräftigen aber leider etwas bösartigen
Hengst, — fanden wir im Marstalle des Königs Georg I. zu Athen aufgestellt; wir verdanken
die wohlgelungene Abbildung dem Königlichen Ober-Stallmeister Baron von Chernowitz,
welcher sachkundige Herr uns auch in zuvorkommendster Weise manche interessante Mittheilung
über Griechenlands Pferdezüchtung im Allgemeinen, wie speciell über die der kleinen Zwerg-
Pferde der Kykladen und Sporaden geliefert hat. —
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DIE PFERDE IN ITALIEN.
DIE PFERDE IN ITALIEN.
Die Hausthierzucht steht in Italien auf keiner hohen Stufe der Entwickelung, am aus-
gedehntesten — wenn auch nicht am besten — wird die Schafzucht betrieben; auf den Gebirgs-
weiden der nördlichen Provinzen, auf den toscanischen und römischen Apenninen, sowie auf
den Abruzzen und den calabrischen Apenninen ist das Schaf das wichtigste und das geschätz-
teste Hausthier. Auf der Insel Sardinien übersteigt sogar die Zahl der Schafe die der Menschen
fast um 57 Prozent; im ganzen Königreiche Italien zählte man im Jahre 1868 über n Millionen
vSchafe, 3,700,000 Rinder und 1,391,600 Pferde. — Italien ist jetzt arm an Pferden, soll aber
in früheren Zeiten die Züchtung dieser Hausthier-Gattung ziemlich umfangreich und an manchen
Orten auch sehr sorgfältig betrieben haben. Es gab eine Zeit, in welcher die neapolitanischen
Rosse als wahre Musterthiere galten und zur Veredlung und Verbesserung anderer Racen
verwendet wurden. Noch zu Anfang dieses Jahrhunderts lieferte das Königreich beider Sicilien
an verschiedene ausländische Regierungen für ihre Gestüte Hengste als Beschäler, die sich
überall gut bewährt und eine vorzügliche Nachkommenschaft producirt haben sollen. Auch das
berühmte preussische Gestüt zu Trakehnen bezog früher mehrfach neapolitanische Hengste,
welche mit litthauischen Stuten gepaart, eine in jeder Beziehung befriedigende Nachzucht
geliefert haben. — Wie ganz anders sieht es heute um die sicilianische oder neapolitanische
Pferdezüchtung aus; wir finden dort unter den Thieren der Landes-Race kaum irgend beach-
tenswerthe Pferde. — Da der Bedarf für die Armee weder im Süden, noch im Norden des
Königreichs Italien hinreichend gedeckt werden kann, so sieht sich die Militair-Verwaltung
genöthigt, einen grossen Theil ihrer Remonten in fremden Ländern, vorwiegend in Oesterreich-
Ungarn, in Deutschland, Frankreich und Belgien anzukaufen. Vor den eleganten Equipagen in
Rom und anderen grossen Städten sehen wir fast ausschliesslich ausländische, vielfach englische
und normannische Pferde, und nur die bescheidenen Gefahre der Kleinbürger und Land-
bewohner sind mit Thieren der heimischen Racen, sehr häufig auch mit Maulthieren und Eseln
bespannt. Die meisten besseren Reitpferde für die Herren vom Civil und Militair gehören
ebenfalls den ausländischen Racen an und nur selten begegnen uns dort gute Reitpferde,
welche als echte italienische bezeichnet werden können. Bei den wahrhaft trostlosen Zuständen
der italienischen Pferdezucht verdient das energische Vorgehen der jetzigen Regierung und
einzelner Grossgrundbesitzer behuf Hebung der Landes-Pferde-Zucht alle Anerkennung, und
wir glauben nicht zu irren, wenn wir die Wahl der in der neuesten Zeit zur Aufstellung
gebrachten Land-Beschäler als eine richtige und glückliche bezeichnen. —
Wir haben in verschiedenen Stationen (Depositi cavalli stalloni) von Nord-, Mittel- und
Süd-Italien überall brauchbare, hübsch gewachsene Hengste fremder Racen aus England,
Frankreich, Belgien, Holland, Dänemark, Preussen, auch einige Orientalen angetroffen, welche
uns zur Veredlung der italienischen Land-Racen recht tauglich erschienen, und wir sind der
Meinung, dass wenn diesen Beschälern nur leidlich gute, für sie passende Stuten zugeführt
werden, daraus eine Nachkommenschaft hervorgehen wird, welche den Bedürfnissen des Landes
nach den verschiedenen Seiten hin entsprechen dürfte. —
Bei näherer Betrachtung der in Italien befindlichen Racen und Schläge erscheint es
zweckmässig, dieselben in nord-, süd- und mittelitalienische zu unterscheiden. Die klimatischen,
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DIE PFERDE IN ITALIEN.
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wie die Bodenverhältnisse jenes Landes sind zu sehr von einander abweichend, als dass nicht
durch dieselben eine wesentliche Verschiedenheit der heimischen Hausthier-Racen hervor-
gerufen und bedingt werden sollte. Das Pferd der südlichen Provinzen unterscheidet sich
beispielsweise von dem Schlage, welchen wir im Norden, in der Umgegend von Cremona
finden, durch einen leichten, zierlichen Knochenbau, während die Thiere der Razza cremonese
ähnlich wie die Ardenner-Pferde etwas plump und schwer sind und sich besonders zum Ziehen
grosser Lasten auf den Heerstrassen oder auch zur schweren Arbeit im Felde sehr gut eignen,
wozu die ersteren fast untauglich sind. Zu den Racen des Südens können wir füglich auch
die Pferde auf den italienischen Inseln des tyrrhenischen Meeres stellen, denn sie haben mit
diesen die grösste Aehnlichkeit und scheinen mit einander nahe verwandt zu sein. —
Wir beginnen mit der Beschreibung der
RACEN IN SÜD-ITALIEN.
I. DAS S1CILIANISCHE PFERD.
Wie in Neapel, so gab es in ältester Zeit auf der Insel Sicilien vorzüglich schöne Pferde,
welche sich durch elegante Formen, gewandte Bewegungen und hübsche Gangarten vor den
meisten anderen italienischen Schlägen rühmlichst auszeichneten. Die alten Könige von Syracus
bestiegen nur solche Pferde, welche in ihrem eigenen Lande gezüchtet waren; ihre Karossen
wurden ausschliesslich von Pferden gezogen, die auf jener Insel geboren und als echte syraku-
sische Rosse bezeichnet werden konnten. — Unter der Herrschaft des Dionysius I. (406
v. Chr.) sollen in Syracus die vorzüglichsten Pferde des Alterthums gezüchtet worden sein;
in dessen blutigen Kriegen gegen Carthago hätten sich die kühnen Reiter auf ihren muthigen,
kräftigen Rossen ganz besonders ausgezeichnet und in den Reihen der Feinde grossen Schaden
angerichtet. — Auch später noch während der zweijährigen Regierungs-Periode des Hippa-
rinos (335 v. Chr.) hat die Pferdezucht jenes Königreiches für ganz Süd-Italien eine grosse
Bedeutung gehabt und überall Anerkennung gefunden; die Pferde von Syracus wurden zu
Zuchtzwecken nach dem Auslande geführt. — Der Feldherr Hieron, welcher 268 v. Chr. als
Hieron IL mit der Königswürde bekleidet wurde und Jahre lang im ruhigen Besitze der
Regierung verblieben ist, unterstützte in kräftigster Weise den Ackerbau und die Viehzucht,
vor Allem die Pferdezucht seines Landes. Es wird von den alten Historikern erzählt, dass
Hieron II. aus dem Norden Afrikas mehrfach schön gebaute Zuchtpferde beschafft und diese
zur Veredlung seiner heimischen Land-Race benutzt hätte. Mit dem Untergange des syraku-
sischen Reiches mögen auch die altrenommirten Pferde jenes Landes an Werth und Bedeutung
verloren haben; sie fanden später keine Erwähnung mehr. —
Im Mittel-Alter gelangte von Spanien, welches zu Anfang des 16. Jahrhunderts zu
Italien in nahen und innigen Beziehungen stand, ein damals sehr berühmter Pferdeschlag, die
Gineten oder Ginetten nach dem südlichen Italien; es sollen besonders nach dem sarazenischen
Sicilien viele schöne Thiere dieses Schlages gekommen sein und wesentlich zur Verbesserung
der heimischen Race beigetragen haben. — Nach Max Jahns Angaben hat sich die Zucht der
Ginetten mit grosser Schnelligkeit über die ganze Halbinsel des Apennin verbreitet und es
Frey tag, Hausthier-Racen. II.                                                                                        .                                                                9
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wurde dieselbe später besonders in der Lombardei mit grossem Eifer und bedeutendem Erfolge
betrieben. — Ob die Ginetten am Ende des 16. Jahrhunderts zuerst von Italien oder direkt
von Spanien aus zu uns nach Deutschland gekommen sind, konnte von uns leider nicht mit
Bestimmtheit ermittelt werden; gewiss ist aber, dass jener Pferdeschlag in damaliger Zeit auch
in unserem Vaterlande in hohem Ansehen stand und wesentlich mit zur Verbesserung des
altdeutschen Pferdes beigetragen hat. —
Zu Anfang dieses Jahrhunderts sollen in Sicilien hin und wieder Pferde vorgekommen
sein, die sich durch hübsche Gestalt etc. auszeichneten, und welche ähnlich wie die alten
neapolitanischen Pferde in ihren Gangarten grosse Eleganz, Elasticität und Schnelligkeit
entwickelten; doch auch diese Thiere suchen wir jetzt daselbst vergeblich. In Folge fehler-
hafter Haltung der Zuchtstuten ist in der neueren Zeit die sicilianische Landes-Race so sehr
zurückgegangen, dass dieselbe kaum noch zu den leichtesten Diensten mit Vortheil verwendet
werden kann. — Die dortigen Pferde sind klein, unansehnlich und wenig robust; sie haben
den Charakter der primitiven Race von Syracus vollständig eingebüsst, und Nichts an ihnen
erinnert uns an die Schilderungen der altberühmten Pferde jenes Königreiches. — Man sieht
auf Sicilien viele recht schlechte, sehr geringwerthige Pferde, und der Baron von Turrisi
sagte daher mit vollem Rechte von ihnen: „Man findet dort kaum Pferde, welche kräftig
genug sind, um, mit Sattel, Rüstung und Reiter beladen, die gebirgigen Wege der Insel auf-
und abzusteigen." („A stento si rinvengono cavalli capaci di resistere a salire e scendere con
sella, barda*) e cavaliero per le montuose vie dell' isola.")
Die italienische Regierung ist bestrebt, auch auf Sicilien einen bessern Pferdeschlag zu
schaffen, und hat zu diesem Zwecke eine grössere Anzahl vorzüglicher Hengste aus dem
Oriente kommen lassen, welche in den Frühjahrs-Monaten an verschiedenen Orten der Insel
zur Aufstellung kommen, um als Beschäler zu dienen; es wird durch diese Vorsorge den
Pferdezüchtern Siciliens die Möglichkeit geboten, ihre Stuten von wirklich guten Hengsten
bedecken zu lassen, und eine brauchbare Nachkommenschaft heranzuzüchten. — Wenn die
Sprungzeit im Monat Juni vorüber ist, werden die Hengste im Haupt-Depot zu Catania
zusammengezogen und hier — wie auf den Beschälstationen — ordnungsmässig verpflegt und
gut abgewartet. Vielleicht gelingt es der Regierung und den Bestrebungen einzelner eifriger
Züchter auf jener schönen Insel den guten Namen, welchen der dortige Pferdeschlag zur Zeit
der syrakusischen Herrscher oder auch der Sarazenen gehabt hat, wieder herzustellen und der
Pferdezucht Siciliens grössere Beachtung zu verschaffen.
II. DAS PFERD DER INSEL SARDINIEN.
Noch gegenwärtig kann man von dem inneren Theile der Insel Sardinien mit vollem
Rechte sagen, „dass sie von ihrer naturwüchsigen Ursprünglichkeit durch die europäische
Kultur am Wenigsten eingebüsst hat;" die eigentlichen Sarden, welche das Innere fast allein
bewohnen, sind ein Mischvolk, in welchem iberisches und arabisches Element reichlich ver-
treten ist, und das bis jetzt in Tracht, Sitte, Dialect etc. sehr Vieles bewahrt hat, was an das
Alterthum erinnert. So z. B. findet man in einzelnen Theilen der Insel Landbewohner, welche
ihre Kleider heute noch aus Ziegenfellen fertigen und in ihren Gebräuchen manche Aehnlich-
keit mit den Arabern älterer Zeit an den Tag legen. Ihre Liebhaberei für Pferdezucht ist
ganz besonders gross und wird in solchem Masse bei keinem andern Volksstamme Italiens
*) barda, Pferdeharnisch oder Armatur.
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Druck v.Eschehach X Schaef er,X.eipzi
Sardinische Race
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DIE PFERDE IN ITALIEN.                                                                  57
oder Spaniens wiedergefunden. Es wird uns von glaubwürdigen Reisenden berichtet, dass
selbst der ärmste Bauer auf der Insel wenigstens ein Pferd besässe und dieses in hohem
Grade liebte und schätzte. — Fast zwei Fünftel der Insel — hauptsächlich der Norden —■
sind mit Wald bedeckt und wenig cultivirt; im Süden finden sich hingegen weite steppenartige
Angerflächen, auf welchen Jahr ein, Jahr aus grosse, halbwilde oder verwilderte Viehheerden
weiden, unter welchen wir namentlich viele Pferde einer besonders kleinen Race bemerken.
— In den bewaldeten Gebirgen kommt noch jetzt das wilde Muflon-Schaf (Ovis musimon)
in kleinen Rudeln hin und wieder vor, welches aber hier, wie auf Corsika seinem Unter-
gange, der völligen Ausrottung unterworfen zu sein scheint.
Die sardinischen Pferde werden uns seit ältester Zeit als sehr robuste, ausdauernde
Thierchen geschildert, die sowohl in Spanien, als auch in Italien ihrer grossen Leistungen
wegen sehr beliebt gewesen wären. — Man hat dieselben als Reit- und Lastthiere im gebir-
gigen Terrain gern benutzt; ihr Gang ist auf den schlechtesten Gebirgspfaden so sicher, wie
der des Esels oder Maulthieres; hierzu kommt noch, dass sie gleich diesen in hohem Grade
genügsam und geduldig sind; sie leben im Winter auf den steppenartigen Weiden gewöhnlich
sehr karg und nur in den Frühjahrs- und Sommer-Monaten kommen sie in Folge besserer
Ernährung in einen leidlich guten Zustand. Selbst dann, wenn sie von ihren Besitzern einge-
fangen und zur Arbeit benutzt werden, giebt man ihnen nur wenig Körnerfutter, vorwiegend
Heu oder Baumlaub, ferner Stroh und die verschiedenartigsten Abfälle des Haushalts. Aber
trotz dieser bescheidenen, ja schlechten Ernährung sind ihre Leistungen doch befriedigend. Sie
werden in Italien vielfach in kleine Gigs oder Dog-Carts gespannt, und erfreuen dann Jeder-
mann durch ihren schnellen Trablauf; wir selbst haben an verschiedenen Orten Unter-Italiens
Gelegenheit gehabt, den Rennlauf der kleinen sardinischen Zwerg-Pferde oder Ponies zu
beobachten, und waren stets sehr erstaunt über die grossen Leistungen dieser Geschöpfe.
Wenn sie nach harter Arbeit am Ziele anlangten, schienen sie weder sehr erhitzt, noch
abgespannt zu sein; sie gaben im Gegentheil durch lautes Wiehern und durch Stampfen mit
den Füssen zu erkennen, dass sie zu neuen Kraftproben gern geneigt waren. —
Ueber die Abstammung dieser Pferde hat man sich in Italien bislang noch nicht einigen
können; einzelne Autoren des Landes geben an, dass sie seit unvordenklichen Zeiten auf jener
Insel und auf Corsika heimisch gewesen wären, andere hingegen berichten, dass sie afrika-
nischen Ursprungs seien, und noch andere Forscher erzählen uns, — so auch der Dr. Lodovico
Loi, Veterinär auf Sardinien — dass dieses Pferd als ein Product von Kreuzungen der
arabischen Pferde mit den andalusischen bezeichnet werden müsste, und zu Anfang des vorigen
Jahrhunderts von den spanischen Herrschern nach Sardinien eingeführt worden wäre. — Robert
Froriep sagt in seiner Zusammenstellung der Pferde-Racen bei der Beschreibung des Koomrah
(Equus hippagrus) Folgendes: „Es fragt sich, ob das noch in Sardinien und Corsica sich
findende wilde Pferd nicht auch hierher gehört." — Wir können uns dieser Ansicht nicht
anschliessen; die Beschreibung, welche uns dieser Gelehrte und Andere vom Koomrah liefern,
stimmt wenig mit der Gestalt des sardinischen Zwerg-Pferdes überein, auch haben wir nicht
bemerkt — wie es vom Koomrah gesagt wird — dass die Stimme dieses Pferdes zwischen der
des Esels und des Pferdes in der Mitte stände; ferner ist beim sardinischen Pferde der Schweif
bis an die Wurzel mit langem, starken Haar bewachsen, bei dem Koomrah hingegen ist der
Schwanz erst mehrere Zolle mit kurzem, braunen Haar bedeckt, bevor die langen, schwarzen
Haare beginnen. —
Die sardinischen Pferde, welche wir beobachtet haben, zeigten in ihrem Leibesbau einige
Aehnlichkeit mit den Thieren der Berber-Race, nur waren sie alle ungleich gedrungener
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DIE PFERDE IN ITALIEN.
und kräftiger gebaut; besonders waren ihre Hufe viel grösser und breiter als die der Pferde
aus der Berberei. — Wir lassen hier die nähere Beschreibung eines sardinischen Pferdes
folgen, welches wir in Bologna öfter gesehen und dessen grosse Leistungen wir kennen
gelernt haben. — Der Kopf dieses Thieres ist wie der der meisten anderen Pferde dieser Race
nahezu viereckig, das heisst, „scharf markirt in allen Linien"; die Nasenlöcher sind gross und
meistens weit geöffnet; die Ganaschen sind stark entwickelt, die Stirn breit und flach. Die
Augen sind klein zu nennen, die Ohren dagegen gross und weit. Der kurze, dicke und starke
Hals giebt dem Thiere ein etwas plumpes Aussehen. Die Mähne ist hier, wie gewöhnlich,
sehr stark, und zwischen den Ohren, über die Stirn fort, fällt ein langer, dichter Schopf von
struppigen Haaren. Das Widerrüst ist kurz und hoch und fällt nach dem etwas eingesenkten
Rücken zu steil ab; die Kruppe ist ziemlich breit und hübsch gerundet. Bei dem hier
abgebildeten Pferde fanden wir zwar eine schöne, breite Brust, doch es sollen auf Sardinien
viele Pferde mit etwas zu schmaler Brust vorkommen, die sich dann auch nicht mehr so
leistungsfähig zeigen, wie andere Thiere, welche einen geräumigen Brustkasten besitzen. Die
Gliedmassen der meisten Pferde sind untadelhaft, stark, trocken, mit guten, kräftigen Sehnen
und soliden, etwas grossen Hufen ausgestattet. An den Köthen findet man gewöhnlich eine
starke Behaarung, welche die Thiere auf schlechten, unebenen Wegen vor Verletzungen
schützt. Der meistens starke Schweif ist in der Regel ziemlich hoch angesetzt, wird gut
getragen und ist — wie schon oben gesagt — bis an die Wurzel mit langem Haar bewachsen.
Nach dieser Beschreibung dürfte man an dem Pferde Sardiniens kaum irgend welchen
Fehler entdecken, und doch giebt der Professor Dr. Papa in Mailand an, dass sie beachtens-
werthe Fehler besässen; ihre Schultern wären häufig stark beladen, auch ihr Hals gewöhnlich
zu dick und der Kopf zu plump und schwer. Bei dem hier abgebildeten Individuum sind die
Schultern gut gestellt, dasselbe besitzt, wie man zu sagen pflegt, viel Schulterfreiheit. Doch
es mögen innerhalb dieser Race manche Thiere mit etwas kurzer, steiler Schulter vorkommen,
auf welcher die Muskeln zu stark entwickelt sind. — Wenngleich dieser Znstand nicht unter
allen Umständen als ungünstig bezeichnet werden kann, so ist er jedenfalls dann fehlerhaft,
wenn zwischen den Muskeln, namentlich unter der Schulter, grosse Massen von straffem Binde-
gewebe vorhanden sind. — Die gewöhnliche Färbung des Deckhaares ist bei den sardinischen
Ponies dunkel- oder hellbraun; selten kommen andere Haarfärbungen vor. Ihre Grösse ist ver-
schieden; es giebt auf der Insel sehr kleine Pferdchen, welche bis zum Widerrüste nur i Meter
hoch sind; andere werden 1,20 und die grössten wohl 1,35 bis 1,40 Meter hoch. Die kleinsten
Zwergpferde werden in Italien „Acchettas" zum Unterschiede von dem grösseren Schlage
genannt; dieser letztere ist unter der Benennung „Acchettone" oder „Quartaglio" wohlbekannt
und soll ganz vorzügliche Reitpferde für die leichte Cavallerie liefern. Diese Acchettones sind
in ihren Bewegungen ungleich behender, gewandter und auch schneller, als jene kleinen
Thiere, welche meistens auf der Insel verbleiben, und dort zum Lasttragen, Ziehen leichter
Karren und hin und wieder auch zum Mahlen der Oliven benutzt werden. — Dieser kleine
Pferdeschlag ist auch auf der Insel Corsica heimisch, und soll noch im vorigen Jahrhundert
daselbst in den Gebirgswaldungen wild vorgekommen sein. — Die Pferde beider Schläge
erreichen ein hohes Alter, nicht selten 30 bis 35 Jahre, und sind bis an ihr Lebensende dienst-
tauglich. — Auf Sardinien endigen alle Feste — sowohl die nationalen, wie die kirchlichen —
mit einem Pferde-Rennen. Man unterscheidet dort zwei Arten von Rennen; das eine wird
von Fohlen, das andere von ausgewachsenen Pferden ausgeführt; in beiden Fällen werden die
Pferde ungesattelt von jungen Burschen (fantinos) geritten, welche dieselben bergauf, bergab
in Zickzackgängen führen und mit ihnen in einem Course mindestens 6000 Meter durchlaufen
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DIE PFERDE IN CALABRIEN UND APULIEN.                                                      59
müssen. — Die Sarden benennen diese eigenthümlichen Wettrennen in ihrem sardinischen
Dialecte „Arrengu" und erzählen mit sichtlichem Stolze viel und gern von den grossen
Leistungen ihrer kleinen Pferde auf diesen nationalen Festen, und man kann nach allen,
uns zugegangenen Mittheilungen annehmen, dass die Bewohner Sardiniens an dieser Art von
Sport dieselbe Freude haben, und das nämliche grosse Interesse zeigen, wie die Britten an
ihren grossartigen Wettrennen und Steeple-Chases.
III. DAS NEAPOLITANISCHE PFERD.
Schon oben in der Einleitung wurde angeführt, dass die altneapolitanischen Pferde
berühmt gewesen sind und ihrer schönen Gestalt wegen früher mehrfach als edle Zuchtthiere
Aufnahme in ausländischen Gestüten gefunden haben. — Die heute in den neapolitanischen
Provinzen vorkommenden Pferde des dort heimischen Landschlages verdienen in der That
keine grosse Beachtung mehr; wir konnten den Thieren nicht ansehen, dass sie aus der
Kreuzung von andalusischen Hengsten und schweren französischen Stuten hervorgegangen
seien — wie von einzelnen Autoren fest behauptet wird — und sind der Meinung, dass
die alte Race dort vollkommen zu Grunde gegangen oder ausgestorben ist.
Die Thiere, welche uns in jenen Theilen Italiens begegneten, waren kaum von mittlerer
Grösse, etwa 1,45 bis 1,48 Meter hoch; ihr Kopf ist gross, die Stirn breit und auch das Maul
ziemlich breit, wodurch diejenige Kopf-Gestalt entsteht, welche die Italiener mit „quadrata"
oder „quadra" bezeichnen; ihr Hals ist fleischig und dick, der Rumpf schmal und lang und
die Kruppe abschüssig. Die Gliedmassen sind leidlich solide und meistens gut gestellt. Wenn-
gleich das neapolitanische Pferd nicht schön genannt werden kann, so kommen dagegen
innerhalb dieses Schlages manche noch leidlich brauchbare Pferde vor; solche sind dann lebendig
in ihren Bewegungen und fleissig und ausdauernd in der Arbeit; wir haben dieselben in der
Karre ziehen sehen und wurden durch ihre Leistungen meistens befriedigt. Unter dem
Reiter wollten die Thiere uns nicht recht gefallen; sie haben eine hohe Action, keinen guten
Schritt und sind sehr oft bösartig. Bei den altneapolitanischen Pferden wurde besonders
die hübsche, zierliche Gangart, der grosse Anstand in allen Bewegungen und ihre leichte
Führung sehr gerühmt; von allen diesen Eigenschaften finden wir bei dem jetzigen Schlage
nichts mehr, und es ist derselbe daher auch im Allgemeinen mehr zum Wagen- als zum Reit-
dienste geeignet. —■
IV. DIE PFERDE IN CALABRIEN UND APULIEN.
Die calabrischen Provinzen und Basilicata, welche das alte Lucanien bildeten, sind bislang
noch sehr wenig bereist und daher leider nicht genügend bekannt; in den wild romantischen,
fast überall bewaldeten Gebirgslandschaften wird der Ackerbau ziemlich vernachlässigt; nur
der Weinbau und an manchen Orten auch die Süssholz-Kultur werden umfangreich und noch
einigermassen sorgfältig betrieben. Von den Hausthieren wTerden hauptsächlich die früher
berühmten Schafe in verhältnissmässig grosser Zahl, doch leider mit sehr geringer Sorgfalt
gezogen; das Wollproduct ist in Folge dessen bedeutend im Werthe zurückgegangen, und die
dortigen Grossgrundbesitzer beabsichtigen jetzt die Schafhaltung mehr und mehr einzuschränken
und statt dessen die Pferdezucht ausgedehnter zu betreiben. —
Die Pferde der altcalabrischen Land-Race sind von mittlerer Grösse, haben eine
besonders breite Stirn mit grossen Augen und einem lebendigen, feurigen Blicke; ihr Hals ist
stark gebogen, schwanenartig und gut angesetzt; auch ihre Schultern sind vortheilhaft gestellt.
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Die Brust dieser Pferde ist breit, der Leib mittellang, die Kruppe in der Regel gerade und
der lange, starke Schweif hoch angesetzt. Die Gliedmassen sind bei den meisten Thieren
kräftig und die Hufe von fester Hornsubstanz. —
Die Züchter dieses Schlages sagen ihm gern nach, dass derselbe von der arabischen
Race abstammte und deshalb vorzügliche Reitpferde lieferte, welche von jeher als solche
besser gewesen wären, als die neapolitanischen Rosse. Ihre Leistungen im Zuge sind
dagegen weniger befriedigend, auch werden sie nur selten dazu benutzt; man sieht in den
calabrischen Provinzen häufiger Esel und Maulthiere in die Karren, und vor den Pflug
gespannt; die Zucht der Esel und Bastarde wird in diesen Landschaften Süd-Italiens sehr aus-
gedehnt und nicht gerade schlecht betrieben; man verwendet darauf anscheinend grössere Sorg-
falt, als auf die der Pferde. —
Die Pferde Apuliens sind in ihren Formen weniger schön, als die von Calabrien und
Campamen, doch lobt man mehr ihre Kraft und Ausdauer im Zuge; sie werden oft zum
Ackerbau benutzt und leisten hier meistens Befriedigendes. In der neueren Zeit bemüht man
sich an verschiedenen Orten der Provinz, den Landschlag zu verbessern und stärkere, noch
kräftigere Thiere heranzuzüchten. In der Umgegend von Foggia werden die besten Pferde
Apuliens gezogen, und wir haben dort verschiedene Thiere des heimischen Schlages beob-
achtet, welche im leichten Zuge recht Tüchtiges leisteten, von ihren Führern aber dessen
ungeachtet schlecht behandelt wurden. Wir haben in jener Gegend häufig wahrgenommen,
dass die Behandlung der Hausthiere, besonders die der Pferde, Maulthiere und Esel eine
rohe ist, und es soll dieselbe im ganzen, südlichen Italien nicht so gut und sorgfältig sein,
wie in Mittel- und Ober-Italien, wo man jetzt fast überall eine sorgsamere Pflege und zweck-
mässige Ernährung der Thiere findet, während in den Provinzen des Südens — ähnlich wie
im Orient — gewöhnlich nur zweimal täglich gefüttert und getränkt wird, und von einer
ordnungsmässigen Hautpflege kaum die Rede sein kann; man überlässt solche in der Regel
den Thieren selbst. Da nun bei der Milde des südlichen Klimas das Haar immer sehr kurz
und fein ist, so erscheint zwar ein gründliches und sorgfältiges Putzen der Pferde, welches
wir lieben und stets ordnungsmässig ausführen lassen, nicht so nothwendig, wie bei den
Thieren des Nordens mit ihrem dichten, oft sehr langen Deckhaare; aber immerhin wünschten
wir den Pferden jener südlichen Länder eine etwas bessere Hautpflege und sorgfältigere
Abwartung, als ihnen jetzt in der Regel zu Theil wird. —
Süd-Italiens Pferdezucht steht gegenwärtig im Grossen und Ganzen auf der niedrigsten
Stufe der Entwickelung; es müssen dort umfassende Massregeln zur Besserung getroffen und
grosse Opfer sowohl von Seiten der Regierung, wie der Privaten gebracht werden, wenn in
nicht zu ferner Zeit Pferde producirt werden sollen, welche für die verschiedenen Dienste
tauglich und verwendbar sind. ■—
Als geschickte, strebsame Züchter des Südens verdienen genannt zu werden die Herren
Nannarone, Farina und der Baron Barocca, welche bereits Viel für die Verbesserung der
dortigen Landschläge gethan haben und den ernstlichen Willen besitzen, in den Süd-Provinzen
ihres Vaterlandes den guten Ruf der alten Race wieder herzustellen. —
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Pferd der romischeii Campaqn
a.
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DIE PFERDE CENTRAL-ITALIEN'S.
In Mittel- oder Central - Italien finden wir heute noch drei verschiedene, aber gut typirte
Pferdeschläge, welche unsere vollste Beachtung verdienen, da dieselben ohne Frage zu den
besseren des ganzen Königreiches gehören. —
I. DAS MAREMMEN- ODER MARSCH-PFERD.
Im früheren Grossherzogthum Toscma hat nach den Angaben älterer Geschichts-
schreiber die Pferdezüchtung immer viele Liebhaber gefunden, und es scheint, dass besonders
in den Marschen oder Maremmen an den Ufern des ligurischen Meeres seit ältester Zeit
manches brauchbare Pferd geboren und aufgezogen worden ist. — Jene ausgedehnte Landschaft
ist theils sumpfig und morastig, theils sandig und steppenartig, meistens ohne Anbau, und
wegen ihrer verpesteten Luft und der bösartigen Fieber im Sommer fast menschenleer;
dagegen sehen wir Jahr ein, Jahr aus die grossen Weideplätze und Wälder mit zahlreichen
Heerden von grossem, meist grauhaarigem Rindvieh, auch mit starken Büffeln, grossen
Schweinen und gut gewachsenen Pferden reichlich besetzt. — Bei unserem Dortsein im Jahre
1874 fiel es uns ganz besonders auf, dass alle jene Thiergattungen in friedlichster Gemeinschaft
neben einander weideten und von ihren, in der Regel berittenen, Hirten ziemlich sorglos
gehütet wurden. — In strengen Wintern steigen auch wohl die Schafhirten mit ihren grossen
Heerden starkknochiger und grobwolliger Schafe vom Hoch-Apennin in jene Ebenen herab,
um daselbst mildere Luft und reichlicheres Futter für ihre Thiere zu finden. —
Nach diesen Maremmen wird der dortige Pferdeschlag von den Italienern gewöhnlich
„Razza Maremma o brada" benannt, und als einer der vorzüglichsten von Mittel-Italien
bezeichnet. — Fast alle Thiere dieses Schlages sind von kleinem, leichtem Körperbau, im
Mittel 1,60 Meter hoch; sie haben einen ziemlieh feinen Kopf mit guten Formen, einen langen,
aber doch starken Hals, eine geräumige Brust und einen mittellangen Leib mit abschüssiger
Kruppe, welche häufig an die der Maulthiere ermnert. Die Gliedmassen sind fein, aber in der
Regel von guter, fester Knochensubstanz, mit kräftigen Sehnen und grossen, starken Hufen —
für die dortigen Bodenverhältnisse günstig — ausgestattet. Die Stellung der Gliedmassen
dieser Pferde ist regelmässig, auch ihr Gang ist in Folge dessen befriedigend rasch und sicher.
Die Rosse der Maremmen sind in den italienischen Regimentern der leichten Cavallerie sehr
beliebt, weil sie sich geschickt, gelehrig und im Dienste ausdauernd zeigen. Trotz ihrer
günstigen Eigenschaften scheint es wünschenswerth, dass dieser Race, welche einer wesent-
lichen Verbesserung immer noch bedarf, von Seiten der italienischen Regierung (Abtheilung
für Pferdezucht im landwirthschaftlichen Ministerium) etwas mehr Beachtung geschenkt wird,
um mit der Zeit aus derselben grössere und kräftigere Thiere züchten zu können.
Frey tag, Hausthier-Racen. HL                                                                                                                                                          10
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DIE PFERDE CENTRAL-ITALIEN'S.
Wir sind fest überzeugt, dass in jener Landschaft am ligurischen Meere eine grosse
Anzahl nicht nur mittelmässiger, sondern wirklich guter, recht brauchbarer Pferde gezogen
werden könnte, wenn die Zutheilung der Hengste zu den Stuten mit strengerer Auswahl und
grösserer Sorgfalt ausgeführt würde; es herrscht daselbst nämlich jetzt noch ziemlich allgemein
der Gebrauch, die Hengste — gute und schlechte — frei unter den Stuten umherlaufen zu
lassen, und sich um ihre Begattung nicht weiter zu kümmern. Bei einem solchen irrationellen
Verfahren kann selbstverständlich von einer Besserung des Schlages keine Rede sein, im
Gegentheil steht zu befürchten, dass derselbe mehr und mehr an Werth verlieren wird. Hoffen
wir daher, dass die italienische Regierung sich der Züchtung in den Maremmen bald
ernstlich annehmen und ein rationelleres Züchtungsverfahren dort empfehlen wird; die Auf-
stellung guter, starker Hengste, welche für das vorhandene Stuten-Material passen, dürfte
vor Allem wünschenswerth sein.
IL DIE RACE DER RÖMISCHEN CAMPAGNIA
wird von den Hippologen Italiens als eine der besten und vortrefflichsten bezeichnet, was wir
auf Grund eigener Wahrnehmung bestätigen können, obwohl wir neben wirklich guten
Pferden dieses Schlages auch viele schlechte gefunden, und leider auch dabei erfahren
haben, dass man sehr häufig die fehlerhaft gebauten Thiere zur Zucht benutzt, welche offenbar
nur eine erbärmliche Nachzucht liefern können.
Die besseren Pferde dieses Schlages sind grösser und etwas stärker als die der meisten
übrigen italienischen Racen; sie erreichen eine Höhe von 1,60 bis 1,68 Meter, welche mit der
Länge des Leibes im richtigen Verhältnisse steht. Es giebt indessen manche Pferde darunter,
welche 1,70 bis 1,80 Meter hoch sind und von uns als „zu hochbeinig" oder „spindelbeinig"
bezeichnet werden müssen, indem bei solchen Exemplaren die Stärke der Beine nicht der Länge
derselben entspricht. — Der Kopf der römischen Pferde ist lang und etwas schwer; die Nasen-
linie ist fast immer convex gebogen; der untere Theil derselben, die s. g. harte Nase, biegt
sich nach unten zu stark um und die Nasenlöcher erscheinen etwas klein, haben fast immer
einen feinen und leicht beweglichen Rand. Die Augen dieser Thiere sind klein, können mitunter
als sogenannte Schweinsaugen bezeichnet werden und blicken furchtsam um sich. Ihre Ohren
sind gross, sehr beweglich und deuten auf ein zwar aufmerksames, aber auch scheues Wesen der
Thiere hin. Der Hals ist gerade und gut proportionirt; hin und wieder kommen bei einzelnen
Pferden dieser Race s. g. Hirsch- oder Rehhälse vor, welche zum Theil auch durch schlechte
Zäumung und unzweckmässige Führung der Thiere gewissermassen künstlich ausgebildet werden.
Die Tiefe und Weite der Brust ist allein bei den besseren Pferden dieses Schlages befrie-
digend; bei dem hier abgebildeten Exemplare fanden wir die Brust etwas schmal, enge und
von geringer Tiefe; ebenso Hess auch bei diesem Individuum — wie bei manchem andern
römischen Pferde — die Aufwölbung des Rippenkorbes Einiges zu wünschen übrig. Wir haben
viele Pferde dort bemerkt, welche einen langen, aufgeschürzten Leib besassen, was zum Theil
auch Folge einer, wenn nicht schlechten, so doch unzweckmässigen Ernährung sein mag. — (Die
Heu-Rationen für die Militair-Pferde scheinen an vielen Orten der Campagnia etwas zu knapp
bemessen zu werden; auch wird daselbst sehr häufig Wiesen - Heu von wirklich schlechter Qua-
lität an die Pferde der Armee verfuttert.) Bei den Pferden der Landleute jenes Bezirkes fanden
wir in der Regel bessere Formen des Rumpfes, sowie des ganzen Körpers, als bei den Militair -
Pferden, welche der römischen Race angehörten. Die Schultern aller besseren Individuen
dieses Schlages sind von normaler Länge, gut gestellt und das Beugegelenk ist gut abgerundet;
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der Widerrüst ist von mittlerer Höhe und Breite; der Rücken und die Lenden bilden nahezu
eine gerade Linie und gehen hübsch in die Kruppe über, diese selbst ist aber häufig abschüssig,
und der lange, starke Schweif ist etwas niedrig angesetzt, wodurch das sonst leidlich gute
Ansehen der Thiere wieder beeinträchtigt wird. — Wir sahen im Marstalle des Pabstes Pferde
dieser Race, deren Schweifhaare bis auf das Fesselgelenk herabreichten und — wenn beson-
ders sauber gehalten — den Thieren wohl zur Zierde gereichten. Leider wird der Schweif nicht
immer hübsch getragen, sondern hängt hier, wie bei den meisten Pferden der verwandten
spanischen Racen, schlaff am Hintertheile nieder. — Bei den mittelgrossen, häufig hochbeinigen
Thieren sind die Gliedmassen trocken, stark und mit guten Sehnen, die immer deutlich sicht-
bar sind, versehen; auch die Hufe sind von dauerhafter Hornmasse und mittlerer Grösse. Die
Muskulatur der Oberarme und Hinterschenkel könnte besser sein; auch an den Fesseln haben
wir Einiges auszusetzen, denn die Fesselbeine sind etwas kurz, die Gelenke stehen steil und
das Durchtreten im Fesselgelenke wird in Folge dessen mangelhaft ausgeführt. Sonst aber
möchten wir die Stellung der Gliedmassen bei allen besseren Pferden dieses Schlages als
,,günstig" bezeichnen; wir finden daher auch bei diesen eine recht gute Gangart sowohl im
Schritte, wie im Trabe. Nur ausnahmsweise begegneten uns in der Campagnia Pferde, welche
in Folge etwas zu kurzer Oberarme und zu langer Schienbeine eine hohe Action zeigten
und dann unsern Beifall nicht mehr finden konnten; die Römer hingegen — gerade wie die
Spanier — haben einen andern Geschmack; sie tadeln die hohen Gangarten nicht und finden
solche sogar hübsch und gefällig. —
Von den physiologischen Eigenschaften dieser Race wäre noch anzuführen, dass sie eine
kräftige Constitution besitzt, sich ausdauernd in der Arbeit zeigt und grosse Zähigkeit zu
besitzen scheint; leider finden sich aber innerhalb derselben viele bösartige Thiere, welche
ihren Wärtern und Führern beim Einfahren und Zureiten grosse Schwierigkeiten machen; sie
erfordern daher in der Jugend ebenso tüchtige Reiter, wie gewandte Kutscher; im andern
Falle werden sie leicht für immer verdorben und für jeden Dienst unbrauchbar. Ueberall dort
wo die Verpflegung der Thiere in ihrem Fohlen - Alter eine zweckmässige ist, sollen die Pferde
der heimischen s. g. Land-Race eine gute Natur besitzen und ein hübsches, gefälliges Aussehen
zeigen, so dass sie wirklich als Luxus-Pferde gelten und vor den Equipagen der Grossstädter
als „stolze Carossiers" erscheinen können.
Wir selbst haben auf dem Corso del Pincio in Rom verschiedene Kutschpferde der
römischen Race gesehen und waren erfreut über die eleganten Figuren und kräftigen Bewe-
gungen dieser Rosse; sie erinnerten uns in ihrem Leibesbau mehrfach an die schönen Gestalten,
welche wir auf den Kunstwerken des Alterthums erblicken. Störend war uns hierbei nur der
ziemlich starke Rammskopf, der fast allen Pferden dieses Schlages eigen, für die Römer aber
die beliebteste Kopfbildung ihrer Rosse zu sein scheint. — Die Farbe der römischen Pferde
ist zwar verschieden, doch es kommen in der Campagnia besonders viele dunkelbraune und
schwarze Thiere vor; im Marstalle des Pabstes sahen wir nur schöne Glanz-Rappen, welche
die Italiener „Cervinos" nennen; an anderen Orten des früheren Kirchenstaates, wo eben-
falls diese Race gezogen wird, scheinen die Dunkelschimmel (Gregios) beliebt zu sein, weshalb
so gefärbte Mutterstuten und Hengste gern zur Zucht benutzt und anders gefärbten Thieren
vorgezogen werden.
Das hier abgebildete Pferd gehört dem ersten Cavallerie-Regimente an, welches im
Herbste von 1874 in Parma stand, und, abgesehen von den oben erwähnten Mängeln,
kann dieses Thier als ein richtiger Repräsentant der römischen Race angesehen werden;
es besitzt die typischen Formen der Razza romana gut ausgeprägt und wurde von dem
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DIE PFERDE CENTRAL-ITALIEN'S.
Ober-Veterinär jenes Regiments, Herrn Dr. Moreschi — dem wir nicht blos die Zeichnung
des Pferdes, sondern auch manche interessante Notiz über die römische Pferdezüchtung ver-
danken — wegen seiner guten Eigenschaften und Leistungen sehr gelobt. — Nach dem allge-
meinen Urtheile in Italien über die römische Race hält man diese Pferde für den Dienst der
leichten Cavallerie sehr geeignet; da dieselben jedoch erst seit dem Jahre 1870 in den König-
lichen Regimentern grössere Aufnahme gefunden haben, so lässt sich eigentlich gegenwärtig
noch nicht fest bestimmen, ob sie genügende Ausdauer besitzen und bis in ein höheres
Lebensalter diensttauglich bleiben werden; man wird hierüber erst noch weitere Erfah-
rungen zu sammeln und sorgfältige Beobachtungen und Prüfungen zu machen haben. Wir
bezweifeln nicht, dass es den Landes - Eingesessenen bei ihrer Gewandtheit und bei der für die
Pferdezucht günstigen Lage des Landes gelingen wird, tüchtige und vielseitig brauchbare
Pferde des römischen Schlages zu ziehen, vorausgesetzt, dass sie die Zucht fort und fort
rationell betreiben und im Besondern vermeiden, fehlerhaft gebaute und untaugliche Thiere
zur Zucht zu benutzen, und ferner, dass sie Letztere durch eine zweckmässige Ernährung der
Zuchtthiere und Fohlen gehörig unterstützen. — Schon heute gelten dort allgemein als wirk-
lich tüchtige Züchter dieser Race die Herren Silvestrelli und Tittoni, welche sich beide ange-
legentlichst bemühen, ihre heimische Race durch Zuführung und Benutzung werthvoller und
wirklich guter Hengste, die sich bereits an anderen Orten als Beschäler bewährt haben, in der
Nachzucht zu verbessern. Wir haben uns selbst überzeugt, dass die Producte dieser neueren
Kreuzungen nicht nur als Reitthiere, sondern auch als Kutsch- und Wagen-Pferde sehr
leistungsfähig genannt werden können. Für die schwere Feldarbeit scheinen uns jedoch weder
diese Kreuzungs - Producte, noch die Thiere der alten römischen Race recht geeignet zu sein,
da dieselben zu leicht und zu heftig bei der Arbeit sind. — Die Bewohner der Campagnia
besitzen in den schönen, starken, grauhaarigen Rindern, auch in den kräftigen Büffeln sowohl
ein höchst werthvolles Material für die Feldarbeiten, wie zum Ziehen der schweren Lasten auf
den Heerstrassen, und nur ausnahmsweise werden dort Pferde oder Maulthiere zu diesen
Gebrauchszwecken verwendet. —
III. DIE PFERDE AUF DEM KÖNIGLICHEN GESTÜTE ZU ST. ROSSORE.
Die Lage dieses Gestütes — in dem schönen Thale zwischen dem Arno, Serchio und
dem ligurischen Meere — müssen wir als eine vorzüglich günstige für das Gras- und Futter-
wachsthum bezeichnen; die klimatischen Verhältnisse sind für die Pferde-Züchtung und Haltung
besonders vortheilhaft und wir sehen daher auch bei fast allen Pferden, welche uns dort
begegnen, eine befriedigende körperliche Entwicklung und das beste Gedeihen.
Ein Besuch der üppigen Fohlen-Weiden am Ausfluss des Arno wird uns, wie wohl
jedem andern Pferdeliebhaber, der dort hinkam, ewig unvergesslich bleiben, so Viel des
Schönen giebt es dort zu sehen! — St. Rossore liegt ungefähr eine Wegstunde von Pisa, jener
alten etruskischen Stadt „Pisae Alphea", welche in der Geschichte des alten, wie auch des
neueren Italiens von Zeit zu Zeit eine grosse Rolle gespielt hat und als eine der berühmtesten
von den Zwölfstädten Etrurien's wohl mit vollem Rechte aufgezählt wird. — Die zu dem Gestüte
St. Rossore*) gehörigen Aecker, Wiesen, Wald- und Weide-Flächen haben eine Ausdehnung
von mehreren Stunden und umfassen im Ganzen ein Areal von 5045 Hektaren des besten
Alluvial-Bodens. —
*) Die Direktion des Gestütes befindet sich in Pisa.
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DIE PFERDE CENTRAL-ITALIEN'S.                                                          65
Wahrscheinlich ist die dortige Pferde -Race schon in älterer Zeit berühmt gewesen und
mit einer gewissen Sorgfalt gezüchtet worden, denn die Pferde aus dem Arno-Thale wurden
schon von den alten Hippologen rühmlichst genannt und ihre besonderen Leistungen gewissen-
haft aufgezählt. Man nimmt an, dass diese Race ihre Begründung oder auch Veredlung dem
Grossherzoge Ferdinand I. von Medicis (Regierungszeit 1563 bis 1609) zu verdanken habe; der
Direktor der landwirtschaftlichen Hochschule zu Mailand, Dr. Cantoni sagt in seiner Enciclo-
pedia agraria italiana wörtlich Folgendes: „Para che la razza equina colä allevata sia assai
antica, e che a Ferdinando I. de' Medici se ne debba l'origine." — Es wird uns auch von
anderer Seite berichtet, dass dieser Fürst für die Pferdezüchtung seines Landes grosses
Interesse an den Tag gelegt und viel für die Beschaffung guter Hengste gethan hätte. Auch
später noch, zu Anfang des vorigen Jahrhunderts, sollen in dortiger Gegend viele schöne
Pferde vorgekommen sein, welche selbst von ausländischen Händlern ihrer Vorzüglichkeit
wegen gern gekauft und theuer bezahlt worden wären. —
Man unterscheidet jetzt in [St. Rossore zwei verschiedene Zuchten oder Schläge; der eine,
grössere Schlag ist aus dem alten, heimischen Material hervorgegangen; der andere hingegen
ist arabischen Ursprunges und wurde erst in der neueren Zeit von Piemont aus nach St. Rossore
hinversetzt, und es gilt dieser letztere jetzt wohl mit Recht als der vorzüglichste und edelste
des Königlichen Gestütes. —
Wir beabsichtigen die Leser unseres Buches mit beiden Schlägen durch eine kurze
Beschreibung etwas näher bekannt zu machen, da sowohl der eine, wie der andere Schlag für
Italien's Pferde-Züchtung von grosser Bedeutung ist, und voraussichtlich beide Schläge in nicht
ferner Zeit ein werthvolles Veredlungs-Material für alle leichteren Schläge jenes Königreiches
liefern werden. — Unter der tüchtigen Leitung des jetzigen Direktors ist St. Rossore eine
wichtige Bildungs-Anstalt für angehende Züchter geworden; sie können sich dort jederzeit
Rath holen und werden über die Fundamentalsätze der Thierzucht bestens belehrt; man spricht
sich dort offen und unumwunden über die guten Erfolge, aber auch über die bei der Züchtung
vorgekommenen Fehler in freimüthigster Weise aus; die so lästige und häufig beliebte Geheim-
nisskrämerei bei der Thierzucht haben wir an jenem Orte nicht gefunden. —
a) DAS PFERD DES ALTEN SCHLAGES VON PISA ODER ST. ROSSORE
hat einen etwas starken, ziemlich langen Kopf, dessen Nasenrückenlinie ein wenig gebogen ist,
ohne jedoch einen ausgesprochenen Rammskopf zu bilden. Die Ohren sind verhältnissmässig
lang; die Augen sind gross und feurig und blicken klug um sich. Der Hals ist von mittlerer
Länge, nicht besonders muskulös und leidlich gut gerundet; der Nackenkamm ist bei diesen
Thieren, wie bei manchen andern mittelitalienischen Pferden fein gebogen und ihre Mähnen
sind ziemlich lang und voll. Der Leib ist von mittlerer Länge, etwas gedrungen, meistens gut
gebaut; der Widerrüst ist nicht sehr erhoben und der Rücken nur schwach gesenkt. Die
Kruppe ist hübsch gerundet, könnte aber etwas länger sein. Bei den meisten Pferden dieses
Schlages haben wir eine breite Brust, ziemlich fleischige, gut gestellte Schultern gefunden;
auch die unteren Gliedmassen sind stark und kräftig, jedoch hin und wieder einzelne Pferde
etwas kurz gefesselt. Die Hufe sind ziemlich breit, und leider von weicher Hornsubstanz wie
bei den meisten anderen Marsch- oder Niederungs-Pferden. Der Schwanz ist etwas niedrig
angesetzt und wird nicht hübsch getragen. Die Höhe dieser Thiere stellt sich im Mittel auf
1,66 Meter; nur selten sieht man dort grössere Pferde dieses Schlages. —
Die Stuten, welche der alten Race angehören — circa 200 Stück —, leben fast das ganze
Jahr in voller Freiheit auf den reichen Weiden des Gestütes, und kommen nur während der
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66
DIE PFERDE CENTRAL-ITALIEN'S.
strengsten Winterzeit in halboffene Schuppen, die auf den Weiden zu diesem Zwecke in
grösserer Zahl errichtet sind; hier erhalten sie dann etwas Heu und Hafer als Zugabe, sonst
aber nähren sie sich während der übrigen Zeit des Jahres ausschliesslich vom Weide-Grase,
welches überall ein kräftiges Wachsthum zeigt, und desshalb die Ansaat anderer Futter-
gewächse nicht nothwendig macht. Im Frühjahr werden die Stuten auf die dem Hofe nahe
gelegenen Weideschläge geführt, damit die Zuführung der rossigen Thiere zu den Hengsten
bequem und leicht vor sich gehen kann. Vor der Zulassung der Beschäler findet eine sorg-
tältige Auswahl der für einander passenden Zuchtthiere statt; nur wirklich fehlerfreie, gut
gewachsene Stuten werden zum Hengste geführt, und man erreicht in Folge dessen, dass die
Nachzucht in St. Rossore im Grossen und Ganzen recht befriedigend ausfällt und nur ein geringer
Prozentsatz fehlerhafter Fohlen geboren wird.
Von jenen 200 Stuten werden alljährlich nur 125 bis 130 Stück belegt; das andere Drit-
theil wTird erst im darauffolgenden Jahre zugelassen, mithin kommen die dortigen Stuten immer
nur zwei Male in drei Jahren zur Trächtigkeit. Die Geburt der Fohlen findet im Freien statt
— man kümmert sich wenig darum —; bald nach dem Abfohlen werden die Stuten mit ihren
Jungen auf besondere, bessere, gut geschützte Weiden geführt, und hier verbleiben sie bis
zum Spätsommer oder Herbste. Viele dieser s. g. Mutter-Stuten-Weiden liegen unmittelbar
am Meere, wodurch es den Thieren möglich gemacht ist, sich täglich nach Belieben zu baden
und sich wenigstens für einige Zeit von den lästigen, dort sehr viel vorkommenden Insekten
zu befreien. — Wenn die Fohlen ein Alter von neun Monaten erreicht haben, werden sie
abgesetzt, an den Halfter gewöhnt und Abends in die nächst gelegenen Ställe oder Schuppen
geführt. Hier erhalten sie ein passendes Kraftfutter — meistens Hafer — und gutes Heu.
In den Ställen bemühen sich die Wärter die etwas verwilderten, muthigen Fohlen ein wenig
zu, zähmen, um sie in etwaigen Krankheitsfällen leichter behandeln zu können. — Im Frühjahr,
wenn die Weiden noch nicht genügendes Gras besitzen, um die jährigen Fohlen hinreichend
zu ernähren, auch im Sommer während der grössten Mittags - Hitze treibt man dieselben in die
Schuppen und legt ihnen hier etwas Gerste oder Hafer nebst Wiesenheu vor, damit eine voll-
ständige Sättigung stattfinden kann. Bis an das Ende des zweiten Lebensjahres werden die
Fohlen auf das Sorgfältigste behütet und gepflegt; in ihrem dritten und vierten Jahre dagegen
kümmert man sich weniger um dieselben; sie bleiben alsdann Tag und Nacht im Freien auf
der Weide und im Herbste, nach der Heu-Ernte, auf den Wiesen; nur allein während der
Wintermonate kommen die Fohlen in die Stallungen, wo sie Heu, Scheunenabfälle und son-
stiges leichtes Zufutter erhalten. Nach beendigtem vierten Lebensjahre werden die Pferde
von leichten, aber geschickten Burschen behutsam zugeritten, an den Zügel gewöhnt und hin
und wieder auch in kleine Gefahre gespannt, um sie an die Deichsel und die Stränge zu
gewöhnen. Der Zweck dieser Züchtung und Haltung des s. g. alten Schlages von St. Rossore
ist vorwiegend der, einen leichten, brauchbaren Kutsch- und Wagen-Schlag auszubilden,
welcher den Bedürfnissen des Landes entspricht, und nach dem von uns dort Gesehenen zu
urtheilen, glauben wir, dass diese Aufgabe von der jetzigen Gestüts-Verwaltung in bester
Weise gelöst wird. Die Besitzer dieses Wagen-Schlages sprechen sich allgemein recht befrie-
digend über denselben aus; die Thiere zeigen sich gewandt, rasch und ausdauernd im leichten
Gefähr; für die Fortbewegung grösserer Lasten aber ist dieser Schlag nicht recht tauglich und
würde bei unzweckmässigem Gebrauche sicherlich bald unterliegen. —
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Cloro,
Zugpferd von St-Rofsore,
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67
DIE PFERDE CENTRAL-ITALIEN'S.
Auf der Königlichen Domäne zu Tombolo wird ein Stamm von Pferden gezüchtet,
welcher als eine Unter-Race des alten Schlages von St. Rossore bezeichnet werden kann.
Wenn man die Thiere dieses Tombolo-Stammes auch nicht als Modelle wahrer Schönheit hin-
stellen kann, so haben dieselben doch verschiedene lobenswerthe Eigenschaften, vor Allem
eine sehr kräftige Constitution, gesunde Glieder und sie zeigen sich in der Arbeit stets aus-
dauernd, recht geschickt und willig. —
Auf der genannten Domäne werden die jungen Pferde nicht besonders sorgfältig ver-
pflegt; sie gehen Jahr ein, Jahr aus im Freien, vielfach auf Waldweiden mit mittelmässigem
Graswuchse und kommen erst nach beendigtem dritten Lebensjahre auf den Stall, um dann
von der Hand des Stallmeisters nach und nach an den Zügel gewöhnt, leicht zugeritten oder
eingefahren zu werden. Ihre Dressur soll zwar anfänglich einige Schwierigkeiten machen, da
sich viele unbändige Thiere unter den Fohlen vorfinden; aber es gelingt dennoch der grossen
Geschicklichkeit des dortigen Personals, dieselben in verhältnissmässig kurzer Zeit zu bändigen,
und dann, einmal gezähmt, sollen sich die Tombolo-Pferde gutmüthig und willig zeigen. —
Man rühmt diesem Schlage nach, dass er ausgezeichnete Militair-Reitpferde lieferte, welche
die Strapazen der verschiedenen, oft sehr anstrengenden Manövers im coupirten Terrain besser
aushielten, als viele andere Race-Pferde Italien's. Auch in Tombolo sind in der Neuzeit
mehrere recht brauchbare Hengste fremder Racen als Beschäler verwendet worden, welche
sicherlich eine leistungsfähige Nachzucht liefern werden. —
b) DIE ARABISCHE ZUCHT DES GESTÜTES IN ST. ROSSORE.
Im Jahre 1850 wurde in Piemont mit einem hochedlen Stamme arabischer Pferde eine
Züchtung begonnen, welche bis in die Neuzeit fortgesetzt und streng rein von fremdem Blute
gehalten worden ist. Von diesem Stamme kam auf Befehl des jetzigen Königs im Jahre 1867
ein Theil der besten Zuchtpferde nach St. Rossore und zwar in der Absicht, auch an diesem
günstigen Platze die Reinzucht mit orientalischem Blute zu betreiben. Am Ende des Jahres
1868 besass man in St. Rossore vier ausgewachsene Hengste, welche als Beschäler benutzt
wurden und ausserdem 56 Mutterstuten und 90 Stück Fohlen verschiedenen Geschlechts im
Alter von einem bis drei Jahren, die alle untadelhaft genannt werden konnten. — Nach dem
Gebrauche der Araber sollten die Fohlen immer in Freien auf den Weiden gehalten und nur
ausnahmsweise — bei dem ungünstigsten Wetter — in Ställe geführt werden. Zu diesem
Zwecke wurden viele der besten Ackerflächen in permanente Weiden umgewandelt und für
Ansaat der besten Gräser und Kräuter Sorge getragen. Die Weiden umgab man mit breiten,
nicht leicht zu überspringenden Gräben, ähnlich so, wie wir es in unseren Marschen an der
Elbe und Weser finden. Auf diesen Weiden sollten die Fohlen bis zum Alter von 4 Jahren
verbleiben und ganz frei sich selbst überlassen werden. Da man sich jedoch bald überzeugte,
dass die ausschliessliche Ernährung mit dem Weidegrase für die volle, kräftige Entwickelung
der Fohlen nicht ausreichte, so entschloss man sich zur Gewährung eines Zufutters, welches
aus Hafer und Heu, zum Theil auch im Herbste und Winter aus Mohrrüben und Scheunen-
Abfällen bestand. In Folge dieser kräftigeren Ernährung ging die körperliche Entwickelung der
Fohlen in befriedigendster Weise von Statten, und die neue orientalische Zucht von St. Rossore
fand überall — selbst im Auslande — die wohlverdiente Anerkennung. Die Beschäler, welche
zur Zucht benutzt werden, sind alle im Orient geboren, die Stuten aber zum grössten Theile
selbst gezogen, jedoch alle original-orientalischer, meist arabischer Abkunft; nur einige wenige
Mutterstuten sind direkt aus der arabischen Wüste bezogen, und es haben sich diese in
St. Rossore eben so gut und rasch acclimatisirt, wie die aus Piemont eingeführten Individuen.
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DIE PFERDE CENTRAL-ITALIEN'S.
Alle aus dem Oriente herbeigeholten Zuchtpferde sollen den edelsten Stämmen ent-
nommen und mit den höchsten Preisen bezahlt sein, um auch wirklich in Besitz des Besten zu
gelangen. — Die arabischen Pferde von St. Rossore besitzen zumeist untadelhafte Körperformen,
dabei viel Eleganz in ihren Bewegungen, sind von mittelgrosser Statur und erreichen nicht
selten eine Höhe von 1,55 Meter. — Eigenthümlich ist die Wahrnehmung, dass die Fohlen,
welche in St. Rossore geboren und erzogen werden, zwar nicht ganz so gross sind, wie jene,
welche in Piemont von derselben Race geboren werden, dagegen sind die ersteren kräftiger
und mit besseren Sehnen ausgestattet, auch ihre Hufe sind etwas grösser und breiter, als die
der Original-Pferde des Orients. — Die Producte dieser arabischen Zucht sind beinahe aus-
schliesslich für den Königlichen Hofstaat bestimmt und nur wenige Exemplare werden an
Privatpersonen verkauft oder an fremde Fürsten als Geschenke abgegeben. — Der Professor
Lombardini berichtet über die Esposizione Agraria Ind. di Pisa, welche im Mai des Jahres
1868 stattfand, dass die Stuten von St. Rossore die original-arabischen Thiere an Schönheit
fast übertroffen hätten, und es sei ihm wohl erklärlich, dass die süditalienischen Landwirthe
und Züchter sehr gern Pferde aus jener Zucht ankauften, weil sie sich in Unter-Italien schnell
und gut acclimatisirten und eine vorzügliche Nachkommenschaft lieferten. —
Die beistehenden Abbildungen der Pferde von St. Rossore „Cloro" und „Girasole"
sind nach zwei vorzüglich schönen Photographien angefertigt, welche wir der grossen Gefäl-
ligkeit und den eifrigen Bemühungen unseres deutschen Gesandten, Herrn von Keudell und
dessen Sekretair, dem Fürsten von Lynar in Rom zu verdanken haben. Das landwirtschaft-
liche Ministerium daselbst hat uns diese Photographien nebst genealogischer Tabelle in bereit-
willigster "Weise zur Verfügung gestellt und wir können nicht unterlassen, an dieser Stelle der
hohen italienischen Behörde hierfür unsern verbindlichsten Dank auszusprechen.
Nach den Mittheilungen des Fürsten von Lynar hat man in St. Rossore bei der Auswahl
der quest. Photographien Sorge getragen, Exemplare von Pferden darzustellen, welche als Typen
der dort gezogenen Pferde-Race gelten. Der Hengst „Cloro" findet als Wagen- oder Kutsch-
pferd Verwendung, wohingegen der viel kräftigere „Girasole" ausschliesslich als Beschäler zur
Zucht im Hauptgestüt benutzt wird; die Italiener bezeichnen den Letzteren als ,,Cob", und
rühmen dessen grosse Kraft und Gewandtheit. Es unterliegt keinem Zweifel, dass beide Thiere
als vorzügliche Repräsentanten der modernen Zucht von St. Rossore bezeichnet werden können
und unsere Beachtung im vollsten Masse verdienen. — Es folgt hier zum Schluss dieses
Capitels die Tabelle über Abstammung und Signalement der beiden Hengste „Cloro" und
„Girasole" in der deutschen Uebersetzung. —
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Girasole
t
Zuchthengst in StRofsore.
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Namen
der Pferde.
Race und Abstammung.
Datum und Ort
der Geburt.
Besondere
Kennzeichen.
Anmerkungen.
Cloro
St. Rossore-Pferd.
Vater: Inkermann Hero
Englisch - Halbblut.
Mutter: Clamorosa von
St. Rossore.
Die Mutter wurde am 3.
April 1860 in St. Rossore ge-
boren, ist eine Tochter des
Polisemo aus der Clamo-
rosa, welche beide in St. Ros-
sore geboren sind.
Geboren
in St. Rossore am
29. April 1870.
Geschlecht: Hengst.
Hohe: 1,67 Meter.
Farbe: Goldfuchs.
Abzeichen: Stern oder
Blümchen vor der Stirn.
Der rechte Fuss ist ganz
weiss, der linke dagegen
hat nur einen kleinen
weissen Fleck.
Umfang des Beines g'emessen in der
Mitte des Vorderarmes 21,5 Ctm.
Erhielt auf der landwirtschaftlichen
Provinzial-Ausstellung zu Florenz im
September 1875 die goldene Medaille,
als gehörend zu einer Gruppe von
12 Pferden aus der Königl. Stuterei von
St. Rossore; derselbe befindet sich
gegenwärtig in den Königl. Marställen,
wird als Kutschpferd gebraucht und
hat einen sehr ausgezeichneten Gang.
Girasole
(Sonnenblume)
St. Rossore - Pferd.
Vater: President - Junior
Englisch- Halbblut.
Mutter: Giraffa von der
St. Rossore-Race.
Giraffa wurde am 9. April
1865 geboren, ist eine Tochter
des englischen Halbblut-Heng-
stes Confidence aus der nor-
mannischen Stute Ginnone.
Geboren
in St. Rossore am
5. Mai 1870.
Geschlecht: Hengst.
Höhe: 1,59 Meter.
Farbe: Dunkelbraun.
Abzeichen: Tief dunkel-
braunes Haar mit Aepfeln
auf dem Hintertheile, ein
s. g. Spielbrauner, sonst
aber ohne Abzeichen (zai-
no).
Umfang des Vorderarmes: 22 Ctm.
Erhielt auf der landwirtschaftlichen
Ausstellung zu Florenz im September
1875 in der Abtheilung für Zuchthengste
die goldene Medaille.
Derselbe wird seit einem Jahre in
St. Rossore als Zuchthengst für die Stu-
ten der reinep St. Rossore-Race ver-
wendet.
Für den Ober-Stallmeister Sr. Majestät des Königs,
Der Königliche Stallmeister
gez. Coronita.
Turin, den 17. September 1875.
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DIE PFERDE OBER-ITALIEN'S.
?o
DIE PFERDE OBER-ITALIEN'S.
Wenn wir, aus dem Süden kommend, in Bologna die norditalienischen Provinzen
betreten, so muss jedem aufmerksamen Reisenden schon in der Umgegend dieser Stadt der
grosse Unterschied zwischen der dortigen und der süditalienischen Boden-Kultur auffallen.
Wir finden hier beispielsweise den Hanfbau mit einer Sorgfalt und einem Fleisse betrieben,
wie vielleicht an keinem andern Orte Europa's; ebenso nehmen wir wahr, dass die übrigen
Handelsgewächse und Getreide-Arten auf fast allen Feldern gut und sorgfältig kultivirt werden;
umfassende Meliorationen jedweder Art sehen wir sowohl auf dem Kleingrundbesitze, wie auf
den grösseren Gütern des Adels in bester Weise zur Ausführung gebracht. —
Mit dem Fortschritte auf dem Gebiete des Acker- und Gartenbaues geht die bessere
Züchtung und sorgsamere Haltung der Hausthiere in dem Norden Italien's Hand in Hand; die
Ober-Italiener zeigen mehr Liebe und Zuneigung zu der Landwirthschaft, sowie grössere
Geschicklichkeit im Betriebe aller Zweige dieses Gewerbes, als die Bewohner der Süd-Pro-
vinzen. Es ist vor Allem die Pferdezucht, welche man in Ober-Italien früher arg vernach-
lässigt haben soll, die hier in neuerer Zeit mit besserem Erfolge und in grösserer Ausdehnung
betrieben wird. Wir verweisen zunächst auf die grossen Leistungen in den Gestüten oder
Hengst-Depots zu Reggio und Ferrara; an beiden Orten stehen tüchtige, sachkundige Leiter
an der Spitze der Verwaltung, und diese werden von zuverlässigen und geschickten Unter-
beamten, welche für die beste Verpflegung und Haltung aller zur Aufstellung gebrachten
Zuchtthiere soigen, nach Kräften unterstützt. Die Hengste, welche verschiedenen ausländischen,
aber auch heimischen Racen angehören und in beiden Depots als Beschäler benutzt werden,
sind mit Sachkenntniss gewählt und entsprechen in Körpergrösse, Figur etc. etc. dem vorge-
führten Stuten-Material vollkommen, so dass sich eine gute Nachzucht aus den dortigen Paa-
rungen mit Sicherheit erwarten lässt. Nach unserer Ansicht wird, insofern man mit der bis-
herigen Veredlung des heimischen Pferdeschlages noch mehrere Jahre fortfährt, ein befrie-
digender Erfolg nicht ausbleiben. —
Bei näherer Betrachtung der in Ober-Italien gezogenen Pferde kann man die fünf Haupt-
schläge von Ferrara, Polesina, Friaul, Cremona und Parma unterscheiden, welche wir in Fol-
gendem unter den Ziffern I bis V speciell beschreiben werden. —
Obgleich nun auch die anderen Provinzen Ober-Italiens mitunter gute, brauchbare Pferde
für verschiedene Zwecke liefern mögen, so berechtigt uns dies doch kaum, für dieselben einen
besondern Pferdeschlag mit scharf typirten Formen anzunehmen, und zwar um so weniger als
die Verbreitung derselben zu gering ist und sie gewöhnlich an ihrem Geburtsorte verbleiben,
wo sie von dem kleinen Gutsbesitzer oder Pächter zu den mannichfachsten Diensten ver-
wendet werden; man sieht den daselbst vorkommenden Pferden auf den ersten Blick an, dass
sie aus den verschiedenartigsten, nicht immer zweckmässigen Kreuzungen hervorgegangen
sind, und durchaus keinen Anspruch auf die beliebte Bezeichnung „Racepferd" machen
können. — Nur allein die Zucht des Königs Victor Emanuel, welche auf der Veneria reale bei
Turin sich befindet, verdient hervorgehoben zu werden; dieselbe ist aus Kreuzungen der
besseren Stuten des alten heimischen Landschlages mit arabischen und englischen Vollblut-
Hengsten entstanden und hat in der That manches hübsche, werthvolle Product geliefert. Die
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Ferraresische Rasse.
( der Marcruis Costatill.)
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DIE PFERDE OBER-ITALIEN'S.                                                               71
Pferde der Veneria besitzen leichte, gefällige Körperformen, haben elegante Bewegungen und
zeigen sich im Dienste geschickt und ausdauernd; sie sind sowohl als Jagd- wie als Rennpferde
für leichtes Gewicht geschätzt, und einzelne Thiere dieses Schlages sollen selbst im Auslande
grössere Beachtung gefunden haben und an brittische Sportsmen verkauft worden sein. Es
wird allgemein anerkannt, dass es ein besonderes Verdienst des Königs Victor Emanuel sei,
diesen Stamm durch angemessene Wahl der Zuchtthiere selbst ausgebildet und durch Berufung
tüchtiger Gestüts-Beamte (zum Theil Engländer) für eine rationelle Haltung der Pferde gesorgt
zu haben. —
Ferner sei hier noch eswähnt, dass die Lomellina, welche früher zum Königreiche Sar-
dinien gehörte, ihrer Lage und Bodenbeschaffenheit nach aber mehr der Lombardei ähnlich ist,
ein Pferd besitzt, welches uns von den italienischen Hippologen als ein schön geformtes,
kräftiges Thier geschildert wird, und für den Dienst der Artillerie und des Train tauglich sein,
besonders aber zur Feldarbeit des Landmanns mit Vortheil benutzt werden soll. — Wir haben
leider diesen Pferdeschlag nicht aus eigener Anschauung kennen gelernt und theilen hier die
kurze Beschreibung mit, welche uns der Dr. Moreschi von derselben geliefert hat.
„„Die niedrige Lage des Bodens jener Landschaft, welche im Süden an den Po grenzt
und östlich durch den Ticino von der Lombardei getrennt wird, macht dieselbe zum Futterbau
sehr geeignet, wesshalb wir hier auch eine starke Klee-, Gras- und Heu-Fütterung der
Pferde durchgehends im Gebrauch und einen Pferdeschlag finden, welcher etwas grobe, massive
Formen besitzt. Die Niederungen am Po und Ticino gewähren grosse Weideflächen, welche
indessen meistentheils feucht, ja nass sind und den Pferden insofern nachtheilig werden, als
solche sehr oft an periodischen Augenkrankheiten — besonders Mondblindheit — zu leiden
haben, welcher Uebelstand begreiflicher Weise ihren Werth bedeutend vermindert und sie oft
schwer verkäuflich macht. Nach den Mittheilungen des Herrn Professor Dr. Papa in Mailand
hat man von verschiedenen Seiten den Züchtern in der Lomellina den Rath ertheilt, behuf
A^erminderung der gedachten Augenkrankheiten die Fohlen jenes Schlages schon im ersten
Lebensjahre auf die Alpenweiden des Nordens zu schicken; allein diese Rathschläge sind von
den Züchtern im Ganzen nicht befolgt worden, die Mehrzahl derselben ist bei dem alten Ver-
fahren geblieben und hat die jungen Pferde bis zur Gebrauchszeit auf den heimischen Weiden
belassen, in Folge dessen die Pferde der Lomellina nach wie vor mit Augenkrankheiten stark
behaftet sind.""
I. DAS FERRARISCHE PFERD.
Die Race von Ferrara findet sich in der Landschaft zwischen dem Po, dem adriatischen
Meere und in südlicher Richtung bis in die Gegend von Ravenna. Obwohl die einheimische,
alte Land-Race schon früher eine gewisse Bedeutung in der italienischen Pferdezüchtung
gehabt haben soll, so ist die Race von Ferrara jedenfalls erst in den letzten zwanzig Jahren
zu einer grösseren Vollkommenheit gelangt, und diese verdankt sie den Bestrebungen tüchtiger
und opferwilliger Patricier, welche die besten Hengste der alten Race zur Zucht auswählten,
zugleich aber viele vorzügliche Beschäler aus England und anderen Ländern des nördlichen
Europa kommen Hessen und dieselben in den Depots ihrer Provinz zur Aufstellung brachten.
Die fragliche Race liefert jetzt den dortigen Bewohnern Thiere, welche als Reit- und
leichte Wagen-Pferde recht tauglich sind und für beide Gebrauchszwecke überall gern
Abnehmer finden. Wir lassen hier die Beschreibung dieser Race folgen, und verweisen zugleich
auf die beistehende Abbildung, welche wir der grossen Gefälligkeit des Herrn Marchese Gio-
vanni Castabili zu Consandolo verdanken. —
11*
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DIE PFERDE OBER-ITALIEN'S.
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Der Kopf des ferrarischen Pferdes ist gut geformt, nicht zu lang und sehr ausdrucks-
voll; die Thiere haben in der Regel grosse, lebendige Augen und hübsch gestellte, mittel-
lange Ohren und grosse Nüstern. Ihr Hals ist etwas kurz, dabei muskelkräftig und geht gut in
die Schulterpartie über. (Bei dem hier abgebildeten Pferde ist der Hals ausnahmsweise etwas
lang.) Die Brust dieser Pferde ist ziemlich breit und tief, der Rücken gerade, die Lenden
sind leidlich kräftig, ihre Kruppe gut gerundet und nur ein wenig abschüssig, wodurch ihre
Leistungsfähigkeit' etwas beeinträchtigt wird. Die Gliedmassen sind fein, aber mit kräftigen
Sehnen und mittelgrossen, starken Hufen gut ausgestattet. Die Höhe der Pferde von Ferrara
schwankt zwischen 1,50 und 1,60 Meter; wir haben in der dortigen Gegend viele Thiere
gesehen, welche uns in der Grösse und Gestalt an den besseren schlesischen Landschlag
erinnerten. —
Einen der vorzüglichsten Stämme jener Race besitzt der oben genannte Marchese
G. Costabili zu Consandolo in der Nähe von Ferrara. Dessen Gestüt liegt auf einer weit aus-
gedehnten, erhöhten Ebene, welche auf einem Terrain gegründet ist, das die Durchbrüche
des Reno aufgehäuft haben, in der Beschreibung des Gestütes sagt der italienische Verfasser
wörtlich Folgendes: ,,uno stabilimento per l'allevamento della razza equina su di un terreno,
che le rotte del Reno hanno colmato."
Dieses Terrain lag bis zum Jahre 1842 als reine Weide nieder, wurde aber — vom
Herbste desselben Jahres an — in Kultur genommen und durch verschiedene grosse Melio-
rationen wesentlich verbessert. Man errichtete zweckmässige Gebäude zur Aufnahme der
Zuchtthiere und Fohlen, vor Allem aber besonders gut eingerichtete Ställe für die Mutter-
stuten, und benannte den bald sehr weit ausgedehnten Häuser-Complex zu Consandolo das
Gestüt „Equireno." Seit dem Jahre 1860 ist dasselbe zu einer grossen Vollkommenheit gelangt
und liefert jetzt das vorzüglichste Zucht - Material in der ganzen Provinz; nicht allein werthvolle
Mutterstuten, sondern auch verschiedene recht brauchbare Hengste sind aus jenem Gestüte
hervorgegangen. —
Schon im Jahre 1838 wurde vom Marchese Costabili an anderen Orten seines grossen
Grundbesitzes eine Kreuzung der alten ferrarischen Land-Race mit orientalischen Hengsten
mit gutem Erfolge vorgenommen; doch es erschien dem einsichtigen Züchter zweckmässiger,
später — von 1842 an — im Equireno ausschliesslich englische Hengste als Beschäler zu ver-
wenden. —
Das Gestüt von Consandolo hat eine grosse Menge von Pferden für verschiedene
Gebrauchszwecke geliefert, es scheint uns jedoch nach Allem, was wir über die dortige Zucht
in Ferrara erfahren haben, dass die Züchtung der Harttraber-Pferde bislang die grösste Beach-
tung gefunden hat und solche in der That auch verdient. Es wurde uns berichtet, dass aus
diesem Gestüte alljährlich viele vortreffliche Pferde hervorgegangen wären, von welchen die
meisten sich im Trab-Rennen ausgezeichnet hätten. —
Das hier abgebildete Pferd, ein Wallach, heisst „Vandalo", ist ein Sohn des englischen
Hengstes Opman aus einer Stute des alten ferrarischen Schlages; er gilt in Italien heute noch
als der vorzüglichste Harttraber seiner Zeit und kann es in seinen Leistungen vielleicht mit
manchem andern berühmten Harttraber diesseits und jenseits des atlantischen Oceans auf-
nehmen. Das hübsch gebaute Thier ist zur Zeit im Besitz des Ritters Alessandro Falzoni-
Gallerani in Cento; Vandalo siegte in den letzten sechs Jahren auf allen italienischen Trab-
Rennbahnen, und brachte hierdurch seinem Besitzer hohe Sieges-Preise ein. Der berühmte
Harttraber legt durchschnittlich in jeder Secunde 7 bis 8 Meter zurück; auf dem grossen
Rennen zu Bologna im Jahre 1869 durchlief derselbe die Bahn von 2224 Meter Länge in
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- .
Druck v. Eschebach & Schaefer, Leipzig.
Pferd der Polesma
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DIE PFERDE OBER-ITALIEN'S.                                                                     73
3  Minuten und 39 Secunden und in Modena eine 1900 Meter lange Bahn in 3 Minuten und
4  Secunden. Bei dem Trab-Rennen in Livorno 1870 sollen Vandalo's Leistungen noch grösser
gewesen sein, doch können wir dieselben leider nicht näher angeben. — Bis zum Jahre 1873
hatte jener Wallach seinem Besitzer vierzig Fahnen (Preise) eingetragen und noch jetzt (1874
im Herbste) sind seine Leistungen im hohen Grade beachtenswerth; die Ausdauer dieses Thieres
versetzte die Hippologen Italien's fort und fort in grösstes Erstaunen und berechtigt sie wohl,
auf den Besitz eines so vorzüglichen einheimischen Pferdes stolz zu sein. — Zwei Stuten der-
selben Zucht — Suitana und Canarella —, welche gleichfalls vom Ritter Falzoni-Gallerani aus
dem Equireno gekauft worden sind, haben ebenfalls viele Fahnen gewonnen und stehen im
Werthe dem Vandalo nur wenig nach. —
Neben diesen Halbblut-Pferden, welche als Harttraber im besonderen Rufe stehen, wer-
den in dem Gestüte des Marchese Costabili auch englische Vollblut-Pferde gezogen, von
welchen sich bereits mehrere auf den sogenannten italienischen Derby - Rennen zu Florenz aus-
gezeichnet haben, und aus vielen Kämpfen mit den besten englischen Pferden auf dem „ita-
lienischen Turf" als Sieger hervorgegangen sind. —
Die Geschäfte des Training werden in Consandolo mit grösster Pünktlichkeit betrieben,
ebenso soll hier auch die Haltung, Ernährung und Pflege der Mutterstuten und Fohlen ganz
vorzüglich und in jeder Beziehung zweckmässig sein, und wir schenken gern den Angaben
eines kundigen italienischen Hippologen Glauben, welcher die Trainir - Anstalt in Consandolo
für eine der besten des ganzen Königreiches bezeichnet. —
Ausser dem Marchese Costabili werden in Ferrara als hervorragende Pferde-Züchter
genannt die Grafen Revedin und Gotinelli, welche nach den Aussagen des Dr. Moreschi eben-
falls Bedeutendes geleistet, zur Hebung der Pferdezucht in der Umgegend von Ferrara
viel beigetragen und mit grossen Opfern werthvolles Zuchtmaterial aus der Fremde beschafft
haben. —
II. DAS POLESINISCHE PFERD.
In Polesina — vormals eine Provinz in Venetien, jetzt zu der Provinz Rovigo gehörig —
findet sich auf der reichen Ebene zwischen dem Po, der Etsch und dem adriatischen Meere
ein Pferdeschlag, welcher in älterer Zeit zu den berühmtesten Stämmen Italien's gehört haben
soll. Diese Pferde der früheren Zeit wurden uns als schön gewachsene Thiere von grosser
Statur mit eleganten Bewegungen geschildert; dieselben hätten durch ihr imposantes Aussehen
und die grosse Freiheit ihrer Bewegungen viele Liebhaber gefunden, und selbst die Könige
von England und Frankreich sollen aus der Polesina Hengste bezogen und diese in ihren
Gestüten als Beschäler benutzt haben. —
Der Dr. L. J. Fitzinger giebt in seinem Werke, betitelt: „Versuch über die Abstammung
des zahmen Pferdes und seiner Racen" an, dass aus dem Privatgestüte eines Marchese Sagro-
moso in Zevio (Polesina) die berühmte Zucht von Rappen stammt, welche im kaiserlich öster-
reichischen Gestüte zu Kladrub gehalten wird und deren Nachkommen zu den Hofpost-Zügen
verwendet werden, die wir heute noch in Wien zu sehen Gelegenheit haben. — Wahrschein-
lich ist es, dass die alten Pferde der Polesina aus der Kreuzung von neapolitanischen
Hengsten mit Stuten gallicisch-spanischer Race hervorgegangen sind, denn es wird uns
berichtet, dass jene Pferde den beiden genannten Racen sehr ähnlich gewesen wären und vor-
züglich schöne, geschickte Schulpferde für die Reitinstitute älterer Zeit geliefert hätten. Ein
Gleiches wird an anderen Orten von den neapolitanischen und spanischen Pferden erzählt, und
wir haben keine Veranlassung, die Richtigkeit dieser Angaben zu bezweifeln.
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DIE PFERDE OBER-ITALIEN'S.
74
Das Pferd, welches wir jetzt in der Polesina antreffen, hat eine mittlere Höhe von
ungefähr 1,55 Meter, während die alte Race weit höher gewesen sein soll; der Kopf desselben
ist klein, ebenso sind auch die Augen klein, blicken aber lebendig um sich und verrathen ein
lebhaftes Temperament. Die Nasenlinie ist meistens gerade und nur selten trifft man bei den
Pferden dieses Schlages einen s. g. Ramskopf. Der mittellange Hals ist hoch aufgesetzt; die
Pferde präsentiren sich in Folge dessen sehr hübsch, haben „viel Schnitt", besitzen aber ver-
hältnissmässig wenig festen Halt und Kraft im Rücken; ihre Lenden-Partie könnte besser sein,
und endlich erscheinen auch ihre unteren Gliedmassen nicht kräftig genug. Die Thiere dieses
Schlages möchten wir als „leichte Luxus -Pferde", hin und wieder auch als „Blender" bezeich-
nen, welche zu einem ernsten Dienste im Gespanne nicht recht tauglich sind. — Man unter-
scheidet gegenwärtig in der Polesina 19 Stämme oder Zuchtplätze mit 3 verschiedenen Typen;
in 5 Stämmen werden Luxus-Pferde gezüchtet, in 5 anderen zieht man vorwiegend Reitpferde
und in den übrigen 9 Stämmen oder Zucht-Plätzen werden s. g. schwere Pferde für den
landwirthschaftlichen Dienst in Feld und Flur gezogen. Die Letzteren werden hauptsächlich
in dem unteren Theile der Polesina, in der Nähe des adriatischen Meeres gezüchtet, wesshalb
die Landbewohner und die dortigen Züchter sie mit Vorliebe „Marinotti" nennen, und man
behauptet von ihnen, dass sie die dauerhaftesten Thiere des ganzen Schlages wären. Nach
den Berichten des Signor Giolo in Rovigo werden für die Stuten der Marinotti-Zucht die
besten, kräftigsten Hengste als Beschäler ausgewählt, leichtere Hengste aber niemals benutzt;
man hofft, auf diesem Wege bald zum vorgesteckten Ziele zu gelangen und im eigenen
Lande einen kräftigen Arbeitsschlag für die landwirthschaftlichen Dienste züchten zu können.
— Ein anerkannt, tüchtiger Züchter dieses letzterwähnten Schlages ist der Graf Papadopoli,
welcher für die Mutterstuten auf seinen ausgedehnten Besitzungen in der Polesina fast aus-
schliesslich Hengste aus dem Gestüte des Marchese Costabili zu Consandolo bezieht, und jetzt
schon eine vorzüglich schöne und brauchbare Nachzucht aufzuweisen hat. —
An den Plätzen der Polesina, wo Reitpferde gezüchtet werden, sollen die Leute nicht
das gehörige Verständniss für eine rationelle Thierzüchtung besitzen und sich auch kein
bestimmtes Ziel vorgesteckt haben; es wurde uns erzählt, dass die Beamten und die Knechte,
welche mit der Abwartung und Pflege der Thiere betraut wären, nicht mit der nöthigen Liebe
ihr Geschäft betrieben und ein geschicktes Zureiten der jungen Pferde gar nicht verständen;
die Führung derselben würde im Grossen und Ganzen zu lässig betrieben; es erlaubten sich
in Folge dessen die Thiere ungestraft die verschiedensten Unarten, welche den Werth eines
Reitpferdes sehr heruntersetzen. Hier dürfte noch Manches zu verbessern sein. —
III. DAS FRIAULER PFERD.
Das Pferd in der Provinz Friaul wird in Italien gewöhnlich „Cavallo Forlano" genannt;
dasselbe ist — nach den zuverlässigen Angaben des Prof. Dr. Papa — aus der Kreuzung von
arabischen Hengsten mit gut gebauten Stuten des ungarischen Landschlages hervorgegangen;
bei näherer Betrachtung verschiedener Pferde dieses Schlages fanden wir in der That auch
einige Aehnlichkeit mit den orientalischen Typen; allein die meisten der uns zur Ansicht
gekommenen Thiere erinnerten in ihrem Leibesbau an das zwar kleine, aber kräftige ungarische
Bauern-Pferd. — Wir liefern in der Anlage die Abbildung eines Friauler-Pferdes, welches
nach der Aussage aller Sachverständigen und Kenner des Schlages als ein mittelguter Reprä-
sentant desselben bezeichnet werden kann; es wurden uns verschiedene schönere Pferde aus
Friaul vorgeführt, welche mehr der orientalischen Race ähnelten, deren Bild wir jedoch unsern
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.
Druciiv. Eschebach & Schaefer, Leipzig.
Friauler- Pferd,
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DIE PFERDE OBER-ITALIEN'S.                                                                      75
Lesern nicht als das eines echten „Forlano" vorzulegen wagen. — Die Mehrzahl der Friauler
Rosse hat eine mittelgrosse, kräftige Statur; die Thiere erreichen durchschnittlich eine Höhe
von 1,50 Meter, zeigen viel Intelligenz und eine grosse Lebendigkeit in allen Bewegungen;
uns wollte besonders der gute Schritt dieser Pferde wohl gefallen. Ihr Gang ist schnell und
gewandt, dabei besitzen sie viel Ausdauer und leisten, selbst bei massiger Ernährung, im leich-
ten Fuhrwerk recht Befriedigendes. — Der mittelgrosse Kopf der besseren Pferde von Friaul
ist vierkantig;*) die Ganaschen sind stark entwickelt; die Stirn ist breit und die Nasenlöcher
sind gross und weit geöffnet, auch besitzen sie — ähnlich wie die orientalischen Pferde —
grosse, lebendige Augen und feine, mittellange Ohren. Der Hals ist nicht sehr muskulös, aber
hübsch gebogen und gut auf die schräg stehenden Schultern gesetzt; der obere Halsrand geht
mit einem deutlichen, aber flachen Ausschnitte in den Widerrüst über, die Seitenflächen vor
den Schultern schliessen sich sanft ansteigend an diese, und der untere Rand höhlt sich vor
seinem Anschlüsse an die Brust flach aus. Die Rückenlinie ist nicht gerade, sondern häufig
etwas eingesenkt; die Kruppe ist rundlich und nur hin und wieder bei den schlechteren
Thieren des Schlages etwas zu abschüssig; die Gliedmassen sind solide, auch gut gestellt und
die mittelgrossen Hufe von fester Hornsubstanz. Auf dem ganzen linken und zum Theil auch
auf dem rechten Ufer des unteren" Tagliamento finden wir die Zucht dieser Pferde am besten,
wenngleich nicht immer sehr ausgedehnt betrieben. Als Centrum des Züchtungs-Gebietes kann
man das kleine Städtchen Latisana bezeichnen; man trifft dort bei den Klein-Bürgern und
Bauern meistens gute Hengste und leidlich hübsch gewachsene Stuten an, welche zur Zucht ver-
wendet und desshalb besonders zweckmässig ernährt werden. Die Thiere werden an vielen
Orten des untern Friaul von frühester Jugend an beständig im Freien, auf den Weiden gehalten,
einmal um sie möglichst billig zu ernähren, dann aber auch um sie abzuhärten und an alle
Unbilden des Wetters zu gewöhnen; nur selten und zwar erst zur härtesten Winterzeit kommen
sie in leichte Stallungen oder Schuppen. Die Pferde suchen bei ungünstigem Wetter auf der
Weide hinter den kleinen Wäldchen der Meeres- oder Strand-Kiefer (Pinus maritima) Schutz
gegen Wind und Regen und wissen sich in geschicktester Weise zu verbergen. Obgleich in
jener Landschaft der Winter gewöhnlich nicht sehr strenge und anhaltend ist, so kommt es
doch nicht selten vor, dass die Pferde auf der Weide genöthigt sind, das Eis der Bäche oder
Lachen zu zertreten oder mit den Füssen zu zerschlagen, um ihren Durst stillen zu können.
Nur bei sehr heftigem Schneefall oder länger anhaltendem Frostwetter nimmt man die Thiere
von der Weide auf den Stall und ernährt sie dann mit Heu, Stroh und Scheunen-Abfällen.
Wenn der Scirocco weht und starke Regenschauer den Sturm begleiten, halten die Friauler
Pferde auf den Weiden immer noch gut aus, und selbst während des sehr starken, lang anhal-
tenden Regenwetters im Jahre 1873 haben die Züchter dortiger Gegend sich nicht veranlasst
gesehen, ihre Thiere in Stallungen unterzubringen; die Pferde haben das ungünstige Wetter
ohne Nachtheil für ihre Gesundheit ertragen. —
Die Ober-Italiener behaupten, dass dieser Pferdeschlag einer der dauerhaftesten, härtesten
ihres Landes sei. In den heissen Sommer-Monaten wissen sich die Forlanos mit ihren auf-
fällig langen Schweifen sehr gut und geschickt gegen die Insekten zu vertheidigen; die Farbe
ihres Deckhaares bleicht dann aber meistens stark aus und die Rappen und Braunen bekommen
ein hässliches Aussehen, indem sie fuchsig und grau werden. — Die Züchtung, wie die Hal-
tung der Friauler Pferde hat für uns viel Fremdartiges, kann jedoch wohl für dortige Ver-
hältnisse zweckmässig genannt werden. Die kräftige, robuste Constitution jener Thiere hat sie
*) ital.: quadrata.
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in sämmtlichen Provinzen von Nord-Italien allgemein beliebt gemacht, und alljährlich werden
viele Pferde dieses Schlages auf die Märkte des unteren Friaul — nach Latisana und Ponte-
ginaro — geführt und hier von fremden Händlern gut bezahlt. —
Die Züchtung von Friaul liefert leichte Wagen-, auch hin und wieder gute, gängige
Ackerpferde, welche bei den ober - italienischen Landwirthen ihrer grossen Geschicklichkeit und
Ausdauer wegen sehr beliebt sind. In den verschiedenen zweirädrigen Gefahren (Sedioli und
Baroccini), welche in jenen Landschaften viel benutzt werden, sieht man häufig Friauler
Wallachen, da gerade diese ihres sichern Ganges wegen für solche Fuhrwerke besonders
passend sind.
IV. DAS CREMONESER PFERD.
Die Aufgabe der Züchtung in der Provinz Cremona ist hauptsächlich die, solche Pferde
auf den Markt zu liefern, welche sowohl für den Ackerbau und den schweren Zug auf den
Landstrassen, als auch für den Dienst der Artillerie und des Train tauglich sind. —
Auf dem linken Ufer des Po, zwischen Piacenza und Casal maggiore existirt seit ältester
Zeit ein Pferdeschlag, welcher unter dem Namen „Razza cremonese" rühmlichst bekannt ist
und als einer der vorzüglichsten der schweren Schläge von ganz Italien bezeichnet wird; die
Züchtung desselben hat sich von Cremona aus über ein grosses Gebiet der südlichen Lom-
bardei verbreitet und es wird dieselbe voraussichtlich noch immer mehr an Ausdehnung
zunehmen. Der ganze Landstrich trägt hier das Gepräge der höchsten Ueppigkeit; auf den
fruchtbaren Getreidefeldern stehen zahlreiche Bäume der verschiedensten Arten, an denen
sich vielfach die Festons und natürlichen Guirlanden der wuchernden Rebe hinaufwinden. Auf
den reichen Weiden dieser Niederung treffen wir gut genährte, wohlbeleibte Hausthiere aller
Gattungen und ganz besonders viele kräftige Pferde, welche fast sämmtlich dort geboren und
aufgezogen wenden. Nach den Mittheilungen des Doctor Barthol. Moreschi aus Asola — jetzt
Professor am technischen Institute zu Modena —, welcher jene Landschaften wiederholt bereist
hat und ein zuverlässiges Urtheil über dieselben besitzt, wird in diesem Theile der Lombardei
die rationellste Landwirthschaft Italien's betrieben, und mit der intensiven Bodenkultur Hesse
sich daselbst leicht eine zweckmässige und vortheilhafte Pferde-Züchtung verbinden. Die
Erträge aller dort angebauten Fruchtgattungen sind in den meisten Jahrgängen sehr hoch; auf
den künstlichen Wiesen werden grosse Futter-Ernten gewonnen und auf den Weiden findet
sich das schönste Graswachsthum, wie es besser vielleicht in keiner andern Provinz des König-
reiches angetroffen wird. —
Das cremoneser Pferd ist von guter Statur, erreicht durchschnittlich eine Höhe von
1,66 Meter; selten kommen sehr grosse, aber anderseits auch keine kleinen Pferde dieses
Schlages vor. Der ganze Körper hat gute, hübsch abgerundete Formen; der Kopf des Thieres
ist etwas lang, von mittlerer Breite und in der Regel mager oder trocken. Diese Pferde
besitzen meistens einen muskulösen Hals, breiten wenig eingesenkten Rücken, eine breite,
etwas gespaltene Kruppe, welche in den meisten Fällen „abschüssig" genannt werden kann.
Der Schwanzansatz ist gewöhnlich tief und der Schweif stark und lang behaart. Wenn man
die Thiere von hinten anschauet, so erinnern sie uns an den Bau der Percherons oder Arden-
ner; sie haben fast dasselbe kräftige Hintertheil, .wie diese französischen Pferde. Ihre Beine
sind sehr kräftig, dabei trocken, mit vorzüglichen Sehnen und mit grossen, breiten Hufen ver-
sehen. Die Stellung der unteren Gliedmassen lässt zuweilen etwas zu wünschen übrig; die
Sprunggelenke stehen zu nahe an einander, welche Stellung wir im Allgemeinen als „kuh-
hessig" bezeichnen und tadelhaft finden.
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Druckv.Eschebach & SchaePer, Leipziq.
Cr emoneser-Pferd
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Schon im Jahre 1861 , als in Florenz die erste italienische National-Ausstellung von
Hausthieren stattfand, wurde man auf die Pferde, welche aus der Gegend von Cremona kamen
und dort gezüchtet waren, besonders aufmerksam, und man erkannte mehreren derselben die
ersten Preise und Fahnen zu. — Das hier abgebildete Individuum gehörte einer Gruppe von
Pferden an, welche damals in Florenz von dem Senator Giovanni Battista Piarroni ausgestellt
und prämiirt wurde, und es kann dasselbe als ein vorzüglich gut gewachsener Repräsentant
dieses Schlages bezeichnet werden; wenn wir an dem Pferde etwas aussetzen wollen, so ist es
der grosse, zu schwere Kopf, welcher bei den Thieren dieses Schlages aber häufiger vor-
kommen soll.
Auch auf den späteren s. g. Regional-Ausstellungen, welche von der Societä agraria
di Lombardia veranstaltet wurden, erhielten verschiedene cremoneser Pferde wiederum die
ersten Preise, und sie befriedigten daselbst nicht nur die italienischen, sondern auch die
ausländischen Züchter und Pferdekundigen, welche jene Ausstellung besuchten und — mit
kritischem Blicke forschend — sonst leicht zum Tadeln geneigt waren. —
In der neuesten Zeit soll dieser Schlag noch wesentlich verbessert worden sein; die Auf-
zucht der Fohlen wird jetzt rationeller, als früher betrieben, auch für eine zweckmässigere
Ernährung der jungen Thiere wird gesorgt und die Haltung derselben ist nach jeder Seite hin
untadelhaft zu nennen.
In der Provinz Cremona wurden schon unter der österreichischen Herrschaft grosse
Beschäler- oder Hengst-Depots gegründet und in denselben zum Theil sehr gute Individuen
zur Aufstellung gebracht; später unter der italienischen Regierung scheint die Pferdezüchtung
jener Gegend von den königlichen Beamten ganz besonders unterstützt worden zu sein, denn
man hat gerade hier für die Beschaffung der besten, passendsten Beschäler Sorge getragen;
an anderen Orten Ober-Italiens sind weniger werth volle Hengste zur Zucht aufgestellt,
und diese haben damals in Verbindung mit dem sehr mittelmässigen Stuten-Material eine
schwache, geringwerthige Nachzucht geliefert. — Unter den Pferde züchtenden Landleuten
der Provinz Cremona zeigte sich eine besondere Vorliebe für die normannische Race, und
es wurden desshalb hauptsächlich Hengste aus der Normandie herbeigeholt und als
Beschäler verwendet. Von Seiten der königlichen Behörde kam man gern diesen Wün-
schen der Privat-Züchter nach und kaufte für Cremona die vorzüglichsten Hengste nicht
nur in der Perche, sondern auch in anderen Departements des nördlichen Frankreich
auf, und Hess dieselben in die cremoneser Depots führen. — Nach Aussage verschiedener
dortiger Züchter sind von den Schlägen aus dem Norden Frankreichs die Pferde der Race
boulonnaise in der Neuzeit am beliebtesten geworden; die überaus kräftigen, man möchte
fast sagen, athletischen Gestalten der Boulogner Hengste scheinen ihnen ganz besonders
zu gefallen, und sie hoffen gerade von dieser Kreuzung den besten Erfolg für ihre Zucht;
uns selbst erscheint zwar die Verwendung dieser Pferde aus der genannten normannischen
Race zur Erreichung des vorgesteckten Zieles nicht passend zu sein; diese Thiere sind zu
schwer und plump und daher für die raschen Gangarten, welche die Italiener ganz besonders
lieben, nicht recht geeignet, und es wird sich sehr wahrscheinlich bald zeigen, dass die Nach-
zucht ihren Ansprüchen nicht genügt. —
Wir haben hierbei indessen ausdrücklich anzuerkennen, dass nicht allein die italienische
Regierung für die Verbesserung jenes cremoneser Pferde - Schlages viel gethan hat, sondern
dass auch mehrere Privatpersonen werthvolle Hengste aus eigenen Mitteln — ohne irgend welche
Staats-Unterstützung — beschafft und solche für ein massiges Deckgeld an kleinere Wirthe zu
Zuchtzwecken abgegeben haben. Dieses Privatunternehmen hat für die dortige Zucht eine
Freytag, Hausthier-Racen. III.
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grosse Bedeutung bekommen, indem nämlich das Ministerium für Ackerbau, Handel und
Industrie, welches das Gestütswesen und die Hengst-Depots überwacht, im Jahre 1873 den
Entschluss fasste, das königliche Depot zu Crema aufzuheben, die Hengste von dort in andere,
benachbarte Provinzen zu führen und die Beschaffung der nöthigen Beschäler ausschliesslich
den Privaten zu überlassen. Auf Vorschlag und Bitten verschiedener Sachverständigen hat
man jedoch später von diesem Vorhaben wieder Abstand genommen und die Hengste in
Crema belassen. —
Die cremoneser Pferde der neueren Zeit haben zwar im Leibesbau einige Aehnlich-
keit mit den Pferden der Perche, allein bei näherer Untersuchung ihrer Leistungen finden wir
die Ersteren doch etwas weniger kräftig und langsamer in den Bewegungen, als die besseren
Percherons und Ardenner Pferde. Ihre lymphatische Constitution macht sie zum Artillerie-
Dienste nicht recht tauglich, obgleich die Italiener ihnen gern nachsagen, dass sie für diesen
Gebrauchszweck, auch für die Bespannung der Train- und Munition-Wagen besonders brauch-
bar wären. Im letzten italienischen Kriege hat sich mehrfach gezeigt, dass die Geschütze,
welche mit cremoneser Pferden bespannt waren, nicht genügend rasch vorwärts kamen,
auch sehr oft grosse Verluste durch das häufige Auftreten tödlich verlaufender Krankheiten
ihrer Pferde erlitten. — Zum angestrengten Dienste im Acker, wie zum Ziehen schwerer
Lasten in den Städten und auf den Heerstrassen ist das cremoneser Pferd eher^tauglich,
und wir finden daher auch^in den Provinzen Cremona, Brescia, Pavia und Mantua fast aus-
schliesslich Thiere dieses Schlages zu [den angeführten Gebrauchszwecken benutzt. —
Das Rind spielt in jener Gegend als Last- oder Zugthier eine untergeordnete Rolle und
wird nur ausnahmsweise zur Arbeit benutzt. Man hält auch dort — wie an einzelnen Orten bei
uns in Deutschland — zu einer ordnungsmässigen, guten Feldbestellung für nöthig, dass die
Zugthiere vor dem Pfluge und ganz besonders vor der Egge in einem raschen, lebendigen
Schritte gehen, welchen wir bei Ochsen und Rindern fast niemals, bei den besseren Pferde-
schlägen jedoch immer finden.
Wenn auch die Militair-Ross-Aerzte Italien's heute fast alle unumwunden aussprechen,
dass das cremoneser Pferd jetzt noch nicht als ein werthvolles Militair-Zugthier bezeichnet
werden könnte, so sind sie doch anderseits der Meinung, dass aus dem schon vorhandenen
Stuten-Material jener Provinz eine, für Militair - Zwecke brauchbare Nachkommenschaft gezüchtet
werden -kann, sobald nur für die Aufstellung der besten normannischen oder schweren York-
shire-Hengste gesorgt und zugleich den Thieren eine bessere, angemessenere Ernährung zu
Theil würde. — Die Fütterung der abgesetzten Fohlen, hin und wieder auch die der Zucht-
stuten scheint an manchen Orten der Provinz Cremona nicht zweckmässig genug betrieben
zu werden; aber es steht zu hoffen, dass auch nach dieser Seite hin bald Wandel zur Bes-
serung eintreten wird, zumal da die klimatischen und Boden-Verhältnisse in Cremona und den
benachbarten Provinzen ohne Frage für die Pferdezucht sehr günstig sind. —
V. DIE PFERDE IN PARMA.
Das frühere Herzogthum Parma — jetzt zu den Provinzen der Emilia gehörig — ist
durch die Apenninen zum grössten Theile gebirgig und an manchen Orten recht gut bewaldet.
In den nördlich belegenen Ebenen, gegen den Po hin, finden wir einen reichen, sehr frucht-
baren Boden, auf welchem Wein, Mais, Reis, Hülsenfrüchte, Weizen und andere Getreide-
arten üppig gedeihen und fast ausnahmslos reiche Ernten liefern. — Die Bevölkerung beschäf-
tigt sich in der Ebene vorwiegend mit dem Wein- und Ackerbau, anderseits aber auch hier,
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DIE PFERDE OBER-ITALIEN'S.
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wie in den gebirgigen Theilen des Landes mit der Züchtung der Rinder, Esel und Pferde;
die letztgenannten Hausthiere werden zwar nicht in sehr grosser Zahl, doch hin und wieder in
recht hübschen Exemplaren gezüchtet und stets gut gehalten. —
Die Landleute in Parma unterscheiden sehr scharf die Pferde der Ebene von den Berg-
pferden und behaupten, dass die Letzteren mit zu den kräftigsten und dauerhaftesten Thieren
des Königreiches gehörten. Die Pferde der Ebene werden weniger gelobt; dieselben sind aus
den verschiedenartigsten Kreuzungen hervorgegangen und können nicht als ein besonderer,
irgendwie beachtenswerther Schlag bezeichnet werden. —
Die Bergpferde Parma's sind meistens von kleinem, aber kräftigem Körperbau; sie
erreichen eine Höhe von 1,50 bis 1,55 Meter; ihr Kopf ist dick, der Hals von mittlerer
Stärke und Länge, die Brust etwas enge gebaut und der Rücken, wie das Kreuz kurz und
breit. Ihre Muskulatur ist untadelhaft, vor Allem aber sind die unteren Gliedmassen dieser
Pferde von festem Bau, mit kräftigen Sehnen und guten Hufen aufs Beste ausgestattet. —
Die Züchter dieses Schlages rühmen ihren Zucht-Pferden nach, dass sie die guten Eigen-
schaften und vortheilhaften Körperformen stets sicher auf die Nachkommenschaft vererbten,
also einen hohen Grad von Constanz besässen, wodurch es sich auch wohl erkläre, dass
dieser Pferdeschlag auf den Märkten von Parma, Modena und Reggio, ja selbst in der Luni-
giana sehr beliebt wäre und vielen anderen italienischen Schlägen vorgezogen würde. —
Als besondere Eigenschaften dieser Pferde nennt man ihre grosse Geschicklichkeit,
Kraft und Ausdauer, welche sie befähigen, auf den schlechtesten, im Winter häufig mit Schnee
bedeckten, steilen Gebirgspfaden gut vorwärts zu kommen und ihre Lasten sicher an das
bestimmte Ziel zu bringen. —
Die wichtigsten Zuchtorte jener Landsckaft sind Cornigliese und ferner die Communen von
Vairo und Pallanzano. Früher waren lange Zeit berühmt die Thäler der Cavalieri, welche in
der unmittelbaren Nähe der Enzo-Quelle belegen sind und vorzügliche Weiden besitzen sollen.
In der Umgegend von Castelnuovo, Castelvetro und Paullo werden ziemlich viele gut gebaute
Pferde gezogen, welche daselbst auf dem felsigen Terrain bis an die Grenze von Toscana und
Lucca die Weiden absuchen, aber oft nur kärgliche Nahrung finden. Besonders berühmt war
vor einiger Zeit die Race des Grafen Pico de Mirandola, welche nach und nach in den Besitz
der Greco, jetzt der Corbelli übergegangen ist. Einzelne Abkömmlinge dieses Schlages oder
— wie sie die Italiener nennen —■ dieser kleinen Race bewahren noch die guten Eigenschaften
ihrer Vorfahren und zeichnen sich durch grosse Leistungen auf den Gebirgswegen aus. —
Auf den modenesischen Apenninen und besonders in der alten Provinz Frignano giebt
es viele kleine, hin und wieder auch grössere Pferde-Heerden, in welchen manch' gut gewach-
senes Individuum vorkommen soll. Ueber Paullo hinaus, etwa 50 Kilometer von Modena
entfernt, trifft man zahlreiche Heerden von starken, ziemlich werthvollen Pferden, welche
zum grössten Theile dort gezüchtet und von den italienischen Hippologen sehr gelobt werden.
DIE PFERDE IN PIEMONT.
Die Pferdezucht im früheren Fürstenthume Piemont hat bis auf die oben beschriebene
Race des königlichen Gestüts auf der Veneria, nördlich von Turin, keine grosse Bedeutung
erlangt; es werden in den Provinzen Cuneo, Alessandria und Novara nur wenige Pferde
gezogen, dagegen wird die Züchtung der Maulthiere ziemlich umfangreich betrieben, ohne
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DIE PFERDE IM SUDLICHEN FRANKREICH.
jedoch den grossen Bedarf des gebirgigen Landes vollständig zu decken. Man sieht sich fort
und fort genöthigt, Maulthiere und Esel aus der Fremde zu beziehen und kauft die Ersteren
gern im südlichen Frankreich, auf den Märkten von Poitou an, weil man die Beobachtung
gemacht haben will, dass dieser Maulthierschlag sich rasch acclimatisirt und vor allen Andern
durch grosse Ausdauer auszeichnet. Die Esel, welche der kleine Mann zu den verschiedensten
Diensten, auch zur Feldarbeit benutzt, werden in der Regel aus Mittel- und Süd-Italien her-
beigeholt und gelten bei den dortigen Landbewohnern als vorzüglich werthvolle, hoch zu
schätzende Hausthiere. — In den Gebirgslandschaften Piemont's wird das Pferd wohl niemals
recht zu Ehren kommen und die Züchtung desselben daher auch nicht lohnend sein. —
DIE PFERDE IM SÜDLICHEN FRANKREICH.
I. DAS SAVOYSCHE PFERD.
Wenden wir uns im Verfolg der südeuropäischen Pferde-Racen von Piemont aus in west-
licher Richtung über die cottischen oder grajischen Alpen nach den Grenz-Departements
Frankreichs, so treffen wir hier keine besonders beachtenswerthen Pferdeschläge an. — Die im
alten, früheren Herzogthum Savoyen heimischen Pferde haben einige Aehnlichkeit mit den-
jenigen Thieren, welche uns in den südlichen Kantonen der Schweiz begegnen, vielleicht nur
mit dem Unterschiede, dass die Letzteren noch etwas grösser und im Leibesbau kräftiger als
die savoyschen Pferde sind. Diese lassen auch in manchen Individuen die Spuren früherer
Vermischung mit der orientalischen Race erkennen, welche schon vor 11 oo Jahren und wahr-
scheinlich auch noch in späterer Zeit mehrfach daselbst statt gefunden haben mag. — Als
unter der Regierung der Hausmaier in der Provence (im achten Jahrhundert n. Chr.) Unord-
nungen jedweder Art mehr und mehr einrissen, wurde das schöne Land eine Beute der Sara-
zenen; diese drangen immer weiter gen Norden vor und es kamen berittene Horden bis nach
Savoyen, woselbst im Hochgebirge ein Theil ihrer edlen Rosse verblieb und zur Durchkreuzung
mit dem altheimischen Bergschlage verwendet wurde. —
Das unbeständige Klima, die heftigen Stürme, welche fast während des ganzen Jahres
in jenem Gebirge wehen, der meist steinige, wenig fruchtbare Boden einerseits und die dicht-
bewaldeten Höhen anderseits, sind für die Züchtung und Haltung der Pferde nicht günstig,
wohingegen Rinder, Schafe, Ziegen, die genügsamen Esel und Maulthiere hier noch gut fort-
kommen, welche letzteren bekanntlich für die Bergbewohner weit nützlicher sind, als das
Pferd; wir finden daher auch hier, wie bei vielen anderen Bergvölkern für die Pferde-Züch-
tung geringes Verständniss und wenig Neigung. —
Die leichten Fuhrwerke sind in Savoyen meistens mit Maulthieren oder Eseln bespannt;
zu dem sehr beschränkten Ackerbau in den Thälern und an den Bergabhängen werden fast
ausnahmslos Rinder verwendet, und die Pferde als Luxusthiere zu halten, ist den meist armen
Bewohnern des Landes geradezu unmöglich. — In den Flussthälern, wo sich Wiesen — zum
Theil mit schön ausgeführten Kunstbauten — finden, wird die Rindviehzucht mit besonderer
Vorliebe betrieben; man bereitet daselbst eine sehr wohlschmeckende Butter, im Thale von
Abondance eine besondere Käsesorte „Vaccherini" genannt, welche mit dem beliebten grünen
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DIE PFERDE IM SÜDLICHEN FRANKREICH.
Käse aus Maurienne in's Ausland geht und eine der wenigen Einnahme - Quellen des Landes
bildet. —
Die vereinzelt vorkommenden savoyschen Bergpferde haben einen mittelgrossen, aus-
drucksvollen Kopf mit lebendigen Augen, eine breite Stirn und einen geraden Nasenrücken.
Die Backen und Ganaschen sind ziemlich dick, der Kehlgang ist leicht etwas enge, die Ohren
sind gross und sehr beweglich. Der Hals ist mittellang, fleischig und nicht hübsch angesetzt.
Die Mähne ist reichlich stark und fällt nach beiden Seiten des Halses tief herab. Der Leib ist
gedrungen, der Widerrüst kurz und breit und der Rücken muskulös und gut gewölbt. Die
immer kurze Kruppe ist breit, gerundet und nur ein wenig gespalten, doch ist die Spaltung
der Kruppe bei diesen Pferden in der Regel nicht so auffällig, wie bei den Schweizer-Pferden.
Die unteren Gliedmassen sind kräftig und stark gebaut; gewöhnlich sind diese Pferde lang
gefesselt und die Fesselgelenke mit ziemlich langen Haaren dicht besetzt. Die Hufe sind von
mittlerer Grösse und fester Hornsubstanz. Der starke Schweif ist nicht hoch angesetzt und
wird meistens schlecht getragen. In der Haarfärbung dieser Pferde kommen besondere Er-
scheinungen nicht vor und gewisse Farben des Haares sind nicht vorherrschend. Ihre Höhe
schwankt zwischen 1,55 und 1,65 Meter, und nur selten finden wir unter den savoyschen Alpen-
Pferden grössere Thiere. — Man rühmt ihre Genügsamkeit, Gutmüthigkeit und ihren sichern
Gang auf den oft sehr gefährlichen Alpenpässen; man kann sich ihnen dreist anvertrauen; sie
tragen ihren Reiter oder ihre Last im lebendigen, etwas kurzen Schritte von Berg zu Berg und
wetteifern in dieser Eigenschaft mit ihren Koncurrenten, den Eseln und Maulthieren der Alpen.
IL DIE PFERDE IN DER PROVENCE.
Bei weiterem Vorgehen in südwestlicher Richtung treffen wir in der Provence sehr ver-
schiedene Pferdeschläge an; man sieht dort einerseits vor den schweren Lastwagen die grossen,
kräftigen Zugpferde des Nordens, anderseits vor den leichten Fuhrwerken der Städtebewohner
die behenderen Thiere aus den Landschaften von Mittel-Frankreich, und als Reitpferde wer-
den zum Theil Fremdlinge — meistens orientalische, aber auch viele englische LIalbblut-Pferde
— benutzt. —
Die Züchtung der Pferde beschränkt sich in der Provence auf einige Plätze der süd-
lichsten Departements und auch hier wird ihr nicht immer die nöthige Sorgfalt zu Theil.
Die örtlichen und klimatischen Verhältnisse jener Bezirke sind im Allgemeinen für diese Haus-
thier-Zucht nicht günstig; die dortige Landbevölkerung zeigt auch keine besondere Neigung
für dieselbe; man zieht lieber Esel und Maulthiere auf und hält — wohl nicht mit Unrecht —
diese beiden Species für die Landesbedürfnisse im Grossen und Ganzen zweckentsprechender,
als das Pferd. —
Bei unserer vorjährigen (1875) Reise durch die Provence fanden wir auf dem Wege von
Avignon nach Marseille nur selten einmal Ortschaften, in welchen Pferde gezüchtet oder zur
Arbeit verwendet wurden; zum Ackerbau werden in der Regel die dort gezüchteten Ochsen
oder Maulthiere, ja selbst Esel verwendet und das Pferd wird nur ausnahmsweise vor den
Pflug gespannt. —
In der traurigen, weit ausgedehnten Ebene von Crau begegnen uns überhaupt nur wenige
Hausthiere, da ihre Unterhaltung auf dem armen Kieselfelde kaum möglich ist. — Dieser
12 D Meilen grosse Landstrich im Departement Bouches du Rhone ist bis zu der Tiefe von
mehr als einem Meter dicht mit Kieseln bedeckt, und nur hin und wieder sieht man einen
Strauch oder einige winzige Gräser neben Lavendel und Thymian aus dem verwitterten Gestein
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hervorgewachsen. — Auf der ganzen Fläche befinden sich zwei armselige Dörfer, welche nur
wenige Hausthiere zu ernähren im Stande sind; erst in der Nähe des Craponne - Canals wird
der Boden etwas besser und lohnt den Anbau verschiedener Gewächse; man cultivirt daselbst
Olivenbäume und edle Weinreben, welche für die Bewohner ein beliebtes Product und zugleich
für den Handel werthvolle Exportartikel liefern. —
Die Pferdezüchtung wird hier selbstverständlich nicht mit Erfolg zu betreiben sein, und
so erklärt sich auch der dort offen ausgesprochene Widerwillen gegen diese Züchtung, während
Esel und Maulthiere hochgeschätzt und fast überall in kleiner Zahl gezüchtet werden.
In Marseille sehen wir viele kleine corsikanische Pferde in Gebrauch; der Kleinbürger,
welcher Alltags mit diesen genügsamen Thierchen seine Geschäftsfuhren besorgt, spannt die-
selben an Sonn- und Festtagen vor ein leichtes Gefähr, und zeigt sich dann gern als Equipagen-
Besitzer auf den lebhaftesten Strassen in und vor der Stadt. Auch zum Reiten für Kinder
werden diese Pferdchen oder Ponies vielfach benutzt; sie sind dazu sehr wohl geeignet, da
sie gutmüthig und leicht zu führen sind. —
Nach unseren Messungen 'schwankt die Grösse oder Höhe der corsikanischen Pferde
(welche unstreitig mit den früher beschriebenen sardinischen Ponies einer Race angehören)
zwischen 1,10 und 1,35 Meter; sie haben einen zierlichen, gefälligen Körperbau, aber dabei
doch kräftige Gliedmassen mit stark hervortretenden Sehnen und kleinen, festen Hufen. Das
feine Mähnen- und Schweif haar wird sehr lang; ersteres fällt den Thieren gewöhnlich im
langen Haarschopf weit über Stirn und Augen, was ihnen ein eigenthümliches Aussehen ver-
leihet; besonders dann, wenn die Färbung der Deck- und Mähnenhaare eine scheckige ist,
erscheinen die lebhaften, munteren Thiere sehr drollig. Es kommen bei der corsikanischen
Race sehr verschiedene Farben-Nuancen vor; die s. g. Goldbraunen sind in Marseille sehr
beliebt und am häufigsten; Schimmel sieht man dagegen nur selten. —
Ueber die Ernährungsweise dieser Pferde auf ihrer Heimaths-Insel, wie im südlichen
Frankreich, wurden uns etwas fabelhaft lautende Mittheilungen gemacht; sie sollen mit dem
Verschiedenartigsten, selbst mit Fleischresten gefüttert werden und sich dabei stets in gutem
Zustande halten. —
Die corsikanischen Pferde zeigen im Dienste viel Ausdauer, sind zähe und nur selten
Krankheiten unterworfen; man theilte uns mit, dass sie in der Regel ein hohes Alter (30 bis
35 Jahre) erreichten und bis an ihr Lebensende diensttauglich wären. —
III. DIE PFERDE DER CAMARGUE.
Unweit der Stadt Arles im Departement Bouches; du Rhone (Nieder-Provence) theilt
sich die Rhone in zwei breite Hauptarme, welche eine sumpfige, von Lachen und todten
Armen durchschnittene Insel umschliessen, die seit ältester Zeit „la Camargue " genannt wird
und ein Areal von ppr. 11 □ Meilen umfasst. — Ein Theil dieser Insel ist in der neueren Zeit
gegen den Rhonestrom hin eingedeicht und bildet hier ein fruchtbares Marschland, auf welchem
Getreidebau verschiedener Art und Wein-Cultur mit bestem Erfolge betrieben wird. Der
andere, grössere Theil der Camargue ist uncultivirt und bildet eine feuchte Wiesen- oder
Weide-Landschaft, auf welcher sich halbverwilderte Pferde- und Rinder-Heerden Jahr ein,
Jahr aus umhertreiben und oft ■— in trockenen Hochsommern — ein sehr kärgliches Dasein
fristen. — (Den Mittheilungen einzelner Schriftsteller, welche angeben, dass in der Camargue
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DIE PFERDE IM SÜDLICHEN FRANKREICH.
wirklich noch wilde Rinder und Pferde vorkämen, können wir keinen Glauben schenken und
sind der Meinung, dass solche niemals dort existirt haben.) —
In dem cultivirten Theile jener Insel kommen auch grosse, kräftige Schafe vor, welche
zu Anfang des vorigen Jahrhunderts aus Spanien dorthin eingeführt worden sind und sich
rasch acclimatisirt haben sollen. — Der südliche Theil der Camargue enthält den grossen,
fischreichen Etang Valcares, in dessen Nähe die besten Viehheerden, besonders schöne, kräf-
tige Rinder vorkommen, welche den Reichthum und die Haupteinnahme - Quelle der dortigen
Eingesessenen ausmachen. —
Die Pferde-Race, welche Vir auf der Insel antreffen, verdankt ihren Ursprung wahr-
scheinlich der Einführung orientalischer oder afrikanischer Rosse, [die von den Sarazenen um
das Jahr 730 n. Chr. aus dem Süden Spaniens mitgebracht und überall in der Provence ver-
breitet worden sind. Die Thiere ähneln in ihrem Leibesbau den kleineren Pferden der Ber-
berei, stehen aber im Werthe ihren dortigen Stammverwandten bedeutend nach. Bisweilen
begegnen uns in der Camargue auch kleine Pferdchen oder Ponies, welche grosse Aehn-
lichkeit mit den Tartaren- und donischen Kosaken-Pferden zeigen und mit diesen häufig die-
selben guten, wie schlechten Eigenschaften gemein haben. —
Zur Zeit der Regierung Ludwig XIV (1643 bis 1715) sollen die Pferde der Camargue als
Kriegsrosse einen guten Namen gehabt haben und als solche hochgeschätzt gewesen sein; es
wird uns von den französischen Historikern damaliger Zeit berichtet, dass die Camisarden*)
ihre Cavalleristen gern mit den Pferden beritten machten, welche in der Camargue geboren
und aufgezogen waren, weil sich diese Thiere besonders muthig und ausdauernd zeigten.
Auch noch in späterer Zeit — bis in dieses Jahrhundert hinein — haben die französischen
Militair - Verwaltungen mitunter einen Theil ihrer Remonten für die leichte Cavallerie von jener
Rhone-Insel entnommen, und sich mit den Leistungen dieser Thiere im Grossen und Ganzen
zufrieden erklärt. — Nach den Mittheilungen des älteren Huzard ist die fragliche Race das
Resultat eines s. g. wilden oder freien Gestüts, welches auf Befehl des Königs Ludwig XV.
im Jahre 1755 auf der Insel errichtet wurde und sehr bald vorzüglich brauchbare Pferde lieferte;
er sagt wörtlich Folgendes: „Ce haras a fourni des chevaux assez distingues par leurs formes
et par leur beaute, pour etre places dans l'ecurie du roi." — Zu jener Zeit werden wohl die
Camargue-Pferde ungleich besser und schöner gewesen sein, als heutzutage, denn jetzt würden
dieselben in einem königlichen Marstalle wohl keine Aufnahme finden, jedenfalls demselben
nicht zur Zierde gereichen. — Es erscheint bemerkenswerth, dass Bourgelot, welcher dreizehn
Jahre später (1768) über die französischen Pferde-Racen geschrieben hat, die Camargue-Rosse
gar nicht erwähnt, woraus man vielleicht den Schluss ziehen darf, dass die Resultate der
späteren Züchtung nicht mehr befriedigend ausgefallen sind und ihre Leistungen den Ansprüchen
damaliger Zeit nicht mehr genügt haben.
Die Professoren Moll und Gayot geben in ihrem Werke „über die allgemeine Kenntniss
des Pferdes" (Paris 1861) an, dass die grosse Revolution des Jahres 1789 das Gestüt in der
Camargue, wie viele der anderen königlichen Stutereien und Hengst-Depots des südlichen
Frankreich zerstört hätte und nur der schlechtere Rest der Zucht-Pferde in einem halbwilden
Zustande auf der Insel verblieben und in fast voller Freiheit ständig auf den Weiden umher-
getrieben wäre. —
Fragen wir nach dem Nutzen und Werthe der heutigen Camargue-Race, so erhalten
wir von sachverständigen, vorurtheilsfreien Hippologen die Antwort, dass dieselbe keinen
*) Die Calvinisten der Sevennen.
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DIE PFERDE IM SUDLICHEN FRANKREICH.
besondern wirthschaftlichen Werth besitze und eigentlich zu keinem Gebrauchszwecke recht
tauglich sei. Nur einige wenige Verehrer der fraglichen Race sind anderer Meinung und
behaupten, dass die Thiere für ihr Heimathsland unschätzbar, ja sogar äusserst wichtig wären
und zur Feldbestellung, wie zu anderen landwirthschaftlichen Arbeiten, beispielsweise zur
Beackerung des schweren Marschbodens, mit Vortheil benutzt würden und hierbei sogar mehr
leisteten, als die Pferde der anderen südfranzösischen Racen. — Welchen Berichterstattern
sollen wir nun Glauben schenken? —
Die Camargue-Bauern gebrauchen vorwiegend Hengste zur Arbeit, und suchen alle
mittelmässigen Stuten, welche sich zur Zucht nicht eignen, auch zur Feldarbeit zu schwach
sind, möglichst bald zu veräussern; sie müssen selbstverständlich diese Schwächlinge zu sehr
bescheidenen Preisen an fremde Händler abgeben und bekommen für das Stück selten mehr
als 200 Francs.
Die Kastration der Hengste kommt in der Camargue nur ausnahmsweise zur Anwen-
dung; die dortigen Wirthe sagen, dass die Wallachen die schweren Feldarbeiten und die
schlechte Behandlung niemals so gut aushielten, wie die unverschnittenen männlichen Thiere;
jene würden auch häufiger von Krankheiten befallen und erreichten niemals ein so hohes Alter,
wie die Hengste.*) —
Nach den Berichten verschiedener Reisenden gehen jetzt viele der grösseren Grund-
besitzer auf der Rhone-Insel bei der Auswahl der Zuchtstuten ziemlich gewissenhaft zu Werke,
indem sie alle fehlerhaften, schlecht gewachsenen und zu kleinen Individuen von der Zucht
ausschliessen und nur das bessere Stuten-Material dazu verwenden. Man hofft auf diese Weise
der Race bald wieder den guten Namen des alten Schlages (von 1755) zu verschaffen, was
jedoch den Züchtern nicht eher gelingen wird, als bis sie auch für Aufstellung guter Deck-
hengste sorgen, was zur Zeit noch nicht der Fall ist, da brauchbare Berber- oder andere
fremdländische Hengste leider nur ausnahmsweise, statt dessen aber die kleinen Individuen des
eigenen Schlages in der Regel als Beschäler benutzt werden. —
Gayot und Moll sind der Meinung, dass die Pferde-Race der Camargue sehr bald von
der hippologischen Karte Frankreichs verschwinden würde; dieselbe ginge immer mehr und
mehr ihrem Untergange entgegen und zwar einfach aus dem Grunde, weil sie zu wenig nutzbar
wäre und den Ansprüchen der Neuzeit nicht mehr genügte. — Nach unserem Dafürhalten würde
dieser Pferdeschlag schon längst unbeachtet und vergessen sein, wenn derselbe nicht in seinen
Formen, Eigenschaften etc. etc. an das orientalische Pferd erinnerte, welches in Frankreich,
besonders im Süden des Landes, in grossem Ansehen steht. — Einzelnen Pferdeliebhabern
erscheint die Camargue gewissermassen als die arabische Wüste Frankreichs; sie glauben,
dass von dort her alles Gute und Schöne für die heimische Pferdezucht kommen müsse, nur
in jener Landschaft allein sei der Prototyp der Species Equus Caballus zu finden und die dor-
tige Zucht müsse die Pflanzschule für alle Regeneratoren des geschwächten und entnervten
Pferdegeschlechtes werden. — Solche überspannte Ansichten oder Ideen konnten wohl nur
unkundige Heisssporne und Verehrer der alten Race laut werden lassen; alle ruhiger den-
kenden, vorurteilsfreien Hippologen Frankreichs wissen sehr wohl, dass die Race der Camargue,
welche zu Anfang oder in der Mitte des vorigen Jahrhunderts noch ihren Werth gehabt haben
mag, in den letzten Decennien so weit zurückgegangen ist, dass sie selbst die bescheideneren
*) Die spanischen Pferdezüchter haben uns gegenüber Aehnliches behauptet; sie theilten uns mit, dass die Wal-
lachen ihrer Pferde-Racen im Allgemeinen ein kürzeres Lebensalter, als die Hengste hätten und dass selbst Stuten,
welche Jahre lang zur Zucht benutzt würden, dennoch ein höheres Alter, als die Wallachen erreichten. —
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DIE PFERDE IM SÜDLICHEN FRANKREICH.                                                        85
Ansprüche, welche an die Leistungen unserer Hausthiere gemacht werden, nicht mehr befrie-
digen kann. Erklärt wird diese Thatsache zum Theil durch die Aenderung der wirthschaft-
lichen Zustände auf der Insel, welche die Pferdezüchtung in verschiedenster Art beeinträchtigt
hat. Alle besseren Bodenarten sind jetzt cultivirt und die Pferde-Weiden finden sich nur noch
im schlechtesten, sumpfigen Terrain, auf welchem die Thiere Jahr ein, Jahr aus ihr Futter
suchen und sich während der Winter - Monate ausschliesslich mit Schilf und Stroh begnügen
müssen. Bei einer solchen Ernährung musste natürlich die Race allmälig immer mehr an Werth
verlieren. Hierzu kommt weiter noch, dass besonders die Ernährung der Fohlen bisher eine
sehr knappe gewesen ist; die jungen, meist schon frühzeitig abgesetzten Thierchen gingen
zusammen mit den älteren Pferden auf die schlechten Weiden und kamen in Folge dessen auch
erst im sechsten Lebensjahre zur vollen körperlichen Entwickelung. In der neuesten Zeit soll
nun zwar an einigen Orten die Ernährung der Fohlen etwas besser geworden sein; man reichte
ihnen — so sagen Gayot und Moll — 1 bis 1 % Liter Hafer täglich, und es könnte diese
Futterzulage an der besseren kräftigeren Entwickelung der jungen Pferde auch sehr bald
wahrgenommen werden. — Der Schlag soll sich besonders in der Umgegend von Arles so
weit gebessert haben und so gross geworden sein, dass :nan die Pferde im Alter von fünf
Jahren zum Dienste der leichten Cavallerie verwenden könnte, was vor 10 und 15 Jahren nicht
der Fall gewesen sein wird. —
Auch zu den verschiedenen landwirthschaftlichen Beschäftigungen wird in der Neuzeit
der Schlag an denjenigen Orten etwas tauglicher geworden sein, wo die Weizen-Cultur gegen-
wärtig umfangreicher betrieben wird und in Folge dessen den Pferden eine bessere Verpflegung
und reichlichere Ernährung zu Theil geworden ist. Die verständigen Bauern reichen ihren
Thieren eine genügende Menge Kraftfutter, Korn und gutes Heu, und verlangen von ihnen
nicht mehr, als sie bei ihrer geringen Körpergrösse und Stärke zu leisten vermögen. Andere
Landwirthe hingegen glauben immer noch, dass das genügsame Pferd ihrer Heimath bei dem
kärglichsten Futter dennoch die schwersten Arbeiten verrichten und die grössten Strapazen
ohne Nachtheil aushalten könne und muthen ihren Thierchen fabelhafte Leistungen zu. Nicht
allein von den ausgewachsenen Pferden, sondern auch von den Fohlen fordert man zu viel,
so z. B. werden die jungen Pferde in der Ernte-Zeit dazu benutzt, den Weizen und andere
Getreide-Arten mit den Füssen auszuschlagen oder auszutreten; die s. g. Depiquage ist in der
Camargue, wie an anderen Orten des südlichen Frankreich noch häufig in Gebrauch, und die
Einführung der Dresch-Maschinen geht dort nur langsam vor sich. — Wie sehr aber durch
solches Ausreiten oder Ausstampfen des Getreides die Pferde leiden, weiss jeder Landwirth
sehr wohl, welcher nur ein Mal seine Raps-Ernte auf diese Weise beschafft hat, d. h. das
Korn vom Stroh durch Austreten trennen liess. Zu solcher Arbeit sogar Fohlen zu verwenden,
wie es in der Camargue fast allgemein geschieht, ist unverantwortlich und für die zierlichen,
jungen Thiere sicherlich in hohem Grade nachtheilig. — Gayot und Moll äussern sich hierüber
in Bezug auf die Camargue-Wirthschaft etwa folgendermassen: „Das Ausstampfen oder Aus-
treten des Getreides ist eine der mühseligsten und beschwerlichsten Arbeiten für die dortigen
Pferde und zwar wegen seiner langen Dauer und der hohen Temperatur der Atmosphäre zu
der Zeit, in welcher diese Arbeit in der Regel ausgeführt wird." — M. Truchet liefert uns
eine Beschreibung der Depiquage auf der Insel, welche wir hier folgen lassen. „Sobald der
Tag beginnt, zwischen drei und vier Uhr Morgens werden die Pferde und Fohlen auf die aus-
zutretenden Getreidegarben geführt; diese sind nahezu vertical neben einander aufgestellt, oft
ziemlich hoch, und die Thiere sind genöthigt, ihre Füsse sehr hoch zu heben, um bei dem
ersten Rundgange vorwärts zu kommen; später nach mehrmaligen Rundgängen, zwischen
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Freytag, Hausthier-Racen. III.
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welchen das Getreide auch wohl ein oder zwei Male mit grossen Gabeln umgelegt wird,
kommen die Thiere etwas leichter über die Garben fort und brauchen ihre Füsse nicht mehr
so hoch zu heben. Die erste Morgen-Arbeit währt ohne Unterbrechung bis neun Uhr, dann
wird den Pferden etwas Ruhe gegönnt; man lässt sie tränken und reicht ihnen ein Stückchen
Brod oder auch einige Hände voll Korn. Eine halbe Stunde später beginnt die schwere Arbeit
von Neuem und die Thiere müssen dann bis gegen zwei Uhr Nachmittags fort und fort im
Kreise über die Garben marschiren, zuweilen auch wohl traben und galoppiren. Im hohen
Grade abgespannt und ermüdet kommen sie jetzt zur Tränke und verbleiben daselbst bis drei
Uhr." — Von einer ordnungsmässigen Abfütterung zur Mittagszeit, erwähnt M. Truchet kein
Wort, und vermuthen wir, dass solche nicht stattfindet. — „Nachmittags müssen die Thiere
nochmals drei Stunden lang, meistens im Trabe arbeiten, und man rechnet, dass sie auf diese
Weise sechszehn bis achtzehn Meilen an jedem Tage zurücklegen oder durchlaufen müssen.
Die Abfütterung am Abend nach solcher schweren Arbeit ist eine höchst mangelhafte, denn
sie beschränkt sich auf die Darreichung einiger Hände voll Korn und eines Bundes Stroh, ja
es müssen sich die unglücklichen Geschöpfe oft mit dem begnügen, was sie unter den Füssen
wegzufressen vermögen.*) Diese anstrengende Arbeit erneuert sich etwa vier Wochen hindurch
in derselben Weise an jedem Tage und wird gewöhnlich nur an den Sonn- und Festtagen
unterbrochen." " — Alle Fremden, welche Gelegenheit hatten, diese Leistungen der kleinen
Camargue-Pferdchen zu sehen, waren erstaunt darüber, dass sie solche Strapazen bei mittel-
mässiger, wenn nicht schlechter Ernährung aushalten, und bezeichnen ihre Ausdauer als
unübertrefflich. —• So oft man in der Camargue versucht hat, ausländische Pferde zu der
fraglichen Arbeit zu verwenden, unterlagen dieselben meistens, und haben niemals so viel
zu leisten vermocht, wie die Thiere des heimischen Schlages. —
In denjenigen Ortschaften der Insel, wo in der Neuzeit in Folge sehr reicher Ernten
Göpel-Maschinen zum Dreschen verwendet werden, spannt man die kleinen Fohlen in den
Göpel und ruinirt sie auf diese Weise vor der Zeit; die beste Ernährung kann solche fehler-
hafte Behandlung selbstverständlich nicht wieder gut machen, und die Besitzer können sich
nicht wundern, wenn ihre Pferde schon in früher Jugend Knochenfehler bekommen und sehr
bald zur Arbeit untauglich werden. •—
Auf dringendes Anrathen verschiedener Pferdefreunde sind einige der grösseren Grund-
besitzer jetzt dazu übergegangen, reinblütige orientalische und englische Hengste als Beschäler
zu benutzen, und es wird uns berichtet, dass die eine, wie die andere Kreuzung befriedigende
Resultate geliefert hätte; die Nachzucht soll ungleich schöner, auch etwas grösser und kräftiger
geworden sein, als die unveredelten Thiere der alten Camargue-Zucht sind; doch es wird dabei
bemerkt, dass die Fohlen der Halbblutzucht nicht sehr dauerhaft wären und die ungünstigen
Witterungseinflüsse im Winter auf der Weide nicht entfernt so gut aushielten, wie die Nach-
kommen der ächten Camargue-Hengste, welche zum Unterschiede von den ausländischen
Beschälern „Grignons" genannt werden. — Die Halbblut-Pferde verlangen auch in der Camar-
gue eine sorgfältigere Behandlung, gute Fütterung und Stallpflege, und wer ihnen all' dieses
nicht gewähren will oder kann, möge die moderne Züchtung nur lieber unterlassen und mit
den Grignons fortzüchten. —
*) Wir würden diesen Angaben keinen vollen Glauben schenken, wenn wir uns auf unseren Reisen in den süd-
europäischen Ländern nicht mehrfach selbst überzeugt hätten, dass hier den Pferden nach der schwersten Arbeit in der
Regel nur ein karges Mahl geboten wird und sie sich oft mit dem dürren Grase der nächsten Weiden begnügen müssen.
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DIE PFERDE IM SÜDLICHEN FRANKREICH.                                                        87
Die oben genannten französischen Schriftsteller geben an, dass die Pferde der Nachzucht,
welche aus obigen Kreuzungen hervorgegangen sind, einen viel schöneren, edleren Kopf haben,
auch der Hals, die Schultern und die Hinterhand gefälligere Formen besitzen, sowie dass die
Thiere im Ganzen etwas kräftiger geworden seien, als die reinblütigen Camargue-Pferde älteren
Schlages. Sehr interessant erscheint uns die Mittheilung jener Autoren, dass nämlich bei der
Verwendung arabischer Hengste zum Beschälen der Camargue - Stuten die Nachzucht schon in
der ersten Generation die Formen der Berber-Race erhält, wohingegen die Söhne oder
Töchter von Stuten, welche mit englischen Hengsten belegt wurden, die grösste Aehnlichkeit
mit den pyrenäischen Pferden haben, welche aus der Paarung von Navarra-Stuten und
reinblütigen englischen Hengsten hervorgegangen sind und in verschiedenen Gegenden
des südlichen Frankreichs ihrer grossen Leistungen und gefälligen Formen wegen, hoch-
geschätzt werden. —
Gehen wir hier endlich zur Betrachtung und Beschreibung des beistehend abgebildeten
reinblütigen Camargue-Pferdes über, so finden wir Folgendes beachtenswerth: Dasselbe zeigt
alle diejenigen Eigenschaften der Ungeschliffenheit oder Rusticität, welche der freien Fort-
pflanzung der wilden Zucht und dem Freileben auf der Weide im Allgemeinen eigen ist, besitzt
aber zugleich auch alle Mängel und Fehler, welche solche Haltung fast immer hervorruft. Die
Thiere sind klein; ihre Höhe schwankt zwischen 1,30 und 1,35 Meter, und nur ausnahmsweise
erreichen die Pferde der Camargue eine Leibeshöhe, welche man jetzt für die Remonten der
leichten Cavallerie in der französischen Armee fordert. Die Farbe des zottigen Deckhaares
ist gewöhnlich weissgrau, und es scheinen die Grauschimmel besonders beliebt zu sein,
denn man sieht dort wenig dunkelgefärbte Pferde vorkommen. — Der gut angesetzte, meist
viereckige Kopf ist gewöhnlich gross und die Nasenlinie ein wenig gebogen; die Ohren sind
kurz und werden etwas hängend getragen. Das grosse Auge der Thiere ist lebendig und
scheint aus dem Kopfe heraustreten zu wollen — die Franzosen bezeichnen dieses mit: „fleur ä
tete"; der Hals ist gerade, schlank und zuweilen etwas zurückgebogen. Die Schultern
könnten besser sein; sie sind etwas gerade und kurz; Gayot und Moll sagen jedoch, dass dem
Widerrüste dieser Pferde die wünschenswerthe Höhe durchaus nicht fehlte. Der Rücken tritt
stark hervor (le dos est saülant); die Lendenpartie ist zwar breit, doch etwas zu lang und geht
meistens schlecht in die Kruppe über; diese selbst ist kurz, wie beim Maulthiere. Die
Schenkel sind mager, die Oberarme schmal und lassen etwas zu wünschen übrig, wie auch
die Stellung der Gliedmassen nicht immer normal ist, so z. B. kommt bei vielen Pferden eine
kuhhessige Stellung der Hinterbeine vor. Die unteren Gliedmassen sind trocken und meistens
zu fein, auch die Gelenke und die Sehnen sind nur schwach entwickelt. Nur bei einzelnen
Individuen dieses Schlages sind die Oberarme und Schenkel dick und fleischig. In der Regel
sind die Camargue-Pferde kurz gefesselt; ihre Füsse sind von fester Hornsubstanz, etwas breit
und bilden sich zuweilen zu s. g. Platthufen aus. —
Der fragliche Schlag zeichnet sich durch ein lebendiges Temperament, ein behendes,
muthiges Wesen aus und soll zu den Stiergefechten tauglich sein; man sagt, dass die Pica-
dores die Pferde der Camargue wohl schätzten, weil sie sich im Kampfe mit den Stieren sehr
geschickt, gewandt und muthig zeigten. Endlich wäre noch die bereits oben beschriebene
grosse Genügsamkeit, sowie die Eigenschaft dieser Pferde zu erwähnen, dass sie einen, längere
Zeit anhaltenden Futtermangel und alle Unregelmässigkeiten in der Ernährung vorzüglich gut
aushalten und selten von Krankheiten befallen werden. —
Die Züchtung der Pferde auf der Insel hat jetzt sehr nachgelassen, wo hingegen die der
Rinder und Schafe in der neuesten Zeit viel ausgedehnter betrieben wird; erstere verspricht
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den Bauern nur massigen Gewinn, da bei einem etwaigen Verkauf ihrer kleinen Pferde für
dieselben stets nur geringe Preise gezahlt werden.
Die Gestüte oder Manaden der Camargue sind nicht mehr sehr zahlreich und auch
kleiner, als früher; es werden in denselben 20 bis 100 Pferde einschliesslich der Zuchtstuten
und Fohlen gehalten. Jede Manade hat ihren eigenen berittenen Hirten, welcher die Thiere
auf der Weide ziemlich lässig überwacht und es ihrem eignen Willen überlässt, wohin sie
treiben, um ihr kärgliches Futter zu suchen. Die Hirten wurden uns als äusserst muthige und
gewandte Reiter geschildert; da sie unter ihren Pferden geboren und erzogen werden, so
kennen sie deren Eigenthümlichkeiten und oft sehr wunderbaren Bewegungen ziemlich genau.
Bei dem Beschleichen und Einfangen der verwilderten Thiere zeigen die Hirten eine grosse
Fertigkeit; sie reiten behutsam an die von ihren Herren bezeichneten oder bestimmten Pferde
heran, werfen ihnen eine Schlinge oder fauch nur einen einfachen Strick um den Hals und
halten an diesen die entfliehenden, wild dahin jagenden Thiere mit einer erstaunlichen Kraft
fest; sie zeigen bei diesem Geschäfte eine Ausdauer, wie solche die wilden Pferdejäger in den
südamerikanischen Pampas vielleicht nicht besser besitzen. — Nachdem der Hirt das ein-
gefangene, gewöhnlich sehr ängstliche Thier durch schmeichelnde Worte und Streicheln mit
der Hand einigermassen beruhigt hat, wird ihm die spätere Zähmung nicht mehr sehr schwer;
eine kurz dauernde Dressur soll in der Regel genügen, um die Pferde an die ruhige Arbeit
vor dem Pfluge oder im Wagen zu gewöhnen, oder auch um diejenigen Thiere, welche als
Handelswaare auf die Märkte von Arles gehen sollen, im gezähmten, ruhigen Zustande den
Käufern vorzuführen. —
Im Volksleben der Camargue spielen die Ferraden oder Ferradons eine grosse Rolle;
man versteht darunter die grossen Hirtenfeste, bei welchen die jungen Thiere — Pferde und
Rinder — eingefangen und ihnen dann der Brand oder das Eisen ihrer Besitzer beigebracht
wird. Auch hierbei haben die Hirten die beste Gelegenheit, ihre Heldenkünste vor dem ver-
sammelten Volke zu zeigen; nur den geschickteren Männern gelingt es die aufgeregten Wild-
linge einzufangen und zu brennen. —
Nach den uns kürzlich zugegangenen Schilderungen dieser Ferraden haben dieselben
einige Aehnlichkeit mit den Stiergefechten Spanien's, und es sollen bei denselben oft heftige
Kämpfe zwischen den berittenen Hirten und den gereizten Rindern vorkommen, welche gar
nicht selten mit dem Tode oder einer schweren Verwundung der Kämpfenden enden. —
Die Pferde, welche in dem Departement „Alpes maritimes", zwischen Frejus, Nizza und
Vence vorkommen und daselbst gezüchtet werden, haben grosse Aehnlichkeit mit den besseren
Pferden der Camargue; sie besitzen dieselben typischen Körperformen und zeigen auch in ihren
sonstigen Eigenschaften, Leistungen und Eigenthümlichkeiten grosse Uebereinstimmung mit
jenen oben beschriebenen Thieren des Rhone-Delta's. — Von einer irgendwie beachtens-
werthen oder ausgedehnten Zucht in diesem Departement der Provence wurde uns nichts
berichtet; wir dürfen annehmen, dass die dortige Pferde-Züchtung nur von geringer Bedeu-
tung ist und weder für die Feldarbeiten noch für die Militair-Verwaltung ein besonderes
brauchbares Material liefert.
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L an d b e s cliäle r a11 s N avai;
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DIE PFERDE IM SÜDLICHEN FRANKREICH.                                                        89
IV. DIE PFERDE IM GOUVERNEMENT VON. ROUSSILLON.
In der alten Grafschaft Roussillon, dem jetzigen Departement der Pyrenees Orientales,
kommt in der nächsten Umgebung von Perpignan ein Pferdeschlag vor, welcher zwar etwas
schöner, grösser und kräftiger ist, als der Pferdeschlag der Camargue, allein es ist den-
noch wahrscheinlich, dass beide Schläge mit einander verwandt und aus Kreuzungen der
alten südfranzösischen Land-Race mit orientalischen, maurischen Hengsten hervorgegangen
sind.*) —
Im Jahre 462 n. Chr. wurden die Römer, welche viel für die Kultur dieser Landschaft
gethan haben sollen, von den Westgothen vertrieben und ein grosser Theil ihrer schönen,
reichen Kulturflächen verwüstet. — Die Westgothen blieben zwei und ein halbes Jahrhundert
lang im Besitze von Roussillon; 720 eroberten es die Sarazenen von Spanien aus, aber diese
wurden schon im Jahre 760 von Pipin dem Kurzen vertrieben; das Land wurde mit dem
fränkischen Reiche vereinigt und zu Aquitanien geschlagen. Der Kaiser Carl der Grosse
setzte in Roussillon einen Grafen ein, und es wurden die Grafen von Roussillon zu -Anfang
des zehnten Jahrhunderts zu erblichen Standesherren erhoben. Später — 1172 — fiel diese
Grafschaft durch Erbschaft an den König Alfons von Aragonien, welcher sich um die Hebung
der Pferdezucht nicht nur in seinem Stammlande, sondern auch in Roussillon besondere Ver-
dienste erworben haben soll. — Die Sarazenen hatten in der Grafschaft Roussillon ein werth-
volles Zuchtmaterial zurückgelassen, und dieses wusste der strebsame König in geschicktester
Weise zu benutzen; man rühmt ihm nach, dass er den eminenten Einfluss des Mutterpferdes
auf das Fohlen richtig erkannt, und die Züchter seines Königreiches stets darauf aufmerksam
gemacht hätte, dass eine edle Mutterstute eigentlich werthvoller, als ein gleich gutgebauter
Hengst sei, und sie diesen wohl 'mal veräussern könnten, die edle Stute aber bis an ihr
Lebensende stets zur Zucht benutzt werden müsste. —
Wir theilen diese unstreitig sehr richtigen Rathschläge des Königs von Aragonien des-
halb hier mit, weil heute noch bei allen Völkern und Volksstämmen, welche wirklich edle
Pferde züchten, dieselben Grundsätze befolgt und fast niemals werthvolle Mutterstuten aus der
Hand gegeben werden. —
Die Bevölkerung von Roussillon hat noch jetzt alle grossen Eigenschaften des spani-
schen Charakters; sie zeigt sich ernst, ausdauernd, nüchtern und entschlossen; die Landleute
betreiben die Pferdezucht zwar nicht sehr ausgedehnt, aber doch rationell und mit einer
besondern Vorliebe. In der neueren Zeit sollen in dortiger Gegend verschiedene edle Hengste
der orientalischen Racen aufgestellt sein, welche als Beschäler für die Stuten des Landschlages
benutzt und als passend für dieselben bezeichnet werden. Die Fütterung der Pferde in der
Grafschaft Roussillon wurde uns als eine durchaus zweckmässige bezeichnet; man giebt den
Thieren hinreichendes Kraftfutter — Gerste und auch wohl Hafer — neben genügenden
Mengen Heu von bester Beschaffenheit; im Sommer und Herbste verfüttert man dort, wie fast
überall im südlichen Frankreich, Luzerne in verhältnissmässig grossen Quantitäten. —
Auf der reichen, mit unzähligen Maulbeerbäumen bepflanzten Ebene zwischen dem
Mittelmeere und |dem Bergkegel von Canigan finden wir eine herrliche, üppige Vegetation;
die Felder werden gut kultivirt, und sehr häufig benutzt man zur Bestellung der Aecker neben
*) Leider können wir unseren Lesern keine Abbildung und nähere Beschreibung des Roussillon-Pferdes liefern,
da uns solche auf der vorjährigen Reise in Spanien abhanden gekommen und schwer wieder zu beschaffen sind. —
Freytag, Hausthier-Racen.
IV.
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DIE PFERDE IM SÜDLICHEN FRANKREICH.
oo
den dort heimischen Pferden schöne, starke Ochsen, welche ebenfalls in der alten Grafschaft
Roussillon seit ältester Zeit gezogen und als mustergültige Exemplare ihrer Gattung bezeichnet
werden können. —
V. DIE PYRENÄEN-PFERDE VON ARIEGE.
Das Departement Ariege, welches in südöstlicher Richtung an die Grafschaft Roussillon,
nach Westen zu an das Departement Haute - Garonne und im Süden an das Königreich Spanien
grenzt, besitzt in seinem südlichen, durchaus gebirgigen Theile einen geschätzten Pferdeschlag,
welcher von den Franzosen zu der Pyrenäen-Race gestellt und seiner Robusticität und Gewandt-
heit wegen sehr gerühmt wird. —
Man bezeichnet die Thiere dieses Schlages als wahre, echte Bergpferde, welche für das
Fuhrwesen im Gebirge unübertrefflich wären und dieserhalb auch viel vor dem Post- und Stell-
wagen auf den Pyrenäen-Pässen gesehen würden; sie zeigen sich zu diesem Gebrauchszwecke
ebenso leistungsfähig und sicher, wie die Maulthiere, und wir können sie als beachtungswerthe
Concurrenten dieser letzteren anführen. —
Die Pferde von Ariege verdanken ihre guten Eigenschaften hauptsächlich der eigen-
thümlichen Aufzucht und Haltung im Hochgebirge; sie werden daselbst in einer Höhe von
iooo Meter über dem Meere geboren, gehen mit ihren Müttern bald nach der Geburt auf die
grasreichen Alpweiden und ernähren sich hier nach dem Absetzen auf das Beste. Man gewöhnt
auf diese Weise die Thiere schon in frühester Jugend sowohl an das rauhe Klima im Gebirge,
wie an das Besteigen der unebenen Gebirgspfade, und sie trotzen in Folge dessen später allen
Widerwärtigkeiten und Strapazen ihres oft sehr mühseligen Lebens als Post- oder Lastthiere
in bester Weise. —
Gayot und Moll, welche uns die nachstehende Körperbeschreibung dieses Pferde-
schlages geliefert haben, sagen in Bezug auf ihre rühmenswerthen Eigenschaften wörtlich
Folgendes: ,,„I1 y acquiert une grande agilite, beaucoup d'adresse, une merveilleuse sürete
dans la pose du pied, un temperament robuste, une sante ä tout epreuve, une ardeur infatigable.""
Ein grösseres Lob kann dem Schlage von sachverständigen Hippologen wohl kaum zu Theil
werden! —
Verschiedene Reisende, welche von Pferden dieser Race über die Pyrenäen - Pässe
getragen oder gezogen wurden, sprachen sich uns gegenüber ebenfalls nur lobend über diese
Thiere aus und konnten nicht genug die grosse Sicherheit im Gange, sowie ihre Ausdauer
bei der Arbeit preisen. —
Die Ariege-Pferde sind von kleiner oder mittelgrosser Statur; ihre Höhe schwankt
zwischen 1,45 und 1,50 Meter; sie haben einen schweren, meist schlecht angesetzten Kopf,
dazu einen magern Hals, niedrigen Widerrüst, kurzen Rücken und ein abschüssiges Kreuz.
Mit den Vorderfüssen stehen diese Pferde etwas auswärts; sonst aber ist die Stellung ihrer
Gliedmassen untadelhaft; am Fesselgelenke findet sich ein langer, dicker Haärbehang, welcher
für ihre rauhe Lebensweise nur vortheilhaft und günstig genannt werden kann. —
Nach dieser Beschreibung haben die fraglichen Pferde zwar keinen Anspruch auf beson-
dere Körperschönheit zu machen, allein wir können darüber hinwegsehen, wenn ihre Leistungs-
fähigkeit wirklich so gross ist, wie sie uns geschildert wurde. — In den Cavallerie - Regimen-
tern, in welchen Pferde dieses Schlages eingestellt wurden, rühmte man gleichfalls ausser ihren
oben angeführten guten Eigenschaften, ihr feuriges, rasches Wesen, und sie sollen in diesem
Punkte manchen andern Pferdeschlag des südlichen Frankreich weit übertreffen. —
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DIE PFERDE IM SÜDLICHEN FRANKREICH.
9'
VI. DAS NAVARRISCHE PFERD.
Das alte Königreich Navarra bestand aus sechs Aemtern oder Merindades; *) eines der-
selben, die Merindad de ultra puertos (auch Nieder-Navarra genannt) lag am Nordabhange der
Pyrenäen, wurde unter der Regierung Heinrich II. zu Anfang des sechszehnten Jahrhunderts
mit dem Königreiche Frankreich vereinigt und bildet jetzt einen Theil des Gouvernements von
Navarra und Bearn oder des Departements der Nieder-Pyrenäen. Die anderen fünf Aemter
gehören seit jener Zeit zu Spanien und bilden hier die Provinz Ober-Navarra oder Pamplona
auf den Vorterrassen der Pyrenäen im Ebrogebiete. —
Die wilde Gebirgslandschaft Ober - Navarra's, von den Spaniern Sierra de Andia genannt,
besitzt im Altobisear die höchste Gebirgsspitze Spanien's, hat ein rauhes Klima, keine beson-
ders schöne Vegetation und ist nur schwach bevölkert; dahingegen ist in den zahlreichen
Thälern dieser Provinz das Klima äusserst angenehm und gesund, und auf dem reichen Allu-
vialboden finden wir die schönsten Wiesen und Weiden mit der üppigsten Vegetation, welche
den dort vorkommenden Thieren Jahr ein, Jahr aus ein sehr nahrhaftes Futter liefert.
Die Pferde, Rinder, Schafe und eine schöne, grosse Ziegen-Race, welche in Navarra
heimisch, zeigen das beste Gedeihen, werden von ihren Besitzern anscheinend gut gehalten
und sorgsam gepflegt. Die Pferde sind neben den Maulthieren die am meisten geschätzten
Hausthiere jener Landschaft und sollen schon in ältester Zeit sowohl in Spanien, wie im süd-
lichen Fraukreich ihrer grossen Leistungen und ihrer Körperschönheit wegen berühmt gewesen
und vielfach nach dem Auslande hin verkauft worden sein. —
Die Bevölkerung von Ober- und Nieder-Navarra gehört dem baskischen Volksstamme
an und zeigt in ihren Sitten und Gebräuchen immer noch eine grosse Aehnlichkeit mit ihren
altberühmten Vorfahren früherer Jahrhunderte; sie reden bekanntlich eine eigene Sprache und
unterscheiden sich durch einen sehr starken, festen Körperbau, durch eine weit dunklere
Gesichtsfarbe und graue Augen bei tief schwarzem Haare von den übrigen Spaniern und Süd-
franzosen. Sie sind arbeitsam, geschickt, treu, gastfrei, aber auch jähzornig und hurtig —
„flink, wie der Baske," sagt ein spanisches Sprüchwort —; ihre Weiber sind schön, schlank
gewachsen und verrichten manche Männerarbeit mit viel Geschick und grosser Ausdauer; so
z. B. besorgen sie die Verpflegung der Hausthiere fast ganz allein und zeigen bei der Bändi-
gung und Zähmung der jungen Pferde und Rinder grossen Muth und eine erstaunliche Ge-
wandtheit. Die Männer überlassen den weiblichen Gliedern ihrer Familie sehr gern die Haus-
und Hofarbeiten, auch das Hüten der Thiere, wohingegen sie selbst die Felder bestellen und
es nicht scheuen, ihre Bergabhänge bis an den Gipfel hin möglichst gut zu kultiviren. Bei
diesem Fleisse und der grossen Ergiebigkeit des Bodens sind die Basken meistens wohl-
habend, wenn auch nicht reich zu nennen, und unterstützen die etwa vorkommenden Armen
nach besten Kräften. —
Die Basken gelten allgemein für glühende Patrioten, zeigen sich im Parteigänger-Kriege
sehr entschlossen und muthig — der Spanier bildet seinen hartnäckigen Landsmann in den
baskischen Provinzen ab, wie er mit dem eigenen Kopfe einen Nagel in die Wand treibt —
die Bewohner derselben wissen sehr wohl, dass unter einer starken Centralgewalt in einem
wohlgeordneten Königreiche ihre alten Vorrechte, an welchen sie mit einem zähen Starrsinn
*) Merindad wird jetzt in Spanien ein Bezirk genannt, welcher unter einem Oberaufseher der wandernden Schaf-
heerden steht, und bedeutete früher einen Landgerichtsbezirk.
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DIE PFERDE IM SUDLICHEN FRANKREICH.
02
festhalten, nach und nach schwinden müssen und desshalb hatten sie auch wieder im letzten
Kriege den Don Carlos und seine Banden aut's Kräftigste unterstützt. —
Die Nieder-Navarresen, welche aus Iberer und Gothen gemischt sind und in ihrem
Wesen schon etwas Französisches haben, gelten unter den Basken für die arbeitsamsten und
geschicktesten Bewohner der pyrenäischen Provinzen. Wie dieselben sich tüchtig zeigen in
der Boden-Kultur, so auch haben sie von jeher viel Interesse und grosse Liebe zur Viehzucht
an den Tag gelegt; ihre Pferde, Esel und Maulthiere halten und ernähren sie gut und zweck-
mässig, und zeigen für eine rationelle Züchtung dieser Hausthiere ein grosses Verständniss
und ein besonderes Geschick. —
Wir wollen hier zuerst die Pferdezucht im französischen Gouvernement von Navarra und
Bearn betrachten, und die Beschreibung der Züchtung von Ober-Navarra später bei Be-
sprechung der spanischen Pferde-Racen folgen lassen, können aber nicht unterlassen, schon
hier anzuführen, dass der Pferdeschlag von Ober-Navarra dem Schlage von Nieder-Navarra
und Bearn sehr ähnlich ist und beide zusammen wahrscheinlich einer Race angehören.
♦ Die Pferde in Nieder-Navarra sind von mittlerer Grösse, ungefähr 1,50 Meter hoch; sie
haben einen ziemlich grossen, langen Kopf, an welchem das Scheitelbein stark gewölbt und
sehr breit ist; da nun aber der Kopf dieser Thiere meistens trocken ist, so erscheint derselbe,
trotz seiner Länge, weder schwer noch plump. Ihre Ohren, welche ziemlich tief angesetzt
sind, möchten wir eher lang, als kurz nennen; ihre Augen sind nicht gross, blicken aber feurig
um sich und deuten auf ein muthiges Wesen der Thiere. Der Hals der Navarra-Pferde ist
lang, dabei stark, kräftig und im oberen Theile hübsch gebogen; man sieht dort viele Indivi-
duen mit einem s. g. Schwanenhalse. Der Widerrüst ist hoch, der mittellange Rücken ist
etwas tief und nicht selten, besonders bei älteren weiblichen Thieren, eingesattelt; die Kruppe
ist bei den meisten Pferden von Navarra etwas „schüssig" oder „abgeschliffen" zu nennen,
und nur ausnahmsweise findet man bei diesem Schlage einzelne Thiere mit einer schönen,
geraden Kruppe; das ganze Hintertheil macht in der Regel keinen sehr gefälligen Eindruck
und harmonirt nicht recht mit dem wohlgebauten Vordertheile dieser Pferde. Die gewöhnlich
etwas zu zierlichen unteren Gliedmassen sind zwar gut gestellt, trocken, mit kräftigen Sehnen
und guten Hufen versehen, könnten jedoch im Ganzen weit kräftiger von Knochen sein. Die
Sprunggelenke sind in der Regel breit und hervortretend; der Schwanzansatz ist gewöhnlich
nicht sehr hoch, aber dessen ungeachtet wird der Schweif von diesem Pferdeschlage noch
leidlich gut getragen und verleihet den Thieren ein gefälliges Aussehen. —
Das Temperament der navarrischen Pferde wird sehr gelobt; bei grösster Lebendigkeit
sollen diese Thiere sich gutmüthig zeigen und schon im jugendlichen Alter von ungeschickten
Reitern, von Weibern und Kindern ohne Gefahr bestiegen werden können. Der fragliche
Pferdeschlag erscheint in allen Bewegungen sehr behende und geschmeidig; die Thiere haben
aber vielfach eine hohe Action, gehen auch wohl unter sich und leisten.dann selbstverständlich
in der Trabgangart nicht viel. Wir finden hier, wie bei den meisten spanischen und den
stammverwandten südfranzösischen Schlägen grosse Mängel in den Leistungen; die Pferde
kommen mit ihrem kurzen Schritte nicht recht vorwärts und sind mehr für die kleine Reitbahn
oder den Parade-Platz, als für den grossen Dienst im Felde oder zum Kriegsmarsche tauglich.
Die Navarresen, welche im Grossen und Ganzen nur geringe Ansprüche an die Leistungen
ihrer Pferde machen, sind mit den Gangarten ihrer heimischen Thiere sehr zufrieden und ver-
langen vor allem Andern, dass dieselben sich bequem führen und reiten lassen, und diese
Eigenschaften finden sie bei den Rossen ihrer Landschaft fast ausnahmslos. — Es wurde
uns gesagt, dass ein englischer oder holländischer Harttraber-Wallach mit seinem weitaus-
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DIE PFERDE IM SÜDLICHEN FRANKREICH.                                                        93
greifenden Schritte und dem harten, starknachschiebenden Trabgange dem Navarresen in
hohem Grade zuwider sei und dieser sich wohl niemals dazu verstehen würde, ein solches
Pferd als Reitthier zu benutzen. —
Nach Gayot und Moll werden jetzt die schönsten und edelsten Pferde der französischen
Navarra-Race in der Ebene von Tarbes gezüchtet; man darf jedoch nicht behaupten, dass
dort Reinzucht mit den alten navarrischen Pferden betrieben wird, im Gegentheil man führt
die verschiedenartigsten Kreuzungen aus, und es sind in jener Landschaft kaum noch hundert
Thiere der reinen, alten Race anzutreffen. Aus der Nachzucht der Kreuzungen von englischen
Hengsten und Stuten des alten Landschlages sollen einige Familien oder Stämme hervor-
gegangen sein, welche sich durch besondere Schönheit und Körperkraft auszeichnen; viele
andere aber hätten geringen Werth und könnten nur als entartete Navarra-Pferde bezeichnet
werden. —
Das hier abgebildete Thier ist nach einer, von uns in Madrid gefertigten Photographie
gezeichnet worden und wurde uns als ein Pferd aus Nieder-Navarra bezeichnet. —
Die Ebene von Tarbes, auf der Grenze von Bearn und Bigorre, eignet sich ihrer klima-
tischen und Boden-Verhältnisse wegen ganz besonders gut zur Pferde-Züchtung, und so erklärt
es sich, dass man gerade dort diese Hausthier-Züchtung am ausgedehntesten betreibt und
verschiedene grosse Zucht-Institute eingerichtet hat. Auf einem verhältnissmässig kleinen
Terrain leben 600 Zuchtstuten und bilden daselbst eine grosse, zweckmässig angelegte Stuterei
neben einem gut überwachten Beschäler-Depot, auf welchem die vorzüglichsten Hengste der
neuen, veredelten Bigourdan-Race," aber auch solche von rein englischem Blute zur Aufstel-
lung gekommen sind. —
Die Schläge von Bearn, Frix und Caudamais, auch die der Gascogne und Languedoc
sind wahrscheinlich alle der alten Navarra-Race nahe verwandt, stammen von dieser ab, haben
aber für die südfranzösische Pferde - Züchtung keine grosse Bedeutung mehr, weil man gerade in
jenen Bezirken die verschiedenartigsten, nicht immer zweckmässigen Kreuzungen vorgenommen
und in Folge dessen dem guten Ruf der alten Landschläge grossen Schaden zugefügt hat.
VII. DIE PFERDE VON BIGORRE.
Die französischen Hippologen bezeichnen jetzt als eine der vorzüglichsten Racen des
südlichen Frankreichs diejenige, welche in der alten Grafschaft Bigorre (zum Departement der
Haute-Pyrenees gehörig) gezüchtet wird und dort unter dem Namen „race bigourdanne
amelioree" einen besondern Ruf erlangt hat. —
Schon die alte Race jener Landschaft soll sich durch Kraft und Ausdauer vor den
meisten anderen südländischen Schlägen ausgezeichnet und in der Körpergestalt grosse Aehn-
lichkeit mit dem Navarra -Pferde gehabt haben; wahrscheinlich sind beide Racen oder Schläge
nahe verwandt und häufig miteinander gekreuzt worden.
Nach Moll und Gayot ist die verbesserte Bigorre-Race das Product einer Kreuzung
von englischen "und arabischen Pferden; sie bezeichnen dieselbe als „demi-sang anglo-arabe,"
und rühmen das Geschick der Züchter von Bigorre ganz besonders, weil sie besser, als viele
Andere verstanden hätten, aus dieser Blutmischung einen in jeder Beziehung werthvollen
Schlag auszubilden. —
Die Bigourdan-Pferde sind etwas grösser und kräftiger als die Navarreser; sie erreichen
nicht selten eine Höhe von 1,55 und 1,60 Meter; ihr Schritt ist ausgiebiger und dabei doch
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ebenso angenehm für den Reiter, wie der jener Pferde von Navarra. — Die Liebhaber der
orientalischen Racen,(und solche findet man im südlichen Frankreich sehr häufig, schätzen
gerade desshalb die Pferde derselben so hoch, weil sie angenehmere Bewegungen in allen
Gangarten besitzen, als die Pferde des Occidents und des Nordens, nur jene allein könnten
als „geborene Reitpferde" bezeichnet werden, wohingegen diese Letzteren durch ihre harten
Bewegungen dem Reiter stets unangenehm sein müssten. —
Für den Dienst der leichten Cavallerie sind die Pferde von Bigorre sehr brauchbar und
sie werden daher gern von den Remonte - Commissionen angekauft. Die Regierung bemüht
sich angelegentlichst, die Landwirthe jener Gegenden zu einer ausgedehnteren Pferde-Züchtung
zu veranlassen und sucht ihnen die Beschaffung guter Deckhengste möglichst zu erleichtern.
Wir schliessen diese Betrachtungen über die südfranzösischen Racen mit einer kurzen Be-
schreibung des verbesserten oder veredelten Bigourdan-Pferdes, und benutzen dabei die An-
gaben, welche uns Gayot und Moll in ihrem vortrefflichen Werke betitelt: „La connaissance
generale du Cheval etc." liefern. —
Der Kopf dieser Thiere ist etwas lang — immer länger, als der des reinblütigen
arabischen Pferdes — hat aber viel von den charakteristischen, ausdrucksvollen Formen des
edlen Orientalen beibehalten; ihr Auge ist lebendig und feurig und deutet auf Klugheit, der
Thiere. Der Hals ist ziemlich lang, länger und graziöser als beim alten, unveredelten Pferde
von Bigorre; der Uebergäng des Halses in die Schultern ist untadelhaft; der Widerrüst tritt
hübsch hervor und ist meistens etwas mager. Die Rückenlinie dieser Pferde ist in der Regel
ziemlich gerade und die Rückenmuskeln sind stark und kräftig; die Kruppe ist länger, breiter
und muskulöser, als bei der alten Race des Landes. Die Hinterschenkel sind gut gestellt,
nicht sehr rund ist die Muskulatur und es fallen die Beine nach unten zu stark ab; die Be-
wegungen ihrer hinteren Gliedmassen werden dennoch als „gute" bezeichnet. Die Brust ist
breit und tief, welche guten Eigenschaften der alten Race ebenfalls mangeln. Die Kniee dieser
Pferde sind breit und trocken. Es wird ferner angegeben, dass sich in Folge der Veredlung
die Stellung der vorderen Gliedmassen der Pferde von Bigorre wesentlich gebessert hätte
und jetzt untadelhaft wäre; die Röhren sind kürzer und etwas dicker geworden und die Sehnen
an den Unterarmen stark und fest. Die Fesselgelenke sind gut gestellt und sicher unterstützt.
Ohne dass dieser neue Schlag etwas von der Eleganz des alten verloren hat, sollen dessen
Gangarten weniger hoch, dagegen mehr gestreckt und sicherer, auch schneller geworden sein.
Vor Allem haben sich die verschiedenen wichtigen physiologischen Eigenschaften bei der neuen
Race verbessert und es hat dieselbe ausserdem die grosse Geschmeidigkeit beibehalten, welche
der alten Race eigen war und stets sehr geschätzt wurde. Moll und Gayot sagen zum Lobe
der verbesserten Race Folgendes: „Un mot d'ailleurs, resumera ce produit: le cheval bigourdan
ameliore etait entre dans les besoins de l'epoque." Dasselbe ist nicht nur ein energisches,
stolzes und graziöses Sattel- und Reitpferd, sondern auch für das leichte Fuhrwerk recht taug-
lich, und so wird denn dieses Pferd von den genannten Hippologen wohl mit Recht als eines
der werthvollsten Luxusthiere des Südens bezeichnet. —
Der moderne Schlag hat bereits einen hohen Grad von Constanz erlangt, und nicht nur
die Stuten, sondern auch dessen Hengste werden jetzt mit Vortheil zur Zucht benutzt; die Letzte-
ren sollen für die Züchtung in den verschiedenen Departements des südwestlichen Frankreich
zweckmässiger sein, als die reinblütigen Beschäler der englischen oder arabischen Race, doch
wir wissen nicht, in wie weit wir diesen Angaben Bedeutung beilegen dürfen. Aus allen Mit-
theilungen geht aber hervor, dass die fragliche Race eine der besten von Süd-Frank-
reich sein wird. —
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DIE PFERDE IN SPANIEN.
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DIE PFERDE IN SPANIEN.
Die Zeit, in welcher Spanien — vielleicht die ganze pyrenäische Halbinsel ■— die besten
Pferde Europa's besass, liegt weit zurück; die verschiedenen spanischen Geschichtsschreiber
sind nicht einmal einig darüber, ob die Blüthe der dortigen Pferdezüchtung in die Regierungs-
zeit Philipp des Zweiten (1556 bis 1598) fällt, oder ob schon früher, im vierzehnten Jahr-
hundert, unter der Regierung Peter IV. (des Ceremönisen) im südlichen Spanien, ganz beson-
ders im alten Königreiche Cardoba, die edlen Rosse gezüchtet worden sind, welche unter dem
Namen „Andalusier" lange Zeit grosses Aufsehen machten und allgemein als die vorzüglichsten
und schönsten Thiere ihres Geschlechtes bezeichnet wurden. Gewiss ist es, dass der König
Eduard III. von England, welcher von der grossen Leistungsfähigkeit der spanischen Pferde
Nachricht erhalten hatte, während seiner Regierungs - Periode (1327 bis 1377) mehrfach — im
Ganzen 50 Stück — spanische Pferde in Andalusien ankaufen Hess, theils um die schönen,
kräftigen Thiere auf den Jagden und Rennen, theils um die darunter befindlichen Hengste
zur Paarung und Kreuzung mit den heimischen, englischen Stuten zu verwenden. Da sich die
Nachzucht dieser Kreuzungen in jeder Beziehung tauglich und tüchtig zeigte, so folgten andere
europäische Fürsten dem Beispiele England's nach und bemühten sich angelegentlichst, aus
Spanien gute Zuchtpferde zu erhalten, wobei sie sich nicht scheuten, hierfür die grössten Opfer
zu bringen. — Aus diesen und anderen Angaben*) entnehmen wir, dass Spanien's Pferdezucht
schon im vierzehnten und fünfzehnten Jahrhundert in der Fremde bekannt und berühmt war
und dessen edle Producte zur Verbesserung anderer europäischen Racen mit Vortheil benutzt
wurden. —
Nach den Mittheilungen des Professor Leon Castro y Espejo in seinem Werke betitelt:
„Zootechnia aplicada a la Economia rural y domestica," haben die Phönicier, als sie 1500 Jahre
vor Christi Geburt im Süden Spanien's landeten, in der Gegend von Cadiz, Ocana und Tarifa,
ihre mitgeführten orientalischen Pferde ausgesetzt und zur weiteren Zucht daselbst benutzt.
Das trockene Klima Andalusien's war für die rasche Vermehrung und gute körperliche Ent-
wickelung der Rosse besonders günstig; die Zucht verbreitete sich schnell im ganzen Süden
der Halbinsel und schon nach wenigen Jahrzehnten war dieses schätzenswerthe Hausthier dort
heimisch. — Von anderen Autoren wird berichtet, dass die Pferdezucht der Celtiberier immer
berühmt gewesen sei und dass ihr Land am Iberus und Durius (das jetzige südwestliche Ara-
gonien, Cuenca, Soria und ein Theil von Burgos) zwar rauh, gebirgig und unfruchtbar wäre,
doch stets vorzügliche Pferde geliefert hätte, welche die römischen Feldherren, welche 200 Jahre
vor Chr. mit jenem Volke in Kriege verwickelt wurden, hochschätzten und als die besten
Kriegsrosse bezeichneten. Strabo erzählt, dass die Pferde der Celtiberier an Schnelligkeit den
parthischen Rossen geglichen hätten; sie wären meistens grauhaarig, auch hin und wieder
*) Nach Don Juan Cotarelo beschränkte zuerst der König Heinrich IV. durch gesetzliche Bestimmungen, welche
derselbe im Jahre 1462 veröffentlichte, den Gebrauch des Esels zur Maulthierzucht, und ähnliche Verordnungen, welche
diese Zucht beschränken resp. ganz aufheben sollten, sind in späteren Zeiten mehrfach erlassen. — G. Schwarznecker giebt
in seinem Werke über die Pferdezucht an, dass Philipp II. 1562 eine Strafe von 20,000 Maravedos und zwei Jahren
Gefängniss für die Bedeckung einer Stute durch einen Eselhengst bestimmte, während den Pferdezüchtern seines Reiches
alle möglichen Vergünstigungen z. B. durch Befreiung von Einquartierungen zugewendet wurden. —
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DIE PFERDE IN SPANIEN.
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getigert gewesen und hätten alle die vorzüglichen, stets wünschenswerthen Eigenschaften guter
Kriegsrosse besessen; man schätzte an ihnen besonders die grosse Gelenkigkeit der Glieder,
die Leichtigkeit ihrer Bewegungen und endlich noch ihren gemessenen, sichern Schritt. Mit
den celtiberischen Pferden wurde ein umfangreicher Handel betrieben; die Römer benutzten
dieselben gern zu den Spielen im Circus und rühmten vor Allem die Fertigkeiten derjenigen
Thiere, welche aus dem Süden der Halbinsel kamen, und wir dürfen wohl den Angaben der
römischen Schriftsteller Glauben schenken, wonach die Pferde, welche aus Bätica nach Rom
kamen, den numidischen Thieren an Leistungsfähigkeit nicht nachstanden.*) An anderer Stelle
werden auch einmal die Pferde von Gallicia (der jetzigen Provinz Gallicien) als tüchtige Kriegs-
rosse erwähnt, und es ist uns dieses um so mehr interessant und bedeutungsvoll, weil später
— im Mittelalter — die gallicischen Pferde wiederum ihrer grossen Kraft und Ausdauer wegen
gerühmt und als die besten Ritterpferde Spanien's hingestellt wurden. —
Aus der Zeit der ersten Jahrhunderte nach Christi Geburt ist über Spanien's Pferdezucht
wenig bekannt oder auf uns gekommen; erst wieder im achten Jahrhundert wird der dortigen
Züchtung Erwähnung gethan.
Als in den Tagen vom 19. bis 26. Juli 711 die Gothen von Tarek Abu Zara und seinen
12,000, zum Theil berittenen Mauren bei Jerez de la Frontera am Flusse Guadalete geschlagen
wurden, erregten die aus Mauritanien mitgeführten Rosse grosse Verwunderung bei den gothi-
schen Kriegern, indem sie den Pferden der Gothen an Gewandtheit und in der Schnelligkeit
ihrer Bewegungen weit überlegen waren, und man schob die erlittene, grosse Niederlage zum
nicht geringen Theile der Tüchtigkeit der maurischen Rosse zu. — Leider erhalten wir von
den Geschichtsschreibern damaliger Zeit keinen Aufschluss darüber, ob die Mauren ihre nach
Spanien geführten Pferde aus der Berberei — dem alten Mauritanien — entnommen, oder ob
sie dieselben aus Arabien herbeigeholt hatten. — Wir wagen die Vermuthung auszusprechen,
dass die andalusischen Pferde nordafrikanischen und nicht arabischen Ursprunges sind, denn
alle älteren, wie auch die neueren Abbildungen spanischer Pferde gleichen in ihren Formen
weit mehr den Gestalten der Berber - Pferde, als denen der edlen arabischen Race. Velasquez
und andere berühmte Meister der alten spanischen Schule lieferten uns auf ihren herrlichen
Gemälden vorzügliche Portraits schöner, sehr kräftiger Rosse, welche von den Königen oder
Prinzen damaliger Zeit geritten wurden und sicherlich ausgesucht gute Repräsentanten der alten
Race waren; alle diese abgebildeten Thiere besitzen in ihren Leibesformen die grösste Aehn-
lichkeit mit starken Berber-Pferden und gleichen nur ausnahmsweise den Arabern. —
Don Nicolas Casas de Mendoza, Professor an der Thierarzneischule zu Madrid, sagt in
seinem Handbuche der Zootechnik bezüglich der grossen Kraft und Ausdauer der altspanischen
Pferde wrörtlich Folgendes: „Mas si se considera la conformacion de nuestros caballos antiguos,
representada en los retratos de reyes y principes montados en epocos remotas y en las cuadros
de Velasquez, al ver sus ensanches, musculatura y alzada, no causarä tanta admiracion, pues
estän indicando la fuerza y la resistencia." —
Die spanischen Pferde des sechszehnten Jahrhunderts, mehr aber noch die des Mittel-
alters, welche von den Rittern mit ihren schweren Rüstungen bestiegen und ausserdem mit
einem plumpen Sattelzeug belegt, ja selbst in eiserne Rüstungen gesteckt wurden, müssen sehr
viel kräftigere Individuen gewesen sein, als die Thiere, welche wir heute überall in Spanien zu
*) Von spanischen wilden Pferden berichtet Varro de r. r. 2, I, 5: equi feri in Hispaniae citerioris regionibus
aliquot, und ebenso Strabo 3, 4, 15: Iberien trägt viele Rehe und wilde Pferde lnnov$ uyQtovg. — Siehe: Victor Hehn's
Kulturpflanzen und Hausthiere in ihrem Uebergang aus Asien nach Griechenland und Italien, sowie in das übrige Europa.
Berlin 1874. Gebrüder Bornträger. Ed. Eggers.
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DIE PFERDE IN SPANIEN.
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sehen bekommen. Im fünfzehnten und sechszehnten Jahrhundert waren besonders berühmt die
Schlachtrosse Castilien's, welche sich durch ihre grosse Kraft und Ausdauer nicht nur vor den
übrigen spanischen, sondern auch vor allen anderen Pferden Europa's auszeichneten. Es ist
nicht bekannt, welcher Race das viel genannte und gerühmte Pferd Babieca angehörte, welches
Don Rodrigo, Graf von Bivar, mit dem Beinamen der Cid (Herr) und Compeador in seinen
Kriegszügen g'egen die maurischen Könige ritt und welches den grossen spanischen Helden
und Vorkämpfer bis an sein Lebensende (1099) durch alle Schlachten und Gefahren sicher und
gut getragen haben soll. — Nach der Vertreibung der Mauren aus Spanien ist daselbst die
Pferdezüchtung lange Zeit vernachlässigt worden und erst später wieder zu Ehren gekommen.
Wahrscheinlich würde dort dieser Zweig der Hausthierzucht — bei der Gunst der klimatischen
Verhältnisse — fort und fort den ersten Rang eingenommen haben, wenn nicht damals schon
die — ebenfalls von den Mauren eingeführten — Merino-Schafe*) sich so rasch über die Halb-
insel verbreitet und dem Lande reichfliessende Einnahmequellen geliefert hätten. Alle spani-
schen Schriftsteller sprechen sich übereinstimmend dahin aus, dass sicherlich die spanische
Pferdezüchtung seit der Mauren Zeit bis auf den heutigen Tag das Vorzüglichste geliefert und
geleistet haben würde, wenn nicht die Züchtung und Haltung der Merinos*) vortheilhafter und
auch bequemer gewesen wäre, und in Folge dessen viele Landwirthe jene Züchtung mehr und
mehr eingeschränkt, dagegen aber die vom Staate durch die Mesta begünstigte Schafhaltung
sehr umfangreich betrieben hätten. Hierzu kam ferner, dass schon im zwölften Jahrhundert
die Maulthier- und Mauleselzucht sich weit über das Land verbreitete und dass gerade in den-
jenigen Provinzen des Südens, wo früher die edlen Pferde gezogen, nun die besseren Stuten den
Eselhengsten**) zum Beschälen zugeführt wurden, um davon einen schönen Bastard zu erhalten;
dieser entwickelte sich erfahrungsmässig rascher, als das reinblütige Fohlen und konnte
meistens schon im zweiten oder dritten Lebensjahre zur vollen Arbeit herangezogen werden,
wohingegen die sich langsam entwickelnden und weichlicheren Pferde erst nach vollendetem
vierten Lebensjahre zur Arbeit tauglich waren.
Diese Ansichten über die raschere Entwickelung und grössere Brauchbarkeit der Maul-
thiere zur Arbeit — in Vergleich mit den Pferden — hörten wir jetzt noch in Spanien mehr-
fach aussprechen, und es schreibt der General-Sekretair des landwirthschaftlichen Central-
Vereins in Madrid, Don Miquel Lopes Martinez, in Bezug hierauf in seinem uns kürzlich
gelieferten Berichte über den jetzigen Stand der dortigen Pferdezüchtung unter Anderm Fol-
gendes: „Dos causas se han opuesto constantemente ä su desarollo y mejora, la predileccion
de las ganaderos ä la especie lanar, y el empleo general mular en los labores del campo y
en el tiro de los carruages de carga." —
Im Weiteren berichtet der genannte Herr, dass durch die grosse Begünstigung der
Wanderschafe (merinas transhumantes), welche hauptsächlich in den Provinzen Estremadura und
Leon während der Frühlings-, Sommer- und Herbst-Zeit gehalten werden und im Winter die
besten Weiden Andalusiens in Anspruch nehmen, die Pferdezüchtung in diesen Provinzen nur
auf den ungünstiger gelegenen Plätzen betrieben werden könnte und in Folge dessen leider
immer mehr zurückgehen und an Werth verlieren müsste. Es scheint auch, dass die Regierung
für die dortige Züchtung der Pferde seit Decennien sehr wenig gethan und es fast allein
einigen reichen Privaten überlassen hat, den guten Namen des altspanischen Pferdes wieder
herzustellen. Die unglücklichen politischen Verhältnisse des Landes mögen zum nicht geringen
*) spanisch: ovejas merinas,.
**) spanisch: garanones.
»_                      _____                    _________ ______________________________________________________________________________§i
Frey tag-, Hausthier-Raccu. IV.
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98
DIE PFERDE IN SPANIEN.
Theile mit Schuld an dieser Vernachlässigung sein, und es steht zu wünschen, dass nun endlich
— nach Beendigung des schrecklichen Bruder-Krieges — für die Hebung der Landwirthschaft
und speciell der Pferdezucht etwas Tüchtiges geschieht, damit das schöne, für diese Hausthier-
zucht ohne Frage sehr günstig belegene Land bald wieder in den Stand kommt, den eigenen
Bedarf an Pferden zu decken, was jetzt nicht der Fall ist. — Spanien besass nach der letzten
Zählung im Jahre 1865 einen Pferdebeständ von nur 680,373 Stück, dahingegen 2,319,846 Stück
Esel, Maulesel und Maulthiere auf 8,989 DMeilen mit einer Bevölkerung von 16,226,776 Menschen.
(H. Fr. Brachelli, Die Staaten Europas. Brunn 1875).
Don Miquel Lopez Martinez giebt in seinem Berichte vom 26. August 1875 den Pferde-
bestand Spanien's nicht ganz so hoch an, sondern meint, dass derselbe eine halbe Million Stück
nicht überschreiten würde. (El numero de caballos que existen en Espana, se puede calcular
en medio millon). —
Wir lassen hier eine Tabelle — welche wir ebenfalls der grossen Gefälligkeit dieses
Herrn zu verdanken haben — über die Pferdebestände und die Zahl der Züchter in den ver-
schiedenen Provinzen folgen. Da es uns zweckmässig erschien, dem geehrten Leser zugleich
eine Uebersicht der Grössenverhältnisse der genannten Provinzen zu liefern, so haben wir der
fragl. Tabelle eine solche hinzugesetzt und diese Zahlen dem Handbuche der Geographie- von
Daniel (IV. Aufl. 1874) entnommen. —
No.
D Meilen.
Provinzen.
'Sevilla.....
Cadiz.....
Cordova ....
Burgos.....
Badojoz ....
Madrid .....
Leon.....
Lugo.....
Oviedo . . . . .
Jaen......
Caceres ....
Malaga.....
Avila.....
Toledo.....
Granada ....
Huelva.....
Palencia ....
Segovia ....
Pontevedra
Valladolid ....
Ciudad Real . . .
Santander ....
Soria .....
Zamora.....
Logroho ....
Cuenca .....
Murcia.....
Guadalajara .
Teruel.....
Albacete ....
Almeria ....
Salamanca
Pferdebestand.
Zahl der Züchter.
45,000  Stck.
33,ooo
28,000       
27,000       
24,000
21,000       ,,
20,000       
17,360     
17,242     
16,000       
16,000       ,,
15,000       
14,000       ,,
13,500       
13,000
13,000
11,000       
11,000       
10,705
10,000       ,,
10,000       
9,900       
9,500       
8,5°°
8,000       
7,000       
7,000       
6,000       ,,
6,000       
5,000
3,5°°      »
486
336
437
319
11
15
248
244
2G6
408
141
290
178
192
244
376
133
140
263
232
193
147
128
82
143
369
99
180
194 Vi
91
316
210
229
258
281
145
232
9
10
11
12
13
14
i5
16
17
18
19
20
21
22
23
24
25
26
27
28
29
30
3i
32
175
62
125
30
188
61
140
23
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0(&
DIE PFERDE IN SPANIEN.                                                                        99
In denjenigen Provinzen, für welche in der vorstehenden Tabelle die Zahl der Züchter
nicht angegeben ist, werden wahrscheinlich nur ganz vereinzelt und zufällig Pferde gezüchtet
und es wird dort der nöthige Bedarf aus den anderen Provinzen bezogen. In Salamanca sollen
— nach dem quest. Berichte — 23 Züchter existiren, doch es wird nicht angegeben, wie viele
Pferde in dieser Provinz vorkommen. — Das Königreich Spanien ist jetzt in 48 europäische
Provinzen eingetheilt; obige Tabelle macht uns nur mit dem Pferdebestande von 31 Provinzen
bekannt, und dürfen wir annehmen, dass dem Verfasser des Berichtes die Zahl der Pferde,
welche in den übrigen, nicht genannten 17 Provinzen vorkommen, unbekannt geblieben, wahr-
scheinlich also in denselben die Pferdezüchtung jetzt sehr unbedeutend ist. Wir wollen ver-
suchen im Nachstehenden eine Beschreibung der wichtigsten Zuchtplätze und deren Producte
aus der Neuzeit unsern Lesern zu liefern und stützen uns dabei einmal auf eigne Be-
obachtungen und sorgfältige Studien während unserer vorjährigen Reise durch jenes Land und
dann auf die Angaben der anerkannt tüchtigsten Autoritäten Spanien's, deren Werke und
Schriften wir bestmöglichst benutzt haben.*) —
I. DIE PFERDE IN ANDALUSIEN.
Die alte Capitanerie Andalusien — im Südwesten des Königreiches gelegen — begriff
früher die Königreiche Cordova, Sevilla, Jaen und Granada und umfasst jetzt acht Provinzen:
Sevilla, Cadiz, Huelva, Cordova, Jaen, Gianada, Almeria und Malaga, welche zusammen die
gesegnetste Landschaft Spanien's bilden; deren Natur und ihr vorzüglicher Boden begünstigen
in den meisten Strichen den Ackerbau, wie die Viehzucht, und beide vereint liefern dem
Lande alljährlich reiche Einnahmen. — Die in einzelnen Distrikten vorkommenden Steppen-
landschaften sind wahrscheinlich niemals kultivirt worden und haben nur hin und wieder als
Viehweiden Benutzung gefunden. In Andalusien leben auf 1583 Q Meilen nahezu 3,300,000 Ein-
wohner, welche sich vorwiegend mit dem Ackerbau und der Viehzüchtung beschäftigen, nur
ein geringer Procentsatz der Bevölkerung ernährt sich durch den Bergbau auf Zinnober, Blei,
Silber, Kupfer etc. oder durch die Leder-, Kattun-, Seiden- und Taback-Industrie. Cadiz,
Malaga und Sevilla betreiben hauptsächlich den Handel mit einheimischen Producten, von
welchen die Weine von Jeres und Malaga, sowie die Südfrüchte letztgenannter Provinz bekannt-
lich weltberühmt sind und alljährlich in grossen Mengen exportirt werden. —
Die Andalusier besitzen eine anerkennungswerthe Bescheidenheit und Einfachheit, sind
nüchtern und genügsam und machen auf den Fremden den Eindruck eines glücklichen Volkes.
Wir haben bei unserem Dortsein die Landleute jener Provinzen geradezu lieb gewonnen;
ihr gefälliges, gastfreies Wesen, gepaart mit etwas Leichtsinn — jedoch im guten Sinne —•
hat viel Bestechendes und macht die Andalusier zu einem der liebenswürdigsten Volks-
stämme des südlichen Europa. Sie erinnern in der Körperbildung, in Sitte, Sprache und
Charakter ein wenig an die Orientalen, wie diese sind die Andalusier höflich, ruhig und
gemessen und zeigen — gleich dem Castilianer — ein zwar stolzes, aber dabei doch zuvor-
*) 1. La Cria Caballar en Espana 6 Noticias historicas, estadisticas y descriptivas, acerca de este ramo de
riqueza, por el Coronel D. Juan Cotarelo y Garastazu. Madrid 1861.
2.    Reglemento de los Establecimientos de Remonta del Ejercito. Madrid 1861.
3.    Zootechnia aplicada a la Economia rural y Domestica por Don Leon Castro y Espejo, etc. Madrid 1865.
4.    Catälogo metödico y razonada de los Mamiferos de Andalucia, por el Doctor D. Antonio Machado y Nunez,
Catedratico y Decano de la Facultad de Ciencias, de la Universidad de Sevilla. Sevilla 1869.
5.    Tratado completa de Zootechnia 6 de Produccion animal por Don Nicolas Casas de Mendoza, etc. Madrid 1871.
6.    Apuntes sobre la cria caballar en Espana, por Miquel Lopes Martinez Madrid, 26 de Agosto de I875.
&____                                             ____________________________
14*
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IOO                                                                          DIE PFERDE IN SPANIEN.
kommendes Wesen mit viel Herzensgüte. Im gereizten Zustande ist aber — wie bekannt —
dieser Südländer aufbrausend, wild und leicht bereit von seinem stets mitgeführten grossen
Messer (Navaja) den gefährlichsten Gebrauch zu machen. —
Als Landwirth und Viehzüchter ist der Andalusier weit besser als sein Ruf; wir haben
uns oft überzeugt, dass er mit Hülfe der leider noch sehr plumpen Hand- und Spanngeräthe
seine Aecker und Weinberge fleissig kultivirt und die verschiedenen Hausthiere weit sorgsamer
pflegt und füttert, als beispielsweise der Süditaliener oder gar der Grieche. —
Gehen wir zur näheren Betrachtung der in Andalusien gezogenen Pferde über, so finden
wir beim Durchwandern der verschiedenen Provinzen dieses Landes mehrere Schläge *) bald
für diesen, bald für jenen Gebrauchszweck gezüchtet, allein ihre Unterschiede in den Körper-
formen und Gesammteigenschaften sind so gering, dass wir uns für berechtigt halten, dieselben
alle zusammenzustellen und in der andalusisch-spanischen Race unterzubringen. Einige der
besseren hierher gehörigen Schläge können wir als „gut consolidirte" bezeichnen, welche ihre
Formen und Eigenschaften sicher auf die Nachkommen vererben, andere hingegen , die aus
unzweckmässigen Kreuzungen hervorgegangen und ausserdem fehlerhaft gehalten sind, haben
nur geringen Werth und sollten lieber nicht weiter gezüchtet werden. —
Wir erwähnen schon hier, dass wir bei den übrigen Hausthiergattungen Andalusien's
in den verschiedenen Provinzen nur sehr unbedeutende, kaum bemerkbare Unterschiede in der
Körpergestalt der Thiere' wahrgenommen haben, und daher auch von verschiedenen Rinder -,
Schaf- und Schweine - Racen dort keine Rede sein kann. Die Merino - Schafe, welche sich von
den langwolligen andalusischen Churros wesentlich unterscheiden, darf man wohl nicht als
Thiere Andalusien's bezeichnen, da sie nur in der kurzen Winterzeit hier verweilen und ihre
Lämmer meistens in Estremadura oder Leon zur Welt bringen. —
Nachstehend lassen wir eine Beschreibung der besseren andalusischen Pferdeschläge
folgen und beginnen mit
a) DER ZÜCHTUNG IN DER PROVINZ SEVILLA.
Schon in ältester und älterer Zeit hat die Pferdezucht im Königreiche Sevilla einen guten
Namen gehabt und ist daselbst ziemlich umfangreich betrieben worden, was man zum grossen
Theile denjenigen Verboten und Begünstigungen wird zuschreiben können, welche wir weiter
oben in einer Anmerkung über die Erlasse der Könige Heinrich IV. und Philipp IL mitgetheilt
haben. — Der Oberst Cotarelo giebt in seinem Werke über die spanische Pferdezüchtung an,
dass im Jahre 1730 in der Provinz Sevilla allein 4,254 Stuten und 56 Deckhengste (Caballos
padres) gehalten wurden, welche 2,297 Fohlen erzeugt hätten. Von der Mitte des vorigen Jahr-
hunderts an wurde in Sevilla die Pferdezüchtung mehr und mehr vernachlässigt und zu Anfang
dieses Säculums existirten dort kaum noch 1000 Pferdezüchter. Im Jahre 1812 wurde die Maul-
thierzucht vollständig freigegeben und die Pferdezüchtung vom Staate nicht mehr begünstigt.
Später erlassene gesetzliche Bestimmungen zur Hebung der Pferdezucht sind von geringem
Erfolge gewesen, und erst durch die Einrichtung der grossen Vieh-Messen in Sevilla, Carmona
und Mairena (1847) ist dieselbe wieder befördert. Diese Messen wurden von vielen Aus-
ländern, besonders den Portugiesen besucht, welche daselbst die berühmten andalusischen
Hengste kaufen wollten. Schon zwei Jahre später ward die Messe von Sevilla mit 1,600 Pferden,
4,400 Fohlen und 2,683 Stuten beschickt, welche zu befriedigenden Preisen Abnehmer fanden.
Die Vieh-Messen oder Märkte an den genannten Orten haben, jetzt für die Hausthier-
Züchtung Andalusien's eine grosse Bedeutung erlangt; der Frühjahrs-Markt in Sevilla, am
*) spanisch: Castas.
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Landle schäl ei
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DIE PFERDE IN SPANIFN.
IOI
18., 19. und 20. April, soll mehrfach mit 150,000 Stück (Pferde, Esel, Maulthiere, Rinder,
Schafe und Schweine) beschickt werden, die zum weitaus grössten Theile in den andalusischen
Provinzen und in der Mancha gezüchtet werden; die Züchter dieser letztgenannten Provinz liefern
die schönsten Maulthiere, auch viele Maulesel und Esel auf den Markt; wir werden später auf
die Züchtung der berühmten Mulo-Raza manchega noch einmal zurückkommen und führen hier
nur an, dass auf den vorjährigen Herbstmarkt zu Sevilla nahezu 1,000 Maulthiere aus der Mancha
aufgetrieben waren. Leider haben wir in Sevilla die grosse Frühjahrs-Messe nicht gesehen,
doch wir hatten das Glück, gerade zur Zeit der vorjährigen Herbst-Messe in Sevilla einzu-
treffen, und verfehlten natürlich nicht, die dort aufgetriebenen Hausthiere einer sorgfältigen
Musterung zu unterziehen; die Pferde haben uns im Grossen und Ganzen am wenigsten
gefallen, wohingegen unter den Maulthieren, besonders aber unter den Rindern, auch unter
den Schweinen viele schöne, kräftige Exemplare zu finden waren, die der dortigen Züchtung
alle Ehre machten. — Der weitausgedehnte Markt-Platz dieser Stadt ist herrlich belegen,
gestattet eine gute Uebersicht und bietet für jeden Besucher, besonders aber für den fremden
Landwirth viel "des Interessanten und Sehenswerthen. —
Nach den Angaben des Don Miquel Lopez Martinez beschäftigen sich jetzt ,in der Pro-
vinz Sevilla nur noch 486 Landwirthe und Private mit der Pferdezüchtung und verwenden dazu
ungefähr 3,000 Stuten nebst einer verhältnissmässig grossen Zahl von Hengsten. Auf dem
Königlichen Hauptgestüte bei Sevilla standen im vorigen (1875) Herbste 203 Beschäler, von
welchen 135 Stück in der Provinz Sevilla und der Rest in der Provinz Cadiz zu Zuchtzwecken
Verwendung fand. — Es wurde uns vom damaligen Gestüts-Direktor, dem Oberst Francisco
Cortes angegeben, dass man durchschnittlich auf 25 Stuten einen Beschäler rechnete, dass
aber durch die Verwendung vieler Privathengste kaum mehr als 15 Stuten von einem Hengste
des Königlichen Gestüts belegt würden. Der hier abgebildete Hengst „Suizo" hat im vorigen
Jahre nur 11 Stuten bedeckt, und viele andere in Sevilla und Cadiz aufgestellte Landbeschäler
haben keine stärkere Benutzung gefunden. —
Das Gestüt oder Hengst-Depot (Deposito de caballos padres) bei Sevilla wurde uns vom
Chef der Abtheilung für Pferdezüchtung im Kriegs-Ministerium zu Madrid als das vorzüglichste
und bestbesetzte in ganz Spanien bezeichnet, und haben wir daher Gelegenheit genommen,
dasselbe wiederholt zu besuchen, die Hengste eingehend zu durchmustern und von den besseren
Individuen photographische Aufnahmen zu machen. Die beistehend abgebildeten Hengste
„Suizo" und „Contador" sind nach unseren Photographien auf das Sorgfältigste gezeichnet und
dürfen als gute Repräsentanten der modernen andalusischen Zucht betrachtet werden. —
Wir können nicht unterlassen an dieser Stelle zu bemerken, dass wir vor allem dort die
obersten Gestütsbeamten als ehrenhafte Männer kennen gelernt haben, die uns in offener, ehr-
licher Weise mit den guten und den schlechten Eigenschaften der andalusischen Pferde -Race
im Allgemeinen, wie speciell der in Sevilla aufgestellten Deckhengste bekannt gemacht haben,
und alle sprächen ihr Bedauern darüber aus, dass die andalusische Pferdezüchtung in Folge
der vielen Bürgerkriege und der immer weiter ausgedehnten Maulthierzucht so sehr in Verfall
gekommen sei und. dass zu einer gründlichen Besserung zur Zeit die nöthigen Mittel fehlten. —
Um unseren geneigten Lesern zu zeigen, mit welcher Sorgfalt die dortige Gestüts-
Verwaltung die Signalements ihrer Hengste aufstellt, lassen wir hier ein solches im Original
und in der Uebersetzung von dem Hengste „Suizo" folgen, und bemerken zugleich, dass die
in demselben gelieferte Beschreibung der einzelnen Körpertheile etc. genau ausgeführt ist und
mit der Wirklichkeit übereinstimmt.
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102                                                                       DIE PFERDE IN SPANIEN.
Cria Caballar. Deposito de caballos padres de Sevilla.
Resena e historia del caballo semental llamado „Suizo"
Edad
Alzada
Punto y
Valoracion
Resena.
en la prima-
vera de 1874.
rtos.
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Anos.
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4
7
&'„
1
54
X^
1375
izquierda.
Detalles de Conformaeion.
I.
Cabeza: ligera Castellana.
24.
Tendon maestro: proporcionado.
2.
Orejas: bien situadas.
25-
Menudillos: fuerte.
3-
Cuencas: hundidas.
26.
Cernejas: finas.
4-
Ojos : limpios.
27.
Cuartillas: proporcionadas.
5-
Frente : convexa.
28.
Coronas: redondeadas.
6.
Quijada: proporcionada.
29.
Cascos: acopados.
7-
Cara: un poco larga.
30.
Cruz: alta.
8.
Naricos: elevados.
31-
Dorso: ligeramento ensillada y largo.
9-
Ollares: rasgados.
32.
Costillas : arqueadas.
10.
Boca: proporcionada.
33-
Lomo : robusto.
11.
Labios: gruesos.
34-
Testiculos: aparentes.
12.
Barras ö asientos: finos.
35-
Grupa: ancha.
i3-
Comisuras: rasgados.
36.
Ancas: idem.
14.
Canal exterior: limpio.
37-
Caderas: idem.
i5-
Cuello: arqueado.
38.
Muslos: abultados.
16.
Espaldas: oblicuas y anchas.
39-
Nalgas: idem.
17-
Pecho: ancho.
40.
Piernas: fuertes y robustas. v
18.
Encuentros: separados.
41.
Corvejones: anchos.
19.
Brazos: robustos.
42.
Robustez: tiene.
20.
Antebrazos: idem.
43-
Movimentos: claros.
21.
Codos : proporcionados.
44-
Alegria: tiene.
22.
Rodillas: anchas.
45-
Docilidad: idem.
23-
Canas: un poco cortas.
46.
Conjunto: bueno.
Procedeacia e historia.
Procede de la ganaderia de Don Pedro Guerrero y hermanos, vecenio de Jerez, pro-
vincia de Cadiz. Fue adquirido en 1075 pesetas por la remonta de Granada, pero de orden,
de su Escelencia el Director general del arma fue destinado el 1. de Julio 1874 para el depo-
sito de Caballos padres de Sevilla. Cubrio allä en el anno 1875 segun el testimonio del coronel
Don F. Cortes 11 yeguas, que todas fueron prenadas.
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DIE PFERDE IN SPANIEN.                                                                        103
Pferde-Züchtung. Hengst-Depot zu Sevilla.
Beschreibung und Geschichte des Beschälers „Suizo".
Alter
im Frühjahr
Höhe
er.
Brand
Stelle ,
wo der
Werth
Beschreibung.
1874.
O
0
U3
Ö
oder
Brand
2
Jahre.
Vie
Fin
£
Centi
Eisen.
sich befindet.
Pes
U
Glanz-Rappe mit 4 weissen Füssen;
an der linken Seite das weisse Haar
4
7
61'
v 12
1
54
1375
---
hoch hinaufgehend.
Eingehende Beschreibun
g der
Körperbildung etc.
I.
Kopf: leichter castilianischer.
24.
Beugesehnen: proportionirt.
2.
Ohren: gut angesetzt.
25-
Fesselgelenk: stark.
3-
Augenhöhlen: tief liegend.
26.
Köthenschopf: fein.
4-
Augen: klar.
27.
Fesseln: proportionirt.
5-
Stirn: convex.
28.
Kronen: abgerundet.
6.
Kinnlade: proportionirt.
29.
Hufe: becherförmig.
7-
Gesicht: ein wenig lang.
30.
Kreuz: hoch.
8.
Nase: gross (erhaben).
3*-
Rücken: leicht eingesattelt und breit.
9-
Nüstern: weit geöffnet.
32-
Rippen: gut aufgewölbt.
10.
Maul: proportionirt.
33-
Lenden: stark.
11.
Lippen: dick.
34-
Geschlechtstheile: deutlich sichtbar.
12.
Laden: fein, zart.
35-
Kruppe: breit.
13-
Maulspalte: weit geöffnet.
36.
Hintertheil: desgl.
i4-
Kehlgang: rein.
37-
Hüften: desgl.
i5-
Hals: gewölbt.
38.
Unterschenkel: dick.
16.
Schultern: schräg und breit.
39-
Hinterbacken: desgl.
i7-
Brust: breit.
40.
Röhren: kräftig und stark.
18.
Vorderbrust: breit.
41.
Sprunggelenke: breit.
19.
Arme: stark.
42.
Körperkraft: ausreichend.
20.
Vorderarme: desgl.
43-
Bewegungen: frei.
21.
Ellbogen: proportionirt.
44-
Temperament: aufgeweckt.
22.
Kniee: breit.
45-
Gelehrigkeit: befriedigend.
23-
Röhren : ein wenig kurz.
46.
Gesammteigenschaften: gut.
Abkunft und Geschichte.
Stammt aus dem Gestüte des Herrn Guerrero (und Brüder) unweit Jerez in der Provinz
Cadiz, wurde für 1075 Pesetas für das Remonte - Depot in Granada angekauft, jedoch am 1. Juli
1874 auf Befehl Sr. Excellenz des General - Direktors der Armee dem Hengst-Depot von
Sevilla zugewiesen. Der „Suizo" bedeckte daselbst nach Aussage des Oberst F. Cortes im
Jahre 1875 elf Stuten, welche alle trächtig wurden.
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DIE PFERDE IN SPANIEN.
104
Der andere hier abgebildete Hengst aus dem Gestüte zu Sevilla „Contador" besitzt ein
schönes braunrothes oder bronzefarbenes Deckhaar von hohem Glänze; nur an der Stirn des
Thieres befindet sich ein kleiner weisser Fleck oder Stern; die Höhe-Messung desselben ergab
1,61 Meter oder 7 cuartos und 8 dedos spanisches Mass. Dieser Hengst war im Frühjahr 1875
in das neunte Lebensjahr g-etreten und ist seit vier Jahren mit bestem Erfolge zur Zucht in
der Provinz Sevilla benutzt worden. Auch der „Contador" stammt aus dem berühmten Gestüte
der Herren Guerrero, welches in der Nähe von Jerez de ia Frontera belegen ist. Hippologisch
ist an diesem Thiere zweierlei sehr auffallend; einmal die enorm überwiegende Vorhand und
ferner die stark entwickelten Hautverhältnisse gegenüber den schwachen Knochen. Wir
möchten den Kopf des „Contador" gegen den stark entwickelten Hals und die breite Brust
dieses Individuums noch verhältnissmässig leicht nennen, eine Eigenthümlichkeit, welche wir sonst
bei den Pferden dieses Schlages nicht wahrgenommen haben und die nach Aussage der Gestüts-
beamten in Sevilla auch nur selten vorkommen soll.*) — Aber trotz dieser verschiedenen
Mängel und Schönheitsfehler wurde der „Contador" von dem oben genannten Gestüts - Direktor
zu Sevilla als ein beachtenswerther Repräsentant der andalusischen Race bezeichnet und seine
Tüchtigkeit als Beschäler sehr gerühmt. —
Um nachzuweisen, wie eigenthümlich der Geschmack der Andalusier in Bezug auf die
Gestalt und Schönheit der Pferde — selbst bei den Sachverständigen in jenem Volke — aus-
gebildet ist, haben wir gerade von dem in Rede stehenden Thiere aus der modernen anda-
lusischen Zucht eine Abbildung hinzugefügt. — Von den anderen, in Sevilla aufgestellten
Beschälern haben uns einige durch ihre zwar kleine, aber immerhin sehr gefällige Körpergestalt,
Leistungsfähigkeit, und durch ihr gutmüthiges Temperament wohl gefallen, doch fanden wir
neben diesen besseren Thieren auch manches Individuum, welches zur Zucht lieber nicht
benutzt werden sollte und wahrscheinlich iauch schon längst ausrangirt sein würde, wenn der
unglückliche Krieg nicht fort und fort so grosse Opfer gefordert hätte, und zum Ankauf neuer,
brauchbarer Hengste nicht stets das Geld fehlte. —
Die Beamten des Gestütes klagten sehr darüber, dass die Beschaffung der fehlerfreien
Hengste mit grossen Schwierigkeiten verbunden wäre und Beschäler der alten, edlen Race
in Andalusien nur höchst selten angetroffen würden. Von der Aufstellung fremdländischer
Zuchtthiere wollte man hier, wie an den anderen Gestütsplätzen und auf den Remonte-Depots
nichts wissen; die Bevölkerung hält ihre andalusischen Rosse immer noch für recht brauchbare
Sattel- und Reitpferde, und man sprach uns gegenüber ganz unumwunden die Meinung aus,
dass die Züchtung von schweren Kutsch- und Wagen-Pferden für ihre Provinz mindestens
unvortheühaft, wenn überhaupt möglich wäre. — In dem genannten Gestüte war unter den
aufgestellten Hengsten nicht ein einziges Pferd deutscher Race — die Herren Officiere d. h.
die königlichen Gestütsbeamten in Sevilla und Cordova hielten nichts von der deutschen Pferde-
zucht — und die wenigen englischen Halbbluthengste, welche sich daselbst befanden und nur
hin und wieder einmal zur Paarung benutzt wurden, w^aren unbedeutende, geringwerthige
Thiere, desgleichen auch die paar normannischen Pferde, welche man vor einigen Jahren durch
*) Wir legten kurzlich die Photographien dieses unstreitig höchst interessanten Pferdes einem unserer tüchtigsten
deutschen Hippologen, dem Herrn Heinrich von Nathusius- Althaldensleben vor, und sprach derselbe die Meinung aus,
dass der Hengst „Contador" unter den iberischen Pferden — wenn man den französischen Unterschied zwischen brachy-
cephalen und dolichocephalen Pferden beibehalten wollte — wahrscheinlich zur erstem gehörte und damit auch des Thieres
lymphatische Natur zusammenhinge. Die zwecklosen Hantentwickelungen bilden unter dem Halse eine förmliche Wamme,
ebenso auch eine solche vor dem Geschröte, und endlich ist noch charakteristisch die stark entwickelte Piephacke am rechten
Sprunggelenke, welche leider von unserem Zeichner auf dem beistehenden Bilde nicht vollständig wiedergegeben ist. —
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..
Co Uta clor
,andh 3sc                Sevilla.
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DIE PFERDE IN SPANIEN.                                                                        105
Händler in Marseille hatte aufkaufen lassen. Ganz besonders ist es uns aufgefallen, dass unter
den 203 Beschälern jenes Gestütes sich nur zwei orientalische Hengste von hübscher Gestalt
fanden, die aber ihrer geringen Körpergrösse wegen nur selten von den Stuten-Besitzern zur
Zucht gewählt wurden und bislang auch keine befriedigende Nachzucht geliefert haben sollen. —
Die Zuchtstuten, welche wir in der Provinz Sevilla, namentlich auf der oben erwähnten
Herbst-Messe der Hauptstadt und dem grossen Viehmarkte zu Santiponce zu Gesicht bekamen,
haben uns zum Theil noch besser gefallen, als die Mehrzahl der Hengste, welche in dem
fraglichen Gestüte aufgestellt waren. Es ist uns manches hübsch gewachsene Individuum vor-
gekommen, welches zwar etwas leicht von Knochen war, aber doch eine normale Glieder-
stellung und alle guten Eigenschaften eines 1 e i c h t en Reitpferdes besass. Anderseits haben
wir aber auch auf diesen Märkten manches Pferd zu sehen bekommen, welches nur als
„gemeiner Klepper"*) bezeichnet werden konnte, und viele dieser Geschöpfe wurden um
wenige Duros an die Besitzer von Arenen verkauft; in diesen 'sollten sie dann an einem der
nächsten Sonn- oder Festtage zum Ergötzen der schaulustigen Menge im Stiergefechte auf
eine Grauen erregende Weise zu Grunde gehen. —
Der Königl. Gestüts -Inspektor G. Schwarznecker in Wickerath giebt in seinem vorzüg-
lichen Werke über „Pferdezucht" an, dass in Spanien alljährlich 3000 bis 4000 Stück Pferde
in circa 400 Vorstellungen, welche in 97 Arenen der grösseren und kleineren Städte gegeben
werden, umkommen. Wir halten diese Angaben für durchaus glaubwürdig, denn wir selbst
hatten Gelegenheit am ig. September 1875 zu sehen, dass bei einem Stiergefechte in der
grossen, neu erbauten Arena vor Madrid von sechs Stieren, welche auf den Kampfplatz kamen,
sieben Pferde lebensgefährlich verwundet und acht andere sofort getödtet wurden.
Wir gedenken im zweiten Bande bei der Beschreibung der spanischen Rindvieh-Racen
auf die dortigen Stiergefechte und die zwar sonderbaren, aber immerhin erstaunlichen Leistungen
der verwilderten Stiere zurückzukommen, sprechen aber schon hier unser Bedauern darüber
aus, dass bei jenem Volke die Stiergefechte noch immer so beliebt sind und selbst die s. g.
Gebildeten der spanischen Nation den Stiergefechten in verhältnissmässig eben so grosser
Zahl zuströmen, wie die Mendigos (d. h. aufdringliche Bettler) mit den vielleicht eben erpressten
Cuartos in der Tasche, um dafür den schlechtesten Platz an der von der Sonne beschienenen
Seite der Arena einzunehmen. —
Man theilt die Pferde der Provinz Sevilla ein in Marsch-, Feld- und Gebirgspferde**)
und bezeichnet —• wohl mit Recht — die Gebirgsthiere, besonders die von der Sierra de
Montellano, als die besten in ganz Spanien; dieselben sind zwar klein, aber sehr lebendig und
geschickt in ihren "Bewegungen; ihr Kopf ist trocken oder frei von überflüssigem Fleische
(descarnado); sie haben einen kurzen, starken Rücken, gesunde, kräftige Gliedmassen, doch
stehen ihre Vorderfüsse meistens ein wenig nach Aussen, und sie besitzen schön glänzende,
starke und gesunde Hufe, welche ohne Beschlag selbst auf steinigen Wegen gut aushalten.
Die Stuten dieses Schlages erreichen selten eine Höhe von 1,57 Meter (5 Fuss) und sind
meistens nur 1,45 bis 1,50 Meter gross. Für den spanischen Reiter ist der weiche, zierliche
Gang dieser Thiere zwar angenehm, uns war derselbe nicht schnell genug; sie heben ihre Füsse
bei den verschiedenen Gangarten hoch empor, treten im Schritte bedächtig auf und zeigen fast
alle ein stolzes, edles Wesen, welches durch die hübsche Stellung des Kopfes und Halses
unterstützt wird.
*) spanisch: „Haca".
**) spanisch: Caballos de la Marisma, caballos de la campina y caballos de la Sierra.
Freytag, Hausthier-Racen. IV.                                                                                                                                  lb
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DIE PFERDE IN SPANIEN.
Bei den s. g. Marsch- oder Fluss-Pferden der Niederung am Guadalquivir, in der Um-
gegend von Utrera und San Lucar la Mayor, findet man im Allgemeinen weniger schöne
Gestalten, die Thiere sind etwas grösser, als jene der Gebirge, und haben meistens einen
langen Kopf mit stark geramster Nase und grossen, langen Ohren, welche etwas tief angesetzt
sind. Der Spanier findet indessen den Ramskopf seiner Pferde nicht hässlich und bezeichnete
ihn als „echt castilianisch," welchen alle reinblütigen Thiere des Landes besitzen müssten.
Das Haar der Niederungs-Pferde wird länger und struppiger als das der Bergpferde.
Ueber die Entstehung des stark entwickelten Ramskopfes bei den meisten spanischen
Pferdeschlägen wurde uns von einem Sachverständigen, dem Oberforstmeister von Campuzano
in Madrid mitgetheilt, dass eigentlich erst während der Regierungs-Periode König Carl's HL
(1759—1788) diese Kopfform beliebt geworden und in Mode gekommen sei. Dieser Herrscher
war bekanntlich vor Uebernahme des spanischen Thrones König von Neapel, hatte hier in
seinem Stammlande die Pferdezüchtung begünstigt und ihr sogar nach Aussage verschiedener
Historiker einen europäischen Ruf verschafft. Die neapolitanischen Pferde des vorigen Jahr-
hunderts hatten fast alle einen leicht geramsten Kopf, und der König Carl, welcher selbst eine
stark gebogene Nase besass, zeigte eine ganz besondere Liebhaberei für die Pferde mit einem
Ramskopfe oder einer Ramsnase. Auf allerhöchsten Befehl wurden bald nach Carl's Regierungs-
antritt viele neapolitanische Hengste nach Spanien geführt und daselbst zur Zucht benutzt, und
es sollen erst durch diese Kreuzung die Ramsköpfe bei den spanischen Pferderacen ausgebildet
worden sein. — Wenngleich wir keine Veranlassung haben, diese Angaben unseres Gewährs-
mannes zu bezweifeln, so bemerken wir doch dazu, dass wir in Spanien anf vielen Gemälden
und Kupferstichen aus früheren Jahrhunderten die spanischen Pferde fast stets mit Ramskopf
abgebildet gesehen haben, und wir vermuthen, dass diese eigenthümliche Kopf- und Nasen-
bildung schon seit ältester Zeit jenen Racen eigen gewesen ist. Don Antonio Machado y Nunez
giebt in seinem Werke über die Säugethiere Andalusien's an, dass die Pferde dieses Landes
ihr widderköpfiges Angesicht*) und die grossen Ohren von den castilianischen Thieren ererbt
hätten; diese wären von Cordova gekommen und hätten ihren Ursprung in der neapolitanischen
Race gehabt, von welcher der König Carl III. Deckhengste nach Spanien kommen liess.**)
Desselben König's Minister, der Graf Aranda und der Staatsrath Campomanos haben Erheb-
liches für die Verbesserung der Landwirthschaft und Viehzucht Spanien's geleistet; beiden
gebührt das Verdienst, dass gut gewachsene, brauchbare Hengste aus der Fremde — zum
Theil aus Neapel — herbeigeholt und zur Veredlung der heimischen Schläge verwendet worden
sind. Aranda regte die ländliche Bevölkerung, zum Theil durch eigenes gutes Beispiel, zum
bessern Betriebe des Ackerbaues an, auch liess er grosse, wüste Länderstrecken, so nament-
lich die Abhänge der Sierra Morena durch den tüchtigen Don Olivades cultiviren, und ver-
anlasste die Landwirthe nicht nur Getreide, sondern auch Futtergewächse auf den Feldern
anzubauen. —
Das Klima und der Boden Andalusien's ist für die Vegetation im Allgemeinen, besonders
aber für die volle Entwickelung vieler Futterpflanzen sehr günstig; wir fanden dort den
üppigsten Stand der nahrhaftesten Gras und Klee-Arten, wie z.B. Rothklee, Luzerne, Süss-
*) spanisch: cara acernerada.
**) „No creemos sean muy exactos algunos de los caracteres asignados ä los caballos andaluces, por el distin-
guido autor äntes citado, segun las castas que estudiemos los hallerernos aplicables ö que faltan en algunas, sin poder
generalizarlos: la cara acamerada y las orejas grandes se ven en los Hamados castellanos procedentes de Cordoba y
originarios de la raza napolitana, cuyos sementales trajo a Espana el Rey Carlos III." —
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,'.
riaca
oder Klepper aus Audä-lufie?
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DIE PFERDE IN SPANIEN.
107
klee (Hedysarum) neben Wiesenhafer, ausdauernden Lolch und Hopfenklee,*) und alle diese
Gewächse liefern in der Regel reiche Ernten, welche zum grossen Theile mit zur Ernährung
der Pferde, Maulthiere und Esel benutzt werden. —
Die Weiden sind im Herbst, Winter und Frühjahr stets reich mit Gräsern und nahrhaften
Futterkräutern bestanden, und nur während der heissen, meist regenarmen Sommer-Zeit ver-
dorrt das Futter und es müssen sich dann wohl die weidenden Thiere etwas knapper behelfen;
wir vermuthen jedoch, dass der Nährwerth dieses dürren Weidegrases in Andalusien immer
noch recht gross sein muss, andernfalls würden die Thiere kein so gutes Aussehen zeigen,
wie wir solches im September und October 1875 dort wahrgenommen haben. Die Pferde und
Fohlen, welche wir damals nicht nur auf den Weiden der Niederung, sondern auch auf den
Gebirgsweiden Andalusien's gesehen haben und die ein Zufutter von Gerste, Mais oder dergl.
nicht erhielten, waren zwar nicht fett aber doch in einem guten Fleischzustande, munter und
lebendig und machten keineswegs den Eindruck, als hätten sie an Futtermangel zu leiden.
Unsere sachverständigen, andalusischen Reisebegleiter, der Oberst Sotto y Campusono und
dessen Gestüts-Inspector, sagten uns, dass beim Eintritt der Herbst-Regenzeit die Vegetation
rasch von Neuem erwachte und das Futter üppig emporwüchse, durch dessen Genuss die Pferde
in kurzer Zeit wieder in den vorzüglichsten Futterzustand kämen, eigentlich fett würden. —
Die Hengste in den andalusischen Gestüten und die Pferde in den Remonte-Depots,
welche im Stalle ernährt werden, erhalten Jahr ein Jahr aus Gerste als Hauptfutter und ausser-
dem mehrere Zolle langen Strohhäcksel und Luzerne als Nachtfutter. Im Herbste des vorigen
Jahres (1875) bestand das Futter der Landbeschäler zu Sevilla in einem Gemenge von zwei
Theilen Gerste und einem Theile grosser grauer Kichererbsen (Cicer arietinum), **) welche
durch ein vier und zwanzigstündiges Einlegen in Wasser erweicht wurden, und es schien dieses
Futter den Thieren sehr zuträglich zu sein. —
Die Landleute verfüttern im ganzen südlichen Spanien an ihre Pferde, Maulthiere und
Esel neben Gerste grosse Quantitäten Mais und Johannisbrod; auch das Stroh oder Laub vom
Johannisbrod-Baume bildet ein g-eschätztes Nährmittel für die Pferde; dasselbe ist süsslich,
weich, schmackhaft, wohlriechend und wird von den Thieren gern gefressen. Wiesenheu und
andere getrocknete Futterpflanzen reicht man den Pferden in der Regel nicht dar, sondern
giebt solches lieber den Rindern und Schafen zur Zeit der grössten Dürre oder im Winter
während der oft wochenlang anhaltenden Regenperiode. —
Eine sehr reiche, üppige Vegetation findet man in den Monaten Februar bis Juni auf den
beiden Inseln im Guadalquivir, und es wird ganz besonders die kleine Insel (Isla Menor) ihrer
ergiebigen Weiden wegen von den andalusischen Viehzüchtern hoch geschätzt; man trifft
daselbst in den Frühjahrsmonaten mehr denn tausend Pferde verschiedenen Alters, acht hundert
bis tausend Stück Rinder und vier- bis sechstausend grosse Marschschafe, welche dort alle auf
das Beste ernährt werden. — Die grosse Insel hat desshalb einen etwas geringeren Werth, weil
ihre Weiden häufig durch Ueberschwemmungen leiden und in Folge dessen hier weniger zarte
und nicht so nahrhafte Gräser und Kräuter wachsen, als auf der kleinen Insel. —
Zum Schluss dieses Abschnittes über die Pferdehaltung in der Provinz Sevilla wollen
wir noch die zur Zeit renommirtesten Pferdezüchter namhaft machen; an der Spitze steht als
grösster und — nach Aussage dortiger Hippologen — tüchtigster Züchter Senor de Benjumea,
welcher in den letzten Jahren verschiedene vorzügliche Hengste an die Königlichen Gestüte
*) spanisch: Carreton.
**) spanisch: Garbänzos.
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DIE PFERDE IN SPANIEN.
          abgegeben hat. Die von seinen Hengsten und Stuten gefallenen Füllen werden
_ 7|         mit einem Brande in der beigesetzten Form gekennzeichnet, und bilden eine hoch-
'/■ ' geschätzte Handelswaare für ausländische Käufer andalusischer Pferde. Ausserdem
{J \J wurden uns als* tüchtigste Züchter genannt die Herren von Concha-Sierra, die
Gebrüder Linares, Vasquez, Cisia, Lesacu, Rivas, der Graf von Aguila, der Marquis von
Gandul, der von Granja und endlich noch der Herr von Ciguri, dessen Pferde ein
I ■ Brandzeichen in der beigefügten Form erhalten und sich durch grosse Geschicklich-
keit keit und gefällige Gangart vor manchen anderen Pferden der Landschaft auszeichnen
I I sollen. — In den Kleinwirthschatten der Bauern von Sevilla wird die Pferdezüchtung
^ I _ nur ausnahmsweise betrieben; man führt die Pferdestuten lieber dem Eselhengste zu,
treibt Maulthierzucht und bezeichnete uns gegenüber die Pferdezüchtung als „noble
Passion," welche man am Besten den grossen Herren (Granden) überliesse. —
b) DIE ZÜCHTUNG IN DER PROVINZ CORDOVA.
Diese Provinz wird durch den Guadalquivir in zwei, wohl von einander zu unter-
scheidende Bezirke getheilt. Der nördliche Theil ist gebirgig, grenzt im Nord-Osten an die
Sierra Morena und bildet hier eine herrlich schöne Landschaft, welche mit immergrünen
Sträuchern und Bäumen reich besetzt ist; wir finden dort die Myrthen, den Steinloorbeer-, den
Erdbeerbaum, die Kermes-Eiche, dann Oelbäume, Terebinthen und Pistacien in den schönsten,
zum Theil sehr alten Exemplaren. Weiter unten im Hügellande und in den Flussthälern des
Guadalquivir und seiner Nebenflüsse, in der s. g. Campana de Cordoba sehen wir auf den
üppigen Fluren zwischen Pinien und Korkeichen die Weinreben und viele andere Schling-
pflanzen, welche ihre Ranken bis hoch in den Gipfel der Bäume senden. Der andere, kleinere
Theil dieser Provinz, welcher südlich vom Guadalquivir belegen ist, bildet ein ausgedehntes
Flachland, das Hauptgebiet der Oliven-, Wein- und Getreide - Cultur. Die dortige Flora zeigt
eine Fülle und Ueppigkeit, wie wir solche vielleicht in keiner andern Gegend der pyrenäischen
Halbinsel wieder finden, und es ist uns sehr wohl erklärlich, dass gerade dieser Landestheil
seit ältester Zeit zu dem bestbevölkerten Spanien's gehört. — Das Klima Cordova's begünstigt
den Ackerbau, wie die Viehzucht; im Frühjahr und Sommer heiss und sonnig und zu der Zeit,
in welcher der Solano (Ostwind) weht, zwar trocken, sonst aber während der übrigen Zeit des
Jahres feucht und warm. Die Regenzeit in den Winter-Monaten hat eine Dauer von ein und
ein halb bis zwei Monaten und ruft in kurzer Zeit eine neue, üppige Vegetation aller Gewächse
hervor. Uns selbst konnte zwar die hohe Temperatur der Atmosphäre (Ende September noch
280 bis 300 Reaumur im Schatten) nicht recht zusagen und wir finden die Bezeichnung „spani-
scher Backofen" für jene Landschaft zwischen Montero und Cordova ganz bezeichnend, geben
aber gern zu, dass für die Aufzucht der Pferde und Maulthiere, welche Nacht und Tag im
Freien auf der Weide verbleiben sollen, das warme, heisse Klima günstig sein mag und daher
auch die Entwickelung der Fohlen dort rasch und ungestört vor sich gehen kann. — Wenn
von verschiedenen hippologischen Schriftstellern behauptet wird, dass die spanisch - andalu-
sischen Pferde sich im Allgemeinen langsam entwickelten und eigentlich erst im 6. Lebensjahre
zur vollen Körpergrösse gelangten, so beruhen solche Angaben auf falschen Beobachtungen
oder unwahren Mittheilungen; wir haben im Gegentheil die Bemerkung gemacht, dass jene
Pferde sich rasch entwickeln und die Stuten, wie die Hengste bereits im 4. Lebensjahre voll
ausgewachsen sind. —
Die verhältnissmässig grosse Zahl von Pferdezüchtern und der starke Bestand an diesen
Hausthieren in der Provinz Cordova (siehe oben die statistische Tabelle) im Vergleich zu den
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CORDOVA.
C I V J) A D R E A L
ErltläruiLg.
Gestüte_______________________
twn/glic/te Hengst-Depots .........^i
OrtsduißejL,mo mit Rindern,
gearbeitet wird,________......_..
OrtseJvaften,, nto mit JlduZthieren,
bearbeitet wind_________.........
Grenzen der Pro vinzcn, in, welchen,
viele Pferde gezogen, melden._____
ingl- solche, mo weniger Fferde
{.werden,------.....________
Ortsettaften,,n>o Remonten. gehäuft
•rdensind und- deren, Zeit-Mpöine j^
Depots, welche von, den königlichen.
Dcschälstalionen, abhängen,______ $&
Die Zahlen,, welche sich, unter* den,
Pferdegruppen, befinden, bezeichnen,
die Zahl, der Züchter, welche es in,
jener Gegend, aiebt.
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DIE PFERDE IN SPANIEN
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anderen Provinzen Andalusien's erklärt sich zum Theil durch die Gunst des dortigen Klima's,
zum Theil durch die grosse Vorliebe der Bevölkerung für die Perdehaltung und ausgedehntere
Züchtung gerade dieser Hausthiere.
Die Pferde Cordova's sollen seit ältester Zeit berühmt gewesen sein, und wenn früher
die andalusischen Rosse überall im Auslande einen grossen Ruf genossen, so verdankten sie
diesen wahrscheinlich der sorgfältigen Züchtung im südlichen Theile jener Provinz, in der
Campana de Cordoba. Hier wird auch die Schafzüchtung heute noch, wie schon vor tausend
Jahren, sehr umfangreich betrieben; die Merinos-Schafe Cordova's hatten ihrer edlen, sanften
Wolle wegen, am Ende des vorigen Jahrhunderts einen besonders guten Ruf und standen den
edelsten Thieren von Segovia und Leon im Werthe kaum nach. —
Der Ackerbau hat in Cordova niemals eine grosse Bedeutung gehabt und scheint immer
ziemlich sorglos betrieben zu sein. Auch gegenwärtig steht er in Vergleich zu den anderen
andalusischen Provinzen auf einer tiefen Stufe der Entwickelung und es ist ein Fortschritt hier
kaum bemerkbar. Dagegen zeigen sich die Bewohner der Campana gewerbfleissig, und sie
leisten auf dem Gebiete der Wollenweberei, der Lederfabrikation und Schuhmacherei recht
Beachtenswerthes. Die Corduan-Macher, welche vorwiegend Bock- und Ziegenfelle — in der
Neuzeit auch häufig Kalbfelle — verarbeiten, galten schon in älterer Zeit für äusserst geschickt
und bildeten eine wichtige Zunft in der Hauptstadt dieser Provinz. Heute wird zwar nach
unseren in Cordova angestellten Ermittelungen die Corduan-Bereitung dort weniger sorgfältig
betrieben als früher, und es ist wohl in Folge dessen jene Leder-Sorte nicht mehr so berühmt,
wie das in den Städten Ghöslawo und Karasu in Taurien gefertigte gleichnamige Leder. —
Die schlechte Beschaffenheit der Wege in Andalusien, welche in der Provinz Cordova
geradezu sprüchwörtlich geworden ist, hat dem dortigen Handel grossen Schaden gethan, und
es reicht derselbe jetzt kaum über Malaga, Cadiz und Sevilla hinaus. Aus gleichem Grunde
liegt der reiche Bergbau des nördlichen Theiles der Provinz, welcher zur Zeit der Mauren-Herr-
schaft dem Lande oder den Fürsten grosse Schätze (Silber, Blei, Kupfer, Quecksilber, Zin-
nober und Eisen) lieferte, sehr darnieder und ward fast überall sehr nachlässig betrieben. —
Unter der schlechten Beschaffenheit der Wege haben die Hausthiere ebenfalls sehr zu leiden,
und wenn auch Rossmässler in seinen Reise-Erinnerungen aus Spanien sagt: „der Spanier
ist geduldig und fährt Schritt," so haben wir uns doch nicht selten überzeugt, dass selbst starke
Zugthiere, z. B. grosse, kräftige Ochsen mit einer massigen Last hinter sich, kaum im Schritte
auf den schlechten Landstrassen vorwärts kommen konnten. —
In Andalusien, wie überhaupt in allen Ländern mit schlechten Wegen, haben wir die
zweirädrigen Karren*) im Gebrauche gefunden. Durch Verminderung der Reibung, indem man
die der zwei fehlenden Axen vermeidet, ferner durch sehr grossen Umfang der Räder und
durch sorgfältige Beobachtung des Gleichgewichts beim Befrachten vor und hinter den Rädern
erleichtert man zwar den Zugthieren die Aufgabe um ein Bedeutendes, aber immerhin haben
dieselben stest mit viel Ungemach zu kämpfen, und es wäre den Thieren sehr zu wünschen,
dass die neue Regierung, jetzt nach beendigtem Kriege, auch eine Besserung der LIeerstrassen
etc. vornehmen Hesse. —
Nicht nur die Handelswaaren, Ernten und schweren Lasten werden im südlichen Spanien
auf zweirädrigen Karren befördert, sondern auch das Personen-Fuhrwerk ist in der Regel —
vielleicht mit Ausnahme der Posten und Staats-Equipagen — ein zweirädriges; man nennt sie
dort Galeren oder Tartanas, und wir wollen in Folgendem unseren geehrten Lesern eine Be-
*) spanisch: carros.
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DIE PFERDE IN SPANIEN.
HO
Schreibung dieser eigenthümlichen Gefahre liefern. Die Galera unterscheidet sich von der
Tartana nur durch ihren etwas grösseren, plumperen Bau; beide sind vorn und hinten offen
und der Länge nach mit einem Dache aus Wachsleinwand oder Leder überwölbt; das Leder-
dach ist meistens schwarz gefärbt und der Wachsleinwandüberzug gewöhnlich mit einer hellen
Oelfarbe angestrichen. Vorn und hinten finden sich an diesen Wagen roth- oder grünseidene,
mit anders gefärbten Fransen besetzte, in Bogen aufgeraffte Vorhänge und ausser diesen noch
lederne oder leinene aufgerollte Regenvorhänge. Man steigt von hinten über die bogenförmig
ausgeschnittene Hinterseite oder auch durch eine niedrige Thür in das Gefähr. Der Boden
ist entweder aus Brettern gebildet oder besteht aus einem dichten, etwas hängenden Esparto-
geflecht.*) Die gewöhnlich schlecht gepolsterten Längsbänke ruhen auf Druckfedern und sind
mit Tuch oder Leder überzogen. Die Räder der Tartana sind sehr hoch und stark gebaut,
so dass sie auf den schlechten Wegen noch verhältnissmässig lange ausdauern können. Die
Pferde, oder auch die Maulthiere, welche in die Gabel- oder Scheer-Deichsel dieser Karre
gespannt werden, sind in den meisten Fällen am Kopfe und Kummete mit dicken, buntfarbigen
Troddeln und Quasten so reich behangen, dass man vom Kopfe und Halse der Thiere nur
wenig zu sehen bekommt, und die ganze Equipage machte auf uns, wie wohl auf alle Fremden
in Spanien, einen höchst seltsamen Eindruck. —
In Bezug auf Sattel- und Zaumzeug der Andalusier möchten wir noch anführen, dass
das Eine, wie das Andere heute noch vollkommen maurisch ist und sich Beides von dem Reit-
zeuge der Orientalen, wie wir solches (1874) auf unseren Reisen durch Bulgarien, RumeHen
und Anatolien kennen gelernt haben, kaum wesentlich unterscheidet. Der Sattel ist aus zwei
Bäumen gebildet, welche sich vorn und hinten in einem hohen Bogen vereinigen und worüber
eine starke Ochsenhaut gespannt ist. Ueber diesen Sattelbock legt der Reiter ein gut gepol-
stertes Kissen und überdeckt das Ganze mit einer Decke von scharlachrothem Wollstoff, welche
vor und hinter dem Sattel mit dicken, lang herabhängenden Fransen besetzt ist. — Die Steig-
bügel sind schwer und so breit und lang, dass sie den ganzen Fuss der Länge nach aufnehmen
können, und werden gewöhnlich ziemlich kurz geschnallt. An den Steigbügeln des andalusischen
Reitzeuges haben wir jedoch an der hinteren Seite die Spitzen vermisst, welche sich fast immer an
den echt türkischen Bügeln vorfinden und welche, statt der den orientalischen Reitern fehlenden
Sporen, dazu benutzt werden, die Pferde zum rascheren Gange anzutreiben. Die Sporen sind
auch bei den Andalusiern nicht recht beliebt; man benutzt lieber die Peitsche zum Antreiben der
Thiere und weiss von dieser — wenn nöthig — einen recht ernstlichen Gebrauch zu machen. —
Was übrigens die Behandlung der Pferde in Andalusien, besonders in der Provinz Cor-
dova betrifft, so können wir aus eigener und längerer Wahrnehmung erklären, dass die nach-
stehenden Mittheilungen des Obersten della Torre über die Behandlung und Wartung der
Pferde in Spanien der Wirklichkeit entsprechen. —
„„Die Pferde werden nach der Arbeit sogleich abgezäumt und an die rein ausgewischte
Krippe geführt. Alsdann werden dieselben an den Vorderbeinen gefesselt,**) zu welchem Zwecke
*) Das Esparto- oder Spart-Gras (Stipa Macrochloa tenacissima) wächst in Spanien überall wild und eignet sich
ganz vorzüglich gut zur Anfertigung von Körben, Stricken, Fussteppichen, Matrazzen, Bettgurten, Schuhen (alpargatas),
Schnüren und dergl. mehr; die daraus hergestellten Gegenstände sind wohlfeil, dauerhaft und leicht, und so erklärt es
sich, dass diese Pflanze einen wichtigen Handelsartikel des Landes bildet. Die Blätter und dünnen Zweige des Esparto-
grases werden zuweilen auch zur Fütterung der Hausthiere verwendet, besitzen jedoch nur einen geringen Nährwerth und
werden bald verschmäht. —
Zu gleichen Zwecken wird auch das ebenfalls in Spanien wild wachsende Lygeum spartum L. benutzt.
**) Bei dem weiter hinten abgebildeten Klepper (Haca) fanden sich an dem einen Vorderfusse abgeschabte Stellen,
welche durch dieses eigenthümliche, jetzt mehr und mehr ausser Gebrauch kommende Fesseln des Pferdes entstanden waren.
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DIE PFERDE IN SPANIEN.                                                                       I I I
jeder Reiter einen weichgedrehten, dicken Strick aus Wolle nebst einem Knebel in seiner
Satteltasche mit sich führt. Das Thier soll auf diese Weise verhindert werden, zu „schreiben,"
wie man es nennt, wenn es einen seiner Vorderfüsse nach vorwärts streckt, anstatt gleich-
massig auf beiden zu stehen. Ersteres hält man, nicht ohne Grund, nach grosser Anstrengung
für schädlich. Hierauf werden die Pferde derb bei den Ohren gezogen und diese kräftig gegen
den Kopf gerieben, um den Pferden die Müdigkeit zu benehmen. *) Unterdessen hat der Stall-
knecht einen Kübel mit heissem Wasser und einen Teller mit Salz gebracht, welches letztere
in das Gefäss mit Wasser geschüttet und darin umgerührt wird. Mit diesem Salzwasser,
welches so warm sein muss, als es nur ausgehalten werden kann, wird dann, die Brust der
Thiere tüchtig abgewaschen. Dieses Verfahren nennt man eine Salmuera;**) sie soll die Brust-
muskeln stärken und zum Appetit reizen. Hierauf werden die Pferde mit Stroh so lange ab-
gerieben, bis sie vollkommen trocken sind. Die beschriebenen Operationen nehmen zwar
viel Zeit in Anspruch, man verwendet diese aber gern darauf, weil man sie für äusserst zu-
träglich und für die Gesundheit der Thiere nothwendig erachtet. Erst nach Beendigung der
Abreibung werden die Geschirre oder Sättel abgenommen, deren Gurten bis dahin nicht einmal
gelüftet werden dürfen, und endlich wird der Rücken der Pferde mit Branntwein und Seife
tüchtig abgewaschen und wieder trocken gerieben. — Man sieht es den Thieren deutlich an,
wie wohl ihnen alle diese Manipulationen thun, und sobald ihnen zuletzt die Decken aufgelegt
werden, blicken sie leise wiehernd ihre Wärter oder Reiter an, als ob sie ihnen für ihre Be-
mühungen danken, oder auch um Nahrung bitten wollten. Diese letztere erhalten sie dann
auch und zwar in aussergewöhnlichen Fällen dergestalt, dass man Brod — in ziemlich kleine
Stücke geschnitten — in die Krippe schüttet und gehörig mit Wein übergiesst. Erst nachdem
die Mischung ordentlich zu Stande gebracht ist, wird den ungeduldigen Thieren erlaubt, die
ungewohnte, sonderbare Kost zu versuchen, und es gewährt eine wahre Freude zu sehen, wie
hastig und vergnügt sie die Weinsuppe verzehren. — Diese Behandlung, wenn auch umständ-
lich und kostspielig", bekommt den Pferden ganz ausgezeichnet. Am nächsten Tage sind sie
so frisch und munter, als ob sie lange geruht hätten, und man kann ihnen ohne Gefahr dabei
das Doppelte der gewöhnlichen Leistungen zumuthen. Der Spanier führt ein Sprüchwort sehr
häufig im Munde, welches heisst: „Tripas lievan piernas" („der Magen trägt die Füsse.") —
Wir verstehen die Bedeutung dieser Worte sehr wohl, und möchten allen Pferdebesitzern,
welche von ihren Thieren wirklich grosse Leistungen fordern, dringend empfehlen in erster
Linie für eine gute Pflege und zweckmässige Ernährung derselben Sorg'e zu tragen. —
Die Einrichtung der Armee -Remonte- Depots (Establecimientos de Remonta del Ejercito)
zu Cordova und auf der Rambla in der Nähe von Montilla, welche im Herbste 1875 unter der
Direktion eines ebenso tüchtigen wie gefälligen Herrn, dem Obersten de Sotto y Campuzano
standen, haben wir persönlich näher kennen gelernt und möchten dieselben in jeder Beziehung
musterhaft und vortrefflich nennen. — Das vor Jahren vom Kriegs-Ministerium für diese In-
stitute erlassene, ziemlich strenge Reglement wurde mit einer Gewissenhaftigkeit befolgt, wie
wir solches in Spanien überhaupt nicht erwartet hatten. Die Beamten und Reitknechte — alle
Militair-Personen — versahen ihren Dienst mit einer Pünktlichkeit und einem Ernste, welcher
uns geradezu imponirte, und wir mussten der Arbeitsleistung dieser zum Theil noch jungen
Burschen (Rekruten) die grösste Anerkennung zollen. Die Bedienung der Pferde, das Zureiten
*) Denselben Gebrauch haben wir auf unserer Reise durch Rumänien bei den dortigen Kutschern und Reitknechten
kennen gelernt.
**) Salmuera heisst jede Salzbrühe oder Salzlake.
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DIE PFERDE IN • SPANIEN.
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und die Dressur der Remonten wurde daselbst mit grossem Geschick ausgeführt, und wir
sahen jenen Leuten sofort an, dass sie ihre Geschäfte nicht nur mit Sachkenntniss, sondern
auch mit Liebe betrieben. — Wir halten es an dieser Stelle für unsere Pflicht, dieses Urtheil
unumwunden auszusprechen, weil man häufig, ich möchte fast sagen im Allgemeinen immer
bei uns der Meinung ist, der Spanier sei zu jeder ernsten, anstrengenden Arbeit nahezu un-
tauglich und die ganze Nation im Verfall begriffen. Auf unserer vorjährigen Reise haben wir
vielfach Gelegenheit gehabt, uns vom Gegentheile zu überzeugen und sind daher auch der
festen Meinung, dass wenn sich jenes schöne Land 'einer guten Regierung und längere Zeit
hindurch des Friedens zu erfreuen haben wird, dann auch Handel, Ackerbau und Gewerbe
wieder zur Blüthe kommen werden und die Viehzüchtung Spanien's in Zukunft ähnlich werth-
volle Producte liefern wird, wie solche in früheren Jahrhunderten aus den Ställen und Zucht-
plätzen der Granden hervorgegangen sind. , Bekanntlich haben nicht nur die Merinos - Schafe
und die Pferde Spanien's in älterer Zeit einen guten Ruf im Auslande gehabt, sondern auch
Rinder und Schweine der ganzen iberischen Halbinsel (Portugal nicht ausgeschlossen) sind
ihrer Vorzüglichkeit wegen in der Fremde beliebt gewesen. —
Die Pferde Cordova's haben in Folge mehrfacher Durchkreuzungen mit arabischem Blute
von allen andalusischen Schlägen die grösste Aehnlichkeit mit dieser schönsten orientalischen
Race. Die mittlere Höhe der Cordova - Pferde (Stuten) stellt sich nach unseren Messungen
auf 1,55 Meter*) und nur ausnahmsweise findet man dort grössere Individuen; die Thiere haben
einen hübschen, in der Nasenlinie nur wenig convex gebogenen Kopf, der mehr trocken als
fleischig ist; ihre Augen sind gross, feurig und deuten auf ein sehr lebendiges Temperament.
Die Partie zwischen den Augenhöhlen ist in der Regel bei diesem Schlage breiter, als bei den
Pferden der anderen andalusischen Schläge. Ihr Hals ist gut angesetzt, mittellang, aufgerichtet
und nicht sehr stark; auf dem Kamme desselben wächst eine schöne, dicht stehende Mähne
von feinen, schlichten und langen Haaren, welche den Pferden unstreitig zur Zierde gereicht.
Die Brust ist breit, der Rücken kurz und die breite Kruppe nicht so stark abgerundet, wie
bei den anderen andalusischen Pferden. Der starke Schweif, von feinem Haar gebildet, ist
nicht sehr hoch angesetzt und würde — wenn besser getragen — den Thieren immer noch
ein hübsches Ansehen geben, so aber verliert das Aussehen des Hintertheiles durch den schlaff
herabhängenden Schwanz ganz bedeutend. Die Hinterbacken dieser Pferde sind nicht sehr
fleischig, nur massig abgerundet und die unteren Gliedmassen in der Regel von feinem, aber
dabei doch festem Knochenbaue, auch stets mit guten, kräftigen Sehnen auf's Beste ausge-
stattet. Die Vorderarme sind kurz, die Röhren und Unterschenkel dagegen lang, die Kniee
breit, die feinen Fesseln lang und die kleinen Hufe normal geformt und von fester Hornsub-
stanz. Man sagte uns, dass bei diesem Schlage nur selten fehlerhafte Hufformen oder krank-
hafte Veränderungen an den Füssen vorkämen; doch trotz der Festigkeit der Hufe bei diesen
Pferden liebt man es, sie schon frühzeitig zu beschlagen, legt ihnen aber stets sehr leichte,
dünne Eisen ohne Stollen und Griffe auf; die Thiere gehen mit solchen selbst auf steinigem,
felsigem Terrain sicherer und besser, als unsere Land-Pferde, welche im Gebirge meistens
mit Stollen und Griffen versehene Hufeisen erhalten und dennoch auf den steilen, glatten Ge-
birgspfaden sehr häufig straucheln. —
Der etwas erhabene Gang der Cordova-Pferde ist nicht allein sicher, sondern dem
spanischen Reiter auch angenehm; dieser liebt nun einmal den niedrigen, mehr räumenden
*) In Cordova erfuhren wir zuerst, dass die Spanier die Höhe ihrer Pferde vom Widerrüste bis zur Krone des
Hufes herunter messen und unsere Messung bis zur Sohle des Hufes für falsch und unrichtig halten.
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DIE PFERDE IN SPANIEN.
"3
Schritt der nordischen Pferde durchaus nicht, nennt ihn schleichend, einen wahren Katzenschritt
(paso de gato) und meint, dass man sich Thieren mit solch' einem unsichern Schritte gar nicht
anvertrauen könne. Der Cordovanese schätzt besonders die Passgangart seiner Pferde sehr
hoch und bezahlt einen guten, sichern Passgänger stets unverhältnissmässig theurer, als ein
Thier, welches in dieser Gangart weniger leistet, vielleicht nur im s. g. Halbpass geht; bei
diesem Gange tritt nämlich der Hinterfuss etwas früher nieder, als der Vorderfuss, und es ist
auf festem Boden stets ein Doppelhufschlag deutlich hörbar. Beim richtigen Pass hingegen
wird der Vorder- und Hinterfuss derselben Seite gleichzeitig gehoben und vorgesetzt, wodurch
die ganze Bewegung des Thieres eigenthümlich schwankend und schaukelnd wird und uns
nicht gefallen kann, dem Spanier aber lieb und angenehm ist. —
An der Stellung der Gliedmassen bei den Cordova - Pferden möchten wir Einiges aus-
setzen; die Vorderfasse stehen häufig etwas auswärts und die Hinterbeine in den Sprung-
gelenken in der Regel zu enge. Diese kuhhessische Stellung der hintern Gliedmassen ist
nicht selten mit enge gestellten Kniegelenken verbunden und daher auch fehlerhaft zu nennen.
Schon oben sagten wir, dass die Röhren und Unterschenkel dieser Pferde meistens etwas lang,
die Vorderarme aber kurz wären; hierdurch erklärt sich ihr eigenthümlicher Gang; sie treten
auf, wie wenn sie den Boden unter sich zerschlagen oder zertreten wollten, und haben uns
durch ihren wunderbaren Schritt oftmals ein Lächeln abgenöthigt. —
Das kurze, glänzende Deckhaar auf der feinen, weichen Haut aller gut genährten anda-
lusischen Pferde ist für dieselben ein grosser Schmuck; nirgends weiter haben wir so häufig
wie gerade hier den schönen s. g. Metallglanz der Haare gefunden, und vermuthen, dass der
Direktor Dr. A. von Rueff in Stuttgart recht hat, wenn er sagt,*) dass dieser Metallglanz der
Haare entsteht durch eine eigenthümliche Beschaffenheit des freien Endes der einzelnen Deck-
haare, welche eine feinere, längere, massivere Spitze haben, als dieses bei den Haaren ohne
Metallglanz der Fall ist. Nicht nur bei den Hengsten des Cordova-Schlages, sondern auch
bei den Stuten und Wallachen haben wir diesen schönen Glanz der Deckhaare wahrgenommen.
Unstreitig trägt die Gunst des Klima's, die hohe Temperatur jener Landschaft viel zur Aus-
bildung dieser Eigenthümlichkeit, wie auch zu der vorzüglich schönen Beschaffenheit der Schutz-
haare bei; die Schopf-, Mähnen - und Schweifhaare jener Pferde werden zwar immer sehr lang-,
sind aber stets schlicht, seidenartig weich und von geringer Stärke. Wir haben den Durch-
messer mehrerer Querschnitte von Mähnenhaaren einer Cordova-Stute gemessen und eine
mittlere Stärke von 9,21 Centimeter constatirt, wohingegen die Mähnenhaare unserer nord-
deutschen Landpferde gar nicht selten eine Stärke von 12,5 und 13,5 Centimillimeter erreichen.
Aehnliche Differenzen ergaben die Messungen der Deckhaare von andalusischen und deutschen
Landpferden. —
Ein Studirender am landwirtschaftlichen Institut der Universität Halle a/S. hat auf unsere
Veranlassung in letzter Zeit einige Messungen von Haaren hiesiger Pferde mit grösster Sorg-
falt ausgeführt und theilt uns folgende Resultate mit:
von einer preuss. Stute             von einer engl. Stute           vom hannov.-engl. Wallach
Schweif-Haare . . 17,43 Centimillimeter.     14,41 Centimillimeter. 18,92 Centimillimeter.
Mähnen-Haare . . 10,32                                12,04                               10,75
Deck-Haare . . . 3,44                                  3,73                                 5,i6
Das Mähnenhaar einer Ardenner Stute   hatte nach unseren Messungen im Mittel eine
Stärke von 14,7 Centimillimeter.
*) Das Pferd in seinen Racen, Farben und Gangarten. Eine hippologische Monographie von F. A. von Rueff.
Ravensberg, bei Eugen Ulmer 1874.
17
Freytag, Haustliier-Racen. IV.
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DIE PFERDE IN SPANIEN.
114
Die Haarfärbung der andalusischen Pferde variirt sehr bedeutend; wir haben dort zwar
alle Färbungen mit zahlreichen Nuancen vorgefunden, doch scheinen nach unseren Beobachtungen
und den Angaben glaubwürdiger Sachverständigen die Dunkel- und Goldbraunen, auch Glanz -
Rappen am häufigsten vorzukommen; Schimmel und Füchse, welche nicht recht beliebt sind,
sieht man weniger. In Cordova und Jerez wurden früher mit besonderer Vorliebe die s. g.
Perlinas oder Weissisabellen*) gezüchtet; in der Neuzeit hat man jedoch in erstgenannter Provinz
die Bevorzugung dieser so eigenthümlich gefärbten Pferde aufgegeben und legt im Grossen
und Ganzen weniger Werth auf besondere Haarfärbungen, als auf die Leistungsfähigkeit der
Thiere. Die Weissisabellen oder perlfarbigen Pferde haben ein hellweissgelbes Deckhaar;
ihre Mähnen- und Schweifhaare sind weiss oder weissgelb. Sie werden in der Regel schmutzig
weissgelb geboren und erhalten nach dem ersten Hären die bis an ihr Lebensende bleibende
schöne Isabellenfarbe. Meistens haben diese Pferde Glasaugen oder gelbe s. g. Birkenaugen,
welche ihnen ein ganz besonders eigentümliches Ansehen geben. —
Endlich haben wir hier noch zu erwähnen, dass die Züchter und Landwirthe in Cordova,
wie in den anderen Provinzen Süd-Spanien's das Kastriren der Hengste nicht lieben; man
findet daselbst nur höchst selten Wallachen und schätzt diese fast ausnahmslos geringer ein,
als die vollen Heng-ste und Stuten. In der spanischen Armee (Cavallerie und Artillerie) sind
die kastrirten Pferde ebenfalls nicht beliebt, und verschiedene höhere Cavallerie -Officiere
sprachen uns gegenüber ihr Bedauern darüber aus, dass unter den in der Neuzeit, während
des Krieges eingeführten fremdländischen — vorwiegend ungarischen — Pferden sich so viele
Wallachen fänden, und man wollte bereits die Beobachtung gemacht haben, dass die Ausdauer
derselben weit geringer wäre, als die der heimischen Hengste; ja selbst die Stut-Pferde sind
den Süd-Spaniern lieber, als die Wallachen und werden diesen häufig vorgezogen. Wir haben
fast überall in Spanien eine Voreingenommenheit gegen die meisten fremdländischen Racen
gefunden, und bemerkt, dass alle Vorurtheile der Züchter in jenem Lande ebenso schwer,
wenn nicht noch schwerer zu bekämpfen sind, als bei uns in Deutschland. —
Die hervorragendsten Pferdezüchter in der Provinz Cordova sind die Herren Cabrera,
Horcas, Suarez, Varela, Barbero, Calzadilla, der Graf von Hornachuelos und der Marquis von
Benameji, welche alle ihre eigenen scharf unterscheidenden Brandzeichen oder Eisen**)
besitzen, die den Pferden auf dem linken Hinter-Schenkel eingebrannt werden. —
Auf der beistehenden hippologischen Karte von Cordova, welche wir nach einem grös-
seren Exemplare aus dem schon mehrfach citirten Werke des Obersten Cotarelo copiren
Hessen, werden die geneigten Leser ersehen, an welchen Orten die Pferdezüchtung in dieser
Provinz am umfangreichsten betrieben wird. Die beigedruckte Erklärung der Zeichen erleichtert
die Orientirung, und war für uns auf der Reise durch jene Provinz von grossem Werth.***) —
*) Auf dem grossherzogl. weimarischen Hofgestöte zu Allstedt sahen wir kürzlich (Juni 1876) diese eigenthümlich
gefärbten andalusischen Isabellen wieder, und waren erstaunt darüber, dass dieser Schlag sich daselbst unter durchaus
anderen klimatischen etc. Verhältnissen dennoch in seiner Eigenthümlichkeit so gut erhalten hat, noch dazu — nach Aus-
sage der dortigen Gestütsbeamten — seit fünfzig Jahren kein andalusisches Originalthier mehr zur Zucht verwendet und nur
der alte Stamm rein fortgezüchtet wurde. Selbst das hochfeine, kurze Deckhaar und das seiden-glänzende Mähnen -
und Schweifhaar besitzen die Allstedter Isabellen, wie ihre Stammverwandten im südwestlichen Spanien.
**) spanisch: „Hierros."
***) Von demselben Schriftsteller ist vor Jahren im Auftrage des Königl. Kriegs-Ministeriums eine grosse hippo-
logische Karte der ganzen iberischen Halbinsel unter dem Xitel „La Cria Caballar en Espana" erschienen, welche wir
gleichfalls mehrfach benutzt haben.
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115
DIE PFERDE IN SPANIEN.
c) DIE ZÜCHTUNG IN DER PROVINZ CADIZ.
Diese Provinz im äiissersten Südwesten des Königreiches belegen, ist unstreitig eine
der schönsten und zugleich auch reichsten des ganzen Landes; Acker-, Garten- und Weinbau
— letzterer besonders in der Umgegend von St. Lucar und Jerez — stehen auf einer ziemlich
hohen Stufe der Entwickelung, liefern hohe Erträge, und die Züchtung der verschiedenen
Hausthier-Gattungen wird an vielen Orten dieser Provinz nicht nur sehr ausgedehnt, sondern
auch wirklich rationell betrieben. Plierdurch erklärt es sich, dass daselbst auf einer Fläche
von nur 132 D Meilen ein Pferdebestand von 33,000 Stück, mithin der relativ grösste im König-
reiche Spanien existirt; und neben dieser grossen Zahl von Pferden werden dort noch sehr
viele Maulthiere und Esel gezüchtet, welche ihrer Grösse und Schönheit wegen ganz besonders
berühmt sind. —
Die klimatischen, die Boden- und Vegetations-Verhältnisse in der Provinz Cadiz
begünstigen die Züchtung der Einhufer, wie die der Rinder und Schweine in hohem Grade;
man sieht hier die schönsten Weiden sowohl an den Höhenzügen, wie in den Niederungen an
den Ufern der Flüsse und am Meere. — Von der üppigen Weide-Flora daselbst, welche zur
Ernährung der Hausthiere dient, wollen wir hier nur eine Leguminose namhaft machen, welche
sehr hohe Erträge liefert, und die schon im Jahre 1844 der Professor Moritz Willkommen auf
seiner Reise durch Spanien kennen und schätzen lernte. Die Spanier nennen diese Pflanze
„Sulla" (Hedysarum coronarium L.); sie ist eine nahe Verwandte unserer Esparsette, hat aber
viel saftigere Stengel und Blätter als diese und bringt, da sie in allen Theilen beträchtlich
grösser wird, auch bei weitem reichere Erträge ein, als unsere angebaute Esparsette (Onobry-
chis sativa Link). M. Willkommen sagt, dass sie — gleich dieser Futterpflanze — Kalk- und
Mergelboden, ausserdem eine gute, ordentliche Düngung und Feuchtigkeit verlangte, wesshalb
sie auf den Balearen nur auf bewässertem Terrain cultivirt werden könnte. Zwischen Cadiz
und Sevilla, in den Niederungen des Guadalquivir wächst die Sulla auch auf den nicht beson-
ders bewässerten Feldern, und bildet daselbst ein ebenso beliebtes Grünfutter für die Pferde,
Maulthiere und Esel, wie für die Rinder und Schweine. Da diese Fledysarum-Species eine
constante, beträchtliche Wärme zu einem g-uten Gedeihen nöthig hat, so wird sich ihr Anbau
für Mittel-Europa kaum eignen; der genannte Botaniker meint jedoch, dass es sich lohnte mit
derselben in Istrien, Croatien und Dalmatien Cultur-Versuche zu machen. —
Wenn wir in Uebereinstimmung mit verschiedenen sachverständigen Reisenden und Be-
richterstattern weiter oben angeführt haben, dass in den Provinzen Sevilla und Cordova im
Allgemeinen viele schöne Pferde der andalusischen Race angetroffen würden, so scheint doch
nach den Angaben des sachkundigen Herrn Lopez-Martinez und des Obersten Cotarelo der
edelste Schlag der ganzen Race von Andalusien auf dem früheren Karthäuserkloster bei Jerez
und in der nächsten Umgegend dieser Stadt, vielleicht auch in und bei Arcos gezüchtet zu
werden. Die dort vorkommenden Pferde gleichen in ihrem Exterieur, wie in ihren Bewegungen
und Leistungen noch am Meisten den altberühmten andalusischen Rossen und zeichnen sich durch
grosse Kraft und Gewandtheit vor allen übrigen spanischen Pferden rühmlichst aus. Wir liefern
hier beistehend die Abbildung eines renommirten Hengstes aus dem Gestüte zu Zapata, welcher
aus der Karthäuser-Zucht hervorgegangen ist und von dem Herrn Lopez-Martinez in seinem
pp. Berichte wörtlich Folgendes anführt: „„Para completar este quadro apuntaremos nuestro
juicio sobre las principales ganaderias de Espaiia. La de mas reputacion es la llamada de
Zapata, que hoy pertenece ä los Senores Romero, de Jerez de la Frontera. Los caballos de
esta ganaderia son de formas mas bellas y de movimientos muy airosos. Son ademas de noble
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DIE PFERDE IN SPANIEN.
condicion. Esta ganaderia es una de los pocas, que se consideran de sangre pura espanola.""
— Unser Gewährsmann sagt hier also ganz ausdrücklich, dass dieses Zapata- Gestüt, welches
jetzt dem Herrn Romero gehört, den grössten Ruf besässe; die Pferde desselben hätten die
schönsten Formen und die zierlichsten Bewegungen, zeigten ein edles Aussehen und dieser
Zuchtplatz wäre einer von den Wenigen, welche reines spanisches Blut enthielten.
Die Pferde der Karthäuser Mönche wurden schon von den Hippologen um die Mitte des
vorigen Jahrhunderts sehr hoch geschätzt; die schön gewachsenen Hengste wurden nicht selten
mit 100,000 Realen (etwa 24,000 Mark) bezahlt und glücklich schätzte sich der andalusische
Pferdezüchter, welcher einmal von dorther eine Zuchtstute erhalten konnte. Man zog auf der
Karthause (Cartüja) mit Vorliebe die s. g. Perlinas oder Weiss- und Gold-Isabellen, weil diese
gerade von den Granden des Landes am meisten gesucht wurden; die Equipagen der Letzteren
durften nur mit den Weiss-Isabellen oder Hermelinen*) bespannt sein und jede andere Färbung
des Deckhaares war für die grossen Carossiers damaliger Zeit unzulässig. Man ging noch in
den zwanziger Jahren unseres Säculums bei der Pferdezucht auf dem genannten Kloster sogar
so weit, dass man alle dunkelgefärbten, mit einem Stern oder sonstigen Abzeichen versehenen
Pferde von der Züchtung gänzlich ausschloss, und es durften solche Pferde von den grossen
Herren kaum zum Reitdienst benutzt werden. —
Diese edelsten andalusischen Rosse hatten ein lebhaftes Temperament, waren dabei aber
sehr gehorsam und gelehrig und zeigten stets den besten Willen in der Reitschule die
schwierigsten Piecen, welche man sonst nur von Kunstreiter - Pferden im Circus erwarten
durfte, selbst unter mittelmässigen Reitern auszuführen. Wir dürfen als bekannt voraussetzen,
dass die alten Andalusier neben den neapolitanischen Pferden noch in den dreissiger Jahren
unseres Jahrhunderts für die vorzüglichsten, weil gelehrigsten Schul-Pferde galten, mit welchen
selbst der Schüler in der Reitbahn nach kurzer Lehrzeit die schwierigsten Ritte, seltene Gang-
arten etc. ausführen und sich an den damals noch beliebten Carroussel - Reiten ohne Gefahr
betheiligen konnte. —
Die Karthäuser-Rosse sollen in dieser Beziehung das Grösste geleistet haben; so z.B.
lehrte man ihnen unter anderen Kunststücken bald das Piaffiren oder den Piaffer, und es
erzählen uns die alten hippologischen Schriftsteller, dass es jene Pferde gerade in dieser
schwierigen Gangart zu einer erstaunlichen Fertigkeit gebracht hätten. Beim Piaffiren hebt
das Pferd im Schritt- oder Trab-Tempo die Vorderbeine sehr hoch und setzt hierauf die
Füsse mit einer gewissen Heftigkeit auf den Boden nieder, dabei erhält es durch die Thätig-
keit der Hinterfüsse, den Schwerpunkt genügend unterstützt, verbleibt aber fort und fort auf
derselben Stelle des Terrains. Der Piaffer kommt auch bei unserer Reiterei hin und wieder
vor, z.B. dann, wenn der Cavallerist den Mittelpunkt der Schwenkung einer Linie einnimmt,
oder um — bei sich drängenden Und stockenden Auf- und Pracht-Zügen — beständig in
Thätigkeit zu bleiben. Zuweilen lassen auch geschickte Kutscher ihre Rosse im Gedränge
piaffiren, um sie in der nöthigen Aufmerksamkeit zu erhalten und um sofort die kleinste Oeffnung
benutzen zu können, aus dem Gedränge fort und wieder vorwärts zu kommen. Diese Bewegung
erfordert natürlich sehr viel Kraft und eine besonders gute Haltung der Thiere, welche beiden
Eigenschaften den alten andalusischen Pferden eigen waren. —
Eine andere künstliche Gangart, die s. g. Capriole, sollen die altspanischen Reitmeister
ihren Pferden ebenfalls gern gelehrt und in verhältnissmässig kurzer Zeit beigebracht haben.
Die Capriole entsteht dadurch, dass das Pferd aus der Pesade sich mit den Hinterfüssen vom
*) Gelbweisse Pferde mit röthlicher Mähne und weissrothem Schweife.
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DIE PFERDE IN SPANIEN.
"7
Boden abschnellt und während des Schwebens mit den Hinterfüssen so kräftig ausschlägt, dass
man die Hufeisen in senkrechter Richtung von hinten bemerken kann; der Rumpf soll während
dieser Zeit horizontal stehen, und darf niemals eine schiefe Stellung einnehmen. "Wie alle
künstlichen Gang- und Sprungarten stets nur von sehr kräftigen und gewandten Thieren aus-
geführt werden können, so erfordert vor Allem die Capriole eine grosse Kraft und Biegsam-
keit des Rückens und diese ist erst durch häufige Uebungen und geschickte Dressur zu erreichen.
Bevor man den Pferden die Capriole lehrt, müssen sie die s. g. Pesade erlernt haben; man
versteht darunter ein ruhiges Erheben des Vordertheils auf dem Hintertheile, wobei die Vor-
derschenkel in den Knieen stark gebeugt und angezogen, die Hinterschenkel aber in den drei
oberen Gelenken gebeugt werden. Alle diese künstlichen Gangarten haben wir Gelegenheit,
in den Kunstreiter -Buden, im Circus aller besseren Reitkünstler zu sehen, in unseren deutschen
Civil- und Militair - Schulen wird dergleichen jedoch nur ausnahmsweise auf ganz besonderen
Wunsch gelehrt; in Süd-Spanien soll es aber bis in die neueste Zeit gebräuchlich gewesen
sein, die Schüler der Reitschulen mit solchen Kunstfertigkeiten der Pferde bekannt zu
machen.*) —
Es ist den andalusischen Pferden eine gewisse, wir möchten fast sagen, grosse Klug-
heit nicht abzusprechen, und selbst die Hengste zeigen in Andalusien ein sehr frommes, aber
dabei doch feuriges Wesen. Wir sahen dort wiederholt ungeübte Reiter, Knaben, Mädchen,
selbst alte Frauen junge, feurige Hengste besteigen, und bemerkten bald, dass sie bei einiger-
massen guter Führung leicht mit ihnen fertig wurden. Das andalusische Pferd hat ein feines
Gefühl und will daher leicht und sanft geführt sein, und die Reiter mit schwerer, roher Hand
werden mit demselben nicht viel ausrichten. —
Der Professor Antonio Machado y Nunez giebt in seinem Werke, betitelt: Los Mami-
feros de Andalucia etc. eine vortreffliche Beschreibung der schönen Karthäuser-Pferde, welche
wir hier in der Uebersetzung wieder geben.
„Dieses Pferd liebt seinen Herrn und gehorcht seinen kleinsten Winken, wenngleich es
doch hochmüthig, (altivo) und lebhaft ist; dasselbe ist leicht zu enthusiasmiren, hat ein feines
Maul mit einer so grossen Empfindlichkeit, dass es vom Reiter mit der geringsten Anstrengung
zu führen ist. Dieses Thier duldet aber auch unverdient keine schlechte Behandlung, und
selbst wenn ein solches Pferd im raschen Laufe begriffen ist, so kann es dennoch leicht ange-
halten werden, und ebenso kann man dasselbe durch geschickten Gebrauch der Zügel ohne
Peitsche und Sporen zum schnellsten Laufe antreiben. Das Karthäuser-Ross kennt seinen
Herrn und dessen Liebkosungen sehr gut; wenn dieser ihm ein Stückchen Brod reicht, so
giebt es durch graciöse und interessante Bewegungen seine Dankbarkeit zu erkennen und
wird ihn selbst dann nicht verlassen, wenn er durch irgend welchen Zufall oder Umstand aus
dem Sattel gekommen ist. — Eines Tages begleitete ich den Don Pedro Domec, welcher —
wie alle intelligenten Leute — seine Pferde liebte, von Jerez aus nach den Weiden des Kar-
thäuserklosters, woselbst die edlen Thiere dieses reinsten, andalusischen Blutes**) ihr Futter
suchten; die Pferde, jung und alt, kamen sofort herbeigesprengt, um aus der Hand ihres Herrn
einige Stückchen Brod, welche er zu diesem Zwecke stets bei sich trug, zu empfangen; nur
ein einziges Thier blieb in einiger Entfernung scheu und ängstlich zurück und wagte nicht
*) Beim Besuch der Reitbahn eines Civil-Casinos in Barcelona fiel es uns gleich auf, dass der dortige Stallmeister
sich ernstlich bemühte, seinen Schülern — zum Theil ältere Herren — alle möglichen Spielereien und Künsteleien zu lehren,
wohingegen die richtige Führung und der gute Sitz beim Schritt- und Trab-Reiten von ihm wenig beachtet wurde.
**) A. Machado bezeichnet also ebenfalls wie Don M. Jlartinez-Lopez diesen Schlag als den edelsten und rein-
blütigen der andalusischen Race. —
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näher zu kommen; auf mein Befragen, wie sich dieses eigenthümliche Benehmen des Pferdes
erklären liesse, theilte mir Don Pedro mit, dass er dasselbe vor einiger Zeit einmal leicht
bestraft, weil es ihn bei der Brodfütterung mit den Lippen zu unsanft berührt hätte. Das
kluge Thier hatte die empfangene Strafe noch nicht vergessen oder zeigte sogar eine Art von
Schamgefühl (una especie de vergiien^a)." —
Jener Autor erzählt noch andere Stückchen von der grossen Klugheit und Gelehrsamkeit
der Karthäuser-Pferde von Jerez, und er ist der Meinung, dass dieselben unstreitig die besten
der andalusischen Race und von ganz Spanien wären. („Los caballos jerezanos son las
mejores de Andalucia y de toda Espaha; y con poco esfuerzos de los ganaderos podrian
hacerse superiores ä los de toda Europa.") — Diesen Schlusssatz des Herrn Professor Machado,
nach welchem jene Pferde sogar die vorzüglichsten in ganz Europa werden könnten, wenn nur
bei ihrer Züchtung einige Anstrengungen zur Verbesserung dieses Schlages gemacht würden,
wagen wir nicht zu unterschreiben, obgleich wir den Thieren sonst all' und jedes Lob spenden
und ihre Vorzüglichkeit innerhalb der andafufcischen Race gern zuerkennen wollen. —
Nach den Mittheilungen unseres deutschen Gesandten, des Herrn Grafen von Hatzfeld
in Madrid reitet der König Alfons bei grossen feierlichen Gelegenheiten einen andalusischen
Hengst aus dem Gestüte zu Zapata, welcher sich durch besondere Körperschönheit und elegante,
stolze Bewegungen vor vielen anderen Pferden derselben Race auszeichnen soll.*) — Leider
war es uns nicht möglich, von diesem hochgepriesenen Pferde eine gute Abbildung zu erhalten,
doch verdanken wir der Gefälligkeit des Herrn Lopez -Martinez die Photographie eines andern,
gleichfalls schönen Hengstes aus jenem Gestüte; dieser Hengst wird daselbst seit Jahren als
Beschäler benutzt und soll stets eine- schöne, kräftige Nachzucht geliefert haben. — Unser
Zeichner hat nach jener Photographie die beistehende Abbildung angefertigt, und wir freuen
uns, hierdurch die geehrten Leser mit den Formen dieses unstreitig sehr werthvollen spanischen
Pferdeschlages bekannt machen zu können. —
Nach den Beschreibungen des neapolitanischen Cavaliers P. Carracciolo in seinem Meister-
werke, betitelt: La gloria del cavallo etc. über die spanischen Villanos im 16. Jahrhundert,
welche sich ihrer Kraft und Ausdauer wegen ganz besonders zum Kriegsdienste und zur Arbeit
eigneten, müssen dieselben im Leibesbau und in ihren Bewegungen einige, Aehnlichkeit mit
den modernen Pferden des Zapata-Schlages gehabt haben, wohingegen die zarten, edlen
Genetten jener Zeit, welche hauptsächlich im alten Königreiche Cordova gezüchtet wurden,
vielleicht mehr den feinformigen kleineren arabischen Rossen glichen und von diesen auch
abstammen sollen. — Fugger liefert uns in seinem 1584 zu Frankfurt a/M. gedruckten Buche
über die Hippologie damaliger Zeit eine hübsche Beschreibung der Genetten; er sagt wörtlich
Folgendes: „Diese sind gar schöne, adlige Rosse, nicht sehr hoch, oben von Brust, Kreuz
und sonst von allen Gliedmassen wohl formiret, von Kopf und Hals aufrecht, so dass ich nicht
wohl wüsste, ob man auch ein Ross schöner malen und machen könnte." —
Heute existiren in Spanien diese Genetten nicht mehr, auch die Bezeichnung „Villano"
(bürgerlich, unadelig, vom Bürger- oder Bauernstande etc.) wird jetzt von den spanischen
Hippologen nur höchst selten für Pferde gemeiner Abkunft gebraucht. —
*) Diese Angabe stützt sich auf ein Schreiben aus Madrid vom 3. März 1876.
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DIE PFERDE IN SPANIEN.                                                                        I 19
In der Provinz Cadiz unterscheidet man ebenfalls ■— wie in der Provinz Sevilla — nach
dem Terrain, auf welchem die Thiere geboren und erzogen werden, Pferde der Marsch oder
Niederung von denen des Flachlandes und endlich die Berg- oder Gebirgs-Pferde, welche
letzteren ihre Heimath auf den Höhen der Sierra de Cortes haben und sich besonders durch
kleinere Statur, geringere Breite, grossen, fleischigen Kopf, verkehrten Hals und etwas grobe
Gliedmassen von den beiden anderen Schlägen unterscheiden. Die Höhe der Berg-Pferde
schwankt zwischen 1,45 und 1,55 Meter. — Das Temperament dieser Thiere bezeichnet der
Oberst Cotarelo als sanguinisch-nervöses und sagt in seiner Beschreibung derselben, dass sie
als Lastträger (caballos para carga) auf den schlechten Gebirgspfaden recht brauchbar wären. —
Die s. g. Feld- oder Flachlands - Pferde sind von mittlerer Höhe (1,50—1,60 Meter),
haben einen etwas grossen Kopf, kurzen, fleischigen Hals, breite Brust, geschmeidige Lenden-
partie (lomo flexible), gut gestellte leidlich kräftige Gliedmassen; sie besitzen stets ein kurzes,
dicht anlieg-endes, glänzendes Deckhaar und einen starken, langen Schweif, welcher eher
niedrig, als hoch angesetzt ist. —
Die Marsch-Pferde in der Provinz Cadiz unterscheiden sich von denen in der Niederung
von Sevilla und Cordova — so viel uns bekannt —■ nicht wesentlich und sind wie diese die
schwersten, stärksten und grössten Thiere Andalusien's und werden nicht selten 1,65 Meter hoch.
— Wenn sonst im Allgemeinen die Pferde dieser Race einen kleinen, zierlichen Huf besitzen, so
machen die dortigen Marschpferde hiervon eine Ausnahme; ihre Füsse sind ziemlich gross und
breit, aber immer noch von guter, fester Hornsubstanz gebildet. — Wir liefern hier beistehend
die Abbildung eines andalusischen Marsch - Pferdes, welche nach einer aus Arcos uns zuge-
gangenen Photographie angefertigt wurde, und dürfen dieselbe als eine solche bezeichnen,
welche die charakteristischen Merkmale und Kennzeichen des fraglichen Schlag'es treffend
wiedergiebt. —
Zum Schluss dieser Mittheilungen über die Pferdeschläge in der Provinz Cadiz wollen
wir noch die Namen der hervorragendsten Züchter nennen: die Herren Calero, Oronos, Mar-
quis de los Alamas und der Marquis de Casa Yargas. In Arcos sind ausser dem Zapata-
Gestüte die der Herren Beas und Nurlez de Trado berühmt; in früherer Zeit genoss auch das
Gestüt des Herzogs von Medina - Sidonia einen besonders guten Ruf; in der Neuzeit soll das-
selbe jedoch durch unzweckmässige Kreuzungen etwas zurückgegangen sein und jetzt nicht
mehr viel Beachtenswerthes leisten. —
Nachdem wir die wichtigsten Schläge der andalusischen Pferderace eingehend besprochen
haben, bliebe uns jetzt noch übrig Einiges über die Pferdezucht in denjenigen Provinzen des
alten Königreichs Andalusien hinzuzufügen, in welchen ehemals jene Hausthierzüchtung eben-
falls prosperirt hat, jetzt aber mehr und mehr in Verfall gekommen ist. Wir können uns
hierbei kurz fassen. —
Die Züchtung in der Provinz Jaen soll in älterer Zeit — noch zu Anfang des vorigen
Jahrhunderts — ebenso gute und edle Pferde geliefert haben, wie die benachbarte Provinz
Cordova, ja es behaupten sog'ar einzelne hippologische Schriftsteller, dass in Jaen die besten
andalusischen Rosse gezüchtet worden wären. Heute können wir von einer Vorzüglichkeit der
dortigen Pferdezucht nichts mehr berichten, im Gegentheil sind uns gerade in dieser Provinz
viele mittelmässige und schlechte Individuen der fraglichen Hausthier - Gattung begegnet. Die
175 Züchter der Provinz Jaen beschäftigen sich zum weitaus grössten Theile mit der Maulthier-
und Maulesel-Zucht und diejenigen, welche noch Pferdezüchtung betreiben, zeigen sich nach-
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DIE PFERDE IN SPANIEN.
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lässig bei der Auswahl der Zuchtthiere und ernähren die Fohlen und jungen Pferde zu mangel-
haft, in Folge dessen sie in der Regel auch nur schlecht ausgebildete, verkümmerte Indivi-
duen auf die Messen und Märkte bringen.
Die Hügellandschaft von Ubeda, welche nach den Angaben älterer spanischer Hippo-
logen früher die schönsten Exemplare in jener Provinz geliefert haben soll, liegt für die
Pferdezucht ohne Frage sehr günstig und hat gute Weiden mit den besten nahrhaften Futter-
kräutern. Die Königliche Regierung hat sich dieserhalb schon vor längerer Zeit bewogen
gefunden, in jener Landschaft und zwar in den Ortschaften Man und Baeza Beschäler- und
Remonte -Depots zu errichten, um den dortigen Landleuten die Züchtung der Pferde bequemer
zu machen und sie zu veranlassen, sich derselben wieder zuzuwenden. Soviel wir aber selbst
gesehen und von Sachverständigen in Andalusien erfahren haben, ist der gehoffte Erfolg bis-
lang nicht eingetreten; man bevorzugt dort die Maulthier- und vernachlässigt die Pferdezucht
nach wie vor.
Die wenigen bessern Pferde, welche aus der Provinz Jaen kommen, benutzt man gern
für den Dienst der leichten oder Linien-Reiterei, weil sie sich geschickt und ausdauernd zeigen;
ihre Nachhand haben wir im Allgemeinen besser gefunden, als das Vordertheil, eine Eigen-
thümlichkeit, welche man sonst den andalusischen Pferden nicht leicht nachsagen kann. —
In Granada und seiner herrlichen, schönen Vega (Gefilde) züchtet man zwar nur wenige,
aber doch solche Pferde, welche hübsche, nach spanischen Begriffen sogar elegante Formen
besitzen, und sich im Dienste robust, geschickt und energisch zeigen. Man bedauert dort all-
gemein, dass die Pferdezüchtung nicht umfangreicher in der Provinz betrieben wird. Die her-
vorragendsten Züchter sind nach den Angaben des Professor Casas de Mendoza der Marquis
von Saladar, der General Olaulo, der Herzog von Gor und die Wittwe Barojos nebst Söhnen. —
Man findet in Spanien nicht gar selten, dass edle Damen sich angelegentlichst um die
Züchtung ihrer Hausthiere kümmern, und sie zeigen dabei fast ebenso viel Geschick, wie die
Engländerinnen, doch leider in der Regel nicht die Ausdauer der letzteren.
In der Serrania de Ronda wird seit ältester Zeit ein kleiner, aber besonders breiter
Pferdeschlag gezüchtet, den man in Spanien „Jäca de dos cuerpos" (Doppel-Pony oder Doppel-
Klepper) nennt, und von welchem Nicolas Casas de Mendoza ausdrücklich sagt, dass derselbe
trotz kleiner Gestalt sich seiner ausreichenden Kraft wegen gut zum Dienste für die leichte
Cavallerie eignete; selbst die Officiere reiten die kleinen Thiere dieses Schlages gern, weil
ihnen der sichere, feste Schritt derselben wohl gefällt und sie sich ihnen auf den Märschen
im gebirgigen, unwegsamen Terrain ruhig anvertrauen können. — Man legt diesen Pferden
selbst beim Bergabsteigen die Zügel unbekümmert auf den Hals und überlässt es ihnen selbst,
den besten Weg aufzusuchen, und darf in den allermeisten Fällen gewiss sein, dass sie ihren
Reiter unbeschädigt an das Ziel seiner Reisen bringen. — Die Ronda-Pferde werden im Ge-
birge hin und wieder auch als Lastthiere benutzt und sie wetteifern dann in ihren Leistungen
mit den besten Eseln und Maulthieren jener Landschaft. —
Ob die spanische Regierung d. h. die Abtheilung für Pferdezüchtung im s. g. Fomento-
Ministerium in der neueren Zeit jenem Pferdeschlage die nöthige, wünschenswerthe Beachtung
geschenkt hat, konnten wir leider nicht erfahren, bezweifeln aber solches; jedenfalls existirte
im vorigen Jahr (1875) auf der Serrania de Ronda kein königliches Hengst- oder Beschäler-
Depot und man überliess es dort, wie an vielen anderen Orten Andalusien's den wohlhabenden
Privatpersonen für die Aufstellung von Deckhengsten zu sorgen.
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DIE PB-ERDE IN SPANIEN.
I 21
In der Provinz Malaga ist die Pferdezüchtung in der Neuzeit sehr beschränkt; man
begegnet dort fast euisnahmslos kleinen, winzigen Pferden, s. g. Kleppern (häcas), welche in
den Ortschaften Antequera, Campillo, Alora und anderen kleinen Dörfern der s. g. Olalla
gezüchtet und vorwiegend zum Reitdienste der Landleute benutzt werden. Auch in dieser
Provinz werden die Pferdestuten zum weitaus grössten Theile den Eselhengsten zur Paarung
zugeführt; die Maulthierzucht ist bei den dortigen Bewohnern ungleich beliebter als die Pferde-
züchtung, und es wird der spanischen Regierung voraussichtlich sehr schwer werden, hierorts
dieser Hausthierzucht wieder grössere Verbreitung zu schaffen.
Im südöstlichen Theile Andalusien's, in der Provinz Almeria, wo im Mittelalter viele
gute Pferde gezüchtet sein sollen, werden jetzt fast gar keine Pferde mehr gezüchtet; die
daselbst vorkommenden Thiere dieser Gattung- — nach Lopez-Martinez' Berichten 3500 Stück
auf 145 D Meilen — sind meistens aus den anderen Provinzen Spanien's herbeigeholt und
werden g-ewöhnlich nur zum Reiten benutzt. Die in Almeria gezüchteten Esel und Maul-
thiere dienen zum Zuge und Lasttragen, und beide übertreffen in diesen Leistungen die
wenigen dort gezüchteten oder auch eingeführten kleinen, leicht gebauten Pferde um ein
Bedeutendes.
Am Ende unserer Darstellung der Pferdezucht in Andalusien müssen wir nachträglich
anführen, dass man jetzt in Spanien folgende fünf Pferdezucht-Regionen gebildet hat und
zwar nach den verschiedenen Ragen und Schlägen, welche in denselben vorzugsweise gezüchtet
werden.
1.    Die erste dieser fünf Regionen umfasst die andalusischen Provinzen oder den ganzen
Süden des Königreiches. Die übrigen vier Gruppen oder Regionen erstrecken sich, in
grossen Zügen angegeben, auf folgende Theile:
2.     Die Central-Region: Estremadura, Neu-Castilien und Ciudad Real (auch Mancha
genannt).
3.     Die östliche Region: Murcia, Valenzia und Catalonien.
4.     Die nördliche Region: Arragonien, Alt-Castilien, den grösseren Theil von Leon,
Asturien und die baskischen Provinzen mit Navarra.
5.     Die westliche Region: Galicien und den kleineren Theil von Leon.
II. DIE PFERDEZUCHT IN DER CENTRAL - REGION.
a) DIE PFERDE VON ESTREMADURA.
Die Landschaft Estremadura, früher zu Neu-Castilien gerechnet, bildete zur Römerzeit
eine reiche, mächtige Colonie, durch welche Tiberius im Stande war das übrige Lusitanien im
Zaume zu halten. Die damals und noch zur Maurenzeit reich bevölkerte Provinz ist jetzt,
einzelne Striche im Süden ausgenommen, eine der ödesten und menschenleersten in ganz
Spanien; die Bodenkultur wird daselbst seit Jahrhunderten sehr vernachlässigt; der fruchtbare
Boden liefert an vielen Orten — selbst ohne sorgfältige Bearbeitung — reiche Getreideernten
und man sagt dort allgemein, das Korn wächst von selbst, ohne Zuthun des Menschen.
Aber dessenungeachtet ist die Bevölkerung Estremadura's zum grössten Theil arm; die Ver-
werthung, der Verkauf der Getreidemassen ist bei dem Mangel und der schlechten Beschaffen-
heit fast aller Communicationswege sehr erschwert; alles Getreide muss auf Maulthieren in die
grösseren Ortschaften transportirt werden und der Preis desselben ist an den Productionsorten
meistens niedrig, in den Grossstädten hingegen oft sehr hoch. In den besser bevölkerten
Theilen der Provinz, wo der Absatz der Feldproducte etwas günstiger ist, hat der Landbau
18
Freytag, Hausthier-Racen. V.
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122                                                                      DIE PFERDE IN SPANIEN.
seit Einführung der Merino-Schafe, welche auf ihren jährlichen Wanderungen hier und in
Andalusien den Winteraufenthalt nehmen, dadurch sehr gelitten, dass grosse Strecken Landes
unbestellt bleiben, Jahr für Jahr brach liegen und nur mit Cistusheiden und kurzbegrasten
Weiden bedeckt sind. Die Hutwege (Cordeis oder Canadas) für die Wanderschafe (Merinos
transnamantes) haben noch jetzt eine gesetzliche Breite von iooo Metern und darüber, und die
daran grenzenden Ackerflächen werden von den Besitzern auch nicht immer sorgfältig bestellt,
weil man fürchtet, dass die grossen, oft 20,000 Stück Schafe umfassenden, zwei Male im Jahre
durchziehenden Heerden durch Uebertreten den Saatfeldern Schaden zufügen. Die Estremahos,
ein unwissender und orthodoxer Volksstamm, zeigten seit Jahrhunderten wenig Interesse für die
Pferdezucht, sie züchteten lieber Maulthiere und Esel und überliessen jene Zucht den Granden
des Landes. Der König Philipp II. erliess dieserhalb schon im Jahre 1562 ein strenges Gesetz,
nach welchem der Gebrauch des Eselhengstes zur Maulthierzucht in der Provinz Estremadura
verboten wurde. Carl IL suchte 1671 durch verschiedene Begünstigungen derjenigen Land-
wirthe Estremadura's, welche Pferdezüchtung betrieben, diese zu heben und weiter auszudehnen;
aber alle diese Bemühungen, wie die gesetzlichen Bestimmungen anderer Könige der neueren
Zeit, um die Maulthierzucht des Landes einzuschränken, sind ohne grossen Erfolg geblieben;
die Pferdezucht blieb und ist noch heute der vernachlässigte Theil der dortigen Hausthierzucht.
Neben den Merino - Schafen werden in Estremadura viele Schweine gezüchtet und die Provinz
Badajoz allein exportirt alljährlich viele tausend Stück gut gewachsener Thiere dieser Gattung,
welche in den Nachbarprovinzen ihrer Mastfähigkeit wegen gern gekauft werden.
Das heisse, trockene Klima, wie die Bodenverhältnisse jenes Landes sind für die Pferde-
zucht ohne Frage günstig zu nennen, und wir treffen auch überall dort, wo man derselben
nur einige Aufmerksamkeit geschenkt hat, gut gewachsene brauchbare Thiere, welche nicht
nur zum Reiten, sondern auch für das leichte Fuhrwerk des Landes tauglich sind. In Hoch-
Estrerrfadura unweit der Städte Plansenzia, Trujillo und Caceres, wo man seit langer Zeit
schön gewachsene andalusische Hengste zur Kreuzung mit den Landstuten benutzte, werden
noch verhälnissmässig viele, hübsch gestaltete, wenngleich nur kleine Pferde gezogen, die
leider nicht immer gut gehalten werden. In Nieder-Estremadura, vorwiegend in der Vega
des Guadiana und in dem Gebiete des Don Benito, in der Nähe von Merida, auch bei Badajoz
sehen wir grössere und stärkere Thiere, welchen eine bessere Fütterung und Pflege zu Theil
wird; auf den reichen Weiden am Guadiana finden die Pferde Jahr ein, Jahr aus das beste
Futter, so dass die Entwickelung der Fohlen gut und rasch von statten gehen kann. Die
Pferde des Schlages von Badajoz haben einen etwas grossen, schweren Kopf, fleischigen Hals,
beladene Schultern, ein niedriges, aber breites Kreuz, gute Lenden, lange Oberarme und
starke Kniee. Die Hinterschenkel besitzen eine gute Muskulatur; die Unterfasse sind kurz
und die Hufe etwas weich und von schwammiger Hornmasse (esto pasos). Das Temperament
dieser Pferde wird allgemein als ein ruhiges, sogar träges bezeichnet und selten kommen bei
diesem Schlage bösartige Thiere vor. Die Fohlen, welche bis zu ihrem 4. Lebensjahre stets
im Freien, auf der Weide bleiben, lassen sich — eingefangen — leicht zähmen', zureiten oder
einfahren. In der spanischen Armee werden die Pferde aus der Provinz Badajoz häufig zum
Traindienste oder bei der Artillerie benutzt. Nach den Angaben von L. Martinez hat diese
Provinz einen ziemlich grossen Pferdebestand; es kommen dort auf eine □ Meile ppr. 58 Pferde,
welcher Bestand in Vergleich zu den anderen Provinzen der Landschaft Estremadura gross
genannt werden kann; die Zahl der Züchter ist in der Neuzeit auf 319 gestiegen und es scheint
fast, dass die Aufmunterungen von Seiten der Regierungsbeamten und landwirthschaftlichen
Vereins - Vorstände dort Gehör gefunden haben und diese Hausthierzucht wieder mehr zu
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DIE PFERDE IN SPANIEN.
123
Ehren kommen wird. — Der Oberst Juan Catarelo giebt an, dass auf mehreren Gütern, unweit
Badajoz ein oder einige normannische Hengste als Beschäler verwendet wären und diese mit
den dortigen Landstuten eine sehr gute Nachzucht geliefert hätten. —
Die Pferde von Barros wurden uns von Don Nicolas Casas de Mendoza als kleine, aber
sehr energische Thiere geschildert; sie werden im gebirgigen Theile der Landschaft nicht
selten zum Lasttragen benutzt, stehen aber in ihren Leistungen doch hinter den Maulthieren
zurück. Die schönsten und besten Pferde dieses Schlages werden in den Ortschaften Jeuz de
los Caballeros, Barguillas und Fregenal gezüchtet, woselbst einige wohlhabende Grundbesitzer
die Züchtung in die Hand genommen haben und dieselbe mit Sorgfalt betreiben. Zwischen
Fregenal und dem erst genannten Orte befindet sich auch ein Remonte-Depot der Armee,
welches viele brauchbare Thiere aus der nächsten Umgegend erhalten soll.
b) DIE PFERDE IN NEU - G ASTILIEN.
Die Provinz Neu-Castilien bildet eine centrale Hochebene von 500 bis 1000 Meter Flöhe,
welche zum weitaus grössten Theile einer baumleeren, staubigen Steppe gleicht, an manchen
Orten aber einen sehr fruchtbaren Boden besitzt, der schon bei mittelmässiger Kultur befrie-
digende Getreideernten liefert, sicherlich aber einen hohen Ertrag bringen würde, wenn die
Landbewohner ihre Aecker nur etwas sorgfältiger bestellen und eine — oft mögliche —
Bewässerung derselben in Anwendung bringen würden. — Die lebhaften und mutterwitzigen
Neu-Castilianer gelten in Spanien wohl mit Recht als die am meisten Begabten, sie zeigen für
manche Arbeiten viel Geschick und es ist sehr zu bedauern, dass ihr grosser Hang zur Trägheit,
welcher angeboren zu sein scheint, es nicht zulässt, dass eine intensivere Feld-Kultur dort Platz
greift; ihr Land ist mit Ausnahme der Hochsteppen vorzüglich und allein auf den Ackerbau an-
gewiesen und wir bezweifeln mit Dr. M. Willkomm, dass Central-Spanien jemals ein industrielles
Land werden wird. Neu-Castilien ist nicht schlecht bevölkert, besitzt mehrere wohlhabende,
grössere Städte — Madrid mit ppr. 500,000 Einwohnern — und zum Theil auch etwas bessere
Heerstrassen, als andere spanische Provinzen, wodurch der Absatz aller landwirthschaftlichen
Producte sehr erleichtert ist. — Das Klima ist sehr trocken und heiss, der Winter nicht selten
kalt und unfreundlich. Hier — wie in allen übrigen Landschaften Central-Spaniens — spielt
die Viehzucht seit ältester Zeit eine grosse Rolle; besonders ist die der grobknochigen
Rinder und feinwolligen Merino - Schafe beliebt; die Pferdezucht aber, welche zur Maurenzeit
in Castilien eine fast ebenso grosse Bedeutung gehabt haben soll, wie in Andalusien, steht
jetzt der andern Hausthierzucht nach, und es müssen sich die Zuchtpferde dort mit den
vernachlässigten Weiden auf der Steppe begnügen. Die Thiere, welche man zur Feldarbeit
oder zum Reiten benutzt, erhalten in der Regel zweimal am Tage ein knappes Futter im
Stalle, sind ebenfalls mit auf das Weidegras angewiesen, welches sie Nachts in der Nähe der
Ortschaften finden, und nur diejenigen Pferde, welche in den grösseren Städten von wohl-
habenden Leuten als Luxusthiere gehalten werden, fristen ein besseres Leben. — Wir sehen
hier ab von der Beschreibung der elenden Klepper, welche in grosser Zahl nach Madrid zu
den an jedem Sonntag stattfindenden Stiergefechten geführt, und hier auf scheussliche Weise
zu Grunde gerichtet werden, sondern wenden uns zur Betrachtung derjenigen Rosse des neu-
castilischen Schlages, welche in den Stutereien der Herzöge von Veragua, Riänsares, Perales,
Osuna, Frias, Zajat, des Marquis von Alcanices und anderer Granden gezüchtet werden. —■
Das königliche Gestüt von Aranjuez, welches noch zur Zeit der letzten Königin Isabella einen
guten Namen hatte und für den Marstall viele recht hübsche Pferde geliefert haben soll, ist
längst eingegangen, und wir haben bei unserem Besuche (1875) des geschichtlich interessanten
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DIE PFERDE IN SPANIEN.
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Städtchens unweit der schön erhaltenen Schlösser nur noch einzelne halbverfallene leere Ställe
des früher berühmten Gestüts gefunden. —
Die von den oben genannten Grossgrundbesitzern gezüchteten Pferde sind nur zum
geringsten Theile als echt spanische oder castilische Rosse zu bezeichnen; die meisten sind
hervorgegangen aus der Kreuzung von Landstuten mit andalusischen, englischen und norman-
nischen Hengsten, und sind daher nur als Bastarde vermischter Kreuzung zu bezeichnen.
Diejenigen Individuen, welche uns vom Marquis de Alcanices, dem Oberstallmeister des jetzigen
Königs als reine spanische und zwar neucastilianische Pferde vorgestellt wurden, konnten
uns nicht gefallen und würden den Ansprüchen deutscher, englischer oder französischer
Hippologen wahrscheinlich nicht genügen. Diese Pferde hatten fast alle einen grossen,
stark geramsten Kopf mit dicken Kinnbacken; ihre ziemlich langen Ohren sind tief ange-
setzt; die Augen, stets lebhaft, deuten auf feuriges Temperament, welches wir jedoch
nicht gerade häufig bei diesen Thieren entdeckt haben. Der Hals ist in der Regel hübsch
gestaltet, ziemlich lang, hoch aufgesetzt und bei den Hengsten meistens sehr stark und
fleischig; ein s. g. Schwanenhalz kommt bei den Pferden des neucastilischen Schlages nicht
selten vor. Der Schopf und die Mähne am Halse sind voll, sehr lang und von weichen,
seidenartigen Haaren gebildet, welche von den sorgsameren Stallknechten wohl in Flechten
gewunden werden, damit sich bei der gelösten Mähne die gewünschte Wellung der Haare zeigt.
Der ziemlich lange, starke Leib ist gut gerundet, der Widerrüst dürfte höher und die Schultern
könnten bei den meisten Pferden besser gestellt sein. Ihre Brust ist voll und breit, der Rücken
sehr oft zu stark eingesenkt und die Lenden häufig zu niedrig und schwach entwickelt. Eine
etwas gespaltene, stets abgeschliffene Kruppe ist auch diesem spanischen Pferdeschlage eigen;
der lange, dichte Schweif ist tief angesetzt und wird selten gut getragen. Die unteren Glied-
massen lassen meistens viel zu wünschen übrig; die Muskulatur der kurzen Oberarme und
schmalen Hinterschenkel konnte uns nicht befriedigen, ebenso wenig die langen, häufig durch-
tretenden Fesseln und die schmalen, hohen Hufe der allermeisten Pferde des fraglichen
Schlages. Ihre Höhe betrug nach unseren Messungen im Durchschnitt 1,60 Meter; die Bauern-
pferde Neu-Castiliens erreichen aber nur ausnahmsweise eine Höhe von 1,57 Meter (5 Fuss)
und sind gewöhnlich nur 1,50 Meter hoch. Bestimmte, besonders vorherrschende Haar-
färbungen dieses Pferdeschlages existiren nicht; wir haben auf unserer Reise durch Neu-
Castilien alle möglichen Farben bei den Pferden gefunden, nur die früher so beliebten Isabellen
sieht man in jener Provinz höchst selten.
Die Entwicklung der neucastilianischen Pferde geht in der Regel nicht rasch von
Statten; die Fohlen wachsen bei der Muttermilch auf den Weiden nur langsam vorwärts und
die vierjährigen Pferde machen oft den Eindruck von zweijährigen Fohlen. Sachverständige
Thierärzte theilten uns in Madrid mit, dass die Hengste dieses Schlages eigentlich erst im
siebenten Lebensjahre voll ausgewachsen wären und nur bei den Stuten ginge die Entwicklung
etwas rascher vor sich. — Bei einzelnen Pferden der neucastilianischen Race war der Gang
auffallend weich und zierlich, aber wenig fördernd; bei anderen wieder war er hoch erhaben,
dabei fuchtelnd und durchaus nicht mehr angenehm zu nennen. Wenn diese Thiere im Schritte
gehen, so zeigen sie eine bedächtige, man darf vielleicht sagen, stolze Haltung, ähnlich so,
wie die andalusischen Rosse edleren Schlages; sobald dieselben aber zum Traben kommen,
verlieren sie nach unserer Ansicht ganz bedeutend an Werth und Aussehen. Ihr Trab ist
minder schnell, als der vieler Pferde anderer Racen, und endlich ist ihre Galopgangart eher
dazu angethan, einem Kinde oder einer verwöhnten älteren Dame, als einem schneidigen
Reiter unserer deutschen Schule zu gefallen. — Lobenswerth ist die grosse Gelehrigkeit dieser
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um v Ang.KOTtli,Leipzig.
Li :' i] ' der Mancha Hac
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DIE PFERDE IN SPANIEN.
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Pferde; sie zeigen sich stets gehorsam und willig die verschiedenartigsten Kunststückchen der
Reitschule zu erlernen und auszuführen, und wir glauben gern, dass die castilianischen Rosse
älterer Zeit, gleich den edlen andalusischen Hengsten, zu den höheren Reiterkünsten der
altspanischen Schule ganz besonders geeignet waren. —
Die Besitzer der castilianischen Pferde modernen Schlages sind mit deren Leistungen
im Allgemeinen sehr zufrieden und man hört dort vielfach so ein Ross als ein „liebes Thier"
(carilla bestia) bezeichnen, welches den Vergleich mit allen übrigen Pferden der Welt
aufnehmen könnte. — Doch so schätzenswerth auch manche Eigenschaften dieser Thiere sein
mögen, so glauben wir dennoch, — entgegengesetzt den Ansichten spanischer Hippologen —
dass jener Schlag nur durch eine passende Kreuzung mit edlen orientalischen oder auch
englischen VoHbluthengsten in seinen Gangarten zu verbessern ist, und dass erst nach
mehreren Generationen die Nachzucht Befriedigendes leisten -würde und den guten Ruf der
alten Race jenes Landes wieder herstellen könnte. So lange die Spanier und ganz besonders
die stolzen Neu - Castilianer ihren Pferdeschlag für einen der besten in Europa halten, und
ihre Augen beim Anblick guter, fremdländischer Zuchtpferde verschliessen, kann dort von
einer, Besserung dieser Thierzüchtung keine Rede sein und es ist eher ein weiterer Rück-
gang, als ein Fortschritt zu fürchten. —
c) DIE ZÜCHTUNG VON MAULTHIEREN UND PFERDEN IN DER PROVINZ CIUDAD REAL.
Die Mauren nannten den südlichen Theil des alten Königreiches Neu-Castilien „Manxa",
welches soviel wie „ausgedörrtes, wüstes Land" bedeuten sollte, und in der That eine nicht
unrichtige Bezeichnung für den grössten Theil der Provinz Ciudad Real genannt werden kann,
denn es ist jene Landschaft während der Sommer- und Herbstzeit erschrecklich öde und dürr,
sehr arm an fliessenden Gewässern und nur hie und da findet man salzhaltige Lachen oder
kleine See'n, welche an ihren Ufern eine armselige Flora von s. g. Salzpflanzen*) aufweisen.
Die Mergel- und Thonschichten, die an verschiedenen Orten des Landes zu Tage treten, sind
bisweilen in einem so hohen Grade mit Salz geschwängert, dass sie bald nach einem Regen,
bei heissem Sonnenschein, mit einem weissen Ueberzuge von Koch- und Glaubersalz-Krystal-
len erscheinen; für den Landwirth ein wenig erfreulicher Anblick. — Die Spanier nennen diese
Provinz sehr häufig noch „la Mancha" und bezeichnen dieselbe als wenig nützlich für die
Pferdehaltung, dagegen aber reichlich gut für die Züchtung der Ziegen, der Maulthiere, Schafe
und Rinder, (aprovechados por escaso ganado caballar, y bastante cabrio, mular, lanar y
vacuno.) Die Bewohner dieser Provinz (Manchegos) sind ernst, düster und schweigsam, wenig
unternehmend und daher allem Neuen abhold; ihre Indolenz wurzelt zum nicht geringen Theile
in dem Mangel an Unterricht, und ehe dieser dort nicht besser wird, ist ein Fortschritt auf
dem Gebiete des Land- und Bergbaues, sowie der sonstigen Gewerbe und des Handels nicht
wohl möglich. — Bei Almaden, im südwestlichen Theile der Mancha, befinden sich bekannt-
lich die reichsten Quecksilberminen Europa's, doch auch diese, wie die Zinkwerke des Landes
werden schlecht betrieben. Die Landleute bauen etwas Getreide, Safran, Waid (Isatis tincto-
ria), Hanf und Flachs, ernten in der Nähe von Val de panas einen wohlschmeckenden, feurigen
Rothwein, dann an manchen Orten ein schönes Olivenöl und gutes Obst verschiedener Art;
doch alle ihre Felder, Plantagen und Weinberge werden mangelhaft bestellt; es wollte uns
scheinen, wie wenn dort - ähnlich wie in Estremadura — die Vernachlässigung der Boden-
kultur einestheils auf dem Mangel an Menschenkräften, anderntheils aber auf dem Umstände
*) Diese Salzpflanzen sind zur Sodafabrikation wohl geeignet und werden auch an einigen Orten dazu benutzt.
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DIE PFERDE IN SPANIEN.
beruht, dass der Boden im Besitz weniger Granden ist, welche sich das ganze Jahr hindurch
kaum ein Mal um ihre Güter kümmern und die Bewirthschaftung derselben den häufig trägen
Pächtern überlassen. —
Der Viehzüchtung wird von einigen Grossgrundbesitzern grössere Beachtung geschenkt,
als dem Ackerbau, und gerade in dieser Provinz werden die grössten und stärksten Maulthiere
Spaniens gezüchtet, welche als „Raza manchega" seit längerer Zeit im besten Rufe stehen.
Es sei uns gestattet, hier die Beschreibung dieser Maulthiere einzuschalten und die Abbildung
von zwei wiederholt prämiirten Individuen der fraglichen Race beizufügen, worauf wir am
Schlüsse die Züchtung der Pferde in der Provinz Ciudad Real kurz folgen lassen werden.
i. Das Maulthier (Asinus mulus) — von den Spaniern und Italienern „ mulo" genannt —
ist bekanntlich das Product einer Kreuzung vom Eselhengste und der Pferdestute, wohingegen
der Maulesel (A. hinnus) aus der Paarung des Pferdehengstes mit der Eselstute hervorgegangen
ist; die Italiener nennen diese Bastarde ebenfalls „Mulo", die Spanier haben dafür aber zwei
verschiedene Bezeichnungen und nennen sie bald mal „burdegano" und dann wieder „Macho
romo". — Die Spanier züchten, wie die Süd-Franzosen und Italiener, vorwiegend Maulthiere
und betreiben die Mauleselzucht nur ausnahmsweise in besonders armen Districten. Nach den
Angaben des Professors Leon Castro y Espejo werden die Maulesel hauptsächlich in den Pro-
vinzen Cuenca, Albacete und in Arragonien gezüchtet, wo dieselben von den kleinen Besitzern
vortheilhafter als die Maulthiere oder reinblutigen Esel*) gehalten werden.
Die Maulthiere der Mancha-Race haben einen dickeren, aber auch kürzeren Kopf
als die meisten spanischen Pferde; ihre Ohren sind zwar länger als bei den Thieren
dieser letzteren Species, allein sie sind im Verhältniss zu ihrer Körpergrösse immer kleiner,
als die der Esel. Ihr Hals, ist kurz, nur mit schwacher Mähne besetzt, der Widerrüst
niedrig, die Schultern sind meistens steil; die Brust ist schmal und enge, der Rücken oft
nach oben gebogen, die Dornfortsätze treten stark hervor, und es bildet sich dadurch ein
s. g. schneidiger, scharfer Rücken aus, woraus sich wohl die grosse Tragfähigkeit und
Stärke dieser Thiere, welche zuweilen fabelhaft erscheint, erklären lässt. Das kurze
Kreuz ist niedrig und abgeschliffen, der stets tief angesetzte Schweif ist von der Rübe
an bis zum letzten Wirbel schwach behaart, doch liebt man es in ganz Spanien, den
oberen Theil der Schwanzrübe, wie überhaupt den grössten Theil des Oberkörpers kurz zu
scheeren. Die unteren Gliedmassen sind von festem, derbem Knochenbau, haben kräftige
Sehnen, und eine stark entwickelte Muskulatur. Diese Maulthiere sind in der Regel kurz
gefesselt, haben einen langen oder hohen und schmalen Huf mit stark ausgehöhlter Sohle,
engem Ballen und etwas schmalem Strahl, eine Hufbildung, wie wir sie beim Esel häufig
finden und beim Pferde „fehlerhaft" nennen. Die Hornsubstanz ihrer Hufe ist derb und fest,
so dass ein Beschlag kaum nothwendig erscheint. Die Maulthier-Farbe variirt nicht so wie die
der Pferde; sie ist meistens dunkel- oder kastanienbraun, zuweilen kommen aber auch drossel-
farbige und fuchsige Maulthiere vor und selbst Isabellen begegnet man in der Mancha nicht
selten. Marken oder weisse Abzeichen am Kopfe oder an den Unterfüssen dieser Thiere sind
höchst selten; dagegen haben wir mehrfach bemerkt, dass die Oberarme und Unterbeine der-
selben sehr häufig zebraartig gestreift sind, und es wurde uns von den Besitzern so gezeich-
neter Thiere gesagt, dass man solche Abzeichen gern sähe. Ihre Höhe schwankt zwischen
*) En las provincias de Cuenca, Albacete y Aragon es muy frequente el cruciamiento del caballo y la burra, tanto
par las infinitas ventajas que reporta ä las clases menos acomodadas de la sociedad, cuanto por la suma economica y casi
insignificante con que es adquirido. —
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DIE PFERDE IN SPANIEN.
1,55 und 1,65 Meter; da aber ihr Widerrüst, überhaupt das ganze Vordertheil niedrig gebaut
ist, so erscheinen sie, von hinten gesehen, in der Regel höher, als viele Pferde jenes Landes.
Die Stimme der Maulthiere gleicht weder dem Wiehern des Pferdes, noch dem Geschrei des
Esels, sondern ist dumpf und heiser, wird aber nur selten vernommen; bei dem Maulesel hin-
gegen haben wir mehrfach Laute wahrgenommen, welche an die Stimme des Pferdes erin-
nerten. —
Auf die Auswahl der Pferdestuten zur Maulthierzüchtung haben die Manchegos von jeher
grosse Sorgfalt verwendet; man benutzte früher gern Mutterstuten aus der Umgegend von
Ubeda (in der andalusischen Provinz Jaen), obgleich deren Ausfuhr unter schwerer Strafe ver-
boten war, und diese Vorliebe für Stuten aus jener Gegend hat sich bis in die Neuzeit erhal-
ten. Den schwarzbraunen Stuten, welche aber eine Höhe von mindestens 1,57 Meter haben
müssen, giebt man den Vorzug vor anders gefärbten Individuen, weil man die Beobachtung
gemacht haben will, dass aus so gezeichneten Stuten die beliebten schön kastanienbraun gefärb-
ten Maulthiere hervorgehen. Ferner sieht man darauf, dass die Zucht-Stute einen grossen,
breiten Huf, lange Fesseln, ein breites Kniegelenk, muskulöse Hinterschenkel, eine breite
Hüftenpartie, einen kurzen Körper, stark hervortretende Lenden, eine breite Brust nebst anderen
guten Eigenschaften besitzt, und wir dürfen vielleicht sagen, dass die dortigen Bewohner bei
der Auswahl des Maulthier-Zuchtmaterials vorsichtiger zu Werke gehen, als bei derjenigen für
die Pferdezucht. Wer mit der Maulthierzucht nicht bekannt ist, wird es vielleicht auffällig und
unwahrscheinlich finden, dass aus der Paarung eines kleinen Eselhengstes und einer Pferde-
stute von etwa 1,57 Meter Höhe, Maulthiere hervorgehen, welche — voll ausgewachsen — in
der Grösse den Vater und die Mutter bei weitem übertreffen, nicht selten 1,65 Meter hoch und
auch sehr häufig stärker von Knochen als ihre Mutter werden. Diese Beobachtung haben
wir sowohl bei der Maulthierzucht im südlichen Frankreich, wie in Spanien, bei der Bastard-
zucht in der Mancha gemacht. Der Professor Casas de Mendoza sagt in seiner Zootechnia in
Bezug hierauf wörtlich Folgendes: „Una yegua de seis dedos produce una mula de oche ä
once." (Eine Stute von sechs Daumen producirt ein Maulthier von acht bis elf Daumen?) Bei
der Auswahl des Eselhengstes (garanon) zeigt man weniger Sorgfalt, doch liebt man es solche
Hengste zur Zucht zu verwenden, welche eine angemessene Grösse, einen schwarzgrauen
Kopf und im Innern der Ohren einige weisse Haare besitzen; man nennt die so gezeichneten
Thiere „Coletas" und glaubt, dass sie der edelsten Race angehören. —
Dr. Alfred Brehm, welcher auf seinen Reisen durch Spanien auch der dortigen Maulthier-
zucht einige Beachtung geschenkt hat, sagt, dass eine der nothwendigsten Bedingungen der-
selben eine gute Pflege der Pferdestuten sei; denn die Natur rächte sich wegen der gewalt-
samen Eingriffe in ihre Gesetze, und gerade bei den durch einen Esel beschlagenen Pferdestuten
oder umgekehrt bei den durch Pferde belegten Eselinnen kämen Fehlgeburten sehr häufig vor.
Aehnliche Aeusserungen haben die Spanier uns gegenüber mehrfach gemacht und es scheint,
dass vor allen Anderen die Bewohner der Mancha die Züchtung und Haltung der Maulthiere
gut überwachen. — Man giebt an, dass die Pferdestuten das Maulthierfohlen stets einige
Tage länger, als ein Pferdefohlen trügen; doch es kommt auch in der Regel ersteres besser
ausgebildet und kräftiger auf die Welt, so dass es sich eher als letzteres längere Zeit auf den
Beinen halten kann. Wenn die Stute nur einigermassen gute und eine hinreichende Menge
Milch liefert, so geht die Entwicklung der Maulthierfohlen ziemlich rasch von statten, sie
wachsen schnell heran und können bald der Mutter auf weit ausgedehnten Weideflächen folgen.
Man lässt sie gewöhnlich 5 — 6 Monate bei der Stute; das Absetzen nimmt man jedoch nicht
ganz plötzlich vor, sondern in der Weise, dass die Hirten die Fohlen im 6. Monate mit den
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Stuten zusammen nur am Tage austreiben und erstere während der Nacht in einen Verschlag
führen, welcher in der Mancha „desteto" genannt wird; hier legt man ihnen Stroh und etwas
Korn vor und macht auch wohl schon jetzt den Versuch, sie an den Halfter zu gewöhnen. —
Im Gegensatze zu der spanischen Sitte, die Pferdehengste sehr selten zu kastriren,
geschieht die Kastration bei den männlichen Maulthieren allgemein, indem man die Fohlen
zum grössten Theil nach vollendetem ersten Lebensjahre verschneiden lässt. Man schätzt im
Süden die Maulthierwallachen weit höher als die Hengste, weil letztere in der Regel bösartig
sind und sich, von der Weide eingefangen, schwer zähmen lassen. Sie schlagen und beissen
nach ihren eigenen Wärtern, so dass die Verwendung des Maulkorbes für alle Maulthierhengste
geboten erscheint.*) — Im 2ten Lebensjahre kommen die Maulthierfohlen auf die besten Weiden
der Landschaft; sollte hier im Hochsommer das Gras zu knapp werden, so sorgt man recht-
zeitig für die Herbeischaffung von Kraftfutter, welches vorwiegend aus Gerste, Mais, Johannis-
brod und Erbsen besteht; Heu wird in der dürren Mancha nur sehr wenig geerntet und man
sieht sich daher genöthigt, ihnen als Rauhfutter Stroh vorzulegen. Sehr gern suchen die Maul-
thiere auf der Weide diejenigen Stellen, wo Salzpflanzen wachsen, um diese zu verzehren, oder
sie lecken die kleinen Salzkrystalle vom Boden weg. Die Entwicklung der Maulthiere geht
überall dort, wo für eine zweckmässige Ernährung der Fohlen gesorgt wird, rasch von statten,
so dass sie schon im Alter von z\ Jahren ohne Nachtheil zur Arbeit benutzt werden können.
Bei weniger guter Pflege, in ärmeren Wirthschaften, entwickeln sich die Maulthiere nicht
rascher, als das Pferd, und erst nach zurückgelegtem dritten Lebensjahre kann man sie dort
als Last-, Zug- oder Reitthier verwenden. Ihre Futteransprüche sind im Ganzen geringer, als
die der Pferde; sie können weit länger, als diese den Durst aushalten, und man fordert von
ihnen sehr oft bei mangelhafter Ernährung die fabelhaftesten Leistungen. Die Maulthiere,
welche in der Jugend geschont und ausgewachsen nicht überangestrengt werden, erreichen ein
hohes Lebensalter, nicht selten 35 und 40 Jahre, und es wurden uns Fälle erzählt, dass kräf-
tige, gut gebaute Exemplare ihren Dienst bis zum 50. Lebensjahre versehen hätten.**) —
Dass die Manchegos für die Aufzucht und Haltung der Maulthiere Interesse und Geschick
besitzen, geht endlich noch daraus hervor, dass sie alljährlich ihre Viehhändler auf die Märkte
von Alt-Castilien, Arragonien, Galizien und Asturien senden, um daselbst abgesetzte und
jährige Maulthierfohlen aufzukaufen, welche sie dann zwei oder drei Jahre auf ihren Weiden
halten und endlich wieder im Alter von 4 Jahren an fremdländische Aufkäufer — mit dem
Brande der „Raza manchega" versehen — zu hohen Preisen abgeben. Schön gebaute, grosse
Maulthiere werden oft mit 100 Ducaten und darüber bezahlt. —
Viele dieser Thiere werden in der spanischen Armee zum Transport der Bagage und
der Gebirgsbatterien benutzt; die Geschütze werden zu dem Zwecke auseinander genommen
und die einzelnen Stücke derselben den Maulthieren aufgepackt; so gehen sie mit ihrer Last
auf den schlechtesten, oft sehr steilen Gebirgspfaden ruhig und sicher vorwärts, zeigen eine
vorzügliche Ausdauer und endlich — vor das Geschütz gespannt — bei allen Evolutionen eine
*) Bei einer im Jahre 1874 durch Tyrol und Salzburg unternommenen Studienreise hatten wir Gelegenheit in Ins-
bruck eine Maulthier-Batterie in Augenschein zu nehmen. Bei näherer Besichtigung der einzelnen Thiere, unter welchen
sich viele Hengste vorfanden, wurden wir von allen Seiten ernstlich gewarnt, denselben nahe zu kommen, weil sie fast
ausnahmslos heftig um sich bissen und schlügen; eine Höhenmessung der Thiere konnte desshalb von uns leider nicht
ausgeführt werden.
**) Ein römischer Schriftsteller erzählte, dass ein Maulthier in Athen ein Alter von 80 Jahren erreicht hätte. —
Die Italiener, welche bekanntlich in verschiedenen Provinzen ihres Landes Maulthiere züchten und halten, sprechen
ebenfalls die Meinung aus, dass die Bastarde in der Regel viel älter, als die reinblütigen Pferde oder Esel würden.
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DIE PFERDE IN SPANIEN.                                                                        129
grosse Gewandtheit. — Die Spanier behaupten, dass die weiblichen Maulthiere einen hüb-
scheren Gang hätten als die männlichen oder verschnittenen Individuen; wir haben diese Wahr-
nehmung nicht gemacht, wohl aber beobachtet, dass diese, wie jene zu den verschiedenartig-
sten Gebrauchszwecken sehr tauglich sind, und können uns die grosse Vorliebe aller Spanier
für die fraglichen Bastarde wohl erklären. Der Manchego ist geradezu stolz auf sein Maul-
thier, er putzt es mit allerlei Flitterwerk, namentlich rothen Quasten und Schnüren, bestens
heraus, und so ein Achtgespann von Maulthieren vor dem Eilwagen ist in der That ein interes-
santer Anblick, nur konnte es uns nicht gefallen, wenn die armen Thiere so oft in unbarm-
herzigster Weise mit Peitschenhieben und Prügeln zum tollsten Laufen angetrieben und dabei
dann gewöhnlich vom Kutscher, Schaffner (Magoral) und Reitknecht (Zagal), welcher letztere
auf dem vordersten Sattelthiere reitet, fort und fort die Namen der einzelnen Thiere aus-
geschrieen wurden. Die Namen, w-elche man den Maulthieren giebt, sind je nach den Pro-
vinzen sehr verschieden und nicht immer die anständigsten, doch kommen auch Benennungen,
wie „Ingles, Frances, Valerosa (Muthige) und Platera (Silberne) nicht selten vor. — Dr. A. Brehm
nennt in seinem „Illustrirten Thierleben" eine Reise im spanischen Eilwagen „eine wahre
Höllenfahrt," schildert uns dieselbe in etwas zu grellen Farben, so z. B. sagt er, dass die Kut-
scher oder Treiber ihre Thiere sogar mit Steinwürfen oder Messerstichen bestraften, wenn sie
ihren Wünschen nicht augenblicklich nachkämen; derartige Rohheiten haben wir auf unserer
Reise durch Spanien nicht gesehen, und auch niemals gehört, dass sie dort vorkommen. —
Nach Aussage aller Sachverständigen und Maulthierzüchter Spaniens sollen diese Bastarde,
wie die Maulesel in der Regel unfruchtbar, hin und wieder jedoch Fälle vorgekommen sein,
wo die Blendlinge zwischen Eselhengst und Pferdestute Junge erzeugten, doch habe man der-
gleichen gern verschwiegen, weil man eine solche Geburt für ein Hexenwerk oder ein unheil-
bringendes Ereigniss betrachtete. Wir selbst bezweifeln die Möglichkeit einer fruchtbaren
Begattung von Maulthieren oder Mauleseln nicht mehr. Der höchst interessante Fall, welcher
in der neuesten Zeit im Acclimatisations - Garten bei Paris vorgekommen ist und wobei ein
Maulthier (A. mulus) — zwei Jahre hintereinander von einem Berber-Hengste belegt —■ jedes-
mal ein gut ausgebildetes Fohlen zur Welt brachte, welche beide grosse Aehnlichkeit mit
einem englischen Vollblutfohlen zeigen,*) dürfte wohl alle Zweifler an der unter Umständen
möglichen Begattung dieser Bastarde zum Schweigen bringen, und wir haben kaum nöthig,
noch das zweite Beispiel der fruchtbaren Begattung einer Maulthierstute, welche im Jahre 1762
in Valencia von einem grauen Andalusier belegt wurde und nach der üblichen Tragezeit ein
schönes fuchsrothes Fohlen zur Welt brachte, anzuführen. Hiernach halten wir diese Frage
für entschieden, wenngleich derartige Fälle immerhin nur höchst selten sich ereignen
mögen.
2. Die in der Provinz Ciudad Real vorkommenden 10000 Stück Pferde (auf 369 □ Meilen)
werden nur zum kleineren Theile von den daselbst wohnenden 140 Züchtern aufgezogen, und
zum grösseren Theile aus den benachbarten Provinzen Andalusiens und Estremadura's
herbeigeholt. Obgleich die Regierung im Jahre 1862 ein Hengst-Depot in der Hauptstadt der
Provinz gegründet und daselbst in der Regel zwölf gut gebaute Beschäler gehalten hat, so
ist dennoch die Pferdezucht nicht recht zur Entwicklung gekommen und die dort gezogenen
Pferde haben keinen besondern Gebrauchswerth. Es scheint unter der allgemein beliebten
*) Der grossen Gefälligkeit des Herrn Grafen Alexander Jezersky in Posen verdanken wir die photographischen
Abbildungen der verschiedenen Glieder dieser höchst interessanten Familie, und hoffen später noch Gelegenheit zu erhal-
ten, dieselben vervielfältigen, resp. in unseren „Hausthier-Racen" zum Abdruck bringen zu können.
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F r e y t a ff, Hausthier - Racen. V.
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DIE PFERDE IN SPANIEN.
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Maulthierzucht die Züchtung der Pferde sehr zu leiden und von den meisten Landleuten jener
Provinz vernachlässigt zu werden.
Man greift zu den verschiedenartigsten Kreuzungen, verfolgt durchaus kein irgend
erreichbares Züchtungsziel, und so ist es begreiflich, dass wir in Ciudad Real vergeblich nach
einer eigenen Landes-Race oder nach einem gut typirten Schlage suchen. Es begegnen uns
dort die verschiedenartigsten, meist kleinen, unansehnlichen Pferdegestalten und allein dieje-
nigen Stuten, welche von rationellen Maulthierzüchtern zur Bastardzucht benutzt werden,
haben bessere Formen, die nöthige Körperstärke und leidlich gute Gangarten. —
III. DIE PFERDEZÜCHTUNG IN DER ÖSTLICHEN REGION.
a) DIE ZÜCHTUNG IN DER PROVINZ MURCIA.
Diese Provinz bildet in ihrem nördlichen Theile eine schlecht bevölkerte Hochfläche, auf
welcher vorwiegend grobwollige Schafe (Churras), mittelgrosse Esel, Maulthiere und auch
Maulesel gezüchtet werden. Die Züchtung der Rinder und Pferde ist auf einige, wenige
Ortschaften in der Umgegend von Quejola, südlich von der Sierra de Alcaraz beschränkt,
woselbst die letzteren hauptsächlich zum Lasttragen benutzt werden. — Im Süden der Provinz
Murcia ist die Landschaft ungleich freundlicher, besser bevölkert und günstiger für den Acker-
bau, als für die Viehzucht; in der reichen Regadio bieten die Campos und Vegas eine Fülle
der üppigsten Vegetation fast aller südländischen Kulturgewächse. Im Flussgebiete der Segura
sehen wir für eine zweckmässige Bewässerung der Felder und Wiesen Sorge getragen; hier-
durch und weiter durch die Gunst des Meeresklimas erzielen die dortigen Landleute auf ihrem
reichen, tiefgründigen Boden der Tertiärformation (Miocen und Pliocen) alljährlich sehr
ergiebige Ernten von Getreide verschiedener Art, von besonders grosskörnigem Reis, gutem
Hanf, daneben gedeihen Orangen, Citronen, Johannisbrod und in den Obstplantagen die
schönsten Südfrüchte. Murcia exportirt in guten Jahrgängen für 180,000 Realen (ä Real 20 Pf.)
Getreide und für 500,000 Realen Esparto-Gras; dieses letztere wird hauptsächlich im mittleren
und nördlichen Theile der Provinz gewonnen. Der Seidenbau wird in Murcia fast so umfang-
reich wie in Valencia betrieben und das daselbst gewonnene Produkt steht hoch im Werthe,
und endlich liefern die Oelbäume jener Landschaft Jahr für Jahr einen reichen Ertrag des
feinsten Olivenöls. —
Das glücklich situirte Murcia wird von einem braven, ehrlichen Volksstamme bewohnt;
alle Reisenden, welche die Murcianer näher kennen lernten, rühmen ihr bescheidenes, gast-
freies und zugleich treues Wesen, ebenso auch deren Fleiss und Sorgsamkeit beim Feldbau;
sie kommen in dieser Eigenschaft fast den anerkannt fieissigsten Spaniern, den Cataloniern
gleich, übertreffen diese aber an Ehrlichkeit und Zuverlässigkeit. — Die Hausthiere werden
von den Landleuten in der Regel gut abgewartet; man verlangt aber auch eine tüchtige
Arbeitsleistung sowohl vom Zug-, wie vom Last-Vieh. Es wurde uns berichtet, dass die Esel,
Maulthiere und Maulesel, welche in den Silber-, Kupfer- und Blei-Bergwerken zum Tragen
der Erze nach den Hütten benutzt würden, sehr schwere Lasten zu tragen hätten und hier
von früh bis spät wahrhaft Erstaunliches leisteten. —
Unser spanischer Gewährsmann Don Lopez Martinez konnte uns die -Zahl der in Murcia
gezüchteten Pferde ebensowenig wie die Anzahl der Züchter dieser Hausthiere angeben, und
wir dürfen wohl annehmen, dass die eine wie die andere dort sehr gering ist. Die
12,000 Stück Pferde, welche in den Provinzen Murcia und Albacete vorkommen, sollen zum
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DIE PFERDE IN SPANIEN.                                                                       131
grössten Theile aus anderen Provinzen — vorwiegend aus dem benachbarten Andalusien —
herbeigeholt werden. —
Die Pferdezucht hat zur Zeit weder im gebirgigen Theile, noch in der Ebene des
Landes eine grosse Bedeutung und solche wahrscheinlich auch in älterer Zeit niemals gehabt.
Von Seiten der Regierung ist wenig für die Hebung dieser Hausthierzüchtung geschehen; man
hat sich nicht veranlasst gesehen, für jene Provinz ein Beschäler- oder Hengst-Depot zu
errichten, sondern hat die Aufstellung der Beschäler ausschliesslich den Privaten, einigen
Granden des Landes überlassen und sich auch nicht darum gekümmert, ob gute Eselhengste
zu der daselbst umfangreich betriebenen Maulthierzucht oder andrerseits kleinere Pferde-
hengste zur Mauleselzüchtung verwendet wurden. Eine Beschränkung dieser Zucht hat nach
den Angaben Cotarello's niemals stattgefunden, im Gegentheil gab man dort die Maulthierzucht.
vollständig frei.
Die Pferde, welche im Süden Murcia's, zwischen Lorca und Cartagena in kleiner Zahl
gezüchtet werden, sind zum weitaus grössten Theile Kreuzungsproducte von einer kleinen
Landrace mit orientalischen Hengsten, meistens kleine, winzige Geschöpfe von ungenügender
Breite, mit langen und schwachen Unterfüssen, kurzen Oberarmen und schmalen Hinterschen-
keln. Die Stellung der Gliedmassen lässt viel zu wünschen übrig und ebenso auch der Gang
dieser Thiere; ihre Leistungen sollen meistens auch weit geringer als die der Maulthiere oder
Esel sein und selbst auf den besseren Weiden geht ihre Entwickelung unzureichend von
statten; sie werden gewöhnlich in zu frühem Alter zur Arbeit herangezogen und gehen in
Folge dessen auch bald zu Grunde. — Nach den Schilderungen, welche uns der Oberst Cota-
rello in seinem mehrfach genannten Werke „ la cria caballar en Espaha" liefert, ist der
Pferdeschlag der Provinz Murcia's nach keiner Seite hin beachtenswerth und einer der werth-
losesten in ganz Spanien.
Bei der Beschreibung der Maulthierzucht in der Mancha wurde erwähnt, dass die Züch-
tung der Maulesel (A. hinnus) hauptsächlich in dem Bezirke von Albacete betrieben würde.
Die Landleute bezeichnen hier diesen Bastard für nutzbarer, ruhiger und weniger scheu, als
das Maulthier, rühmen dessen frühe und rasche Entwickelung, seine grosse Genügsamkeit und
dauerhafte Gesundheit. — Der Kleingärtner Albacete's und Alicante's, welcher zu arm ist, um
eine Pferdestute zu halten, besitzt schon eher die Mittel, um eine Eselin gut zu ernähren, und
für wenige Realen Sprunggeld, welche er dem Besitzer eines kleinen Pferde-Hengstes (Häca)
zahlt, wird es ihm möglich gemacht, seine Eselstute belegen zu lassen. Die Begattung geht
ohne irgend welche Schwierigkeiten vor sich; ein Augenverbinden des Hengstes, wie es
sonst wohl für diese Paarung empfohlen und in Anwendung gebracht wird, erscheint in
jener Gegend unnöthig und man behauptet, dass der Begattungsact ebenso leicht vollführt
wird, wie bei der Paarung von Eselhengst und Pferdestute.*)
*) Auch E. A. Rossmässler sagt in seinen „Reise-Erinnerungen aus Spanien", dass er in der Provinz Murcia
Maulthiere (A. mulus) äusserst wenig zu sehen bekommen habe, wohingegen dort Maulesel (A. hinnus) allgemein im
Gebrauch gewesen wären. Rossmässler schildert eine Fahrt in einer Maulesel-Equipage folgendermassen: ,,Ich glaube,
dass mein Theil an der Heimkehr nicht ganz frei von Gefahr war, denn die Galera des Marquis de la Torre Ottavio , in
der ich meinen Platz hatte, wurde von zwei feurigen Mauleseln gezogen, mit denen der Kutscher bis Murcia ohne Unter-
brechung Beruhigungsgespräche führen musste, um sie im ruhigen Schritt zu halten; denn aus einem Trab würden sie
ohne Zweifel bald ein Reissaus gemacht haben. Ueberhaupt sind diese Bastarde sehr häufig bös und immer kräftig und
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DIE PFERDE IN SPANIEN.
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b) DIE ZÜCHTUNG IN DER PROVINZ VALENCIA.
Die schön und günstig belegene Provinz Valencia, von den Spaniern sehr oft „das
maurische Paradies" genannt, ist unstreitig eine der glücklichsten Landschaften der iberischen
Halbinsel, und das alt - spanische Sprüchwort, welches in der Uebersetzung etwa heisst:
„Valencia ist Gottes Land, Reis wächst, wo gestern Weizen stand", hat in der That viel
Zutreffendes, scheint kaum übertrieben, denn wir finden dort eigentlich überall die herrlichste
Vegetation, und selbst derjenige Reisende, welcher wie wir von den südlichsten Provinzen
Spanien's nach Valencia kommt, wird überrascht durch die Ueppigkeit\ der dortigen Flora. In
der Vega de Valencia wechseln die prächtigsten Paimenwalder mit Orangenhainen und
Citronen - Plantagen ab; der Botaniker Dr. M. Willkomm nennt das Königreich Valencia mit
vollem Rechte das klassische Land der Dattelpalme in Europa, denn in keiner andern Gegend
unseres Welttheiles, selbst das um Vieles südlicher gelegene Andalusien nicht ausgenommen,
wo die Palmen im Allgemeinen nicht zu den seltenen Bäumen gehören, giebt es so viele
Palmen und gedeihen dieselben so gut, wie in Valencia. Jener Gelehrte glaubt, dass die
Ursache zu diesem üppigen Wachsthume der Palmen in dem Boden Valencia's Hegt, welcher
in vielen Gegenden dieser Provinz einen nahezu afrikanischen wüstenartigen Charakter besitzt.
— Wir sahen in der s. g. Huerta de Valencia die bestcultivirten Reisfelder, aufweichen die
Bewässerungsanlagen zweckmässig eingerichtet, gut benutzt und auf das sorgfältigste unter-
halten werden. Ueberall gewahrt man die fleissige Hand des betriebsamen, aufgeweckten
und dabei stets nüchternen Landvolkes von Valencia — die Enthaltsamkeit beim Genuss
geistiger Getränke geht dort soweit, dass man selbst bei längerem Aufenthalte in jener Pro-
vinz wohl niemals Gelegenheit erhalten wird, betrunkene Valencianer zu sehen. Der Leibesbau,
auch die Manieren und Gebräuche dieses Volkes erinnerten uns an die Eingeborenen Nord-
Afrika's, und es ist höchst wahrscheinlich, dass dasselbe mehr mit maurischem Element
gemischt ist, als das andalusische Volk; wir möchten die Valencianer zu den stattlichsten,
schönsten Bewohnern Spanien's zählen. Wenngleich dieselben als Ackerbauer und Gärtner
recht Befriedigendes leisten und in letzterer Eigenschaft vielfach in andere Provinzen der
Halbinsel gerufen werden, so kann man ihnen dagegen als Viehzüchter kein grosses Lob
spenden, im Gegentheil muss man ihnen nachsagen, dass sie ihre Hausthiere ziemlich nach-
lässig, oft sogar roh behandeln und für die Aufzucht des Jungviehes kein Geschick haben.
Die Landleute kaufen ihren Bedarf an Arbeits - und Nutzvieh in den benachbarten Provinzen;
die Städter beziehen ihre Luxuspferde und das Schlachtvieh aus der Fremde; wir sahen in
Valencia mehr ausländische Pferde — vielfach französische aus der Normandie — als an irgend
einem andern Platze des Königreiches, und- bemerkten sogar, dass den Fuhrwerksbesitzern
nicht einmal die inländischen Maulthiere genügten, sondern dass sie weit lieber die im süd-
lichen Frankreich gezogenen Bastarde zur Arbeit benutzten.
Die aus Andalusien und Estremadura herbeigeholten jungen Pferde und Fohlen werden
in der Regel für einige Zeit auf die Weiden an den Flüssen Turia, Jucar, Segura etc. geführt,
damit sie sich an das Klima des Landes gewöhnen und in Folge der reichen Grasnahrung
möglichst rasch und vollkommen entwickeln. Sie werden meistens erst nach zurückgeleg-
tem 4. Lebensjahre zu den verschiedenartigsten Gebrauchszwecken herangezogen, jedoch
ausdauernd und werden darum in Gebirgsgegenden den Pferden immer vorgezogen. Sie sehen übrigens keineswegs häss-
lich aus; an die langen Ohren und die Ramsnase gewöhnt man sich bald und ausserdem ist ihr Körperbau ebenmässig
und körnig. Doch hat man sich vor ihren Hufen und ihren Zähnen immer in Acht zu nehmen."
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DIE PFERDE IN SPANIEN.                                                                       133
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nur ausnahmsweise zur Züchtung benutzt, und wenn einmal hier oder dort eine gut gebaute
Stute vorkommt, wird sie eher zur Maulthier- als zur Pferdezüchtung verwendet. —
Das Stallfutter der Pferde- und Maulthiere besteht in Valencia vorwiegend aus Gerste,
Johannisbrod, Mais und Luzerne, welche letztere gewöhnlich Jahr ein Jahr aus im grünen
Zustande verfüttert werden kann. Die Arbeitsthiere werden gut ernährt; man fordert von
ihnen aber auch tüchtige Leistungen, und liebt es z. B. in Eilwagen oder dergl. möglichst
schnell zu fahren. —
Nach den Berichten unseres deutschen Consuls, Herrn Dahlander in Valencia leiden die
Pferde jener Provinz sehr häufig an einer Krankheit, welche die Spanier „Papera" nennen
und die nach der Beschreibung wahrscheinlich eine heftig auftretende Kropfgeschwulst oder
bösartige Druse sein wird, denn sonst würde es sich nicht erklären, dass daran in manchen
Jahrgängen so viele Fohlen und junge Pferde zu Grunde gehen, wie Herr Dahlander angiebt.
Die wenigen, meist zierlich gebauten Pferde, welche in der Provinz Valencia gezüchtet
werden, kommen aus den höher gelegenen Plätzen des Turia-Flussgebietes, aus der Gegend
von Albuferia, woselbst sie in den Wirthschaften einzelner Granden gezogen und zum leichten
Reitdienste benutzt werden.
Staatsgestüte und Remonte-Depots der Armee fehlen in dieser Provinz gänzlich, und
verschiedene Landwirthe der Umgegend von Castellon de la Plana erklären, dass sie wohl
Pferde züchten würden, wenn sie für ihre Stuten passende Beschäler finden könnten. Unweit
Maestrazgo giebt es einige Landpferde, von denen der Oberst Cotarello sagt, dass sie zwar
von kleiner Gestalt, aber stark, leicht, schnell und für das gebirgige Terrain jener Gegend
geeignet wären.*)
In den Huertas**) de Orihuela y Alicante werden die meisten Stuten in der ganzen
Provinz gehalten, von denen jedoch die grössere Zahl dem Eselhengste zugeführt wird; die
daselbst gezüchteten Maulthiere sollen sich bei zweckmässiger Ernährung mit Luzerne rasch
entwickeln und schon frühzeitig für die verschiedenen Gebrauchsarten tauglich sein. —
c) DIK ZÜCHTUNG IN CATALONIEN.
Das alte Fürstenthum Catalonien war von jeher durch seine Lage am Meere hauptsäch-
lich auf Seefahrt, Handel und Industrie hingewiesen; die rührigen Bewohner des Landes schei-
nen zum Kaufmannsstande mehr Neigung als zum Landbau oder zur Thierzüchtung zu besitzen.
Die Catalonier sind häufig selbstsüchtig, misstrauisch und scheinen ihr Hauptaugenmerk auf
den Geldgewinn zu richten; in ihrer grossen Seestadt Barcelona mit ppr. 250,000 Einwohnern
bemerkten wir — selbst während des Carlisten-Krieges im Jahre 1875 — eine Rührigkeit und
Thätigkeit auf Gelderwerb, wie an keinem andern Platze Spaniens, und die Unruhen und
Gefahren des nahen Kriegsschauplatzes schienen dort auf Handel und Gewerbe keinen grossen
Einfluss auszuüben. Aber auch bei den Landleuten in der Provinz fanden wir einen lobenswer-
then Fleiss bei der Kultur ihrer Gärten und Felder; man war eifrig darüber aus, Wein, Getreide
und Früchte aller Art möglichst bald an den Markt zu bringen und daselbst möglichst gut zu
verhandeln. — Bei dem Besuch der Schlachthäuser und Viehmärkte machten wir die Beobach-
tung, dass hier das angetriebene Vieh meistens aus fremden Provinzen stammte, wo es von
*) En la parte del Maestrazgo se obtienen algunas caballos de poca alzada, pero fuertos, ligeros y andadores,
coma acostumbrados ä los terrenos de montana.
**) „Huerta" nennt der Spanier das gasammte Gartenland, welches einer Stadt oder einem Dorfe zugehört und
die Ortschaften gewöhnlich gürtelartig umgiebt.
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schlauen Handelsleuten des catalonischen Bauernstandes angekauft war, von welchen endlich
wegen des Preises für die Thiere mit den Consumenten lange gefeilscht wurde. Das Land-
volk jener Provinz erklärte uns mehrfach, dass man bei der Aufzucht der Hausthiere selten ein
gutes Geschäft, machte, und daher solche lieber „anderen Leuten" überliesse. Der ganze
Norden der Provinz ist gebirgig, bildet die Vorstufen der Pyrenäen, welche im Sommer ein
sehr heisses und im Winter dagegen ein rauhes Klima besitzen, das weder dem Ackerbau, noch
der Viehzucht besonders günstig ist. In der Ebene zwischen Barcelona und Tarragona ist das
Klima zwar gemässigt, der Boden aber im Allgemeinen nicht sehr fruchtbar und nur erst mit
Hülfe künstlicher Bewässerungen (Norias) und fleissiger Bestellung liefern die Felder befrie-
digende Ernten von Getreide, Flachs, Hanf, Safran, Krepp, Süssholz, Südfrüchte verschie-
dener Art, besonders schöne Kastanien, Johannisbrod und Oliven. Der Weinbau giebt dort
keine hohen Erträge, weil die Trauben dickschalig und kraftlos sind. —
Neben fleissiger Bodenkultur und einem gewinnreichen Bergbau ist in dieser Provinz der
Hauptsitz spanischer Industrie; es giebt daselbst über 200 Papierfabriken und 3000 Baumwollen-
spinnereien, deren Fabrikate von Barcelona aus in den Handel kommen. Ein in Catalonien
viel gebrauchtes Sprüchwort lautet: „Los Catalanas sacan de piedros panes" (die Catalanen
ziehen Brod aus Steinen) und deutet auf die Betriebsamkeit dieses Volksstammes, welcher in
seinen Manieren und Gebräuchen, auch in der Sprache manche Aehnlichkeit mit dem ProVen-
calen und Gascogner besitzt.
Die wenigen in Mittel-Catalonien gezüchteten Pferde haben im Leibesbau einige Aehn-
lichkeit mit den früher beschriebenen Camargue-Rossen, und Cotareilo hält es für wahrschein-
lich, dass in älterer Zeit bei den nahen Beziehungen Catalonien's zu der Provence viele
Zuchtpferde von dem Rhone-Delta nach dieser Provinz übergeführt worden sind. Durch Kreu-
zungen mit spanischen Pferden, durch den Einfluss eines andern Klima's, ganz verschiedener
Weiden und Wiesen hat sich der catalonische Pferdeschlag etwas verändert, ohne gerade
ansehnlicher geworden zu sein. Diese Pferde erreichen selten eine Höhe von 1,55 Meter; sie
sind durchschnittlich nur 1,50 Meter gross, besitzen einen schweren, breiten Kopf, welcher
an einen langen und magern Hals unschön angesetzt ist. Der Leib ist stark entwickelt, der
Rücken oft eingesenkt, der Kruppe abgeschliffen und der Schwanz nicht hoch angesetzt; die
Unterfüsse sind lang und die Oberarme und Hinterschenkel etwas zu kurz und wenig muskulös.
Ihre Hufe sind von fester Hornmasse. Das Temperament der Pferde ist lobenswerth; sie zeigen
sich fleissig, muthig und ausdauernd bei allen Arbeiten. Im gebirgigen Theile der Provinz
werden diese Pferde häufig zum Lasttragen benutzt und stehen in diesen Leistungen nur um
ein Weniges hinter den Maulthieren des Landes zurück. In Barcelona und anderen Städten
der Provinz sieht man diese zierlichen Pferde nur vereinzelt vor den kleinen Wagen der Bauern,
welche Früchte zu Markte bringen. Die meisten Luxuspferde sind hier anderen spanischen oder
auch ausländischen Racen entnommen, von welchen einzelne Exemplare hin und wieder zur Züch-
tung verwendet werden. Für die Provinz Catalonien werden 36—40 Beschäler vom Staate
gehalten; wir vermuthen jedoch, dass das aufgestellte Material dem Geschmacke der Landleute
nicht entspricht, denn es wurden jenen Hengsten in den letzten Jahren nur sehr wenige Stuten
zugeführt. In dem Bezirke von Barcelona sollen 2600 Stuten vorkommen, von welchen jedoch
nur wenige Fohlen gezüchtet werden. — Die Maulthierzucht ist auch dort beliebter, als die
Pferdezucht, und es scheint fast, dass alle Bemühungen der Regierungsbeamten und einzelner
Grossgrundbesitzer, welche die letztere gern heben und den alten Landschlag verbessern
möchten, an dem Widerwillen der dortigen Bevölkerung gegen diese Hausthierzüchtung
scheitern. —
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DIE PFERDE IN SPANIEN.
Im Norden der Provinz, im Gerichtsbezirke von Gerona, unweit der kleinen Figueras
hat im Jahre 1852 das s. g. Fomenta-Ministerium ein Hengst-Depot mit 10 Beschälern
spanischer Race zu dem Zwecke errichtet, die Pferdezucht auf jener Hochebene zu verbessern,
und wenn wir den Berichten einiger catalonischer Pferdefreunde Glauben schenken dürfen,
wonach etwa 4000 Stuten zur Züchtung benutzt sind und die Nachzucht viel brauchbare Thiere
aufweist, so hat dasselbe einen guten Erfolg gehabt. In jener Gegend verfüttert man statt
der Luzerne sehr häufig Esparsette, welche auf dem Kalkboden der silurischen Formation
reiche Erträge liefert und den Pferden besonders gut zusagen soll.
Der unglückliche General Pardinas, welcher Grossgrundbesitzer in der Landschaft von
Cerdana ist, soll sich um die Verbesserung und Hebung der Pferdezucht in jener Gegend die
grössten Verdienste erworben haben; derselbe hätte zur Kreuzung mehrfach französische
Hengste verwendet und die Nachzucht von ppr. 200 Stück wäre in jeder Beziehung befrie-
digend ausgefallen.
An der aragonischen Grenze von Catalonien, in der Umgegend von Lerida sahen wir
auf unserer Reise meistens nur kleine Pferde_ mit einem grossen, schweren Kopfe, langen
dünnen Halse, kurzen Rücken und abschüssigen Kreuze, welches letztere jedoch breit genannt
werden konnte. Die unteren Gliedmassen besassen dieselben Mängel und Fehler, welche wir
schon mehrfach bei der Beschreibung spanischer Pferde erwähnt haben, die aber von den
dortigen Hippologen leicht übersehen werden.
Im südlichen Theile der Provinz Catalonien, im Bezirke von Tarragona ist nach Cota-
relo's Mittheilungen*) die Pferdezucht gegenwärtig bedeutend reducirt. Auf 1000 Pferde kann
man ungefähr 11,000 Maulthiere rechnen, und diese reichen für die Feldarbeiten und den
starken Waarentransport jener Landschaft vollständig aus. Unter den dortigen Pferden kom-
men viele Individuen vor, welche französischen Racen angehören und eingeführt sind, um als
Kutschpferde und zu einigen landwirthschaftlichen Arbeiten verwendet zu werden.
Zur Ernährung der Pferde verwendet man in der Provinz Tarragona die Frucht
vom Johannisbrodbaume (Ceratonia Siliqua), welcher eigentlich im Orient heimisch, aber
schon seit Jahrhunderten in Spanien acclimatisirt ist und in manchen Jahren sehr reiche
Erträge liefert. Man mischt das Johannisbrod gewöhnlich mit Mais, Bohnen, Kleie und Stroh-
häcksel, wodurch der Genuss den Thieren angenehmer wird. — In der Nähe des Meeres
bekommen die Zuchtpferde hin und wieder auch Wiesenheu vorgelegt, welches sonst in
Spanien ein „seltenes Futter" für dieselben genannt werden kann, da man solches in der
Regel den Rindern darreicht.
In Barcelona sieht man auf den Strassen und in den grossen, sehr luxuriös eingerich-
teten Manegen der reichen Kauf herren - Clubs fast nur andalusische Hengste als Reitthiere
benutzt. Man schätzt dort, wie eigentlich überall in Spanien den gemessenen, stolzen Gang
und Schritt der Pferde jener Race über Alles und will von der Benutzung anderer Thiere zu
Reitzwecken nichts wissen.
Von den in Catalonien gezüchteten Hausthieren haben uns die Schweine noch am
besten gefallen; wir werden später bei der Beschreibung der europäischen Schweine-Racen
*) Es muy reducido el miraero de cabezas de ganado caballar que tiene este provinzia (Tarragona), que no llegan
ä 1,000: miestras que de mular pasan de 11,000 las que hay en poder de labradores y tragineros. Entre las primeras se
ven algunas yeguas y caballos de raza francesas, importädos pora tiro de carruajes y para algunos servicios de la
agricultora.
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DIE PFERDE IN SPANIEN.
auf die dort vorkommenden grossen und kleinen Schläge dieser Hausthiergattung nochmals
zurückkommen und wollen hier nur erwähnen, dass die catalonischen Schinken einen nicht
unwichtigen Exportartikel bilden.
IV. DIE NÖRDLICHE REGION.
a) DIE ZÜCHTUNG IN ARAGONIEN.
Wenn man auf der Reise durch Spanien, auf der Eisenbahnfahrt von Barcelona nach
Zaragoza, hinter Lerida in das aragonische Steppengebiet kommt, so macht hier die wasser-
arme Landschaft ohne Haus, Baum oder Strauch einen düstern Eindruck. Gezackte Hügel-
kämme von Kalk und Gyps, nackte Bänke, an welchen hin und wieder Steinsalz zu Tage
tritt, wechseln mit breiten Hochflächen, die von unzähligen Spalten durchrissen werden, ab,
und erst dann, wenn man unweit Zaragoza das untere Tiefland der Provinz Aragonien
betritt und den mit vielen Stromschnellen versehenen Ebro überschritten hat, wird die Land-
schaft etwas anmuthiger; wir erblicken bebaute Felder, Wiesen und Weiden, auf welchen das
Hausthier seine Nahrung findet. Im Grossen und Ganzen ist Aragonien von der Natur nicht
begünstigt, auch von den Bewohnern des Landes anscheinend vernachlässigt, und wir glauben
behaupten zu dürfen, dass diese Provinz zu den uncultivirtesten des Königreiches gehört. Selbst
die vielfach gepriesene Huerta (Gartenlandschaft) von Zaragoza machte auf uns keinen sehr
angenehmen Eindruck, weil hier der Oelbaum mit seinem matten Graugrün den vorherr-
schenden Theil der Vegetation bildete und das frische Grün unserer heimischen Fluren nirgends
zu erblicken war.
Die Bewohner dieses Landstriches unterscheiden sich in ihrem Wesen, ihren Sitten und
Gebräuchen von ihren Nachbaren im Westen, Süden und Norden wesentlich; der Aragonese
ist bigott, stolz, düster und ernst, und wir wurden in der Gesellschaft jenes Landvolkes an die
Worte unseres hochgeschätzten Collegen, Prof. Dr. Erdmann erinnert, welcher in seinen
psychologischen Briefen sagt: „Der Mensch ist wie der Boden, dem er angehört." — Die
Spanier anderer Provinzen behaupten nun zwar, dass man den Aragonesen lieben und achten
müsste, wenn man ihn erst näher kennen lernte; er sei ein ungeschliffener Edelstein und von
Herzen brav und gut. Als Landwirth und Viehzüchter ist derselbe jedenfalls nicht zu loben;
er ist lässig bei der Feldbestellung und zeigt bei der Züchtung und Haltung seiner Hausthiere
eine unverantwortliche Sorglosigkeit. Dahingegen sind die Aragonesen bekannt als die besten
Soldaten und kühnsten Jäger Spanien's; wenn man ihnen aber weiter nachrühmt, dass sie an
der französischen Grenze die verwegensten Schmuggler wären, so können wir diese Eigenschaft
nicht loben und ihnen nur wünschen, dass sie bei mehr geregelten politischen Verhältnissen
ihre Schlauheit und Geschicklichkeit besser, edler verwerthen lernen. Es giebt verschiedene
Landstriche in Aragonien, wo sicherlich durch intensivere Kultur ungleich höhere Erträge
erzielt werden könnten, als jetzt daselbst gewonnen werden.
Diese Provinz ist besonders reich an solchen Weiden, welche für die Haltung edler
Schafe vorzüglich geeignet sind; wir sehen daher auch dort diese Hausthierzüchtung seit
ältester Zeit in grösstem Umfange betrieben; man schätzt den Bestand an Schafvieh auf über
2,000,000 Stück, welche nicht nur von den Grossgrundbesitzern, sondern auch von den Bauern
(labradores) gehalten werden.
Die Pferdezucht Aragonien's hat nur geringe Bedeutung und ist auf einige wenige
Ortschaften zwischen Zaragoza und Huesca beschränkt. Zu den Feldarbeiten werden zum
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'xuekvAuq Kurth Lerpsiq
Leona
Zuchtstute aus dem Gestüt des Herzogs von Osuria.
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grössten Theile Maulthiere und Rinder benutzt, und selbst der kleine Esel wird nicht selten
vor den Pflug oder die Egge gespannt; doch erschienen uns dessen Leistungen im Grossen
und Ganzen mangelhaft.
Von den Spaniern werden die in dieser Provinz gezüchteten Pferde als „leichte Reit-
pferde" bezeichnet, welche aber einen grossen, aufgedunsenen (pastoso) Kopf besitzen. Ihr
Hals ist dünn, wird nahezu senkrecht getragen; es fehlt der Brust die nöthige Breite, die
Schultern sind platt, der Rücken ist lang, die Hinterbacken sind schwach entwickelt, die Ober-
arme kurz und die Unterfüsse lang. Ihre Hufe sind breit und gross. In den Bewegungen
zeigen diese Rosse weder Grazie, noch Energie und sind daher nur für solche Reiter brauch-
bar, welche auf lobenswerthe Eigenschaften keine Ansprüche erheben und gern im langsamen
Schritt reiten. —
Durch die in der neueren Zeit an verschiedenen Orten Aragonien's zur Zucht verwen-
deten französischen Hengste soll der dortige Pferdeschlag zwar etwas gebessert sein, wohin-
gegen bei der Verwendung von Beschälern aus Andalusien und Estremadura sich keine Vered-
lung desselben bemerkbar machte.
Die Freunde der Pferdezucht in Aragonien sprechen auch ihr Bedauern darüber aus,
dass viele der besser gewachsenen Stuten in der Regel zur Maulthierzucht verwendet und sehr
oft nur der Ausschuss des Stutenmaterials den Pferdehengsten zugeführt würde. —
Im nördlichen Theile dieser Provinz, wo das Gebirge und die Hochthäler eine Höhe von
mehreren tausend Fuss erreichen und die Weiden im Winter oft wochenlang mit Schnee
bedeckt sind, fristen die Fohlen ein kärgliches Dasein; sie entwickeln sich langsam, ja schlecht,
erreichen ausgewachsen selten eine Höhe von 1,50 Meter, sind unansehnlich, aber robust und
zeigen eine Lebenszähigkeit, wie man solche sonst nur bei Eseln und*Mauleseln findet.
In der Hauptstadt der Provinz, Saragoza und in Huesca befinden sich Hengst-Depots,
in welchen spanische, englische, französische und sogar auch einige deutsche Beschäler zur
Aufstellung gekommen sind; man will jedoch die Beobachtung gemacht haben, dass durch die
Kreuzung mit französischen Hengsten verschiedener Racen in diesem Theile Aragonien's
Verlegenheiten entstanden sind und die Nachzucht schlecht geformt war, wohingegen bei der
Benutzung spanischer Beschäler die nachgeborenen jThiere den Wünschen der Aragonesen
mehr entsprechen.*)
b) DIE ZÜCHTUNG IN ALT - CASTILIEN.
Der bei weitem grösste Theil des alten Königreiches Alt-Castilien, im Norden vom can-
tabrischen Gebirge begrenzt, liegt auf der grossen nördlichen Hochebene Spaniens, ist mei-
stens dürr und ohne Wald, ja grosse Strecken sind ganz ohne Baum und überall ist dieser
Landestheil arm an Wiesen und artbarem Ackerland. Auf den Gebirgsweiden der Sierras
Albas, Sepos und Salvada treffen wir in der Regel nur kurzhalmige Gräser und strauchartige
Gewächse, welche den Wanderschafen (Merinos transhumantes) zur Nahrung dienen, die übri-
gen Hausthiere aber nur kärglich ernähren. Der Duero und seine Nebenflüsse mit seichtem
Bett treten leicht und im Frühjahr sehr oft aus, versumpfen das Land und machen dasselbe
weder für den Ackerbau noch für die Viehzucht besonders tauglich. Der im Norden diese
Provinz durchmessende Ebro bewässert die angrenzenden Felder und Wiesen hingegen nur
spärlich, und die anhaltende Sommerdürre lässt auch hier keine üppige Vegetation aufkom-
*) ,,Se ha indicado que los crucamientos con caballos franceses de diferentes rasas, han introducido con-
fusion etc."
Freytag, Hausthier- Racen. V.
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DIE PFERDE IN SPANIEN.
men. Auf den wenigen fruchtbaren Strichen inmitten von Alt-Castilien baut man Weizen,
Hülsenfrüchte etc., cultivirt die Weinberge und erhält von diesen und den Oelbaum-Plantagen
leidlich befriedigende Ernten. — Von den Bewohnern des Landes berichten uns die Reisen-
den, dass bei ihnen der spanische Charakter nach seinen Lichtseiten culminirte. M. Willkomm
sagt, dass in Alt-Castilien und Leon das orientalische Element, welches in den westlichen und
südlichen Provinzen überall leicht zu entdecken sei, fehlte, und er glaubt behaupten zu dürfen,
dass in den Adern der Leoneser und Altcastilianer noch jetzt so wenig arabisches Blut fliesst,
wie vor der Eroberung Spaniens durch die Mauren; sie nennen sich stolz: „Christianos viejos"
(alte Christen) und sind in hohem Grade bigott. —
Der Oberst Cotarelo sagt in Bezug auf die Pferde Alt-Castiliens, dass in alter Zeit
gerade diese Provinz die kräftigsten, feurigsten Kriegsrosse geliefert und die Könige des
Landes den Mauren mehrfach 24,000 gut berittene Cavalleristen entgegengestellt hätten. Es
scheint aus allen historischen Notizen hervorzugehen, dass dort ungleich weniger Kreuzungen
mit Pferden orientalischer Race vorgenommen sind, als in den südlichen Provinzen der Halb-
insel: Die Schilderungen von castilianischen Rossen aus dem isten und löten Jahrhundert stim-
men mit den Beschreibungen von andalusischen Pferden damaliger Zeit wenig überein; jene
waren viel grösser, plumper als diese und besassen weit mehr die typischen Formen der
norischen Pferde, welche letzteren wahrscheinlich zur Zeit der Gothen in die nördlichen Provinzen
Spaniens eingeführt sind. — Von anderer Seite wird behauptet, dass die Sueven und Van-
dalen starke Pferde aus dem Norden Europas nach Castilien geführt und dort zur Zucht benutzt
hätten. — In wie weit das Clima und Bodenverhältnisse dieses Landes dazu beigetragen
haben, den Charakter der nordischen Pferde dort Jahrhunderte lang zu erhalten, vermögen
wir leider nicht nachzuweisen; wir haben auf unserer Reise diese Provinz nur auf einer sehr
kurzen Strecke — unweit Medina-Celi — berührt, und liefern nachstehend die Beschreibung
des altcastilianischen Schlages nach den Mittheilungen unseres Gewährsmannes Don Catarelo.—
In der Provinz von Segovia ist nach den Angaben des General - Sekretairs Lopez-Mar -
tinez der Pferdebestand verhältnissmässig gross — auf 128 Q Meilen kommen 11,000 Stück —;
die Regierung hat daselbst in der Hauptstadt ein Hengstdepot errichtet, in welchem 3 Beschäler
aus Cadix, einer aus Cordova, ein Araber und 42 Hengste der castilianischen Race zur Auf-
stellung gekommen sind; dieselben werden zeitig im Frühjahr über die ganze Provinz ver-
breitet, d. h. in 24 Stationen untergebracht und der Sprung gratis gegeben. Die Zahl der
Stuten wird auf 4600 Stück angegeben, von welchen jedoch nur der sechste Theil eine zufrieden-
stellende Grösse besitzt und zur Pferdezüchtung benutzt wird. Auch hier werden wieder die
meisten, wenn auch nicht die grössten Stuten zur Maulthierzucht verwendet. Cotarelo sagt, dass
die Züchter bei der Auswahl des Eselhengstes (garahon), welcher zum Belegen der Pferdestuten
benutzt werden sollte, sorgsamer zu Werke gingen, als bei der des Pferdehengstes. In den
südlichen Provinzen haben wir wiederholt die Beobachtung gemacht, dass die Maulthierzüchter
in erster Linie gute Mutterstuten zur Zucht auswählten und dem Eselhengste weniger Werth
in der Vererbung beilegten. — Durch die Ausdehnung der Maulthierzucht hat auch die früher
dort sehr umfangreich betriebene Rindviehzucht Einbusse erlitten; die Castilianer erklären, dass
neben der Schafhaltung die Maulthierzüchtung der vortheilhafteste Zweig der ganzen Hausthier-
zucht sei. —
Die Pferde des alten, unveredelten Schlages von Alt-Castilien finden sich noch in ziem-
lich grosser Zahl nördlich von der Stadt Avila; sie sind von mittelgrosser Gestalt, etwa
1,60 Meter hoch, haben einen grossen, schweren Kopf mit Ramsnase, einen geraden und eher
kurzen, als langen fleischigen Hals, langen, geraden Rücken, ein starkes, hohes und gut
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DIE PFERDE IN SPANIEN.                                                                       139
abgerundetes Kreuz, breite Lenden, ebene, breite Schultern, gute Oberarme, starke, breite
Kniee, kräftige Beine, welche in der Regel etwas lang gefesselt und mit guten Hufen ver-
sehen sind. Sie besitzen ein lebendiges Temperament, sind geschickt und ausdauernd bei der
Arbeit, und es würde wahrscheinlich dieser Schlag mit Leichtigkeit zu verbessern sein, wenn
man den Stuten besser gewachsene Beschäler zuführte. Nach Allem, was wir über die dortige
Pferdezüchtung erfahren haben, scheint man aber bei dem ganzen Zuchtgeschäfte, der Auf-
zucht und Pflege der Fohlen sehr nachlässig zu verfahren und diesen nicht immer hinreichendes
Futter zu reichen. —
In der Provinz Valladolid, dem westlichen Theile von Alt - Castilien, wo auf 143 Q Meilen
etwa 10,000 Stück Pferde gehalten werden, sind nach den Angaben Cotarelo's in den ver-
schiedenen Hengstdepots bereits mehrfach deutsche Beschäler zur Aufstellung und häufig bei
der Züchtung zur Verwendung gekommen; man hat sie mit den Stuten der dortigen Landrace
gepaart, dabei jedoch die Beobachtung gemacht, dass die Nachzucht dieser Kreuzung sich
nur langsam entwickelte und in manchen Punkten den gehegten Erwartungen nicht entsprach.
Unser Gewährsmann vermuthet, dass die anderen climatischen Verhältnisse auf die fraglichen
Kreuzungsproducte ungünstig einwirkten.*)
In den Beschäler-Depots jener Provinz finden sich im Ganzen 44 Hengste südspanischer
Racen, welche den grössten Theil von den dort vorkommenden 2500 Landstuten bedecken; nur ein
kleiner Prozentsatz dieses Stutenmaterials wird von einigen castilianischen Hengsten, die in den
Händen von Privatpersonen sind, belegt; ihre Nachzucht zeigt grosse Aehnlichkeit mit den Pferden
des neucastilischen Schlages. Die meist kleinen Thiere haben einen magern, geraden Kopf mit
wenig geramstem Nasenrücken, grosse, feurige Augen und kleine tief angesetzte Ohren. Der
Körper der meisten Individuen ist im Verhältniss zu ihrer geringen Höhe (in der Regel 1,48 Meter
bis zum Widerrüst) kräftig und breit zu nennen; sie haben einen nicht zu langen, geraden
Rücken mit guten Lenden und einem wenig abschüssigen Kreuze, an welchem der Schweif zwar
nicht tief angesetzt ist, aber schlecht getragen wird. Ihre Oberarme und Hinterschenkel könnten
kräftiger und muskulöser sein; ihre Unterfasse nennt Cotarelo geradezu „schwach" (debiles),
rühmt jedoch ihre gute Stellung und die verschiedenen Gangarten dieser Pferde. Sie werden
in der Umgegend von Valladolid vorwiegend zu den verschiedenen Feldarbeiten, dann aber
auch zum Tragen der Lasten auf schlechten Wegen benutzt und sollen bei beiden Gebrauchs-
arten sich bewähren.
Die Haltung, Pflege und Ernährung der Thiere scheint dort nicht schlecht zu sein; man ■
reicht ihnen die verschiedenartigsten Futterstoffe, von welchen jedoch Gerste, Mais und
Johannisbrod und als Rauhfutter Luzerne und Esparsette die hauptsächlichsten Nährmittel bil-
den.— Schliesslich können wir hier noch constatiren, dass in der Provinz Valladolid, wo
mehrfach Hengste deutscher Race als Beschäler verwendet wurden, die deutsche Pferdezucht
in Ansehen zu stehen scheint, und nach Aussage mehrerer Züchter der Wunsch laut geworden
sein soll, nicht nur männliche Zuchtthiere, sondern auch einige Mutterstuten aus Norddeutsch-
land zu beziehen.
c) DIK ZÜCHTUNG IM SÜDLICHEN THEILE VON LEON.
Das alte Königreich Leon, einst der Mittelpunkt der christlichen Herrschaft Spaniens,
umfasst im nordwestlichen Gebiete einen grossen Theil der cantabrischen Terrassen, im Nord-
*) „Aunque lentos en su desarrollo y embastecidos por la influenza del clima," no han dejado de presentar en
su conformacion los caracteres del caballo castillano.
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osten das Quellengebiet des Ebro mit den Montes de Oca, auf welchen die wandernden Merino-
heerden während der Sommermonate eine ihnen sehr zusagende Nahrung finden. — Der
Herbst ist hier stürmisch und der Winter rauh und kalt, häufig kommen Schneestürme vor und
die Schafhirten hielten es von jeher zweckmässig, zeitig im Herbste aus jener Gegend fort
gen Süden zu ziehen. —
Südlich vom Duero, in der Provinz Salamanca ist die Landschaft eben, an vielen Orten
gut angebaut, liefert fast jedes Jahr reiche Erträge von Cerealien verschiedener Art, beson-
ders schönen Weizen, und in der Gartenlandschaft unweit der reizend belegenen Hauptstadt
Salamanca werden feine Obstsorten, vorzüglich edle Aepfel geerntet, die einen nicht unbedeu-
tenden Exportartikel des Landes bilden. Leider ist auch in diesem Theile Spaniens die Com-
munication in Folge der schlechten Beschaffenheit aller Wege sehr erschwert; Handel und
Industrie sind dort sehr gering und kaum können wir den Berichten der Reisenden Glauben
schenken, welche angeben, dass dort mehr Wohlstand, als in Estremadura herrscht. —
Die Leoneser haben in der Körpergestalt grosse Aehnlichkeit mit den Castilianern, deren
Sitten und Gebräuchen; sie halten sich aber für „noch ältere Christen" und behaupten, durch-
aus „reinblütige" Spanier zu sein, in welchen fremdes d. h. maurisches Blut nicht flösse.
Professor Moritz Willkomm hat auf seiner letzten Reise durch Spanien (1850) auch die
Provinz Leon berührt und in den Gebirgen von Astorga einen eigenthümlichen Volksstamm
kennen gelernt, welcher für uns desshalb interessant und beachtenswerth ist, weil derselbe
nach dessen Angaben und den Mittheilungen des Franzosen A. Germond de Lavigne*) die
Hausthierzüchtung sehr gut und sorgfältig betreibt und auch dem Flachsbau grosse Aufmerk-
samkeit schenkt. Die Bewohner jener Gebirge nennen sich „Maurogatos" oder „Marogatos"
und sind nach M. Willkomm ein unvermischt gebliebener Rest der eingewanderten Gothen.
Andere behaupten, dass sie von den Zelten oder Zeltiberern abstammten, weil sie sich durch
ihre Gesichtsbildung und ihr Haupthaar zu auffallend von den übrigen Spaniern unterschieden.
Die Marogaten sollen ausnahmslos blondes Haar und blaue Augen haben, wohingegen fast alle
anderen Bewohner der iberischen Halbinsel schwarzes oder dunkelbraunes Haar und feurige
dunkle Augen besitzen. Die Marogaten halten ihre Viehheerden sehr gut, suchen sorgfältigst
für die Schafe die besten Weideplätze auf, lassen aber auch die Rinder, Pferde, Esel und
Schweine nicht Noth leiden. Die hier vorkommende Rinderrace soll eine sehr fette Milch
liefern, aus welcher jene Bergvölker eine vorzüglich schöne Butter fabriciren, die im Geschmacke
dem besten flandrischen Producte nicht nachstünde. Obgleich die dortigen Communications-
wege schlecht sind und die Entfernung von der Hauptstadt des Landes gross ist, so scheut
man die Transportkosten für die Butter nicht und fährt sie auf den Markt von Madrid, wo für
dieses wohlschmeckende Product — unstreitig das beste dieser Art in ganz Spanien — die
höchsten Preise gezahlt werden.
Als Pferdezüchter haben die Marogaten keinen solchen Ruf, wie als Züchter von Eseln
und Maulthieren, welche letzteren beiden Thiergattungen sie mit Vorliebe und gutem Erfolge
aufziehen. Ebenso halten wir für wahrscheinlich, dass dieselben auch Maulesel züchten, da
nach Don Leon Castro y Espejo's Angaben von jeher derartige Thiere in der Gegend von
Astorga gezüchtet worden sind, und diese Züchtung keinerlei Beschränkungen Seitens der
Regierung erfahren hat.
*) Itineraire descriptif, historique et artisüque de l'Espagne et du Portugal par A. Germond de Lavigne de
l'Academie royale espagnole. Paris 1866. Librairie de C. Hachette et Cie.
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)ru.c* v <:-:\^-\ föartlh. Leipzig
CarpiTitora
Zuchtstute a~us dem Gestüt des Herzoge von Osuna.
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141
DIE PFERDE IN SPANIEN.
Die Hausthierzucht bildet auch im südlichsten Theile der Provinz Leon den Haupterwerb der
Bevölkerung; die Industrie daselbst ist ziemlich unbedeutend, beschränkt sich auf Leinenweberei
und Tuchfabrikation, und der Ackerbau wird nur in einigen Distrikten des mittleren, mehr
ebenen Theiles der Landschaft betrieben. Nach den neuesten statistischen Ermittelungen besitzt
Leon auf '290 DMeilen einen Hornviehbestand von 113,600 Stück, ausserdem 700,000 Stück
Schafe und 20,000 Pferde. 15,470 Pferde sollen weiblichen Geschlechtes sein und von diesen
werden nach Cotarelo's Angaben circa 9000 Stück zur Pferdezucht und der Rest wird zur
Maulthierzüchtung verwendet. Die eine wie die andere Hausthierzucht wird mit Sorgfalt betrie-
ben, und die Regierung hat durch Errichtung mehrerer Hengst-Depots zu Salamanca, Toro,
Leon und Benavente und durch Aufstellung gut gebauter Beschäler verschiedener Racen
bestens für die Hebung der Pferdezucht Sorge getragen. Man scheint bei der Auswahl der
Hengste besonders auf eine Vergrösserung des dortigen Schlages bei der Nachzucht hin-
gewirkt zu haben und soll an verschiedenen Orten auch bereits zum vorgesteckten Ziele
gekommen sein. —
Die Pferde zon Salamanca sind grösser, breiter und kräftiger geworden, als 'der alte
Schlag jener Gegend war, so dass es jetzt möglich ist, unter den daselbst gezogenen Thieren
brauchbare Wagen- [und Reitpferde zu finden. Die Anforderungen der Bewohner in dieser
Provinz sind sehr verschiedenartig und es ist in der That den Züchtern nicht leicht, alle
Wünsche zu befriedigen; an manchen Orten verlangt man kleinere, starke Thiere, welche auf
den schlechten Wegen zum Lastentragen zu benutzen sind, und empfiehlt zu diesem Zwecke
die alten Landstuten mit kleinen, kräftigen Hengsten aus der Provinz Cadiz zu belegen; in
anderen Bezirken sieht man wieder mehr auf elegante Formen und stolze Gangarten und hier
sind die edelsten andalusischen Hengste aus Sevilla und Cordova als Beschäler beliebt. In
dem Bezirke von Palenzia, am Rio Carrion werden mittelgrosse Pferde gezogen, welche den
castilianischen (mit Ramskopf) ähnlich»sind und als ruhige Reitpferde bezeichnet werden. Vor-
zugsweise züchtet man jetzt in Salamanca Maulthiere und bemühet sich, zu diesem Zwecke aus
der Provinz Murcia grosse Eselhengste zu bekommen, welche mit den Mutterpferden grösseren
Schlages gepaart, eine brauchbare Nachzucht von Bastarden liefern. Dass die Maulthiere vom
Carrion zum Theil werthvolle Exemplare sein müssen, geht daraus hervor, dass dieselben als
Fohlen von Fländlern aus der Mancha angekauft und später als Individuen der berühmten
„Raza Manchega" wieder verkauft werden. Nach Cotarelo giebt es in der Provinz Palenzia
2600 — 2800 Stuten, von welchen mehr als die Hälfte zur Maulthierzüchtung verwendet wird. —
Auf den reichen Weiden an den Flussufern finden sich neben Rothklee folgende Grasarten:
die weiche Trespe, der Windhalm, Zittergräser, Honiggrasarten, Schwingel und andere. Wenn
der Frühling besonders günstig ist, kaufen die Besitzer der Weiden auch wohl jährige Fohlen
aus Estremadura auf, um diese im wohlgenährten Zustande wieder an Markt zu bringen.
Aus allen uns zugegangenen Notizen über die Viehhaltung in den verschiedenen Pro-
vinzen von Leon ersehen wir, dass dieselbe dort möglichst begünstigt wird und in Folge dessen
auch eine der Haupteinnahme - Quellen des ganzen Landes bilden kann. A. von Klöden giebt
in seinem Handbuche der Erdkunde an, dass es in der Provinz Salamanca viele wohlhabende
Viehzüchter giebt, deren berittene Hirten das Vieh mit dem Lasso einfangen und niederreiten,
wie es ihre Nachkommen in Süd-Amerika thun. —
d) DIE ZÜCHTUNG IN ASTURIEN UND DEN BASKISCHEN PROVINZEN.
Der schmale Küstensaum vor dem cantabrischen Gebirge bildet bekanntlich das frühere
Fürstenthum Asturien, von den Spaniern häufig ,,el Principado de las Asturias" genannt, weil
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DIE PFERDE IN SPANIEN.
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es aus zwei Bezirken, dem von Oviedo und dem von Santina, gebildet ist. Das 192 □ Meilen
grosse Land besteht aus wenig ebenen und als Acker cultivirten Flächen; der grössere gebir-
gige Theil hat eine rauhe, abgeschlossene Lage und war wohl geeignet, bedrängten Völker-
schaften, so z. B. den Gothen, die letzten Zufluchtsstätten zu gewähren. Man bezeichnet in
Spanien jenes Land als die Wiege der spanischen Monarchie, wodurch es sich vielleicht auch
erklärt, dass die Regierung den Asturiern viele Freiheiten gestattete, welche sie jedoch häufig
sehr missbraucht haben. — Die niederen Theile des Landes werden von fleissigen, kräftigen
Bewohnern gut angebaut; man erntet Mais, Getreide, Gemüse, Orangen, Wein und eine
besonders feine Apfelsorte,*) aus welcher sehr wohlschmeckender Cider fabricirt wird. — Das
rauhe Hochland Asturien's gestattet keinen Anbau und dessen Bewohner sind entweder auf
die Viehzucht angewiesen oder genöthigt in die Fremde zu gehen; man findet daher auch in
den benachbarten Provinzen viele Dienstleute aus Asturien, welche sich durch Fleiss, Treue
und Redlichkeit auszeichnen.
Die Maurischen Könige haben mit ihren berittenen Cohorten jenes Land nicht über-
wältigt, und der Einfmss, welchen die Kreuzung der altspanischen Stuten mit den orientalischen
Hengsten auf die Pferdezüchtung der iberischen Halbinsel sonst ausgeübt hat, konnte sich
in Asturien nicht bemerkbar machen. Die asturischen Pferde hatten schon in ältester Zeit
einen guten Ruf; sie ähnelten den starken norischen Pferden Salzburg's und es ist nicht
unwahrscheinlich, dass ihre Stammeltern von den Gothen mit dorthin gebracht sind, wo diese
Race sich dann Jahrhunderte hindurch rein erhalten hat. —
Die 9000 Stück Stuten, welche nach Cotarelo's Angaben in Oviedo und Asturien von
Ackerwirthen, Viehtreibern und Arbeitern gehalten werden, vertheilen sich in der Weise über
das Land, dass die grössere Anzahl an der Küste und im Centrum Asturien's, und nur der
kleinere Theil derselben in den Gebirgen gehalten wird. Die erstgedachten Pferde haben in
der Regel einen grossen, schweren Kopf an langem, geradem Halse, welcher schlecht ange-
setzt ist und auch nach unten zu schlecht in die Brust übergeht; diese selbst ist enge, der Rücken
aber leidlich eben und stark, das niedere Kreuz hingegen mager und unschön geformt. Ihre
Schultern sind kurz und eben; die Oberarme nicht gut proportionirt; die Gelenke sind bei einigen
Individuen sehr fein, bei anderen wieder dick, die Füsse lang und die Sprunggelenke etwas
schmal zu nennen. Ueber die Grösse der Thiere macht der Oberst Cotarelo keine bestimmte
Angaben; er sagt einfach, dass sie eine gute Höhe („buena alzada") besässen und ein lympha-
tisches Temperament hätten. —
Die Bergpferde sind kleiner, als die Thiere der Ebene und der Meeresküste; die ersteren
haben auch einen etwas kleineren Kopf, kurzen, geraden Hals, kurzen, starken Rücken, niedriges
Kreuz und eine mandelförmige, gut abgerundete Kruppe.**) Ihre kurzen Beine sind stark und
haben gute Gelenke. Dieser robuste Pferdeschlag lässt sich, da er von frühester Jugend an auf den
Bergen lebt und zweckmässig gehalten wird, ganz vortrefflich als Lastthier verwenden. —
Die asturischen Hirten ziehen, wie die Basken, mit ihren Heerden im Sommer an die
Küste und leben im Winter mit denselben in den Gebirgsthälern, woselbst das Vieh zuweilen
ein etwas karges Leben fristen muss. —
Unweit Oviedo befindet sich ein im Jahre 1846 vom Staate errichtetes Hengst-Depot,
in welchem man spanische und deutsche Beschäler zur Zucht benutzt; ausserdem soll es noch
*) A. Germond de Lavigne: Des pleines entieres sont couvertes de pommiers; la pomme en est Ja plus estimee
d'Espagne.
**) y grupa almendrada y rodonda.
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DIE PFERDE IN SPANIEN.                                                        143
ig andere Beschälstationen in Asturien getren, welche von Privatpersonen unterhalten werden,
und wo gewöhnlich auch Eselhengste stehen, da diese zur Maulthierzucht oft mehr gesucht
sind, als die Pferdehengste zur Reinzucht der Gattung. —
In der Grafschaft Biscaya werden in der Umgegend von Bilbao verschiedene kleine,
man kann sagen „winzige Pferdchen" („häcas") gezogen, welche aus den verschiedenartig-
sten Kreuzungen hervorgegangen zu sein scheinen und dieserhalb nur geringen Werth und für
uns keine weitere Bedeutung haben.
In der Provinz Alava wird in der Nähe der Stadt Vittoria ein kleiner, zierlicher Pferde-
schlag gezüchtet, der ebenfalls aus mehrfachen Kreuzungen entstanden ist, dessen Thiere aber
von noch geringerem Werthe, als die Häcas von Biscaya sind; sie führen von früher Jugend
bis zu ihrem Tode ein beschwerliches Leben als Packpferde und enden nicht selten in den
Arenen, wo sie — von Picadores geritten — ihren Todesstoss von den gereizten Stieren
empfangen.
e) DIE PFERDEZÜCHTUNG IN OBER - NAVARRA.
Mit Bezugnahme auf die Beschreibung, welche wir oben bei Besprechung der süd-
französischen Pferde unter Nummer VI im Allgemeinen über Navarra gegeben haben, lassen wir
jetzt noch das Speciellere über die Züchtung der Pferde in der spanischen Provinz Ober-
Navarra folgen. —
Auf den Vorterrassen der Pyrenäen im Ebrogebiete ist das Klima rauh, die Landschaft
wild und nur in den Thälern findet sich hie und da fruchtbarer Boden, welcher von den arbeit-
samen und gewandten Navarros, einem Mischlingsvolke der Iberen und Gothen, gut bebaut
wird und hinreichende Ernten von Weizen (zur Ausfuhr), Flachs, Hanf, gutem Obst und Wein
liefert. — Von Hausthieren werden ausser Pferden und Maulthieren in Ober-Navarra schöne,
kräftige Rinder, grobwollige Schafe, langleibige Schweine und grosse Ziegen, deren Milch-
ergiebigkeit sehr gerühmt wird, gezüchtet. —
In dieser Gebirgslandschaft existiren circa 7000 Stuten, von welchen 'alljährlich 760 —
800 Stück zur Pferdezüchtung benutzt werden; ein Drittel der vorhandenen Zuchtstuten wird
zur Maulthierzucht verwendet und zeitig im Frühjahr grossen kräftigen Eselhengsten zugeführt,
welche man sehr häufig aus den südlichen Provinzen Spaniens bezieht. Nach den Berichten
Cotarelo's sind in 22 verschiedenen Stationen 44 Pferde- und 80 Esel-Hengste als Beschäler
aufgestellt, die daselbst gut gehalten und rationell ernährt werden. Die Regierung kümmert
sich jedoch in dieser Provinz um die Pferdezüchtung in keiner Weise, sondern überlässt die
Auswahl und Unterhaltung der Beschäler ausschliesslich den Privaten, welche in der Regel
auch für Aufstellung gutgewachsener Individuen Sorge tragen.
Wenn man die in Ober-Navarra vorkommenden Pferde näher in's Auge fasst, so
bemerkt man bald zwei verschiedene Typen, nämlich den Schlag aus den Fluss- Niederungen
(yeguas riberenas) und im Hochgebirge den s. g. Bergschlag (yeguas de la montana),
welcher letztere in grösserer Zahl, als der Niederungsschlag gezüchtet wird. — Wie bei fast
allen spanischen Niederungs- oder Marschpferden finden wir auch bei diesen navarrischen
Thieren aus den Thallandschaften einen grossen, fleischigen Kopf an schlankem Halse und
guter Brust. Der Rücken ist vielfach etwas eingesattelt, die Kruppe ziemlich gerade und
mandelförmig gebaut; ihre unteren Gliedmassen könnten besser sein; es fehlt ihnen die
nöthige Muskulatur und normale Stellung der Füsse. Ihre Höhe schwankt zwischen 1,50 und
1,60 Meter. —
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144                                                               DIE PFERDE IN SPANIEN.
Das Bergpferd Navarra's hat zwar in manchen Beziehungen Aehnlichkeit mit dem
Niederungspferde, scheint aber doch im Durchschnitt besser und hübscher gebaut zu sein;
der Kopf ist kleiner, magerer und feiner, auch der Hals hübscher gebogen, als beim
Marschpferde, sein Rücken ist ziemlich kurz, hat eine gute, kräftige Lendenpartie und hübsch
geformte Kruppe; die unteren Gliedmassen der Thiere sind untadelhaft, kräftig, mit starken
Sehnen und festen Hufen ausgestattet. Die Höhe dieser Bergpferde variirt sehr; die besseren
und grösseren Exemplare erreichen eine Höhe von 1,60 Meter, wo hingegen die in ärmeren
Wirthschatten aufgezogenen Individuen es selten zur Höhe von 1,45 Meter bringen. Die
grössten navarrischen Pferde trifft man in der Umgegend von Tuleda, an den Flussufern des
Ebro, des Albama, Queles und am Canal von Taueste und die kleinsten dieser Hausthiere
im Hochgebirge von Arolar. —
Bei der Züchtung der Niederungs - Pferde lässt man nach vorausgegangener sorgfältiger
Auswahl der Zucht - Hengste, dieselben aus der Hand springen, während bei den auf den
Bergen weidenden Pferden sich Niemand um die Zutheilung und Zulassung der rossigen
Stuten kümmert; die Hengste gehen mit diesen zusammen und wählen sich ganz frei das Thier
ihrer Neigung aus. — Leider macht man auch hier die Erfahrung, dass die Navarresen bei
der Maulthierzüchtung ungleich sorgfältiger zu Werke gehen, als bei der Pferdezucht, indem
die stärksten und bestgebauten Pferdestuten in der Regel den Eselhengsten zugeführt und die
kleineren und schwächlichen Individuen vom Pferdehengste belegt werden. — In Folge dieser
Vernachlässigung der Pferdezucht in Ober-Navarra ist dieselbe in den letzten Decennien
bedeutend zurückgegangen, und Cotarelo hält es für jene Zucht dringend geboten, dass die
besten Beschäler aus den südlichen Provinzen herbeigeholt werden , um sowohl die Zucht der
Niederungs- wie der Berg-Pferde zu verbessern. —
Ein Aufsatz, welcher vor Jahren von den Delegirten für die Pferdezüchtung in Ober-
Navarra verfasst wurde, enthält über die damalige Lage derselben Folgendes: „Nach der Prü-
fung der Beschälzettel, welche die Eigenthümer der Beschälstationen der Behörde vorgelegt
haben, zeigt es sich, dass in einem Jahre 2732 Stuten von Pferde- und Esel-Hengsten belegt
wurden; 631 Pferdestuten wurden Pferdehengsten und 2101 Pferdestuten grossen Eselhengsten
zugeführt. Von den zur Zucht benutzten Stuten hatten nur 806 Stück eine angemessene Grösse,
die übrigen waren meistens kleine, unansehnliche Geschöpfe und sollten besser gar nicht zur
Zucht benutzt werden. Die Ortschaften Cortes und Orcoyen besitzen die grössten Pferde und
wurden hier auch die meisten Stuten den Pferdehengsten zugeführt; man nimmt an, dass an
jenen Orten etwa 4o°/0 des vorhandenen Stutenmaterials mit Vortheil zur Pferdezucht verwendet
sind, dass dagegen an anderen Plätzen der Provinz nur 23% der vorhandenen Stuten von
Pferdehengsten belegt werden. — Fragen wir nun, welchen Racen die zur Pferdezucht benutzten
Stuten angehörten, so lautet darauf die Antwort, dass dieselben mit wenigen Ausnahmen als
Mischlinge, Blendlinge zu bezeichnen und aus degenerirten Stämmen hervorgegangen wären;
man könne sich daher auch nicht wundern, dass die Nachzucht weder in der Körpergrösse,
noch in Kraft und Ausdauer den Landesbedürfnissen genügte, und es sei hohe Zeit, dass hier
endlich einmal Wandel geschaffen würde. — Die Hengste, welche den Privatleuten gehören,
sind beinahe alle zufällig, ohne eine besondere sorgfältige Wahl für den Gebrauchszweck, als
Beschäler angekauft, und wenn dieselben auch keine so grossen Fehler besitzen, um sie voll-
ständig zu verwerfen, so sind sie keinenfalls dazu geeignet, einen heruntergekommenen Schlag
zu verbessern und eine Landeszucht wieder zu heben. — Diese Hengste der Privaten belegen
alle ihnen vorgeführten Stuten, gleichgültig ob sie für diese passen oder nicht; die Besitzer
dieser Beschäler verschweigen dem oft unkundigen Landmann das Fehlerhafte ihrer Zuchtwahl
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DIE PFERDE IN SPANIEN.                                                                        145
und wenngleich sie sehr wohl wissen, dass aus der Paarung ihrer Hengste mit den zugeführten
Stuten niemals oder nur ausnahmsweise eine befriedigende Nachzucht hervorgehen^kann, so
sprechen sie sich dennoch den Stutenbesitzern gegenüber niemals offen aus, loben vielmehr
die eben auszuführende Paarung und stellen die vorzüglichsten {Fohlen bei der Nachzucht in
Aussicht.
In neuerer Zeit sollen in der Umgegend von Burquete-Epinal einige bessere Pferde vor-
kommen; die dortigen Gestüte enthielten etwas grössere und kräftiger gebaute Thiere, welche
man nicht mehr als „degenerirte Individuen" der navarrischen Race bezeichnen könnte. Nach
Aussage dortiger Hippologen stammt die Epinal-Zucht wahrscheinlich von der alten „Raza
Navarrine" ab, kann aber auch möglicherweise durch Kreuzung des alten Landschlages mit
Hengsten aus der französischen Navarra- oder Limousin-Race entstanden sein, denn es wird
angeführt, dass die Züchter aus jener Gegend von Ober-Navarra mehrfach nach der Ebene
von Tarbes gegangen wären, um von dort her für ihre Stuten gutgewachsene Hengste her-
beizuholen. —
Die an verschiedenen Orten Navarra's eingerichteten Wett-Rennen, zu welchen vom
Staate ziemlich hohe Preise ausgesetzt werden, haben nach den Mittheilungen der Sachver-
ständigen wenig zur Hebung der dortigen Pferdezucht beigetragen. Um möglichst rasche und
schnelle Renner zu erzielen, hat man in einigen Gestüten nur spindelbeinige und langleibige
Hengste als Beschäler verwendet, welche eine Nachzucht geliefert haben, die fast gar keinen
Nutzen gewährt; „es fehlt den Thieren die nöthige Solidität und Elasticität der unteren Glied-
massen, welche ein gutes Militair- oder Kriegspferd immer besitzen muss"; so sagt wenig-
stens unser spanischer Gewährsmann,*) und wir dürfen seinen Worten vollen Glauben schenken.
V. DIE PFERDE IN DER WESTLICHEN REGION.
I
a) DIK ZÜCHTUNG IN GALICIKN.
Das im nordwestlichen Theile der pyrenäischen Halbinsel belegene alte Königreich
Galicien, jetzt die Provinzen Orense, Pontevedra, la Coruna und Lugo bildend, ist trotz der
endlosen Gebirge eine der fruchtbarsten Landschaften Europa's. Das Klima ist längs der
Meeresküste in Folge der häufigen Nebel und Regenschauer feucht und milde, nur die höch-
sten Gipfel des cantabrischen Gebirges, der Pico de Ancares und die Pena Trevinco sind wäh-
rend der Winter- und Frühlings-Monate mit Schnee bedeckt, wesshalb das dortige Klima dann
rauh und strenge ist. Die Hauptkette jenes Gebirges steht zwischen dem Minho und seinem
Nebenflüsse, dem Sil, und steigt mehrfach zu einer Höhe von 2000 Meter an; zu beiden Seiten
dieser Kette befinden sich öde, pflanzenarme Hochflächen (Paramos), welche nur dürftige Vieh-
weiden liefern und wo nur ausnahmsweise kleine, wenig erträgliche Ackerstückchen vor-
kommen. Weiter gen Westen hin aber treffen wir zwischen den nackten, steilen Höhen ver-
schiedene liebliche Thäler mit einer wahrhaft üppigen Vegetation. Alle Reisenden berichten,
*) „Con lo que le lian quitado al caballo la solidez y elasticidad de piernas, que constituyen el buen caballo
de guerra."
Die beistehenden Abbildungen spanischer Pferde uud Maulthiere verdanken wir der grossen Gefälligkeit des
General-Sekretairs Don Lopez-Martinez in Madrid, bedauern jedoch über die Geschichte und Abstammung derselben
keine näheren Angaben machen zu können, da uns solche trotz mehrfacher Anfragen nicht zugegangen sind; es ist bei
Uebersendung der Photographien einfach gesagt, dass die abgebildeten Thiere von reiner spanischer Race (raza pura
espanola) wären und als werthvolle Repräsentanten derselben bezeichnet werden könnten.
Freytag, Hausthier-Racen. V.
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i46
DIE PFERDE IN SPANIEN.
dass die warmen Thäler des Minho und die Gegenden um Tuy, Redondela und Orense ent-
zückende Gärten, vielleicht die schönsten Spanien's enthielten. Herrlicher Lanbwald und üppige
Wiesen finden sich in jenem Bezirke überall; die letzteren liefern den dort vorkommenden Haus-
thieren Jahr ein Jahr aus eine reiche, ihnen sehr zusagende Nahrung. Die Westküste kennt
kaum einen Winter; wir sehen daselbst jedes Fleckchen Erde angebaut und der leicht zu bear-
beitende, sandige Boden wird vorwiegend mit Gartenfrüchten bestellt. Die verschiedenen Obst-
bäume, besonders Birnen, Kastanien, Orangen, Mandeln, sogar Feigen liefern alljährlich hohe
Erträge und die Weine von Valdeorras, Amandi, Rrvero und Orense würden im Werthe den
besten Portweinen gleichkommen, wenn sie nicht in der rohesten Weise behandelt und stets
schlecht zubereitet würden. Die Bewohner dieses Landes — Gallegos genannt — stehen zwar
auf einer niedrigen Stufe der Kultur, sind ungeschickt, aber stark und arbeitsam; sie bebauen
ihr artbares Land mit grösstem Fleiss, erzielen auch im Durchschnitt der Jahre reiche Ernten
von Mais, Roggen, Hülsenfrüchten, Kartoffeln, Hanf und Lein; doch alle diese Ernten genü-
gen zur Ernährung der sehr grossen Bevölkerung nicht ganz, von welcher daher ein Theil der
Männer nach Mittel-Spanien und Portugal auswandert, wo dieselben als Erntearbeiter, Lastträger
(mozos de corda), Wasserträger (aguadores), Hausdiener u. s. w. in Dienst gehen und ihrer
Ehrlichkeit und Treue wegen gern gesehen sind. — Wir hatten auf unserer Reise durch
Spanien mehrfach Gelegenheit, den Fleiss und die Tüchtigkeit der gallicischen Schnitter und
Wasserträger zu beobachten. Alle vier bis fünf Jahre, wenn die Galegos eine bescheidene
Summe Geldes erübrigt haben, kehren sie in ihr geliebtes Heimathsland für einige Zeit zurück
und suchen das Ersparte hier bestens anzulegen. —
In den Thallandschäften Galicien's, wo sich hinreichender Weidegrund findet, wird die
Zucht grosser, kräftig gebauter Rinder, starker Esel und guter Maulthiere betrieben; die
Pferdezüchtung dagegen beschränkt sich hauptsächlich auf die Niederung' des Rio Limia und
einige andere günstig belegene Flussthäler der westlichen und nördlichen Provinzen Pontevedra
und Coruna. Unweit der Städte Lugo, Carballo und der Hauptstadt Pantevedra sind früher
von der spanischen Regierung kleine Hengst-Depots eingerichtet, und auf dem Privat-Gestüte
bei Carballo sollen sogar einige gutgewachsene deutsche Beschäler zur Aufstellung gekommen
sein, die aber ebenso wenig, wie die andalusischen Hengste in den Staatsgestüten anderer
Ortschaften eine befriedigende Nachzucht geliefert haben, wahrscheinlich auch nicht liefern
konnten, da das zugeführte kleine, winzige Stutenmaterial zu viele Mängel besass und für
die grossen Hengste der Depots in keiner Hinsicht passte. —
Der galicische Pferdeschlag hatte in älterer Zeit einen sehr guten Namen, man rühmte
dessen grosse Kraft und Ausdauer und bezeichnete die spanisch - galicischen Thiere als die
besten Kriegsrosse, welche dem heftigsten Anprall feindlicher Reitermassen kräftigen Wider-
stand zu leisten vermöchten und in all ihren Leistungen unübertrefflich wären. Unbedenklich
dürfen wir nach allen uns gelieferten Schilderungen über den altgalicischen Schlag annehmen,
dass derselbe mit zu den besseren Spanien's gehört hat und den castilischen Schlachtrossen
der Ritterzeit an Gestalt und Kraft ähnlich gewesen ist. —
Die altgalicische Race soll entstanden sein aus der Kreuzung edler arabischer Stuten mit
schweren französischen Hengsten, und es sollen die Bastarde oder Blendlinge von ihren Vätern
die grosse Kraft, von ihren Müttern aber eine vorzügliche Gewandtheit, sowie die leichten,
eleganten Bewegungen derselben ererbt haben. — Von Galicien aus hat sich die Züchtung
dieser Pferde in östlicher Richtung bis nach Asturien und Leon hin verbreitet, und es galten
noch zu Anfang dieses Jahrhunderts die Hengste von Zamaro (in Leon) für die edelsten Rosse
des altgalicischen Pferdeschlages.
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147
DIE PFERDE IN SPANIEN.
Die jetzt in Galicien gezüchteten Pferde sind von kleiner, aber dabei doch kräftiger
Gestalt; man nennt sie gern „Doppelponies" (Jacas de dos Cuerpos) und rühmt ihre grosse
Ausdauer beim Lasttragen im gebirgigen Terrain. Sie besitzen einen kleinen, dicken Kopf
mit kleinen, tief angesetzten Ohren, einen kurzen, fleischigen Hals mit dicht stehender, langer
Mähne, welche zwischen den Ohren einen starken Schopf bildet, der in der Regel bis auf die
Nase der Thiere herabfällt. Ihre Brust ist breit, die Schultern stehen etwas gerade, der
Rücken ist kurz, hat eine gute Lendenpartie und eine mittellange, nicht sehr abschüssige
Kruppe mit einem gut angesetzten, dicken und sehr langen Schweife. Die unteren Glied-
massen sind kurz, aber kräftig und mit starken Sehnen und gesunden, festen Hufen auf das
Beste ausgestattet. Ihre Haarfarbe ist verschieden, doch sollen dunkelbraune Pferde sehr
häufig vorkommen und besonders beliebt sein. Ihre durchschnittliche Höhe wird jetzt auf
1,40 Meter angegeben und selten kommen dort Thiere von 1,50 Meter Grösse vor. — Zur
Arbeit und zum Lastfuhrwerk benutzt man in Galicien hauptsächlich die grossen, kräftigen
Rinder des Landes und nur ausnahmsweise werden Pferde vor den Pflug gespannt. Die
Maulthiere und Esel dienen zum Reiten; die ersteren sieht man sehr oft neben Pferden
im Luxusgeschirr der wohlhabenden Städtebewohner und grösseren Gutsbesitzer. Im gebir-
gigen Theile des Landes concurriren die Pferde mit den Maulthieren und Eseln als Packthiere,
wozu sie vermöge ihres starken Rückens besonders geeignet sind.
b) DIE ZÜCHTUNG IM WESTLICHEN THEILE VON LEON.
Die. Provinz Zamora besitzt einen fruchtbaren, leider aber sehr vernachlässigten Boden,
welcher bei nur einigermassen guter Bestellung reiche Getreideernten liefern könnte. Die
Weiden und Wiesen werden zum grössten Theile im Frühlinge und Sommer den wandernden
Merino-Heerden überlassen, und nur in den besser bevölkerten Bezirken der Provinz züchtet
man Pferde, welche aber wenig orientalisches Blut enthalten. Nach den Angaben des Professor
Don Leon Castro y Espejo sind die dort gezogenen Pferde von guter Grösse, hinreichender Breite
und zum grössten Theile hübsch gewachsene Individuen, welche sich für die verschiedensten
Gebrauchszwecke mit Vortheil verwenden lassen. — Es giebt in dieser Provinz zwei gut
eingerichtete Hengst-Depots — unweit Zamora und Benevento, — in welchen nach den
Angaben unseres Gewährsmannes sechszehn gut fundirte Hengste rein spanischer Race als
Landbeschäler benutzt werden, die durchschnittlich 350 Stuten des dortigen Landschlages und
eine ähnlich grosse Zahl von Eselinnen bedecken.
Der Stutenbestand Zamara's stellt sich etwa auf 4000 Stück, von welchen die meisten
zur Maulthierzucht verwendet werden.
Der Dr. L. J. Fitzinger theilt uns im XXXI. Bande*) der Sitzungsberichte der mathe-
matischen und naturwissenschaftlichen Klasse der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften
in Wien in Bezug auf die Pferde von Leon mit, dass dieselben eine besondere Eigenthümlich-
keit zeigten, indem sie warzige Stellen auf der Haut besässen, welche fast regelmässig an
gewissen Stellen des Körpers und namentlich in der Gegend des Afters und der Unterseite
des Schwanzes aufträten, und dass gerade hierdurch dieser Schlag unter den dortigen Pferde-
züchtern einen besondern Ruf genösse und selbst von galicischen Landwirthen zu Züchtungs-
zwecken angekauft würde. — Die spanischen Schriftsteller erwähnen von dieser Eigenthüm-
lichkeit der leonesischen Pferde nichts, und ebensowenig konnten uns die sachverständigen
Hippologen, bei welchen wir auf unserer Reise durch Spanien Erkundigungen einzogen,
*) In Nr. 19 des Jahrganges 1858.
21*
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148
DIE PFERDE IN SPANIEN.
Bestimmtes und Zuverlässiges hierüber angeben; sie erklärten aber, dass sie derartige
Bildungen als „fehlerhaft" bezeichnen und alle damit behafteten Thiere von der Zucht aus-
schliessen würden.
Wir schliessen hiermit unsere Schilderungen über Spaniens Pferdezucht und nennen im
Anhange zu diesem Capitel nur noch die Namen der hervorragendsten Züchter in den ver-
schiedenen Provinzen des Königreichs. — Die beistehende Tafel soll unseren geehrten
Lesern eine Uebersicht über di» Brandzeichen oder Eisen (Hierros) liefern, welcher sich die
genannten Züchter bei ihrem Geschäfte bedienen.
Nr. der
Brand-
zeichen.
Namen der Züchter.
Gemeinden.
Namen der Züchter.
Gemeinden.
D. Jose Bazquez . . .
Vizconde de la Torre . .
Marquesa de Santa Marta
Viuda de D. JoaquinLadron
D. Petro Donoso Cortes
D. Miguel Montenegro
Serioras Veras . . .
D. Isidro Valadez . .
Conde de Quintanilla .
Marques de la Conquista
D. Pedro Marques .
D. Joaquin Becerra
D. Manuel Perero . .
D. Antonio Monsalve .
D. Antonio Cobo
D. Francisco Moreno .
D. Pedro Ramirez . .
D. Francisco Montero
D. Manteo Antonio
D. Diego de Tena . .
D. Ant. Manuel Buquillos
D. Diego Mendez .
D. Andres Pacheco . .
D. Manuel Conejo . . .
D. Alvaro Zaro ....
D. Jose Moreno ....
Dona Ines La Real . .
Santa Marta.....
Marquesa de Encinaro
Conde de Aldanero
Marques de Torreorgaz .
Marques del Reino
Marques de la Conquista.
D. Santiago Martinez .
D. Jose Martinez . . .
D. Jerönimo Sanchez .
D. Ventura Gomez . . .
D. Lucas Abril ....
Badajoz
Idem . .
Cäceres
Don Benito
Idem
Villanueva
de la Serena
Idem. .
Trujillo .
Trujillo .
Idem.
Santa Marta
Aijada .
Merida .
Badajoz .
Olivenza
Barcambla
Zafra
Almendra-
lejo .
Carramos
Hornacha-
les .
Vallemo-
stan . .
Jerez de los
Caballeros
Zainos .
Fregenal de
la Sierra
Encina Sola
Idem
Idem.
Bienvienda
Idem .
Idem .
Idem. .
Trujillo .
Idem. .
Idem. .
Plasenzuela
Zurita
Mandronera
D. Domingo Sanchez .
D. Lorenzo Ocumaldez
D. Jose Leal ....
D. Miguel Moraleja
Casa Real.....
D. Antonio Rosales
Salvatierra,
Alcäntara .
Plasencia .
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Madrid y
Aranjuez
Cördoba
Idem .
Idem .
Idem. .
Idem. .
Idem.
Idem .
Idem .
Idem. .
Idem .
Idem .
Idem .
Idem .
Idem .
Montilla.
Espejo .
Lucena .
Idem. .
Idem .
Villafranca
de Agujas
Idem .
Cördoba.
Idem. .
Idem. .
Jaen .
Jaen .
Torre - Gi-
meno .
Porcuna.
Monjivar
Andüjar.
Bauen .
Idem .
Linares .
j Baeza
iUbeda .
D. Antonio Fernandez
D. Pedro Molina
D. Benito Panza
D. Antonio Lopez .
Marqes de Benamegi
D. Ramon Delgaldo
Marques de Villaseca
Conde de Zamora .
Marques de Atalayuelas .
Conde de Albercon . .
Marques de Guadalcäzar
Conde de Hornachuelos .
D. Jose Villareal
Duque de Medinaceli .
D. Ant. Ricardo d. Cördoba
D. Joaquin Ramirez
Conde de Santa Ana .
Conde de Valdecahas .
D. Bartolome Castro .
Dona Maria de Castro
Sermo Sr. Infante D. Fran-
cisco .......
D. Jose Suarez Varela
Conde de la Torre .
D. Rafael Quesada. . .
Convento de St. Domingo
D. Diego y D. Pedro Es-
covedo .....
D. Manuel Aguilera .
Marques de Navasequillo
Marques del Cerro . .
D. Leandro Medina
Dona Fermina Molina.
D. Martin Zambrana .
D. Fernando Buclina .
D. Antonio Almansa .
21
22
23
24
25
26
27
28
29
30
31
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33
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DIE PFERDE IN PORTUGAL.
149
Nr. der
Brand-
zeichen.
Nr. der
Brand-
zeichen.
Gemeinden.
Namen der Züchter.
Gemeinden.
Namen der Züchter.
Jerez. .
Idem .
Isla de Pu
ertorca.
Idem .
D. Ramon Llorente . .
Marques de Campo-Real
Marques de Hermida . .
D. Francisco Arcos Car-
rasco y tres hermanos
Condesa de Suarez . .
Marquesa de Casasarria .
D. Manuel Cantero
D. Franzisco Labrador
D. Juan Zapata ....
D. Pedro Zapata
D. Jose Zapata ....
Marques de Torre-Soto .
D. Antonio de Castro .
Marques de Casa-Tamayo
Viuda de Valderrama .
Marques de Penaflor . .
Marques de Alcäntara
Marques de las Cuevas .
Marquesa de la Garantia
Condesa de Albareal . .
Condesa de Valle-LIermoso
Marques de Estapa . .
Conde de Aguilar .
Marques de Paterna .
Marques de Arenal . .
Marques de la Gomera .
D. Francisco Aguilar .    .
Conde de la Estrella .    .
Duque de Alba . . •   
Conde de Castülejo. .
    .
Marques de la Vega .
    .
Duque de Gor ....
Marques de Blanco - Her-
moso .......
Marques de Donadio .    .
Sr. Conde de Guadate
D. Juan Vazquez . .    .
Marques de Gandul .    .
Marques des Esquivel .    .
D. Agustin Varela . .    .
D. Antonio Varela . .    .
D. Jose Varela . - . .    .
D. Pedro Varela . .    .
D. Francisco Gomez .    .
D. Idefonso Riarola .    .
Condesa deVista-Hermosa
Viuda de Cabrera . .    .
D. Juan Jose Garcia .    .
D. Joaquin Barrero .    .
D. Juan Quijada . .    .
D. Lucas Sotelo . .    .
D. Francisco Palomino
D. Agustin Chotet . .    .
79
80
81
82
83
84
85
86
87
88
89
90
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92
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95
96
97
98
99
100
101
102
103
104
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106
Castro
del
Rio . .
Bujalance
Antequera
Urbina .
Granada
Jaen .
Übe da
Sevilla
Idem .
Idem .
Idem .
Dos Herma-
nas .
Idem .
Idem.
Utrera
Idem.
Idem .
Idem.
Idem.
Jerez.
Idem.
Idem.
Idem .
Idem .
Idem .
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109
110
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120
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122
123
124
125
126
127
128
129
130
Tarifa
Si
Medina
donia .
Idem .
Idem .
Bornos .
Arcos
Idem .
Idem .
Idem. .
Osuna
Idem. .
Idem. .
Ecija. .
Idem.
Idem. .
Idem. .
Idem. .
Idem. .
Marchena
Sevilla .
Idem.
Ecija .
Osuna .
NACHTRAG.
Der Professor G. A. von Kloeden giebt in der kürzlich (December 1876) erschienenen
13. Lieferung seines Handbuches der Erdkunde, den ganzen Hausthier - Bestand Spanien's wie
folgt an:
Rinder.
Pferde.
Maulthiere.
Esel.
Schafe.
Ziegen.
Schweine.
1858      Summa:
Canarische Inseln
1859   gab es:
758,758 Bienen-
körbe.
1861 gab es . .
1861 gab es:
862,571 Bienen-
körbe.
1865 gab es . .
1,369,961
10,900
1,557,033
2,967,303
255,756
2492
298,722
680,373
413,618
2360
499,172
2,31
487,579
4111
496,516
3J4T
13,765,492
29,467
J6,433,95o
22,468,969
2,689,071
44,895
3,034,071
4,531,228
1,106,925
1455
1,273,978
4,351,736
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150                                                                     DIE PFERDE IN PORTUGAL.
DIE PFERDE IN PORTUGAL.
Wenngleich das Königreich Portugal hinsichtlich der Pferdezucht heute keine grosse
Bedeutung hat, so erfahren wir doch von den älteren landwirthschaftlichen Schriftstellern, dass
in früheren Jahrhunderten in jenem Lande eben so gute und vorzügliche Pferde gezüchtet
sind, wie in Spanien, und es sagt in Bezug hierauf der Professer Nicolas Casas de Mendoza
in seinem Werke, betitelt: „ Tratado Completo de Zootechnia 6 de Produccion animal" wört-
lich Folgendes: „ Es lamentable que Portugal haya abondonado una industria donde podria
encontrar la mayor parte de las condiciones favorables para su desarrollo y riqueza, mucho
mas teniendo en sus vecinos tan preciosos tipos que pudieran utilizar con gran ventaja." (Es
ist wohl zu bedauern, dass Portugal eine Industrie aufgegeben hat, in welcher es den grösseren
Theil der für seine Entwickelung und seihen Reichthum günstigen Bedingungen finden konnte,
und dieses um so mehr, da dasselbe in seiner Nachbarschaft so kostbare Typen besass, die
es mit grossem Nutzen hätte verwenden können.) —
Nach weiteren Angaben dieses spanischen Autors sind im fünfzehnten und sechszehnten
Jahrhundert in Portugal ganz ausgezeichnete Pferde gezüchtet worden, welche den Thieren
von Andalusien, Estremadura und Arabien im Werthe nicht nachgestanden haben und selbst
von Ausländern ihrer vorzüglichen Leistungen wegen sehr gesucht gewesen sind. — In Folge
der grösseren Verbreitung der Maulthier- und Maulesel-Zucht wurde schon zu Anfang dös
siebenzehnten Jahrhunderts sowohl in Portugal wie in Spanien die Pferdezüchtung beschränkt,
und man berichtet, dass die besten Pferdestuten lieber zur Bastardzucht, als zur Züchtung der
Pferde benutzt worden wären; bei solchem Verfahren musste natürlich dieser Zweig der Haus-
thiere immer mehr und mehr zurückgehen, an Werth und Bedeutung die grösste Einbusse
erleiden. —
Bevor wir zur Beschreibung der jetzigen Züchtung und Haltung der Pferde in Portugal
übergehen, möchten wir eine kurze Schilderung der dortigen wirthschaftlichen Zustände im
Allgemeinen vorauschicken, da diese vielleicht einige entschuldigende Momente für den Verfall
und die Beschränkung der Pferdezucht in jenem Lande zu liefern im Stande sind. —
Wie in Spanien, so bildet auch im Königreiche Portugal die Landwirthschaft die Haupt-
quelle des National-Wohlstandes. — Von einem Reichthume der portugiesischen Bevölkerung
kann wohl kaum die Rede sein, obgleich verschiedene Reisende behaupten, dass das Land
den Eindruck eines gewissen Reichthums auf sie gemacht hätte. *)
Der gebirgige Theil Portugals ist zwar reich an werthvollen Metallen — Gold, Silber,
Kupfer, Zinn, Blei, Quecksilber, Eisen, Spiessglanz u. s. w.
        allein der Bergbau liegt,
besonders wegen Mangels an Holz, fast gänzlich darnieder, und nur die Salzschlämmereien in
den zahlreichen Salzgruben in der Umgegend von Lissabon und in der Provinz Algarve liefern
alljährlich bedeutende Quantitäten Seesalz nach Grossbritanien und Irland, wodurch dem Lande
eine nie versiegende Einnahmequelle geschaffen ist. —
*) G. A. von Kloeden sagt in seinem Handbuche der Erdkunde: „Das mit Abgaben stark belastete Landvolk
ist nicht arm, in der Provinz Minho sogar sehr wohlhabend; bis auf den Norden und in Algarve aber träge und höchst
unreinlich, mehr als die Bewohner in den unsaubersten Provinzen Spanien's sind." — Weiter sagt von Kloeden a. a. O.
in Bezug auf die Bewohner des Landes: „Der Portugiese unterscheidet sich wesentlich von dem Spanier: zwecklose Viel-
rednerei, servile Höflichkeit, lächerliche Prahlsucht, Empfindlichkeit, Hochmuth, Verschwendung, Prachtliebe sind
ihm eigen."
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J5I
DIE PFERDE IN PORTUGAL.
Wenn man auch nicht überall in Portugal einen ergiebigen, für den Ackerbau günstigen
Boden antrifft, sondern in den mittleren Provinzen, auf den weitausgedehnten Hochebenen von
Beira und Estremadura einen leichten Sand- oder sandigen Lehmboden vorfindet, welcher
ohne Bewässerung nur dürftige Schaf- und Ziegen-Weiden liefert, so ist dennoch der
Gesammt-Ertrag des Landes aus dem Acker-, Wein- und Garten-Bau ein reicher zu nennen.
Die überaus günstigen klimatischen Verhältnisse Portugal's, und an manchen Orten auch die
wirklich sorgfältige Kultur des Bodens, sprechen hierbei wesentlich mit und machen den
Landbau unstreitig zum einträglichsten Gewerbe dieses Königreiches.
Vor allem sind es die beiden nördlichen Provinzen: Entre-Douro e Minho (oder bloss
einfach „Minho" genannt) und Traz os Montes, welche alljährlich grosse Ernten von Weizen,
Reis, Mais, Gerste und anderen Getreidearten liefern. Das Korn von Weizen, Gerste und
Reis ist in den meisten Jahren gross, vollwüchsig und zeichnet sich besonders durch feines
Mehl vor vielen anderen südeuropäischen Getreidesorten aus. — Am Douro wächst bekanntlich
der schönste Portwein, welcher neben den Weissweinen von Setuval (St. Yves) und Carcavellas
(Lissabon-Wein) der kostbarste und im Auslande beliebteste Wein Portugal's ist und stets in
grossen Quantitäten (ppr. 41,000 Pipen alljährlich) exportirt wird.
Die Provinz Entre Douro e Minho — mit den Departements Braga, Vianna und Porto —
ist am besten bevölkert, gilt auch mit Recht als die bestangebaute und gewerbfleissigste
Landschaft des ganzen Reiches; wenn die Vertheilung des Bodens hier nicht so ungleich wäre,
auch der Ackerbau nicht so sehr durch drückende Lasten und Abgaben beschwert würde,
und wenn endlich nicht überall dort ein gutes, brauchbares Zucht- und Arbeits-Vieh man-
gelte, so würde in jener Provinz sicherlich der Reingewinn aus dem landwirthschaftlichen
Betriebe ein ungleich höherer, wahrscheinlich der höchste auf der ganzen pyrenäischen Halb-
insel sein. —
In den Nord-Provinzen, besonders in Minho wird der Flachs- und Hanfbau sehr aus-
gedehnt und mit grosser Sorgfalt betrieben; der in jener Landschaft geerntete Flachs ist seiner
feinen Faser wegen im ganzen Lande — auch über die Grenzen Portugal's hinaus — hoch-
geschätzt und wird alljährlich stark exportirt. In Traz os Montes ist die Maulbeer-Kultur seit
ältester Zeit über grosse Flächen der Provinz verbreitet und nimmt dort nach den Mittheilungen
aller Reisenden immer mehr und mehr an Ausdehnung zu, um die einträgliche Seidenraupen-
Zucht noch umfangreicher als bisher betreiben zu können. Die Bauern von Traz os Montes
verwenden grosse Sorgfalt auf diese Zucht und werden dafür auch in den meisten Jahr-
gängen durch 'reiche Seiden-Ernten gut entschädigt;*) nach Aussage Sachverständiger ist
das in jener Provinz gewonnene Product von guter Qualität und stets zu befriedigenden Preisen
zu verwerthen.
In der Provinz Estremadura finden sich hin und wieder öde Haideflächen, auf welchen
kleine Schafe (wahrscheinlich verkümmerte oder degenerirte Merinos) und Ziegen ihr Leben
kärglich fristen, die in Folge dessen auch stets nur geringe Erträge an Wolle und Milch
liefern. Auf den besseren Bodenarten dieser Landschaft baut man einen zwar kurzährigen,
aber doch vollkörnigen, schönen Weizen neben oder unter den Oelbäumen, welche letzteren
eine besonders hochgeschätzte Sorte Olivenöl liefern. Der Weizen und das Oel bilden hier
*) Die Cocon-Ernte des letzten Sommers (1876) soll in ganz Portugal — Traz os Montes nicht ausgenommen —
viel schlechter als sonst ausgefallen sein. — Die gesammte Erzeugung Portugal's an Seide hat in guten Jahrgängen einen
Werth von 10 bis 12 Millionen Reichsmark. — Im Jahre 1870 hat das Land etwa 1 Million Kilogramm Cocons in den
Handel gebracht.
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DIE PFERDE IN PORTUGAL.
152
die wichtigsten Export-Artikel und alle übrigen dort geernteten Früchte werden zum weitaus
grössten Theile von den Landbewohnern selbst consumirt. —
In der Umgegend von Lissabon, Porto und bei Lagos in der Provinz Algarves werden
sehr schöne Gartenfrüchte und Gemüsepflanzen verschiedener Art mit grossem Fleisse und
viel Geschick kultivirt; diese wie jene finden überall guten Absatz; ein Theil der Gartenfrüchte
wird im Lande selbst verbraucht; die grössere Menge von Obst und Gartenfrüchten wird
jedoch nach den nordeuropäischen Hafenplätzen verschifft und soll dort gewöhnlich besser
bezahlt werden, als die Früchte Spanien's und Algerien's. — Nach den neuesten Angaben
schätzt man den Gesammtwerth aller in Portugal durch den Acker-, Wein-, Obst- und
Gemüsebau gewonnenen Producte auf 180 Millionen Francs jährlich, und giebt an, dass hierbei
die Erträge aus der Seidenzucht nicht mit veranschlagt wären. —
Nach den Berichten und Erzählungen unserer deutschen Reisenden in Portugal, auch
nach den Angaben der portugiesischen Schriftsteller dürfen wir annehmen, dass der Landbau
dieses Königreiches schon jetzt auf einer ziemlich hohen Stufe der Entwicklung steht, dass
aber andererseits die dortige Viehzucht noch sehr im Argen liegt; durch die deutschen Ein-
flüsse soll sich zwar in neuerer Zeit in einzelnen Departements Manches gebessert haben, so
z. B. soll sich die Pferde - und besonders die Rindviehzüchtung ein wenig gehoben haben;
allein es bliebe — so sagen alle Reisenden — daselbst noch viel zu thun übrig und die
Regierung, wie die wohlhabenden Privatpersonen, vor Allen die reichen Grossgrundbesitzer
des Landes müssten grosse Anstrengungen machen, Opfer der verschiedensten Art bringen,
wenn die dortigen Hausthiere für den Gebrauch recht tauglich werden und im Auslande irgend
welche Beachtung finden sollten.
Ueber die unregelmässige, oft sehr mangelhafte Ernährung der Zug- und Lastthiere
klagen fast alle Reisenden, welche jenes Land besucht haben, und sie meinen, dass so lange
dort nicht für eine zweckmässigere Fütterung und Pflege der Hausthiere gesorgt würde, so
lange könnte auch keine Besserung und Veredlung der Hausthier - Schläge und Racen Portu-
gals erreicht werden. — Die Beschaffung und Aufstellung der edelsten ausländischen Beschäler,
welche auf dringendes Anrathen mehrerer Regierungsbeamten an verschiedenen Orten bereits
zur Ausführung gekommen ist, wird ziemlich erfolglos bleiben, wenn mit der besseren Züch-
tung (Zuchtwahl) nicht gleichzeitig eine rationelle Ernährung der Zuchtpferde und Fohlen in
Gebrauch kommt. —
Die Provinz Traz os Montes mit den beiden Departements Braganza und Villa Real ist
vielleicht die einzige Landschaft im ganzen Königreiche, welche sich durch eine besser und
etwas ausgedehnter betriebene Viehzucht auszeichnet; die Bewohner daselbst zeigen einiges
Geschick und Interesse für die Maulthierzucht und befassen sich auch zuweilen mit der Züch-
tung der Pferde und Esel; die ersteren sind nur von mittlerer Grösse, leidlich kräftig und
dauerhaft, die Esel hingegen mehr als mittelgross und meistens schlank gewachsene, hübsche
Individuen, denen die Portugiesen gern das Prädicat „schön" beilegen und welche unstreitig
auch mit zu den besten Hausthieren des Landes gehören. Aber auch die Maulthiere und
Pferde von Traz os Montes haben in Portugal und den angrenzenden spanischen Provinzen
einen guten Ruf, und es geht alljährlich eine grössere Anzahl dieser Thiere über die Grenzen
der Provinz hinaus, ohne dem eigenen Bedarf dieses Landestheiles erheblichen Abbruch
zu thun.
In den drei Departements der Provinz Beira wird die Zucht der Merino-Schafe ziemlich
umfangreich betrieben; die in Ober-Beira gezogenen Merinos tragen eine schöne, feine Wolle
und gelten für die besten Portugal's; am Ende des vorigen Jahrhunderts sollen die Beira -
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Portugiesische Zuchtstute.
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DIE PFERDE IN PORTUGAL.
Merinos den edelsten spanischen Schafen im Werthe wenig nachgestanden haben; ihr Woll-
product hätte sich durch grosse Feinheit, Milde und Sanftheit ausgezeichnet. In der neueren
Zeit scheint auch in Beira die Schafzucht unter dem Herabgehen der Wollpreise sehr gelitten
zu haben, und es wird dieselbe in Folge dessen auch jetzt mehr und mehr eingeschränkt, ohne
jedoch der Züchtung anderer Hausthiere eine grössere Ausdehnung zu geben.
Viele Landwirthe in den Provinzen Estremadura und Ober-Beira züchten eine sehr
mastfähige, mittelgrosse Schweine-Race, welche seit ältester Zeit im ganzen Königreiche
beliebt gewesen sein soll. — Wahrscheinlich sind aus dieser Provinz schon im vorigen Jahr-
hundert werthvolle Zuchtthiere nach England übergeführt und haben dort zur Verbesserung
und Veredlung verschiedener Schweine - Racen wesentlich beigetragen. — Man betreibt die
Schweinezucht in Estremadura mit grosser Aufmerksamkeit, füttert und mästet dort die Borsten-
thiere auf das Zweckmässigste, und wir können uns nicht recht erklären, dass dieselben Land-
wirthe, welche den guten Erfolg einer rationellen Ernährung bei ihren Schweinen wahrnehmen,
sich nicht dazu entschliessen können, auch ihre übrigen Hausthiere gut zu füttern und ordentlich
zu halten. — Die Schinken von Lamego (im Departement Vizeu belegen) sollen ihrer Vorzüg-
lichkeit wegen sehr gesucht sein und immer weit theurer bezahlt werden, als diejenigen
anderer Plätze im Königreiche Portugal.
Was nun die dortige Pferdezucht anbetrifft, so wird uns von sachkundigen Reisenden
angegeben, dass dieselbe in der neueren Zeit durch den deutschen Einfluss, durch mehrfache
Einwanderungen tüchtiger deutscher Landwirthe in verschiedenen Departements zwar ein wenig
gehoben sei, aber immerhin noch keine irgendwie beachtenswerthen Leistungen aufzuweisen
hätte. Und wenn verschiedene portugiesische Berichterstatter schon jetzt behaupten, dass die
Landespferde - Zucht in Traz os Montes eine grosse volkswirthschaftliche Bedeutung hätte, so
scheinen dieselben hier doch wohl zu weit zu gehen; alle vorurtheilsfreien, wahrheitsliebenden
Schriftsteller erklären, dass allerdings ein Wandel zum Besseren wahrzunehmen sei, dass aber
noch sehr bedeutende Anstrengungen gemacht werden müssten, wenn die Pferde Portugal's
den guten Ruf der alten Race aus dem fünfzehnten und sechszehnten Jahrhundert wieder
erlangen sollten. —
Die klimatischen und Terrain-Verhältnisse daselbst sind für diese Hausthierzucht im
Grossen und Ganzen nicht günstig; dazu kommt noch, dass die ländliche Bevölkerung in den
meisten Departements ein zu geringes Interesse und Verständniss für dieselbe an den Tag
legt; die Leute sind leichtfertig, zeigen nur ausnahmsweise ein so ernstes Wesen in ihren
Handlungen, wie ihre Nachbaren im Osten, die Bewohner von Leon und Castilien, und man
sagte uns, dass sie das Geschäft der Auswahl aller Zuchtthiere mit der grössten Gleichgültig-
keit betrieben, wovon die natürliche Folge ist, dass ihre Thierzüchtung sehr häufig eine krüppel-
hafte Nachzucht liefert. Hierzu kommt noch, dass die dortige Pferdezucht an den Folgen
einer unzweckmässigen Ernährung der Thiere sehr oft zu leiden hat. Die Fohlen werden an
vielen Orten von frühester Jugend an vernachlässigt; man reicht ihnen nicht mehr und kein
besseres Futter, als die genügsamen Esel oder die kleinen Maulthiere bekommen, was jedoch
in der Regel nicht ausreicht, um die Pferde zu einer vollkommenen körperlichen Entwicklung
zu bringen. — Die besseren Weiden überlässt man in Portugal, wie in den westlichen Pro-
vinzen Spanien's, den Schafen und Rindern, und allen übrigen Hausthieren verbleibt der
schlechtere Rest. — Nur in der reichen Niederung am Tajo, unweit der Ortschaften Rosma-
rinhai und Velha de Rodan, und in der Guadiana-Niederung, zwischen Beja und Moura, wo
viele junge Pferde aus Andalusien und Estremadura gehalten werden, soll nach Don Cotarelo
die Ernährung der Pferde auf den Weiden ausreichend und in Folge dessen auch die Ent-
Frey tag, Hausthier- Racen. V.                                                                                                                                       22
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DIE PFERDE IN PORTUGAL.
wicklung derselben befriedigend sein. — In allen südlichen Provinzen Portugal's erhalten die
Pferde bei der Arbeit kleine Portionen Gerste und dazu als Rauhfutter einen sehr lang
geschnittenen oder gehackten Strohhäcksel, aber fast niemals Heu; im Norden hingegen ver-
füttert man vorwiegend Mais, eingequellte Bohnen, Kichererbsen und zuweilen auch Johannis-
brod; dieses letztere fressen die Pferde gern und es scheint ihnen gut zu bekommen. Das
Rauhfutter besteht auch in den nördlichen Provinzen vorwiegend aus Strohhäcksel und nur aus-
nahmsweise verfüttert man an Pferde Wiesenheu oder getrocknete Luzerne. Diese, wie jenes
reicht man lieber den Rindern und Schafen in den Monaten Januar und Februar, da zu dieser
Zeit des Jahres das Futter auf den Weiden für dieselben oft zu knapp wird und man diese
Hausthiere doch nicht gern Hunger leiden lässt. —
Man hat in den letzten Jahren an verschiedenen Orten der günstiger belegenen Depar-
tements kleine Gestüte und Hengst-Depots errichtet und das altberühmte Hauptgestüt zu
Evora (in der Provinz Alemtejo) mit gut gewachsenen Hengsten der renommirteren auslän-
dischen Racen*) neu besetzt, um von hier aus allmälig die heimische Pferde-Race zu veredeln.
Auf diese Weise glaubt die portugiesische Regierung bei der ländlichen Bevölkerung, vor
Allem bei den Grossgrundbesitzern, Sinn und Interesse für die Pferdezucht zu erwecken und
sie dahin zu bringen, dass sie den passenden und gut gewachsenen Beschälern auch ein richtig
ausgewähltes Stutenmaterial zuführen. — Wenn wir recht verstanden, so wird in Portugal, wie
in Spanien für das Belegen der Stuten mit Staats - Beschälern niemals oder nur ausnahmsweise
ein Deckgeld erhoben; man liefert den Sprung gern gratis, wenn den Hengsten nur einiger-
massen gut gewachsene Stuten vorgeführt werden. —
In Traz os Montes, wo von jeher viele Maulthiere und Esel gezogen werden, ist auch
die Züchtung der Pferde noch am ausgedehntesten und wahrscheinlich auch am besten betrie-
ben; die dortigen Landleute sollen einiges Verständniss für die Thierzucht zeigen, nur wäre
sehr zu bedauern, dass manche gute Pferde-Stute ausschliesslich zur Maulthierzüchtung benutzt
würde, welche — mit einem passenden Pferde-Hengste gepaart — voraussichtlich ein vorzüg-
liches Fohlen werfen würde, dagegen nur sehr oft einen mittelmässigen Bastard lieferte, da man
bei der Auswahl der Eselhengste ebenfalls in den meisten Fällen nicht streng genug zu Werke
ginge. — Die Züchter in Traz os Montes sind der Meinung, dass durch die einmalige Ver-
wendung der Pferde-Stuten zur Maulthierzucht, dieselben zur Pferdezüchtung für immer
untauglich, geradezu verdorben würden. Aus den diesbezüglichen Mittheilungen unseres
Gewährsmannes geht hervor, dass die Portugiesen — wie viele Spanier — an die Infection
durch den ersten Sprung glauben; wir theilen jedoch diese Ansichten der dortigen Züchter nicht
und sind überzeugt, dass wenn die gut gebauten Pferde - Stuten auch wirklich ein oder einige
Male zur Maulthierzucht benutzt und dieselben später wieder mit Pferdehengsten belegt, also zur
Reinzucht benutzt werden, sie die vorzüglichsten Fohlen bringen können, insofern ihnen nur
wirklich schön gebaute, für sie passende Hengste als Beschäler zugeführt werden. Anderseits
wagen wir nicht zu bestreiten, dass in den Gebirgslandschaften Portugal's die Maulthierzucht
sehr zweckmässig und einträglich sein kann und dass dort die Haltung kräftiger Maulthiere,
Esel und Maulesel bei den meist schlechten Wegen des Landes vortheilhafter und rathsamer
ist, als die Haltung leichter, hochbeiniger Pferde, wie solche in der Neuzeit von fremdländi-
schen Händlern vielfach dorthin eingeführt, zur Züchtung empfohlen und benutzt sein sollen.
l) Wir konnten leider nicht erfahren, welchen ausländischen Racen diese neubeschafften Deckhengste entnommen
sind , vermuthen aber, dass sie der Mehrzahl nach aus Andalusien und Estremadura stammen und nur einige Exemplare
aus der Normandie herbeigeholt sind.
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DIE PFERDE IN PORTUGAL.                                                                    155
Mit mangelhaften und schlecht gebauten Thieren wird man selbstverständlich eine herunter-
gekommene Pferdezucht nicht heben und bessern können; es müssen vielmehr sachver-
ständige Hippologen in's Ausland gehen und von anerkannt guten Zuchtplätzen das nöthige
Veredlungs-Material herbeiholen. Man wird sich an vielen Orten Portugal's wahrscheinlich —
wenigstens nach allen uns zugegangenen Schilderungen über die portugiesische Züchtung —
nicht darauf beschränken können, allein Deckhengste anzukaufen, sondern wird auch wohl
brauchbare Mutter - Stuten beschaffen müssen, um in möglichst kurzer Frist die fragliche Zucht
heben und wenigstens den eigenen Bedarf im Lande selbst decken zu können. —
Der Preis der jungen, besseren Pferde, welche zum Zug- und Reitdienste tauglich sind,
ist jetzt in Portugal sehr hoch gestiegen; die Nachfrage nach kräftigen, gängigen Individuen
ist in Lissabon und den anderen grösseren Städten des Landes sehr gross, und zur Zeit kann
die inländische Pferdezucht den Bedarf nicht im Entferntesten decken. Die Militair-Verwaltung
ist gezwungen, ihre Remonten zum grössten Theile vom Auslande zu beziehen, sie zahlt dafür
unverhältnissmässig hohe Preise und soll sehr häufig mit der Acclimatisation der Fremdlinge
grosse Umstände haben. —
Die besseren Thiere des Pferdeschlages aus der Provinz Traz os Montes wurden uns
als kräftige, gut fundirte Individuen geschildert, welche eine mittlere Höhe von 1,55 Meter
besässen und im Leibesbau grosse Aehnhchkeit mit den Pferden in der spanischen Provinz
Leon zeigten; ihre Gliedmassen sollen noch kräftiger, als jene und stets mit guten Sehnen und
festen Hufen ausgestattet sein. Diese Thiere leisten auf den fast durchgehends schlechten
Wegen ihrer Heimath sowohl als Packpferde, wie auch zum Zuge in der zweirädrigen Karre
benutzt, noch leidlich Befriedigendes; sie tragen und ziehen ganz brav, zeigen eine lobens-
werthe Ausdauer und wetteifern in diesen Eigenschaften mit ihren Concurrenten, den Maul-
thieren und Eseln von Traz os Montes. — Einzelne hübscher gebaute und vielleicht edler
gezogene Thiere des fraglichen Schlages werden auch wohl zum Reiten benutzt; sie müssen
dann vor Allem ein lebendiges Temperament besitzen, sich leicht führen und bequem reiten
lassen. Es giebt unter ihnen zuweilen recht gute Passgänger oder Stepper, welche von den
portugiesischen Herren und Damen am liebsten geritten werden; es werden aus diesem Grunde
dort auch stets die guten Passgänger um einige Portugalöser*) theurer bezahlt, als solche
Pferde, welche diese, für den Reiter sehr bequeme Gangart weniger geschickt ausführen. —
Wir finden fast überall bei den, die Bequemlichkeit liebenden Südländern (auch bei den Süd-
Amerikanern) eine grosse Vorliebe für die Passgangart der Pferde, und es ist in der That
nicht zu leugnen, dass dieselbe, eine richtige Führung der Thiere vorausgesetzt, wenig
erschütternd für den Reiter, auch für das Pferd nicht sehr ermüdend ist. Auf unebenem
Terrain, auf schlechten Wegen ist der Passgang aber keineswegs als „besonders sicher" zu
bezeichnen, und er sollte dort lieber nicht ausgeführt werden. In früheren Zeiten wurde in
fast allen Ländern Europa's dieser Passgang für die Damenpferde in erster Linie gefordert,
und ungleich weniger Werth darauf gelegt, dass das Damenpferd einen angenehmen Galop-
sprung ausführte. Man nannte die Pferde, welche einen schönen Pass gingen, „Zelter," und
suchte allen edlen Pferden den s. g. Zeltgang künstlich in der Reitbahn beizubringen, indem
man die gleichseitigen Füsse bei der Dressur zusammenkoppelte und sie dann fort und fort zu
einem lebendigen Gange antrieb. — Die Pferde mit einem besonders schwachen Rücken,
1) Portugalöser nennt man die alten Goldstücke jenes Landes, welche noch jetzt einen Werth von etwa
o Francs haben.
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DIE PFERDE IN PORTUGAL.
welche unter schweren Gewichten auf weichem Boden rasch vorwärts gehen d. h. möglichst
viel Raum gewinnen sollen, kommen aus dem beschleunigten Schritte sehr bald zum Pass-
oder Halbpass-Gange. Der Halbpass ist eine durchaus unregelmässige, geradezu fehlerhafte
Bewegung, bei welcher theils die Füsse derselben Seite — wie beim eigentlichen Passe —
theils wie beim Schritte oder Trabe, kreuzweise bewegt werden, das Pferd also beständig
zwischen Passgang und Trabbewegung abwechselt. —
Bei vielen Pferdeschlägen der pyrenäischen Halbinsel vor Allem aber in Portugal soll
dieser Steppergang tüchtig eingeübt und in solchem von manchem Thiere auch wirklich viel
geleistet werden; derselbe ist gewissermassen ein Mittelgalop oder auch fliegender Pass zu
nennen, bei welchem die Vorderfüsse Galop und die Hinterfüsse Trab gehen oder umgekehrt
die Hinterfüsse Galopsprünge machen und die Vorderfüsse im raschen Trabtempo vorge-
schoben werden.
Unsere deutschen Schulreiter wollen mit Recht von diesem spanisch - portugiesischen
Steppergang der Pferde nichts wissen, denn er ist unschön, passt nur für wenige Pferde mit
lebhaftem Temperament, sehr guten Schultern, ganz besonders kräftigen Gliedern und hat für
den Reiter — nach unseren Begriffen — nichts Angenehmes. —
NACHTRAG.
Nach G. A. von Kloeden zählt man jetzt in Portugal an Hausthieren:
88,000 Pferde (59 Gestüte),
50,390 Maulthiere,
127,950 Esel,
256,031 Ochsen, 162,538 Kühe, 3950 Stiere,
624,566 Rinder
49,858 Jungvieh und 48,097 Kälber,
2,977,454 Schafe,
936,869 Ziegen,
971,085 Schweine.
Es werden alljährlich etwa
eingeführt :
ausgeführt
Pferde . .
1064
353
Maulthiere . .
■ • ' 578
804
Esel ....
516
353
Rinder . . .
33,509
16,616
Schafe . . .
• • 2391
64,723
Ziegen . . .
• • 591
21,041
Schweine . .
- • 17,099
13,433
Halle, BucHdruckerei des Waisenhauses.