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G. ^7/JS^O.
Studien
über
das Kehlkopfpfeifen der Pferde
von
Geheimer Medizinalrath, Professor und Direktor a. D.
der Thierärztlichen Hochschule zu Hannover.
Zweite Auflage
Karlsruhe.
Verlag- der „Deutschen Thierärztlichen Wochenschrift."
1896.
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Vorwort.
In der vorliegenden zweiten Auflage der „Studien"
haben die seit'1893 erschienenen Publikationen über das
Kehlkopfpfeifen der Pferde, soweit sie mir zugänglich ge-
worden, Berücksichtigung gefunden, so dass ich glauben
darf, in den Zusammenstellungen ein zutreffendes Bild des
gegenwärtigen Standes unserer Kenntniss dieses Leidens ge-
geben zu haben.
Es würde sehr erwünscht sein, wenn recht viele der
Herren Kollegen ihre Erfahrungen in möglichst detaillirter
Ausführung zum Gemeingut machen und auch ihrerseits zur
Klärung der Ansichten beitragen wollten.
Hannover, den 1. Januar 189(5.
Der Verfasser.
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In vorigen Jahrhunderten und im Anfange des jetzigen
scheint das Kehlkopfpfeifen seltener gewesen zu sein, wie
gegenwärtig. Die Bezeichnung „Hartschlägig", wie solche
unter den Gewährsmängeln schon früh vorkommt (cf. Lüne-
burger Stadtrecht 1679, Kalenberger und Lüneburger Ver-
ordnungen von 1697), weist nach, dass das Leiden bekannt
war. Die. Literatur hat bezügliche Nachweise nicht auf-
bewahrt. Havemann sagte in seinen Vorlesungen 1813
(Heft von Thierarzt Ringe) nach kurzer Beschreibung der
Symptome, dass kein deutscher Schriftsteller das Leiden er-
AVäline, es schiene aber im Kehlkopf seinen Sitz zu haben.
In seinem Vortrage von 1816 sagt er (Heft von Fr. Günther
p. 66): „Dieses Uebel mag seine Ursache in mechanischen
Hindernissen haben, wahrscheinlich ist der Kehlkopf oder
die Stimmritze von einer widernatürlichen Membran be-
kleidet oder auf irgend eine Art in abnormem Zustande, so
dass der Athem beschwerlich gemacht wird; es mag sein,
dass sich Polypen erzeugt haben oder die Häute verartet
sind oder der Luftröhrenkopf verknöchert ist. Er habe nie
einen Pfeifer zergliedert. Die Ursachen seien ihm' unbe-
kannt, doch habe er bemerkt, dass das Uebel bei einigen
Pferden unmittelbar nach überstandener bösartiger
Druse erfolgte."
Die erste umfassende Arbeit über fragliches Leiden,
welche zugleich die Grundlage aller nachfolgenden geblieben
ist, veröffentlichte Fr. Günther 1834 in Nebel und Vix'
Zeitschrift, er lenkte die Aufmerksamkeit auf die Recur-
renslähmung der linken Seite, welche er als Ursache
des Kehlkopfpfeifens nachwies, und brachte diese mit der
Atrophie der Kehlkopfmuskeln in Verbindung, so wie er
auch auf den Verlauf des linken Recurrens in der
Brusthöhle als Ursaclie seiner Erkrankung nach
dem „Epizootisch-nervösen Entzündungsfieber"
(Influenza) hinwies, bei welchem die Brustorgane häufig vor-
zugsweise leiden (p. 390). Er hat die Lähmung immer
nur linksseitig gefunden (p. 381) und sagt (p. 391),
„dass dabei auch der Recurrens leidet, kann nicht auffallen,
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da er aus der Brusthöhle hervorgeht und ein Zweig
des Pneumogastricus ist." „Wenn diese Recurrenslähmung
nicht immer geschieht, so kann dieses nicht auffallen, da
gleiche Ursachen oft verschiedene Wirkung haben, zumal
wenn Krankheitsprodukte bereits gebildet sind und
diese modifizirend einwirken, was in unserem Falle gewiss
ebensowohl zu beachten." „Das Epizootisch-nervöse Ent-
zündungsfieber ist in neuerer Zeit weit häufiger vorge-
kommen, in den letzten Jahren fast immer im Gange ge-
wesen, darin wird wohl die Ursache des häufigeren Vor-
kommens des Pfeiferdampfes liegen, zumal dabei die Prä-
disposition zu Nervenlähmungen vorherrscht und
schlagflussartige Lähmungen unter den Nachkrank-
heiten nicht zu den Seltenheiten gehören, wie die Beobach-
tung genugsam lehrt (Lähmungen der Vorderlippe, Nasen-
spitze, Hinterlippe, Ohrmuskeln, Augenlider, Kaumuskeln,
einseitige Halslähmung, Lähmung der Vorderschenkel, Hinter-
schenkel etc.)" Später beschäftigte sich Ger lach (Gerichtl.
Thierheilkunde) mit dem Leiden vom forensischen Stand-
punkte aus.
Weitere, auch ausländische Arbeiten hat Prof. Möller
in seiner Analektensammlung „das Kehlkopfpfeifen etc. 1888"
zusammengestellt, welchen 1890 Prof. Dieckerhoff seine
„Diagnose des Kehlkopfpfeifens" hinzufügte etc.
Durch alle diese Arbeiten sind aber die Ansichten
über dieses Leiden noch keinesweges genügend geklärt, und
glaube ich deshalb die Resultate meiner Forschungen auf
diesem Gebiete der Oeffentlichkeit nicht vorenthalten zu
sollen.
Anatomisch - physiologische Bemerkungen.
Der Kehlkopf wird bei Einhufern aus sechs einzelnen
Knorpeln gebildet, von denen zwei, die Schildknorpel, seine
äussere Form und vier mit diesen beweglich verbundene
die Weite des inneren Baumes bestimmen. Zwischen die
hinteren Ränder der ersteren ist der Ringknorpel, als oberes
Ende der Luftröhre, von rückwärts her beweglich einge-
schoben, er hält jene durch seine Spannung von einander
entfernt und trägt an dem vorderen Bande seiner Ring-
platte die beiden mit dieser seitlich artikulirenden Giess-
kannenknorpel (Aryknorpel), von deren vorderem unteren
Winkel die beiden Stimmbänder zur Vereinigung der Schild-
knorpel verlaufen; sie sind von einer ^SclileiniJiaut gedeckt,
die sich über die innere Oberfläche des Kehlkopfes fortsetzt
und in die der Rachenhöhle übergeht. Inmitten der Längen-
achse des Kehlkopfes befindet sich ein freier Raum, die
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Glottis oder _Stimmritze.fi, welcher den einzigen Zugang
zur Luftröhre bildet, sie wird jederseits vom Aryknorpel und
dem Stimmbande begrenzt; dieser Raum, die Glottis also,
erfährt durch Erheben der Aryknorpel und durch daraus
, folgendes Annähern (resp. Andrücken) derselben an die Schild-
kjiorpej, welchem die Stimmbänder Folge leisten müssen,
eine eventl. selbst über den inneren Kaum der Luftröhre
hinausgehende Erwj^terun.g; durch Senken derselben
und Annäherung (resp. Andrjicken}. des medialen Theiles der
Aryknorpel, und daraus folgende Annäherung der Stimm-
bänder an einander, wird die Glottis^yexüngerjt und nach
Bedürfniss vollständig geschlossen.
Von dem Spiele dieses Apparates, des Ventils der
Luftröhre, ist also das Mass des Luftzutritts zur Lunge
abhängig. Die Weite des Kehlkopfsraurnes ist, gleich dem
der Luftröhre, bei den verschiedenen Individuen sehr un-
gleich gross, die Stimmbänder schliessen, behufs passiver
Regulirung der Glottisweite, viel elastisches Gewebe ein
und befinden sich dadurch permanent in Spannung; sie
schliessen die beiden Schild-Giesskannenmuskeln, namentlich
den hinteren ein, und verdanken diesen ihre Fülle.
Die Stimmtasche (ventriculus Morgagni) ist, gleich
ihrer Oeffhung, zwischen beide Schild- Giesskannenmuskeln
eingeschlossen und ragt mit ihrem geschlossenen hin-
teren Ende kaum etwas über sie hinaus, sie erstreckt sich,
ballonförmig weiter werdend, nach rückwärts und liegt mit
ihrem weitesten Theile zwischen der senkrechten
Fläche des Aryknorpels und dem Schilde, welchen
Raum sie zum guten Theile ausfüllt. Ihr Zugang wird nach
abwärts vom Stimmbande begrenzt, nach rückwärts vom
vorderen unteren Winkel des Aryknorpels, ein kleiner Fort-
satz des Seitenfortsatzes der Epiglottis liegt über dem-
selben beweglich in der Kehlkopfwand unter der Schleim-
haut und kann ihn nach Bedürfniss decken.
Die sogenannten falschen Sj^jjmjn_bjyidj3r können
bezüglich der Respiration ebensowe"nig in Frage" kommen,
wie die Epiglottis.
Die Erweiterung des inneren Kehlkopfraumes erfolgt
durch die beiden Schildringmuskeln (M. cricothyreoidei), die
beiden hinteren Ring-Giesskannen- und den Quer-Giess-
kannenmuskel (M. cricoarytaenoidei postici et M. arytaenoi-
deus transversus), die ersteren heben den Ringknorpel mit
*) Die Trennung der Stimmritze in zwei Abtheilungen, aditus ad
laryngem und pars vocalis, ist für die Beschreibung der beim Kelilkopf-
pfeifen vorkommenden Zustände nicht zweckmässig, ich werde sie des-
halb nicht verwenden.
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den beiden an ihm aufgehangenen Aryknorpeln zwischen den
Schildknorpeln in die Höhe und wenden seine Ring-
platte weiter rückwärts, sie spannen dabei die Stimm-
bänder an, und verlängern so die Stimmritze. Durch die
Wendung der Ringplatte werden zugleich die Aryknorpel
so zwischen den Schildknorpeln herausgehoben, dass die
Leiste derselben über den oberen Rand dieser Knorpel
emportiitt und die Aryknorpel nun zur weiten Eröffnung
der Stimmritze freier nach aussen gehoben werden können.
Es ist dieses der einzige Kehlkopfmuskel, der nicht von
dem Recurrens versorgt wird, sondern vom ersten
Halsnerven, wie ich das auf anatomischem Wege nach-
gewiesen habe (cf. Topogr. Myol.); sein feiner Faden geht
von dem den Zungenbein -Schüdmuskel versorgenden langen
Faden ab.*)
Die beiden hinteren Ring-Giesskannenmuskeln sind be-
kanntermassen die stärksten Erweiterer, sie heben die Ary-
knorpel nach rückwärts und aussen aus dem Kehlkopf
nach Bedürfniss hervor, so dass die Leiste derselben im
extremen Falle über den oberen Rand des Schildes nach
aussen tritt, wodurch der untere senkrechte Theil des Ary-
knorpels fest an den Schildknorpel gepresst und das Stimm-
band auf's Aeusserste angespannt wird, alle zwischen der
Stimmritze und dem Schilde liegenden Theile werden da-
durch incl. des Stimmbandes fest an dieses angepresst, etwa
in der Stimmtasche befindlicher Inhalt ausgedrückt und der
Zugang zu derselben durch Vortreten des Fortsatzes der
Epiglottis vollständig geschlossen.
Der Quer-Giesskannenmuskel unterstützt die Wirkung
der vorigen.
*) Möller (1. c. pag. 13) behauptet zwar mit gesperrter Schrift,
dass von ihm festgestellt sei, dass dieser Muskel vom ersten Hals-
nerven versorgt werde, er hat sich aber wohl im Ausdruck vergriffen und
„bestätigt" gemeint. Bezüglich der Wirkung dieses Muskels gibt er
an, dass er den Reif des Ringknorpels dem Schilde annähere; der Ring-
schildinuskel geht aber vom oberen Ende und hinteren Rande des Schildes
der einen Seite, den Ring zwischen sich aufnehmend, zur gleichen Stelle
des Schildes der anderen Seite, ist also wie ein Band zwischen beiden
Schildknorpeln ausgespannt, auf welchem der Ringknorpel ruht; dieser
muss hiernach durch dieselben zwischen beiden emporgehoben werden etc.
Möller hat die von ihm bei elektrischer Reizung des I. Halsnerven ge-
fundene Annäherung äes Ringes an das Schild in ihrem ursächlichen
Zusammenhang offenbar nicht weiter verfolgt.
Nach den Untersuchungen von Munk, Chauveau, Breisach er
und Müller erhält dieser Muskel seinen Nerv aus dem zarten zwischen
dfin Vagus und dem Ursprünge des N. laryng. sup. liegenden Geflechte
oder, wie Chauveau angibt, häufiger aus dem Schlundkopfast des Vagus.
Ter Ursprung des Nerven scheint danach nicht konstant zu sein.
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Die Verengung der Stimmritze erfolgt durch die
beiden Seiten - Eing - Giesskannenmuskeln (M. ericoarytae-
noidei laterales), die bis zum Erscheinen meiner topographi-
schen Myologie als Erweiterer angesehen wurden, und durch
die Schild - Giesskannenmuskeln (M. thyroarytaenoidei antici
et postici); erstere ziehen die Giesskannenknorpel nach ab-
wärts, entfernen den unterhalb der Leiste senkrecht herab-
steigenden Theil derselben in nach abwärts zunehmendem
Masse vom Schilde und drängen ihn sammt dem Stimm-
bande in den Baum des Kehlkopfes hinein, legen besonders
den unteren Rand beider Giesskannenknorpel, und daraus
folgend, die Stimmbänder an einander und scliliessen so die
Stimmritze bis auf einen kleinen Raum, der unter dem hin-
teren Theile der Vereinigung beider Aryknorpel offen bleibt.
Der vordere und hintere Schild-Giesskannenmuskel
nehmen die Stimmtasche zwischen sich auf, sie bilden
mit denen der anderen Seite ein sehr breites dünnes Band,
welches von der Vereinigung beider Schildknorpel und deren
unterem Rande durch die Stimmbänder zur Leiste der Giess-
kannenknorpel resp. über diese hinaus zur Medianlinie geht,
sie umfassen also die ganze Glottis.
Sie drücken die Aryknorpel in den Kehlkopf herab
und mit ihren medialen Flächen an einander, spannen da-
durch zugleich die Stimmbänder nach ab- und rückwärts an
und legen sie zusammen, der vordere presst den Fortsatz
der Epiglottis auf den Eingang der Stimmtasche und schliesst
diesen, sie pressen event. Inhalt der Stimmtasche aus. Bei
weiter Eröffnung der Stimmritze werden sie gedehnt und
dadurch der Fortsatz der Epiglottis mechanisch auf die
Oeffnung der Stimmtasche gelegt. (Man sieht daraus, wie
vorsorglich der Verschluss des Zuganges zu derselben ge-
wahrt ist.)
Zur Förderung des Verständnisses der bei Recurrens-
lähmung auftretenden Erscheinungen und Folgen habe ich
geglaubt, diese, zum Theil meiner Topographischen Myologie
entnommenen Data, hier anführen zu sollen. —
Der Respirationsweg ist stets geöffnet und von den
Nasenöffnungen bis zum Kehlkopf weiter, als der innere
Kehlkopfsraum werden kann, an diesen reiht sich der noch
engere der Luftröhre an. Die Luftröhre kann sich nach
meinen Untersuchungen über den gegebenen Standpunkt hin-
aus, der herrschenden Ansicht entgegen, weder aktiv
noch passiv erweitern, wohl aber verengern.
Die eingeathmete Luftsäule muss deshalb in mit
dem momentanen Luftbedürfniss der Lungen zunehmendem
Masse auf den nachgiebigen Raum der Rachenhöhle und
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des Kehlkopfes drücken und die Luftröhre eventuell m. w.
komprimirt passieren, um zu dem weiteren Lungenraum
zu gelangen. Das Luftbedürfniss in den Lungen steigt in
demselben Masse, wie das Einathmen zeitlich verkürzt wer-
den muss, unter solchen Verhältnissen erfolgt die Erwei-
terung der Brusthöhle möglichst rasch und sehr kräftig,
um den Lungen schleunigst das erforderliche Luftquantum
zuzuführen; der Luftstrom muss sich in der Rachenhöhle
zusammenpressen*) und mit ganzer Wucht auf den Kehl-
kopf drücken.
Stimmritze, Glottis. In normalen Verhältnissen
(cf. Günther, Jahresbericht der Hannoverschen Thier-
arzneischule 1871, p. 111) ist bei lebenden Pferden die
Stimmritze stets, wie beim todten, etwa zwei Centimeter
weit geöffnet und genügt diese Weite für ruhige Respiration
vollständig, man sieht bei von unten geöffnetem Kehlkopfe
keine, oder doch nur äusserst geringfügige Erweiterung;
eine über dieses Mass hinausgehende Verengung hat auch
bei der Expiration und nach derselben nicht statt. . Bei
tieferer Inspiration heben sich die Aryknorpel, der beabsich-
tigten grösseren Erweiterung der Brusthöhle entsprechend,
in verschiedenem Grade und erweitern dadurch den Glottis-
raum um das Doppelte und darüber, um ihn dann wieder
in den bezeichneten Ruhestand zurücktreten zu lassen. Bei
ganz tiefer Inspiration erreicht die Stimmritze durch Er-
heben des Ringknorpels, weites Herausheben der Giess-
kannenknorpel und Andrücken ihres unterhalb der Leiste
gelegenen platten Theiles incl. der Stimmbänder an die Kehl-
kopfswand die grösstmögliche Weite, wobei dann der Zu-
gang zur Stimmtasche vollständig geschlossen erscheint.
Diese extremste Weite bleibt sich bei vermehrter rascher
Respiration beim Ein- und Ausathmen ganz gleich, man
sieht dann keine Bewegung der Stimmritze mehr. Man kann
im Kehlkopfe genau sehen, wie tief das Pferd bei jedem
Athemzuge einathmen will; das Bewegungsspiel der Stimm-
ritze wird durch weite Oeffnung seiner unteren Wand in
keiner Weise beeinflusst, da dasselbe durch das Luftbedürf-
niss der Lunge aufgelöst wird. Vor jeder Anstrengung
muss die Stimmritze geschlossen werden, ebenso vor jedem
*) In Folge dieser Verhältnisse dringt denn auch rasch die Luft in
den Lurrsack, wenn die Eustachische Trompete in Folge der Lähmung
des hinteren Schliessers der Eachenhöhle (AI. levator palatini d. M.) nicht
geschlossen gehalten werden kann und erweitert denselben oft sehr be-
deutend. Dieser und der Griffel-Gaumenmuskel (II. tensor veli palaüui
d. M.) erhalten ihre Nerven vom Ohrknoten oder von dem an Stelle des-
selben auftretenden kleinen Geflechte (3. Ast. des 5. N.), welches ver-
schiedene sehr kleine Knötchen einschliesst.
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Schlucken; man wird daher von Beidem durch Betrachten
derselben rechtzeitig avertirt. *)
Bei Recurrenslähmung erscheinen die räumlichen
Verhältnisse des Kehlkopfes, bei lebendem Thiere be-
trachtet, in folgenderweise verändert: bei geringgradigen
Pfeifern ist die Stimmritze bei ruhiger Respiration kaum
etwas enger, wie bei gesunden Thieren. der linke Giess-
kannenknorpel steht, je nach dem Grade des Leidens, etwas,
oft kaum sichtbar, niedriger als der rechte, seinem weiteren
Herabsinken durch Eigenschwere widersetzt sich die elastische
Spannung des Stimmbandes, das Stimmband des ersteren ist,
je nach dem Grade der Betheiligung der Schild-Giesskannen-
muskeln, schwächer, der Eingang der Stimmtasche erscheint
dementsprechend weiter. Sobald grösseres Luftbedürfniss
eintritt, wird bei geringgradigem Pfeiferdampf die linke
Stimmritzenwand, wenn auch weniger wie die rechte, zur
Erweiterung der Glottis mitbenutzt, bei mittleren Graden
ist ihre Betheiligung geringer, bei hochgradigem dagegen
liegt sie unbeweglich fest, die Stimmritze kann selbst eine
von der Medianlinie nach rückwärts und rechts abweichende
Spalte von geringerer Weite bilden, welche beim tiefen
Einathmen ganz nach rechts hinüber gezogen wird (cf. Fr.
Günther 1. c), indem die linke Wand dem Zuge der
rechten vom Aryknorpel aus folgt, und nun die Stimm-
tasche weit geöffnet erscheint. Der rechte Giesskannen-
knorpel kann bei höheren Graden, selbst wenn der rechte
Recurrens ganz unbetheiligt ist, oft nicht bis zur normalen
Höhe aus dem Kehlkopf herausgehoben werden, wie das
beiläufig bemerkt, auch am todten Thiere, selbst bei voll-
ständiger Atrophie sämmtlicher linksseitiger Giesskannen-
muskeln auffällt; es liegt dies daran, dass er den linken
mitschleppen muss, dessen äusseren Verbindungen hindernd
entgegen treten.
*) Möller macht uns (1. c. p. IG) mit einer ganz neuen, bei
I
                  Gelegenheit der Untersuchung des Inneren des Kehlkopfes mit dem Finger
beobachteten Thatsache (?) bezüalich des Vorganges beim Schlucken be-
kannt. Er sagt: „Während hierbei (beim Schlucken) der ganze Kehlkopf
nach oben bewegt und durch die Verengerer desselben die obere Kehl-
kopföffnung nahezu (?) geschlossen wird, legen sich starke Falten
der Schleimhaut der Rachenhöhle auf den Aditus ad laryngem
.... auch erklärt (?) dieser Vorgang die Thatsache, dass
nach Bxstirpation eines oder beider Aryknorpel schon nach
wenigen Tagen das Schlucken nicht mehr gestört ist (?).
Doch auch der Kehldeckel bleibt bei dem Schluckakt nicht unthätig
und legt sich während dieses Vorganges gegen die Kehl-
kopföffnung, aber nicht direkt, sondern auf die Schleim-
hautfalten." — Wo existiren denn in der Rachenhöhle solche Falten,
und wie könnten sich solche, selbst wenn sie vorhanden wären, zwischen
den Kehldeckel und den Kehlkopfsraum einschieben?!
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Eine wirkliche Pfeiferstellung der Stimmritze kann
bei eröffnetem Kehlkopf nicht gesehen werden, weil das be-
dingende Agens, der Druck der Luftsäule auf dieselbe, unter
solchen Umständen fehlt.
Entstehung des Tones bei Pfeifern. Der eigen-
thümlich pfeifende Ton kommt dadurch zu Stande, dass
die Luftsäule durch Aspiration der Lungen auf den inneren
Kehlkopfraum gepresst wird und ihren Eintritt in die Luft-
röhre hemmende Hindernisse mit sich fortzureissen sucht.
Unter normalen Verhältnissen sind solche nicht vorhanden,
da alle im Stande der Ruhe beengenden Hindernisse durch
die der Grösse der eindringenden Luftsäule entsprechende
Thätigkeit der Erweiterer aus dem Wege geschafft werden.
Bei Recurrenslähmung dagegen kann diese Beseitigung nicht
im vollen Masse erfolgen, der Druck der Luft muss in dem-
selben Verhältnisse steigen, als das die Stimmritze beengende
Hinderniss grösser ist, dadurch allein schon muss der ge-
lähmte Aryknorpel nebst der ganzen Stimmritzenwand in
den Kehlkopf hineingepresst und der Glottisraum beengt
werden; diese Beengung steigt nothgedrungen durch das
gewaltsame Eindringen der Luft in die offene Stimmtasche*),
wodurch der an ihrer medialen Wand liegende Theil des
Aryknorpels noch weiter in den inneren Kehlkopfraum ge-
presst wird und das Stimmband nachzieht (die Stimmtasche
erscheint deshalb bei länger bestandener Lähmung aufge-
Aveitet). Ein Anschlagen der Luft, Pfeifen, Rohren, Gie,-
nien etc. kann nur dadurch entstehen, dass die Luft durch
einen sehr engen Raum gepresst wird, es muss deshalb
bei jedem Kehlkopfpfeifer mit dem Steigen des Missverhält-
nisses zwischen der Stammritzenweite und der Grösse der
andringenden Luftsäule das Rohren zunehmen, solches Miss-
verhältniss steigt in demselben Masse, wie durch rasche
und kräftige Erweiterung der Brusthöhle ein grösserer
Luftstrom mit Gewalt eingezogen wird, es findet nur da
*) Bio Her sagt 1. p. c. p. 22, „dass nicht in der Glottis {"so be-
zeichnet er den zwischen beiden Stimmbändern liegenden Theil der Stimm-
ritze, pars vocalis d. M.) das Inspiratioiishinderniss liegt, geht aus dem
Umstände hervor, dass durch Entfernung der Stimmbänder einschliess-
lich der Stimmtasche die Dyspnoe nicht beseitigt werden kann.
K. Günther hat dies durch Resektion derselben nachgewiesen." Diese
Auffassung entspricht den thatsächlichen Verhältnissen nicht, ich habe
vielmehr stets den wesentlichen Antheil der Stimmbänder, pars vocalis,
und besonders auch der Stimmtasche an dein Zustandekommen der Dyspnoe
bei Recurrenslähmung betont. Daraus, dass nach jener Resektion die
Dyspnoe wegen der durch Retraktion der Narbensubstanz
entstehenden Verengerung mciit beseitigt wird, folgt logischer-
weise nicht, dass Stimmtasche und Stimmbaud keinen Antheil an der
Raumbeengung' haben.
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seine Grenze, wo der Widerstand der Erweiterer der Stimm-
ritze den Druck ausgleicht, oder der Druck der Luftsäule
nachlässt. Man kann deshalb auch jedes gesunde Pferd
meist schon im Stande der Kühe, gewiss aber bei gesteigerter
Respiration, durch Niederdrücken eines Aryknorpels zum
Rohren, selbst Giemen zwingen. Der Grad des Missver-
hältnisses zwischen Stärke der Luftsäule und Stimmritzen-
weite bedingt also den Grad des Pfeifens. Der höchste
Grad des Rohrens kommt sowohl bei ausschliesslich
linksseitiger Lähmung, wie auch bei rechtsseitiger Mit-
betheiligung vor, aus diesem kann deshalb nicht mit
einiger Sicherheit auf letztere geschlossen werden.
Pathologisch - anatomische Verhältnisse.
Bei ganz frischer Recurrenslähmung findet man pathol-
anat. Veränderungen gar nicht.
Betrachtet man die anatomischen Veränderungen in
den Kehlköpfen längere Zeit an solcher Lähmung erkrankt
gewesener Pferde, so findet man zunächst die Atropie der
Muskeln stets linksseitig, gelegentlich auch wohl
einmal an der rechten Seite, doch ist sie hier der links-
seitigen gegenüber stets geringgradiger. Eechterseits
allein oder stärker, wie linksseitig habe ich sie nie-
mals gesehen.
Eine genügende Erklärung, warum immer
der linke Recurrens getroffen wird, ist bislang
nicht zu geben.
Die Muskelatrophie erstreckt sicli mehr oder weniger
über das ganze Verbreitungsfeld des Recurrens, geht aber
niemals auf von demselben nicht versorgte Muskeln über,
sie fällt besonders in dem hinteren Ring-Giesskannenmuskel
auf, weil dieser der stärkste ist, wird hier auch am meisten
beobachtet, weil die anderen Muskeln eine m. w. zeitraubende
Präparation verlangen und deshalb meistens nicht nachge-
sehen werden: man begnügt sich eben mit der hier ge-
fundenen Atrophie. *}
Die Recurrenslähmung ist entweder sofort vollständig,
oder sie macht erst allmälig Fortschritte. Die Atrophie
kann deshalb selbst in demselben Muskel Verschiedenheiten
in der Zeit ihres Bestehens nachweisen, ebenso kann der
Nerv auch trotz voller Atrophie des einen oder anderen
Muskels oder mehrerer noch gesunde Fasern führen, welches
*) Anmerkung: Der Geh. Regierungsrath, Medicinalrath Dr. Dam-
mann hat mir neuerdings einen Kehlkopf mit ganz frischer Lähmung
des linken Recurrens gezeigt, an welchem der M. crico thyroid. alt
atrophisch war.
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durch das gleichzeitige Bestehen normaler Verhältnisse m
anderen von ihm versorgten Muskeln nachgewiesen wird.
An dem Nerven findet man zuweilen makroskopisch
und mikroskopisch die die Lähmung charakterisirenden Merk-
male, jedoch immer ersf nach längerem Bestehen des
Leidens.
Aus diesen Verhältnissen wird es erklärlich, warum das
Kehlkopfpfeifen in sehr verschiedenem Grade auftreten, sich
allmälig weiter entwickeln oder stationär bleiben kann etc.
Im Allgemeinen spricht sich die Folge der Lähmung bei
Füllen und jungen Pferden (besonders nach absichtlicher
Trennung des Nerven) erheblicher aus, wie bei alten, es
liegt das bei diesen in der grösseren Rigidität der Muskeln
und der Verbindung der Giesskannenknorpel mit dem Ringe
und Schilde, wie ich das bereits in meiner Topographischen
Myologie angegeben habe, nicht aber, wie Moll er. meint
(1. c. p. 2:), zugleich in der grösseren Rigidität der Ary-
knorpel und der darin vorkommenden Verknöcherung — eine
dem Luftdruck folgende Nachgiebigkeit könnte höchstens in
dem sich stets gleichbleibenden netzknorpeligen Schnäuz-
chen, nicht aber im hyalinen Theile desselben und nament-
lich nicht in seinem dicksten Theile vorkommen, in
welchem die Verknöcherung ausschliesslich beobachtet
wird; sie ist für die Raumverhältnisse absolut gleichgiltig.
Ursachen. *)
Nachdem festgestellt ist (cf. Topogr. Myol. 1866, vom
Verf.), dass mindestens 96u/0 aller am Pfeiferdampf
leidenden Pferde an Recurrenslälimung und zwar
linksseitig leiden, also Kehlkopfpfeifer sind, von
letzteren aber nur ein ganz verschwindender Pro-
centsatz auf andere krankhafte Zustände des Kehlkopfes
selber — als chronische Schwellung, Erkrankung der Ary-
knorpel, Verknöcherungen, Polypen etc. zurückzuführen ist,
muss sich die Forschung auf die Ursache der Recur-
renslähmung konzentriren. Zur Klärung der Ansichten
erlaube ich mir die wesentlichsten der grossen Zahl der in
der Literatur vertretenen bezüglichen Ansichten kurze Revue
passiren zu lassen, obgleich dieselben alle, soweit sie eine
Alteration des Nerven auf materiellem Wege herbei-
führen sollen, ihrer Unbegründetheit resp. Seltenheit
wegen kaum bezügliche Beachtung beanspruchen können.
1. Von früherer Zeit her, wo man von der Recurrens-
lähmung noch gar keine Ahnung hatte, hat sich die An-
*; cf. „Deutsche Thierärztl. Wochenschr." Nr. 50. Jahrg. 1894.
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sieht, dass Eamskopf, enge Ganaschen, wulstige Ohr-
drüsenpartie und kurzer Kopfansatz Pfeiferdampf veranlassen
sollen, fortgepflanzt. Ist es nun schon an sich Thatsache, dass
solche Verhältnisse als Kaceeigenthümlichkeiten vielen Zuch-
ten eigen waren und stellenweise heute noch sind, ohne
dass dabei Kehlkopfpfeifen beobachtet wird, so ergibt die
nähere Untersuchung, dass das bei solchen Formen event.
auftretende Eespirationsgeräusch mit dem Kehlkopfpfeiferton
nicht identisch ist und nur dann Verwechselt werden kann,
wenn man den letzteren nicht hinreichend kennt. Als Ur-
sache der Recurrenslähmung können solche Bildungsverhält-
nisse um so weniger in Betracht kommen, als gar nicht
abzusehen ist, warum dadurch der rechte Kecurrens nicht
alterirt werden soll, sondern nur der linke.
2. Ein ganz besonderes Gewicht legt man auf die
Längenentwickelung des Halses, ja basirt darauf
sogar eine besondere Anlage der mit langem Halse ausge-
statteten Pferde, besonders wenn derselbe ausserdem noch
dünn ist; unter Anderen auch Möller (1. c. p. 34). Zur
Begründung dieser angeblichen Thatsache führt Letzterer
an, „dass das Kehlkopfpfeifen besonders in dem Alter von
3—6 Jahren, also in einer Zeit, in welcher die Entwicke-
lungsvorgänge mit gewaltigen Umformungen (?) des Kör-
pers verbunden sind, zu einer Zeit, in welcher namentlich
die Ausbildung des Halses (?) erhebliche Fortschritte macht*
- beobachtet wird, und bringt damit die anatomischen Ver-
hältnisse des linken Recurrens in Verbindung. Was denkt
man sich dabei? Pferde sind doch keine Menschen! Zu-
nächst möchte ich bemerken, dass auch der lange, dünne
Hals Raceeigenthümlichkeit ist und dass deshalb das häufige
Auftreten des Kehlkopfpfeifens nicht auf die Halsform, son-
dern auf die ererbte Anlage zurückzuführen ist. Feiner ist
zu beachten, dass bei dem heutigen Fütterungsprinzip die
Pferde schon mit dem 3. Jahre so weit fertig sind, dass
sie unter Nachhilfe an den Zähnen als fünfjährig in den
Handel kommen, eine Täuschung, die nur an den Zähnen,
nicht aber an der Körperform erkannt werden kann.
Von einer gewaltigen Umformung des Körpers und
von einer fortschreitenden Längenentwickelung
(1 es IIa 1 ses im Alter von 3 — (5 Jahr-en ist da keine
Rede mehr, wenn auch durch Dressur ein Heraufheben
des Körpers zwischen den Vorderschenkeln und damit eine
scheinbare Halsverlängerung erreicht werden kann. Das
Uebel müsste, wenn das l.ängenwachsthuin des Halses wirk-
lich von Einfluss sein sollte, weit häufiger vor dem dritten
Jahre, und namentlich in den ersten Lebensjahren, in welchen
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der Hals besonders stark wächst, beobachtet werden müssen;
auch bliebe dann immer die Frage noch oifen, warum der
Nerv nur bei langen dünnen, nicht aber bei langen
dicken Hälsen erkranken soll; diese wachsen doch ebenso
gut wie jene!
Da man den Einfluss der Längencntwickelung des Halses
auf die anatomische Lage des linken Recurrens, welcher be-
kanntlich hinter dem Bogen der Aorta herumgeht, zurück-
führt, so muss man annehmen, dass der Nerv durch die
Verlängerung des Halses eine Dehnung erfahren soll (wird
auch wohl geradezu behauptet). Solche Schlussfolgerung
würde voraussetzen, dass die Halswirbel allein wach-
sen, Weichtheile aber, in Specie der linke Recurrens, hinter
den so gestellten Wachsthumsanforderungen zurückblieben —
ein physiologisches Unding, was wohl Niemand ernstlich in
Erwägung ziehen wird. Beiläufig bemerkt würde sich der
rechte Recurrens in gleicher Lage befinden, wie der
linke; er geht nach seiner Detaschiruiig vom Vagus hinter
dem genieinsamen Stamm der Rücken- und oberen Hals-
arterie herum, ist also ebenfalls an seinem unteren Ende
festgehalten; warum erleidet denn der keine Lähmung?
Uebrigens aber liegt der Recurrens in jedem Lebensalter
gleich schlaff vor der Carotis, er wird also in keiner
Lebensperiode durch Wachsen des Halses gedehnt.
;). Auch aus der normal mit dem Heranwachsen des
Thieres zunehmenden Entfernung des Herzens von der
ersten Rippe kann aus vorstehenden Gründen unter keinen
Umständen eine Dehnung des linken Recurrens abgeleitet
werden, da auch hier eine Spannung des Nerven ausge-
schlossen ist.
4.  Es ist feiner angenommen worden, dass der linke
Recurrens, weil er innerhalb der Brust der Luftröhre
unmittelbar anliege, einem Druck derselben ausgesetzt
sei, eine Annahme, die in keiner Weise begründet werden
kann: daraus, dass zwei Organe unmittelbar aneinander
liegen, folgt doch nicht, dass sie sich durch Druck krank
machen müssen, auch sind die Lageverhältnisse des Recur-
rens bei allen Pferden dieselben.
5.  Starke Gefässentwickelung und Fettarmuth
der Vollblutpferde wird ebenfalls mit dem Auftreten der
Recurrenslähmung in Verbindung gebracht, da bei diesen
der Recurrens unter dem Aortenbogen weniger gegen den
Pulsationsdruck geschützt sei, woher denn auch die vielfach
gemachte Beobachtung, dass Pferde gerade während des
Trainirens häufig von dem Leiden befallen werden, also zu
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einer Zeit, in welcher eine fettarme trockene Konstitution
vorherrscht, ihre Erklärung finden soll. Nun aber liegt der
Nerv bei allen Pferden dem Bogen der Aorta ohne unter-
legtes Fettpolster dir eckt an und akkommodirt sich
demselben durch Abflachung. Von: dem Einflüsse einer Fett-
arm uth auf Vermehrung des Pulsation sdruckes und daraus
entstehender Drucklähmung kann also überall keine Rede
sein etc. Dass bei dem Trainiren häufig das Kehlkopfpfeifen
hervortritt, beweist gar nichts, da das Trainiren bis dahin
ungewohnte Anstrengungen mit sich bringt, bei welchen
überhaupt ererbte Krankheitsanlagen leichter zur weiteren
Entwickelung gelangen, und auch bereits vorhandenes, bis
dahin unerkanntes Rohren zu Tage tritt.
6.   Bei dem Aufsuchen von Ursachen der Recurrens-
lähmung hat man sogar die absolut grössere Länge
des linken im Vergleich zum rechten als Ursache der
häufigeren Erkrankung herangezogen! Wenn man soweit
geht, so könnte man ja auch zu dem Schluss kommen, dass
Pferde mit weitem Brustkasten und vorzüglich grossen
Lungen, und grosse Menschen und Thiere, wegen ausge-
dehnterer Oberfläche häufiger erkranken müssten, als kleine.
7.  Drucklähmung durch Sielen- oder Kummet-
gescbirr. Diese Ursache kann der Lage der Nerven wegen
nicht in Betracht kommen (cf. auch Günther im Re-
cueil 1809.)
Von pathologischen Zuständen werden als Ursachen
der Recurrenslähmung besonders die folgenden aufgeführt:
a. Drüsenschwelhingen und unter diesen beson-
ders Schwellungen der Bronchialdrüsen, welche dem Nerv
anliegen und auf denselben drücken sollen; einen solchen
Druck hat aber bislang noch Niemand nachgewiesen, er
könnte nur dann entstehen, wenn der Nerv nicht ausweichen
kann; auch sind die vielen rotzigen Pferde, bei welchen
sehr starke Schwellung derselben nachgewiesen werden, des-
halb nicht Rohrer geworden, ebenso wenig wie die vielen perl-
süchtigen Rinder und an chronischen Lungenleiden erkrankten
Hunde, bei denen man diese Drüsen oft sehr stark ge-
schwollen findet. Daraus, dass hier Drüsengeschwülste bei
Pfeifern gefunden wurden, folgt keineswegs, dass sie im
Recurrens Drucklähmung oder sonstige Krankheitszustände
erregt, haben müssen; auch ist gar nicht abzusehen, warum
gerade der Recurrens und nicht auch der Pneumogastricus,
sowohl der linke wie der rechte etc. alterirt werden sollen,
Nerven, die sich dann doch in gleicher Lage, wie jener,
befinden. Ebenso verhält es sich mit Schwellungen anderer
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Drüsen, auch der Schilddrüse*), soweit sie Drucklähmung
erzeugen sollen. Fälle, in welchen solche Schwellungen
beobaehtet werden, sind ohnehin so selten, dass sie kaum
jemals in Frage kommen können. Wird dagegen ein Nerv
direkt in den pathologischen Prozess einbezogen, dann kann
allerdings eine tiefe Alteration seiner Thätigkeit eintreten
(cf. Günther, „Berliner Thierärztl. Wochenschrift", 1893
p. 62), doch erweisen sie sich oft ganz auffallend wider-
sandsfähig, z. B. in Wunden, Abscessen etc.
b.  Hydropericard und Herzhypertrophie. Bei
beiden Leiden ist bislang noch niemals Recurrenslähmung
beobachtet, sie sollten deshalb auch vom theoretischen Stand-
punkte aus nicht herangezogen werden.
c.  Druse. Nach dieser Krankheit hat man bei bös-
artigem Charakter derselben, sowie bei längerer Andauer
nach Abscedirung der subparotidealen Lymphdrüsen Kehl-
kopfpfeifen in einzelnen Fällen zurückbleiben gesehen, doch
folgt daraus nicht, dass das Leiden, soweit es die Recur-
renzlähmung betrifft, Folge der Krankheitsprozesse im Be-
reiche der Rachenhöhle war. Die Recurrenslähmung
kommt ausschliesslich linksseitig vor, ist das bei den
Lokalleiden der Druse etwa auch der Fall? Möller
(1. c. p. 36) meint zwar, dass die Lähmung dabei auch
wohl rechtsseitig vorkomme — doch, wo ist die rechts-
seitige Recurrenslähmung — von direkten Verletzungen ab-
gesehen — schon beobachtet?
d.  Angina, und zwar die infektiöseBraune, hat
einzeln, wenn sich ihr Verlauf verzögert und mit besonderer
Schwäche der Thiere verbunden ist, Recurrenslähmung zur
Folge, aber merkwürdigerweise nur linksseitige; es
folgt daraus geradezu, dass die örtlichen Prozesse im
Bereiche der Rachenhöhle ebensowenig, wie bei der Druse,
auf dieses Leiden von Einfluss sein können, wie ich das
bereits im Recueil 1869 nachgewiesen habe. Möller sagt
(p. 37): „es lässt sich sehr wohl denken, dass hierbei der
eine oder andere der beiden N. recurrentes betroffen war,
*) Stockfletli sagt in seiner Chirurgie (p. 227): „Fr. Günther
habe einen Fall niitgetheilt, in welohem eine geschwollene Schilddrüse
durch Druck auf den Recurrens Schwund in den Muskeln des Stimmbandes
und dadurch Pfeiferdampf verursachte." Das ist ein Irrthum ! Günther
sagt geradezu, dass er die Ursache des Pfeiferdampfes niemals in er-
krankter Schilddrüse fand. cf. 1. c. p. 42G u. f., wo er auch die von ihm
beobachteten Fälle von Schilddrüsengeschwülsten aufführt. — In neuester
Zeit ist ein Fall veröffentlicht, in welchem beide Schilddrüsen incl.
Isthmus so stark vergrössert waren, dass sie die Luftröhre zwischen
sich kompromirten und Rohren veranlassten (die obersten Luftröhrenringe
sind nur schwach).
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zumal dieselben eine oberflächliche (?) Lage haben"; er bleibt
aber den Nachweis schuldig, dass bei Pfeifern jemals der
rechte ausschliesslich oder auch nur vornehm-
lich krank gefunden wurde. Dass nach Bräune sowohl,
wie nach Druse event. örtliche Veränderungen des Kehl-
kopfes, Knorpel-Erkrankung und Verbildung mit ihren derben
Bindegewebsneubildungen, zurückbleiben und Kehlkopfpfeifen
veranlassen können, steht fest, wenn auch solche Ver-
änderungen nur selten beobachtet sind.
e. Eine myopathische Lähmung der Kehlkopfs-
muskeln hat Gerlach*) auf Grund eines von ihm be-
obachteten Falles konstruirt (cf. Jahresber. der Hannov. Thier-
arzneischule 1869) und in seiner Gerichtl. Thierheilkunde,
II. Aufl. 1872, p. 24o, aufrecht erhalten. Die Unrichtigkeit
seiner Auffassung habe ich bereits im Jahresbericht 1871,
p 105 u. ff., nachgewiesen.
In der Wiener „Landwirthschaftl. Zeitung" vom 14. No-
vember 1894 wird bei einer Besprechung der ersten Auflage
dieser Broschüre darauf hingewiesen, dass ausser Gerlach
auch Bruckmüller myopathische Veränderungen der Kehl-
kopfmuskeln als Ursache des Kehlkopfpfeifens bezeichnete.
„Bruckmüller," wird in jener Zeifavng gesagt, „sieht den
Schwund der Kehlkopfmuskeln als die Folge einer in schwie-
lige Bildungübergegangenen Muskelentzündung an, welche
durch mechanische Einwirkungen hervorgerufen ist, eine An-,
sieht, welche viele praktische Hippologen und Thierärzte
theilen." „Es sei nicht in Abrede zu stellen, dass durch
die mächtigen mechanischen Einwirkungen, welchen die
Zunge und der daran aufgehangene Kehlkopf des Pferdes
bei der Trainirung durch das Hochstellen des Kopfes und
Halses mittelst besonderer Trensen, durch rüde Behandlung
der Pferde mit Zaum und Leitseil ausgesetzt sind, Ent-
zündung und Schwund der Kehlkopfmuskeln ebenso bewirkt
werden können, wie Schwund der Extremitätenmuskeln in
Folge von Lahmheiten dieser Körpertheile (Schulter und
Hüftlähme)."
Die Beweisführung geht also darauf hinaus, dass die
Zunge und der Kehlkopf beim Trainiren so schwer insultirt
werden, dass daraus eine Entzündung der Kehlkopfmuskeln
entstehe.
Gehen wir näher auf diese Behauptungen ein, so er-
gibt sich zunächst, dass unter tausend Kehlkopfpfeifern
kaum einer jemals ti-ainirt worden ist, dass also diese
*) Anmerkung: Gerlach nahm eine spezifische nach Influenza
entstehende Myositis als Ursache der Lähmung an.
2
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angebliche Ursache völlig irrelevant bleiben muss! Docli
zur Sache!
Die Zunge gehört nicht zu den Respirationsorganen,
sie hat also mit der ganzen Sache absolut gar nichts zu
schaffen; es könnte sich nur darum handeln, ob die den
inneren Raum des Kehlkopfes regulirenden Muskeln durch
von aussen einwirkende Insulte alterirt werden können. Die
anatomische Lage dieser Muskeln schliesst nun aber eine
Insultirung durch Kopf- und Halsstellung oder rüde Be-
handlung der Pferde beim Trainiren etc. etc. geradezu aus,
wenn auch das freie Bewegungsspiel der Aryknorpel durch
die Kopfstellung event. beeinträchtigt werden kann. Die an-
gegebene, oder eine andere mechanische Ursache ihrer Er-
krankung kann deshalb nicht in Betracht kommen; über-
dies müssten solche doch zunächst die die Kehlkopfmuskeln
deckenden Schlundkopfmuskeln treffen, bei diesen ist aber
eine derartige Erkrankung durch solche Einwirkungen noch
niemals beobachtet!
Eine der Atrophie vorhergehende Myositis oder
schwielige Verbildung der betr. Muskeln ist in keinem
einzigen Stadium der hier vorhandenen Muskeldegeneration
jemals nachzuweisen, sondern immer nur die charakteristische,
in Folge von mangelndem Nerveneinfluss entstehende Atro-
phie, wie solche jederzeit durch Abschneiden des N. recur-
rens willkürlich herbeigeführt werden kann.
Wenn man aber von alledem ganz absehen und den-
noch die m,yopathische Erkrankung als Ursache des Kehl-
kopfpfeifens ansehen wollte, so bliebe es doch immer noch
ganz unfassbar, wie es zugehe, dass stets ausschliess-
lich die Muskeln des Verbreitungsfeldes des N. recurr. und
zwar mit wenigen Ausnahmen nur linkerseits betroffen
werden, rechterseits allein aber niemals, sondern
event. nur bei gleichzeitig linksseitigem Bestehen des Lei-
dens, und auch dann stets nur in untergeordnetem Masse.
Die Annahme eines immer nur die linksseitige Muskulatur
treffenden mechanischen Insulte;!, geht doch wohl über die
allerkühnste Phantasie hinaus! Der Hinweis auf Atrophie
von Schenkelmuskeln bei Lahmheiten ist hier nicht ange-
bracht, da es sich bei diesen um ganz andere, physiologisch
und pathologisch-anatomisch mit jenen gar nicht zu ver-
gleichende Zustände handelt.
Die Hypothese einer primären Erkrankung der Kehl-
kopfmuskeln als Ursache des Kehlkopfpfeifens, also die Exi-
stenz eines myopathischen Kehlkopfpfeifens, muss deshalb
ausgescliieden werden, (cf. auch „Gewährszeit".)
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f. Influenza, Bru'stseuche. Es ist seit langer Zeit
bekannt, dass bei und nach der Influenza Becurrenslähmung
vorkommt und hat man stets betont, dass die oberfläch-
liche Lage des linken Eecurrens in der Brust eine Be-
theiligung desselben, besonders bei Pleuritis und deren Folgen
herbeiführe, ohne dass indessen der genetische Zusammen-
hang nachgewiesen wäre; man hat denselben nur theoretisch
konstruirt und setzt sich über die Thatsachen, dass trotz
sehr bedeutender derartiger Leiden im Verhältniss zur Zahl
der Erkrankten nur sehr vereinzelt Becurrenslähmung
zurückbleibt, mit der Erklärung hinweg, dass es darauf an-
komme , an welcher Stelle die Pleura erkrankt sei und ob
die pleuritischen Schwarten und bindegewebigen Neubildungen
gerade den Nerv treffen (Dieckerhof t, Diagnose etc.). Man
geht also von der Ansicht aus, das organische Veränder-
ungen des Nerven die Lähmung veranlassen; nun aber steht
gar nicht fest, zu welcher Zeit die Lähmung ein-
trat, da eine rechtzeitige exakte Untersuchung auf
Kehlkopfpfeifen ausgeschlossen ist und spätere Konstatirung
des Leidens über den Zeitpunkt des Eintritts keinen Auf-
schluss gibt. Veränderungen an dem Nerv werden immer
erst nach langem Bestehen der Lähmung oder auch
gar nicht wahrnehmbar, auch stehen solcher Annahme
folgende Gründe entgegen.
1.   Der Eecurrens liegt in der Brust nicht oberfläch-
licher, ja sogar gedeckter, wie der Sympathicus, Pneumo-
gastricus (namentlich Magentheil) und Phrenicus, bei keinem t
dieser Nerven ist bislang jemals eine Erkrankung nach Pleu- -
ritis nachgewiesen.
2.  Auch ohne besondere Betheiligung der Pleura bleibt
nach Lungenerkrankungen bei der Influenza event. die Ee-
currenslähmung zurück, ebenso auch
                             ,
o. nach Influenza-Erkrankungen, bei welchen die Brust-
organe gar nicht, oder doch nur in Form eines leichten
Bronchialkatarrhs affizirt waren, ebenso wie nach Druse und
infektiöser Bräune.
4.  In manchen Seuchenzügen kommen trotz erheblicher
Erkrankungen auch der Brustorgane Eecurrenslähmungen
fast gar nicht vor, während sie in anderen, selbst bei
fehlender oder ganz geringfügiger Brustaffektion, beobachtet
werden.
5.  In manchen Seuchenzügen kommen während und
nach der Erkrankung Eecurrens-, aber auch andere
Nervenlähmungen, z. B. Gesichtslähmungen, Lähmungen am
Vorderschenkel, Hinlerschenkel, der Aufrichter des Halses etc.
o*
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und Nervenerkrankungen vor, welche weit von dem ört-
lichen Erkrankungsherde der Brust entfernt liegen.*)
(>. Nach einfacher, den infektiösen Charakter
nicht tragender Brustentzündung kommt Recurrenslähmung
wohl kaum vor, wenigstens habe ich sie nie danach zurück-
bleiben gesehen.
In allen in der Anmerkung aufgeführten Fällen, so-
wie in den von mir selber beobachteten, traten die Nerven-
lähmungen ohne alle Vorboten urplötzlich ein; es ist
deshalb kein Grund vorhanden, warum die Recurrens-
lähmung von dieser feststehenden Regel eine Ausnahme
machen solle.
*) Fr. Günther fuhrt einige eklatante Beispiele in seiner Abhandl.
über den Pfeiferdampf an (ef. Nebel & Vix 1834), welche hier reprodu-
zirt werden mögen. Fall 62, p. 392. „Am 2. September 182" schickte
mir Chr. R. einen 4jährigen Fuchswallach zu, welcher an der herrschenden
Krankheit (epizootisches, nervöses Entzündungsfieber, wie man damals die
Influenza nannte) litt und bei welchem die Brust vorzugsweise ergriffen
war, während die Krankheit sich im Allgemeinen durch eine auffallende
Hinfälligkeit des Thieres charakterisirte. Nachdem das Pferd bis zum
12. September soweit hergestellt war, dass dasselbe wenigstens ausser
Gefahr, auch wieder ziemlich bei Appetit war, wurde dasselbe plötzlich
von einer fast kompleten Muskellähmung des linken Vorderschenkels be-
fallen; davon hergestellt, erhielt das Pferd den 18. September dieselbe
Muskellähmung in dem rechten Vorderschenkel; auch hiervon geheilt, wurde
es am 1. Oktober kreuzlahm, so dass dasselbe bei jeder Bewegung, be-
sonders bei den Wendungen hinten umfiel und sich nur mit Mühe wieder
erheben konnte, während das Pferd übrigens ganz munter, ja selbst lustig
war. Auch diese Lähmung hob sich bis zum 20. Oktober gänzlich.
Als das Pferd wieder gehen, laufen und springen konnte, zeigte es
sich, dass die Lähmung auch den Recurrens linkerseits ergriffen, indem
sich das Tbier als Hartschnaufer charakterisirte; auch dieses Uebel wurde
gehoben und das Pferd geht jetzt noch (1834), völlig hergestellt, als Acker-
pferd bei seinem vorigen Besitzer."
Ferner p. 393, Fall 63: „Die Pferdehändler L. & M. hatten im
Winter 1826 — 27 unter ihren Handelspferden das epizootisch - nervöse Ent-
zündungsfleber, nach und nach waren neun erkrankt, aber wieder herge-
stellt. Am 14. Januar Abends erkrankte eine veredelte Fuchsstute, indem
sie ihr erstes Futter aufgefressen, das zweite aber liegen gelassen hatte.
Die Stute war darauf über Nacht umgefallen und wurde am 15. Mor-
gens krank gemeldet. Das Pferd war in hohem Grade fieberhaft, bedeu-
tend in der Brust leidend und dabei in beiden Vorder schenkein so
gelähmt, dass es kaum aus dem Stalle gebracht werden konnte. Auf
dem Wege nach dem Krankenstalle, der kaum 30 Schritte entfernt war,
stürzte das Pferd, indem dasselbe die Vorderschenkel durchaus nicht vor-
bringen konnte, dreimal nieder und musste zuletzt, da es durchaus nicht
wieder auf die Beine zu bringen war, nach dem Krankenstall geschleift
werden.....Den 3. Tag stand das Pferd wieder auf, ging aber so
elend, als der abgetriebenste Klepper, während es vor der Krankheit schöne,
freie Bewegungen gehabt hatte. Die Behandlung wurde fortgesetzt und
war das Pferd am 26. Januar so weit wieder hergestellt, dass sowohl
das Brustleiden völlig gehoben, als auch die Nervenlähmung der Vorder-
schenkel gänzlich beseitigt war. — Aber nun war das Pferd ein Pfeifer.
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Die bei Influenza vorkommende allgemeine Schwäche
und Erschlaffung aller Gewebe, als deren Folge, durch Sinken
des Herzens veranlasst, eine Dehnung des Nerven unter dem
Bogen der Aorta angenommen werden könnte, kann nicht
beschuldigt wei den, da solche Zustände selbst in extremstem
Grade vorkommen, ohne dass Kecurrenslähmung folgt, wäh-
rend sie bei anderen Patienten trotz der Geringgradigkeit
solcher Zustände zurückbleibt, auch spricht dagegen, dass
das Leiden selbst 6 — 9 Wochen nach der Infektionskrank-
heit plötzlich auftritt, nachdem die Schwächezustände über-
wunden sind. (cf. „Deutsche Thierärztl. Wochenschr." 1894,
Nr. 50, pg. -12;;.)
Behandelt, besserte sich dasselbe bis zum 12. Februar dergestalt, dass es
als hergestellt entlassen werden konnte. Es wurde spater als Luxuspferd
verkauft."
Ferner p. 395, Fall 64: „Ich sah im Herbste 1825 eine schwarze
5jährige Stute, welche an dem epizootisch-nervösen Entzündungsfieber ge-
litten hatte und in Folge dessen ein Hartschnaufer war; das Pferd war
jetzt munter, hatte guten Appetit, indessen kam ihm beim Schlingen, be-
sonders wenn es Kauhfutter, Heu etc. verzehrte, der grö'sste Theil aus
der Nase wieder zum Vorschein und es mühte sich sichtlich ab, seinen
Hunger zu stillen. Ter Thierarzt hatte bereits die Tracheotomie gemacht
und kam beim Fressen nicht selten Futtermasse aus der Luftröhren-
wunde zum Vorschein. Da keine Besserung zu erreichen war, wurde
es getödtet. Die Sektion ergab Geschwundensein der linksseitigen Kehl-
kopfmuskeln, wie auch Lähmung der Muskeln des Schlundkopfes der-
selben Seite."
In der Anmerkung p. 392 sagt er: „Aehnliehe und gleiche
Beispiele sind mir 1830 und 1831 in Menge vorgekommen,
deren Aufzählung nur ermüden würde."
Pas Eintreten von Nervenlähmungen der verschiedensten Art habe
ich bei und nach Influenza ebenfalls wiederholt gesehen. K. G.
Havemann sagte in seinem Vortrage 1813 und 1816, laut in
meinen Händen befindlicher Hefte des Thierarztes Ringe und meines
seligen Vaters: „Das nervöse Fieber, welches 1786 hier epizootisch gräs-
sirte, war besonders bös, hartnäckig in seinen Zufällen und Folgen. Die
heftigen Augenentzündungen, welche damals die Krankheit begleiteten, be-
schränkten sich nicht nur auf das Aeussere desselben, sondern ergriffen
auch das Innere, sie kamen bei den meisten Pferden wieder und reeidi-
virten so oft, bis sich der graue oder auch grüne Staar ausgebildet hatte
und die Pferde erblindeten."
„Auch ist eines höchst merkwürdigen Umstandes zu erwähnen, wo-
mit etwa der fünfte oder sechste Theil der genesenen Pferde
befallen wurde. Nachdem die Krankheit einige Wochen, ja hei
einigen auch wohl ein paar Monate überstanden war, wurden
sie plötzlich von einer starken Lahmheit in den Vorderschen-
keln ergriffen, die bei einigen Pferden von so heftigem Fieber begleitet
war, dass gegen dieses cingeschritten werden musste. Bei Besichtigung
des lahmen Schenkels bemerkte man nichts Widernatürliches, befühlte man
ihn aber mit Aufmerksamkeit, so fühlte man über dem Knöchel-(Fessel)-
gelenke auf der äusseren oder inneren Seite da, wo die Sehnengallen ihren
Sitz haben, auf der unteren Beugesehne eine wenig erhabene und
harte Stelle, die beim Druck so äusserst schmerzhaft war,
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Auf Grund der vorstehenden Erfahrungen kann ich
mich der Ansicht, dass die Recurrenslähmung auf niehr-
bezeichnete materielle örtliche Erkrankungen zurück-
zuführen sei — nicht anschliessen.
Fassen wir das Resultat der vorstehenden Data zu-
sammen, so ergibt sich, dass diese Lähmung nicht nur nach,
Krankheiten, sondern auch zu einer Zeit, wo orga-
nische Veränderungen des Nerven, wie solche be-
schuldigt werden (cf. Dieckerhoff 1. c. p. 9), noch gar
nicht eingetreten sein konnten, nur dann beobachtet ist,
wenn solche einen infektiösen Charakter trugen, aber
auch dann nicht in allen Seuchenzügen.
dass die Pfeide in die Höhe gingen. Liese Stelle war besonders bei
Pferden mit etwas Behang so unbemerkbar, dass sie dem Gesicht entging.
Sonderbar war, dass bei einigen Pferden diese harten, schmerzhaften
Stellen oft in Zeit von 12—24 Stunden von einem Schenkel
auf den anderen mit völliger Heilung des erstehen über-
gingen; ein paar Mal litten beide Vorderschenkel zugleich. Bei einigen
folgte nach einigen Wochen, ja nach einigen Monaten ein Becidiv, bei
einigen Pferden kehrte solches drei, vier, fünf bis secks Mal wieder, bei
ein paar Pferden sogar erst nach Jahr und Tag. Behandlung mit warmen
oder kalten Bädern, Umschlägen oder Bähungen schaffte keinen Nutzen,
ebensowenig Goulardisches Wasser, dagegen waren Einreibungen von ungt.
canth. von augenscheinlichem Erfolg, sie beseitigten das Leiden rasch.
Prophylaktische Behandlung, selbst Weidegang waren erfolglos, selbst auf
der Weide kamen lieeidive vor."
„las epizootische Fieber war 1805 nicht mit so hartnäckigen Augen-
entzündnngen als 1786 und 1792 verbunden, auch haben wir nach erfolgter
Heilung keine Lähmungen entstehen sehen. Die Epizootie war 1805 über-
haupt nicht so bösartig und hartnäckisr, viele Pferde bekamen am 4., 5.,
G. Tag der Krankheit ein wässriues, übelriechendes Laxireu, welches ge-
wöhnlich Heilung herbeiführte; dieses Laxiren wurde 178b und 1792 nur
bei wenigen Pfeiden wahrgenommen.1' Havemann führt den gutartigem
Verlauf der Krankheit auf die, Behandlung zurück, und sagt, „früher be-
handelte man die Krankheit antiphlogistisch, liess stark zur Ader und
gab häutig mtrum, suchte die Kranken überhaupt zu schwächen, 1805 be-
handelte man sie gerade umgekehrt, gab Valeriana, Arnika*, Gentiana und
Kampher, von ersteren je 90 Gramm, von letzterem 30 Gramm, mit Wein
zur Latwerge gemacht, täglich 4 Spatel v 11, dazu Salzsäure in'« Saufen,
so viel, dass es angenehm säuerlich schmeckte, bei grosser Mattigkeit
täglich mehrere Male ein halbes Mass Wein und bei längerer Dauer
Chinarinde." —
l'ie vorstehend von Havemann bezeichneten Lahmheiten habe ich
nach Influenze auch, jedoch nur selten, beobachtet, ich habe dabei fest-
gestellt, dass die von ihm bezeichneten, wenig erhabenen, harten, äusserst
schmerzhaften Stellen etwa a on der Grösse einer sehr kleinen Bohne waren,
und in dem Fesselnerv lagen. Kecidive sah ich nicht. Havemann
hat sich nie eingehender mit der Anatomie beschäftigt (cf. Festschrift zum
hundertjährigen Jubiläum der Hann. Thierarzneischnle jstn, p. ug), kennte
deshalb auch den Sitz des Uebels nicht fesstellen. Pass Havemann
keines Nachbleibens von Pfeiferdampf in seinen Vorträgen er-
wähnt, weisst bestimmt darauf hin, dass er dasselbe nicht beobachtet hat
(Pfeiferdampf war zu seiner Zeit überhaupt selten); er hatte ein ausgezeich-
netes Gedächtniss und war ein sehr gewissenhafter scharfer Beobachter.
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Der Umstand aber, dass auch gleichzeitig Lähmungen
anderer Nervenstämme und andere Erkrankungen derselben
b e i und n a c h Influenza vorkommen, weist auf das Be-
stimmteste darauf hin, dass das krankmachende Agens nicht
in örtlichen Erkrankungen, sondern in der Einwirkung der
Infektion auf das Nervensystem zu suchen ist, dass aber
das Auftreten oder Fehlen solcher Lähmungen auf die Ver-
schiedenheit der Infektionswirkung bei verschiedenen Seuchen-
zügen und auf die Individualität des ergriffenen Thieres zu-
rückzuführen ist.
Auf welche Weise „die solchen Infektionskrankheiten zu
Grunde liegenden Mikroorganismen Störungen in dem Nerven-
system fesp. deryi Recurrens zu Stande bringen, ist gänzlich
unbekannt, Die Erfahrung aber, dass die Recurrenslähmung
und auch andere Nervenleiden selbst Wochen nach überstan-
dener Krankheit plötzlich auftreten, liefert den Beweis, dass
die Infektion derzeit noch nicht aus dem Körper gewichen ist,
auch die oft langwierige Rekonvaleszenz spriclit dafür, dass
dieselbe mit Aufhören der beobachteten Symptome noch nicht
beseitigt ist. Solch langes Nachwirken wird auch nach Ver-
fütterung von Lathyrus beobachtet, nach welcher noch bis
zur 9. Woche, nachdem dieselbe aufhörte, Lähmung des Re-
currens plötzlich auftrat, ohne dass an den Keli 1-
k o p f m u s k e 1 n oder d e m R e c u r r e n s V e r ä n d e r u n g e n
Wahr zunehmen waren — eine langsame Ent-
stehung war also ausgeschlossen.
Bezüglich der viel kolportirten Ansicht, dass die In-
fluenza Haupt Ursache der weitem Verbreitung des
Kehlkopfpfeifens sei, möchte ich doch fragen: haben die
Pfeifer in den Gegenden, in welchen sich das Leiden ein-
genistet hat, zu einem auch nur irgendwie in Betracht
kommenden Theile an Influenza gelitten? Wenn das der
Fall sein sollte, dann müssten ja die mit Pfeifern gesegneten
Gegenden wahre Brutstätten der Influenza sein, was
aiier durchaus nicht der Fall, ist; die Brustseuche ist da-
selbst nicht häufiger als anderorts, wo Kehlkopfpfeifer nur
selten vorkommen, aber auch in dem Falle, dass jene Länder
in überwiegendem Masse verseucht wären, würde die enorme
Verbreitung der Recurrenslähme hierin keine auch nur an-
nährend genügende Erklärung finden können, da das Vor-
kommen derselben bei und nach Influenza zu den Aus-
nahinen gehört und nur in einzelnen Seuchenzügen ein
häufigeres Auftreten beobachtet wird (solche sind aber in
den letzten f>ü Jahren kaum vorgekommen), in anderen aber
ganz zu fehlen scheint. In wiederholten Seuchenzügen blieb
bei den Pferden des Haniiover'schen Marstalls und bei den
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Pferden der Regimenter, welche aus der Landespferdezucht
remontirt wurden, nur selten einmal Recurrenslähme zurück
auch nicht einmal ein Procent wurde Kehlkopfpfeifer!
Die Influenza kann deshalb nicht als Ur-
sache der weiten Verbreitung der Recurrens-
lähme angesehen werden.
g. Toxische Einwirkungen. Dass nach Blei-
vergiftungen ausser anderen auch Recurrenslähmungen
vorkommen, ist längst bekannt.
Luzerne, Medicago sativa. Nach dem Genuss
von in Samen stehender Luzerne hat man Hart-
schnaufen entstellen gesehen; Kopp berichtet darüber
(cf. Bulletin Nr. <s de la societe veter. d'Alsaee): „Ein
Oekonom verfütterte an seine Pferde eine grosse Quantität
in Samen stehender Luzerne, worauf nach wenigen
Tagen sieben Pferde vom Hartschnaufen befallen wurden;
dasselbe charakterisirte sich durch beschleunigte, schnar-
chende, mit Erstickungsgefahr verbundene Respiration, die
so laut wurde, dass man sie mehrere Meter vom Stalle
entfernt hören konnte, oft wurde die Respiration so müh-
sam, dass Erstickung drohte, die Thiere fielen um, standen
aber bald wieder auf. Mit Beseitigung der Ursache und
Anwendung von natr. sulph. hörte das Leiden auf. Nach
6 Monaten röhrte nur noch eins, aber schwach.
Das Original dieser Beobachtung ist mir leider nicht
mehr zugänglich, wenn dasselbe aber sonstige Angaben
nicht enthält, so scheint es mir, dass es sich in diesem
Falle ebenso, wie in den folgenden um Recurrenslähmung
handelte. Ob der von Ger lach in der II. Auflage seiner
gerichtlichen Thierheilkunde (p. 245) nach dem Journal des
veter. du Midi mitgetheilte Fall von Kopp, trotz ab-
weichender Lesart, mit dem hier angeführten identisch ist,
lasse ich dahingestellt sein, da ich das Original nicht ver-
gleichen kann; in jenem wird als Ursache die Verfütteiung
grosser Quantität von schnell gereiftem Klee (vieler-
orts, auch in Frankreich, wird die Luzerne auch Klee ge-
nannt) angegeben, nach welchem auch in wenigen Tagen
bei 7 von 14 Pferden Hartschnaufigkeit entstand. Der da-
selbst angegebene weitere Verlauf spricht nicht, wie Ger-
lach annimmt, für Krampf, sondern für Alteration, Lähmung
des Recurrens. Die Pferde wurden für einige Zeit unfähig
zur Arbeit; Behandlung ohne Erfolg; mit der Zeit nahm
das Leiden von selbst ab, nach 2 Monaten litten nur noch
2 Pferde, bei denen das Uebel auch im Abnehmen war.
Krampf hält doch wohl nicht so lange Zeit an.
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— 25 —
Bezirkst hie rarzt Mulotte berichtet in der
Deutschen Thierärztlichen Wochenschrift, Jahrgang 1893,
Pg. 481: In den ersten Tagen des April hatte ein Besitzer
ein Pferd verkauft und wieder zurückgenommen, da sich das-
selbe mit dem Kehlkopfpfeifen behaftet erwies. Nunmehr zeigte
sich das Pferd derartig als Kehlkopfpfeifer, dass jede Arbeits-
leistung unterbleiben und es an den Pferdemetzger verkauft
werden musste. Am 23. April wurde M. zugezogen, um auch
die anderen Pferde des Besitzers zu untersuchen. Er fand
9 derartig vom Kehlkopfpfeifen befallen, dass sie nach kurzer
Dienstleistung stehen bleiben mussten, um Atbem zu schöpfen.
Dieses plötzliche und allgemeine Auftreten des Kehl-
kopfpfeifens in dem betreffenden Stalle war M. unerklärlich.
Die Pferde hatten neben 10 Liter Hafer Luzerneklee-
heu gefressen, welches schlecht aussah und sticksig roch.
Die Pferde wurden auf die Weide geschickt und erhielten
eine vergrösserte Haferration. Nach lü Tagen zeigte sich
das Kehlkopfpfeifen verschwunden, und seit der Zeit, über
ein Jahr, haben die Pferde ununterbrochen gearbeitet ohne
wieder zu röhren. Hiernach darf wohl das Kleeheu, also
„Luzerneheu", als Ursache des Leidens angesehen werden.
Lathyrus sativus. Platterbse (französisch: „Gesse
cultivee", englisch: „the Vetchling", auch. „Mutters").
Im V e t e r i n a r y - J o u r n a 1 18 9 ö (Januar und Februar)
schreibt Stewart Macdougall: Man hat sowohl in 1 ndien,
wie in Europa nach dem Genuss der Samen von Lath. sativ.
paralytische Epidemien entstehen gesehen, und zwar sowohl
bei Menschen (nach andauerndem Genuss: plötzliche, wenig
schmerzhafte, aber unheilbare Lähmung der unteren Extremi-
täten), wie bei Thieren, welche den nach Lath. cicer be-
obachteten sehr ähnlich sind. Einen Fall theilt Leatlier
mit, der sich 1884 in Liverpool ereignete: 74 Pferde er-
hielten täglich neben ihrem sonstigen Futter 3 — 4 Pfund
aus Indien importirten Lath. sativ., 35 wurden Rohr er,
von denen 1!) erstickten, 2 wegen Unbrauchbar-
keit geschlachtet werden mussten und 14 ge-
nasen. Die sonst gesunden, in bester Kondition befind-
lichen Pferde wurden in kalter Jahreszeit während der
Arbeit plötzlich vom Rohren und Erstickungsnoth befallen,
welche aufhörte, wenn die Tracheotomie gemacht wurde. —
In Bristol, bericlitet Principal Mc Call, wurden von
8U0 Omnibuspferden nach dem Verfüttern von Lath.
sativ. 123 vom Rohren befallen: das Rohren trat
plötzlich während des Dienstes ohne sonstige erkenn-
bare Ursache ein; heftiges Flankenschlagen, Nasenlöcher
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— 26 —
und Maul weit aufgesperrt, Zunge vorgestreckt und livid
gefärbt, Schwanken, Niederstürzen, in wenigen Minuten
lief ihnen der Schweiss am ganzen Körper herab. Zum Her-
vortreten der Erstickungsgefahr war keine besondere An-
strengung erforderlich, sie trat selbst bei gewöhnlichem
Dienste ein, sogar geringe Aufregung genügte, • um einen
Anfall hervorzurufen.
Die Körner der weissen und dunkel gefärbten Varietät
sind gleich giftig, in Liverpool und Bristol war die
dunkel gefärbte verfüttert. In Bedlington wurde eine
Anzahl Minen-Ponis Bohrer, in Ea st wo od erkrankten 20
bis 30, in Newcastle 10—12 und in Shefield 12 Pferde,
über letztere Beobachtung berichtet Abson, dass die Füt-
terung der Lath}Tus im Januar begann und dass das Bohren
zuerst im April und Mai, und zwar bei der geringsten
Bewegung eintrat.
Je grösser die Portion der gereichten Latl^rus , ist,
um so früher tritt das Bohren ein: Principal Mc Call
gibt an, dass 2 Pfund etwa (> Wochen lang verfüttert
werden konnten, bis Bohren vorkam, Leather sagt, es
dauere '■'> Monat bei einer Bation von 4 — 5 Pfund
Lath. neben 20 Pfund anderen Korns. In der Gegend von
Bristol vertreiben Kornhändler Pferdefütter, welches 2 bis
10 % Lath. enthält, ohne jemals Klagen gehört zu haben.
Durch Kochen wird das Gift zerstört: Principal
Mc Call verfütterte lOO'Bolls (220 Hektoliter) gekocht und
zu Brei gerieben l1/.. Pfund pro Nacht ohne Nachtheil.
Macdougall legt bezüglich des Eintritts der Stenose
besonderes Gewicht auf das Weiter, er sagt (pg. 9):
sowohl beim Menschen, wie bei Pferden tritt die Krankheit
bei nassem, dunkeln, kalten Wetter ein: in LeathersFall
bei nebeligem, kalten Wetter und schneidenden Ostwinde, in
Ronen im Januar, in dem von Mc Call mitgetheilten Fall
zu Anfang des Winters, in Bristol im Januar, Februar und
März. Berücksichtigt man, dass Jahr aus Jahr ein, beson-
ders in England, grosse Quantitäten von als Schiifsballast
aus Indien importirter Lathyrus ohne Nachtheil verfüttert
werden (z.B. in dem Bristoler Falle jährl. für pp. <HK)0 Mk.),
sowie dass die Erkrankung sowohl bei Menschen, wie Pferden
nur in den Wintermonaten eintrat, und ferner, dass
das toxische Quantum an sich verschieden, und erst nach ver-
schieden langer Einwirkung die Lähmungserscheinungen ver-
anlasste, so wird man zu der Annahme gedrängt, dass das
giftige Agens nur unter besonderen, leider nicht
näher bekannten Verhältnissen, und in ungleicher
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_ 27 —
Stärke in den Samen entwickelt wird und sich nur
eine gewisse Zeit in demselben wirksam erhält, wie das
bei der Lupine auch der Fall ist.
Ferner: In Nr. 81 der „Ber 1. Thierärztl.Wochen-
schrift" 1 89?) berichtet Mediein alassessor, Hofthier-
arztLiesi n Braunschweig: An 17 Pferden wurde Lath.
sat. verabreicht, einige verzehrten sie: andere nahmen sie
nur ungern, manche gar nicht an. Sechs Pferde erkrankten,
davon 2 am 2H. Januar plötzlich. Die Pferde waren
sonst gesund, das eine der zuerst erkrankten erstickte am
8. Februar. Bei der Sectio« fand sich: starke Füllung der
Gefässe am Halse und Kopfe mit dunklem Blute, hochgra-
diges Lungenoedem, Anfüllung der Bronchien und Luftröhre
mit blutigem Schaum, Köthung und kleine Blutungen in der
Schleimhaut beider Stimmbänder.....der linke M . crico-
arytänoid. post, war um ein Dritttheil seiner Stärke ge-
sclnvunden, der rechte normal. [Das Pferd war also schon
früher Kehlkopfpfeifer gewesen (G-) ]
Im Verlaufe von 8 Tagen erkrankten wieder 2 Pferde
unter gleichen Erscheinungen, eines derselben, Neptun,
hatte 14 Tage vorher einen leichten Anfall von Angina, am
28. Februar starb das andere (Muselmann) an Er-
stickung. Section wie bei dem vorigen.
Prof Boether, Hannover, berichtete mir als Kesultat
der von ihm vorgenommenen Untersuchung des Kehlkopfes
Folgendes: „Der linke Aryknorpel zeigte sich etwas be-
weglicher als der rechte und ragte etwas tiefer in den
Kehl köpf hinein. Der M. crico-arytaen. post. sinister und
M. crico-arytaen. lateralis sin. hatten ein e t w a s g e r i n g eres
Volumen als die gleichnamigen der rechten Seite und
zeigten deutlich g e 1 b r o t h e Farbe, alle anderen Kehlkopf-
muskeln erschienen braunroth, normal gefärbt Bei der
mikroskopischen Untersuchung fanden sich in den atrophirten
Muskeln viele fettig degenerirte Fasern; dieselben Hessen
entweder gar keine oder doch nur undeutliche Querstreifung
erkennen, waren von verschiedener Dicke und enthielten
eine grosse Menge kleiner, das Licht stark brechender
Körner, welche nach Zusatz von Essigsäure bestehen blieben,
I )ie Zahl der fettig degenerirte aFasern v e r h i e 11
sieh zu den der gesunden etwa wie 1 : 12—IT). —
In den übrigen Kehlkopfmuskeln waren bei der mikro-
skopischen Untersuchung degenerirte Fasern nicht aufzufinden.
Die Fasern dieser Muskeln waren durchweg deutlich quer-
gestreift und frei von jeder Körnelung." Die Nerven-
lähmung hatte also 3—4 Wochen gebraucht, um
solche Veränderungen herbeizuführen.
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Einige Wochen später wurden noch 2 Pferde in hohem
Grade Rohrer, die anderen blieben verschont. Bei keinem
trat Heilung ein.
Während des Druckes dieser Studien erschien noch
nachstehende Mittheilung des StaatsthierarztVollers,
Hamburg (Mittheilungen für Thierärzte 1896 pag. 1 u. ff.).
1. Beobachtung: N. N. in Hamburg fütterte seinen
40 Pferden vom 1 4. September 1895 ab neben Heu, Klee-
heu und Häckel 15 Pfund Hafer, 1V2 Pfund Maisschrot und
3 Pfund ungequellte und ungeschrotene von einem Händler
gekaufte Erbsen „Lathyrus sativus". 5 Pferde wollten die
Erbsen nicht fressen. (Wann und ob die Fütterung der
Lathyrus wieder eingestellt worden, ist nicht angegeben —
wahrscheinlich etwa Mitte November.) Die verfütterten
Erbsen bestanden aus einem Gemisch von 70 °/0 Lathyr. sat.,
29 °/n Pisum sativ, 1 °/0 Getreidesamen und Hülsenfrüchten.
Mitte Oktober erkrankten drei an Kehlkopf-
pfeifen, darauf Ende Oktober wieder eins, zwei der
ersteren und letzteres in so bedeutendem Grade, dass sie
dem Pferdeschlachter überliefert wurden: „sie seien vor
leichtem Wagen nach ganz kurzen Touren unter Er-
scheinungen der grössten Athemnoth niedergestürzt", lautete
die Angabe des Besitzers. Am 8. November waren wieder
5 Pferde erkrankt. Die thierärztliche Untersuchung ergab,
dass dieselben in gutem Nährzustand, fieberfrei und bei
gutem Appetit waren, aber nach kurzer Bewegung grosse
Athemnoth und starkes Kehlkopfpfeifen bekundeten.
Die am 10. November von Völlers vorgenommene nähere
Untersuchung ergab Folgendes:
Nr. 1, 7 Jahre alt, erkrankte Mitte Oktober, soll beim
Fahren nach V,, Stunde bis zur Erstickungsgefahr steigende
Athemnoth, Kehlkopfpfeifen, schwankenden Gang, starken
Husten mit Auswurf von Blutstücken gezeigt haben.
Befund: „Athem 14 ruhige Züge, Herzschlag pochend,
unregelmässig, nach 8 bis 4 Schlägen drei kurz nacheinan-
der folgende. Das Pferd ist munter, keine Anschwellungen
und keine Schmerzen beim Druck auf den Kehlkopf."
„Bei Trabbewegungen an der Hand nach l]/2 Minuten
bei pumpender Athembewegung stark pfeifendes Geräuscli
mit weit aufgerissenen Nüstern. Nach der Bewegung Herz-
schlag pochend, nach h— 6 Schlägen eine kurze Pause, kein
Husten, Beruhigung folgt rasch."
Nr. 2, 9 Jahr alt Anfang November erkrankt, zeigte
vor dem Wagen schwankenden Gang bei Athemnoth und
Pfeifen.
Befund: „Athem ruhig, Puls regelmässig, keine An-
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Schwellungen. Beim Trabfübren an der Hand tritt nach
7 Minuten Pfeifen auf und nach weiteren 2 Minuten starke
Athemnoth bis zur Erstickungsgefahr. Im Stande der Buhe
treten diese Erscheinungen sofort zurück."
Nr. 3, 7 Jahr alt: Ende Oktober beim ruhigen Fahren
Pfeifen bemerkt: „Nach 3 Minuten Trabbewegung, hochgra-
diges Pfeifen und Athemnoth."
Nr. 4, 12 Jahr alt: Vorbericht wie bei Nr. 3. „Zeigte
vor der Droschke nach pp 300 Schritt Pfeifen und Athem-
noth bis zum Niederstürzen. Im Stalle sofort Beruhigung."
Nr. 5, 12—lö Jahre alt: „Am 7. November im leichten
Gebrauch vor dem Wagen wegen starker Athemnoth mit
starkem Pfeifen niedergestürzt und erst nach viertelstün-
digem Liegen wieder aufgestanden.
Befund: „Nach n Minuten Trabbewegung an der Hand
starkes Pfeifen, hochgradige Athemnoth und schwanken-
der Gang. [Bezüglich des schwankenden Ganges
bemerkt Völlers weiterhin: „Die Pferde wurden
erst im Hintertheil schwankend, wenn Athem-
noth und Erstickungsgefahr eintrat."
„Bei keinem Pferde trat Durchfall oder Verstopfung
ein, auch haben sie nicht vermehrt urinirt. Völlers hat
keins derselben husten gehört und bei keinem Anschwellung
am Halse entdeckt. Der Besitzer gab an, dass einige,
namentlich das unter Nr. 1 bezeichnete, Jucken in der
Haut gezeigt und sich vielfach die Flanken gebissen
habe.
In diesem Bestände sind dann weiter gleichartig er-
krankt :
Nr. 0 am 10. November,
Nr. 7 „ 10.
Nr. 8 „ 13.
Nr. 9*) „ 13./14. „
Nr. 10 „ 14.
*) Anmerkung: Nr. '■) ist vor der Droschke beim langsamen Trab-
fahren niedergestürzt und gestorben, am 15. November obducirt.
Sectionsbefund:
„Kadaver in Kückenlage. Nach Abnahme der Haut zeigte die
ganze Halsmuskulatur vom Kehlgange bis zur vorderen Brnstöffnung ein
schwarzrothes, stellenweis spiegelndes Aussehen, Venen des Kopfes und
Halses strotzend mit Blut gefüllt, Muskulatur in der mittleren Bauch-
gegend leicht grünlich gefärbt."
„Brusthöhle: Pleura glatt, glänzend, Lungen in Exspirationszu-
stand, in der Brusthöhle pp. 1000 Kubikcentitneter einer braunrothen, un-
durchsichtigen, bei auffallendem Lichte grünlich aussehenden Flüssigkeit,
auf deren Oberfläche zahlreiche Fetttröpfchen schwimmen. Im Herzbeutel
pp. 10 cc. gleicher Flüssigkeit. Beeilte Herzkammer vergrössert, ihre
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Nr. 11, 12—15 Jahr alt, ist stets im geringen Grade
Pfeifer gewesen. Am 16. November fing das Pferd so stark
an zu röhren, dass es ausgespannt werden musste. Im Stande
der Ruhe keine Krankheitserscheinungen, bei Trabbewegung
an der Hand nach 1/2 Minute beginnendes und nach 1 Minute
hochgradiges Pfeifen."
„Ich bemerke, dass der einheitlichen Bezeichnung wegen
der bei der Bewegung auftretende Ton von mir (Völlers)
als „Pfeifen" bezeichnet worden ist, eine Oarakterisirung,
die beim Hörbarwerden der ersten Töne oft zutreffend war;
bei gesteigerter Athemnotli glich das Geräusch einem „Hie-
men", „Schnarchen" oder „Brüllen". Der Ton trat im Beginn
nur bei der Inspiration ein, weiterhin auch bei der Expiration
und hielt noch kurze oder längere Zeit im Stande der Ruhe
an. Die meisten Pferde beruhigten sich nach der Bewegung'
rasch, nahmen sofort Futter und boten den Eindruck ganz
gesunder Thiere."
„Die am .'50. November wiederholt vorgenommene Unter-
suchung der Pferde ergab Folgendes: Das Pferd Nr. 1 hat
beim Fressen aus der Raufe einen Erstickungsanfall gehabt,
Herzfehler verschlimmert, Athemnotli nach geringster Be-
wegung hochgradig. Bei den übrigen Pferden derselbe Zu-
stand. Am 0. Dezember wurde Völlers gemeldet, dass das
Pferd Nr.2 tobsüchtige Anfälle mit Beisssucht nach
Meiisclien gezeigt habe. Weiterhin erkrankten noch
drei Pferde in gleicher Weise am Kehlkopfpfeifen."
In diesem Falle war die Verfütterung der Lathyrus
am 14. September begonnen: tägl. Ration drei Pfund, in
welcher neben 20 °/ft Pisum sativ. 70 °/0 Lathyr. sativ. ent-
halten waren, die Lathyr.-Ration betrug also = 10f>o
Gramm pro Tag.
Rekapitulation:
Mitte Oktober erkrankten 3, also nach pp. 3—4 Wochen,
Ende Oktober
                    1, ,, ,, I ,• _ -
Anfang Novbr.         ,,          1, „ „ j
Vom 10.—14. Novbr. „          5, „ ., \ - A
Am 10. Novbr.                   1, „ „ J
Wandung schlaff, dünner als normal, Herzkammern blutleer, Herzfleisch
trüb, brüchig (wie gekocht), Lungen nichts besonderes, Schleimhaut der
grösseren Bronchien diffusruth ohne feste Auflagerungen und ohne Schaum-
belag."
„Bauchhöhle: beim Eröffnen entweicht eine geringe Menge Gas.
Aussehen der vorliegenden Eingeweide normal, Magen massig mit Hafer
und Häckel gefüllt, Erbsen oder Theile derselben nicht nachweisbar. Dick-
darm mit trockenen Kothmassen ziemlich stark angefüllt, Darmkanal sonst
normal. Milzmilpe etwas weicher als normal, Leber derb, an der Ober-
fläche und auf dem Durchschnitt von grünlicher Farbe, Durchschnitt däche
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2. B e o b ach t u n g: Der Fuhrmann T. hat am 21. S e p -
temberc. aus derselben QuelleErbsen (Lathyr. sativ.)
bezogen, er fütterte seinen ö Pferden täglich je 15 Pfund
Hafer und reichlich .'! Pfund Erbsen, letztere gequellt,
dazu Heu und Häckel.
Am 7. November war eines seiner 5 Pferde bei leichtem
Gebrauch im Geschirr plötzlich von starkem Schnaufen be-
fallen und niedergestürzt, aber nach einigen Minuten
wieder aufgestanden, der Anfall habe sich am 11. wiederholt,
am 14. sei es beim Schrittfahren umgefallen.
feucht, übelriechend, ohne erkennbare Acini, linke Niere normal, rechte
etwas vergrö'ssert, an der Oberfläche dunkelroth, Durchschnittsfläche feucht,
Rindensubstanz braunroth, Marksubstanz diffusroth, Grenzschicht dunkel-
blauroth. Maikstrahlen deutlich hervortretend, Glomeruli vergrö'ssert, leicht
sichtbar, bei Druck tritt eine schleimig - seröse Flüssigkeit in das Nieren-
becken. Harnblase leer."
„Halsorgane: Halsgefässe strotzend mit Blut gefüllt. Die ganze
Halsoiuskulatur hochgradig blutig durchtränkt, schwarzroth gefärbt. In
der Muskulatur pfennig- bis markstückgrosse blutige Herde, im inter-
muskulairen Bindegewebe handtellergrosse Blutlachen. Sämmtliche
Kehlkopfmuskeln sind dunkelroth gefärbt, der hintere Ring-
Giesskannenmuskel der linken Seite erweist sich bei genauer
Untersuchung um ein geringes schwächer, als derjenige
der rechten Seite."
Anmerkung: Die Kehlkopfmuskeln sind bezüglich der Ur-
sache dieser Erscheinung nicht untersucht: daraus, dass sie
sämmtlich dunkelroth gefärbt waren; dürfte geschlossen werden, dass
in dem linken crico-aryt. post. eine durch mangelnde Innervation bedingte
Atrophie nicht vorlag, zeigte sich derselbe um ein geringes schwächer
als der rechte, so konnte das auch durch eine nicht gelten vorkommende
kongenitale Schiefstellung der Krista der Ringknorpelplatte vorgetäuscht
werden. (G.)_(cf. conten).
„Schleimhaut des Kehlkopfes und der Tracheadiffus dunkelroth
gefärbt, Kehldeckel stark geröthet, in der Schleimhaut desselben punkt-
förmige Blutungen, Stimmbänder und Kehldeckelschleimhaut geschwollen,
Halslymphdrüsen vergrössert, hochgradig blutig infiltrirt, schwarzroth."
„Am Gehirn und dessen Häuten keine Veränderungen ins-
besondere keine Blutungen oder Staunngserscheinungen. Rückenmark
irn Halstheil hyperämisch, sonst nichts Abnormes." *)
,.Im Ilagen und Darminhalt konnten bei chemischer Untersuchung
weder lletallgifte noch Alkaloide nachgewiesen werden. Die mikro-
skopische Untersuchung der Kehlkopfmuskeln und Niere ergab nur die
Anwesenheit auf postmortal e Entwicklung zurückzuführen-
der Bakt erie n. Mit Stückchen aus der Kehlkopfmuskulatur wurden
1 weisse lläuse und 1 Meerschweinchen subkutan geimpft, erstere starben
nach einem, letzteres nach 4 Tagen;" (die Fleischstückchen waren wohl
schon in Zersetzung? G.) „Die bakteriologische Untersuchung derselben,
sowie auch der auf angelegten Kulturen erwachsenen Keime er^ah
kein positives Resultat."
*) Anmerkung. Ich habe dieses auffällige, bislang einzig
dastehende Obduktionsergebniss der Vollständigkeit wegen hier wieder-
gegeben, nehme aber von einer Untersuchung darüber, in wie weit es auf
die spezifische Wirkung der Lathyrus zurückgeführt werden darf,
Abstand. Als typisch kann es jedenfalls nicht angesehen werden.
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Untersuchung am 17. November: 1 Pferd, 9 Jahre
alt, zeigt imstande der Ruhe keine Krankheitserscheinungen.
Beim Trabführen an der Hand tritt nach 3 Minuten starkes
Pfeifen, verbunden mit »'rosser Athemnoth bis zur Er-
stickungsgefahr ein, es kann sich nicht auf den Beinen
halten und schlägt nieder; nach ruhigem Liegen von zehn
Minuten, Avährend welcher die aufgerissenen Nüstern schwach
zusammengedrückt wurden, tritt das Geräusch gänzlich
zurück, das Pferd steht wieder auf und ist ganz munter.
Bei Besichtigung des Pferdes am 1. December theilt der
Wärter mit, dass es auch beim ruhigen Stehen im Stalle
Athemnoth gezeigt habe und umgefallen sei. Mitte December
waren auch die andern vier hochgradig Kehlkopf-
pfeifer.
3. Beobachtung. Fuhrherr D. kaufte etwa gegen
Ende September von demselben Händler Erbsen
(Lathyr. sat.) und fütterte seinen Pferden täglich je
3 Pfund gequellt und trocken.
Am 15. November theilte er Völlers mit, dass vor
etwa 4 Wochen eines seiner Pferde beim langsamen
Fahren stark geröhrt habe und dem Pferdeschlachter ver-
kauft sei.
Um dieselbe Zeit habe ein zweites Pferd starke Athem-
frequenz bei grosser Hinfälligkeit und Rohren bekundet, er
habe es verkauft.
Ein drittes Pferd habe er ebenfalls wegen Hinfällig-
keit an den Pferdeschlachter abgegeben.
Gegenwärtig röhrten wieder G Stück. Das Resultat
der am 23. November vorgenommenen Untersuchung unter
dem Reiter, an der Longe oder an der Hand war Folgendes:
Nr. 1 röhrte nach :/0 Minute
Nr. 2 „         1/2 „ und nach 3 Minuten hochgradig,
Nr. 3 „         x\i „ nach lö Min. verstärktes Pfeifen,
Nr. 4 „         b Minuten.
Nr. 5 „         „ 5 „
Nr. (') „         „ 15 „ (verstärkter Trab und Galop.)
Athemnoth bis zur Erstickungsgefahr ist bei keinem
während der Untersuchung eingetreten.
Bei dieser Beobachtung trat das Rohren bei
3 Pferden etwa nach 3 Wochen, bei 15 etwa nach
() Wochen nach Beginn der Lathyrusf ütterung ein.
Weitere Mittheilungen über die schädliche Wirkung der
Lathyrus sativus finden sich: Jahresber. Schütz-Ellenberger
1885 (aus dem Yeterinary Journal pag. 233) Völlers theilt aus
diesem bezüglich des oben erwähnten Falles von Leather mit:
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„Es erkrankten in einem Stalle von 74 Zugpferden und
ß Tonis (35 Pferde), 19 starben, 2 wurden später getödtet,
14 genasen. Die Ponis blieben verschont. In der Kulte er-
schienen die Thiere bis auf beschleunigten Puls gesund, bei
ewegung Athemnoth, dann Gang schwankend. Tracheotomie
half sofort. Oefter asphyktischer Tod. In den meisten
schweren Fällen, in denen noch Genesung eintrat, wurde viel
Blut beim Husten ausgeworfen. Appetit ungestört. Bei der
Seetion zeigte sich ausser den durch Asphyxie bedingten Er-
scheinungen in einem Falle Schwund der M. crico arytaen.
post. et later. und der M. thyro-arytaen., der linke N. recurr.
war auffallend dünner Avie der rechte — also bestand das Pfeifen
schon lange vor dem Tode! — . . Sehr günstig war der Einfluss
der Weide, während die Thiere, die im Stalle blieben, starben."
Ferner: In The Veterinarien LVIII pag. 49ö (Schütz-
Ellenberger Jahrb. 189(): Call berichtet über 2 Fälle von
Vergiftung schwerer Arbeitspferde durch Lathyr. sat., in
denen die tödtliche "Wirkung erst nach monatelangem
Genuss kleiner Mengen i1/, Pfund Mehl täglich) erfolgte:
Sehwund der linksseitigen Kehlkopfmuskeln — wie lange vor
dem Tode das Bohren bestand, ist nicht angegeben. lieber
die Wirkung dieses Alkaloids liegt kein Nachweis vor.
JahresberichtSchütz-Ellenberger 1894 pag. 164: Astier
hat in der Lathyr. sat. ein giftiges Alkaloid nachge-
wiesen. Nach Völlers cf. Mittli. f. TL 1K96 hat der Ross-
arzt Gut zeit in Wandsbeck ebenfalls ein flüchtiges
Alkaloid in derselben aufgefunden.
lieber Lathyrus - Wirkung vergl. auch Fröhner
Toxikologie und Dammann, Gesundheitspflege, Bd. 1, pag. 444.
sowie das Bulletin of Miscellaneos Information 1894.
Lathyrus cic.er (französisch „Gesse chiche", „Ja-
rosse") Kichererbse. Nach dem Bulletin der Soc. centr.
et im per. de med. veter. 1869, p. öl u. ff. berichtete Verrier,
aine, in der Sitzung vom 11. Februar 1869 über einen ekla-
tanten Fall von Vergiftung mit Samen der Kichererbse,
welcher, soviel mir bekannt, in der deutschen Literatur
einer eingehenderen Wiedergabe bislang nicht gewürdigt ist,
wohl aber sind die Obduktionsergebnisse, welche
Verriet* anführt, in derselben unrichtig inferpretirt
%
          ("cf. Möller 1. c. p. i>8).- Ich gestatte mir deshalb in der
Anmerkung*) die Beobachtung niederzulegen.
*) In dem Omnibus-Etablissement zu Ronen erhielten 5+ Pferde
voni 18. Oktober 1807 ab zwei Liter Kichererbse (Jarosse oder gesse
chiche) nnd dreizehn Liter Hafer, pro Pferd, täglich. Liese Erbsen-
ration wurde etwa 14 Tage beibehalten, dann, da die Pferde ungern daran
3
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Auch diese Vergütungen weisen nicht auf andere
lokale Erkrankungen als Ursache der Recurrenslähmung,
sondern, ähnlich wie bei Infektionskrankheiten, auf allge-
gemeines Ergriffensein des Nervensystems hin, von welchem
die Reccurenslähmung nur ein Symptom war.
Besonders auffallend und beachtenswerth erscheint aber
die Thatsache des erst nach lange andauernder Einwirkung
der Latliyrus-Fütterung urplötzlichen ITervortretens der
fraglichen Lähmung, ohne dass sich die Pferde vorher irgend-
wie krank gezeigt hatten und dass sogar bis 9 Wochen nach
Aufhören der Verabreichung der Lathyrus - Arten Kehlkopf-
pfeifen auftrat, ohne dass sich an den Kehlkopfmuskeln der
sofort gestorbenen eine Veränderung fand, sowie das Fort-
bestehen des Pfeifens bei allen Ueberlebenden. Ein allmählig
gingen, vom 3. bis 12. November auf l'/j Liter und von da ab auf 1 Liter
redacirt. Diese Kation wurde bis zum 8. Januar — also etwa zwei Monat
beibehalten. Da die Pferde dieselbe gut annahmen, wurde sie wieder auf
2 Liter pro Tag gesteigert.
Am 12. Januar 1868 zeigte „Livizzi' grosse Lendenschwäche, am
21. Februar wurde sie vor den Pflug gespannt, zeigte sich aber so schwach
und schwankend, dass sie als total uubiauchbar wieder in den Kranken-
stall zurückgeführt wurde.
Am 27. Februar war sie im höchsten Grade Pfeifer, so dass sie
selbst hei geringster Bewegung in höchster Erstickungsgefahr zu Boden
stürzte, das Maul wurde aufgesperrt, die Zunge wurde vorgestreckt, er-
schien geschwollen und cvanotisch.
1 ieser Zustand dauerte etwa 10 Minuten, worauf langsam Beruhigung
eintrat und das Thier aufstand. Eine'' halbe Stunde später war auch die
letzte Spur dieser erschreckenden Erscheinungen verschwunden.
Am 28. Februar wurde die Tracheotomie gemacht und konnte das
Pferd unmittelbar darauf ohne die geringste Beschwerde den heftigsten
'Anstrengungen ausgesetzt werden, es wurde wieder in den Omnibusdienst
eingestellt, welchen es ohne Unterbrechung bis- zum 9. April leistete,
worauf es in wenigen Tagen an einer Brustentzündung einging. (Sektion
nicht angegeben.)
Cesar, welcher wegen Lahmheit über einen Monatim Stalle gestan-
den hatte, wurde' am 12. Februar angespannt und hatte im Schritt einen
leeren Wagen zu ziehen; unterwegs bekam er einen so heftigen Anfall
von Pfeiferdampf, dass er auf der Strasse zusammenstürzte und asphyk-
tisch starb.
Emile wurde am 26. Januar hei der Arbeit von Paraplegie befallen
und starb auf der Strasse.
Leda zeigte am 20. Februar Lendenschwäche, am 28. wurde sie
vor den Pflug gespannt. Kaum war die Arbeit begonnen, als sich ein so
heftiges Rohren einstellte, dass sie ausgespannt werden musste, unter-
wegs stürzte sie zusammen und verendete.
In Folge dieser misslichen Erfahrungen wurde das Verfüttern der
Kichererbse eingestellt (am 1. März?) und sämmtliche Pferde genar unter-
sucht. Die Untersuchung ergab Folgendes:
Die Pferde sind im Allgemeinen gut im Haar, haben guten Appetit
und sind munter, leisten ihren sehr penib 1 en Omnibusdiens.t gut; einige
indessen sind schwer in der Hand (legen sich auf das Gebiss), die
Konjunktiven stark geröthet, der Puls voll. Man lässt sie zur Ader.
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fortschreitendes Erkranken des Nerven und darauf begrün-
detes Zunehmen des Rohrens war liier ganz ausgeschlossen,
ebenso auch selbstverständlich Glottiskrampf. —
Delafond-Alfort erwähnte 1844 in seinen Vor-
lesungen, dass nach der Verabreichung von Lathyrus
cicer, sowohl des Samens als auch des Krautes Kehl-
kopfpfeifen entstand, er habe diese Erfahrung vor 9 bis
10 Jahren publicirt (ob im Recueil?).
Pisum umbellatum, Chokoladen- oder Kapu-
zinererbse (cf. Berl. Th. W. Nr. 46, 1895). Thierarzt
Alberts-Rendsburg berichtet: In einem Bestände von 7 Pfer-
den wurden täglich 12 Pfund Hafer und 8 Pfund Erbsen seit
Jahren ohne Nachtheil verabreicht vom 30. April bis 7. Juli
aber statt letzterer pisum umbellatum. Am 23. oder
24. Mai 1895 trat bei einem Kehlkopfpfeifen auf, welchem
in Zeit von einigen Tagen weitere vier nachfolgten. Zwei
starben, eins schon am 4. Juni, an Erstickung, ein drittes
musste wegen völliger Unbrauchbarkeit geschlachtet werden.
Die Pferde waren bis zum Tode stets munter und bei gutem
Das Blut scheint sehr reich an Fibrin zu sein, tritt nur schwer aus der
Ader und gerinnt sofort zu einer schwarzen, fast festen Masse, welche
nach 24 Stunden weiter keine Aenderung zeigt, als etwas Glätte an der
Oberfläche. Erst am dritten Tage erscheint etwas Serum und der weisse:
Blutkuchen, doch bleibt der schwarze dreimal so umfangreich, wie die
beiden anderen Bestandteile. (Das bei gesunden Pferden im Stande voll-
ständiger Ruhe aus der Ader entnommene Blut scheidet sich schon in
den ersten 24 Stunden und sinkt der Cruor immer mehr zu Boden. Wird
dasselbe Pferd unmittelbar darauf etwa fünfzig Schritte im Trabe bewegt,
so erfolgt die Scheidung in ähnlicher Weise, wie hier angegeben. D. Aut.)
Behandlung. Alle Pferde werden zur Ader gelassen, erhalten nur
5 Liter, höchstens 10 Liter Hafer, dftzu an Gewicht soviel Mehl, wie die
abgezogene Körnerration ausmacht in Schlampform, welcher per Tag und
Pferd fünf Gramm tart-\ emet. zugesetzt werden.
Carmagnote kommt am 12. Februar wegen Lendenschwäche und
Hodenentzündung in den Krankenstall, wird am 23. kastrirt, die Operation
scheint günstig zu verlaufen; am 4. März stürzt er beim Führen im
Schritt nieder und stirbt an Erstickung.
Sektion: Lunge enthält viel schwarzes Blut; die Schleimhaut des
Kehlkcpfes, besonders die der Aryknorpel, zeigt passive Hyperämie,
welche ihre Dicke massig vermehrt. _ Möller übersetzt diesen
Befund, der im Original lautet: „La muqueuse du larynx, celle des aryte-
noides surtout, est le siege d'une hyperemie passive, qui en augmente
seusiblement l'epaisseur".....„ergab die Sektion akute
entzündliche Erkrankung des Larynx") cf. p. 38 seiner Brocbjroe,
über Kehlkopfpfeifen\
Zephir wurde am 20. Februar von Paraplegie befallen. Nachdem
er einige Tage gelegen hatte, erholte er sich allmählig. Nachdem er
Hergestellt war, wies er sich in so hohem Grade als Rohrer aus, dass
ihm echon beim Wiehern der Athem ausging und er zu Boden stürzte.
Nach sofort gemachter Tracheotomie wurde er wieder in Dienst gestellt.
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Appetit gewesen. Ein viertes erstickte am 15. Juli, bei der
Obduction desselben fand sich äusserte wohnlich starke
Atrophie des linken M. crico-aryt. post. und hochgradiges
Lungenoedem sonst nichts »weiter. Das fünfte röhrte am
10. August noch stark. Die beiden letzten Pferde des Be-
sitzeis blieben verschont.
Anmerkung: Alberts schliesst aus dieser Beobach-
tung, „dass ein bereits für Laien erkennbares Rohren bei
scheinbar gesunden Pferden in ca. 3 Wochen entstan-
den sei", die angeführten Thatsachen beweisen allerdings,
dass das Kehlkopfpfeifen pp. 3 Wochen nach Beginn der
Erbsenfütterung auftrat, aber nicht, dass eine pp. '6 wöchiges
Trocadero zeigte am 20. Februar dieselben Symptome, jedoch
in schwächerem Grade. Nach Einfügen des Tracheotubus nahm er seinen
Dienst wieder auf.
Solpherino wnrtle am 20. Februar von allgemeiner Paralyse
befallen und starb am 21.
Bismarck wurde am 20. Februar von inkompleter Paralyse und
Pfeiferdampf befallen, er kam in den Krankenstall, wurde ausgiebig zur
Ader gelassen und bei absoluter Ruhe diät gehalten. Am 27. Februar
stellte sich im Stalle, ohne äussere Veranlassung ein äusserst heftiges
Rohren ein. welches gut drei Stunden anhielt, so dass man jeden Augen-
blick den Tod durch Erstickung erwartete. Der Anfall ging allmälig
vorüber und anderen Tags, als ich den Patienten sah, erschien er voll-
ständig gesund. Indessen traten in der Nacht des 2. März die Zufälle
mit erneuter Heftigkeit auf, das Pferd erstickte an denselben.
Sektion wie bei Carmagnote. Vergebens suchen wir nach
Alterationen im Nervensystem (weiterhin p. 56 „das giftige Agens
äussert seine Wirkung vornehmlich auf das Rückenmark und die
unteren Kehlkopfnerven, welche sie paralysirt, während die
Pferde sich sonst einer vollkommenen Gesundheit zu erfreuen
scheinen").
Judas zeigte am 20. Februar allgemeine Paralyse und statb am
3. März; das Pferd war schon seit langer Zeit heruntergekommen.
Negro wurde am selben Tage von einer Schwäche im Hintertheile
befallen, bald darauf wurde er Rohrer. Nach der Tracheotomie hörte das
Rohren auf, aber die Schwäche blieb trotz aller Behandlung.
Vom 20. Februar bis 20. März war der Gesundheitszustand der
Pferde ziemlich befriedigend, aber am 20. März meldete ein Postillon,
dass zwei seiner Pferde beim Laufen genirt seien und er anhalten
müsse, damit sie erst wieder zu Athem kämen.
Beide Pferde waren, wenn auch nur in geringerem Grade vom
Pfeiferdampf befallen, man machte die Tracheotomie und gab sie dem
Dienste zurück.
(p. 54) Obgleich seit dem 13. Februar keine Kichererbsen mehr
verabreicht waren, machte sich ihr verderblicher Einfluss doch noch bis
zum 24. April, also noch nach 9 Wochen, bemerklich, indem bis
dahin noch 15 Pferde Pfeifer wurden und tracheotoinirt werden mussten.
In diesem Falle wurden von 54 Pferden 29 befallen, von denen 9
in Folge von Pfei erdampf oder Paralyse an Erstickung starben. 20 sind
noch heute, also nach einem Jahre, Pfeifer und müssen fortwährend den
Tracheotubus tragen." So Verrier,
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Eii tWicklungsstadium vorlag: Die Recurrenslähmung
kann ebensowohl erst an dem Tage plötzlich entstanden sein,
an welchem das Rohren zuerst beobachtet wurde.
d. Rheumatische Einflüsse, Erkältungen. Das.
plötzliche Entstehen der Recurrens!ähmung nach solchen,
Einflüssen ist seit langer Zeit festgestellt (Fr. Günther,
sagt (1. c. p. 442): „Wenn nun gleich Fälle plötzlicher,.
Erscheinung des Pfeiferdampfes überall nicht sehr selten.
sind etc."), sowie auch dass derselbe danach verschieden-,
gradig auftreten kann. Diese Thatsache wird durch die.
Beobachtungen vieler sehr erfahrener Thierärzte und auch,
durch die meinigen bestätigt. In neuerer Zeit hat Prof.
Dieckerhoff (Diagnose des Kehlkopfpfeifens p. 7 u. ?2)
diese Thatsachen bestritten und fertigt Prof. Moll er's
(1. c. p. 43) bezügliche Aeusserung — „ein plötzliches Auf-
treten auf spontanem Wege, d. h. ohne Allgemeinerkrankung,
wird ausnahmsweise beobachtet, kann auch bei der Natur
des Leidens als Nervenlähmung nicht auffallen. Von einem
Sportsman wurde mir ein Pferd vorgestellt, welches nach
dessen Angaben plötzlich während des Reitens hochgra-
diger Rohrer geworden war. Aehnliche Fälle beobachtete
ich bei Ackerpferden" — kurz ab; er sagt: „Diesen Aus-
spruch M ö 11 er' s . . . kann ein erfahrener Sachverständiger
sicher nicht als Beweis für die plötzliche Entstehung
des Kehlkopfpfeifens gelten lasseh. FA is^ nicht nur Thier- \
ärzten, sondern auch manchen anderen Pferdekennern be-
kannt, dass einzelne notorisch seit 1 — 2 Jahren mit dem J
Fehler behaftete Pferde nur bei starker Hochhaltung und /
Herannahme des Kopfes in der schnellen firab- und Galop- \
bewegung das laute laryngeale Geräusch bekunden. Sehr \
oft habe ich kennen gelernt, dass ein Besitzer einen solchen
Rohrer im Wagen- und Arbeitsdienst viele Monate benutzte,
ohne von dem Fehler etwas zu erfahren und dann bei an-
strengendem Gebrauche desselben durch das Auftreten des
Fehlers überrascht wurde. Was Sportsman und andere Bc- ,
sitzer (p. 8 „Laien") in diesem Betracht ausgesagt haben,
ist für die wissenschaftliche Begründung der Dauer einer
Recurrenslähmung gleichgiltig" — so Dieckerhoff.
Dass gar mancher, namentlich phlegmatische Pfeifer
Monate lang und länger im ruhigen Zugdienste geht, ohne
dass dessen Besitzer den Fehler gewahr wird, ist eine längst
bekannte Thatsache, docti* kannjpadurch obige Erfahrung,
so unbequem sie auch für die von Dieckerhoff aufgestellte
Theorie sein mag, nicht aus der Welt geschafft werden.
Solchen Thatsachen stehen andere zur Seite, welche von
c^
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Männern der Wissenschaft, sowie von Anderen aufgenommen
wurden, die ihre Pferde in anstrengendem Wagen- oder Reit-
dienst glcichmässig benutzten, ja in Diensverhältnissen,
welche von den Pferden die grosstmöglichste Ausgie-
bigkeit der Respiration verlangten. Wenn nun bei solchen
Anforderungen der Athem gestern noch normal war und heute
durch Pfeifen gestört wird, so kann auch die strengste
Wissenschaftlichkeit an solchen Erfahrungen nichts rütteln.
Dass es auch Leute gibt, welche achtlos neben ihren Pferden
hergehen oder überhaupt nichts von Pferden kennen, kann
in der fraglichen Sache nichts ändern.
Uebrigens aber sind es fast in allen Fällen, welche
jjir Beurtheilung des Thierarztes gelangen, gerade die „Laien",
denen das abnorme Athemgeräusch zuerst aufgefallen ist,
es liegt um so weniger Grund vor, ihnen die Fähigkeit,
störende Athemgeräusche rechtzeitig wahrzunehmen, ganz
allgemein abzusprechen.
In der Literatur sind unter anderen auch die nach-
stehenden Beobachtungen niedergelegt.
Fr. Günther (Nebel & Vix p. 344). Der Fuhrmann
Seh. ritt am 24. November 1829 seinen komplet gesunden
8 jährigen Schimmelwallach dänischer Race nach R , um Holz
an einen zum Aufladen bequemen Ort schaffen an lassen.
Das Pferd stand unter freiem Himmel bei rauher, kalter,
schneeiger Witterung mehrere Stunden hindurch an einen
Baum gebunden, während das Geschäft anderweit besorgt
wurde.
Beim Abends nach beendetem Geschäft erfolgten 7u-
hausereiten bemerkte der Seh., dass das Pferd nicht mit
gewohnter Munterkeit ging, während ein auffallend hie-
mender Ton beim Athemholen, auch selbst bei der Bewe-
gung im Schritt, hörbar war, und dass dem Pferde Erstickung
drohte. Zu Hause angekommen, frass das Pferd zwar mit
vollem Appetit, indessen hiemte dasselbe auch im Stande
der Ruhe mit gleicher Beschwerde fort. So wurde mir das
Pferd denselben Abend 10 Uhr zugeführt. Ich fand das
Pferd in einem Zustande, wie beim höchsten Grade des
Pfeifendampfes (vergl. I. Unters. 3 Kapit.), sonst, trotz aller
Untersuchung, nichts Erhebliches an demselben. . . . Das
Pferd genas unter dienlicher Behandlung innerhalb 14 Tagen
vollkommen, ohne andere Krankheitserscheinungen, als die
der Arzneiwirkung gezeigt zu haben, und geht bis heute
(1834) in schwerer Arbeit, ohne im geringsten in der Re-
spiration genirt zu sein und ohne dass die geringste Spur
von Pfeiferdampf zurückgeblieben wäre,'''
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Derselbe Autor berichtet (1. c. p. 285, Fall 7): *).
Herr W. machte vom 28. Juni bis 21. Juli im Einspänner
eine Reise nach den Harz. Das Pferd, eine 14jährige
Stute, gross, willig und rasch, machte die Eeise bis zum
12. Juli zur völligen Zufriedenheit. Am 13. Juli musste ein
bedeutender Berg passirt werden und unterblieb des einge-
tretenen Regenwetters wegen das sonst bei dergleichen
Passagen gewohnte Aussteigen; das Pferd musste also die
ganze Last bergauf ziehen. Ueber und über vom Schweisse
triefend, wurde das Pferd in dem an der Spitze des Berges
gelegenen Orte A. in einen Stall gebracht, wo gerade vor
dem Kopfe des Pferdes über der Krippe eine etwa hand-
breite Spalte in der Mauer war, durch welche der Wind
heftig einblies. Das angeordnete Yerschliessen dieser Oeff-
nung war unterblieben und das Pferd in diesen Verhält-
nissen kalt geworden. Uebrigens frass und soff das Pferd
gut und wurde am 19. Juli zur Kückreise nach H. ange-
spannt. Indessen fing das Pferd, angeblich schon beim Ein-
spannen, zu stöhnen und zu husten an, es steigerte sich
dieses Stöhnen zum Hiemen und artete bei der Be-
wegung dergestalt zum förmlichen Brüllen aus, dass das
Pferd stets zu ersticken drohte und die Aufmerksamkeit
aller in die Nähe kommenden Personen aufregte. Die Rück-
*) Gerlach (Gerichtl. Th. II. Aufl. p. 245) hält diesen, sowie den
von Günther 1. c. angeführten 8. Fall für spasmodisch; ebenso auch
den von Kopp mitgetheilten (s. oben). Unter Berücksichtigung des Ver-
laufes dieser Fälle, namentlich ihrer Andauer kann ich ihm nicht bei-
stimmen, im ersteren ist sogar die Becurrenslähmung positiv festgestellt.
Die von Fr. Günther, Fall 8 p. 288 mitgetheilte Beobachtung,
dass ein Pferd über Jahr und Tag beim Anreiten so heftig röhrte,
dass es allen Leuten auffiel, das Bohren aber jedesmal nach 1/4siündiger,
bis zum Schweissausbruch gesteigerter Anstrengung, vollständig ver-
schwand und nachher trotz grösster Forcirung nicht wieder zu
erregen war, sich auch des Nachmittags, wenn das Pferd am Vor-
mittng röhrend geritten war, nicht wieder einstellte, weist auf das
Bestimmteste auf ein modifizirbares mechanisches Hinderniss hin, zumal
auch das Bohren schlimmer war, wenn das Pferd einige Tage im Stalle
gestanden hatte. Nasenausfluss war nie vorhanden. Wenn das Athmen
recht erschwert war (p. 293), hustete es einige Male mit Anstrengung,
„und dieses befreite dasselbe sichtlich von einem Hindernisse, welches die
Bespirationsorgane belästigt zu haben schien, denn durch das Maul und
die Nasenlöcher wurde nun ein durchsichtiger Schleim entfernt,
der sich mit allen vorhanden gewesenen Zufällen ebenso
schnell ganz verlor." In diesem Falle lag bestimmt ein Balggeschwulst
vor, die sich beim Beiten oder Husten entleerte. — Trotz der sehr grossen
Zahl von Pfeifern und meiner stets auf dieselben gerichtet gewesenen
Aufmerksamkeit, habe ich niemals spasmodische Hartschnaufig-
keit beobachtet und muss ich das Vorkommen derselben bezweifeln. M o-
mentane Lähmung der Erweiterer hat ganz denselben Er-
folg, wie momentaner Krampt der Verengerer.
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tour konnte nur in langsamem Schritt und die 10—11 Meilen
betragende Entfernung, die das Pferd sonst gewöhnlich in
einem Tage abzumachen pflegte, kaum in 2a/2 Tagen, be-
endigt werden. . . . Nach mehrtägiger Ruhe wurde das Pferd
eingespannt, indessen Meinte es gleich von Haus aus so
fürchterlich, dass man es, da sich die Zufälle immer stei-
gerten, wieder ausspannen musste. Am 21. August wurde
mit dem Pferde eine kleine Tour gemacht, auch da hiemte
es gleich vom Hause aus gewaltig, indessen arbeitete es
sich bald warm. Wie allmälig der Schweiss ausbrach, min-
derte sich der Meinende Ton und verschwand zuletzt ganz,
trat aber wieder hervor, wenn das Pferd angestrengt laufen
oder in einem schlechten Wege schwer ziehen musste. Am
23. August untersuchte ich das Pferd; im Stande der Ruhe,
im Schritt und im massigen Trabe auf kurze Distanzen war
nichts zu bemerken, sowie aber das Pferd unter dem Reiter
3—4 Minuten scharf getrabt hatte, traten die Erscheinungen
des Pfeiferdampfes sofort in bedeutendem Grade hervor.
Die durch abwechselndes Niederdrücken der Giesskannen-
knorpel ausgeführte Untersuchung stellte die Lähmung des
linken Recurrens fest. Nach sofort eingeleiteter Behandlung
wurde das Pferd am 16. September zur Probe angespannt
und vom Pfeiferdampf nicht das Geringste bemerkt; es
wurde fernerhin zu seinen gewöhnlichen Arbeiten als Ein-
spänner benutzt, wobei sich dasselbe auch ferner gut hielt
und noch jetzt (1834) ohne irgend genirte Respiration
arbeitet."
Esser (Mitth. aus der Thierärztl. Praxis 1873 p. 136)
berichtet (nach Stockfleth, Chirurgie): „Ein Pferd, vor
! Wochen gekauft, war während der verlaufenen Zeit gesund
gewesen und hatte zur vollen Zufriedenheit des Besitzers
alle Ackerarbeiten verrichtet, als es eines Morgens beim
Pflügen plötzlich von einer so heftigen Athemnoth er-
griffen wurde, dass man es ausspannen musste. Als Esser
ein paar Stunden später eintraf, stand das Pferd scheinbar
gesund im Stalle und frass sein Futter. Wieder angespannt,
zog das Pferd gleich lebhaft an, musste jedoch, nachdem
kaum 100 Schritte zurückgelegt waren, angehalten werden,
weil es zusammenzustürzen drohte. Das Athmen geschah
pfeifend, brüllend und war im höchsten Grade angestrengt.
Zehn Minuten später war das Athmen ruhig; ein wieder-
holter Versuch ergab dasselbe Resultat, im Stalle zeigte
sich das Pferd wieder gesund. Am anderen Tage wurde der
Luftröhrenschnitt gemacht, die Kanüle war aber nicht wie-
der zu entbehren." Eine weitere ärztliche Behandlung scheint
nicht eingeleitet zu sein.
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In der „Berliner Thierärztlichen Wochenschrift" vom
30. März 189:5 theilt Prof. Di eck erhoff in seinem Ober-
gutachten einen Fall mit, in welchem ein zu Rennen be-
nutztes Vollblutpferd zuerst am 25. September 1890 ein
weiterhin als Kehlkopfpfeifen festgestelltes Kehlkopfsgeräusch
bekundete, welches früher nicht vorhanden gewesen war.
Bei demselben stellte sich gleichzeitig besondere Reiz-
barkeit des Kehlkopfes ein, schon nach einfachem
Streichen mit dem Finger in der Kehlkopfsgegend trat 8 bis
10 Mal hintereinander Husten ein, der Husten wird als kurz,
rauh und trocken bezeichnet, dabei war leichte Schluck-
beschwerde, mangelhafter Appetit und geringes Fieber, aber
kein Katarrh vorhanden. Reizbarkeit des Kehlkopfes und
Husten minderten sich erst von Mitte Dezember ab. Dieser
Fall erinnert lebhaft an den von Gerlach mitgetheilteu
(im Jahresbericht der hann. Thierarzneisch. von 1869
bezw. 1871.)
Oberrossarzt Rosenfeld schreibt in der Zeitschrift
für Veterinärkunde '895 pg. 161;
Im Mai 1892 erkrankte eine sechsjährige hannover'sche
Stute nach einem halbstündigen Spazierritt unter dem Reiter
an einer heftigen Kolik, welche erst nach 30 Stunden wider
Erwarten in Genesung überging. Aloe, Glaubersalz, Mor-
phium und Eserin waren in den zulässigen Dosen verabreicht
worden. Nach der Genesung war das Thier derartig von
Kräften gekommen, dass es 10 Tage lang zur Erholung im
Stalle verbleiben musste. Als es dann bei freundlichem
Wetter zum ersten Male durch den Reitknecht wieder
an die Luft gebracht und im Schritt einen sanft anstei-
genden Hügel von 50 m hinangeführt wurde, Hess es laute
Athmungstöne hören, welche R. sofort als diejenigen des
Kelilkopfpfeifens diagnosticiren konnte. Niemand hatte bei
dem Pferde bis dahin Kehlkopfpfeifen gehört, auch nicht
Rosenfeld, welchem das Thier seit einem Jahre genau be-
kannt war. Das Kehlkopfpfeifen besserte sich zwar etwas
mit zunehmender Kräftigung, blieb aber in erheblichem
Grade bestehen.' Das Pferd entzog sich nach 2 Jahren der
ferneren Beobachtung Rosenfeld's.
Auf welche ursächlichen Verhältnisse die Recuruis-
lähmung in diesem Falle zurückzuführen, ist allerdings eben-
sowenig zu eruiren, wie die Zeit, zu welcher dieselbe ein-
trat, bevor sie erkannt wurde. Zu beachten dürfte indessen
sein, dass das Pferd bei den heftigen Schmerzen in Schweiss
gebadet gewesen sein muss und desshalb eine Erkältung
nicht ausgeschlossen werden kann.
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Der als Pferdekenner und durch ausgezeichnete Zucht-
resultate rühmlichst bekannte Thierarzt, Gestütsdirektor
S c h r e n k in Herrenhausen bei Hannover schreibt mir unter
dem 4. Juni 1894. „Bei meinen eigenen Gestütspferden habe
ich erfahren, dass Kehlkopfpfeifen binnen einigen Tagen ent-
stehen kann. Einmal glaubte ich Erkältung als Ursache an-
sehen zu müssen und zwar bei einem 3jährigen Hengste,
der in Arbeit genommen, unter meinen Augen 8 Tage täglich
longirt war, ohne den Athem hören zu lassen; weil er etwas
zu husten anfing, wurde die Arbeit unterbrochen, nach acht
Tagen war er im hohen Grade Kehlkopfpfeifer und blieb es."
Oberrossarzt Puschmann berichtet (cf. Berl. Thier-
ärztl. Wochenschr. 1895, pg. 59a/2.)
Im October er. wurde ich zu einem Pferde in Oester-
reichisch - Schlesien gerufen, das schon 8 Tage vorher ge-
ringgradigere Erstickungsanfälle gehabt haben sollte. Ich
fand die ca. 7 jährige, gut genäherte Schimmelstute (tragend)
in einem geräumigen, gut ventilirten Laufstalle, wo sie sich
frei bewegen konnte. Athmung ganz normal, Temperatur
38,1 ° C. Nach Erzählung des Inspectors sei die Stute vor
einem massig beladenen Wagen plötzlich unruhig geworden,
habe dann angefangen, laut zu athmen. Die Athemnoth
habe sich in Zeit von einer Minute derartig gesteigert, dass
das Thier die Nüstern uud zuletzt das Maul weit geöffnet
habe, wobei sich profuser Schweissausbruch eingestellt habe,
und dass es dann unter Erstickungserscheinungen nieder-
gestürzt sei. Nach einer Dauer von etwa 10 Minuten sei
das vollständig erschöpfte Thier aufgestanden und der Anfall
vorüber gewesen. Dieses habe sich noch an zwei folgenden
Tagen wiederholt, worauf es nicht mehr zum Dienste ver-
wendet worden sei. Der Appetit sei stets gut gewesen.
Zuerst dachte ich an Epilepsie. Ich applicirte dem Schimmel
eine mit einigen Tropfen Ol. Croton. gemischte flüchtige
Einreibung in der Nackengegend. Sowie die brennende
Wirkung dieser Eimeibung sich bemerkbar machte, wurde
das Thier unruhig, ging flott im Stalle herum und nach
Ablauf von etwa 2 Minuten begann es laut giemend zu
athmen. Die Atliemnoth nahm rasch zu, so dass innerhalb
einer halben Minute nicht nur die Nüstern, sondern auch
das Maul weit geöffnet wurde. Der Schweiss rann im wahren
Sinne des Wortes stromweise von allen Körpertheilen. Die
Schleimhaut des weit geöffneten Mundes war ganz blass.
Der Ton bei der Inspiration glich mehr einem Brüllen;
schon gleich zu Anfang war die Stute niedergestürzt und
suchte öfters sich zu erheben. Der ganze Vorgang machte
einen höchst beängstigenden Eindruck. Nach einer Dauer
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von etwa 6 Minuten verschwanden die Erstickungserschei-
nungen so weit, dass das Thier nunmehr das Maul schloss,
bald aber kehrten sie in weit heftigerem Grade wieder, so
dass ich mich veranlasst sali, dem erstickenden Thiere die
Tracheotomie zu machen. Nach Einsetzung der Caniile ver-
schwanden die beängstigenden Symptome rasch, die Stute
sprang auf und eilte zur Krippe, um mit lebhaftem Appetit
ihr Futter, bestehend aus reinem Hafer, und dann das Heu
zu verzehren, als wäre ihr nichts gewesen.
Der ganze Vorgang machte den Eindruck, als werde dem
Thiere der Kehlkopf zusammengeschnürt. Dabei wurde der
laute Ton nur bei der Inspiration, nicht aber beim Ausathmen
vernommen. Das Futter war in jeder Hinsicht tadellos; es
wird nur Hafer mit gutem Roggenstrohhäcksel und gutes
Wiesenheu gefüttert. In der Kehlkopf sgegend zeigte das Thier
beim Druck eine geringe Empfindlichkeit, doch war keinerlei
Schwellung der in Betracht kommenden Drüsen festzustellen.
Etwa acht Tage nach der Operation soll sich wieder
ein solcher Anfall gezeigt haben, dem das Thier erlegen
ist. Ich vermuthe zur Nachtzeit wird sich die Stute die
Caniile herausgerissen haben und bei dem darauf eintreten-
den Anfalle erstickt sein. Ich hatte Kai. bromat. ä 30,0
sechs Dosen veroidnet. Offenbar handelte es sich hier wohl
um Kranipf der den Kehlkopf erweiternden (verengernden?)
Muskeln. Oder sollte eine jedesmal plötzlich eingetretene
ephemere Lähmung der beiden Muse, crico - arytaenoid. vor-
gelegen haben? Leider habe ich die Section nicht machen
können. Ein entzündlicher Zustand lag in keinem Falle
vor, denn abgesehen von der normalen Körpertemperatur
erschienen sämmtliche Schleimhäute des Kopfes normal,
auch war keine Spur eines Ausflusses vorhanden."
Es ist eine altbekannte Erfahrung, dass in der bei
weitem überwiegenden Mehrzahl aller Fälle das Kehlkopf-
pfeifen bei bis dahin ganz gesunden Pferden uner-
wartet hervortritt, so dass man eine bestimmte Ursache
im speciellen Falle gar nicht angeben kann.
Einzeln beobachtet mau, dass das Hervortreten des_
Leidens von einem gewöhnlichen, nicht katarrhalischen
Husten, der sich häufig in kürzerer oder längerer Folge
wiederholt, begleitet ist, derselbe scheint durch die dem
Luitbedürfniss hinderliche Raumbeengung ausgelösst zu
werden, vielleicht auch durch gleichzeitige Empfindlichkeit
des N. laryng. sup. bedingt zu sein. Ich bemerke übrigens
express, dass ich bei keinem einzigen Kehlkopfpfeifer eine
dem Leiden vorhergehende Verminderung seiner Leistungs-
fähigkeit angetroffen habe.
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Erblichkeit des Kehlkopfpfeifens.
I )ie altbekannte Erfahrung, dass das Uebel in manchen
Zuchten sehr verbreitet ist, in anderen dagegen -sehr selten,
hat schon früh dahin geführt, die Ursachen dieser Erschei-
nung in der Vererbung und zwar der solchen Zuchten
eigenthümlichen Kopfformen etc. zu suchen, auf welche
man das Rohren zurückführen zu sollen glaubte. Von diesen
Anschauungen haben sich bis heute Viele noch nicht befreien
können. Infolge dieser Annahmen hat man leider versäumt,
den Hauptgrund, die Recurrenslähmung, ins Auge zu fassen,
man hat sich bemüht und auch erreicht, die verdächtigen
Formen abzugleichen, hat aber die Beseitigung des Kehl-
kopfpfeifens damit natürlich nicht erreichen können.
Wieweit das Uebel in manchen Zuchten verbreitet war
und ist, geht unter anderem daraus hervor, dass I) e 1 a f o n d in
seinen Vorlesungen 1844 behaupten konnte, „alle Normänner
seien Pfeifer", Andere schätzten derzeit die Zahl derselben
auf mindestens Ä/4 des Bestandes. Noch 18(38 behauptete
Goux (vgl. Bulletin de la soc. imp. et centr. de med. veter.
p. 25 . Viele Pferde der Ebene von Caen (Normandie1,
welche für die Remonte und den kaiserlichen Marstall ge-
kauft wurden, seien mit dem Fehler behaftet, infolgedessen
kaufe man die Pferde dieses Landes nur nach einer strengen
Probe. Neueren Nachrichten zufolge pfeift dort auch gegen-
wärtig noch eine sehr grosse Zahl.
Bei den englischen Pferden, sowohl beim Vollblut wie
auch Halbblut, ist das Leiden gegenwärtig zum Schrecken
der Pferdehändler, die von dort importiren, in enormer
Weise verbreitet, leider sind auch unsere Zuchten, die auf
die englische basirt sind, nicht frei davon. Bei gemeinen
Schlägen ist es eben sowohl verbreitet.
Nach einem Bericht der „Berliner Thierärztl. Wochen-
schrift" (1892 oder 1893) hat Fleming in einer Bro-
chüre „Roaring in horses" eine umfangreiche Statistik über
Kehlkopfpfeifen veröffentlicht. Hiernach wird es in 96 bis
98 Prozent aller Fälle, wie ich das früher schon fest-
stellte, (Topogr. Myol. 1866) durch Muskelatrophie (?) her-
beigeführt und zwar fast immer (99 mal vom 100) durch
linksseitige. „Die eingeborenen Pferde Indiens, Australiens,
Südafrikas, Egyptens, Südamerikas, sowie die Vollblutaraber
werden sehr selten befallen. In Europa kommen die meisten
Fälle in England, in Frankreich, in Hannover und in Hol-
stein vor. Das englische Vollblut ist am meisten zum
Rohren disponirt^ 1889 waren 5x/8 Prozent aller englischer
Rennpferde Rohrer. Am häufigsten erkrankten Pferde im
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Alter von 2 bis 7 Jahren. Auch beim Halbblut ist übrigens
das Leiden häufiger." (Wenn allein 51/» Prozent aller eng-
lischen Rennpferde Pfeifer sind, so muss es in der
englischen Vollblutzucht dort allerdings recht traurig aus-
sehen, da bekanntlich nur ein geringer Bruchtheil der Zucht
auf der Rennbahn erscheint, der Rest, der in der Konkurrenz
keine Chancen hat., sowie die anderen Rohrer scheiden
früher aus).
Die aufmerksame Beobachtung hat nun schon längst
ergeben, dass die Recurrenslähmung erblich, und dass
die Nichtbeachtung dieser Thatsache die wesentlichste
Quelle der weiten Verbreitung derselben ist.
Die Recurrenslähmung tritt vorzugsweise, gerade so
wie andere Erbkrankheiten, besonders bei jungen Pferden
(sogar bei Saugfüllen) hervor, sie kann ebenso wie diese auf
viele Pferde oder wenige vererben, viele freilassen und in
der folgenden Generation wieder hervortreten, wodurch ge-
rade die Vererbung besonderer Anlage bekundet wird, so
dass bei solchen Zueilten rheumatische und infektiöse Ein-
flüsse nur zu leicht den Ausbrach der Lähmung herbeiführen.
Solche Erfahrung is* bei uns und auch anderwärts, z. B.
in Frankreich, vielfach bestätigt; so sagt z.B. Rossigiiol
(cf. Bullet, de la soc. imp. et. centr. de med. veter. 1868 p.
216): „Ausser den deutschen Pferden zeigen besonders ge-
wisse englische Pferde eine grosse Neigung, Pfeifer zu
werden. Von 10 dieser Pferde, welche von Brustkrankheit
befallen wurden, blieben 6 Pfeifer." Leblanc pere sagt
<p. 217): „In England sind die Yorkshire-Pferde dafür be-
kannt, dass sie eine besondere Neigung zum Pfeiferdampf
haben.....Jeder weiss, dass viele Pferde nach Angina oder
Lungenentzündung Pfeifer bleiben."
Leider liegt aber auch in der Eigenthümliclikeit der
ererbten Anlage der Grund zu irrigen Ansichten, die ge-
radezu der Verderb der Zuchten werden. So be-
hauptet man, mit der Vererbung sei es nicht so schlimm,
weil von diesem oder jenem Hengste viele Nachkommen
frei bleiben, oder nur in manchen Jahren in grösserer Zahl
Rohrer werden. Wer den Einfluss der Vererbung über-
sehen will, darf sich nicht auf solchen kurzsichtigen Stand-
punkt stellen, sondern muss vergleichende Untersuchungen
in grossem Massstabe vornehmen, er wird dann finden, dass
sich ganze Familien durch das häufigere Vorkommen des
Leidens unter gleichen sonstigen Verhältnissen auszeichnen,
unter denen andere frei bleiben.
Es kostet allerdings viel Selbstüberwindung, einen an
sich vorzüglichen Hengst, der seine hochgeschätzten Eigen-
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schatten gut vererbt, wegen dieses Uebels, besonders, wenn
es nicht hochgradig ist, von der Zucht auszuschliessen und
das in demselben angelegte Kapital einfach abzuschreiben
— und doch ist dieses der einzig richtige Weg
zur Erhaltung des Renommees guter Zuchten und
des darin steckenden Nationalvermögens. Auch Besitzer
pfeiferdämpflger Stuten sind oft sehr wenig penibel in der
Benutzung derselben Zucht, zumal, wenn sie ihre Pro-
dukte als Füllen abgeben, ihnen genügt die sonstige gute
Qualität und der Nutzen, den sie aus ihren Zuchten ziehen.
Je weniger man auf die Vererbung Rücksicht nimmt, um-
somehr muss sich nicht nur die Anlage in den Zuchten fest-
setzen, sondern auch vergrössern, wenn in so veranlagten
Zueilten neue Pfeifer wirksam werden. Zum Hervortreten
des Leidens bedarf es dann nur progressiv geringerer Ge-
legenheitsursachen, die man bei der bei weitem über-
wiegenden Mehrzahl aller Pfeifer ihre* Gering-
fügigkeit halber geradezu übersieht; die Zahl der letzteren
ist so gross, dass alle übrigen dagegen nur einen
ganz geringen Prozentsatz ausmachen.
Prof. Möller hat in seiner Broschüre p. 39 ff. sehr
wichtige Nachweise über die Vererbung zusammengestellt,
Avelclie ihrer Bedeutung halber hier folgen mögen: „In Frank-
reich wurde schon frühzeitig die Vererbungsfähigkeit des
Leidens einstimmig angenommen, und von Godine, Hu-
sard, Girard, Dupuy, Bouleyu. A. betont. Die in der
zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts nach der Normandie
eingeführten dänischen Hengste galten als Verbreiter der-
selben. . . . Nach Dupuy (Journ. pratique de med. veter.
1827) waren 2/s der Kinder des Misanthrope mit dem Leiden
behaftet. Bouley (Dictionaire Bouley und Reynal 1858)
stand auf demselben Standpunkte und gab eine Reihe von
Beobachtungen für die Vererblichkeit des Rohrens an. Die
Züchter Frankreichs (eleveurs> seien davon überzeugt. Ein
Hengst wurde in seinem 10. Jahre Rohr er, von da an
wurden fast alle seine Nachkommen von dem Leiden
befallen. — Aehnliches berichtet Charon (Etüde sur le cor-
nage chronique 1886) von der Vererbung durch Stuten:
„Mary" und ihre Mutter „Precipitate" waren Rohrer; die
erste brachte ein Fohlen vom Sorcerer, welclies ebenfalls
röhrte und den Fehler auf seinen Sohn „Back-Jack" ver-
erbte. Nimrod (The veterinarian 1840) berichtet von der-
selben Stute „Mary", dass sie mit drei verschieden311
Hengsten drei Rohrer gezeugt habe. Charon (1. c.) bringt
eine Anzahl von weiteren Beweisen: Easthern, ein Vollblut,
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hatte unter seinen Nachkommen zahlreiche Rohrer; sein
Sohn Chasseur und Enkel Carnassier waren mit dem Leiden
behaftet, der letztere zeugte den berühmten Ganymede aus
einer Tochter des Chasseur; Ganymede röhrte und zeugte
einen Rohrer gleichen Namens. Unter den Nachkommen des
letzteren zeichneten sich namentlich Quebec und Proarn,
gleichfalls Rohrer, durch Vererbung des Rohrens aus. Unter
den Söhnen des Quebec waren 9, unter denen des Proarn
7 Rohrer.
Nach Youatt (The veterinarian 188:)) richtete die
Ansicht, dass das Rohren nicht vererbe, in den Zuchten
Norfolk's und Suffolk's grossen Schaden an. „Die Gegenden
waren mit Rohrern übersäet und viele Züchter ruinirt."
Mark harn (The veterinarian 1839) beobachtete, dass von
den 8 Nachkommen eines Rohrers 6 mit dem Leiden be-
haftet waren.
Mackee, Staatsthierarzt in Grevenmacher (Luxemburg)
schreibt in Nr. öl der deutschen Thierärztl. Wochenschrift
1894: „Ein aus Belgien importirter Hengst war trotz Kehl-
kopfpfeifens hierlands angekört worden. Von demselben
habe ich drei Füllen von ein und demselben Jahrgänge ge-
sehen, welche mit diesem Leiden behaftet waren. Es spricht
dieses wohl deutlich genug für die Vererbung des Kehlkopf-
pfeifens."
Es ist die Frage aufgeworfen, ob Pfeifer die nach-
weislich erst nach erlangter Volljährigkeit von dem Uebel
befallen wurden, zu einer Zeit also, in welcher die Periode
des Hervortretens der Erbkrankheiten überwunden zu sein
pflegt, sowie solche, bei denen dasselbe nach Infektionskrank-
heiten etc. auftrat, von der Zucht auszuschliessen seien? —
Ich muss diese Fragen ganz unbedingt bejahen, zu-
mal gar nicht ausgeschlossen werden kann, dass solche Pferde
gerade wegen der ererbten Anlage nach solchen Pfeifer
wurden, und auch erworbene Fehler, besonders des Nerven-
systems, doch auch andere, nachweislich vererbungsfähig
sind. Hengste aber aus unbekannten Zuchten sollte man
überhaupt nicht, oder doch nur nach erlangter Volljährigkeit
und, nachdem sie sich im Dienst bewährt haben, zur Zucht
verwenden, nur auf solche Weise umgeht man thunliehst
in ihnen verborgene Erbfehler.
Die Recurrenslälimung, welche nach der Influenza und
anderen Infektionskrankheiten (Druse, Bräune, auch Sealina)
zurückbleibt unterscheidet sich in keiner Beziehung
von anderen Recurrenslähmungen, sie kann also von jenen
auch nicht abgetrennt werden. Warum nun gerade die
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Influenzalähmung nicht vererben soll, ist nicht wohl einzu-
sehen. Durch die Möller'sehe Phrase (1. c. pg. 41), „dass
wohl Niemand behaupten wird, dass diese Infektionskrank-
heiten erheblich seien", kann diese Frage in keiner Weise
beeinflusst werden, da es sich hierbei gar nicht um diese,
sondern um einen »'anz anderen Krankheitszustand handelt,
welcher, einmal erzeugt, ganz selbstständig dasteht und
mit jenen Infektionskrankheiten absolut gar nichts mehr
zu schaffen hat. Es ist allerdings sehr willkommen, für die
Einführung eines Pfeifers in die Zucht dem Zweifler eine
Beruhigung durch den Hinweis darauf geben zu können,
dass das Pferd Influenza gehabt habe! Die Recurrensläh-
mung bleibt immer dieselbe! Adoptirt man die Maxiin-
Mö 11 er 'sehe Idee von der Nichterblichkeit der Influenza-
lähmung des Recurrens, so wird alle Vorsicht- eingelullt:
„das Pferd hat ja oder hat gewiss Influenza gehabt", und
damit ist der Talisman gefunden, unter dessen Schutze die
Pfeifer frank und frei ihren Einzug in die Zucht vollführen!
Man glaubt den Nachweis der Erblichkeit dadurch er-
schüttern zu können, dass man darauf hinweist, dass den
positiven Beobachtungen andere gegenübergestellt werden
können, die das Gegentheil beweisen, eine Argumentation,
die sich mit dem heutigen Stande der Vererbungslehre nicht
mehr vereinbaren lässt; auch behauptet man, dass die Re-
currenslähme in den südlichen Ländern nicht von den Eltern
auf die Nachkommen übertragen werde, und will dadurch
nachweisen, dass es mit der Vererbung nicht viel zu sagen
habe: dieser Behauptung fehlt bislang jeder Boden, ein Nach-
weis, dass das Leiden dort nicht vererbe, liegt bislang nicht
vor, aber, wenn das auch der Fall wäre, so würde solche
Thatsache für uns in der gemässigten Zone ganz irrelevant
bleiben müssen, da wir ausschliesslich mit den bei uns ge-
gebenen Verhältnissen zu rechnen haben.
Wenn die Sportwelt trotz der bekannten Erblichkeit
auch Pfeifer zur Zucht verwenden will, so ist das ihre Sache,
tritt aber die Landespferdezucht, also ein bedeutender
Theil des Nationalvermögens und der Landeswehr
in Frage, so muss mit aller Energie auf Reinheit von
Erbfehlern gehalten werden, und ist es allerliöcliste
Zeit, hier ein Einsehen zu haben; sind doch durch das
Kehlkopfpfeifen schon ganze Zuchten in Misskredit gebracht,
ja sogar ruinirt. Unsere Zuchten sind jetzt schon, wie die
bedeutendsten Pferdehändler bekunden, mit Pfeifern über-
reichlich gesegnet, fährt man fort, rücksichtslos Pfeifer
wirksam werden zu lassen, so ist die Gefahr für dieselben
eine sehr grosse, zumal im englischen Vollblut, welches
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wir gar nicht entbehren können, das Leiden sehr verbreitet
und auch auf das Halbblut übertragen ist (früher war das
nicht der Fall, die Ursache dürfte in der rücksichtslosen Ver-
wendung von Pfeifern in den Zuchten zu finden sein). Man
kann dem Reize vielfach nicht widerstehen, von Kehlkopf-
pfeifern, die sich auf der Rennbahn ausgezeichnet haben,
weiter zu züchten, indem man nur die sonstige Qualität der-
selben und deren Einfluss auf Renner folge berücksichtigt;
dass man zugleich die Disposition zur Recurrenslähmung
fortpflanzt und durch wiederholte Einwirkung allmählich
fest züchtet, weiss man entweder nicht oder setzt sich
darüber hinweg. In solchem unvorsichtigen Verfahren wird
man leider durch die Erfahrung bestärkt, dass ebenso wie
bei anderen Erbfehlern, viele von den Nachkommen ver-
schont bleiben, man vergisst aber, dass dieselben in zweiter,
selbst dritter Generation wieder hervortreten können, selbst
wenn die ererbte Disposition bei den Eltern nicht zum Aus-
bruch des Leidens geführt hatte, es ist das besonders häufig
der Fall, wenn gleichvcranlagte Thiere gepaart werden.
Die Disposition zum Kehlkopfpfeifen und damit dieses selber
kann in den Zuchten (auch kaltblütiger Schläge) nur dadurch
bekämpft, und allmählich getilgt werden, dass überhaupt
keine Pfeifer mehr zur Zucht zugelassen
w erden. —
Bezüglich der Vererbung erworbener Nervenleiden
glaube ich noch nachstehende Beobachtungen einreihen zu
sollen: Ob er stein er (Med. Jahrbücher 1875, p. 179) führt
an, dass rein zufällige Zustände, lange nach der Geburt ent-
standen, sich auf die Nachkommen vererben. Er hat Meer-
schweinchen durch Trennung des N. isehiadicus und auch,
nach der Westphal'schen Methode, durch einen oder meh-
rere kräftige Schläge auf den Kopf epileptisch gemacht. Er
konnte sich ebenso wie Prown-Sequard und Wcstphal
Von der Uebertragung der Epilepsie auf die Jungen der ope-
rirten Thiere überzeugen.
Brown-Sequard durchschnitt Nervenstränge und ein-
zelne Theile des Gehirns und erzeugte dadurch Missbildungen,
welche sich auf die Nachkommen der verletzten Thiere bis zur
fünften und sechsten Generation vererbten (cf. Wilkens,
Deutsche Zeitschr. f Thierinedizin 1891, p. 169), ferner „dass
es Eigenschaften gibt, welche von einem Thiere, während
seines Lebens erworben, vererbt Avordcn sind, wird von
keinem Zoologen geleugnet."
Zum weiteren Belege für Vererbung erworbener Krank-
heitszustände führe ich beiläufig nachstehende Erfahrungen
an. ,1m hiesigen Marstalle wurde die alte, gelbe Celler Kutsch-
4
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rasse, welche von den früheren Herzögen von Celle vor langen
Jahren etablirt war, weiter gezüchtet. Es waren ausgezeich-
nete Pferde, sicher und fromm im Dienst, und ohne irgend
welchen Temperamentsfehler. In dieser Zucht wurde ein vor-
züglicher aus derselben stammender Hengst verwandt, der in
geringem Grade kollerig geworden war. Alle Nachkommen
desselben, verschiedener Generationen zeigten ein so choleri-
sches Temperament, dass der ganze Stamm in den vierziger
Jahren abgeschafft werden musste.
Ich habe diese Pferde über ein Jahr lang täglich zwei-
und vierspännig behuf Erlernens des Fahrens selber in der
Hand gehabt und kann die Thatsache bestätigen, dass die
Pferde nur mit grösster Aufmerksamkeit in Ordnung zu halten
waren; sie fielen sonst, wenn sie warm wurden, einfach über
einander her. Kastration half nichts.
Wir hatten im hiesigen Marstalle einen ausgezeichneten
Vollbluthengst, Cavalier vom Amandis, der in England lange
Zeit auf Jagden geritten war und in Folge der Anstrengungen
etwas Spat bekommen hatte, welcher aber bei seiner Hier-
kunft (natürlich exkl. der Spaterhöhung) geheilt war. Er
vererbte seine ausgezeichneten Eigenschaften mit seltener
Konstanz, sowie auch seine Formen, leider aber auch eine
grosse Anlage zu Spat, so dass man jeden seiner Nach-
kommen in dieser Beziehung mit vollem Recht als verdächtig
ansah.
Beiram, Halbbluthengst im Celler Landgestüt, ein sonst
ausgezeichnetes Pferd, hatte im Dienste Spat bekommen, der
aber bis auf ziemlich erhebliche Spaterhöhung, als er als
Beschäler eingestellt wurde, abgeheilt war. Unter seinen
Nachkommen kamen häufig Spaterkrankungen vor.
Verlauf.
Die Recurrenslähmung kann von Anfang an eine voll-
ständige sein, sie kann aber eben sowohl partiell auftreten,
so zwar, dass nicht der ganze Nerv, sondern nur einzelne
oder mehrere Fasern desselben gelähmt erscheinen. In beiden
Fällen kann die Erkrankung auf dem gegebenen Standpunkt
stehen bleiben, im letzteren weitere Fortschritte machen, so
zwar, dass schliesslich der ganze Nerv gelähmt erscheint;
auch ist ein temporäres Ab- und Wiederzunehmen der Läh-
mung nicht ausgeschlossen.
Aus diesen Verhältnissen ergiebt sich, dass das Kehl-
kopfpfeifen mehr oder weniger lange Zeit, sogar zeitlebens,
gleichgradig fortbestehen oder allmählich rascher oder lang-
samer zunehmen, sogar periodisch stärker oder schwächer
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hervortreten kann*). Vollkommene, selbst spontane, Heilungen,
letztere jedoch nur selten **), wurden bislang nur bei erst
kurze Zeit bestandenem, aber nicht bei älterem Uebel be-
obachtet. Bei diesem ist die Atrophie der Muskeln unüber-
steigliches Hinderniss. In der Mehrzahl der Fälle hält sich
das Uebel auf der einmal gegebenen Höhe längere oder kür-
zere Zeit und zeigt nur geringere Schwankungen, die oft auf
kosmische oder diätetische Ursachen zurückzuführen sein
dürften (in letzterer Beziehung z. B. mulstrigo Futterstoffe),
so dass die Thiere in dem einen oder anderen, besonders
Zugdienst, Jahre lang mehr oder weniger volle Verwendung
linden können, jedoch ist niemals vorherzusohen, ob und
wann eine Verschlimmerung eintreten wird, welche
die Thiere sogar total unbrauchbar machen kann. Das Alter
der Thiere, sowie das Lebensalter, in welchem das Kehlkopf-
pfeifen entstand, hat nachweislichen Einfluss auf den
ferneren Verlauf nicht, darauf basirte Schlüsse erweisen sich
nur zu oft trüglieh!
Diagnose.
Dem Zweck dieser Abhandlung gemäss beschränke ich
die Besprechung der Diagnose auf die Rccurrenslähmung und
lasse dabei Erkrankungen der Nasenhöhle, der Knorpel und
der Schleimhaut des Kehlkopfes etc. ausser Acht, die bei
solchen vorkommenden Stenosengeräusche können in den be-
züglichen Handbüchern nachgesehen Averden.
Dem Eintritt des Kehlkopfpfeifens geht keine Erschei-
nung vorher, welche auf dasselbe hinweist: mit Eintritt
der Eocurrenslähmung ist auch das Kehlkopfpfcifen vorhanden,
*> Bei einem 4jährigen Pferde, welches an Vereiterung der gland.
traeh. inf. litt, traten in Zwischenräumen von einigen Stunden so heftige
Anfälle von Kehlkopfpfcifen ein, dass dasselbe laut brüllte und jeden
Augenblick zu ersticken drohte; die Tracheotomie beseitigte die Zufälle.
Der Abscess öffnete sich in die Brusthöhle und das Thier starb.
**) Stiegler, Oberrossarzt. Heilung eines Pferdes mit
Stimmbandlähmung. (Bericht über das Veterinärwesen im Kgr.
Sachsen f. das Jahr 1895 S. 174.) Ende April 1894 erkrankte ein Pferd
nach vorher überstandener Brustseuche an starker Athemnoth in Forin von
Kehlkopfpfeifen ohne andere krankhafte Erscheinungen. Das Leiden trat
derart heftig auf, dass das Thier nicht im Stande war, 5 Minuten im
Schritt zu gehen. Um es noch als Krümperpferd verwenden zu können,
wurde zu Anfang Mai der Luftröhrenschnitt gemacht und das Pferd mit
dem Tracheotubus zum Dienst verwendet. Nach Verlauf eines Vierteljahrs
war keine Athemnoth mehr vorhanden, denn, nachdem die Operationswunde
mit einem Pfropfen verstopft worden war, konnte das Pferd ohne jedwede
Athemnoth anhaltend im Trabe bewegt werden. Die Wunde verheilte bald
und das Pferd ist gesund. Spontane Heilungen sind auch nach Vergiftungen
Beobachtet (cf. oben: Ursachen „Luzerne").
4*
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seiu Kundwerden ist ausschliesslich von oben bezeichneten
Verhältnissen abhängig. Sogcnannte Prodrome des Lei-
dens giebt es nicht.
Bei Kecurrenslähmung cventl. vorkommender Husten
hat nichts Charakteristisches: er kommt geradeso bei Pferden
vor, die an jener Lähmung nicht leiden und auch ferner nicht
befallen werden. Nach der weiter unten beschriebenen Kehl-
kopfoperation bleibt aber der Husten charakteristisch, so dass
derselbe auf den geschehenen Eingriff wenigstens aufmerksam
macht — für Zuchtpferde von Belang.
Die Untersuchung hat zunächst allemal festzustellen, ob
überhaupt ein abnormes Athmungsgeräusch besteht, die Spe-
zialuntersuchung, auf welche Verhältnisse dasselbe zurückzu-
führen ist, folgt erst in zweiter Linie.
Die Diagnose des Kehlkopfpfeifens setzt selbstverständ-
lich voraus, dass der Untersuchende eine ganz genaue
Vorstellung von den bei solchen Leiden auftretenden
Stenosengeräuschen besitzt, diese müssen ihm jederzeit, sobald
er daran denkt, ebenso klar vor die Seele treten, als wenn
er sie eben hört, ebenso genau muss er auch mit allen den
Geräuschen bekannt sein, die in normalen Verhältnissen bei
den verschiedenen Dienstleistungen vorkommen, oder durch
äussere Einwirkungen des Geschirrs etc. herbeigeführt werden.
Solche Kenntnisse erlangt man freilich nicht dadurch, dass
man einige Pfeifer gehört hat, auch nicht aus Büchern etc.,
sondern nur durch aufmerksamstes Studium an lebenden
Thieren. Man muss sein Gehör so exakt ausgebildet haben,
dass auch der geringste Stenosenton auf das Be-
stimmtoste sofort als Kehlkopfston auffällt,
so dass die fernere Untersuchung nur das so gewonnene Re-
sultat zu kontroliren hat. — Solange man diesen Standpunkt
nicht erreicht hat, bleibt man ein sehr unzuverlässiger Beur-
theiler, der auf den Namen „Sachverständiger" kaum einen
Anspruch erhoben kann.
Bei .der Untersuchung hat man sich zu vergegenwärtigen,
dass das Temperament der Thicre cot. par. auf . das leichter
oder schwerer zu erreichende Hervortreten des Pfeifens von
sehr grossem Einflüsse ist, bei phlegmatischen und
faulen Thieren müssen oft die allergrössten Mühen
aufgewendet werden, um dasselbe zur Aeussernng zu bringen.
Daher kommt es denn auch, dass derartige Pfeifer, besonders
in ruhiger Hand, oft lange Zeit arbeiten, ohne dass ein Ton
wahrgenommen wird.
Der Stenosenton tritt bei Eecurrcnslähinung, abgesehen
von sehr hohen Graden, nur bei der Inspiration ein um!
bekundet sich je nach der disponiblen Weite der Stinnöritze
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als ein tieferes oder höheres Tönen, Giemen, welches
mit dem Pfeifen vielleicht einige Aehnlichkcit hat, aber so
charakteristisch ist, dass das geübte Ohr des Kenners den
Pfeifer aus allen Eospirationsgeräuschen sofort heraushört,
und ihn auch meist schon bei dem geringsten Laut
erkennt.
Dieses Tönen erinnert, sobald es erheblich ist, an das
suffokatorischc Kreischen, Hicinen, event. Brüllen erstickender
Thiere bei Erdrosselung.
Es kann, wie schon oben bemerkt worden, bei ent-
sprechender Lokalkenntniss und Uebung auch bei gesunden
Thiercn durch Niederdrücken eines Gieskannenknorpcls will-
kürlich erzeugt werden, besonders wenn man den anderen
soweit mit berücksichtigt, dass seine Erhebung vom Stande
der Kühe ausgeschlossen wird, und ist hierin ein sehr prak-
tischer Weg zur unerlässlichen Einübung des Gehörsinns vor-
gezeichnet, den ich nicht angelegentlichst genug Allen denen
empfehlen kann, die ihre Einübung noch nicht zum Abschluss
gebracht haben.
Bei sehr geringen Graden des Leidens tritt der
Stenosenton, wie bekannt, unter gewöhnlichen Verhältnissen
gar nicht hervor, sondern wird erst bei forcirten, oft sehr
energischen Anstrengungen des Thicres vernehmbar und lässt
sich auch bei solchen eventuell nicht bei jedem Athemzuge
hören.
Zur physiologischen Erklärung dieser Erfahrung mag
nachstehende kurze Analyse des Herganges des Bcspirations-
aktes bei solchen Anforderungen dienen (cf. Topogr. Myol. d.
Pf. von Günther), welche zugleich geeignet sein dürfte, die
meist geübte' empirische Untersuchung betreffender Pferde
auf wissenschaftliche Basis zu stellen.
Die Analyse der Bewegung des Pferdes ergibt, dass
dessen Thätigkeit von der Festigkeit der Wirbelsäule
abhängig ist. Solche Festigkeit liegt in dem sehr verschie-
denen Bau derselben mehr oder weniger vorbereitet, muss
aber, den Anforderungen entsprechend, durch Muskelkraft
zur Geltung geführt werden; dieses geschieht durch An-
spannung der an ihr liegenden Muskeln, der Be-
spirations- und Bauchmuskeln. Die Hals- und Kopf-
muskeln haben hierbei, soweit sie von den Eückenwirbeln
ausgehen, die Einbiegung der Eückenwirbelsäule zu hindern,
indem sie die Dornfortsätze derselben nach vorn frxiren etc.
(cf. Myol.)
Wird Hals und Kopf hochgestellt und herangenommen,
so werden die hinteren und vorderen festen Punkte der Bücken-
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und Stachelmuskeln einander genähert, sie würden bei stär-
kerer Anspannung ein Einbiegen des Rückens zur Folge haben
(z. B. Recken der Pferde), da bei solcher Haltung die Hais-
und Kopfmuskeln ihren Einfluss auf Stabilität der Rückcn-
wirbelsäule m. w. einbüssen.
Da die Fortsetzung des langen Rückenmuskels, der lange
Stachclmuskcl (M. spinalis et semispinalis d. M.), bei solcher
Hals- und Kopfstellung kaum noch als Rückenstütze wirksam
werden kann, so kommen die Rippenanhäftungen etc.
des long, dorsi nebst den Respirations- und Bauch-
muskeln so ziemlich allein noch in Frage.
Der long, dorsi haftet am hinteren Rande der
Rippen, besonders stark aber der falschen, an und kann
nur dann kräftig wirksam werden, wenn diese nach
vorn festgestellt sind, sich also in Inspirations-
stellung befinden; daher zum Theil die unbedingte
Nothwendigkeit raschen und tiefen Einathmens
vor jeder bedeutenderen Leistung. In gleicher Lage
befinden sich die Bauchmuskeln, die auch erst dann zu genü-
gender Rückenstütze dienen können, wenn ihre vorderen
festen Punkte, die Rippen- resp. das Brustbein, nach vorn
fixirt sind.
Es erhellt, dass während der Andauer, nament-
lich durch Aufregung und Angst*), vermehr-
ter Anspannung dieser Muskeln die Erneuerung der
Luft in den Lungen sehr erschwert, wenn nicht geradezu
ausgeschlossen ist, selbst der Kehlkopf muss während der-
selben geschlossen gehalten werden. Wird die nachdrück-
liche, durch Beängstigung des Thieres noch
gesteigerte Anspannung genannter Muskeln in un-
unterbrochenener Folge vorlangt, so steigt natür-
lich das Respirationsbcdürfniss, dieses kann dann aber nur
in ganz kurzem Moment durch Freilassen der Rippen
befriedigt werden, wird selbst evcntl. durch erneute Kraft-
anforderung unterbrochen, wodurch das dringende Luftbcdürf-
niss nur noch gesteigert wird. In diesem kurzen Moment
muss das Aus- und Wiedereinathmen erfolgen. Der Brustkorb
*) Anmerkung: Auf die Aufregung und Beängstigung
des Thieres ist ein sehr hoher Werth zu legen, ohne solche wird das Re-
sultat unsicher. Ein eklatanter derartiger Fall mag hier Platz rinden: Iu
den 40er Jahren war im Hannover'schen Marstall ein vortreffliches Schul-
pferd, der Valet, welcher unter ruhiger Führung alle Gänge der ganzen
hohen Schule auf das Eleganteste ausführte, ohne auch nur deu geringsten
Kehlkopfton hören zu lassen, aber sofort röhrte, wenn er durch unruhigen
Reiter aufgeregt oder gar beängstigt wurde.
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wird nach dem Ausathmen so rasch und energisch
wie irgend möglich erweitert, wodurch eine mög-
lichst grosse Luftsäule mit grösster Kraft
und Schnelligkeit durch die Nasenhöhlen in die
Eachenhöhle gepresst wird. Bis hierher ist der Respirations-
weg weiter, als der innere Raum des Kehlkopfes jemals
werden kann; hieraus folgt, dass die aspirirte Luftsäule mit
ganzer Wucht auf demselben lasten muss. Können ihr die
Aryknorpel nicht aus dem Wege geräumt werden, so werden
sie mit in den Kehlkopfsraum hineingepresst.
Schon bei ausschliesslich einseitiger, selbst geringer Recurrens-
lähmung genügt dann dieser Luftdruck, um die Stimmritze
soweit zu schliessen, dass die Luft hörbar anschlägt, weil
bei niedergedrücktem x4ryknorpcl die Stimmtaschc weit ge-
öffnet ist und nunmehr auch in diese die Luft gewaltsam
eindringt, den Aryknorpel und das Stimmband m. w. w i d c r-
standslos nach der entgegengesetzten Seite hinüberpresst
und je nach Ausdehnung der Lähmung den inneren Kehlkopf-
raum beengt, eventuell durch Anlegen derselben an die
gegenüberliegende Wand der Stimmritze vollständige Stenose
herbeiführt.
Es ist einleuchtend, dass die Herbeiführung solcher
Verhältnisse um so energischer durchgeführt werden muss, je
geringgradiger die Recurronslähme ist, um Klarheit su er-
langen. Nach Aufhören solcher forcirter Leistung werden
sofort die Rücken-, Respirations- und Bauchmuskeln frei, die
Luft wird in langsamerem Strome eingesogen, desshalb hört
dann auch das Anschlagen derselben auf Bei hochgradigen
Pfeifern beruhigt sich die Respiration erst allmählich.
Dieses ist die wissenschaftliche Basis für die
Untersuchung auf Kehlkopfpfeifen. Die Untersuchung kann
sowohl unter dem Reiter, wie an der Longe oder vor dem
Wagen, eventuell in den Pilaren vorgenommen werden.
Die Untersuchung unter dem Reiter wird
bei g e r i n g g r a d i g s t e m Leiden, besonders bei im Ge-
brauch der Rückenmuskeln geübten Pferden mit vorzüglicher
Wirbelsäule nur dann sicher zum richtigen Resultate füh-
ren, wenn der Reiter energisch und so sattelfest ist,
dass er aufgehört hat, das Heruntergeworfenwerden zu fürchten,
und das Pferd mit aller Energie ununterbrochen zur
energischsten Anspannung der Muskeln (Sprüngen etc.) zwingt
und so bearbeitet, dass es vor Angst nicht weiss, wo es hin
soll. Bei hochaufgerichtetem, herangenommenem Halse und
Kopfe treten hierbei von selber seitliche Biegungen des Ge-
nicks ein, wodurch namentlich bei kurzem Genick (Ganaschen-
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i
zwang etc.) der Kehlkopfraum beengt wird *) (cf. Topogr.
Myol. d. Pf. v. Verf.).
Man steigert auf solche Weise das Kcspirationsbedürfniss
und den Druck der eingeathmetcn Luftsäule bis zum höchsten
Grade und darf das Untcrsuchungsrcsultat erst darin als
negativ betrachten, wenn man die grösste Aufregung und
Beängstigung des Pferdes erreicht hat, ohne den Stenosenton
zu erzwingen.
Es ist nicht erforderlich, dass derselbe
sich andauernd vernehmen lässt oder stei-
gert, sein Auftreten genügt an sich zur si-
cheren Diagnose.
Die hierzu erforderliche Zeit richtet sich cet. par. nach
der Ausdehnung der Eecurrenslähmung, dem Temperament etc.
des betr. Pferdes. Tritt der Stenosenton hervor, so kann
man durch sachverständiges, sofort vorgenommenes Nie-
derdrücken der Aryknorpol feststellen, ob Eecurrenslähme
vorliegt.
Die Untersuchung an der Longe hat ganz
dasselbe Endziel, die ununterbrochene andauernde Muskel-
spannung und Beängstigung und dadurch das rasche,
energischste Einathmon grosser Luftsäulen
zu c r z w i n g e n. Das Pferd Avird deshalb so hoch wie
möglich aufgesetzt und nun mit der Peitsche in ununterbrochener
Aufregung und Angst zu grösstmöglichster Anspannung seiner
Kräfte gezwungen.
*) Anmerkung: Durch das Herannehmen und Seitwärtsbiegen
des Kopfes wird der Raum in der Rachenhöhle beengt, so dass die Ary-
knorpel nicht über den oberen Rand des Schildes herausgehoben werden
können und besonders bei kurzen dicken Hälsen und Ganaschenzwang in
ihrem freien Spiel genirt werden. Liegt Recurrenslähmung vor, so wird
genugende Erweiterung mit dem Grade derselben schwieriger und schlägt
die Luft um so leichter an.
Durch solches starke Herannehmen etc. entsteht unter bezeichneten
anatomischen Verhältnissen eventl. ebenfalls ein Respirationsgeräusch, der
„Boizäu mungston", derselbe ist etwas anders, wie hei Pfeifern, kann aber
leicht verwechselt werden. Er hört ebenfalls wie bei Pfeifern sofort auf,
wenn der Zwang cessirt, nnd kann deshalb dieses Merkmal kein Unter-
scheidungsmerkmal abgeben, wie wohl behauptet worden ist; übrigens bleibt
zur Controle die Lokaluntersuchung des Kehlkopfes.
Dieckerhoff negirt das Vorkommen des Beizäumungstones und
beruft sich auf Pr. Günther und Gerlach (cf. Diagn. d. Kehlkopfpf. pg. 13).
Ersterem war die Beengung des Kehlkopfes durch solche Haltung bekannt
(1. c. pg. 444), er hat aber „nie, auch nicht einmal, die Ursache
eines bestehenden Pfeiferdampfes in zu kurzer Zäumung aus-
schlieslich gefunden, wohl aher ganz in der Regel dadurch eine Stei-
gerung des Athmungsgeräusches bei vorhandenem Kehlkopfpfeifen gesehen
(cf. 1. c. p. 445)". Gerlach äussert sich über einen Beizäumungston gar
nicht (cf. Gerichtl. Th. II). Möller erkennt denselben an (1. c).
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Vor dem Wagen spannt man das Pferd neben ein
starkes, ruhiges Pferd („Schulmeister" der Pferdehändler),
welches sich durch Nichts aus seiner glcichmässigen Gang-
art bringen, auch nicht vom Nebenpferde zur Seite werfen
lässt, mit kürzeren Strängen an, fährt es mit separaten oder
kürzeren Zügeln und beängstigt resp. bearbeitet es beim
Fahren mit der Peitsche, bis obiges Endziel erreicht ist. Es
ist hierbei zu beachten, dass die Peitsche nur den Hals und
die Vorhand des Pferdes treffen darf, widrigenfalls es leicht
zum Ausschlagen (Schlagen über den Strang etc.) veranlasst
werden würde.
Zu solchen Untersuchungen eignen sich besonders die
hohen Brcaks der Pferdehändler mit hoher Schwengcllage und
hohem Kutschersitz und ein Terrain, auf welchem die Räder
tief einsinken, nicht aber gepflasterte Wege (des Geräusches
wegen, welches geringgradiges Pfeifen verdeckt).
In den Pilaren bindet man das Pferd kurz und
hoch an und beängstigt es mit der Peitsche etc.
Vergleichen wir mit dieser auf wissenschaftlicher
Basis ruhenden Untersuchung das hergebrachte empiri-
sche Verfahren. Dieses verlangt zur Feststellung der
Verhältnisse, dass die Pferde unter dem Reiter,
an der Longe oder vor dem Wagen bis zum
allgemeinen Schweissausbruchc etwa eine
halbe Stunde lang in Trab und Galop be-
wegt w e r d o n. *)
Eine Analyse der hierdurch herbeigeführten Verhältnisse
ergibt, dass solche Untcrsuchungsmetliode zur sicheren
Feststellung der vorliegenden Verhältnisse nicht aus-
reichend ist, denn
1.  der allgemeine Schweissausbruch erfolgt unter ganz
gleicher Anstrengung sehr verschieden leicht und
ist von der äusseren Temperatur, Feuchtigkeit der Luft, Be-
haarung, Kraft, Ernährungsweise, Aufnahme von Wasser
und Einübung etc. abhängig: ein Beweis dafür, dass
obige Verhältnisse, unter denen auch das geringste
Kehlkopfpfeifen hervortreten muss, gegeben wa-
ren, bietet derselbe nicht!
2.  Die Normirung besti mmter Untersuchungs-
zeit nach der Uhr hat ebenso wenig Berechtigung. Es
ist ja richtig, dass durch eine halbstündige Andauer solcher
*) Anmerkung: Von dieser Untersuchung ganz verschieden ist
das „A usprobiren", wie solches von gewandten Reitern und routi-
uirten Pferdehändlern vorgenommen wird: bei diesem kommen die vor-
bezeichneten Bedingungen der Stenose zum Ausdruck.
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Anstrengungen das Respirationsbedürfniss gesteigert wird und
dass hierdurch bei mehr wie geringgradigem Kehlkopfpfeifen
dasselbe hervortritt, aber die Pferde sind zu verschieden, was
für das eine eine hochgradige Anstrengung ist, bleibt für
das andere, trotz allgemeinen Schweisausbruchs, eventuell
nur Spiel.
Die Schnelligkeit und Kraft, mit welcher eine
möglichst grosse Luftsäule aspirirt wird, sind bei g e-
r i n g s t g r a d i g c m Leiden für das Eintreten
des Stenosentons allein entscheidend, ob diese Be-
dingung bei solcher Probe erfüllt wird, das hängt davon ab,
ob die Art der Untersuchung jene oben bezeichneten Her-
gänge dem speciellen Falle entsprechend er-
z w a n g; ein Pferd kann deshalb bei solcher z B. halbstün-
digen Probe an d c in einen T a g c d c n S t e n o s e n ton
äussern und bei späterer U n t e r s u c h u n g ei n,
negatives Resultat liefern, weil bei ersterer
zeitlich ganz gleichen Anstrengung in Trab und
Galop zufällig z. B. durch Aufregung, Angst, Sprünge
oder kräftigere Galopbewegung (Rückcngalop) die Be-
dingungen gegeben waren, bei letzterer aber nicht in
gleiche in Masse eintraten.
Die Untersuchung nach der gebräuchlichen empirischen
Methode kann bei der verschiedenen Qualität uud dem un-
gleichen Temperament der Pferde angesichts dos sehr un-
gleichen Grades der Eecurrenslähmung nur dann den Stenosen-
ton erzwingen, wenn sie zufällig den im gegebenen
Falle vorliegenden, aber bis dahin unbe-
kannten Verhältnissen entspricht.
Für gewöhnliche Fälle mag sie zur Erkenntniss
vorhandenen Kchlkopfpfeifons genügen, zur Feststellung
des Freiseins von dem Fehler genügt sie
nicht!
Ich bemerke hierbei, dass Fälle vorkommen, in welchen
solche Untersuchungen bei Pferden versagen, welche bereits
ein halbes Jahr, ja sogar Jahr und Tag notorisch geringgradige
Pfeifer waren.
Bei geringgradigstem Leiden tritt das Bohren
oft nur momentan und zwar nur bei extremstem Druck
der Luftsäule auf den Kehlkopf hervor.
Derselbe Hergang findet auch bei geringerem Uobel
statt, nur pflegt bei diesen der Stenosenton unter obigen Ver-
hältnissen früher und bei jeder Inspiration einzutreten, auch
mit der Dauer der Anstrengung (Zunahme des Luftdrucks)
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heftiger zu werden, aber auch hier sistirt er meistens sofort
mit Aufhören der Ursache. *)
Höhcrc Grade äussern sich schon bei massiger Be-
wegung und sonstiger Anstrengung, sowohl beim Eeiten wie
beim Fahren, selbst ein plötzlich rasches Einathmen, wie
solches nach forcirtem Hustem, Schlagen oder Stossen mit
Stock **) etc. eintritt, löst mannigfach momentan den Ste-
nosenton, wenn auch im geringen Grade, so doch dem geübten
Ohr erkennbar, aus. Bei solchen Pferden nimmt der Ton mit
der Anstrengung an Vernchmlichkeit zu, wird oft sehr laut,
hiemend, wobei alsdann die Nasenlöcher weit geöffnet er-
scheinen, ccssirt aber auch dann, sobald das Pferd angehalten
wird, meist sofort. Die aufgeregte Eespiration beruhigt sich
sehr rasch.
In sehr hohen Graden tritt sogar im Stande der
Ruhe, besonders beim eifrigen Fressen von Hafer aus
hoher Krippe ***), der charakteristische Ton hervor, bei der
Bewegung tritt rasch starkes Hiemen ein. Werden solche
Thierc etwas forcirt, besonders im Trab oder gar im Galop,
sei es vor dem Wagen, unter dem Reiter oder an der Longe,
so artet das Hiemen rasch in ein förmliches Brüllen aus,
welches in der Suffokationsnoth auch bei der Expiration
fortbesteht, weil die Expiration zu kurz ist, um die durch
Luft gespannte Stimmtasche zu entleeren und damit der
Luftpassage Raum zu schaffen. Die Nasenlöcher sind auf
das Aeusserste aufgerissen, ihre Ränder machen keine Be-
*) Diese Erfahrungen werden von gewandten Verkäufern oft zu
Täuschungen benutzt; sie vermeiden, ihrem Vonheil entgegen, das auf-
geregte Mustern der Thiere eventuell unter dem Vorgeben, dass der vor-
führende Mann krank sei etc., lassen das Pferd nur vom Beschauer ab im
Trabe fortgehen, lassen es weit laufen, sobald sieh ein Ton vernehmen
lässt, anhalten und im Schritt zurückkehren etc. Vor dem Wagen suchen
sie alle Aufregung des Thieres zu vermeiden, fahren am liebsten nur
mögliehst weit vom Beschauer schärferes Tempo, welches bei dem ersten
Laut gemässigt wird etc., ebenso lassen sie die Pferde unter dem Beiter
auseinandergehen, entfernen sieh nach Bedürfniss mit dem Pferde möglichst
weit, vermeiden geschrobenen Gang, besonders beim eventuellen Galop.
Alles wird nach dem Grade des Pfeifens rechtzeitig ausprobirt, um die
innezuhaltenden Grenzen genau festzustellen.
**) Die viel auf Märkten oder sonst geübte Probe, die Pferde bei
hochaufgerichtetem Halse und seitwärts gestelltem Kopfe plötzlich mit dem
Knüppel kräftigst in die Bippen zu stossen, löst bei Pfeifern oft ein
Brummen oder den charakteristischen Kehlkopfton aus, weil die Pferde
dadurch behufs sofortigen Feststellens der Bippen etc. zur Kraftäusserung,
zum extrem beschleunigten, tiefen Einathmen gezwungen werden. Das
Brummen beweist übrigens nicht ohne Weiteres das Vor-
handensein des Kehlkopfpfeifens.
***) Bei solchem eifrigen Fressen verschiebt das Pferd das Einath-
men so lange wie möglich und muss dann nothgedrungon schleunigst
eine grössere Luftsäule inspiriren etc.
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wegungen mehr, sondern stehen fest oder zittern. Die
Respirationsmuskeln arbeiten mit grösster Anstrengung,
können die Eippen aber nur soweit erheben, wie solches
das Einströmen der Luft zulässt. Oessirt dieses, so schliesst
die Inspiration mit quiekendem Ton ab, die Erweiterung
des Brustkorbes wird noch während eines kurzen Momentes
erstrebt, doch sinken dabei die Interkostalräume ein, weil
die Expansionsfähigkeit der in den Lungen enthaltenen
Luft rasch erschöpft ist, dann sinken auch die Rippen mit
raschem Stoss zurück. Wird die Bewegung nicht unter-
brochen, so stürzen manche Pferde asphyktisch zusammen,
erholen sich aber meistens wieder, andere verenden an Er-
stickung. Durch Zuhalten der Nasenlöcher bis auf ein
Minimum wird der Luftdruck auf den Kehlkopf gemindert
und dadurch die Gefahr eventl. beseitigt;*) man lässt nur
allmählich wieder mehr Luft einströmen.
Für die Untersuchung hat man einen möglichst
ruhigen freien Platz auszusuchen und während derselben
alle ablenkenden Unterhaltungen etc. zu vermeiden man
darf nur Ohr für das Untersuchungsobjekt haben und muss
seine ganze Aufmerksamkeit unentwegt auf dasselbe kon-
zentriren. Wenn man das Pferd nicht selber reiten oder
fahren kann, was ganz unbedingt zu empfehlen, wird die
Untersuchung am besten so vorgenommen, dass man sich
stets in möglichster Nähe des Thieres halten kann, welches
durch Bewegung desselben im massig grossen Kreise von
etwa 10 Meter Halbmesser erreicht wird. Man stellt sich
in die Mitte desselben und tritt von hier aus nach Bedürf-
niss an das vorbeipassirende Pferd heran.
Es wird auch wohl empfohlen, die mjt dem einen Zügel
ausgebundenen Pferde an dem anderen in so kurzem Kreise,
dass man sie mit dem Stock oder kurzer Peitsche erreichen
kann, um sich herum zu treiben; hierbei wird allerdings
bei Forcirung des Thieres der Stenosen ton leichter hervor-
gerufen, indessen sind die Pferde zugleich allerlei Be-
schädigungen, als Kronentritten, Verstauchungen etc. aus-
gesetzt — Gefahren, deren Herbeiführung ein Sachverständiger
nicht verantworten kann.
Eine Untersuchung der Pferde in den ihnen zuge-
wiesenen Dienstverhältnissen, wie Möller 1. c. verlangt,
habe ich niemals erforderlich gefunden - - es handelt sich
*) Diese Erfahrung hat Anlass gegeben, dass man, um das Pfeifen
zu hindern, betrüblicherweise dem Kehlkopfpfeifer ein Nasenloch verstopfte
oder durch niedrig und fest angelegten Nassnriemen den Zutritt der Luft
verminderte.
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ja nicht darum, ob das Pferd in diesem oder jenem
Dienste röhrt, sondern darum, ob es überhaupt Pfeifer ist
oder nicht.
Ist die Gegenwart des Pfeiferdampfes festgestellt, so
handelt es sich nun noch um die Frage, welche spezielle
Ursache dem vorliegenden Falle zu Grunde liegt. Da bei
mindestens 96 Prozent aller Pfeifer die linksseitige Becürrens-
lähme den Anlass abgibt, so liegt es nahe, Mittel und Wege
aufzusuchen, welche solche nachzuweisen vermögen.
Die ersten auch noch gegenwärtig vollgültigen der-
artigen Untersuchungen sind von Fr. Günther angestellt
(cf. 1. c. p. 378). Er äussert sich bezüglich derselben folgender-
massen : „ . . Der gelähmte Giesskannenknorpel giebt nämlich
einem massigen Drucke des Fingers tief nach, tritt in
die Stimmritze tief ein und beengt so deren Raum in nach-
theiligem Grade, während der gesunde Giesskannenknorpel
einem gleichstarken, massigen Drucke widersteht
und jene Erscheinungen nicht beobachten lässt. . . Be-
sonders aufmerksam muss ich darauf machen, dass der Druck
auf den Giesskannenknorpel der einen und anderen Seite
massig und genau gleichstark sein muss, will man
ein richtiges Resultat gewinnen. Uebrigens kann das ge-
wonnene Resultat auch durch verstärkten Druck auf
den gesunden Gieskannenknorpel kontrolirt werden. Wird
nämlich ein so starker Druck auf den gesunden Giesskannen-
knorpel angebracht, dass derselbe wie zum Schliessen ge-
stellt wird, so stockt der Athem sofort, weil der gelähmte
ohnedem schon wie zum Schliessen der Stimmritze gestellt
ist und sein Erheben bei gelähmten Muskeln nicht bewirkt
werden kann. Die Untersuchung in der vorstehenden Form
setzt übrigens einen freiliegenden Kehlkopf voraus, Pferde
mit kurzen, dicken Hälsen lassen sich kaum in der ange-
gebenen AYeise (Fixirung des Kehlkopfes von unten und
dann Uebergreifen mit dem Finger) genau untersuchen." *)
Fr. Günther fügt dem noch besonders hinzu: „Es ist be-
greiflich, dass solche Untersuchung Sachken ntni ss und
Lokal ken ntniss, sowie eine gewisse Ge wandth eit und
Uebun g voraussetzt, die übigens leicht erworben werden
können."
*) Bei starken Bohrern, besonders bei aufgeregter Respiration,
muss man mit dieser Untersuchung sehr vorsichtig sein, es kann dabei der
Fall eintreten, dass infolge des grossen Luftbediirfnisses der Kehlkopf ganz
geschlossen wird und die Thiere zu ersticken drohen. — Beschränkung des
Luftdruckes im Kehlkopf durch Zuhalten der Nasenlöcher bis auf geringe
Oeffnung pflegt den beängstigenden Zustand, wenn auch nicht sofort, so
doch bald zu beseitigen (cf. Topogr. Myol. p. 08).
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Ich habe diese Art der Untersuchung fortgesetzt und
gefunden, dass man bei Lokalkenntniss durch aufmerksame
Uebung bald dahin gelangt, den entscheidenden Druck auf
die Aryknorpel, auch ohne andere Fixirung des Kehlkopfes
von unten, in vorgeschriebener Weise mittelst des Zeige-
fingers durchzuführen, man kann dann auch bei weniger
günstiger Kehlkopfslage diese Untersuchung sehr oft noch
erfolgreich benutzen. In anderen Fällen erreicht man die
Unterstützung des Kehlkopfes am einfachsten durch Unter-
legen des Daumens der untersuchenden Hand unter den
unteren Band des Schildes.
Kann auf solche Weise die Gegenwart der Recurrens-
lähmung sehr wohl nachgewiesen werden, so wird dadurch
doch noch nichts bezüglich der Zeitdauer ihrer Gegen-
wart entschieden — in forensischer Beziehung gerade die
wichtigste Frage. Es lag deshalb nahe, womöglich auch
in dieser Beziehung die Lokaluntersuchung nutzbar zu
machen. Möller gibt darüber an (1. c. p. 29), „dass es
ihm sehr oft gelungen sei, die Muskelatrophie bei warm-
blütigen Pferden durch Untersuchung mittelst des Fingers
auf der Kingplatte bei massig gestrecktem Kopfe festzu-
stellen." Ich habe solche Untersuchungen recht oft angestellt
und bin zu dem folgenden Resultate gekommen:
Die Feststellung der Atrophie begegnet nicht unerheb-
lichen Schwierigkeiten, deren Ueberwindung nicht in der
Hand des Untersuchenden liegt; nicht nur die deckende
Haut, sondern namentlich auch der Schiundkopf, dessen Dicke
sehr ungleich ist, bilden natürliche Hindernisse. Selbst bei
sektionsmässig festgestellter, sehr hochgradiger Atrophie
war das Untersuchungsresultat unsicher und namentlich
nicht derart, dass ich es mit dem Sachverständigeneid hätte
vertreten mögen. Der Finger erkennt nur zu leicht eine
Atrophie, deren Vorhandensein man zuversichtlich vor-
aus s e t z t.
Eine manuelle Untersuchung per os ist nur ausnahms-
weise durchzuführen, wenn nämlich der sehr verschieden
weite Eingang zur Rachenhöhle weit genug ist, um die
untersuchende Hand, die bekanntlich ebenfalls sehr ver-
schiedenen Umfang hat, passiren zu lassen, sie kann dann,
sobald man die Furcht vor den Zähnen überwunden hat,
(eventl. auch ohne Maulgatter) sehr wohl durchgeführt
werden; das Resultat der Untersuchung wird aber durch
den beim Berühren des Schnäuzchens der Aryknorpel sofort
eintretenden Schluckakt sehr beeinträchtigt und unklar:
sie bleibt auf die Pausen der sich folgenden Schluckbe-
wegungen beschränkt.
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Neuerdings hat man die Benutzung des Kehlkopf-
spiegels empfohlen. Durch denselben kann man die Be-
wegungen der Glottis übersehen und glaubt man deshalb
denselben als Mittel zur Feststellung der Recurrenslähmung
benutzen zu können. Bei geringgradigem Kehlkopf-
pfeifen ist die Bewegung der Glottis bei ganz ruhiger
Respiration so gering, dass man sie nur eben sehen kann,
auch steht der linke Aryknorpel nur sehr wenig niedriger
wie der rechte, das Stimmband ist nicht wesentlich atrophirt
und die Stimmtasche nicht auffallend weiter geöffnet wie an
der rechten Seite. Man muss schon sehr gut ein-
geübt sein, wenn man diese Verhältnisse er-
kennen will. Durch erregtere Respiration (cf. oben) wird
die Feststellung der Lähmung begünstigt.
Mittelst des Kehlkopfspiegels kann also die Recurrens-
lähmung eventl. festgestellt werden, doch wird dadurch
weiter nichts erreicht, als was durch rationelle Untersuchung
bislang eben wohl und sicher festgestellt werden konnte.
Ueber die Zeit der Gegenwart des Leidens dürfte auf
diesem Wege bislang auch kein Nachweis zu gewinnen
sein, da die Beurtheilung fortgesetzt wiederholte Uebung
bei Pfeifern und Nichtpfeifern voraussetzt, zu deren Er-
langung nur Wenigen Gelegenheit geboten sein dürfte, zumal
sich durchaus nicht alle Pferde die Einführung des Spiegels
ohne besondern Zwang gefallen lassen, und der Grad der
Lähmung über die Zeit ihrer Gegenwart nichts
entscheidet.
Gewährszeit.
Das Kehlkopfpfeifen in Folge Recurrenslähmung ist
ein Krankheitszustand, welcher in kürzester, noch nicht
einmal nach Stunden bemessener Frist festgestellt werden
kann. Der Nachweis, dass solche plötzlich verschieden-
gradig entstehen kann, ist geführt; aus den bei den Ur-
sachen angegebenen Gründen erhellt, dass eine örtliche
Erkrankung, welche auf den Nerv übertritt, nur in den
seltenen Fällen vorkommt (unter einigen tausend Fällen
etwa einmal), in welchen der Nerv nicht nur neben dem
Krankheitsherde liegt, sondern in denselben einbegriffen ist,
und dass Drucklähmung durch Geschwülste etc., selbst wenn
sie nachgewiesen sein würde, wegen ihrer grossen Selten-
heit irrelevant bleiben muss; dass dagegen Infektionskrank-
heiten, rheumatische, resp. toxische Einflüsse diesen Nerv
ebenso alteriren können, wie andere Nervenstämme und die
Zentralorgane des Nervensj-stems selber etc.
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Der Eintritt der Recurrenslähmung erfolgt ohne
irgendwelche nachweisbare Veränderung der
Substanz des Nerven. Diese ist bislang ausschliess-
lich nach längerem Bestehen nachgewiesen. Sie
gehört also zu den Neurosen. Ueber die nicht
materiellen Vorgänge im Nerv, durch welche die Funktion
beeinträchtigt oder aufgehoben wird, wissen wir bislang
gar nichts*), wir sehen selbst manche Nervenlähmungen
und Leiden ebenso plötzlich wie sie aufgetreten sind schwinden,
von einem Nerv auf einen anderen springen, und zwar ohne
auch nur eine Spur ihrer Gegenwart zu hinterlassen.
Aus bei Lebzeiten erkennbaren Veränderungen
kann bislang ein Nachweis über die Zeit der Gegenwart
des Leidens nicht geführt werden, wohl aber kann das Er-
gebniss der Section ein längeres Bestehen derselben fest-
stellen.**) Aus diesen Gründen hat die althannover'sche
Schule schon früher, vor 1859 (cf. Jahresbericht 1871 pg. 120)
vor der Zurückdatirung der Becurrenslähmung bei lebenden
Pferden Abstand nehmen müssen.
*) Eine materielle Veränderung im Nerven kann selbst nach viele
Monate bestandener Lähmung und danach erfolgter grossartiger Muskcl-
atrophie ausgeschlossen sein, wie aus nachfolgendem Beispiel hervorgeht:
Mein Hühnerhund litt vom Herbste her an Paralyse des rechten Kreuz-
geflechtes, konnte also den Schenkel nicht benutzen, die Atrophie war im
Sommer so bedeutend geworden, dass der Schenkel im höchsten Grade ab-
gemagert erschien. Im Augast fehlte es an einem Hunde zur Entenjagd.
Ich arbeitete den Schenkel, den Nervenzügen folgend, 10 Minuten lang,
trotz des Elagens des Hundes mittelst elektrischer Ströme aus dem
elektro-magnotischen Induktionsapparat (mit einem Element) nachdrück-
lich durch, worauf er den Schenkel nicht nur sofort benutzen konnte, son-
dern auch anderen Tages die sehr anstrengende Wasserjagd mitmachte
und Abends auf allen Vieren munter heimkehrte. Den folgenden Tag war
jedoch der Schenkel wieder völlig unbrauchbar. Erneute elektrische Be-
handlung stellte die iServcnthätigkeit sofort wieder her. Der Schenkel er-
langte auffallend rasch seine natürliche Fülle wieder und hat mir der
Hund noch jahrelang, ohne Becidiv, gedient
**) Möller (1. c. p. 15) gibt an, er habe nach Durchschneiduug des
N. laryng. sup. sechs Wochen später sämmtliche Kehlkopfmuskeln der
betr. Seite „atrophisch", und bei einem anderen Pferde viereinhalb
Monat nach der Operation ..hochgradige Atrophie" derselben ange-
troffen und behauptet, dass bei beiden Pferden bis kurz vor dem Tode die
Abwesenheit des Kehlkopfpfeifens festgestellt sei, und dass daher die bei
der Sektion gefundene Atrophie nicht beweisen könne, dass das Pferd' bei
Lebzeiten Kehlkopfpfeifer gewesen. — Diese Möllersche Behauptung ist
bis auf Weiteres völlig irrelevant, und zwar weil seine Untersuchungs-
methode zur Feststellung des Kehlkopfleidens nicht ausreichend ist und
weil dieser Nerv mit der notorischen Innervation der Kehlkopfmuskeln gar
nichts zu schaffen hat: die Unrichtigkeit der Möller'schen Behauptung bat
Professor Munk in einem Vortrage in der „Physiolog. Gesellseh." nach-
gewiesen (cf. Arch. f. wissensch. und prakt. Thierheikuude Bd. XIX, 3).
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Ich gebe gern zu, dass in der überwiegenden Mehr-
zahl aller gerichtlichen Fälle die nachgewiesene Recurrens-
lähme bereits längere Zeit bestanden haben mag und dass
praktische Gründe für ausgedehntere Garantie sprechen
mögen, aber ein Beweis ist wissenschaftlich nicht zu
kostruiren; jede Annahme einer Zeit, binnen welcher
die Lähmung nicht entstanden sein könne, bleibt
deshalb eine durchaus willkürliche, die nach dem
Standpunkte des Sachverständigen ad libitum modi-
fizirbar ist.
Die Behauptung, „dass nach der thatsächlichen Er-
fahrung darüber kein Zweifel bestehen kann, dass sich die
Entwicklung des Fehlers in allen Fällen langsam voll-
ziehe" (Dieckerhoff 1. c. p. 11) hat nur bezüglich der
bekannten, meistens langsamen Fortentwicklung, nicht
aber bezüglich der Entstehung desselben Berechtigung.
Selbst bei nach Infektionskrankheiten zu Tage tretendem
Rohren kann allenfalls nur die Möglichkeit eines Zu-
sammenhanges zugestanden werden, mehr aber nicht, da die
Thiere durch dieselben gegen andere nervenlähmende Ein-
flüsse nicht gefeit, ja in ihrem geschwächten Zustande den-
selben vielleicht erst recht zugänglich sind und auf ererbte
Anlage immer Rücksicht zu nehmen ist.
Bezüglich der in neuerer Zeit wiederholt beobachteten
toxischen Recurrenslähmung genügt das vorhandene Material
noch nicht zur allseitig sicheren Beurtheilung.
Alle solche Ursachen sind übrigens nur sehr aus-
nahmsweise vorhanden und haben deshalb überall nur
eine höchst untergeordnete Bedeutung. Der Diecker-
hoff'sehe Ausspruch (1. c. p. 11) „gegenüber diesen Er-
fahrungen ist es nicht angebracht, bei einem Pferde, bei
welchem innerhalb der ersten 4 Wochen nach der ent-
scheidenden Zeit (Handelsabschluss, Uebergabe, letzteres
im Bereich der Gültigkeit des preuss. Landrechtes) das
Kehlkopfpfeifen festgestellt wird, eine schnelle, resp. inner-
halb einer kürzeren Frist geschehene Ausbildung behaupten
zu wollen",*) kann den vorstehend erörterten Thatsachen
*) Für diese seine Behauptung bringt er ausser Theorien keine
anderen Unterlagen bei, als 1. dass er in den letzten Jahren vier Fälle
genau zu beobachten Gelegenheit hatte, in welchen erst sechs bis resp.
neun Wochen nach Ablauf der spezifischen Brustkrankheit sich der Fehler
bemerklich machte und allmählich einen höheren Grad erreichte (1. c. pg. 8)
2. die Behauptung, „dass keine Thatsachen vorliegen (?G.), aus welchen
geschlossen werden könnte, dass die nach der kontagiösen Pneumo-Pleuritis
oder nach der „Scalma" eatstehende Recurrenslähme schnell und resp. in
weniger als vier Wochen sich ausbilde" und fügt dem hinzu: „Im
Uebrigen gehört erfahrungsmässig die Entstehung der Recurrenslähmung
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gegenüber fernerhin nicht wohl aufrecht erhalten werden.
Wäre die Dieckerhoff'sche Ansicht zutreffend, so bedürfte
es überhaupt keiner bezüglichen Sachverständigen-Gutachten,
man könnte dann einfach gesetzlich festlegen, dass jeder
Verkäufer vier Wochen lang für Kehlkopfpfeifen, ohne
weiteren Beweis, einzustehen habe — sehr bequem für den
Käufer, ob aber ebenso gerecht, unterliegt doch wohl dem
Zweifel.
Der Verkäufer würde dadurch eventuell für Zucht-
fehler und sonstige Vorkommnisse büssen müssen, für die
ihn keine Verantwortlichkeit treffen kann; eine vierwöchige
Garantie hat solchen gegenüber ebenso wenig hinlängliche
Basis, wie die Hildesheimsche Verordnung vom 10. Dez.
1784 mit 12wöchiger Garantie.
Der Nachweis, dass das Leiden bereits vor dem ent-
scheidenden Tage bestanden habe,* kann bezüglich lebender
als Folge der hier besprochenen akuten Krankheiten zu den excep-
tionellen Ereignissen" (1. c. p. 9) und endlich 3. dass seit langer Zeit in
Preussen bei Erstattung massgebender Obergutachten die kürzeste Ent-
wicklungsfrist auf vier Wochen normirt worden sei (1. c. p. 11). Aus
diesen Unterlagen kann aber eine 4wöchige Entwicklungsfrist nicht abge-
leitet werden, da garnicht feststeht, wann die Lähmung entstand.
Anmerkung, Die 4wöchige Garantie stützt sich ganz aus-
schliesslich auf den Anhang § 14 zu § 205 Theil I Tit. 11 des
Preussischen Landrechts von 1793. Zur Zeit der Emanation desselben gab
es noch gar keine Veterinärwissenschaft, die Kenntniss von Krankheiten
beschränkte sich nachweislich auf Zusammenstellungen mehr oder we-
niger richtig erkannter Symptome. Pathologisch-anatomische Unterlagen
gab es noch gar nicht. Von einem Studium der Krankheiten bezüglich
ihrer Entwicklungszeit konnte, da man sie selber ja gar nicht kannte,
noch keine Rede sein. Speciell bezüglich des Kehlkopfpfeifens ist nachzu-
weisen, dass dessen Ursache 40 Jahre später (bis 1834) noch nicht bekannt
war; man hatte bis dahin die grob in die Augen fallenden Veränderungen
der Kehlkopfmuskeln, welche dasselbe begleiten, noch nicht entdeckt, seine
eigentliche Ursache, die Lähmung des N. recurrens wurde derzeit erst fest-
gestellt (cf. Fr. Günther, Nebel & Vix, Bd, 1). Die Möglichkeit, eine Ent-
wicklungsfrist bestimmen zu können, lag damals also noch gar nicht vor.
Die im Landrecht aufgenommene Gewährsfrist entbehrt sonach jeder Unter-
lage, sie ist total willkürlich, sie steht aber mit dem heutigen
Stande der Wissenschaft in schroffestem Widerspruch! Bislang hat denn
auch noch in keinem einzigen Falle der Nachweis geführt
werden können, dass die Recurrenslähmung, also das Kehlkopfpfeifen,
einer langsamen, etwa vierwöchigen Entwicklungsfrist
bedürfe um erkennbar hervorzutreten, vielmehr ist nachgewiesen, dass
dynamische Nervenlähmungen, zu welchen auch die Recurrensläh-
mung gehört, ohne eine Entwicklungsperiode durchzu-
machen, urplötzlich hervortreten, dass also die landrechtliohe 4wöchige
Entwicklungsperiode lediglich ein Phantasiegebilde war und auch
geblieben ist!
Sollte der starre Buchstabe des Landrechts heutzutage denn noch
pro foro in Anwendung kommen, so hiesse das die Wissenschaft ignoriren
und die Rechtsprechung um ein Jahrhundert zurückschrauben!
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Pferde nur durch den höchst misslichen Zeugenbeweis er-
bracht werden.
Uebrigens wird dadurch der Erwerber auch in keiner
Weise in seinem guten Eechte gekränkt, da das Leiden
in kürzester Frist festgestellt werden kann. Die zur Her-
beiführung der Untersuchung erforderliche Zeit muss dem
Käufer unter allen Umständen gelassen werden und müsste
der Verkäufer während derselben haftpflichtig bleiben; sie
darf jedoch nicht über das erforderliche Mass hinaus er-
streckt werden. Ein Zeitraum von vier mal vierund-
zwanzig Stunden dürfte zum Ausprobiren des Thieres
und zur Herbeiführung der Feststellung des Fehlers, wenn
auch — in Ermangelung eines Sachverständigen — zunächst
nur in Gegenwart unverdächtiger Zeugen, im Allgemeinen
völlig genügen.
Eine wissenschaftlich nicht zu begründende weitere
Ausdehnung der Gewährslast des Verkäufers könnte nur
mit der bei Pferdenutzern sehr verbreiteten Unkenntniss,
resp. Indolenz der Käufer motivirt werden. Die wenigen
Fälle, in welchen trotz des guten Willens des Käufers eine
rechtzeitige Untersuchung resp. Feststellung ausnahmsweise
nicht herbeigeführt werden kann, bieten keine genügende
Unterlage, aufzustellende Rechtsnormen zu erschüttern. —
Das alte Sprichwort: „Wer die Augen nicht aufmacht,
macht den Beutel auf," findet auch hier mit Recht An-
wendung. —
Gutachten
des Prof. Dieckerhoff und der Techn. Deputation.
In Folge eines über Kehlkopfpfeifen entstandenen Rechts-
streites sind in neuester Zeit vom Professor Dieckerhoff und
von der Königl. Techn. Deputation für das Veterinärwesen in
Berlin unter Uebersendung der Processakten Gutachten ein-
geholt, deren Ausführungen ich in der Deutschen Thierärzt-
lichen Wochenschrift entgegengetreten bin. Die so ent-
standenen Schriftstücke gewähren in forensischer Beziehung
eine genaue Uebersicht des heutigen Standes der Ansichten
über dieses Leiden, ich lasse sie deshalb hier folgen.
Der diesen Gutachten zu Grunde liegende Thatbestand
ist kurz folgender:
Thatbestand.
Kläger kaufte am 29. 9. 93 vom Beklagten eine englische
Fuchsstute (gegen 7 Jahre alt), nachdem dieselbe eod. dato
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von der Offizierpferde-Kommission auf Diensttauglichkeit
und ganz speziell auch auf Kehlkopfpfeifen untersucht worden
war: der der Kommission angehörige Oberrossarzt bezeugt
in seinem Fundschein, dass bei dieser Untersuchung auch
nicht das geringste Kehlkopfgeräusch wahr-
genommen werden konnte. Das Pferd wurde am 5.10.93
dem Kläger per Eisenbahn zugesandt. Der Kläger schrieb
am 8.10. dem Beklagten, dass das Pferd am 6. und 7. sehr
gut gegangen sei und drückte ihm seine Zufriedenheit mit
demselben aus, ebenso auch am 11.10.
Am 9.10.93 wurde, wie sich weiterhin ergab, bei dem
Pferde ein lauter Athem beobachtet und am 20. und 23. das
Vorhandensein des Kehlkopfpfeifens festgestellt und als dessen
Ursache Kecurrenslähmung erkannt. Im Laufe des Processes
wurde nachgewiesen, dass das Pferd beim Beklagten niemals
am Kehlkopfpfeifen litt, stets gesund gewesen, und auch beim
Kläger bis zur Feststellung des Kehlkopfpfeifens an sonstiger
Krankheit nicht gelitten und auch nicht gehustet hat.
Gutachten
des Prof. Dr. Dieckerhoff (Berliner Thierärztl. Wochen-
schrift 1895 Nr. 9 pg. 97 ff.)
„Der Fehler beruht auf einer Lähmung des Bewegungs-
nerven und des von demselben abhängigen Muskelapparats der
linken Seite des Kehlkopfes. Nach der wissenschaft-
lichen Erfahrung kommt dieser Krankheitszustand
stets ganz allmählich zur Ausbildung, und es vergeht
eine Zeit von mehr als 4 Wochen, bevor derselbe
einen so bedeutenden Grad erreicht, dass sich die Erschein-
ungen bei anstrengenden Arbeitsleistungen der Pferde und
wenn hierbei der Kopf der Thiere stark gegen den Hals
herangezogen (beigezäumt) wird, bemerklich machen.
Mehrfach ist zwar in der thierärztlichen Literatur behauptet
worden, dass sich der Fehler ausnahmsweise in einer kürzeren
Zeit ausbilden könne, aber thatsächlich bewiesen ist eine
solche Annahme nicht. Die betreffenden Fälle erklären sich
vielmehr dadurch, dass im Entwickelungsstadium des Kehl-
kopfpfeifens die Symptome bei der Arbeitsleistung der Pferde
noch nicht hervortreten, bezw. dass die charakteristischen
Merkmale sich erst kundthun, nachdem die krankhaften
Veränderungen des Kehlkopfes einen höheren Grad erreicht
haben. Wenn in solchen Fällen der fehlerhafte Zustand
längere Zeit hindurch unbemerkt geblieben ist, so liegt des-
halb noch kein Grund vor zu der Annahme, dass derselbe
in kürzerer als nach der wissenschaftlichen Erfahr-
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— 69 —
ung feststehenden Zeit seine Ausbildung gefunden hat.
Bei der Section von Pferden, welche erst seit einigen Tagen
die Symptome der Krankheit geäussert haben und zufällig
zu Grunde gegangen sind, werden auch am Kehlkopfe stets
ältere Veränderungen gefunden, deren Zustandekommen eine
Frist von mehr als 4 Wochen erfordert ....
Die Schlussfolgerung, dass das am 20 und 23. Oktober
1893 konstatirte Kehlkopfpfeifen auch schon 4 Wochen früher
im Keime vorhanden, bezw. in der Entwicklung
gewesen ist, rechtfertigt sich nach den wissenschaft-
lichen Erfahrungen über die Ausbildung des in Rede
stehenden Fehlers.
Gegenüber diesen Erfahrungen können die Befundangaben
des Oberrossarztes F. über die Untersuchung des Pferdes
vom 29. Sept. 1893 nicht darthun, dass der Fehler zu jener
Zeit noch nicht vorhanden, bezw. noch nicht in der Ent-
wicklung gewesen ist; denn bei den am Kehlkopfpfeifen
in geringem Grade leidenden Pferden wird nicht selten be-
obachtet, dass zeitweise auch durch eine ziemlich
bedeutende Anstrengung der Thiere und starke Bei-
zäumung des Kopfes die Symptome des Pfeifens nicht h e r-
vorgeru fen werden, während zu andern Zeiten die Merk-
male sich bei der Arbeitsleistung der betr. Pferde deutlich
hervorthun. Es kann demnach auch bei dem hier streitigen
Pferde, der Fehler des Kehlkopfpfeifens sehr wohl schon am
29. Sept. 1893 in der Au sbi 1 düng begriffen, bezw. im
Keime vorhanden gewesen sein, wenn auch bei der
von F. beschriebenen Untersuchung ein lauter Kehlkopf-
ton nicht vernommen wurde. (Anmerkung des Verf.: in dem
bei den Akten befindlichen Fundschein ist von einem lauten
Kehlkopfton keine Rede, es heisst daselbst; dass 'auch nicht
das geringste Kehlkopfgeräusch vorhanden war.)
Gutachten.
Die Krankheit des Kehlkopfpfeifens, wie
solche vom Oberrossarzt D. und vom Rossarzt E.
nach dem Atteste vom 26. Okt. 1893 bei dem hier
streitigen Pferde festgestellt ist, bedarf zu ihrer
Entwickelung eines Zeitraumes von mindestens
4 Wochen.
Berlin, den 3. Febr. 1894.                 Dr. Dieckerhoff.
Auf desfallsiges Ansuchen des Beklagten habe ich auf
Grund von demselben erhaltener Data das nachstehende
Privatgutachten abgegeben.
                                     }
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— 70 —
Privat-Gegengutachten*) des Verfassers.
„Ein wissen schaft lieh begrün de ter Nachweis,
dass das bei der fraglichen Stute am 20. und
23. Oktbr. 1893 festgestellte Kehlkopfpfeifen be-
reits am Verkaufstage, den 29. September, oder
gar 4 Wochen vor Kundwerdung des Fehlers,
wenn auch nur im Keime, bestand, ist in keiner
Weise zu erbringen.
Gründe:
Die paralytische Form des Kehlkopfpfeifens liegt in 100
Fällen etwa 96 mal vor, sie ist auch in diesem Falle als
vorhanden nachgewiesen worden. Sie wird durch die Läh-
mung des Nervus recurrens und nicht durch die
erst sekundäre Muskelatrophie veranlasst.
Die Funktion der Nerven, speziell auch der Bewegungs-
nerven, so die des hier fraglichen Nervus recurrens, kann
auf verschiedenem Wege beeinträchtigt werden und zwar
durch materielle Aenderung der Nervensubstanz und durch
anderweite Einflüsse, bei denen materielle Veränderungen
derselben bislang nicht nachweisbar sind. Erstere sind
in ihrer Entwicklung ev. zu verfolgen, letztere nicht.
Wenn deshalb die wissenschaftliche Erfahrung
angerufen wird, um eine langsame Entwicklung . nach-
zuweisen, welche mehr als oder mindestens vier Woehen
beanspruche, um zu dem Grade zu gelangen, dass die
Lähmungserscheinungen endlich hervortreten, so könnte
sich das nur auf diejenigen Fälle beziehen, in welchen der-
artige organische Veränderungen des Nerven positiv
nachweisbar sind — bei lebenden Thieren sind solche
Nervenveränderungen nicht festzustellen.
Nun aber liegen solche Nachweise materieller Ver-
änderungen des fraglichen N e r v e n überhaupt nur nach
sehr lange Zeit bestandener Lähmung vor, sie
fehlen aber sehr vielfach noch nach vielen Monaten und
längerem Bestehen des Kehlkopfpfeifens, trotz der in die
Augen fallenden Atrophie von ihm innervirter Muskeln. Die
Funktionsstörung des Nerven ist also bedeutend früher
vorhanden, als irgend welche für uns er kennbare Ver-
änderung der Substanz desselben. Die Zeit ihrer Entstehung
kann deshalb nur aus derFunktionsstörung erkannt
werden.
Auf materieller Basis ist die Behauptung einer an-
*) (Siehe Nr. 18 der Deutsch. Thierärztl. Wochenschr. 1894.)
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geblichen wissenschaftlichen Erfahrung also nicht
aufzurichten; diese beschränkt sich bislang auf die Beobacht-
ung, dass die Recurrenslähmung 6 bis 9 Wochen nach Ab-
lauf von Infektionskrankheiten auftreten kann. (Dieckerhoff,
Diagnose etc.) Von solchen aus kann aber, zumal sie über-
haupt nur Ausnahmefälle darstellen, nicht geschlossen
werden, dass die Entstehung von Recurrenslähmung
allgemein längere Zeit beanspruche, und zwar um so
weniger, als Nervenlähmungen, laut Erfahrung, nach jenen
in bedeutend kürzerer Zeit, ja sogar während
derselben plötzlich auftreten können, zu einer Zeit also,
in welcher organische Veränderungen der Nerven noch gar
nicht eingetreten sein konnten; auch ist bei solchen Infektions-
lähmungen bislang in keinem einzigen Falle eine
materielle Veränderung von Nerven recht-
zeitig, d. h. zu einer Zeit, wo die Dauer ihrer Gegenwart
noch erkannt werden konnte, nachgewiesen. Man hat diese
vielmehr nur willkürlich angenommen und bezüglich des
Recurrens ihre Möglichkeit darzuthun, erfolglos sich
bemüht (s. Dieckerhoff, Diagnose etc.): solche nicht weiter
zu basirende Theorien können aber nicht als Basis dienen,
und können darauf namentlich keine Schlüsse gestützt werden,
auf Grund deren eine Zeit normirt werden will, innerhalb
welcher die Recurrenslähmung nicht entstehen könne.
Kehlkopfpfeifen, welches nach Infektionskrankheiten auf-
tritt, ist, extreme Fälle ausgeschlossen, immer erst dann
festzustellen, wenn sich die Thiere so weit erholt haben,
dass sie der. dazu erforderlichen, in hohem Grade anstrengen-
den und starke Aufregung verlangenden Untersuchung unter-
zogen werden können: die Zeit der Entstehung der Lähmung
ist deshalb in solchen Fällen garnicht zu kontroliren, also
auch nicht festzustellen.
Auch von einem Keime oder einem Entwicklungs-
stadium des Fehlers kann beim Kehlkopfpfeifen keine
Rede sein, da etwas Materielles, welches sich weiter ent-
wickeln kann, bislang rechtzeitig im Nerv nicht nachgewiesen
ist, und, trotz Funktionsstörung, sehr oft auch weiterhin,
selbst nach sehr langer Zeit nicht hervortritt! Unbasirte
Keim- oder Entwicklungtheorien haben aber weder
wissenschaftlich noch forensisch irgend welchen
Werth.
Auch, wenn man eine langsame Entstehung der Recur-
renslähmung annehmen wollte, so würde man doch noch
nicht in der Lage sein, irgend einen Zeitraum zu
normiren, innerhalb welches sie nicht entstehen könne,
da jeder Anhalt darüber, was in dem Nerv vorgeht, fehlt
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und etwas für uns Unfassbares zeitlich nicht gemessen werden
kann.
Materielle Veränderungen des Nerven sind also
zur Störung seiner Verrichtung nicht erforderlich, wie weiter-
hin auch daraus erhellt, dass Nervenlähmungen oft von
einem Nerv auf einen anderen, mit sofortiger völliger
Wiedergenesung des erst befallenen, überspringen und dass
sogar Nervenlähmungen nach über halbjährigem Bestehen in
wenigen Minuten durch elektrische Ströme dauernd be-
seitigt sind, sowie auch daraus, dass die Funktion von Nerven,
auch die des Recurrens, im ganzen Umfange oder partiell
sehr verschiedengradig plötzlich gehemmt werden kann.
Solche den Materialisten unbequeme Erfahrungen, mit
denen die Notwendigkeit eines langsamen Aufbaues patho-
logischer Vorgänge im Nerven bis zur endlichen Lähmung
hin unvereinbar ist, suchen sie dadurch aus der Luft zu
schaffen, dass sie behaupten „plötzliche Lähmung des
Recurrens sei nicht erwiesen", wiewohl authen-
tische Nachweise vorliegen und sich der Recurrens
in dieser Beziehung in keiner Weise von anderen Nerven
unterscheidet. Sie glauben dieselbe auf Täuschung zurück-
führen zu dürfen, welche dadurch entstehen soll, „dass die
Symptome im E n t wicklun gsta dium (?) des Kehlkopf-
pfeifens bei der Arbeitsleistung noch nicht genügend hervor-
treten und deshalb übersehen werden". Dass geringgradiges
Kehlkopfpfeifen bei der gewöhnlichen Arbeitsleist-
ung möglicherweise nicht hervortritt, wird von Niemanden
bezweifelt, doch wird dadurch die Tragweite vorliegender
exakter Beobachtungen in keiner Weise tangirt oder gar
vermindert.
Zur Rechtfertigung des materiellen Standpunktes be-
hauptet man, „dass die Symptome des Kehlkopfpfeifens erst
hervortreten, nachdem die krankhaften Verände-
rungen des Kehlkopfes einen höheren Grad erreicht
haben", solches ist aber ganz ausschliesslich dann der
Fall, wenn daselbst pathologische Prozesse vorliegen, welche
nicht durch die Recurrenslähmung bedingt sind.
Auf solche allein ist auch die Angabe zu beziehen, dass
bei der Sektion von Pferden, welche erst seit einigen
Tagen die Symptome der Krankheit geäussert haben und
zufällig zu Grunde gegangen sind, auch am Kehlkopfe stets
ältere Veränderungen gefunden werden, deren Zustande-
kommen eine Frist von mehr als 4 Wochen erfordert" —
Ansichten, die sich mit den Resultaten meiner sehr ausge-
dehnten Untersuchungen und mit dem plötzlichen Entstehen
des Kehlkopfpfeifens nach rheumatischen und toxischen Ein-
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Aussen, bei welchen zunächst gar keine Veränderung an
den Muskeln zu finden sind, nicht in Einklang bringen
lassen. Wenn aber auch unter solchen Umständen die Folgen
der Recurrenslähmung gefunden wurden, so wird dadurch
doch nur nachgewiesen, dass die Lähmung in dem betreffenden
Falle bereits längere Zeit bestand und durch ordnungs-
mässige Untersuchung erkannt werden musste, obgleich
das Kehlkopfpfeifen unter den Verhältnissen, unter welchen
das Thier lebte, nicht bemerkt worden war. Es beweist
das aber keineswegs, dass eine langsame Entwicklung von
Veränderungen im Kehlkopfe erforderlich ist, um endlich
das Leiden hervortreten zu lassen.
Der Lähmung des Recurrens folgt die Lähmung der
bezüglichen Kehlkopfmuskeln und somit die Raumbeengung
der Luftpassage im Kehlkopfe, auf welcher das Kehl-
kopfpfeifen beruht, auf demFusse nach. Die
Muskeldegeneration ist die erst später eintretende
irrelevante Folge der fehlenden Innervation, also
nicht die Ursache der Funktionsstörung, sondern neben-
sächliche Erscheinung.
Der für die Luftpassage im Kehlkopf disponible Raum
wird lediglich dadurch beengt, dass der Aryknorpel etc. je
nach Lähmung des Recurrens durch die aspirirte Luft-
säule m. w. wiederstandslos in den Kehlkopfraum hinein-
gepresst wird, ob die Muskeln noch ihre Form etc.
besitzen, oder ob sie schon bis auf die letzte Spur
geschwunden sind, ist hierbei völlig belanglos;
nach Abschneiden des Nerven folgt trotz völlig-
intakter Muskeln sofort das Pfeifen. Von Bedeutung
wird die Muskelatrophie nur dann, wenn der Nerv etwa
früher oder später seine Funktion wiedererlangen sollte, und
nun an Stelle von Muskeln nur Residuen derselben vorfindet,
wodurch eine Heilung des Kehlkopfpfeifens natürlich ausge-
schlossen wird, und wenn es sich darum handelt, eine
längere Gegenwart des Kehlkopfpfeifens sektionsmässig
festzustellen; — bei Lebzeiten des Thieres ist aber ein
Sektionsbefund verborgen und fehlt hiermit jede Unterlage
für irgendwelche Fristbestimmung zu solcher Zeit.
Aus dem Grade des vorhandenen Kehlkopfpfeifens
kann auch nicht auf die Zeit des Bestehens der Lähmung
geschlossen werden, da derselbe lediglich davon abhängig
ist, in welcher Ausdehnung die Lähmung den Nerv trifft
und diese jederzeit, sogar in ganzem Umfange
erfolgen kann.
Eine einmal entstandene Recurrenslähmung macht im
Allgemeinen nur langsame Fortschritte oder bleibt wie sie
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.— 74 —
ist; ihr weiterer Verlauf pflegt ein chronischer zu sein; jedoch
folgt daraus ebensowenig, wie aus der langsamen Fortent-
wicklung des befruchteten Eies geschlossen werden kann,
dass die Entstehung der Befruchtung eine längere, etwa
nach Wochen zu bemessende Zeit beanspruche — dass die
Entstehung dieser Lähmung auf langsam fortschreitenden
Zuständen beruhe, welche von langer Hand her vorbereitet
sein müssten, um endlich die Erscheinungen der Lähmung
des Nerven in die Augen treten zu lassen.
Die Entstehung und der weitere Verlauf sind eben
ganz verschiedene Dinge.
Die zu beobachtende allmähliche Verschlimmerung des
Fehlers beruht darauf, dass die Funktion des Nerven nicht
sofort im ganzen Umfange erlosch, sondern dass Fasern
desselben in mehr oder weniger weit von einander liegenden
Zeiträumen, also nach einander ihre Funktion ein-
stellen, wie aus den verschiedenen Stadien der Degeneration
der Muskelfasern (selbst in ein und demselben Muskel neben
gesunden Fasern) nachgewiesen wird.
Die Vorgänge, welche der Funktionsstörung im Nerv
vorhergehen, entziehen sich, wie schon bemerkt, bislang, so-
bald sie nicht materieller Natur sind, unserer Beobachtung
vollständig; sie sind deshalb für uns wissenschaftlich
und forensisch erst von dem Zeitpunkte an vor-
handen, zu weichem die Lähmungserscheinungen
hervortreten, für irgend welche Zurückdatierung ihrer
Entstehung fehlt zur Zeit jede Unterlage; eine solche
muss deshalb bis auf Weiteres als verfrüht bezeichnet
werden.
Jedes Kehlkopf pfeifen, auch wenn es nur in geringem
Grade besteht und bei der gewöhnlichen Arbeitsleistung
noch nicht hervortritt, ist in kürzester, noch nicht
einmal nach Stunden, sondern nur nach Minuten zählender
Frist, durch ordnungsmässige Untersuchung zur Kennt-
niss zu bringen, ebenso auch das Freisein von demselben.
Dass in geringerem Grade vorhandenes Kehlkopfpfeifen
zeitweise bei solcher nicht erkannt werden konnte,
wie Dieckerhoff angibt, ist mir trotz meiner sehr aus-
gedehnten Erfahrungen in diesem Kreise, sowie anderen
kompetenten Beobachtern, auch nicht ein einziges Mal
vorgekommen. Wenn deshalb der klägerische Gutachter
das negative Untersuchungsresultat des Oberrossarztes
K. vom 29. 9. 93 als irrelevant bei Seite schieben will,
so hätte er nachweisen müssen, dass dessen Untersuchung
nicht ausreichend war, um den Fehler zur Aeusserung zu
bringen. —
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Beiläufig möchte ich an diesem Orte noch bemerken,
dass Ger lach, der von Vielen zu den bedeutendsten
Autoritäten gezählt wird, in der zweiten Auflage seiner
„Gerichtlichen Thierheilkunde" von irgend einer Zurück-
datirung des Kehlkopfpfeifens Abstand nimmt; er sagt
nur, dass die bisherige Gewährszeit im preussischen Landrechte
von 28 Tagen zu lang sei, weil eine Dämpfigkeit — Kehl-
kopfpfeifen eingeschlossen — erfahrungsmässig in dieser Zeit
entstehen kann. Er normirt die Gewährszeit für Dämpfig-
keit generell auf 14—15 Tage und sagt „innerhalb
dieserZeit hat der Kauf er Zeit genug, denFehler
zu erkennen resp. feststellen zu lassen", er setzt
also voraus, dass derselbe bereits beim Besitzwechsel vor-
handen war, und fügt dem hinzu „gilt nebenbei noch das
römische Recht, so ist die Gewährszeit selbst bis auf 10
Tage abzukürzen, weil in allen Fällen, wo in dieser Zeit
eine Feststellung nicht erfolgen konnte, noch der Weg
der Beweisführung gegeben ist". Eine Zurückdatirung lässt
er zu, wenn der „Pfeiferdampf" nach einer hartnäckigen, be-
sonders bei oder nach Influenza entstandenen Kehlkopfsent-
zündung oder nach einer Quetschung resp. Verwundung am
Halse auftritt, und zwar nur bis zu diesen Leiden hin. Bei
ersterer geht er von der irrigen Annahme einer myopathischen
Hartschnaufigkeit aus, bei letzteren vom Vorhandensein einer
Verletzung des Recurrens. —
Als sich das vorstehende Gutachten bereits unter der
Presse befand, wurde ich vom Prozessgerichte unter Zu-
sendung der Akten zu einer weiteren Aeusserung aufge-
fordert*), und sollten die nachstehenden Fragen besonders
Berücksichtigung finden:
1.   „Kommen Fälle vor, in denen das Kehlkopfpfeifen
für seine Entwicklung bis zur äusseren Erkennbar-
keit nur eine Frist von wenigen Tagen, ev. von wie-
viel Tagen gebraucht", und
2.   „Unter welchen Umständen findet eine solche Ent-
wicklung statt?"
welcher Auflage ich mich entledigte, wie folgt:
Gerichtliches Gegengutachten des Verfassers.
ad. 1. Es kommen Fälle vor, in welchen das
Kehlkopfpfeifen für seine Entwicklung bis zur
*) Bei den Akten befand sich das vorstehende Privatgut-
achten nicht und bitte ich die in dem folgenden vorkommenden
Wiederholungen deshalb entschuldigen zu wollen.
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äusseren Erkennbarkeit einer nachweisbaren
Frist überhaupt nicht bedarf, dasselbe kann viel-
mehr jed erzeit urplötzlich und in jedem Grade
erkennbar hervortreten.
ad, 2. Die Bedingungen, unter welchen
solch plötzliches Hervortreten statthat, sind
nicht genau zu präzisiren.
Grün de.
ad. 1. Das Kehlkopfpfeifen wird durch die Lähmung
des Nervus recurrens und nicht durch die Degene-
ration von Kehlkopfmuskeln bedingt, diese ist irrelevante
Folge der ersteren. Das betreffende Pferd ist wissen-
schaftlich und forensisch entweder Pfeifer, oder es
ist Nicht pfeif er. In beiden Fällen kann der Zustand
desselben durch ordnungsmässige Untersuchung jedes-
mal festgestellt werden. Je nach dem Grade des Fehlers
tritt derselbe leichter oder weniger leicht hervor.
Dass vorhandenes Kehlkopfpfeifen „zeitweise", wie
in dem klägerischen Gutachten behauptet wird, nicht
festgestellt werden könne, ist mir so wenig, wie anderen
Sachverständigen und kompetenten Beurtheilern — sobald
eine ordnungsmässige Untersuchung vorgenommen wurde
— jemals vorgekommen, ich muss das Vorkommen desselben
ganz entschieden in Abrede stellen. Hat man vorhandenes
Kehlkopfpfeifen „zeitweise" nicht feststellen können,
so lag das lediglich daran, dass man nicht ordnungsmässig
untersucht hat.
Im vorliegenden Falle ist die Untersuchung von einer
aus Offizieren bestehenden Kommission vorgenommen, in
welcher ein Oberrossarzt fungirte, und muss bis zum
Nachweise des Gegentheils angenommen werden,
dass wenigstens der letztere in vollem Masse kompetent
war und bei der 15 Minuten dauernden Galopprobe in 2 Fuss
tiefem Sande die bezügliche Untersuchung auf wissenschaft-
licher Basis durchgeführt hat.
Diese Zeit war mehr als ausreichend, das Kehlkopf-
pfeifen, auch wenn es nur in geringem Grade bestand, fest-
zustellen. Der negative Befund, wie solcher vom Oberrossarzt
K. bescheinigt wird, schliesst demnach das Vorhanden-
gewesensein des Fehlers zur Zeit der Unter-
suchung am 29. September 1893 aus.
Wenn demgegenüber in dem klägerischen Gutachten von
einem „Keime" gesprochen wird, und darauf ein „zeitweise"
auch bei jener Untersuchung ev. noch nicht erkennbares
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„Entwicklungsstadium" basirt werden will, so ist das nicht
wohl verständlich: ein „Keim" des Kehlkopfpfeifens ist bis-
lang von Niemandem nachgewiesen worden und
ebensowenig ein „Entwicklungsstadium" desselben,
sondern nur verschiedene Grade, welche davon abhängig
sind, ob der N. recurrens ganz oder nur theilweise
gelähmt ist.
Die Annahme eines „Keim-" oder „Entwicklungsstadiums"
des Kehlkopfpfeifens könnte sich nur auf ein „Entwicklungs-
stadium" der Paralyse im Recurrens selber (oder an
anderer bezüglichen Stelle des Nervensystens) beziehen, für
solche fehlt aber bislang jeder Anhalt, da zur Zeit des
Eintritts der Lähmung Veränderungen des Nerven absolut
fehlen und nur nach langem Bestehen im Gefolge der
Funktionsstörung hervortreten. Es sind das unfruchtbare
Theorien, denen jeder wissenschaftliche und forensische
Werth abgeht.
Selbstverständlich sind solche Theorien nicht ausreichend,
unfassbaren Keimen oder Entwicklungsstadien einen be-
stimmten Zeitraum von z.B. „mindestens 4 Wochen"
anzuweisen, binnen welchem sie frühestens das Kehlkopfpfeifen
zu Tage fördern könnten; mit weit mehr Recht könnte man
ein Keim- resp. Entwicklungsstadium ev. bis zur Geburt, selbst
bis zur Zeugung zurückdatiren, da die Recurrenslähmung
bekanntermassen erblich ist.
Die alleinige Ursache des Kehlkopfpfeifens beider
hier fraglichen paralytischen Form ist die Lähmung des
N. recurrens, welche die sofortige Lähmung der betr.
Muskeln nach sich zieht, ohne dass zunächst irgendwelche
Veränderung an letzteren wahrnehmbar wird, solche folgt erst
im weiteren Verlaufe wegen mangelnder Innervation. Mit
dem Eintritt der Recurrenslähmung tritt, der Ausdehnung
derselben entsprechend, das Kehlkopfpfeifen verschieden-
gradig, aber durch ordnungsmässige Untersuchung sofort
erkennbar ein.
Die Angabe des klägerischen Gutachters, „dass das
Kehlkopfpfeifen erst hervortrete, nachdem die Veränder-
ungen des Kehlkopfes (also die Muskeldegeneration)
einen höheren Grad erreicht haben" — ist deshalb eine
nicht zutreffende. In gleicher Weise ist auch seine weitere
Beweisführung, „dass man bei Pferden, die erst seit einigen
Tagen die Krankheit geäussert haben und zufällig zu Grunde
gingen, stets ältere Veränderungen am Kehlkopf finde,
deren Zustandekommen eine Frist von mehr als 4 Wochen
erfordere — abgesehen davon, dass sie den thatsächlichen
Verhältnissen nicht genügend Rechnung trägt — ungeeignet,
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ein verborgenes Entwicklungsstadium nachzuweisen; es be-
weist das nur, dass die Nervenlähmung bereits längere Zeit be-
stand und durch eine ordnungsmässige Untersuchung erkannt
werden musste, wenn sie auch unter den Verhältnissen, un-
ter welchen das Pferd lebte, noch nicht bemerkt worden war.
Anderseits hat man daraus, dass das Kehlkopfpfeifen
6—9 Wochen nach Infektionskrankheiten beobachtet wurde,
geschlossen, dass die Recurrenslähmung mindestens
4 Wochen zu ihrer Entwicklung bedürfe, ohne
für solche Schlussfolgerung irgend einen Beweis
beibringen zu können; man hat nur Theorien aufzu-
stellen vermocht, die die Möglichkeit der Entstehung
lähmender materieller, aber bislang nichtnachgewiesener
Veränderungen des N. recurrens eventuell erklärlich
machen könnten.
Soweit zur Zeit die Kenntniss der ursächlichen Ver-
hält nisse der Recurrenslähmung reicht, liegt kein Anhalt
vor» aus welchem eine langsame Entstehung derselben ab-
geleitet werden könnte. Selbst wenn man der Ansicht
huldigt, dass der endlichen Lähmung des Nerven eine all-
mählich zunehmende Schwäche oder sonst Etwas vorhergehe,
würde man bezüglich der Bestimmung einer Zeit, welche die
Lähmung zu ihrer Entstehung bedürfe, auch nicht weiter
kommen, weil kein Merkmal vorhanden ist, welches uns
solche Schwäche- etc. Zustände enthüllen könnte, und weil
unbasirte Theorien nicht als Unterlage dienen können. —
Die Wissenschaft hat bislang den Nachweis einer
langsamen Entstehung der Recurrenslähmung, also des
Kehlkopfpfeifens, nicht erbracht, dagegen liegen un-
umstössliche Nachweise des plötzlichen Entstehens der-
selben in der Literatur vor, welche durch die Beobachtungen
erfahrener Thierärzte, die volles Vertrauen verdienen, sowie
durch die meinigen bestätigt werden.
Dass Nervenlähmungen urplötzlich hervortreten
können, hat noch Niemand in Zweifel gezogen, nur bei dem
Recurrens hat man eine Ausnahme eintreten lassen zu
dürfen geglaubt — doch ist man den Beweis schuldig ge-
blieben. Man hat sich zu der Annahme einer langsamen
Entstehung wahrscheinlich dadurch verleiten lassen, dass
der Nerv recht oft, ja meistens nicht sofort in allen seinen
Fasern gelähmt wird, sondern nur partiell, und dass dem-
entsprechend ein geringerer oder erheblicherer Grad des
Kehlkopfpfeifens beobachtet wird, welcher sich nach Mass-
gabe weiterer Lähmung bis dahin verschont gebliebener
Fasern mit der Zeit verschlimmern kann — man hat die
Fortentwicklung mit der Entstehung verwechselt.
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Da die plötzliche Lähmung des ganzen Nerven und
dementsprechend sofortiges heftiges Kehlkopfpfeifen
zu den weniger häufigen Fällen gehört, hat man die gewöhn-
lichen Fälle, in welchen dasselbe geringgradig aufzutreten
pflegt, auf ein nicht nachweisbares Entwicklungs-
stadium zurückführen zu sollen geglaubt, ohne dadurch
irgend etwas zur Klärung der Sache beitragen zu können.
Der Nachweis einer langsamen Entstehung der
ßecurrenslähmung, also des Kehlkopfpfeifens, ist daher
bislang nicht geführt, wohl aber ist ein urplötzliches
Entstehen derselben nachgewiesen.—
ad. 2. Die Frage, „unter welchen Umständen eine
plötzliche Entstehung stattfinde?" — kann nur dahin
beantwortet werden, dass der Vorgang während der Funktion
in gesunden Nerven, auch wenn man denselben auf elektrische
Strömung zurückführt, nicht näher bekannt ist, und dass
die Wege, auf welchen die Funktion derselben plötzlich
gehemmt werden kann — sobald materielle Veränderungen
fehlen, unbekannt sind.
Wir haben nur die Erfahrung, dass infektiöse, toxische
und rheumatische Einflüsse — Erkältungen — und unbekannte
Ursachen dieselben herbeiführen können.
Es ergibt sich aber aus dem Vorstehenden, dass eine
wissenschaftliche Erfahrung, nach welcher die Ent-
stehung des Kehlkopfpfeifens einen Zeitraum „von mindestens
4 Wochen" beanspruche — nicht vorliegt, wohl aber,
dass das Kehlkopfpfeifen jederzeit und zwar in jedem
Grade urplötzlich entstehen kann. —
Erstes Obergutachten
der Königl. Techn. Deput. für das Veterinärwesen
zu Ber 1 in.*)
Die zur Beantwortung gestellten Fragen lauteten:
„Ob das am 20. Oktober 1893 konstatirte Kehlkopfpfeifen
der Fuchsstute auf eine Erkrankung zurückzuführen ist,
welche bereits vor dem 29. September 1893 stattgefunden
hat?"
„ob überhaupt die Krankheit, welche in der thierärzt-
lichen Wissenschaft als Kehlkopfpfeifen bezeichnet wird,
*) (cf. Heft 9 der Deutsehen Thierärztl. Wochenschrift vom
2, März 1895.)
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bis zu dem Zeitpunkte, wo der Ton des Kehlkopfpfeifens
wahrgenommen werden kann, eine Entwicklung von
mindestens 4 Wochen gebraucht?" und
„ob dementsprechend im vorliegenden Falle mindestens
4 Wochen vorher die körperliche Ursache des später kon-
statirten Kehlkopfpfeifens entstanden sein muss?"
Gutachten.
Aus dem Fundberichte der Sachverständigen H. und B.
geht hervor, dass die streitige Stute zur Zeit der Unter-
suchung dieser Sachverständigen am 20. und 23. Oktober 1893
mit dem sogenannten Kehlkopfpfeifen behaftet war. Nach
dem Ergebniss der Beweiserhebungen muss angenommen
werden, dass das streitige Pferd auch schon vor dieser Zeit
die Erscheinungen des Kehlkopfpfeifens gezeigt hat; denn
der Major Seh. hat bezeugt, dass er bereits im Anfange des
Monats Oktober 1893, in tiefem, trockenem Sande neben der
Stute reitend, von letzterer einen Ton gehört habe, welchen
er für den charakteristischen Ton des Kehlkopfpfeifens hielt.
Wenn wir berücksichtigen, dass berittene Offiziere im All-
gemeinen die Eigenthümlichkeit des lauten Athemgeräusches,
welches beim Kehlkopfpfeifen auftritt, kennen und weiter in
Erwägung ziehen, dass der Zeuge S. Präses einer Offizier-
pferde-Kommission ist, so müssen wir nach Lage der Sache
annehmen, dass bei der streitigen Stute bereits im Anfange
des Monats Oktober das Kehlkopfpfeifen hervorgetreten ist.
Hierzu kommt, dass auch dem Zeugen D. sehr bald nach
der Ankunft des Pferdes in J., auch vor der thierärztlichen
Untersuchung, aufgefallen ist, dass das Thier, wenn es an-
gestrengt wurde, einen eigenthümlichen pfeifenden Ton von
sich gab.
Das Kehlkopfpfeifen der Pferde wird mit sehr geringen
Ausnahmen durch die einseitige Lähmung eines Kehlkopf-
nerven hervorgerufen; im Bezug auf das Zustandekommen die-
ser Lähmung muss darauf hingewiesen werden, dass Nerven-
lähmungen im Allgemeinen nach den klinischen Erfahrungen
und Ergebnissen diesbezüglicher Versuche sowohl plötzlich
als auch allmählich entstehen können, je nach den Ur-
sachen, welche die Lähmung bedingen. Nach den wissen-
schaftlichen Erfahrungen liegt nun kein Grund zu
der Annahme vor, dass der Kehlkopfnerv, dessen
Lähmung die Erscheinungen des Kehlkopfpfeifens
zur Folge hat, hinsichtlich der Zeitdauer der Ent-
wicklung derLähmung eine Ausnahmestellung gegen-
über den übrigen gleichartigen Nerven einnimmt,
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es muss vielmehr angenommen werden, dass auch in Frage
kommender Nerv unter Umständen schnell, unter anderen
Umständen langsam gelähmt werden kann. Die Möglichkeit
einer plötzlichen Entstehung der Lähmung dieses Nerven,
welche von einigen bestritten wird, wird unter Anderem da-
durch bewiesen, dass man durch absichtliche Verletzung des
Nerven im Stande ist, die Lähmung und damit das Kehl-
kopfpfeifen plötzlich hervorzurufen.
In diesem Punkte müssen wir daher der Ansicht des
Sachverständigen Günther beitreten und zugeben, dass unter
Umständen das Kehlkopfpfeifen plötzlich entstehen kann.
Eine solche plötzliche Entstehung des Kehlkopfpfeifens ge-
hört aber zu den seltensten Ausnahmefällen. Sie ist, an
bestimmte, nur selten zu beobachtende ursächliche
Verhältnisse geknüpft. Der Regel nach entwickelt
sich die Lähmung des fraglichen Kehlkopfnerven
und des hierdurch bedingten Kehlkopfpfeifens all-
mählich. Es vergeht, wie wir im Gegensatze zu dem Sach-
verständigen Günther bekennen müssen, nach der tier-
ärztlichen Erfahrung in den gewöhnlichen Fällen
ein Zeitraum von mindestens 4 Wochen, ehe die
Lähmung des Nerven soweit vorgeschritten ist, dass
das Kehlkopfpfeifen bei Anwendung eines bestimm-
ten Untersuchungsverfahrens in die Erscheinung
tritt. Nur ganz ausnahmsweise, im Anschluss an ge-
wisse Krankheiten, oder im Gefolge gewisser Vergift-
ungen ist beobachtet, dass sich die allmähliche Entwicklung
des Kehlkopfpfeifens bezüglich seiner körperlichen Ur-
sachen in einer kürzeren Frist als 4 Wochen vollzog.
Im vorliegenden Falle haben die Beweisverhandlungen
keinen Anhaltepunkt(P) dafür erbracht, dass nach derüeber-
gabe bei dem streitigen Pferde bemerktes Kehlkopfpfeifen eine
ausnahmsweise schnelle Entstehung gefunden hat. Die Sach-
verständigen H. und R. haben bei der hier fraglichen Stute,
als sie dieselbe am 20. Oktober 1893 untersuchten, ausser
dem Kehlkopfpfeifen keine krankhaften Erscheinungen wahr-
genommen. R. gab bei seiner Vernehmung am 1. Oktober
1894 noch besonders an, dass das Pferd keinerlei Symptome
einer äusseren oder inneren Erkrankung gezeigt habe.
Ferner bekunden die Zeugen H., ß und D. übereinstim-
mend, dass das im Streit befindliche Pferd in der Zeit vom
5. Oktober 1893, dem Tage der Ankunft in J., bis zur thier-
ärztlichen Feststellung des Kehlkopfpfeifens den Eindruck
völliger Gesundheit, beziehungsweise einen guten, gesunden
Eindruck gemacht habe, frisch und munter gewesen sei, nicht
ungewöhnlich geschwitzt und auch nicht gehustet habe. Der
6
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— 82 —
Zeuge H. gab ausserdem noch an, dass an dem Pferde äusser-
liche Verwundungen nicht wahrnehmbar gewesen seien, und
Zeuge D., dass das Thier eine ganz besondere Fresslust ge-
zeigt und seinen Stallgenossen gern das Futter weggefressen
habe.
Hiernach ist anzunehmen, dass das Pferd in der Zeit
zwischen der Ankunft in J. und der Feststellung des Kehl-
kopfpfeifens an einer Krankheit nicht gelitten hat, welche
das Kehlkopfpfeifen hätte zur Folge haben können.
Ebensowenig ist durch die aktenmässige Feststellung ein
Stützpunkt dafür gegeben, dass das streitige Pferd in Folge
einer Vergiftung das Kehlkopfpfeifen erworben haben könne.
Eine derartige Entstehungsursache ist vielmehr in Anbetracht
des Umstandes, dass nur die streitige Fuchsstute, nicht aber
auch das zweite vom Beklagten an den Kläger verkaufte
Pferd, beziehungsweise die anderen Pferde, welche unter den-
selben Verhältnissen gehalten wurden, wie das streitige, Kehl-
kopfpfeifen zeigten, im vorliegenden Falle mit Bestimmt-
heit auszuschliessen.
Da nun ferner das fragliche Pferd nach der eidlichen
Bekundung des Beklagten, sowie nach den Behauptungen des
Beklagten, welche auf das Zeugniss des Rossarztes H., der
Unteroffiziere H. H. Gr., des Wachtmeisters K. und der Ar-
tilleristen J. und Th. gestellt sind, auch vor der Abliefe-
rung in J. keine Erkrankung gezeigt hat, welche mit
dem später nachgewiesenen Kehlkopfpfeifen in Ver-
bindung gebracht werden könnte, so muss gefolgert
werden, dass sich bei dem streitigen Pferde das Kehlkopf-
pfeifen in der gewöhnlichen Weise allmählich ent-
wickelt hat und dass die dem Kehlkopfpfeifen
zu Grunde liegende Nervenlähmung mindestens
4 Wochen vor dem Auftreten des Kehlkopfpfeifens
in der Entwickelung begriffen gewesen ist.
Das Kehlkopfpfeifen ist bei dem streitigen Pferde, wie
wir bereits ausgeführt haben, schon im Anfange Oktober 1893
wahrgenommen worden. Mithin muss nach den obigen Dar-
legungen auch angenommen werden, dass die Erkrankung, auf
welche das Kehlkopfpfeifen im vorliegenden Falle zurückzu-
führen ist, in der Entwickelung schon vor dem 29. Sep-
tember 1893 zugegen war.
Diese Schlussfolgerung wird dadurch nicht widerlegt, dass
weder der Kläger noch der Beklagte noch die von dem Be-
klagten vorgeführten Sachverständigen (H. und S.) und die
Zeugen (H. H. G. K. J. Th.) bei dem streitigen Pferde vor dem
29. September 1893 Kehlkopfpfeifen gehört haben, denn das
Kehlkopf pfeifen tritt im Anfange der Entwickelung
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83 —
der Nervenlähme, wie schon dargelegt wurde, nicht
immer hervor. Aus diesem Grunde streitet auch der von
dem Sachverständigen K. am 29. September 1893 erhobene
Befund nicht gegen unsere Annahme; obwohl die Art der
K.'schen Untersuchung geeignet war, um bereits
nachweisbares Kehlkopfleiden zur Wahrnehmung zu
bringen.
Hiernach geben wir das erforderte Gutachten ab, wie
folgt:
Gutachten:
1.  Es ist nach Lage der Sache anzunehmen,
dass das von dem Oberrossarzt H. am 20. Oktober
1893 konstatirte Kehlkopfleiden (Pfeifen) der Fuchs-
stute auf eine Erkrankung des Pferdes zurückzu-
führen ist, welche bereits vor dem 29. September
1893 bestanden hat.
2.  Das Kehlkopfpfeifen kann ausnahmsweise
in kurzer Zeit auftreten, in der Regel bedarf
aber die dem Kehlkopfleiden zu Grunde liegende
Erkrankung bis zum Zeitpunkte, wo das Kehl-
kopfpfeifen wahrgenommen werden kann, zu
ihrer Entwicklung eines Zeitraumes von min-
destens 4 Wochen.
Berlin, den 7. Januar 1895.
Die Königlich Technische Deputation für das
Veterinärwesen.
(folgen die Unterschriften sämmtlicher Mitglieder excl. der
Di eck erhoff's).
Kritik
des ersten Obergutachtens der Technischen
Deputation für das Veterinärwesen zu Berlin.*)
Der Schwerpunkt dieses Obergutachtens liegt in der
Behauptung, dass die Lähmung des Recurrens ein Ent-
wicklungsstadium durchzumachen habe und dass dieses
mindestens 4 Wochen Zeit in Anspruch nehme, bevOi
die Lähmung soweit gediehen sei, dass das Kehlkopfpfeifen
in Folge derselben e r k e n n b a r hervortrete. Rationelle
Gründe für diese Behauptung sind weder in dem Gutachten
der Technischen Deputation und Dieckerhoffs noch in
*) (cf. Nr. 9 der Deutschen Thierärztl. Wochenschr. 2. März 1895).
C*
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— 84 —
den Arbeiten M ö 11 e r's (Kehlkopfpf. d. Pf.) und in dem von
Eggeling in der rubr. Streitsache abgegebenen Privat-
Gutachten oder sonst irgendwo beigebracht.
Dieckerhoff ignorirt in seinem Gutachten, welchem
sich Eggeling in allen Stücken anschliesst, bei seiner Be-
weisführung den Antheil des Recurrens an dem Zustande-
kommen des Kehlkopfpfeifens vollständig und basirt seine
Beweisführung auf ganz irrelevante Folge-
erscheinungen der Recurrenslähmung. Die
Muskeldegeneration hat aber mit dem Kehlkopfpfeifen ab-
solut gar nichts zu schaffen, sondern ausschliesslich
die Lähmung, wie dadurch nachgewiesen wird, dass nach dem
Abschneiden des Recurrens trotz völlig intakter
Muskeln das Kehlkopfpfeifen sofort — also erkenn-
bar — auftritt.
Die Nervenlähme resp. das Kehlkopfpfeifen ist also in
solchen Fällen, wie sie Dieckerhoff anführt, schon lange
vor der Zeit, als es erkannt wurde, vorhanden
gewesen, wenn es auch wegen nicht vorgenommener sach-
kundiger Untersuchung bis dahin verborgen geblieben war —
durch ein Nichterkennen vorhandener Lähmung
kann aber logischerweise ein Entwicklungs-
stadium nicht begründet werden!
Auch Professor Möller scheint der Ansicht jener beiden
Professoren zu huldigen, er sagt in seiner Broschüre über
das Kehlkopfpfeifen der Pferde pg. 15, dass nach Durch-
schneidung des N. laryng. sup. 6 Wochen später sämmtliche
Kehlkopfmuskeln der betr. Seite, „atrophisch" und bei
einem anderen Pferde 4^2 Monat nach der Operation „hoch-
gradige Atrophie" derselben angetroffen wurde, dass
aber trotzdem bei beiden Pferden bis kurz vor dem
Tode die Abwesenheit des Kehlkopfpfeifens
festgestellt sei!! Möller verlangt also für das Zu-
standekommen des Pfeifens noch mehr als 4x/2 Monat resp.
mehr als hochgradige Atrophie!! Es kann, beiläufig bemerkt,
nur angenommen werden, dass seine Untersuchung nicht
ausreichend war, um das vorhandene Kehlkopfpfeifen fest-
zustellen, und dass überhaupt eine Täuschung vorliegt. (Der
N. laryng. sup. hat mit der Innervation der Kehlkopfmuskeln
absolut garnichts zu schaffen!) (cf. Prof. Munk, Archiv f. wiss.
und prakt. Th. Bd. XII 3). Uebrigens aber geht die Technische
Deputation auf solche myopathische Beweisführungen nicht
weiter ein.
Für die Existenz eines Entwicklungsstadiums wird
weiter von Dieckerhoff (Diag. d. Kehlk. pg. 8) angeführt,
dass er beobachtet habe, dass sich erst 6 resp. 9 Wochen
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nach Ablauf der spez. Brustkrankheit der Fehler bemerkbar
machte und allmählich einen höheren Grad erreichte, sowie
dass Besitzer das Rohren bei den betreffenden Pferden erst
7—8 Wochen nach Beginn der Krankheit beim Reiten hörten.
Er schliesst hieraus, dass das Kehlkopfpfeifen einer Ent-
wicklungszeit von mindestens 4 Wochen bedürfe. Solche
Thatsachen berechtigen aber durchaus nicht zu der Annahme
eines Entwicklungsstadiums, also auch nicht einer mindestens
4 wöchigen Dauer desselben, da es einmal gar nicht feststeht,
wie lange die Recurrenslähmung vor- der Zeit, als sie
erkannt wurde, bereits bestand, und weil dieselbe sehr
wohl erst zu der Zeit, als das Kehlkopfpfeifen be-
merkt wurde, eingetreten sein konnte: treten
doch Recurrens- und andere Nervenlähmungen bei und nach
Influenza plötzlich auf, sowie auch andere Nervenleiden
selbst einige Wochen resp. einige Monate nach derselben
plötzlich erscheinen und auch nach Vergiftung z. B. mit
Lath. cicer, selbst bis zur 9. Woche, nachdem die Verab-
reichung derselben aufgehört hatte, plötzlich Kehlkopf-
pfeifen hervortrat (cf. oben, Anmerkung), ohne dass am
Recurrens oder den Kehlkopfmuskeln irgend
welche Veränderung gefunden wurde.
Die Behauptung Dieckerhof f's (Diag. pg. 9), dass keine
Thatsachen vorliegen, welche die Annahme einer plötzlichen
Entstehung des Kehlkopfpfeifens rechtfertigen, ist von mir
bereits als nicht zutreffend nachgewiesen und auch von der
Technischen Deputation als begründet nicht anerkannt.
Auf Grerlach's und Bruckmüller's „myopathische"
Formen des Kehlkopfpfeifens brauche ich wohl nicht näher
einzugehen, da ich deren Nichtexistenz bereits früher
nachgewiesen habe (Jahresber. d. Th. z. H. 1871, pg. 105, und
Deutsche Thierärztl. Wochenschr. 1894, pg. 421)
Nervenlähmungen entstehen bekanntermassen entweder
in Folge materieller Aenderungen der Substanz oder in Folge
anatomisch nicht nachweisbarer dynamischer Störungen.
Bei ersteren ist eventuell ein Entwicklungsstadium
nachzuweisen, bei letzteren nicht. Makroskopischund
mikroskopisch wahrnehmbare Aenderungen der Substanz treten
bei letzteren immer erst nach längerem Bestehen der
Funktionsstörung hervor und so findet man denn auch
bei notorisch monatelangem Bestehen des Kehlkopfpfeifens
und in Folge der Nervenlähmung entstandener sehr hoch-
gradiger Muskelatrophie recht oft noch keine Aenderung der
Substanz des Nerven.
Nun aber ist es einem jeden erfahrenen praktischen Thier-
arzte bekannt und wird das auch von den drei Mitgliedern
i
l
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der TechnischenDeputation,ProfessorenDieckerhoff, Möller
und Eggeling, den einzigen, denen eigene ausgiebigere,
in thierärztlicher Praxis oder Klinik, erworbene Erfahrung
zur Seite stehen dürfte, bestätigt werden, dass sich Nerven-
lähmungen bei Thieren nur ganz ausnahmsweise und
sehr selten in Folge anatomischer Vorgänge
langsam entwickeln, dass dieselben vielmehr regel-
mässig und ohne alle Vorbereitung urplötzlich
hervortreten, sich also als dynamische s. g. Neurosen
charakterisiren. Ich erinnere hier nur an die partiellen und
centralen Lähmungen des Facialis, der oberen Halsnerven,
einzelner Stämme des Plexus brachialis, des Cruralis und des
Plexus sacralis etc.
Dieser positiven Erfahrung entgegen nimmt die Technische
Deputation gleichwohl keinen Anstand zu behaupten, dass
die Entstehung der Recurrenslähme in der Regel und mit
nur sehr seltenen Ausnahmen langsam erfolge und
zu ihrer Entwicklung bis zum erkennbaren Kehlkopfpfeifen
eines Zeitraumes von mindestens 4 Wochen bedürfe!
wiewohl sie mit vollem Rechte ausdrücklich betont,
dass sich der N. recurrens bezüglich des Vorkommens von
Lähmungen hinsichtlich der Zeitdauer ihrer
Entwicklung von anderen Nerven nicht unter-
scheide!
Bezüglich der Folgen der Lähmung macht sich
zwischen diesen und jenen nur der Unterschied geltend,
dass sich die Funktionsstörungen bei letzteren sofort durch
Formveränderungen zu Tage liegender Körpertheile, resp.
durch auffallende Unthätigkeit der von denselben versorgten
Muskeln offenbaren, während die vom Recurrens ver-
sorgten Muskeln verborgen liegen und ihre ge-
störte Innervation erst dann zu unserer Kenntniss
gelangen kann, wenn eingeathmete Luftsäulen
so heftig auf den Aryknorpel drücken, dass
dieser wegen m. w. gestörten Leistung seiner
Muskeln dem Druck nachzugeben gezwungen ist
und in den Kehlkopf hinein gepresst wird. Wann
und wie heftig solche Zustände eintreten, ist einmal davon
abhängig, in welcher Ausdehnung der Nerv gelähmt ist, und
dann davon, in welchen Verhältnissen sich die Thiere befinden.
Der Kehlkopf ist, selbst bei Recurrenslähme, immer geöffnet,
sein freier Raum genügt, eventuell durch die Bewegung des
Aryknorpels der gesunden Seite, für gewöhnliches Luftbedürf-
niss, erst wenn letzteres grösser, resp. sehr gross wird, muss
weitere Muskelthätigkeit eingreifen; das ist besonders der
Fall, wenn durch plötzliche und energische aus-
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giebige Erweiterung des Brustkorbes eine für
die gegebenen Verhältnisse zu grosse Luft-
säule mit Gewalt auf den Kehlkopf gepresst
wird.
Ob und wann die Folgen der Recurrens-
lähmung wahrnehmbar werden, ist also von dem
Auftreten dieses räumlichen Missverhältnisses
ganz ausschliesslich abhängig.
Im Falle ausgedehnterer oder vollkommener Lähmung des
Nerven genügt schon eine etwas rasch eingesogene, wenn
auch nicht bedeutende Luftsäule, um den von Muskelkraft
verlassenen Aryknorpel mit fortzureissen, und tritt dann
das Kehlkopfpfeifen, namentlich bei jungen Pferden, bei
welchen die Verbindungen des Aryknorpels noch keine be-
sondere Rigidität erlangt haben, sofort hervor. K o m-
p 1 e t e plötzliche Lähmung ist allerdings nicht häufig, sie
ist aber bei und nach Infektionskrankheiten, Erkältungen,
Lathyr. cicer., Lathyr. sativ. etc. und nach noch nicht
näher bekannt gewordenen Ursachen genugsam
festgestellt.
In der überwiegenden Mehrzahl aller Fälle erfolgt die
Recurrens]ähmung zunächst nur partiell, wie der patholo-
gische Zustand der von ihm versorgten Muskeln nachweist.
Je nach den Dienstanforderungen kann dann
das Kehlkopfpfeifen vielleicht erst längere Zeit
nach dem Entstehen der Recurrenslähmungzu
Tage treten, wird auch wohl wegen Indolenz oder Un-
kenntniss der Pferdebesitzer überhört, wiewohl dasselbe
sofort durch eine ordnungsmässige Untersuchung
erkannt sein würde.
Man könnte vielleicht sagen, dass es sehr wohl denkbar
sei, dass anfänglich nur ein so geringer Theil des
Nerven gelähmt werde, dass sich eine Funktionsstörung der
Muskeln noch nicht bemerkbar mache, und dass solches erst
bei weiterem Fortschreiten der Lähmung eintrete. Denken
kann man sich allerdings sehr vielerlei, aber nachweisen
nicht, und darauf kömmt es doch gerade an, wenn man,
namentlich aber bei Rechtsstreiten, ein Entwick-
lungsstadium als Basis einer langsamen Entstehung
des Kehlkopfpfeifens heranziehen will. Eine Lähmung,
die nicht nachweisbar ist, existirt weder wissen-
schaftlich noch forensisch, eine Zurückdatirung
kann nur auf positive Unterlage, nicht aber auf
Hypothesen gestützt werden.
Ist man nun wohl berechtigt, daraus, dass der Eintritt
der Recurrenslähmung nicht sofort, wie bei anderen
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Nervenlähmungen in die Augen fällt — auf ein minde-
stens 4 Wochen dauerndes Entwicklungsstadium zu schliessen
und die Existenz desselben sogar als „wissenschaftliche
E rf ahrung" (!) hinzustellen, während, wie auch die Tech-
nische Depatation zugibt, die Recurrenslähmung jederzeit
plötzlich selbst im ganzen Umfange ent-
stehen kann? Dazu liegt denn doch gar keine Be-
rechtigung vor!
Welches sind denn die Zustände dynamisch gelähmter
Nerven, die eines Zeitraums von mindestens 4 Wochen
bedürfen, um endlich zur Funktionsstörung zu
führen? So lange diese nicht nachgewiesen sind,
liegt auch keine Berechtigung vor, ein solches
Entwicklungsstadium (einen paralytischen Keim [!!])
anzunehmen, zumal solches bei gleichen Lähmungen an-
derer Nerven fehlt und deshalb auch von Niemandem be-
hauptet wird.
Fehlt aber ein Entwicklungsstadium der
Recurrenslähmung, so fehlt dasselbe auch bezüg-
lich desKehlkopfpfeifens, da dieses kein selbständiges
Leiden ist, sondern ausschliesslich durch die Recurrenslähmung
bedingt wird.
Ist sonach die Unterlage, auf welcher sich das Ober-
gutachten der Technischen Deputation aufbaut, als eine un-
erwiesene sogar mehr als kühne Hypothese nachge-
wiesen, so müssen auch die auf dieselbe gestützten weiteren
Ausführungen und Behauptungen von selber fallen, doch will
ich auch diese einer weiteren Analyse nicht entziehen.
Die Technische Deputation sagt: „Es sei nur ganz aus-
nahmsweise im Anschluss an gewisse Krankheiten
oder in Folge von Vergiftungen beobachtet, dass
sich die allmähliche Entwicklung des Kehlkopfpfeifens be-
züglich seiner körperlichen Ursache in kürzerer Frist
als 4 Wochen vollzogen" und „dass die plötzliche Ent-
stehung der Recurrens]ahme an bestimmte nur selten zu
beobachtende ursächliche Verhältnisse geknüpft sei", und folgert
weiter, „da sich das Pferd weder vor noch nach dem 29. Sep-
tember 1893 jemals krank gezeigt habe, dass auch in diesem
Falle das Kehlkopfpfeifen in der gewöhnlichen Weise lang-
sam entstanden sein müsse."
Was man damit sagen will, „dass sich die allmähliche
Entwicklung des Kehlkopfpfeifens bezüglich seiner körper-
lichen Ursache in einer kürzeren Frist als 4 Wochen voll-
zogen", scheint mir nicht ganz klar. Körperliche, also
greifbare Ursachen fehlen bei dynamischen Nerven-
lähmungen zunächst stets, sie sind bei auf anderen
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Verhältnissen beruhenden Kehlkopfpfeifen vorhanden, um
solche handelt es sich aber nur ganz ausnahmsweise, und
zwar bei etwa 4o/0 aller Pfeifer, in diesem Falle aber nicht.
In fast allen Fällen von Recurrenslähmen bilden dyna-
mische Missverhältnisse den Ausgangspunkt des
Leidens, jene dürften deshalb auch hier wohl ganz ausge-
schlossen bleiben.
Bezüglich der ursächlichen Verhältnisse des rascheren
Entstehens der Recurrenslähme kann ich dem Gutachten
leider auch nicht beipflichten. Die Technische Deputation
behauptet, „dass das plötzliche resp. frühere Auftreten des
Kehlkopfpfeifens (vor 4 Wochen) nur ganz ausnahmsweise
im Anschluss an gewisse Krankheiten oder in Folge
gewisser Vergiftungen beobachtet werde." Diese Be-
hauptung widerspricht der sehr bekannten Erfahrung,
dass das Auftreten plötzlicher Recurrenslähme geradeso, wie
anderer Nervenlähmungen, durchaus nicht an das Vor-
handengewesensein gewisser Krankheiten oder Ver-
giftungen gebunden ist, dass solche vielmehr in der bei
Weitem überwiegenden Mehrzahl aller Fälle ja fast
immer bei bis dahin ganz gesunden, vorher nicht
krank gewesenen Thieren auftreten, ohne dass man eine
bestimmte Ursache nachweisen könnte—man bleibt dann
auf die Annahme rheumatischer etc., also unbekannter
Einflüsse beschränkt.
Mit der Behauptung, dass die plötzliche Entstehung
der Recurrenslähmung an bestimmte ursächliche Ver-
hältnisse geknüpft sei, eilt die Technische Deputation
dem heutigen Standpunkte der Wissenschaft weit voraus:
eine nähere Bezeichnung derselben würde sehr erwünscht
sein. Bislang haben solche Behauptungen keinen Werth,
sie können deshalb auch nicht als Beweismaterial benutzt
werden.
Die Argumentation des Gutachtens, dass deshalb, weil
ein plötzliches Entstehen hier nicht nachgewiesen
sei(?!) und weil das Pferd nach dem 5. Oktober 1893 an
keiner Krankheit gelitten hat, welche das Kehlkopf-
pfeifen hätte zur Folge haben können — die Lähmung die
gewöhnliche langsame Entwicklung durchgemacht haben
müsse — entbehrt sonach jeder Begründung, zumal
letztere gar nicht nachzuweisen ist.
Bezüglich der Vergiftungsfrage kann ich mich ganz kurz
fassen, da Jedermann weiss, dass zu einer Vergiftung immer
eine gewisse Dosis erforderlich ist, die nach Individualität
abweichen kann, und dass daraus, dass andere Pferde, die
in demselben Stalle standen etc., nicht erkrankten, nicht
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gefolgert werden kann, dass auch dieses nicht vergiftet sein
konnte — doch das hat ja in diesem Falle, wo eine Einwirkung
von Gift gar nicht nachgewiesen ist, keine weitere Bedeutung.
Schliesslich behauptet das Gutachten (gleich Diecker-
hoff), dass das Kehlkopfpfeifen im Anfange der Entwicklung
der Nervenlähme nicht immer hervortrete, und will damit
beweisen, dass das negative Untersuchungsresultat der Offi-
zierspferde-Kommission vom 29. September 1893 deshalb nicht
gegen die Annahme streite, dass dieselbe bereits damals in
der Entwickelung begriffen war; sie erkennt aber an, „dass
diese Untersuchung geeignet war, bereits nachweis-
bares Kehlkopfpfeifen zu erkennen."
Woher weiss denn die Technische Deputation, dass das Kehl-
kopfpfeifen im Anfange der Entwicklung (?) der Nervenlähme
nicht immer hervortritt? Ist eine Entwicklung dynamischer
Nervenlähme trotz fehlender Funktionsstörung schon jemals
nachgewiesen? Woran erkennt sie denn die Gegenwart des
Entwicklungsstadiums? Sind das vielleicht noch Nachklänge
des myopathischen Standpunktes, oder der nicht zu erweisen-
den Annahme, dass die Nervenlähme zunächst nur einen ganz
irrelevanten Theil des Nerven treffe und sich deshalb noch
nicht durch Funktionsstörung äussern könne?
Jedenfalls bleibt auch diese Behauptung der Techni-
schen Deputation bislang ohne jede Begründung, sie kann
also auch nicht dazu dienen, den Werth des Untersuchungs-
resultats vom 29. September 1893 in irgend einer Weise zu
beeinträchtigen. —
Nach Lage der Akten steht fest, dass das Pferd a m
29. September 1893 mit dem Kehlkopfpfeifen noch
nicht behaftet war, aber später an demselben litt; es muss
deshalb, wie aus vorstehenden Erörterungen erhellt, ange-
nommen werden, dass die Lähmung des Recurrens
erst nach dem 29. September 1893 entstanden ist.
Die Gegenwart des Leidens am Lieferungstage, am 5. Ok-
tober 1893, ist weder behauptet noch nachgewiesen, also
kann auch nicht angenommen werden, dass es bereits zu
dieser Zeit bestanden habe. —
Zu der Annahme eines verborgenen Entwicklungs-
stadiums der Recurrenslähmung überhaupt undzuder
einer mindestens 4 Wochen langen Dauer desselben,
liegt nach vorstehenden Erörterungen weder eine wissen-
schaftliche noch eine durch die Erfahrung begrün-
dete Berechtigung vor, also auch nicht zu der Behauptung, dass
das Kehlkopfpfeifen eines Zeitraumes von mindestens
•4 Wochen bedürfe, um erkennbar hervorzutreten. —
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Zweites Obergutachten
der Technischen Deputation für das Veterinärwesen
zu Berlin.*)
„In Bezug auf das von uns bereits abgegebene Gutachten
bemerken wir, dass wir auch ohne Zuziehung des Professor
Eggeling zu keinem abweichenden Ergebniss gelangen.
Prof. Eggeling war bei der Fassung des Gutachtens nicht
betheiligt, sondern hat sich demselben lediglich durch Namen s-
unterschrift angeschlossen. Wir verweisen daher hinsichtlich
der Erledigung des Beweisbeschlusses vom 4. 7. 94. auf das
schon erstattete Gutachten, welches wir in allen Punkten
aufrecht erhalten. Dieses Gutachten erleidet auch bei
Berücksichtigung der Ausführungen des Beklagten in den
Schriftsätzen vom 17.2. und 27.3.95 und durch das Resultat
der fortgesetzten Beweisaufnahme keine Aenderung.
Insbesondere wiederholen wir, dass auch bei gegen-
wärtiger Sachlage kein Anhaltspunkt dafür vorliegt, dass
in» dem gegebenen Falle das Kehlkopf pfeifen eine
ausnahmsweise schnelle Entwicklung gefunden
hat, und daher diese Art der Entwicklung des in
Rede stehenden Leidens bei dem streitigen Pferde
nach Lage der Akten als ausgeschlossen betrachtet
werden muss, denn die Zeugen Habicht und Ditszum haben
auch bei ihrer neuerlichen Vernehmung im Wesentlichen
dieselben Thatsachen bekundet, wie bei der ersten. Die
Behauptung des Beklagten, dass das Kehlkopfpfeifen bei der
streitigen Stute nur einer sehr kurzen Entwicklungs-
frist bedurft habe, beziehungsweise urplötzlich entstanden
sei, findet somit in dem aktenmässigen Thatbestande
keine Stütze, sondern wird durch denselben wider-
legt. (!?)
Die Annahme des Beklagten hinsichtlich der Aufnahme
von Giften als mögliche Entstehungsursache des
Kehlkopfpfeifens bei dem streitigen Pferde und die Be-
hauptung, dass eine Verletzung oder Lähmung des
zurücklaufenden Nerven durch Schlag, Stoss oder
Druck eintreten könne, ohne dass ausser lieh überhaupt etwas
wahrnehmbar sei, sind willkürlich und können daher
eine weitere Beachtung nicht beanspruchen.
Aehnlich verhält es sich mit der Ansicht des
Beklagten über die Zurückdatirung des Kehlkopf-
pfeü'ens in jenen Fällen, in welchen eine Allgemein-
*) cf. (Nr. 35 der Deutschen Thierärztl. Wochenschrift 1895.)
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erkrankung oder eine Erkrankung des den Nervus
recurrens umgebenden Gwebes nicht nachgewiesen
ist. Wir haben bereits in unserem ersten Gutachten die
Umstände angegeben, aus welchen wir die An-
nahme ableiten mussten, dass das streitige Pferd
bereits vor dem 29.9.93 mit dem Kehlkopfpfeifen,
beziehungsweise dessen körperlicher Ursache be-
haftet gewesen ist,(?) hiernach ist die Feststellung des
Beginns des fraglichen Leidens genau auf den Tag, von
welchem Beklagter in seinen Schriftsätzen mehrfach spricht,
unerheblich. Da auch die übrigen Ausführungen des Be-
klagten die Schlussfolgerungen unseres ersten Gutachtens
nicht zu ändern vermögen, so geben wir das erforderte Gut-
achten dahin ab:
Gutachten:
„Das von uns bereits erstattete, Blatt 160
bis 173 der Akten befindliche Gutachten vom
7. Januar 1895 ist auch bei gegenwärtiger Lage
der Sache in allen Punkten aufrecht zu erhalten."
Berlin, den 8. Mai 1895.
Die Kgl. Techn. Deputation für das Veterinärwesen.
(Folgen die Unterschriften sämmtlicher Mitglieder mit
Ausschluss der Prof. Dieckerhoff, Eggeling und Möller
(cf. oben), letzerer war bei seinem Abgänge aus dem Staats-
dienste ausgeschieden, erstere beiden hatten bereits Privat-
gutachten abgegeben und waren deshalb ausgeschlossen.)
Kritik
des zweiten Obergutachtens der Deputation.*)
Die vorstehende zweite obergutachtliche Aeusserung der
Techn. Deputation gibt, abgesehen von den vorstehenden Aus-
führungen der Kritik des ersten Obergutachtens derselben,
auf welche hier besonders Bezug genommen wird, zu
nachstehenden Ausstellungen Anlass:
Die Deputation behauptet, „dass eine schnelle Ent-
wicklung des in Rede stehenden Leidens bei dem streitigen
Pferde nach Lage der Akten als ausgeschlossen be-
trachtet werden müsse, denn die Zeugen Habicht und Ditszum
haben bei ihren neuerlichen Vernehmungen im Wesentlichen
dieselben Thatsachen bekundet wie bei der ersten."
*) (cf. Nr. 35 der Deutschen Thierärztl. Woclienachr. 1895.)
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Anmerkung. Der Zeuge Habicht hat bei dieser Ver-
nehmung nur bekundet:
„Die in Rede stehende Fuchsstute wurde, als sie
nach J. kam, in den H.'sehen Pferdeställen eingestellt,
in denen unter anderen auch mein Pferd stand. Der
Kläger unterstellte es meiner Aufsicht. Ich sah mehr-
mals des Tages nach, ob das Pferd gut bedient wurde,
beobachtete auch, wenn es im Hofe geputzt wurde, und
besah es mir äusserlich genau, insbesondere, wenn ich
es ritt. Eine Untersuchung auf innere Verletzungen
habe ich nicht vorgenommen, da mir dazu die Sach-
kenntniss fehlte, der Nervus recurrens ist mir bis jetzt
ganz unbekannt gewesen."
„Am Montage den 9.10.93 bin ich auf der Fuchs-
stute mit dem Major Seh. zusammengetroffen. Ich weiss,
dass es an einem Montage in der ersten Hälfte des
Oktober war, nach meiner Berechnung kann es kein
anderer Tag als der 9. gewesen sein. Der Kläger war
erst ganz kurze Zeit im Besitze des Pferdes, wie lange,
kann ich nicht angeben." Auf Befragen des Anwalts
des Beklagten gab der Zeuge noch an, „dass er das
Pferd durch Betrachten (Betasten?) und Beklopfen nicht
untersucht habe, ausser dass er etwa nach dem Reiten
an den Beinen strich." (Die Aussage des Zeugen, Major
Seh., ging bei seiner früheren Vernehmung dahin, dass
er damals, als er neben dem Zeugen Habicht in tiefem
trockenen Sande ritt, den Kehlkopfton gehört habe.)
Zeuge Ditszum machte nachstehende Aussage:
„Ich habe die Fuchsstute überhaupt nicht geritten, ich
ritt aber öfters daneben, wenn der Kläger dieselbe ritt.
Den pfeifenden Ton habe ich nur gehört, wenn sie an-
gestrengt wurde, sowohl im Galopp als im Trab. Nach
meiner Ansicht kam der Ton aus der Nase und nicht
aus dem Maule, doch bin ich dazu nicht sachverständig
genug, um das beurtheilen zu können Ob ich den Ton
bereits vor oder erst nach dem 12.10.93 wahrgenommen
habe, ist mir nicht bekannt. Dem Kläger habe ich von
meiner Beobachtung nicht sofort, sondern erst nach einer
gewissen Zeit Mittheilung gemacht, näher kann ich die
Zeit nicht bestimmen."
Begründet wird die Ausschliessung eines raschen
Entstehens des Leidens durch diese Aussagen also
nicht; ebenso wenig haben die Akten irgend einen sonstigen
Anhaltspunkt für solche Ausschliessung ergeben, wie auch
nicht für die Annahme, dass sich das Leiden bei der Stute
langsam entwickelte; sie enthalten in beiden Beziehungen
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keine einzigen weiteren Angaben, als die durchaus
willkürliche Behauptung Dieckerhoff's, Eggeling's
und der Deputation, „dass die Entwicklung des Kehl-
kopfpfeifens, bis zur Erkennbarkeit, eines Zeit-
raumes von mindestens 4 Wochen bedürfe", eine Be-
hauptung, die, trotz wiederholter öffentlicher Auf-
forderung, bislang ohne die allergeringste Begründung ge-
lassen worden ist.
Die Behauptung der Deputation, dass nach Lage
der Akten eine schnelle Entstehung des Kehlkopfpfeifens
als ausgeschlossen betrachtet werden müsse, entspricht
deshalb dem aktenmässigen Thatbestande nicht!
Es dürfte Pflicht der Deputation sein „den Wortlaut der
Akten" zu veröffentlichen, auf welchen sich diese ihre Be-
hauptung gründet. Mir hat es trotz grosser Aufmerksamkeit
nicht gelingen wollen, in denselben auch nur den allerge-
ringsten Anhalt dafür aufzufinden.
Ebenso wenig haltbar erscheint auch die Annahme
der Deputation: „die Behauptung des Beklagten, das Kehl-
kopfpfeifen habe bei der Stute nur einer sehr kurzen Ent-
wicklungszeit bedurft, beziehungsweise sei urplötzlich ent-
standen, finde in dem aktenmässigen Thatbestande
keine Stütze, werde vielmehr durch denselben
widerlegt" (!!)
Aktenmässig ist festgestellt, dass das streitige
Pferd, so lange es im Besitze des Beklagten war, niemals
am Kehlkopfpfeifen litt, und dass es auch bei der am 29.9.93,
dem Tage des Handelsabschlusses, ad hoc vorgenommenen
sachverständigen Untersuchung, deren Exaktheit von
Niemandem bestritten worden und von welcher die Deputation
in ihrem ersten Obergutachten sagt, „dass sie geeignet
war, um bereits nachweisbares Kehlkopfpfeifen
zur Wahrnehmung zu bringen" — völlig frei vom
Kehlkopfpfeifen gefunden worden ist. Das Leiden
wurde zuerst am 9. 10. 93 beobachtet und am 20. 10. 93
durch thierärztliche Untersuchung festgestellt.
Ich frage nun, was verlangt denn die Deputation sonst
noch an Nachweisen für eine rasche Entwicklung des
Kehlkopfpfeifens? Existirt überhaupt ein nicht nachweis-
bares Kehlkopfpfeifen? Hat die Deputation ein
solches jemals wahrgenommen, oder ist das nur
ein Phantasiegebilde?
Ich wiederhole: In dem aktenmässigen Thatbestande
findet sich auch nicht ein einziges Wort, welches
gegen eine schnelle Entwicklung des Leidens bei
dem streitigen Pferde spricht, oder eine langsame Ent-
\
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stehung auch nur entfernt vermuthen lassen könnte!
Wie die Deputation Angesichts solchen Sachverhaltes be-
haupten kann, dass durch den aktenmässigen That-
b est and die Annahme einer sehr kurzen Entwicklungs-
frist, beziehungsweise eines urplötzlichen Entstehens — keine
Stütze finde, sondern sogar widerlegt werde —
ist völlig unerfindlich.
Ferner: Die Annahme des Beklagten hinsichtlich der
Aufnahme von Giften als Entstehungsursache des Kehlkopf-
pfeifens bei streitigem Pferde und die Behauptung desselben,
„dass eine Verletzung oder Lähmung des Recurrens durch
äussere Einwirkung, ohne dass äusserlich überhaupt etwas
wahrnehmbar sei, entstehen könne," bezeichnet die Depu-
tation als „willkürlich" und versagt ihnen des-
halb jede weitere Beachtung.
Thatsächlich kann die Recurrenslähmung nach solchen
Ursachen plötzlich entstehen (cf. oben und Gerichtl. Thier-
heilkunde, Ger lach etc.); ob sie in diesem Falle eingewirkt
haben oder nicht, ist allerdings nicht nachzuweisen.
Wenn aber die Deputation „willkürlichen" Be-
hauptungen mit Recht jeden Werth abspricht, wie
kann sie dann verlangen, dass ihren eigenen will-
kürlichen Behauptungen, denen, trotzdem ihnen
eventuell die Bezeichnung „wissenschaftliche Er-
fahrung"^) beigegeben wird, bislang auchnicht die
allergeringste Begründung zur Seite steht — ein
grösserer Werth beigemessen werde und dass _ sie sogar
dem Richter als Unterlage zur Entscheidung
von Rechtsstreiten dienen sollen?!
Die Ansicht des Beklagten über die Zurückdatirung des
Kehlkopfpfeifens stellt sie mit dem vorstehenden Passus auf
gleiche Linie und beruft sich bezüglich der Widerlegung
derselben, statt der bei diesem Kardinalpunkt der
ganzen Kontroverse allein, aber dringend
gebotenen Angabe von Gründen — auf die bereits
widerlegten willkürlichen Behauptungen ihres
ersten Gutachtens, ja sie geht jetzt sogar noch einen
Schritt weiter und behauptet— dem aktenmässigen
Thatbestande also geradezu widersprechend —, dass
das streitige Pferd bereits am 29.9.93 mit dem Kehl-
kopfpfeifen, beziehungsweise dessen körperlicher Ursache
behaftet gewesen sei!
Es ist höchst bedauerlich, dass die höchste Instanz,
trotzdem ihre, denen des Herrn Professor Dr. Di eckerhoff
konformen Behauptungen als total haltlos und irrig
öffentlich nachgewiesen sind, auf ihrem Standpunkte
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beharrt und ihre Behauptungen kraft höchster In-
stanz durchzudrücken versucht, ohne trotz wieder-
holter öffentlicher Aufforderung auch nur ein einziges
Wort wissenschaftlicher Begründung vorzubringen, oder vor-
bringen zu können! —
Anmerkung. Das Prozessgericht hat in dieser Sache am 15. Juni
1895 nachstehendes Urtheil verkündet:
Urtheil erster Instanz.
Kläger wird mit seiner Klage abgewiesen und
werden ihm die Kosten des Rechtsstreites zur Last
gelegt.
Gründe.
Der Antrag des Klägers geht auf Verurtheilung des Beklagten zur
Rückzahlung des Kaufpreises von 2000 Mk. nebst 5 °/° Zinsen seit
1. November 1893 gegen Rückempfang der Fuehsstute in J. als Ort der
Uebergabe. Zur Begründung dieses Antrages behauptet der Kläger, dass
die Stute schon vor der Uebergabe an ihn mit dem Fehler der Dämpfig-
keit (das Kehlkopfpfeifen ist eine Art der Dämpfigkeit) behaftet gewesen
sei. Zwar habe er diesen Fehler erst nach der Uebergabe festgestellt,
beziehungsweise feststellen lassen, doch sei nach Anhang § 14 zu 205 f. 11,
A. L. R. zu vermuthen, dass dieser Fehler schon vor der Uebergabe,
welche der Kläger auf den 5.10.93 setzt, vorhanden gewesen sei. Habe
er auch erst durch sein Schreiben vom 21.10.93 dem Beklagten (diesem
am 24.10.93 zugegangen) das Vorhandensein des Kehlkopfleidens mit-
getheilt, so sei doch die Frist des § 200 gewahrt, da die Untersuchung
über den Zeitpunkt der Entstehung dieser Krankheit auch noch nach
dem 22.10. sehr wohl erfolgen konnte.
Dieser Ansicht der Wahrung seitens des Klägers
konnte nicht beigetreten werden.
Zunächst ist dem Präjudiz des früheren Obertribunals folgend,
daran festgehalten, dass der § 200 a. a. O. sich auch auf Anhang § 14
bezieht.
Da weiter der Kläger die Stute erst am 22.23.10 durch den Ross-
arzt R. und Oberrossarzt H. hat untersuchen lassen, während der Kläger,
wie aus dessen Briefen vom 11. und 22.10. zu entnehmen ist, das Kehl-
kopfpfeifen bereits am 12.10. erkannt hatte, so ist unter Berücksichtigung,
dass nach dem Gutachten des Professor Günther wie nach dem Gut-
achten der Techn. Deputation zu Berlin — nach der Ansicht des ersteren
das Kehlkopfpfeifen auch plötzlich, nach der Ansicht des letzteren in
kurzer Zeit auftreten kann — ein 8tägiges Warten, wie es Seitens des
Klägers geschehen ist, eine Säumniss, durch welche der Kläger die Ver-
muthung aus § 14 Anhang verloren hat.
Der Kläger hat deshalb den Beweis zu erbringen,
dass das Pferd schon zur Zeit der Uebergabe an ihn
mit dem Kehlkopf leiden behaftet, bezw. der Krank-
heitsgrund schon vor der Uebergabe imThiere vor-
band o n w a r. (§ 203 a. a. O. und Entschd. des früheren Obertribunals
vom 17. November 1891.)
Diesen Beweis hat der Kläger durch das Gutachten des Prof.
Dr. Dieckerhoff und der Techn. Deputation für das Veterinärwesen
zu Berlin angetreten, und der Beklagte hat durch das Gutachten des
Oberrossarzt K. und des Prof. Günther den Gegenbeweis angestrebt.
Auf die an die Sachverständigen nach den Beweisbeschlüssen vom
30.12.93 und 4.7.94 gerichteten Fragen haben geantwortet:
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1.  Prof. Dr. Dieck erhoff:
„Die Krankheit des Kehlkopfpfeifens, wie solche vom Oberrossarzt
H. und dem Rossarzt R. nach deren Attest vom 26. Oktober 1893 bei
dem streitigen Pferde festgestellt ist, bedarf zu ihrer Entwicklung
eines Zeitraumes von mindestens 4 Wochen."
2.   Prof. Günther:
„Es kommen Fälle vor, in welchen das Kehlkopfpfeifen für seine
Entwicklung bis zur äusseren Erkennbarkeit einer nachweisbaren Frist
überhaupt nicht bedarf, dasselbe kann vielmehr jederzeit urplötzlich
und zwar in jedem Grade erkennbar hervortreten; die
Bedingungen, unter welchen solch plötzliches Hervortreten statt hat,
sind nicht genau zu präzisiren."
3.   Technische Deputation für das Veterinärwesen
zu Berlin:
„Es ist nach Lage der Sache anzunehmen, dass das von dem Ober-
rossarzt H. am 20. Oktober 1893 konstatirte Kehlkopfleiden (Kehlkopf-
pfeifen) der Fuchsstute auf eine Erkrankung des Pferdes zurückzuführen
ist, weiche bereits vor dem 29.9.93 bestanden hat."
„Das Kehlkopfpfeifen kann ausnahmsweise in kurzer Zeit auftreten.
In der Regel bedarf aber die dem Kehlkoijfleiden zu Grunde liegende
Erkrankung bis zu dem Zeitpunkte, wo das Kehlkopfpfeifen wahrge-
nommen werden kann, zu ihrer Entwicklung eines Zeitraumes von
mindestens 4 Wochen."
Auf Grund dieser Gutachten ist das Gericht zu der Ansicht ge-
kommen :
1.   Die Behauptung des Klägers, dass in der Regel die dem Kehl-
kopfpfeifen zu Grunde liegende Erkrankung bis zu dem Zeit-
punkte ihrer äusseren Erkennbarkeit eines Zeitraumes von min-
destens 4 Wochen bedarf und dass das Kehlkopfpfeifen nur aus-
nahmsweise in kurzer Zeit auftrete —
ist wissenschaftlich nicht unanfechtbar.
2.   Im vorliegenden Falle hat der Kläger dadurch, dass derselbe
nach Erkennen des Kehlkopfleidens 8 Tage hindurch (vom 12. Ok-
tober. Tag seiner Wahrnehmung des Leidens, bis 20. Oktober,
Untersuchung durch Oberrossarzt IT.) die Stute Weder in sorg-
fältiger, sachverständiger Pflege gehalten hat, noch überhaupt
thierärztlich hat. untersuchen lassen — sich ausser Stand gesetzt,
ausreichende Stützpunkte dafür zu beschaffen, ob das Kehlkopf-
leiden auf chronischer oder akuter Erkrankung beruht. —
Auch die Technische Deputation für das Veterinärwesen
kommt nur nach Lage der Sache zu der Annahme, dass das
am 20. Oktober konstatirte Kehlkopfleiden auf eine Erkrankung
zurückzuführen ist, welche bereits vor dem 29. September 1893
(Tag der Uebergabe nach Behauptung des Beklagten) bestanden
hat.
Die Lage der Sache ist jedoch durch die eben zu 2 erwähnte
Säumniss des Klägers nicht derartig zureichend festgestellt, um den dem
Kläger obliegenden Beweis für erbracht zu erachten, dass das Kehlkopf-
leiden oder auch nur der Grund dieser Krankheit in dem Thiere schon
vor dem 29. September oder 5. Oktober vorhanden war.....
.....Nimmt man indessen auf Grund der Sch.schen Aussage an,
dass die Stute am 9. 10. mit dem Kehlkopfleiden behaftet war, so ist
doch nicht ausgeschlossen, dass sich das Kehlkopfleiden in der Zeit vom
7. Oktober ab akut entwickelt hat.
Es ist hier zu beachten, dass der Kläger am 7. Oktober dem Be-
klagten mittheilte, nicht nur, dass die Pferde gut angekommen, sondern
auch, dass sie gestern und heute sehr gut gegangen sind. Beachtet
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man weiter, dass die Pferde am 29.9.93 zu E. von dem Oberrossarzt K.
im Beisein der übrigen Mitglieder der Offizierpferde-Kommission auf das
Genaueste, speziell auch auf Kehlkopfleiden, untersucht worden sind,
und besonders diese Stute in einer Art, welche nach der Erklärung der
Technischen Deputation etc. geeignet war, ein bereits nachweisbares
Kehlkopfpfeifen zur Wahrnehmung zu bringen,
so ist die Annahme einer akuten Entwicklung
nicht ausgeschlossen.
Das Kehlkopfleiden entwickelt sich nach dem Gutachten des Prof.
Günther plötzlich, ohne dass die Bedingungen, unter welchen solch
plötzliches Hervortreten des Leidens statt hat, sich genau präzisiren
lassen. Dieser Sachverständige sagt weiter: „Die Erkennbarkeit des
Kehlkopfleidens tritt bei sachgemässer Untersuchung in jedem Grade
hervor." Dass die K.sche Untersuchung am 29.9.93 nicht sachgemäss
gewesen sei, diese Annahme ist ausgeschlossen: das Pferd ist bei dieser
Untersuchung am 29.9.1893 mit herangenommenem (beigezäumtem)
Kopfe über '/* Stunde in 2 Fuss tiefem, frisch aufgeschüttetem Sande
galoppirt worden, ein verdächtiges Kehlkopfgeräusch ist nicht bemerkt
worden.
Stellt man hierzu das vom Beklagten angezogene Rostocker Gut-
achten des Prof. Dr. Dieckerhof'f, welches lautet:
„Der abnorme Ton (des Kehlkopfpfeifens) wird bei vielen Kehlkopf-
pfeifern im ersten Krankheitsstadium und oft mehrere Monate selbst
1—2 Jahre hindurch nur dann hervorgerufen, wenn die Pferde mit heran-
gezogenem (beigezäumtem) Kopfe in anstrengender Galopbewegung ge-
braucht werden/ — so befremdet die Annahme der mindestens 4-wöchent-
lichen Entwicklungsfrist in vorliegendem Falle um so mehr, als die
Feststellung des Kehlkopfpfeifens durch den Zeugen Seh. am 9.10.93,
durch den Kläger selber am 12. cj. und des hochgradigen Kehlkopf-
pfeifens durch H. und B. am 20. und 23. Oktober, somit in einen Zeit-
raum fällt, welcher nach der Ansicht des Prof. Dr. Dieckerhoff,
wie der Technischen Deputation zu Berlin nicht in dem ersten Krank-
heitsstadium liegt.
Auch der Prof. Günther verwirft die Annahme der mindestens
4-wöchigon Entwicklungsfrist. Dass seine Ansicht eine unwissenschaft-
liche sei, zu dieser Annahme konnte der Richer nicht gelangen, auch
die Günther'sche Ansicht beruht auf Beobachtungen aus der Erfahrung.
Im vorliegenden Falle bietet die Sachlage so wenig brauchbare,
bezw. zuverlässige Stützpunkte, dass sich die richterliche ueberzeugung
nicht dahin festsetzen konnte, dass eine plötzliche Erkrankung der Stute
ausgeschlossen sei.
Dass entgegen der landrechtlichen 4-wöchentlichen Entwicklungs-
frist andere deutsche Gesetzbücher weit kürzere Fristen stellen, sei
nebenbei bemerkt.
Aus diesen Gründen ist der dem Kläger obliegende Beweis, dass
die Fuchsstute schon zur Zeit der Uebergabe an den Kläger — mag die
Uebergabe am 29.9. oder erst am 5.10.93 erfolgt sein — mit dem
Kehlkopfleiden behaftet gewesen ist, für geführt nicht erachtet worden.
Solange dieser Beweis nicht geführt ist, gilt die Krankheit erst nach
der uebergabe entstanden.
Die Klage war daher abzuweisen und dem Kläger nach § 87 C.P.O.
die Kosten des Verfahrens aufzulegen.
König 1. Amtsgericht zu T.
gez. B.
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Gegen dieses Urtheil hat Kläger Berufung beim Landgerichte ein-
gelegt; die darauf ergangene Gerichtsentscheidung lautet wie folgt:
Die mir jetzt zugegangene Entscheidung der IL Instanz
in Sachen B./W. lautet wie folgt:
Der Beklagte wird verurtheilt:
a.   dem Kläger die von demselben am 29. September
1893 zu E. verkaufte Fuchsstute Preciosa in J. ab-
zunehmen und an den Kläger 2000 Mk. nebst 5°/o
Zinsen seit dem 2. Dezember 1893, als dem Tage
der Klagezusl allung, zu zahlen;
b.  die Kosten des Rechtsstreites zu tragen.
Gründe:
.... Der Beklagte hat auch noch ein weiteres schrift-
liches Gutachten des Geheimen Medizinalraths, Direktors der
Thierärztlichen Hochschule a. D. zu Hannover, Professors
K. Günther vom 2. Dezember 1895 (Promemoria),*) dessen
Unterschrift beglaubigt ist, vorgelegt, in dem dieser Sach-
verständige seine schon in erster Instanz aufgestellte Ansicht
von der Möglichkeit des urplötzlichen Entstehens der hier in
Rede stehenden Pferdekrankheit, der Dämpfigkeit, eingehend
begründet hat und hat beantragt, nöthigenfalls noch ein Gut-
achten der thierärztlichen Hochschule zu Hannover und der
Veterinärdeputationen zu Dresden, München und Stuttgart
zu erfordern.
Das Berufungsgericht hält durch das Gutachten
der Königl. Techn. Dep. für das Veterinärwesen
zu Berlin vom 8. Mai 1894 und 7. Januar 1895 zu seiner
Ueberzeugung für dargethan, dass das vom Beklagten an
den Kläger am 29. September 1893 verkaufte Pferd, das am
23. Oktober 1893 als unzweifelhaft dämpfig befunden worden
ist, den Keim dieser Krankheit bereits vor diesem
Zeitpunkte in sich getragen hat; mindestens ist bei
der wissenschaftlichen Bedeutung, die diesen Gut-
achten beizulegen ist, nach dessen Inhalt der nach dem
Zwischenurtheile vom 5. November 1895 dem Beklagten noch
obliegende Beweis des Gegentheils diesem nicht gelungen,
und es kommt deshalb der Anhang § 14 zu § 205 Allg. Landr.,
Theil I, Tit. 11, gegen ihn zur Anwendung, woraus sich ergiebt,
dass er dem Kläger für die Dämpfigkeit aufkommen muss.
*) S. Deutsche Thierärztl. Wochenschr. 1895 Nr. 50.
7*
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— 100 —
Selbst durch die am 29. September 1893 von der Pferde-
kommission in Erfurt vorgenommene genaue Prüfung des
Pferdes auch auf Dämpfigkeit ist der Gegenbeweis nicht ge-
führt, wie ebenfalls nach den Gutachten der vorbenann-
ten Behörde anzunehmen ist.
Auch ist ein Verzicht des Klägers auf seine Rechte aus
der Gewähr im Anschluss a,uf diese Prüfung nicht nachgewiesen.
Unter diesen Umständen kann es nicht darauf ankommen,
ob die Uebergabe des Pferdes rechtlich schon als am 29. Sep-
tember oder erst am 5. Oktober 1893 erfolgt zu gelten habe,
da nach dem Vorausgeführten die Entstehung der Krankheit
in die Zeit vor dem 29. September fällt.
Der hinsichtlich einer ausdrücklichen Verabredung über
die Art der Uebergabe vom Kläger dem Beklagten zuge-
schobene, von ihm angenommene Eid ist deshalb unerheblich.
Es musste deshalb der Beklagte, wie geschehen ist, zur Zurück-
nahme des sich jetzt in J. befindlichen Pferdes und Heraus-
zahlung des Kaufpreises ' von 2000 Mk. verurtheilt werden.
Da ihm die Klage erst am 2. Dezember 1893 zugestellt ist,
so ist er erst seit dieser Zeit im Verzug, wobei in Betracht
kommt, dass erst durch die Zustellung der Klage der Be-
klagte volle Gewissheit darüber erlangt hatte, dass die Vor-
verhandlungen des Klägers mit ihm über die Zurücknahme
des Pferdes zur Erhebung eines rechtlichen darauf gerichteten
Anspruchs des Klägers geführt hatten, und gehörig prüfen
konnte, ob dieser Anspruch begündet sei.
Anderweit hat aber dem Kläger das Pferd wegen seines
Fehlers keinen dienstlichen Nuzen gewährt*) und
es kann deshalb der Beklagte, der dem Kläger das Pferd zur
Verwendung im Militärdienste verkauft hatte, eine Aufrech-
nung der seit dem 2. Dezember 1893 laufenden Zinsen des
Kaufpreises gegen solchen Nutzen nicht verlangen.....
(Folgen die Unterschriften.)
Anmerkung. Durch diese Entscheidung wird dargethan,
dass sich das Landgericht verpflichtet hält, den Darlegungen
der auch zur Abgabe massgebender Obergutachten eingesetzten
Fachbehörde unbedingt Folge zu geben, indem es als ganz
selbstverständlich voraussetzen zu müssen glaubt,
dass die höchste veterinärwissenschaftliche Instanz Preussens
*) Bei der am 20. und 23.10.1893 vorgenommenen Untersuchung trat
das Kehlkopfpfeifen bereits nach 3 Minuten langer Galopprobe hervor.
Nach der Zeit muss sich dasselbe wesentlich gebessert haben, denn der
Kläger hat jezt dem Beklagten das Pferd, nachdem der Prozess entschieden
war, trotzdem es nun fast 3 Jahre älter geworden ist, für den Preis von
1300 Mk. von neuem abgekauft. lieber den Verlauf des Leidens bei diesem
Pferde Authentisches zu erfahren, habe ich mich leider vergebens bemüht.
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in ihren Obergutachten dem gegenwärtigen Standpunkte der
Wissenschaft voll Rechnung getragen haben müsse und habe.
Die technische Deputation erscheint demnach im Auge des
Gerichts — unfehlbar!
Die Entscheidung fällt also auf die Deputation zurück,
sie könnte event. dazu beitragen, eine die Wissenschaft und
die Rechtsprechung schädigende Ueberschätzung ihrer wissen-
schaftlichen Bedeutung gross zu ziehen und sie bei Abgabe
ihrer Obergutachten weniger vorsichtig zu machen, zumal,
wenn ihre Gutachten, wie das bislang geschieht, nachdem sie
von Richter und Rechtsanwalt (vielleicht auch von Parteien),
also jedenfalls nur von nicht sachverständigen
Personen gelesen, von der Bildfläche verschwinden; sie
werden dadurch jeder öffentlichen Kritik Sachverständiger,
welche Verirrungen wirksam entgegenarbeiten könnten, ent-
zogen !
Welche Behörde Preussens erfreut sich gleich unkon-
trolirbarer und unantastbarer Ausübung ihres Berufs? Selbst
die höchsten richterlichen Instanzen treten im öffentlichen
Interesse mit ihren Entscheidungen freiwillig an die Oeffent-
lichkeit! Von einer zur Abgabe massgebender wissen-
schaftlicher Obergutachten berufenen Fachbehörde sollte man
doch im Interesse der Wissenschaft und der Rechtsprechung
füglich Gleiches erwarten, hat sie doch die gleiche Pflicht,
durch gediegene Obergutachten aufklärend und
belehrend im Kreise der Fachgenossen zu wirken; sehr
viele Prozesse würden dadurch vermieden werden!
In wissenschaftlicher Beziehung wird durch diese
Gerichtsentscheidung absolut gar nichts geändert, auf der
Deputation bleibt nach wie vor der Makel haften, dass sie
für ihre, einer vernichtenden Kritik öffentlich unterzogenen
obergutachtlichen Behauptungen kein Wort wissenschaftlicher
Rechtfertigung zu finden vermag.
Die technische Deputation hat aber als höchste Instanz
im Interesse der Wissenschaft und Rechtsprechung
die heiligste Pflicht, die gegen ihre Obergutachten ge-
richteten Angriffe in wissenschaftlicher Begründung öffent-
lich zu widerlegen; thut sie das nicht, so könnte angenommen
werden, dass sie sich ausser Stande fühlt, ihre Behauptungen
vor dem Auge der Wissenschaft aufrecht zu erhalten, dass
sie aber gleichwohl kein Bedenken trägt, sich im Vollgefühl
ihrer hohen Staatsstellung über „solche Kleinigkeiten"
hinwegzusetzen und sich als Selbstherrscherin der Wissen-
schaft zu geriren, welche derselben willkürlich Gesetze
vorschreiben und ihrem Fortschritt hindernd ent-
gegentreten kann und darf.
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Sollte diese Anschauung zutreffen, so würde sie das öffent-
liche Vertrauen, von welchem eine höchste Instanz ganz unbe-
dingt getragen sein muss — zumal sich die Gerichte nicht in der
Lage befinden, den Werth solcher Obergutachten zu prüfen —
nicht bewahren können: die Rechtsprechung würde sich
eventuell, wie das vorstehend geschehen zu sein scheint, zum
Nachtheil der prozessirenden Partei auf willkürliche Behaup-
tungen stützen, während sie glaubt, auf wissenschaftlicher
Basis zu fussen! Dadurch würde ein ganz unhaltbarer Zustand
geschaffen werden, eine Rechtsunsicherheit, die gebieterisch
Abhülfe verlangen müsste!
Prozesse wegen Kehlkopfpfeifens der Pferde schweben
fortwährend in sehr grosser Zahl, sie müssen sich leider bei
der stetig zunehmenden Verbreitung des Leidens naturgemäss
noch vermehren: es ist deshalb dringend geboten, dass die
Wissenschaft über die Beurtheilung dieses Fehlers pro foro
nach hundertjähriger Lethargie endlich zum Abschluss gelange!
Im eigensten Interesse der höchsten Instanz, in dem der
Wissenschaft und Rechtsprechung, ergeht deshalb an die
technische Deputation nochmals die Aufforderung, die in ihren
bezüglichen Obergutachten aufgestellten Behauptungen wissen-
schaftlich zu begründen und die auf dieselben erfolgten An-
griffe öffentlich zu widerlegen, oder aber event. ihren Irrthum
freimüthig einzugestehen, damit die Rechtsprechung soliden
Boden wieder gewinne und die Bahn der Wissenschaft frei
werde; irren kann ja Jeder, namentlich aber in Erfahrungs-
wissenschaften — durch solche That würde ihr Ansehen nur
gewinnen können.
Aus den vorstehenden Nachweisen ergeben sich folgende
Resultate:
Aphorismen.
1.  Das auf Recurrenslähmung beruhende Kehlkopfpfeifen
ist dadurch bedingt, dass der Aryknorpel der aspi-
rirten Luftsäule nicht aus dem Wege geräumt werden
kann und dem Drucke derselben folgend den Kehl-
kopfsraum beengt: es tritt deshalb ganz aus-
schliesslich unter dieser Bedingung hervor.
2.  Das Kehlkopfpfeifen beruht bei mindestens 96°/o
aller Pfeifer auf linksseitiger Recurrenslähmung,
welcher sich ab und zu eine Betheiligung des recht-
seitigen Nerven beigesellt, diese ist denn aber,
jener gegenüber, stets weniger erheblich. Lähmung
des rechtsseitigen Recurrens für sich allein
ist nicht nachgewiesen.
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3.  Bis zum Nachweise anderer Ursache muss im
speziellen Falle die Recurrenslähme als vorhanden
angesehen werden.
4.  Das Kehlkopfpfeifen folgt der Recurrens-
lähmung auf dem Fusse nach, ohne dass an
dem Nerv oder den Muskeln zunächst irgend
eine Veränderung wahrnehmbar ist.
5.  Die Atrophie der Kehlkopfmuskeln ist die irrelevante
Folge der Lähmung des Recurrens, also nicht die
Ursache des Kehlkopfpfeifens.
6.  Materielle Alterationen des Nerven kommen
bei frischen Lähmungen unter vielen tausend
Fällen kaum einmal vor; die Nervenlähmung
muss deshalb als eine dynamische angesehen
werden.
7.  Die Lähmung kann Infektionskrankheiten
begleiten oder folgen ebenso auch bestimmten
Vergiftungen. In der bei Weitem überwiegenden
Mehrzahl aller Fälle, denen jene gegenüber kaum
in Betracht kommen, tritt die Lähmung bei bis
dahin ganz gesunden Pferden urplötzlich
ein, ohne dass ihrem Auftreten irgend ein
Symptom von Krankheit oder Unpässlichsein vor-
hergeht: Prodrome fehlen.
8.  Ein langsames Entstehen dynamischer Re-
currenslähmung, also des Kehlkopfpfeifens,
ist bislang in keinem einzigen Falle nach-
gewiesen, das plötzliche Entstehen derselben
dagegen sehr vielfach festgestellt.
9.  Die Annahme eines Entwicklungsstadiums des
Kehlkopfpfeifens, also auch die eines solchen
von mindestens 4 wöchiger Dauer, ist absolut
willkürlich.
10.  Ein Pferd ist entweder Kehlkopfpfeifer oder
es ist frei von dem Leiden, einen Mittel-
zustand gibt es nicht.
11.  Das Kehlkopfpfeifen kann durch ordnungsmäs-
sige Untersuchung jedesmal festgestellt
werden, ebenso auch das Freisein von dem
Leiden.
12.  Die Recurrenslähmung (Kehlkopfpfeifen) ist erblich.
Therapie.
Angesichts der niederschlagenden Erfahrung, dass es bis-
lang nur selten und zwar fast nur bei möglichst frischer
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Recurrensläbmung gelungen ist, eine Heilung zu erreichen,
muss es erwünscht sein, weitere Versuche zu unternehmen.
Die früher benutzte Behandlungsweise bestand in Warm-
halten, Abführungen, scharfen Einreibungen resp. Haarseilen
auf die Ohrdrüsenpartie, Terpenthin, Arsenik, Strychnin etc.
Kann ich nun auch keine andere bereits von Erfolg gekrönte
Therapie bezeichnen, so möchte ich doch auf die augenschein-
lich vortheilhafte Wirkung des Veratrins bei Nervenlähmungen
auch Nervenschmerzen*) aufmerksam machen. — In früherer
Zeit, als das Veratrin noch keinen Eingang gefunden hatte,
benutzten wir Pulv. Rhis. veratr. albi. Bei seit längerer Zeit
an Recurrenslähmung leidenden Pferden, die schon beim Pressen
so stark röhrten, dass man es trotz geschlossener Stallthür
weithin hören konnte, verschwand dasselbe nach einer Gabe
von 8 Gramm (mit Konstituens zur Latwerge gemacht) in vier
Dosen pr. 24 Stunden und bei einige Tage lang täglich
fortgesetztem Gebrauche von 4 Gramm, im Stalle gänzlich.
Nach den ersten starken Gaben trat Würgen ein, durch die
späteren wurde eine Uebelkeit anhaltend unterhalten. Nach
ausgesetzter Behandlung hielt die erreichte Besserung mehrere
Tage an, dann trat das Rohren, wie vordem, wieder ein, konnte
aber wieder durch veratrum album auf den bezeichneten Stand-
punkt zurückgeführt werden. Weitere bezügliche Erfahrungen
liegen mir bei ßecurrenslähmung nicht vor. Auf Grund dieser
Erfahrungen habe ich Lähmungen des N. cruralis, auch solche
einzelner Nerven des Armgeflechtes, des Halses, plötzliche
Lähmungen des VII., des VIII. und II. Nerven (cf. Jahresber. d.
Hann. Thier. 1873, p. 75) durch innerlichen Gebrauch des Mittels,
verbunden mit äusserlicher, dem Laufe der Nerven folgender
Einreibung von Tinct. veratr. alb. (1:8) nach vorheriger Rei-
zung der Haut durch Tinct. cantJi. mit recht günstigem Erfolge
behandelt. [Umgefallene Speckhälse (Halskamm) widerstanden
jeder Behandlung, sie sind bleibend.] Der Gestütsthierarzt
War necke in Celle behandelte in solcher Weise auf meine
Veranlassung ein Pferd, welches seit einigen Monaten an einer
Lähmung des N. radialis litt, mit grosser Ausdauer und erzielte
nach wochenlangen Mühen schliesslich vollen Erfolg.
Anmerkung. In neuester Zeit hat sieb ein Herr Lindemann
zu Hasserode am Harz (cf. ßrochüre „Theorie der Heilung des Kehlkopf-
pfeifens der Pferde 1895" bei Lindemann in Hannover) gemüssigt go-
*) Bei Nervenschmerz im Biceps brachii habe ich nach Einreibung
von Veratrin 0,05 Spt. vin. 30,00 sofort Linderung gehabt und nach an-
dauerndem Gebrauch und Waimhalten Heilung erzielt. Bei frischem
sehr heftigen Hexenschuss führte die Einreibung sofort Linderung der
Schmerzen und, in 24 Stunden mindestens vier Mal kräftig wieder-
holt, Heilung herbei. Die Wiederholung der Einreibung hatte jedesmal
statt, wenn die Schmerzen wieder zunahmen.
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sehen, seine bezügl. Ansichten zu publiziren und dem Kriegsministerium
zur Anregung weiterer Forschungen zu unterbreiten. Derselbe gedenkt
das Kehlkopfpfeifen durch methodisch fortgesetzte Einübung und Kräf-
tigung der Kehlkopfmuskeln beseitigen zu können, indem er den Zutritt
der Luft durch Verengerung der Nasenlöcher' so regulirt, dass ein Fort-
reissen des Aryknorpels vermieden wird, welches nach seiner Meinung
störend auf die Kräftigung der Muskeln einwirken soll. Abgesehen da-
von, dass dergleichen im Resultate gleiche Experimente unbewusst seit
uralter Zeit tagtäglich, ohne jeden Erfolg, bei Pferden gemacht werden,
welche notorisch Pfeifer sind, aber im gewöhnlichen Dienste
Jahr und Tag nicht röhren, so dass ihre Besitzer gar keine
Ahnung davon haben, dass dieselben am Kehlkopfpfeifen leiden, fällt
seine Theorie schon dadurch zusammen, dass das Kehlkopfpfeifen n.cht
durch das erst sekundäre, ganz irrelevante Muskelleiden, sondern aus-
schliesslich durehdieRekurrenslähme bedingt ist, welche
durch „gymnastische* Uebungen von Muskeln nicht beseitigt werden
kann. Muskeln, deren Nerv gelähmt ist, sind für die Zeit der Lähmung
motorisch todt! Todte motorisch zu üben, um sie zu neuem
Leben zu erwecken, ist — neu!!
Derselbe Herr hat auch ausfindig gemacht, dass das Pferd event.
zur Zeit nur eine Lunge zum Athmen benutzt und beim Schrittgehen
122—144 Mal in der Minute athmetü (cf. das. pag. 16). In neuester
Zeit ist ebenfalls allen Ernstes vorgeschlagen worden, den gelähmten
Recurrens abzuschneiden und das periphere Ende in einen künstlichen
Spalt des Vagusstammes einzupflanzen (The Veterin. LXVII) — nur so
weiter!
Kehlkopfoperation.
Bei der bisherigen Unzulänglichkeit jeder Behandlung habe
ich seit 1845 die Beseitigung des Kehlkopfpfeifens auf opera-
tivem Wege versucht.
Den Zugang zum Kehlkopf eröffnete ich mir bei mit vorge-
strecktem Halse und Kopfe auf dem Rücken liegenden nicht narko-
tisirten Pferden durch Einstechen eines ßistoures durch Haut, Mus-
keln und Luftröhren-Ringband bis in die Lultröhre und verlängerte
diese Wunde sofort bis zur Vereinigung der Schildknorpel (die
Mittellinie ist bei Lokalkenntniss sehr leicht gewahrt, kann
auch leicht durch Feststellung des Vereinigungspunktes der
Schildknorpel und den am hinteren Rande des Ringes meist
vorhandenen Ausschnitts ermittelt werden; doch ist zu beachten,
dass Hals und Kopf gerade ausgestreckt sein müssen und dass
die Stirnfläche des Kopfes wagerecht auf dem Boden liege).
Nach solcher Eröffnung liess ich die Enden des Ringknorpels
beiderseits in die Schlinge eines einfachen Messingdrahthakens
aufnehmen und mittelst derselben den Ring soweit auseinander
halten, als zum Zweck des Einblicks und der Operation erforderlich,
nlso nur sehr wenig. Trennung von Luftröhrenringen behufs
liaumgewinnung für die Operation habe ich nie erforderlich
gefunden. Nachdem mittelst Stockschwämmchen das Blut,
sofort nach dem Schnitt und so lange die Blutung andauerte,
in rascher Folge aus der Luftröhre genommen, vollführte ich,
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an der rechten Seite des Thieres sitzend, die bezüglichen
Operationen und zwar:
1.   Entfernung beider Stimmbänder: Das so operirte
einjährige Füllen konnte ich 4 Wochen nach der Operation nach
Belieben auf dem Hofe umherjagen lassen, ohne dass auch nur
der geringste Ton wahrnehmbar wurde, trotzdem es vorher sehr
starker Rohrer war. Mit zunehmender Verkürzung der Narbe,
welche beide Aryknorpel nach der Vereinigung der Schildknorpel
hin tief in den Keblkopf herabgezogen hatte, stellte sieh das
Rohren wieder ein, erneuete Operation verschlimmerte das Leiden.
2.   Das Stimm band der kranken Seite allein ent-
fernt, lieferte Verstärkung des Rohrens. Der Aryknorpel
wird durch die sich verkürzende Narbe tief in den Kehlkopfs -
■ räum hineingezogen.
3.   Das Stimmband der kranken Seite sammt der
medialen Wand der Stimmtasche entfernt, so
dass die Schildknorpelhälfte der Stimmtasche intakt blieb; die
Pferde röhrten alle, einzelne mit schlotterndem Geräusch, bei
diesen hing der Aryknorpel nach vollendeter Vernarbung sehr
beweglich in den Kehlkopfsraum hinein.
4.   Den Aryknorpel einer Seite vor. dem Ringknorpel e x a r -
tikulirt und nebst Stimmtasche und Stimm-
band entfernt, also vollkommen exstirpirt, ohne
die Schleimhaut der unteren Schiundkopfwand zu verletzen; die
so operirten Anatomiepferde starben alle, wie das erwartet war,
in der ersten Zeit nach der Operation an Lungenentzündung,
weil der Kehlkopf beim Sehlucken nicht mehr genügend ge-
schlossen werden konnte. Ich habe diese Operation destralb zur
Heilung des Kehlkopfpfeifens nicht in Anwendung bringen können.
5.  Den Aryknorpel der gelähmten Seite vorderhalb
der Gelenkfläche, in seinem dreieckigen Theile
durchschnitten und ihn sammt Stimmtasche
und Stimmband entfernt. Einzelne Resultate brillant,
andere wegen Verkürzung der Narbe ungenügend, so viel wie
gar kein Resultat, nur trat auch bei extremster Anstrengung,
trotzdem manche sehr stark brüllten, keine Erstickungsgefahr
wieder ein. In einem Falle trat Caries des Knorpels und be-
deutende Verbildung ein, so dass das Thier stärker röhrte als
vor der Operation.
6.   Die Stimmtasche zwischen Schild- und Ary-
knorpel entfernt, aber das Stimmband ge-
schont, (der senkrechte Theil des Aryknorpels wurde dabei bis
nahe unter die Gelenkfläche von der Kehlkopf swand getrennt,
so dass er aufwärts nur durch die Schleimhaut und abwärts
durch das Stimmband mit dem Schildknorpel in Verbindung
blieb); in einzelnen Fällen heilte die äussere Fläche des Ary-
knorpels sehr gut an dem Schildknorpel fest, und die Pferde
waren und blieben geheilt, in anderen Fällen heilte der Knorpel
zu niedrig an und die Thiere blieben Rohrer, in noch anderen
Fällen heilte der Aryknorpel nicht fest genug an und die Thiere
röhrten mit schlotterndem Geräusch.—
In einem einzelnen Falle, bei dem das Rohren von verbildetem
Aryknorpel einer Seite herrührte, gelang die Heilung durch Exstirpation
des Theiles desselben, welcher sich bei gesundem Knorpel vor dem
zwischen beiden Aryknorpeln und der Ringplatte befindlichen, durch
Fettpolster gefüllten Räume befindet, vollkommen; indessen bildete sich
im letzteren später ein Haselnuss grosser Abscess, mit welchem das
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Pferd 10 Wochen nach der Operation stark röhrend wieder präsentirt
wurde. Das Rohren sollte sich Tags zuvor eingestellt haben; war aber
so stark, dass das Pferd kaum das Schulterrain erreichte und dann
asphyktisch zusammenbrach! Die sofort durch raschen Schnitt in die
Tiachea gemachte Tracheotomie konnte das Lei en nur noch um einige
Athemzüge fristen; Oedem des Kehlkopfes hatte sein Lumen fast völlig
geschlossen.
In einem anderen Falle, bei dem Veibildung beider Aryknorpel
sehr starkes Rohren veranlasste, liefeite die wie oben angegebene voll-
führte Entfernung eines Theiles beider Knorpel kein günstiges Resultat;
die "Narbe zog beide tief in den Keblkopf herab; nach wiederholter
Operation wurde die Oeffnung im Kehlkopfe, wie das zu erwarten war,
so eng, dass kaum noch ein Zeigefinger durch den nahe vor der Ver-
einigung beider Schildknorpel offen gebliebenen Gang hindurchgeführt
werden konnte.
Anmerkung. Die unter Nr. 5 bezeichnete Operation führte
ich mit der rechten Hand folgendermassen aus*) (früher operirte ich
an der linken Seite des Thieres knieend mit der linken, war aber mit
dieser nicht so sicher, wie ich es wünschte). Jch führte die Klinge dicht
über die Spitze des Schnäuzchens, nahm, ohne dieses zu be-
ruh r en, genau Mass, drückte dieselbe, über die Hand schneidend,
zwischen beiden Aryknorpeln bis zum medialen hinteren Fortsatz des
linken ein, gab ihr von da ab sofort die Richtung nach aussen und
schnitt den Knorpel mit kräftigem Druck in seinem dreieckigen Theile,
also dicht vor der Gelenkt lache ganz durch, ohne jemals den
Schildknorpel oder den Ring zu verletzen, auch blieb ausnahmslos die
dem Giesskannenknorpel hinter dem Schnäuzchen nur sehr locker an-
liegende Schleimhaut intakt. Der ganze Schnitt war innerhalb kaum
einiger Sekunden durchgeführt und immer vollendet, bevor der nach
Berührung des Schnäuzchens stets rasch erfolgende Schluckakt eintrat.
Hierauf hakte ich einen mit Widerhaken versehenen langen Haken in
dem senkrechten Theile des abgeschnittenen Knorpeltficiles fest und
unterstützte dadurch die sofort folgende Vollendung der inneren Kehl-
kopfs-Operation, die im Ganzen keine volle Minute Zeit in Anspruch
nahm. Ich beeilte die Vollendung der Oj^eration aus dem Grunde, weil
nach derselben stets Blut in die Luftröhre resp. Lungen fliesst. Die
Thiere wurden dann schleunigst entfesselt und auf die Beine gebracht,
worauf sie das Blut durch Senken des Kopfes und Husten thunlichst aus-
warfen. — Fremdkörper-Pneumonie trat nach dieser Operation nie ein,
sondern nur nach Exartikulation des Aryknorpels.
Bis zu eintretender Schwellung röhren die Operirten bei Verschluss
der äusseren Wunde nicht. Die Misserfolge beruhen, Moll er's Behaup-
tung (cf. 1. c. p. 62) entgegen, darin, dass die Narbe des Aryknorpels der ge-
sunden Seite, von welcher der der gelähmten abgetrennt wurde, mit der
Narbe des resezirten verwächst, und dass beide, so wie auch der Ring-
knorpel, durch die Narbe raumbeengend m. w. tief nach dem vorderen
Winkel des Kehlkopfraumes hin in diesen hineingezogen und fixirt werden,
wodurch zugleich nicht nur das Herausheben des Knorpels der gesunden
Seite schwer beeinträchtigt, sondern auch dieser selber zur Einengung
des Raumes mit herangezogen wird.
*) Das von mir benutzte „Arytom" war ein für die linko Hand bestimmtes Huf-
knorpelmesser (cf. Gourdon, Elements de Chirurgie voterinaire unter dem Namen:
„Feuille de sauge simple" beschrieben), zwischen dessen Heft und Klinge eine 8 cm
lange Stahlstange eingefügt war. Die Konkavfläche der Klinge war senkrecht und
die Konvexfläche schräg gegen diese herangeschliffen, um deren Schnitt schon
mechanisch die Eichtung nach dem zu exstirpirenden Theile hin zu geben. Das von
Stockfleth als das meinige beschriebene entspricht dem von mir benutzten nicht.
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An Kehlköpfen solcher Pferde, die nicht nn B.ecurrenslähmung
litten, pflegt die Vernarbung ohne Raumbecngung vor sieh zu gehen,
von diesen kann aber nicht auf jene geschlossen werden, Bei wirk-
lich geheilten Pfeifern fehlt die störende Narbenverkürzung.
Der getrennte Ringknorpel verheilt unter Abflachung seiner
Rundung gleich den getrennten Luf'tröhrenringen mit nach aussen
vorstehender, stumpfer Kante und verliert für die Folge seine
Spannung. Ungeschicktes Zusammenpressen des oberen Luftröhren-
theils, um Husten zu erregen, veranlasst dann bleibende weitere
Verengerung des Raumes. (Um Pferde zum Husten zu veranlassen,
drückt man das Eing-Lu ftr Öhrenband fest zusammen und lasst es
dann plötzlich aus den Fingern schnellen, wobei ein knuppender Ton
laut hörbar wird; es folgt dann meist sofort Husten, welcher durch Er-
schütterung der Kehlkopfscbleimhaut ausgelöst wird. Das Experiment
muss zuweilen in rascher Folge mehrmals wiederholt werden, um Erfolg
zu erzielen. Ist auf diesem Wege kein Husten zu erregen, so gelingt
es meist noch durch starkes Niederdrücken eines Aryknorpels. Zu-
sammenpressen der oberen Luftröhrenringe hat für den Zweck nur sehr
untergeordneten Werth. Bei Pferden, die häufig auf Märkten gewesen
sind oder sonst den Besitzer oft gewechselt haben, findet man die oberen
Luftröhrenringe in Folge dieser Prozedur mannigfach m. w. zusammen-
gedrückt, also Vorsicht!)
Nach meiner ersten bezüglichen Veröffentlichung (cf. To-
pogr. Myol. 1866) habe ich noch folgende drei Methoden er-
folglos versucht: 1. den Aryknorpel unter der Leiste quer ab-
geschnitten und. incl. Stimmband und Stimmtasche entfernt;
2. vom hinteren Rande des Aryknorpel aus ein Band zwischen
diesem und dem Schilde eingezogen und aus der Stimmtaschen-
Oeffnung wieder heraustreten lassen (um den Aryknorpel durch
nachfolgende Narbe zu fixiren): das Band blieb 14 Tage
liegen ■— es trat Khorpelerkrankung mit derber chronischer
Verbildung des Bindegewebes ein; 3. zu gleichem Zweck vom
unteren, hinteren Winkel des Aryknorpels aus, dessen Ver-
bindung mit dem Schilde mittelst des Fingers bis zur Leiste
getrennt. Ich gestattete verschiedenen Herren die Untersuchung
des Operationsfeldes mit dem Finger, wodurch eine wesentliche
Erweiterung der ursprünglichen Loslösung entstanden war.
Folgen wie bei der vorigen Operation.
Wegen der Unsicherheit des Erfolges habe ich meine Ope-
rationsmethoden niemals empfohlen und habe sie deshalb auch
nicht von den Studierenden einüben lassen.
Stockfleth hat auf Grund meiner 1857 erhaltenen
mündlichen Mittheilungen ein von dem meinigen abweichendes
Operationsverfahren versucht (cf. dessen Chirurgie p. 263). Er
entfernte das Schnäuzchen und einen Theil des Aryknorpels
der linken Seite mittelst eines vom hinteren Ende des ersteren
bis zum hinteren unteren Winkel des Giesskannenknorpels ge-
führten senkrechten und von hier nach vorn bis zum Eingang
der Stimmtasche fortgesetzten — (also Winkel-)Schnittes. Sein
Resultat war unbefriedigend; er sagt: „Der glückliche Ausgang
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der Operation hängt also fcheils davon ab, dass man ein ge-
nügend grosses Stück von dem Giesskannenknorpel entfernt,
ohne das Stimmband und den Schildknorpel zu verletzen, und
fcheils davon, dass die Wunde ohne Bildung grösserer Binde-
gewebegeschwülste heilt, welche die durch das Wegschneiden
des Giesskannenknorpels geschaffene Oeffnung ausfüllen würden.
Man soll also zweimal Glück haben."
In neuerer Zeit hat Prof. Möller in Berlin die Kehlkopf-
operationen wieder aufgenommen, „nachdem für ihn (I.e.p.48)
der letzte Zweifel beseitigt war, dass das Hinderniss nicht in
der Glottis (pars vocalis), sondern in einem nach unten und
gegen das Zentrum des Kehlkopfes, Rücken des Aryknorpels,
erblickt werden muss" (diese Thatsache war längst bekannt (Fr.
Günther 1. c. 1834)! Er gibt (1. c. p. 48) seine Methoden an,
wie folgt: 1. Giesskannen-Ringknorpelgelenk geöffnet, Resultat
ungenügend, 2. Myotomie des gelähmten hinteren Ring-Giess-
kannenmuskels, Resultat ungenügend; 3. Befestigung des Ary-
knorpels am Ringknorpel. Leber diese Operation sagt er,
er habe den Aryknorpel ohne Oeffnung der Trachea
und des Kehlkopfes mit einer Ligatur in erhöhter Stellung an
den Schildknorpel festgeheftet (?) — den Operationsmodus
gibt er leider nicht näher an — Erfolg ungenügend, und end-
lich, 4 mein Operationsverfahren (ct. oben Nr. 5) dahin modi-
fizirt, dass er den Aryknorpel gerade so weit, wie ich
angegeben habe, abtrug, aber alle Weichtheile des Kehl-
kopfes incl. Stimmband und Stimmtasche intakt liess.
Wie Möller den wesentlichsten und schwie-
rigsten Theil der Operation, die Abtrennung des Aryknorpels
vor der Gelenkfläche, als von ihm ausgehend bezeichnen und
als eine wesentliche Verbesserung meiner Operations-
methode hinstellen kann (l. c. p. 59), ist mir unverständlich.
Schon die allerflüchtigsfce Betrachtung der Knorpelschnitt-
Hächen, — deren Oberfläche (er p. 59 1. c.) übrigens viel zu
gering auf kaum 1 cm angibt (sie beträgt etwa das Dop-
pelte) — musste es ihm sofort zweifellos machen, dass bei dem
von ihm als n e u angegebenen Verfahren auch nicht die
Nagelprobe mehr vom Aryknorpel entfernt wurde, wie bei dem
von mir bezeichneten, dass vielmehr der Schnitt auf derselben
Stelle den Knorpel traf, die ich vorgezeichnet hatte.
Es war mir deshalb von vornherein klar, dass durch sein
Operationsverfahren andere und bessere Resultate nicht zu er-
zielen sein würden, als ich sie erreicht habe.
Um so mehr musste ich erstaunt sein, als ich (p. 61 1. c.)
die näheren Angaben seiner Resultate las, nach welchen von
30 operirten Pferden 22 geheilt wurden(?) bei 5 das
Leiden in geringerem Grade fortbestand, eins an Bruch der
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Wirbelsäule, eins an phlegmonöser Laryngitis und eins an
Sephthämie starb. (Letztere habe ich bei keinem meiner Ope-
rierten, trotzdem sie nicht antiseptisch behandelt wurden, auf-
treten gesehen.)
Möller gibt weiterhin an: „Bei Wagenpferden gestaltet
sich der Verlauf im allgemeinen günstiger als bei Reitpferden.
Unter den 22 geheilten waren 11 Reit- und 11 Wagenpferde.
Mit Ausnahme eines Falles wurden die operirten Wagen-
pferde alle geh eilt (?) Aber auch bei Reitpferden wird selbst
unter ungünstigen Umständen oft noch-Heilung erzielt Durch
die Gebrauchsart, namentlich durch starke ßeizäumung wird
bei Reitpferden die Entstehung eines lauten Tones beim Athmen
begünstigt, zumal der Bedarf an Luft erheblich grösser ist."
Das heisst doch mit anderen Worten: „Vom Kehlkopf-
pfeifen sind sie geheilt; nur darf man sie nicht unter-
suchen, sonst röhren sie!"
Heilung ist aber nur dann vorhanden, wenn auch
die exakteste Untersuchung kein Kehlkopfpfeifen mehr er-
kennen lässt. Solange durch die Gebrauchsart des Thieres
Differenzen in dem Resultate der Operation herbeigeführt
werden, können die angegebenen Resultate zur Nacheiferung
nicht anspornen.
Di eckerhoff .sagt 1. c. p. 4 (bezüglich der Heilbarkeit):
„denn in dieser Hinsicht fallen die in den letzten Jahren wieder
aufgenommenen Versuche zur Beseitigung des Keblkopfpfeifens
auf operativem Wege nicht ins Gewicht. Ueberdies dürfte
gegenwärtig auch allgemein bekannt sein, dass die Versuche
nicht den gewünschten Erfolg gehabt haben."
Möller sagt selber (I. c. p. 62): „Bisher wurde die Ope-
ration auf solche Pferde beschränkt, die unter dem Einflüsse
des Rohrens in ihrer Arbeitskraft litten, dagegen da nicht
empfohlen, wo das laute Athmen nur mit Unbequemlichkeit
für Reiter und Pferd verbunden war. Hoffentlich wird sich
das Verfahren jedoch so weit vervollkommnen lassen, dass
dasselbe auch auf diese ausgedehnt werden kann.
Möller erkennt also trotz seiner angeblichen, brillanten Erfolge
die Unbrauchbarkeit des Verfahrens zur Beseitigung
des Rohrens selber an. Auch haben die bedeutendsten Pferdehändler
Hannovers, denen jährlich Tausende von Pferden durch die
Hände gehen, nach einigen von Möller an ihren Pferden
eigenhändig ausgeführten Operationen, von weiteren Versuchen
Abstand genommen und verwerthen vorkommende Pfeifer, nach
wie vor, für sehr geringen Preis, trotzdem ihnen daraus all-
jährlich sehr bedeutende Verluste erwachsen. Berliner Pferde-
händler haben mit der Operation dieselben ungünstigen Er-
fahrungen gemacht. Die brillanten Erfolge des Chefthieravzt.es
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der englischen Armee, Flemming, der mein Verfahren Nr. 5
in Anwendung brachte, haben nicht mehr Werth als die
Möller'sehen, (Roaring in horses 1889.)
Ich musste mir weiter die Frage vorlegen, wie Möller
überhaupt zu den vielzähligen günstigen Operationsresultaten
gelangen konnte, und meine, den Schlüssel dazu vielleicht in
seiner, schon von Di eckerhoff (1. c. p. 15) als zur Fest-
stellung der Gegenwart des Kelilkopfpfeifens unbrauchbar
bezeichneten Untersuchungsmethode (cf. 30 1. c.) erblicken zu
können; denn in der That sind durch dieselbe höhere Grade
des Leidens wohl, mittlere, namentlich bei phlegmatischen
Thieren, kaum, geringere aber garnicht festzustellen.
Ich glaube hier bemerken zu sollen, dass auch ich, gleich
Möller, eventl. vollständige, dauernde Heilung erreicht habe,
aber auch, dass mir Besitzer operirter Pferde vielfach ihre
völlige Zufriedenheit mit dem Operationsresultate ausdrückten
und Heilung behaupteten, wiewohl dasselbe berechtigten An-
forderungen an Respirationsfreiheit nicht entsprach und die
Pferde als vom Pfeifen geheilt nicht angesehen werden
konnten. Die Ansprüche, welche manche Pferdenutzer an .Re-
spirationsfreiheit stellen, decken sich mit den von der Wissen-
schaft und im öffentlichen Leben sanktionirten nicht; erkennt
man solche Zeugnisse einfach an, dann wächst allerdings die
Zahl der angeblich geheilten.
1893 hat Cadiot, Professor der Thierarzneischule zu Alfort,
eine Broschüre über die Heilung des Kehlkopfpfeifens auf opera-
tivem Wege veröffentlicht. Er operirte nach Möller's Methode
und heftete im Innern des Kehlkopfes die Schleimhaut mit drei
Heften über der Knorpelwunde zusammen, wie Möller dasselbe
in seiner Chirurgie empfiehlt, füllte den Kehlkopf mit antisep-
tischer Watte etc. Er rühmte seine vorläufigen Erfolge.
Auf eine Interpellation (cf. Bulletin de la societe de
med. veter. 1895, III. Trimester, pag. 287, vorletztes Alinea)
antwortete Cadiot: „In Deutschland und England hat man
in den ersten Jahren die Zahl der Erfolge übertrieben hoch
angegeben. Es ist indessen nicht zu bezweiflen, dass die
Operation neben einigen Besserungen auch einige
dauernde Heilungen herbeiführt." Cadiot's Erfahrungen
bestätigen also die meinigen, nämlich dass die Operation
für Beseitigung des Leidens keine Empfehlung verdient.
An merkung. Als eventl. Folgen der Operation führt Cadiot
folgende an:
1.  Verletzung des bleibenden Aryknorpels kann zu bedeutenden
sich verhärtenden Schwellungen Anlass geben, welche enorme
Starke erreichen und Fortbestehen des Rohrens veranlassen.
2.  Verschlucken der in den Kehlkopf geschobenen Watte.
3.  Fremdkörper-Pneumonie, sie ist sehr selten und soll am leich-
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testen vermieden werden, wenn man den operirten Thieren das
Futter und Getränk möglichst niedrig vorsetzt.
4.  Uebermässige Graunlationsbildung in der Kehlkopfwunde — sehr
selten.
5.  Seitliche Abplattung der gespaltenen oberen Luftröhrenringe,
durch welche der Querdurchmesser der Luftröhre bis auf 1 cm
reduzirt werden kann.
6.  In der Luftröhre können an der Stelle, an welcher der Kautschuk-
apparat lag, rasch zunehmende derbe Neubildungen eintreten,
1 welche das Lumen derselben fast vollständig schliessen.
7.  Nachbleibender Husten und Ausfluss von Futterstoffen und Ge-
tränk aus der Nase, meist erst gegen die 4 Woche nach der
Operation.
8.  Sephtämie und Tetanus. —
Es ergibt sich sonach, dass ein operatives Verfahren ani
den bisherigen Wegen nicht zum Ziele führt. Eines Versuches
dürfte es vielleicht noch werth sein, in das Bindegewebe zwischen
dem Aryknorpel und Schildknorpel eine reizende Flüssigkeit
(etwa verdünnte tinct. canth. oder sonst etwas) aseptisch ein-
zuspritzen und zwischen beiden Knorpeln breit zu vertheilen,
um den Aryknorpel durch Narbengewebe festzulegen. Frei-
lich ist zu befürchten, dass danach Knorpelerkrankung mit
derber chronischer Verbildung des Bindegewebes auftreten kann,
welche den Verlust des Thieres zur Folge haben würde.
In den Fällen, in Avelchen auf die Aeusserlichkeit des
Pferdes weniger Werth gelegt wird, besitzen wir in der
Tracheotomie ein vortreffliches Mittel, auch den stärksten Kehl-
kopfpfeifer sofort arbeitsfähig herzustellen, und liegt deshalb
gar kein Anlass vor, solche Thiere der trotz alledem vorhan-
denen Gefahr und dem zweifelhaften Erfolge der Kehlkopf-
operation auszusetzen. —
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Inhalts -Yerzeichniss.
Seite
Anatomisch-physiologische Verhältnisse ........       4
Stimmritze, Glottis..............       8
Pathologisch-anatomische Verhältnisse.........      11
Ursachen.....................      12
a.  fälschlieh beschuldigte:
Ramskopf, enge Ganaschen...........      13
Lange, dünne Hälse..............     13
Entfernung des Herzens von der ersten Rippe ....      14
Drucklähmung durch die Luftröhre........      14
Starke Gefässentwicklung und Fettarmuth.....      14
Grössere Länge des linken Recurrens.......      15
Drucklähmung durch Geschirr..........      15
Drucklähmung durch Drüsenanschwellungen.....      15
Hydropericard und Herzhypertrophie........      16
Myopathische Lähmung.............      1*!
b.  wahre Ursachen:
Druse...................      16
Bräune, Angina................      16
Influenza..................      19
Bleivergiftungen...............      24
Luzerne, medicago sativa............     24
Platterbse, lathyrus sativns.......... .      25
Kichererbse, lathyrus cicer...........      33
Chokoladenerbse, Kapuzinererbse, pisnm nmbellatnm . .      35
Rheumatische Einflüsse, Erkältungen........      37
Erblichkeit des Kehlkopfpfeifens.........      44
Verlanf.....................      50
Diagnose.....................      51
Untersuchung . . .•...............      52
Gewährszeit...................      63
Gutachten des Prof. Dr. Dieckerhoff.......      67
Privat-Gegengutachten des Verfassers.......      10
Gerichtliches Gegengutachten des Verfassers.....      15
Erstes Obergutachten der Techn. Depnt. f. d. Veterinärw.
zu Berlin.................      79
Kritik desselben..............      83
Zweites Obergutachten der Techn. Depnt.......      91
Kritik desselben..............      92
Entscheidung des Prozessgerichts I. Instanz.....      96
Entscheidung der IL Instanz...........      99
Anmerkung zu derselben...........    100
Aphorismen....................    102
Therapie.....................    103
Kehlkopfoperation...............    105