G. ^7/JS^O.
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Studien
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über
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das Kehlkopfpfeifen der Pferde
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von
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Geheimer Medizinalrath, Professor und Direktor a. D.
der Thierärztlichen Hochschule zu Hannover. |
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Zweite Auflage
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Karlsruhe.
Verlag- der „Deutschen Thierärztlichen Wochenschrift."
1896.
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Vorwort.
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In der vorliegenden zweiten Auflage der „Studien"
haben die seit'1893 erschienenen Publikationen über das Kehlkopfpfeifen der Pferde, soweit sie mir zugänglich ge- worden, Berücksichtigung gefunden, so dass ich glauben darf, in den Zusammenstellungen ein zutreffendes Bild des gegenwärtigen Standes unserer Kenntniss dieses Leidens ge- geben zu haben. Es würde sehr erwünscht sein, wenn recht viele der
Herren Kollegen ihre Erfahrungen in möglichst detaillirter Ausführung zum Gemeingut machen und auch ihrerseits zur Klärung der Ansichten beitragen wollten. Hannover, den 1. Januar 189(5.
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Der Verfasser.
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In vorigen Jahrhunderten und im Anfange des jetzigen
scheint das Kehlkopfpfeifen seltener gewesen zu sein, wie gegenwärtig. Die Bezeichnung „Hartschlägig", wie solche unter den Gewährsmängeln schon früh vorkommt (cf. Lüne- burger Stadtrecht 1679, Kalenberger und Lüneburger Ver- ordnungen von 1697), weist nach, dass das Leiden bekannt war. Die. Literatur hat bezügliche Nachweise nicht auf- bewahrt. Havemann sagte in seinen Vorlesungen 1813 (Heft von Thierarzt Ringe) nach kurzer Beschreibung der Symptome, dass kein deutscher Schriftsteller das Leiden er- AVäline, es schiene aber im Kehlkopf seinen Sitz zu haben. In seinem Vortrage von 1816 sagt er (Heft von Fr. Günther p. 66): „Dieses Uebel mag seine Ursache in mechanischen Hindernissen haben, wahrscheinlich ist der Kehlkopf oder die Stimmritze von einer widernatürlichen Membran be- kleidet oder auf irgend eine Art in abnormem Zustande, so dass der Athem beschwerlich gemacht wird; es mag sein, dass sich Polypen erzeugt haben oder die Häute verartet sind oder der Luftröhrenkopf verknöchert ist. Er habe nie einen Pfeifer zergliedert. Die Ursachen seien ihm' unbe- kannt, doch habe er bemerkt, dass das Uebel bei einigen Pferden unmittelbar nach überstandener bösartiger Druse erfolgte." Die erste umfassende Arbeit über fragliches Leiden,
welche zugleich die Grundlage aller nachfolgenden geblieben ist, veröffentlichte Fr. Günther 1834 in Nebel und Vix' Zeitschrift, er lenkte die Aufmerksamkeit auf die Recur- renslähmung der linken Seite, welche er als Ursache des Kehlkopfpfeifens nachwies, und brachte diese mit der Atrophie der Kehlkopfmuskeln in Verbindung, so wie er auch auf den Verlauf des linken Recurrens in der Brusthöhle als Ursaclie seiner Erkrankung nach dem „Epizootisch-nervösen Entzündungsfieber" (Influenza) hinwies, bei welchem die Brustorgane häufig vor- zugsweise leiden (p. 390). Er hat die Lähmung immer nur linksseitig gefunden (p. 381) und sagt (p. 391), „dass dabei auch der Recurrens leidet, kann nicht auffallen, |
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da er aus der Brusthöhle hervorgeht und ein Zweig
des Pneumogastricus ist." „Wenn diese Recurrenslähmung nicht immer geschieht, so kann dieses nicht auffallen, da gleiche Ursachen oft verschiedene Wirkung haben, zumal wenn Krankheitsprodukte bereits gebildet sind und diese modifizirend einwirken, was in unserem Falle gewiss ebensowohl zu beachten." „Das Epizootisch-nervöse Ent- zündungsfieber ist in neuerer Zeit weit häufiger vorge- kommen, in den letzten Jahren fast immer im Gange ge- wesen, darin wird wohl die Ursache des häufigeren Vor- kommens des Pfeiferdampfes liegen, zumal dabei die Prä- disposition zu Nervenlähmungen vorherrscht und schlagflussartige Lähmungen unter den Nachkrank- heiten nicht zu den Seltenheiten gehören, wie die Beobach- tung genugsam lehrt (Lähmungen der Vorderlippe, Nasen- spitze, Hinterlippe, Ohrmuskeln, Augenlider, Kaumuskeln, einseitige Halslähmung, Lähmung der Vorderschenkel, Hinter- schenkel etc.)" Später beschäftigte sich Ger lach (Gerichtl. Thierheilkunde) mit dem Leiden vom forensischen Stand- punkte aus. Weitere, auch ausländische Arbeiten hat Prof. Möller
in seiner Analektensammlung „das Kehlkopfpfeifen etc. 1888" zusammengestellt, welchen 1890 Prof. Dieckerhoff seine „Diagnose des Kehlkopfpfeifens" hinzufügte etc. Durch alle diese Arbeiten sind aber die Ansichten
über dieses Leiden noch keinesweges genügend geklärt, und glaube ich deshalb die Resultate meiner Forschungen auf diesem Gebiete der Oeffentlichkeit nicht vorenthalten zu sollen. Anatomisch - physiologische Bemerkungen.
Der Kehlkopf wird bei Einhufern aus sechs einzelnen
Knorpeln gebildet, von denen zwei, die Schildknorpel, seine äussere Form und vier mit diesen beweglich verbundene die Weite des inneren Baumes bestimmen. Zwischen die hinteren Ränder der ersteren ist der Ringknorpel, als oberes Ende der Luftröhre, von rückwärts her beweglich einge- schoben, er hält jene durch seine Spannung von einander entfernt und trägt an dem vorderen Bande seiner Ring- platte die beiden mit dieser seitlich artikulirenden Giess- kannenknorpel (Aryknorpel), von deren vorderem unteren Winkel die beiden Stimmbänder zur Vereinigung der Schild- knorpel verlaufen; sie sind von einer ^SclileiniJiaut gedeckt, die sich über die innere Oberfläche des Kehlkopfes fortsetzt und in die der Rachenhöhle übergeht. Inmitten der Längen- achse des Kehlkopfes befindet sich ein freier Raum, die |
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Glottis oder _Stimmritze.fi, welcher den einzigen Zugang
zur Luftröhre bildet, sie wird jederseits vom Aryknorpel und dem Stimmbande begrenzt; dieser Raum, die Glottis also, erfährt durch Erheben der Aryknorpel und durch daraus , folgendes Annähern (resp. Andrücken) derselben an die Schild- kjiorpej, welchem die Stimmbänder Folge leisten müssen, eine eventl. selbst über den inneren Kaum der Luftröhre hinausgehende Erwj^terun.g; durch Senken derselben und Annäherung (resp. Andrjicken}. des medialen Theiles der Aryknorpel, und daraus folgende Annäherung der Stimm- bänder an einander, wird die Glottis^yexüngerjt und nach Bedürfniss vollständig geschlossen. Von dem Spiele dieses Apparates, des Ventils der
Luftröhre, ist also das Mass des Luftzutritts zur Lunge abhängig. Die Weite des Kehlkopfsraurnes ist, gleich dem der Luftröhre, bei den verschiedenen Individuen sehr un- gleich gross, die Stimmbänder schliessen, behufs passiver Regulirung der Glottisweite, viel elastisches Gewebe ein und befinden sich dadurch permanent in Spannung; sie schliessen die beiden Schild-Giesskannenmuskeln, namentlich den hinteren ein, und verdanken diesen ihre Fülle. Die Stimmtasche (ventriculus Morgagni) ist, gleich
ihrer Oeffhung, zwischen beide Schild- Giesskannenmuskeln eingeschlossen und ragt mit ihrem geschlossenen hin- teren Ende kaum etwas über sie hinaus, sie erstreckt sich, ballonförmig weiter werdend, nach rückwärts und liegt mit ihrem weitesten Theile zwischen der senkrechten Fläche des Aryknorpels und dem Schilde, welchen Raum sie zum guten Theile ausfüllt. Ihr Zugang wird nach abwärts vom Stimmbande begrenzt, nach rückwärts vom vorderen unteren Winkel des Aryknorpels, ein kleiner Fort- satz des Seitenfortsatzes der Epiglottis liegt über dem- selben beweglich in der Kehlkopfwand unter der Schleim- haut und kann ihn nach Bedürfniss decken. Die sogenannten falschen Sj^jjmjn_bjyidj3r können
bezüglich der Respiration ebensowe"nig in Frage" kommen, wie die Epiglottis. Die Erweiterung des inneren Kehlkopfraumes erfolgt
durch die beiden Schildringmuskeln (M. cricothyreoidei), die beiden hinteren Ring-Giesskannen- und den Quer-Giess- kannenmuskel (M. cricoarytaenoidei postici et M. arytaenoi- deus transversus), die ersteren heben den Ringknorpel mit *) Die Trennung der Stimmritze in zwei Abtheilungen, aditus ad
laryngem und pars vocalis, ist für die Beschreibung der beim Kelilkopf- pfeifen vorkommenden Zustände nicht zweckmässig, ich werde sie des- halb nicht verwenden. |
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den beiden an ihm aufgehangenen Aryknorpeln zwischen den
Schildknorpeln in die Höhe und wenden seine Ring- platte weiter rückwärts, sie spannen dabei die Stimm- bänder an, und verlängern so die Stimmritze. Durch die Wendung der Ringplatte werden zugleich die Aryknorpel so zwischen den Schildknorpeln herausgehoben, dass die Leiste derselben über den oberen Rand dieser Knorpel emportiitt und die Aryknorpel nun zur weiten Eröffnung der Stimmritze freier nach aussen gehoben werden können. Es ist dieses der einzige Kehlkopfmuskel, der nicht von dem Recurrens versorgt wird, sondern vom ersten Halsnerven, wie ich das auf anatomischem Wege nach- gewiesen habe (cf. Topogr. Myol.); sein feiner Faden geht von dem den Zungenbein -Schüdmuskel versorgenden langen Faden ab.*) Die beiden hinteren Ring-Giesskannenmuskeln sind be-
kanntermassen die stärksten Erweiterer, sie heben die Ary- knorpel nach rückwärts und aussen aus dem Kehlkopf nach Bedürfniss hervor, so dass die Leiste derselben im extremen Falle über den oberen Rand des Schildes nach aussen tritt, wodurch der untere senkrechte Theil des Ary- knorpels fest an den Schildknorpel gepresst und das Stimm- band auf's Aeusserste angespannt wird, alle zwischen der Stimmritze und dem Schilde liegenden Theile werden da- durch incl. des Stimmbandes fest an dieses angepresst, etwa in der Stimmtasche befindlicher Inhalt ausgedrückt und der Zugang zu derselben durch Vortreten des Fortsatzes der Epiglottis vollständig geschlossen. Der Quer-Giesskannenmuskel unterstützt die Wirkung
der vorigen. |
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*) Möller (1. c. pag. 13) behauptet zwar mit gesperrter Schrift,
dass von ihm festgestellt sei, dass dieser Muskel vom ersten Hals- nerven versorgt werde, er hat sich aber wohl im Ausdruck vergriffen und „bestätigt" gemeint. Bezüglich der Wirkung dieses Muskels gibt er an, dass er den Reif des Ringknorpels dem Schilde annähere; der Ring- schildinuskel geht aber vom oberen Ende und hinteren Rande des Schildes der einen Seite, den Ring zwischen sich aufnehmend, zur gleichen Stelle des Schildes der anderen Seite, ist also wie ein Band zwischen beiden Schildknorpeln ausgespannt, auf welchem der Ringknorpel ruht; dieser muss hiernach durch dieselben zwischen beiden emporgehoben werden etc. Möller hat die von ihm bei elektrischer Reizung des I. Halsnerven ge- fundene Annäherung äes Ringes an das Schild in ihrem ursächlichen Zusammenhang offenbar nicht weiter verfolgt. Nach den Untersuchungen von Munk, Chauveau, Breisach er
und Müller erhält dieser Muskel seinen Nerv aus dem zarten zwischen dfin Vagus und dem Ursprünge des N. laryng. sup. liegenden Geflechte oder, wie Chauveau angibt, häufiger aus dem Schlundkopfast des Vagus. Ter Ursprung des Nerven scheint danach nicht konstant zu sein. |
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Die Verengung der Stimmritze erfolgt durch die
beiden Seiten - Eing - Giesskannenmuskeln (M. ericoarytae- noidei laterales), die bis zum Erscheinen meiner topographi- schen Myologie als Erweiterer angesehen wurden, und durch die Schild - Giesskannenmuskeln (M. thyroarytaenoidei antici et postici); erstere ziehen die Giesskannenknorpel nach ab- wärts, entfernen den unterhalb der Leiste senkrecht herab- steigenden Theil derselben in nach abwärts zunehmendem Masse vom Schilde und drängen ihn sammt dem Stimm- bande in den Baum des Kehlkopfes hinein, legen besonders den unteren Rand beider Giesskannenknorpel, und daraus folgend, die Stimmbänder an einander und scliliessen so die Stimmritze bis auf einen kleinen Raum, der unter dem hin- teren Theile der Vereinigung beider Aryknorpel offen bleibt. Der vordere und hintere Schild-Giesskannenmuskel
nehmen die Stimmtasche zwischen sich auf, sie bilden mit denen der anderen Seite ein sehr breites dünnes Band, welches von der Vereinigung beider Schildknorpel und deren unterem Rande durch die Stimmbänder zur Leiste der Giess- kannenknorpel resp. über diese hinaus zur Medianlinie geht, sie umfassen also die ganze Glottis. Sie drücken die Aryknorpel in den Kehlkopf herab
und mit ihren medialen Flächen an einander, spannen da- durch zugleich die Stimmbänder nach ab- und rückwärts an und legen sie zusammen, der vordere presst den Fortsatz der Epiglottis auf den Eingang der Stimmtasche und schliesst diesen, sie pressen event. Inhalt der Stimmtasche aus. Bei weiter Eröffnung der Stimmritze werden sie gedehnt und dadurch der Fortsatz der Epiglottis mechanisch auf die Oeffnung der Stimmtasche gelegt. (Man sieht daraus, wie vorsorglich der Verschluss des Zuganges zu derselben ge- wahrt ist.) Zur Förderung des Verständnisses der bei Recurrens-
lähmung auftretenden Erscheinungen und Folgen habe ich geglaubt, diese, zum Theil meiner Topographischen Myologie entnommenen Data, hier anführen zu sollen. — Der Respirationsweg ist stets geöffnet und von den
Nasenöffnungen bis zum Kehlkopf weiter, als der innere Kehlkopfsraum werden kann, an diesen reiht sich der noch engere der Luftröhre an. Die Luftröhre kann sich nach meinen Untersuchungen über den gegebenen Standpunkt hin- aus, der herrschenden Ansicht entgegen, weder aktiv noch passiv erweitern, wohl aber verengern. Die eingeathmete Luftsäule muss deshalb in mit
dem momentanen Luftbedürfniss der Lungen zunehmendem Masse auf den nachgiebigen Raum der Rachenhöhle und |
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des Kehlkopfes drücken und die Luftröhre eventuell m. w.
komprimirt passieren, um zu dem weiteren Lungenraum zu gelangen. Das Luftbedürfniss in den Lungen steigt in demselben Masse, wie das Einathmen zeitlich verkürzt wer- den muss, unter solchen Verhältnissen erfolgt die Erwei- terung der Brusthöhle möglichst rasch und sehr kräftig, um den Lungen schleunigst das erforderliche Luftquantum zuzuführen; der Luftstrom muss sich in der Rachenhöhle zusammenpressen*) und mit ganzer Wucht auf den Kehl- kopf drücken. Stimmritze, Glottis. In normalen Verhältnissen
(cf. Günther, Jahresbericht der Hannoverschen Thier- arzneischule 1871, p. 111) ist bei lebenden Pferden die Stimmritze stets, wie beim todten, etwa zwei Centimeter weit geöffnet und genügt diese Weite für ruhige Respiration vollständig, man sieht bei von unten geöffnetem Kehlkopfe keine, oder doch nur äusserst geringfügige Erweiterung; eine über dieses Mass hinausgehende Verengung hat auch bei der Expiration und nach derselben nicht statt. . Bei tieferer Inspiration heben sich die Aryknorpel, der beabsich- tigten grösseren Erweiterung der Brusthöhle entsprechend, in verschiedenem Grade und erweitern dadurch den Glottis- raum um das Doppelte und darüber, um ihn dann wieder in den bezeichneten Ruhestand zurücktreten zu lassen. Bei ganz tiefer Inspiration erreicht die Stimmritze durch Er- heben des Ringknorpels, weites Herausheben der Giess- kannenknorpel und Andrücken ihres unterhalb der Leiste gelegenen platten Theiles incl. der Stimmbänder an die Kehl- kopfswand die grösstmögliche Weite, wobei dann der Zu- gang zur Stimmtasche vollständig geschlossen erscheint. Diese extremste Weite bleibt sich bei vermehrter rascher Respiration beim Ein- und Ausathmen ganz gleich, man sieht dann keine Bewegung der Stimmritze mehr. Man kann im Kehlkopfe genau sehen, wie tief das Pferd bei jedem Athemzuge einathmen will; das Bewegungsspiel der Stimm- ritze wird durch weite Oeffnung seiner unteren Wand in keiner Weise beeinflusst, da dasselbe durch das Luftbedürf- niss der Lunge aufgelöst wird. Vor jeder Anstrengung muss die Stimmritze geschlossen werden, ebenso vor jedem *) In Folge dieser Verhältnisse dringt denn auch rasch die Luft in
den Lurrsack, wenn die Eustachische Trompete in Folge der Lähmung des hinteren Schliessers der Eachenhöhle (AI. levator palatini d. M.) nicht geschlossen gehalten werden kann und erweitert denselben oft sehr be- deutend. Dieser und der Griffel-Gaumenmuskel (II. tensor veli palaüui d. M.) erhalten ihre Nerven vom Ohrknoten oder von dem an Stelle des- selben auftretenden kleinen Geflechte (3. Ast. des 5. N.), welches ver- schiedene sehr kleine Knötchen einschliesst. |
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Schlucken; man wird daher von Beidem durch Betrachten
derselben rechtzeitig avertirt. *) Bei Recurrenslähmung erscheinen die räumlichen
Verhältnisse des Kehlkopfes, bei lebendem Thiere be- trachtet, in folgenderweise verändert: bei geringgradigen Pfeifern ist die Stimmritze bei ruhiger Respiration kaum etwas enger, wie bei gesunden Thieren. der linke Giess- kannenknorpel steht, je nach dem Grade des Leidens, etwas, oft kaum sichtbar, niedriger als der rechte, seinem weiteren Herabsinken durch Eigenschwere widersetzt sich die elastische Spannung des Stimmbandes, das Stimmband des ersteren ist, je nach dem Grade der Betheiligung der Schild-Giesskannen- muskeln, schwächer, der Eingang der Stimmtasche erscheint dementsprechend weiter. Sobald grösseres Luftbedürfniss eintritt, wird bei geringgradigem Pfeiferdampf die linke Stimmritzenwand, wenn auch weniger wie die rechte, zur Erweiterung der Glottis mitbenutzt, bei mittleren Graden ist ihre Betheiligung geringer, bei hochgradigem dagegen liegt sie unbeweglich fest, die Stimmritze kann selbst eine von der Medianlinie nach rückwärts und rechts abweichende Spalte von geringerer Weite bilden, welche beim tiefen Einathmen ganz nach rechts hinüber gezogen wird (cf. Fr. Günther 1. c), indem die linke Wand dem Zuge der rechten vom Aryknorpel aus folgt, und nun die Stimm- tasche weit geöffnet erscheint. Der rechte Giesskannen- knorpel kann bei höheren Graden, selbst wenn der rechte Recurrens ganz unbetheiligt ist, oft nicht bis zur normalen Höhe aus dem Kehlkopf herausgehoben werden, wie das beiläufig bemerkt, auch am todten Thiere, selbst bei voll- ständiger Atrophie sämmtlicher linksseitiger Giesskannen- muskeln auffällt; es liegt dies daran, dass er den linken mitschleppen muss, dessen äusseren Verbindungen hindernd entgegen treten. *) Möller macht uns (1. c. p. IG) mit einer ganz neuen, bei
I Gelegenheit der Untersuchung des Inneren des Kehlkopfes mit dem Finger beobachteten Thatsache (?) bezüalich des Vorganges beim Schlucken be-
kannt. Er sagt: „Während hierbei (beim Schlucken) der ganze Kehlkopf nach oben bewegt und durch die Verengerer desselben die obere Kehl- kopföffnung nahezu (?) geschlossen wird, legen sich starke Falten der Schleimhaut der Rachenhöhle auf den Aditus ad laryngem .... auch erklärt (?) dieser Vorgang die Thatsache, dass nach Bxstirpation eines oder beider Aryknorpel schon nach wenigen Tagen das Schlucken nicht mehr gestört ist (?). Doch auch der Kehldeckel bleibt bei dem Schluckakt nicht unthätig und legt sich während dieses Vorganges gegen die Kehl- kopföffnung, aber nicht direkt, sondern auf die Schleim- hautfalten." — Wo existiren denn in der Rachenhöhle solche Falten, und wie könnten sich solche, selbst wenn sie vorhanden wären, zwischen den Kehldeckel und den Kehlkopfsraum einschieben?! |
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Eine wirkliche Pfeiferstellung der Stimmritze kann
bei eröffnetem Kehlkopf nicht gesehen werden, weil das be- dingende Agens, der Druck der Luftsäule auf dieselbe, unter solchen Umständen fehlt. Entstehung des Tones bei Pfeifern. Der eigen-
thümlich pfeifende Ton kommt dadurch zu Stande, dass die Luftsäule durch Aspiration der Lungen auf den inneren Kehlkopfraum gepresst wird und ihren Eintritt in die Luft- röhre hemmende Hindernisse mit sich fortzureissen sucht. Unter normalen Verhältnissen sind solche nicht vorhanden, da alle im Stande der Ruhe beengenden Hindernisse durch die der Grösse der eindringenden Luftsäule entsprechende Thätigkeit der Erweiterer aus dem Wege geschafft werden. Bei Recurrenslähmung dagegen kann diese Beseitigung nicht im vollen Masse erfolgen, der Druck der Luft muss in dem- selben Verhältnisse steigen, als das die Stimmritze beengende Hinderniss grösser ist, dadurch allein schon muss der ge- lähmte Aryknorpel nebst der ganzen Stimmritzenwand in den Kehlkopf hineingepresst und der Glottisraum beengt werden; diese Beengung steigt nothgedrungen durch das gewaltsame Eindringen der Luft in die offene Stimmtasche*), wodurch der an ihrer medialen Wand liegende Theil des Aryknorpels noch weiter in den inneren Kehlkopfraum ge- presst wird und das Stimmband nachzieht (die Stimmtasche erscheint deshalb bei länger bestandener Lähmung aufge- Aveitet). Ein Anschlagen der Luft, Pfeifen, Rohren, Gie,- nien etc. kann nur dadurch entstehen, dass die Luft durch einen sehr engen Raum gepresst wird, es muss deshalb bei jedem Kehlkopfpfeifer mit dem Steigen des Missverhält- nisses zwischen der Stammritzenweite und der Grösse der andringenden Luftsäule das Rohren zunehmen, solches Miss- verhältniss steigt in demselben Masse, wie durch rasche und kräftige Erweiterung der Brusthöhle ein grösserer Luftstrom mit Gewalt eingezogen wird, es findet nur da *) Bio Her sagt 1. p. c. p. 22, „dass nicht in der Glottis {"so be-
zeichnet er den zwischen beiden Stimmbändern liegenden Theil der Stimm- ritze, pars vocalis d. M.) das Inspiratioiishinderniss liegt, geht aus dem Umstände hervor, dass durch Entfernung der Stimmbänder einschliess- lich der Stimmtasche die Dyspnoe nicht beseitigt werden kann. K. Günther hat dies durch Resektion derselben nachgewiesen." Diese Auffassung entspricht den thatsächlichen Verhältnissen nicht, ich habe vielmehr stets den wesentlichen Antheil der Stimmbänder, pars vocalis, und besonders auch der Stimmtasche an dein Zustandekommen der Dyspnoe bei Recurrenslähmung betont. Daraus, dass nach jener Resektion die Dyspnoe wegen der durch Retraktion der Narbensubstanz entstehenden Verengerung mciit beseitigt wird, folgt logischer- weise nicht, dass Stimmtasche und Stimmbaud keinen Antheil an der Raumbeengung' haben. |
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seine Grenze, wo der Widerstand der Erweiterer der Stimm-
ritze den Druck ausgleicht, oder der Druck der Luftsäule nachlässt. Man kann deshalb auch jedes gesunde Pferd meist schon im Stande der Kühe, gewiss aber bei gesteigerter Respiration, durch Niederdrücken eines Aryknorpels zum Rohren, selbst Giemen zwingen. Der Grad des Missver- hältnisses zwischen Stärke der Luftsäule und Stimmritzen- weite bedingt also den Grad des Pfeifens. Der höchste Grad des Rohrens kommt sowohl bei ausschliesslich linksseitiger Lähmung, wie auch bei rechtsseitiger Mit- betheiligung vor, aus diesem kann deshalb nicht mit einiger Sicherheit auf letztere geschlossen werden. Pathologisch - anatomische Verhältnisse.
Bei ganz frischer Recurrenslähmung findet man pathol-
anat. Veränderungen gar nicht. Betrachtet man die anatomischen Veränderungen in
den Kehlköpfen längere Zeit an solcher Lähmung erkrankt gewesener Pferde, so findet man zunächst die Atropie der Muskeln stets linksseitig, gelegentlich auch wohl einmal an der rechten Seite, doch ist sie hier der links- seitigen gegenüber stets geringgradiger. Eechterseits allein oder stärker, wie linksseitig habe ich sie nie- mals gesehen. Eine genügende Erklärung, warum immer
der linke Recurrens getroffen wird, ist bislang nicht zu geben. Die Muskelatrophie erstreckt sicli mehr oder weniger
über das ganze Verbreitungsfeld des Recurrens, geht aber niemals auf von demselben nicht versorgte Muskeln über, sie fällt besonders in dem hinteren Ring-Giesskannenmuskel auf, weil dieser der stärkste ist, wird hier auch am meisten beobachtet, weil die anderen Muskeln eine m. w. zeitraubende Präparation verlangen und deshalb meistens nicht nachge- sehen werden: man begnügt sich eben mit der hier ge- fundenen Atrophie. *} Die Recurrenslähmung ist entweder sofort vollständig,
oder sie macht erst allmälig Fortschritte. Die Atrophie kann deshalb selbst in demselben Muskel Verschiedenheiten in der Zeit ihres Bestehens nachweisen, ebenso kann der Nerv auch trotz voller Atrophie des einen oder anderen Muskels oder mehrerer noch gesunde Fasern führen, welches *) Anmerkung: Der Geh. Regierungsrath, Medicinalrath Dr. Dam-
mann hat mir neuerdings einen Kehlkopf mit ganz frischer Lähmung des linken Recurrens gezeigt, an welchem der M. crico thyroid. alt atrophisch war. |
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durch das gleichzeitige Bestehen normaler Verhältnisse m
anderen von ihm versorgten Muskeln nachgewiesen wird. An dem Nerven findet man zuweilen makroskopisch
und mikroskopisch die die Lähmung charakterisirenden Merk- male, jedoch immer ersf nach längerem Bestehen des Leidens. Aus diesen Verhältnissen wird es erklärlich, warum das
Kehlkopfpfeifen in sehr verschiedenem Grade auftreten, sich allmälig weiter entwickeln oder stationär bleiben kann etc. Im Allgemeinen spricht sich die Folge der Lähmung bei Füllen und jungen Pferden (besonders nach absichtlicher Trennung des Nerven) erheblicher aus, wie bei alten, es liegt das bei diesen in der grösseren Rigidität der Muskeln und der Verbindung der Giesskannenknorpel mit dem Ringe und Schilde, wie ich das bereits in meiner Topographischen Myologie angegeben habe, nicht aber, wie Moll er. meint (1. c. p. 2:), zugleich in der grösseren Rigidität der Ary- knorpel und der darin vorkommenden Verknöcherung — eine dem Luftdruck folgende Nachgiebigkeit könnte höchstens in dem sich stets gleichbleibenden netzknorpeligen Schnäuz- chen, nicht aber im hyalinen Theile desselben und nament- lich nicht in seinem dicksten Theile vorkommen, in welchem die Verknöcherung ausschliesslich beobachtet wird; sie ist für die Raumverhältnisse absolut gleichgiltig. Ursachen. *)
Nachdem festgestellt ist (cf. Topogr. Myol. 1866, vom
Verf.), dass mindestens 96u/0 aller am Pfeiferdampf leidenden Pferde an Recurrenslälimung und zwar linksseitig leiden, also Kehlkopfpfeifer sind, von letzteren aber nur ein ganz verschwindender Pro- centsatz auf andere krankhafte Zustände des Kehlkopfes selber — als chronische Schwellung, Erkrankung der Ary- knorpel, Verknöcherungen, Polypen etc. zurückzuführen ist, muss sich die Forschung auf die Ursache der Recur- renslähmung konzentriren. Zur Klärung der Ansichten erlaube ich mir die wesentlichsten der grossen Zahl der in der Literatur vertretenen bezüglichen Ansichten kurze Revue passiren zu lassen, obgleich dieselben alle, soweit sie eine Alteration des Nerven auf materiellem Wege herbei- führen sollen, ihrer Unbegründetheit resp. Seltenheit wegen kaum bezügliche Beachtung beanspruchen können. 1. Von früherer Zeit her, wo man von der Recurrens-
lähmung noch gar keine Ahnung hatte, hat sich die An- *; cf. „Deutsche Thierärztl. Wochenschr." Nr. 50. Jahrg. 1894.
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sieht, dass Eamskopf, enge Ganaschen, wulstige Ohr-
drüsenpartie und kurzer Kopfansatz Pfeiferdampf veranlassen sollen, fortgepflanzt. Ist es nun schon an sich Thatsache, dass solche Verhältnisse als Kaceeigenthümlichkeiten vielen Zuch- ten eigen waren und stellenweise heute noch sind, ohne dass dabei Kehlkopfpfeifen beobachtet wird, so ergibt die nähere Untersuchung, dass das bei solchen Formen event. auftretende Eespirationsgeräusch mit dem Kehlkopfpfeiferton nicht identisch ist und nur dann Verwechselt werden kann, wenn man den letzteren nicht hinreichend kennt. Als Ur- sache der Recurrenslähmung können solche Bildungsverhält- nisse um so weniger in Betracht kommen, als gar nicht abzusehen ist, warum dadurch der rechte Kecurrens nicht alterirt werden soll, sondern nur der linke. 2. Ein ganz besonderes Gewicht legt man auf die
Längenentwickelung des Halses, ja basirt darauf sogar eine besondere Anlage der mit langem Halse ausge- statteten Pferde, besonders wenn derselbe ausserdem noch dünn ist; unter Anderen auch Möller (1. c. p. 34). Zur Begründung dieser angeblichen Thatsache führt Letzterer an, „dass das Kehlkopfpfeifen besonders in dem Alter von 3—6 Jahren, also in einer Zeit, in welcher die Entwicke- lungsvorgänge mit gewaltigen Umformungen (?) des Kör- pers verbunden sind, zu einer Zeit, in welcher namentlich die Ausbildung des Halses (?) erhebliche Fortschritte macht* - beobachtet wird, und bringt damit die anatomischen Ver- hältnisse des linken Recurrens in Verbindung. Was denkt man sich dabei? Pferde sind doch keine Menschen! Zu- nächst möchte ich bemerken, dass auch der lange, dünne Hals Raceeigenthümlichkeit ist und dass deshalb das häufige Auftreten des Kehlkopfpfeifens nicht auf die Halsform, son- dern auf die ererbte Anlage zurückzuführen ist. Feiner ist zu beachten, dass bei dem heutigen Fütterungsprinzip die Pferde schon mit dem 3. Jahre so weit fertig sind, dass sie unter Nachhilfe an den Zähnen als fünfjährig in den Handel kommen, eine Täuschung, die nur an den Zähnen, nicht aber an der Körperform erkannt werden kann. Von einer gewaltigen Umformung des Körpers und von einer fortschreitenden Längenentwickelung (1 es IIa 1 ses im Alter von 3 — (5 Jahr-en ist da keine Rede mehr, wenn auch durch Dressur ein Heraufheben des Körpers zwischen den Vorderschenkeln und damit eine scheinbare Halsverlängerung erreicht werden kann. Das Uebel müsste, wenn das l.ängenwachsthuin des Halses wirk- lich von Einfluss sein sollte, weit häufiger vor dem dritten Jahre, und namentlich in den ersten Lebensjahren, in welchen |
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der Hals besonders stark wächst, beobachtet werden müssen;
auch bliebe dann immer die Frage noch oifen, warum der Nerv nur bei langen dünnen, nicht aber bei langen dicken Hälsen erkranken soll; diese wachsen doch ebenso gut wie jene! Da man den Einfluss der Längencntwickelung des Halses
auf die anatomische Lage des linken Recurrens, welcher be- kanntlich hinter dem Bogen der Aorta herumgeht, zurück- führt, so muss man annehmen, dass der Nerv durch die Verlängerung des Halses eine Dehnung erfahren soll (wird auch wohl geradezu behauptet). Solche Schlussfolgerung würde voraussetzen, dass die Halswirbel allein wach- sen, Weichtheile aber, in Specie der linke Recurrens, hinter den so gestellten Wachsthumsanforderungen zurückblieben — ein physiologisches Unding, was wohl Niemand ernstlich in Erwägung ziehen wird. Beiläufig bemerkt würde sich der rechte Recurrens in gleicher Lage befinden, wie der linke; er geht nach seiner Detaschiruiig vom Vagus hinter dem genieinsamen Stamm der Rücken- und oberen Hals- arterie herum, ist also ebenfalls an seinem unteren Ende festgehalten; warum erleidet denn der keine Lähmung? Uebrigens aber liegt der Recurrens in jedem Lebensalter gleich schlaff vor der Carotis, er wird also in keiner Lebensperiode durch Wachsen des Halses gedehnt. ;). Auch aus der normal mit dem Heranwachsen des
Thieres zunehmenden Entfernung des Herzens von der ersten Rippe kann aus vorstehenden Gründen unter keinen Umständen eine Dehnung des linken Recurrens abgeleitet werden, da auch hier eine Spannung des Nerven ausge- schlossen ist. 4. Es ist feiner angenommen worden, dass der linke
Recurrens, weil er innerhalb der Brust der Luftröhre unmittelbar anliege, einem Druck derselben ausgesetzt sei, eine Annahme, die in keiner Weise begründet werden kann: daraus, dass zwei Organe unmittelbar aneinander liegen, folgt doch nicht, dass sie sich durch Druck krank machen müssen, auch sind die Lageverhältnisse des Recur- rens bei allen Pferden dieselben. 5. Starke Gefässentwickelung und Fettarmuth
der Vollblutpferde wird ebenfalls mit dem Auftreten der Recurrenslähmung in Verbindung gebracht, da bei diesen der Recurrens unter dem Aortenbogen weniger gegen den Pulsationsdruck geschützt sei, woher denn auch die vielfach gemachte Beobachtung, dass Pferde gerade während des Trainirens häufig von dem Leiden befallen werden, also zu |
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einer Zeit, in welcher eine fettarme trockene Konstitution
vorherrscht, ihre Erklärung finden soll. Nun aber liegt der Nerv bei allen Pferden dem Bogen der Aorta ohne unter- legtes Fettpolster dir eckt an und akkommodirt sich demselben durch Abflachung. Von: dem Einflüsse einer Fett- arm uth auf Vermehrung des Pulsation sdruckes und daraus entstehender Drucklähmung kann also überall keine Rede sein etc. Dass bei dem Trainiren häufig das Kehlkopfpfeifen hervortritt, beweist gar nichts, da das Trainiren bis dahin ungewohnte Anstrengungen mit sich bringt, bei welchen überhaupt ererbte Krankheitsanlagen leichter zur weiteren Entwickelung gelangen, und auch bereits vorhandenes, bis dahin unerkanntes Rohren zu Tage tritt. 6. Bei dem Aufsuchen von Ursachen der Recurrens-
lähmung hat man sogar die absolut grössere Länge des linken im Vergleich zum rechten als Ursache der häufigeren Erkrankung herangezogen! Wenn man soweit geht, so könnte man ja auch zu dem Schluss kommen, dass Pferde mit weitem Brustkasten und vorzüglich grossen Lungen, und grosse Menschen und Thiere, wegen ausge- dehnterer Oberfläche häufiger erkranken müssten, als kleine. 7. Drucklähmung durch Sielen- oder Kummet-
gescbirr. Diese Ursache kann der Lage der Nerven wegen nicht in Betracht kommen (cf. auch Günther im Re- cueil 1809.) Von pathologischen Zuständen werden als Ursachen
der Recurrenslähmung besonders die folgenden aufgeführt: a. Drüsenschwelhingen und unter diesen beson-
ders Schwellungen der Bronchialdrüsen, welche dem Nerv anliegen und auf denselben drücken sollen; einen solchen Druck hat aber bislang noch Niemand nachgewiesen, er könnte nur dann entstehen, wenn der Nerv nicht ausweichen kann; auch sind die vielen rotzigen Pferde, bei welchen sehr starke Schwellung derselben nachgewiesen werden, des- halb nicht Rohrer geworden, ebenso wenig wie die vielen perl- süchtigen Rinder und an chronischen Lungenleiden erkrankten Hunde, bei denen man diese Drüsen oft sehr stark ge- schwollen findet. Daraus, dass hier Drüsengeschwülste bei Pfeifern gefunden wurden, folgt keineswegs, dass sie im Recurrens Drucklähmung oder sonstige Krankheitszustände erregt, haben müssen; auch ist gar nicht abzusehen, warum gerade der Recurrens und nicht auch der Pneumogastricus, sowohl der linke wie der rechte etc. alterirt werden sollen, Nerven, die sich dann doch in gleicher Lage, wie jener, befinden. Ebenso verhält es sich mit Schwellungen anderer |
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Drüsen, auch der Schilddrüse*), soweit sie Drucklähmung
erzeugen sollen. Fälle, in welchen solche Schwellungen beobaehtet werden, sind ohnehin so selten, dass sie kaum jemals in Frage kommen können. Wird dagegen ein Nerv direkt in den pathologischen Prozess einbezogen, dann kann allerdings eine tiefe Alteration seiner Thätigkeit eintreten (cf. Günther, „Berliner Thierärztl. Wochenschrift", 1893 p. 62), doch erweisen sie sich oft ganz auffallend wider- sandsfähig, z. B. in Wunden, Abscessen etc. b. Hydropericard und Herzhypertrophie. Bei
beiden Leiden ist bislang noch niemals Recurrenslähmung beobachtet, sie sollten deshalb auch vom theoretischen Stand- punkte aus nicht herangezogen werden. c. Druse. Nach dieser Krankheit hat man bei bös-
artigem Charakter derselben, sowie bei längerer Andauer nach Abscedirung der subparotidealen Lymphdrüsen Kehl- kopfpfeifen in einzelnen Fällen zurückbleiben gesehen, doch folgt daraus nicht, dass das Leiden, soweit es die Recur- renzlähmung betrifft, Folge der Krankheitsprozesse im Be- reiche der Rachenhöhle war. Die Recurrenslähmung kommt ausschliesslich linksseitig vor, ist das bei den Lokalleiden der Druse etwa auch der Fall? Möller (1. c. p. 36) meint zwar, dass die Lähmung dabei auch wohl rechtsseitig vorkomme — doch, wo ist die rechts- seitige Recurrenslähmung — von direkten Verletzungen ab- gesehen — schon beobachtet? d. Angina, und zwar die infektiöseBraune, hat
einzeln, wenn sich ihr Verlauf verzögert und mit besonderer Schwäche der Thiere verbunden ist, Recurrenslähmung zur Folge, aber merkwürdigerweise nur linksseitige; es folgt daraus geradezu, dass die örtlichen Prozesse im Bereiche der Rachenhöhle ebensowenig, wie bei der Druse, auf dieses Leiden von Einfluss sein können, wie ich das bereits im Recueil 1869 nachgewiesen habe. Möller sagt (p. 37): „es lässt sich sehr wohl denken, dass hierbei der eine oder andere der beiden N. recurrentes betroffen war, *) Stockfletli sagt in seiner Chirurgie (p. 227): „Fr. Günther
habe einen Fall niitgetheilt, in welohem eine geschwollene Schilddrüse durch Druck auf den Recurrens Schwund in den Muskeln des Stimmbandes und dadurch Pfeiferdampf verursachte." Das ist ein Irrthum ! Günther sagt geradezu, dass er die Ursache des Pfeiferdampfes niemals in er- krankter Schilddrüse fand. cf. 1. c. p. 42G u. f., wo er auch die von ihm beobachteten Fälle von Schilddrüsengeschwülsten aufführt. — In neuester Zeit ist ein Fall veröffentlicht, in welchem beide Schilddrüsen incl. Isthmus so stark vergrössert waren, dass sie die Luftröhre zwischen sich kompromirten und Rohren veranlassten (die obersten Luftröhrenringe sind nur schwach). |
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zumal dieselben eine oberflächliche (?) Lage haben"; er bleibt
aber den Nachweis schuldig, dass bei Pfeifern jemals der rechte ausschliesslich oder auch nur vornehm- lich krank gefunden wurde. Dass nach Bräune sowohl, wie nach Druse event. örtliche Veränderungen des Kehl- kopfes, Knorpel-Erkrankung und Verbildung mit ihren derben Bindegewebsneubildungen, zurückbleiben und Kehlkopfpfeifen veranlassen können, steht fest, wenn auch solche Ver- änderungen nur selten beobachtet sind. e. Eine myopathische Lähmung der Kehlkopfs-
muskeln hat Gerlach*) auf Grund eines von ihm be- obachteten Falles konstruirt (cf. Jahresber. der Hannov. Thier- arzneischule 1869) und in seiner Gerichtl. Thierheilkunde, II. Aufl. 1872, p. 24o, aufrecht erhalten. Die Unrichtigkeit seiner Auffassung habe ich bereits im Jahresbericht 1871, p 105 u. ff., nachgewiesen. In der Wiener „Landwirthschaftl. Zeitung" vom 14. No-
vember 1894 wird bei einer Besprechung der ersten Auflage dieser Broschüre darauf hingewiesen, dass ausser Gerlach auch Bruckmüller myopathische Veränderungen der Kehl- kopfmuskeln als Ursache des Kehlkopfpfeifens bezeichnete. „Bruckmüller," wird in jener Zeifavng gesagt, „sieht den Schwund der Kehlkopfmuskeln als die Folge einer in schwie- lige Bildungübergegangenen Muskelentzündung an, welche durch mechanische Einwirkungen hervorgerufen ist, eine An-, sieht, welche viele praktische Hippologen und Thierärzte theilen." „Es sei nicht in Abrede zu stellen, dass durch die mächtigen mechanischen Einwirkungen, welchen die Zunge und der daran aufgehangene Kehlkopf des Pferdes bei der Trainirung durch das Hochstellen des Kopfes und Halses mittelst besonderer Trensen, durch rüde Behandlung der Pferde mit Zaum und Leitseil ausgesetzt sind, Ent- zündung und Schwund der Kehlkopfmuskeln ebenso bewirkt werden können, wie Schwund der Extremitätenmuskeln in Folge von Lahmheiten dieser Körpertheile (Schulter und Hüftlähme)." Die Beweisführung geht also darauf hinaus, dass die
Zunge und der Kehlkopf beim Trainiren so schwer insultirt werden, dass daraus eine Entzündung der Kehlkopfmuskeln entstehe. Gehen wir näher auf diese Behauptungen ein, so er-
gibt sich zunächst, dass unter tausend Kehlkopfpfeifern kaum einer jemals ti-ainirt worden ist, dass also diese *) Anmerkung: Gerlach nahm eine spezifische nach Influenza
entstehende Myositis als Ursache der Lähmung an. |
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angebliche Ursache völlig irrelevant bleiben muss! Docli
zur Sache! Die Zunge gehört nicht zu den Respirationsorganen,
sie hat also mit der ganzen Sache absolut gar nichts zu schaffen; es könnte sich nur darum handeln, ob die den inneren Raum des Kehlkopfes regulirenden Muskeln durch von aussen einwirkende Insulte alterirt werden können. Die anatomische Lage dieser Muskeln schliesst nun aber eine Insultirung durch Kopf- und Halsstellung oder rüde Be- handlung der Pferde beim Trainiren etc. etc. geradezu aus, wenn auch das freie Bewegungsspiel der Aryknorpel durch die Kopfstellung event. beeinträchtigt werden kann. Die an- gegebene, oder eine andere mechanische Ursache ihrer Er- krankung kann deshalb nicht in Betracht kommen; über- dies müssten solche doch zunächst die die Kehlkopfmuskeln deckenden Schlundkopfmuskeln treffen, bei diesen ist aber eine derartige Erkrankung durch solche Einwirkungen noch niemals beobachtet! Eine der Atrophie vorhergehende Myositis oder
schwielige Verbildung der betr. Muskeln ist in keinem einzigen Stadium der hier vorhandenen Muskeldegeneration jemals nachzuweisen, sondern immer nur die charakteristische, in Folge von mangelndem Nerveneinfluss entstehende Atro- phie, wie solche jederzeit durch Abschneiden des N. recur- rens willkürlich herbeigeführt werden kann. Wenn man aber von alledem ganz absehen und den-
noch die m,yopathische Erkrankung als Ursache des Kehl- kopfpfeifens ansehen wollte, so bliebe es doch immer noch ganz unfassbar, wie es zugehe, dass stets ausschliess- lich die Muskeln des Verbreitungsfeldes des N. recurr. und zwar mit wenigen Ausnahmen nur linkerseits betroffen werden, rechterseits allein aber niemals, sondern event. nur bei gleichzeitig linksseitigem Bestehen des Lei- dens, und auch dann stets nur in untergeordnetem Masse. Die Annahme eines immer nur die linksseitige Muskulatur treffenden mechanischen Insulte;!, geht doch wohl über die allerkühnste Phantasie hinaus! Der Hinweis auf Atrophie von Schenkelmuskeln bei Lahmheiten ist hier nicht ange- bracht, da es sich bei diesen um ganz andere, physiologisch und pathologisch-anatomisch mit jenen gar nicht zu ver- gleichende Zustände handelt. Die Hypothese einer primären Erkrankung der Kehl-
kopfmuskeln als Ursache des Kehlkopfpfeifens, also die Exi- stenz eines myopathischen Kehlkopfpfeifens, muss deshalb ausgescliieden werden, (cf. auch „Gewährszeit".) |
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f. Influenza, Bru'stseuche. Es ist seit langer Zeit
bekannt, dass bei und nach der Influenza Becurrenslähmung vorkommt und hat man stets betont, dass die oberfläch- liche Lage des linken Eecurrens in der Brust eine Be- theiligung desselben, besonders bei Pleuritis und deren Folgen herbeiführe, ohne dass indessen der genetische Zusammen- hang nachgewiesen wäre; man hat denselben nur theoretisch konstruirt und setzt sich über die Thatsachen, dass trotz sehr bedeutender derartiger Leiden im Verhältniss zur Zahl der Erkrankten nur sehr vereinzelt Becurrenslähmung zurückbleibt, mit der Erklärung hinweg, dass es darauf an- komme , an welcher Stelle die Pleura erkrankt sei und ob die pleuritischen Schwarten und bindegewebigen Neubildungen gerade den Nerv treffen (Dieckerhof t, Diagnose etc.). Man geht also von der Ansicht aus, das organische Veränder- ungen des Nerven die Lähmung veranlassen; nun aber steht gar nicht fest, zu welcher Zeit die Lähmung ein- trat, da eine rechtzeitige exakte Untersuchung auf Kehlkopfpfeifen ausgeschlossen ist und spätere Konstatirung des Leidens über den Zeitpunkt des Eintritts keinen Auf- schluss gibt. Veränderungen an dem Nerv werden immer erst nach langem Bestehen der Lähmung oder auch gar nicht wahrnehmbar, auch stehen solcher Annahme folgende Gründe entgegen. 1. Der Eecurrens liegt in der Brust nicht oberfläch-
licher, ja sogar gedeckter, wie der Sympathicus, Pneumo- gastricus (namentlich Magentheil) und Phrenicus, bei keinem t dieser Nerven ist bislang jemals eine Erkrankung nach Pleu- - ritis nachgewiesen. 2. Auch ohne besondere Betheiligung der Pleura bleibt
nach Lungenerkrankungen bei der Influenza event. die Ee- currenslähmung zurück, ebenso auch , o. nach Influenza-Erkrankungen, bei welchen die Brust-
organe gar nicht, oder doch nur in Form eines leichten Bronchialkatarrhs affizirt waren, ebenso wie nach Druse und infektiöser Bräune. 4. In manchen Seuchenzügen kommen trotz erheblicher
Erkrankungen auch der Brustorgane Eecurrenslähmungen fast gar nicht vor, während sie in anderen, selbst bei fehlender oder ganz geringfügiger Brustaffektion, beobachtet werden. 5. In manchen Seuchenzügen kommen während und
nach der Erkrankung Eecurrens-, aber auch andere Nervenlähmungen, z. B. Gesichtslähmungen, Lähmungen am Vorderschenkel, Hinlerschenkel, der Aufrichter des Halses etc. |
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und Nervenerkrankungen vor, welche weit von dem ört-
lichen Erkrankungsherde der Brust entfernt liegen.*) (>. Nach einfacher, den infektiösen Charakter
nicht tragender Brustentzündung kommt Recurrenslähmung wohl kaum vor, wenigstens habe ich sie nie danach zurück- bleiben gesehen. In allen in der Anmerkung aufgeführten Fällen, so-
wie in den von mir selber beobachteten, traten die Nerven- lähmungen ohne alle Vorboten urplötzlich ein; es ist deshalb kein Grund vorhanden, warum die Recurrens- lähmung von dieser feststehenden Regel eine Ausnahme machen solle. |
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*) Fr. Günther fuhrt einige eklatante Beispiele in seiner Abhandl.
über den Pfeiferdampf an (ef. Nebel & Vix 1834), welche hier reprodu- zirt werden mögen. Fall 62, p. 392. „Am 2. September 182" schickte mir Chr. R. einen 4jährigen Fuchswallach zu, welcher an der herrschenden Krankheit (epizootisches, nervöses Entzündungsfieber, wie man damals die Influenza nannte) litt und bei welchem die Brust vorzugsweise ergriffen war, während die Krankheit sich im Allgemeinen durch eine auffallende Hinfälligkeit des Thieres charakterisirte. Nachdem das Pferd bis zum 12. September soweit hergestellt war, dass dasselbe wenigstens ausser Gefahr, auch wieder ziemlich bei Appetit war, wurde dasselbe plötzlich von einer fast kompleten Muskellähmung des linken Vorderschenkels be- fallen; davon hergestellt, erhielt das Pferd den 18. September dieselbe Muskellähmung in dem rechten Vorderschenkel; auch hiervon geheilt, wurde es am 1. Oktober kreuzlahm, so dass dasselbe bei jeder Bewegung, be- sonders bei den Wendungen hinten umfiel und sich nur mit Mühe wieder erheben konnte, während das Pferd übrigens ganz munter, ja selbst lustig war. Auch diese Lähmung hob sich bis zum 20. Oktober gänzlich. Als das Pferd wieder gehen, laufen und springen konnte, zeigte es
sich, dass die Lähmung auch den Recurrens linkerseits ergriffen, indem sich das Tbier als Hartschnaufer charakterisirte; auch dieses Uebel wurde gehoben und das Pferd geht jetzt noch (1834), völlig hergestellt, als Acker- pferd bei seinem vorigen Besitzer." Ferner p. 393, Fall 63: „Die Pferdehändler L. & M. hatten im
Winter 1826 — 27 unter ihren Handelspferden das epizootisch - nervöse Ent- zündungsfleber, nach und nach waren neun erkrankt, aber wieder herge- stellt. Am 14. Januar Abends erkrankte eine veredelte Fuchsstute, indem sie ihr erstes Futter aufgefressen, das zweite aber liegen gelassen hatte. Die Stute war darauf über Nacht umgefallen und wurde am 15. Mor- gens krank gemeldet. Das Pferd war in hohem Grade fieberhaft, bedeu- tend in der Brust leidend und dabei in beiden Vorder schenkein so gelähmt, dass es kaum aus dem Stalle gebracht werden konnte. Auf dem Wege nach dem Krankenstalle, der kaum 30 Schritte entfernt war, stürzte das Pferd, indem dasselbe die Vorderschenkel durchaus nicht vor- bringen konnte, dreimal nieder und musste zuletzt, da es durchaus nicht wieder auf die Beine zu bringen war, nach dem Krankenstall geschleift werden.....Den 3. Tag stand das Pferd wieder auf, ging aber so
elend, als der abgetriebenste Klepper, während es vor der Krankheit schöne,
freie Bewegungen gehabt hatte. Die Behandlung wurde fortgesetzt und war das Pferd am 26. Januar so weit wieder hergestellt, dass sowohl das Brustleiden völlig gehoben, als auch die Nervenlähmung der Vorder- schenkel gänzlich beseitigt war. — Aber nun war das Pferd ein Pfeifer. |
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Die bei Influenza vorkommende allgemeine Schwäche
und Erschlaffung aller Gewebe, als deren Folge, durch Sinken des Herzens veranlasst, eine Dehnung des Nerven unter dem Bogen der Aorta angenommen werden könnte, kann nicht beschuldigt wei den, da solche Zustände selbst in extremstem Grade vorkommen, ohne dass Kecurrenslähmung folgt, wäh- rend sie bei anderen Patienten trotz der Geringgradigkeit solcher Zustände zurückbleibt, auch spricht dagegen, dass das Leiden selbst 6 — 9 Wochen nach der Infektionskrank- heit plötzlich auftritt, nachdem die Schwächezustände über- wunden sind. (cf. „Deutsche Thierärztl. Wochenschr." 1894, Nr. 50, pg. -12;;.) |
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Behandelt, besserte sich dasselbe bis zum 12. Februar dergestalt, dass es
als hergestellt entlassen werden konnte. Es wurde spater als Luxuspferd verkauft." Ferner p. 395, Fall 64: „Ich sah im Herbste 1825 eine schwarze
5jährige Stute, welche an dem epizootisch-nervösen Entzündungsfieber ge- litten hatte und in Folge dessen ein Hartschnaufer war; das Pferd war jetzt munter, hatte guten Appetit, indessen kam ihm beim Schlingen, be- sonders wenn es Kauhfutter, Heu etc. verzehrte, der grö'sste Theil aus der Nase wieder zum Vorschein und es mühte sich sichtlich ab, seinen Hunger zu stillen. Ter Thierarzt hatte bereits die Tracheotomie gemacht und kam beim Fressen nicht selten Futtermasse aus der Luftröhren- wunde zum Vorschein. Da keine Besserung zu erreichen war, wurde es getödtet. Die Sektion ergab Geschwundensein der linksseitigen Kehl- kopfmuskeln, wie auch Lähmung der Muskeln des Schlundkopfes der- selben Seite." In der Anmerkung p. 392 sagt er: „Aehnliehe und gleiche
Beispiele sind mir 1830 und 1831 in Menge vorgekommen, deren Aufzählung nur ermüden würde." Pas Eintreten von Nervenlähmungen der verschiedensten Art habe
ich bei und nach Influenza ebenfalls wiederholt gesehen. K. G. Havemann sagte in seinem Vortrage 1813 und 1816, laut in
meinen Händen befindlicher Hefte des Thierarztes Ringe und meines seligen Vaters: „Das nervöse Fieber, welches 1786 hier epizootisch gräs- sirte, war besonders bös, hartnäckig in seinen Zufällen und Folgen. Die heftigen Augenentzündungen, welche damals die Krankheit begleiteten, be- schränkten sich nicht nur auf das Aeussere desselben, sondern ergriffen auch das Innere, sie kamen bei den meisten Pferden wieder und reeidi- virten so oft, bis sich der graue oder auch grüne Staar ausgebildet hatte und die Pferde erblindeten." „Auch ist eines höchst merkwürdigen Umstandes zu erwähnen, wo-
mit etwa der fünfte oder sechste Theil der genesenen Pferde befallen wurde. Nachdem die Krankheit einige Wochen, ja hei einigen auch wohl ein paar Monate überstanden war, wurden sie plötzlich von einer starken Lahmheit in den Vorderschen- keln ergriffen, die bei einigen Pferden von so heftigem Fieber begleitet war, dass gegen dieses cingeschritten werden musste. Bei Besichtigung des lahmen Schenkels bemerkte man nichts Widernatürliches, befühlte man ihn aber mit Aufmerksamkeit, so fühlte man über dem Knöchel-(Fessel)- gelenke auf der äusseren oder inneren Seite da, wo die Sehnengallen ihren Sitz haben, auf der unteren Beugesehne eine wenig erhabene und harte Stelle, die beim Druck so äusserst schmerzhaft war, |
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Auf Grund der vorstehenden Erfahrungen kann ich
mich der Ansicht, dass die Recurrenslähmung auf niehr- bezeichnete materielle örtliche Erkrankungen zurück- zuführen sei — nicht anschliessen. Fassen wir das Resultat der vorstehenden Data zu-
sammen, so ergibt sich, dass diese Lähmung nicht nur nach, Krankheiten, sondern auch zu einer Zeit, wo orga- nische Veränderungen des Nerven, wie solche be- schuldigt werden (cf. Dieckerhoff 1. c. p. 9), noch gar nicht eingetreten sein konnten, nur dann beobachtet ist, wenn solche einen infektiösen Charakter trugen, aber auch dann nicht in allen Seuchenzügen. dass die Pfeide in die Höhe gingen. Liese Stelle war besonders bei
Pferden mit etwas Behang so unbemerkbar, dass sie dem Gesicht entging. Sonderbar war, dass bei einigen Pferden diese harten, schmerzhaften Stellen oft in Zeit von 12—24 Stunden von einem Schenkel auf den anderen mit völliger Heilung des erstehen über- gingen; ein paar Mal litten beide Vorderschenkel zugleich. Bei einigen folgte nach einigen Wochen, ja nach einigen Monaten ein Becidiv, bei einigen Pferden kehrte solches drei, vier, fünf bis secks Mal wieder, bei ein paar Pferden sogar erst nach Jahr und Tag. Behandlung mit warmen oder kalten Bädern, Umschlägen oder Bähungen schaffte keinen Nutzen, ebensowenig Goulardisches Wasser, dagegen waren Einreibungen von ungt. canth. von augenscheinlichem Erfolg, sie beseitigten das Leiden rasch. Prophylaktische Behandlung, selbst Weidegang waren erfolglos, selbst auf der Weide kamen lieeidive vor." „las epizootische Fieber war 1805 nicht mit so hartnäckigen Augen-
entzündnngen als 1786 und 1792 verbunden, auch haben wir nach erfolgter Heilung keine Lähmungen entstehen sehen. Die Epizootie war 1805 über- haupt nicht so bösartig und hartnäckisr, viele Pferde bekamen am 4., 5., G. Tag der Krankheit ein wässriues, übelriechendes Laxireu, welches ge- wöhnlich Heilung herbeiführte; dieses Laxiren wurde 178b und 1792 nur bei wenigen Pfeiden wahrgenommen.1' Havemann führt den gutartigem Verlauf der Krankheit auf die, Behandlung zurück, und sagt, „früher be- handelte man die Krankheit antiphlogistisch, liess stark zur Ader und gab häutig mtrum, suchte die Kranken überhaupt zu schwächen, 1805 be- handelte man sie gerade umgekehrt, gab Valeriana, Arnika*, Gentiana und Kampher, von ersteren je 90 Gramm, von letzterem 30 Gramm, mit Wein zur Latwerge gemacht, täglich 4 Spatel v 11, dazu Salzsäure in'« Saufen, so viel, dass es angenehm säuerlich schmeckte, bei grosser Mattigkeit täglich mehrere Male ein halbes Mass Wein und bei längerer Dauer Chinarinde." — l'ie vorstehend von Havemann bezeichneten Lahmheiten habe ich
nach Influenze auch, jedoch nur selten, beobachtet, ich habe dabei fest- gestellt, dass die von ihm bezeichneten, wenig erhabenen, harten, äusserst schmerzhaften Stellen etwa a on der Grösse einer sehr kleinen Bohne waren, und in dem Fesselnerv lagen. Kecidive sah ich nicht. Havemann hat sich nie eingehender mit der Anatomie beschäftigt (cf. Festschrift zum hundertjährigen Jubiläum der Hann. Thierarzneischnle jstn, p. ug), kennte deshalb auch den Sitz des Uebels nicht fesstellen. Pass Havemann keines Nachbleibens von Pfeiferdampf in seinen Vorträgen er- wähnt, weisst bestimmt darauf hin, dass er dasselbe nicht beobachtet hat (Pfeiferdampf war zu seiner Zeit überhaupt selten); er hatte ein ausgezeich- netes Gedächtniss und war ein sehr gewissenhafter scharfer Beobachter. |
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Der Umstand aber, dass auch gleichzeitig Lähmungen
anderer Nervenstämme und andere Erkrankungen derselben b e i und n a c h Influenza vorkommen, weist auf das Be- stimmteste darauf hin, dass das krankmachende Agens nicht in örtlichen Erkrankungen, sondern in der Einwirkung der Infektion auf das Nervensystem zu suchen ist, dass aber das Auftreten oder Fehlen solcher Lähmungen auf die Ver- schiedenheit der Infektionswirkung bei verschiedenen Seuchen- zügen und auf die Individualität des ergriffenen Thieres zu- rückzuführen ist. Auf welche Weise „die solchen Infektionskrankheiten zu
Grunde liegenden Mikroorganismen Störungen in dem Nerven- system fesp. deryi Recurrens zu Stande bringen, ist gänzlich unbekannt, Die Erfahrung aber, dass die Recurrenslähmung und auch andere Nervenleiden selbst Wochen nach überstan- dener Krankheit plötzlich auftreten, liefert den Beweis, dass die Infektion derzeit noch nicht aus dem Körper gewichen ist, auch die oft langwierige Rekonvaleszenz spriclit dafür, dass dieselbe mit Aufhören der beobachteten Symptome noch nicht beseitigt ist. Solch langes Nachwirken wird auch nach Ver- fütterung von Lathyrus beobachtet, nach welcher noch bis zur 9. Woche, nachdem dieselbe aufhörte, Lähmung des Re- currens plötzlich auftrat, ohne dass an den Keli 1- k o p f m u s k e 1 n oder d e m R e c u r r e n s V e r ä n d e r u n g e n Wahr zunehmen waren — eine langsame Ent- stehung war also ausgeschlossen. Bezüglich der viel kolportirten Ansicht, dass die In-
fluenza Haupt Ursache der weitem Verbreitung des Kehlkopfpfeifens sei, möchte ich doch fragen: haben die Pfeifer in den Gegenden, in welchen sich das Leiden ein- genistet hat, zu einem auch nur irgendwie in Betracht kommenden Theile an Influenza gelitten? Wenn das der Fall sein sollte, dann müssten ja die mit Pfeifern gesegneten Gegenden wahre Brutstätten der Influenza sein, was aiier durchaus nicht der Fall, ist; die Brustseuche ist da- selbst nicht häufiger als anderorts, wo Kehlkopfpfeifer nur selten vorkommen, aber auch in dem Falle, dass jene Länder in überwiegendem Masse verseucht wären, würde die enorme Verbreitung der Recurrenslähme hierin keine auch nur an- nährend genügende Erklärung finden können, da das Vor- kommen derselben bei und nach Influenza zu den Aus- nahinen gehört und nur in einzelnen Seuchenzügen ein häufigeres Auftreten beobachtet wird (solche sind aber in den letzten f>ü Jahren kaum vorgekommen), in anderen aber ganz zu fehlen scheint. In wiederholten Seuchenzügen blieb bei den Pferden des Haniiover'schen Marstalls und bei den |
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Pferden der Regimenter, welche aus der Landespferdezucht
remontirt wurden, nur selten einmal Recurrenslähme zurück
auch nicht einmal ein Procent wurde Kehlkopfpfeifer!
Die Influenza kann deshalb nicht als Ur-
sache der weiten Verbreitung der Recurrens- lähme angesehen werden. g. Toxische Einwirkungen. Dass nach Blei-
vergiftungen ausser anderen auch Recurrenslähmungen vorkommen, ist längst bekannt. Luzerne, Medicago sativa. Nach dem Genuss
von in Samen stehender Luzerne hat man Hart- schnaufen entstellen gesehen; Kopp berichtet darüber (cf. Bulletin Nr. <s de la societe veter. d'Alsaee): „Ein Oekonom verfütterte an seine Pferde eine grosse Quantität in Samen stehender Luzerne, worauf nach wenigen Tagen sieben Pferde vom Hartschnaufen befallen wurden; dasselbe charakterisirte sich durch beschleunigte, schnar- chende, mit Erstickungsgefahr verbundene Respiration, die so laut wurde, dass man sie mehrere Meter vom Stalle entfernt hören konnte, oft wurde die Respiration so müh- sam, dass Erstickung drohte, die Thiere fielen um, standen aber bald wieder auf. Mit Beseitigung der Ursache und Anwendung von natr. sulph. hörte das Leiden auf. Nach 6 Monaten röhrte nur noch eins, aber schwach. Das Original dieser Beobachtung ist mir leider nicht
mehr zugänglich, wenn dasselbe aber sonstige Angaben nicht enthält, so scheint es mir, dass es sich in diesem Falle ebenso, wie in den folgenden um Recurrenslähmung handelte. Ob der von Ger lach in der II. Auflage seiner gerichtlichen Thierheilkunde (p. 245) nach dem Journal des veter. du Midi mitgetheilte Fall von Kopp, trotz ab- weichender Lesart, mit dem hier angeführten identisch ist, lasse ich dahingestellt sein, da ich das Original nicht ver- gleichen kann; in jenem wird als Ursache die Verfütteiung grosser Quantität von schnell gereiftem Klee (vieler- orts, auch in Frankreich, wird die Luzerne auch Klee ge- nannt) angegeben, nach welchem auch in wenigen Tagen bei 7 von 14 Pferden Hartschnaufigkeit entstand. Der da- selbst angegebene weitere Verlauf spricht nicht, wie Ger- lach annimmt, für Krampf, sondern für Alteration, Lähmung des Recurrens. Die Pferde wurden für einige Zeit unfähig zur Arbeit; Behandlung ohne Erfolg; mit der Zeit nahm das Leiden von selbst ab, nach 2 Monaten litten nur noch 2 Pferde, bei denen das Uebel auch im Abnehmen war. Krampf hält doch wohl nicht so lange Zeit an. |
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Bezirkst hie rarzt Mulotte berichtet in der
Deutschen Thierärztlichen Wochenschrift, Jahrgang 1893, Pg. 481: In den ersten Tagen des April hatte ein Besitzer ein Pferd verkauft und wieder zurückgenommen, da sich das- selbe mit dem Kehlkopfpfeifen behaftet erwies. Nunmehr zeigte sich das Pferd derartig als Kehlkopfpfeifer, dass jede Arbeits- leistung unterbleiben und es an den Pferdemetzger verkauft werden musste. Am 23. April wurde M. zugezogen, um auch die anderen Pferde des Besitzers zu untersuchen. Er fand 9 derartig vom Kehlkopfpfeifen befallen, dass sie nach kurzer Dienstleistung stehen bleiben mussten, um Atbem zu schöpfen. Dieses plötzliche und allgemeine Auftreten des Kehl- kopfpfeifens in dem betreffenden Stalle war M. unerklärlich. Die Pferde hatten neben 10 Liter Hafer Luzerneklee- heu gefressen, welches schlecht aussah und sticksig roch. Die Pferde wurden auf die Weide geschickt und erhielten eine vergrösserte Haferration. Nach lü Tagen zeigte sich das Kehlkopfpfeifen verschwunden, und seit der Zeit, über ein Jahr, haben die Pferde ununterbrochen gearbeitet ohne wieder zu röhren. Hiernach darf wohl das Kleeheu, also „Luzerneheu", als Ursache des Leidens angesehen werden. Lathyrus sativus. Platterbse (französisch: „Gesse
cultivee", englisch: „the Vetchling", auch. „Mutters"). Im V e t e r i n a r y - J o u r n a 1 18 9 ö (Januar und Februar)
schreibt Stewart Macdougall: Man hat sowohl in 1 ndien, wie in Europa nach dem Genuss der Samen von Lath. sativ. paralytische Epidemien entstehen gesehen, und zwar sowohl bei Menschen (nach andauerndem Genuss: plötzliche, wenig schmerzhafte, aber unheilbare Lähmung der unteren Extremi- täten), wie bei Thieren, welche den nach Lath. cicer be- obachteten sehr ähnlich sind. Einen Fall theilt Leatlier mit, der sich 1884 in Liverpool ereignete: 74 Pferde er- hielten täglich neben ihrem sonstigen Futter 3 — 4 Pfund aus Indien importirten Lath. sativ., 35 wurden Rohr er, von denen 1!) erstickten, 2 wegen Unbrauchbar- keit geschlachtet werden mussten und 14 ge- nasen. Die sonst gesunden, in bester Kondition befind- lichen Pferde wurden in kalter Jahreszeit während der Arbeit plötzlich vom Rohren und Erstickungsnoth befallen, welche aufhörte, wenn die Tracheotomie gemacht wurde. — In Bristol, bericlitet Principal Mc Call, wurden von 8U0 Omnibuspferden nach dem Verfüttern von Lath. sativ. 123 vom Rohren befallen: das Rohren trat plötzlich während des Dienstes ohne sonstige erkenn- bare Ursache ein; heftiges Flankenschlagen, Nasenlöcher |
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und Maul weit aufgesperrt, Zunge vorgestreckt und livid
gefärbt, Schwanken, Niederstürzen, in wenigen Minuten lief ihnen der Schweiss am ganzen Körper herab. Zum Her- vortreten der Erstickungsgefahr war keine besondere An- strengung erforderlich, sie trat selbst bei gewöhnlichem Dienste ein, sogar geringe Aufregung genügte, • um einen Anfall hervorzurufen. Die Körner der weissen und dunkel gefärbten Varietät
sind gleich giftig, in Liverpool und Bristol war die dunkel gefärbte verfüttert. In Bedlington wurde eine Anzahl Minen-Ponis Bohrer, in Ea st wo od erkrankten 20 bis 30, in Newcastle 10—12 und in Shefield 12 Pferde, über letztere Beobachtung berichtet Abson, dass die Füt- terung der Lath}Tus im Januar begann und dass das Bohren zuerst im April und Mai, und zwar bei der geringsten Bewegung eintrat. Je grösser die Portion der gereichten Latl^rus , ist,
um so früher tritt das Bohren ein: Principal Mc Call gibt an, dass 2 Pfund etwa (> Wochen lang verfüttert werden konnten, bis Bohren vorkam, Leather sagt, es dauere '■'> Monat bei einer Bation von 4 — 5 Pfund Lath. neben 20 Pfund anderen Korns. In der Gegend von Bristol vertreiben Kornhändler Pferdefütter, welches 2 bis 10 % Lath. enthält, ohne jemals Klagen gehört zu haben. Durch Kochen wird das Gift zerstört: Principal
Mc Call verfütterte lOO'Bolls (220 Hektoliter) gekocht und zu Brei gerieben l1/.. Pfund pro Nacht ohne Nachtheil. Macdougall legt bezüglich des Eintritts der Stenose
besonderes Gewicht auf das Weiter, er sagt (pg. 9): sowohl beim Menschen, wie bei Pferden tritt die Krankheit bei nassem, dunkeln, kalten Wetter ein: in LeathersFall bei nebeligem, kalten Wetter und schneidenden Ostwinde, in Ronen im Januar, in dem von Mc Call mitgetheilten Fall zu Anfang des Winters, in Bristol im Januar, Februar und März. Berücksichtigt man, dass Jahr aus Jahr ein, beson- ders in England, grosse Quantitäten von als Schiifsballast aus Indien importirter Lathyrus ohne Nachtheil verfüttert werden (z.B. in dem Bristoler Falle jährl. für pp. <HK)0 Mk.), sowie dass die Erkrankung sowohl bei Menschen, wie Pferden nur in den Wintermonaten eintrat, und ferner, dass das toxische Quantum an sich verschieden, und erst nach ver- schieden langer Einwirkung die Lähmungserscheinungen ver- anlasste, so wird man zu der Annahme gedrängt, dass das giftige Agens nur unter besonderen, leider nicht näher bekannten Verhältnissen, und in ungleicher |
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Stärke in den Samen entwickelt wird und sich nur
eine gewisse Zeit in demselben wirksam erhält, wie das bei der Lupine auch der Fall ist. Ferner: In Nr. 81 der „Ber 1. Thierärztl.Wochen-
schrift" 1 89?) berichtet Mediein alassessor, Hofthier- arztLiesi n Braunschweig: An 17 Pferden wurde Lath. sat. verabreicht, einige verzehrten sie: andere nahmen sie nur ungern, manche gar nicht an. Sechs Pferde erkrankten, davon 2 am 2H. Januar plötzlich. Die Pferde waren sonst gesund, das eine der zuerst erkrankten erstickte am 8. Februar. Bei der Sectio« fand sich: starke Füllung der Gefässe am Halse und Kopfe mit dunklem Blute, hochgra- diges Lungenoedem, Anfüllung der Bronchien und Luftröhre mit blutigem Schaum, Köthung und kleine Blutungen in der Schleimhaut beider Stimmbänder.....der linke M . crico-
arytänoid. post, war um ein Dritttheil seiner Stärke ge-
sclnvunden, der rechte normal. [Das Pferd war also schon früher Kehlkopfpfeifer gewesen (G-) ] Im Verlaufe von 8 Tagen erkrankten wieder 2 Pferde
unter gleichen Erscheinungen, eines derselben, Neptun, hatte 14 Tage vorher einen leichten Anfall von Angina, am 28. Februar starb das andere (Muselmann) an Er- stickung. Section wie bei dem vorigen. Prof Boether, Hannover, berichtete mir als Kesultat
der von ihm vorgenommenen Untersuchung des Kehlkopfes Folgendes: „Der linke Aryknorpel zeigte sich etwas be- weglicher als der rechte und ragte etwas tiefer in den Kehl köpf hinein. Der M. crico-arytaen. post. sinister und M. crico-arytaen. lateralis sin. hatten ein e t w a s g e r i n g eres Volumen als die gleichnamigen der rechten Seite und zeigten deutlich g e 1 b r o t h e Farbe, alle anderen Kehlkopf- muskeln erschienen braunroth, normal gefärbt Bei der mikroskopischen Untersuchung fanden sich in den atrophirten Muskeln viele fettig degenerirte Fasern; dieselben Hessen entweder gar keine oder doch nur undeutliche Querstreifung erkennen, waren von verschiedener Dicke und enthielten eine grosse Menge kleiner, das Licht stark brechender Körner, welche nach Zusatz von Essigsäure bestehen blieben, I )ie Zahl der fettig degenerirte aFasern v e r h i e 11 sieh zu den der gesunden etwa wie 1 : 12—IT). — In den übrigen Kehlkopfmuskeln waren bei der mikro- skopischen Untersuchung degenerirte Fasern nicht aufzufinden. Die Fasern dieser Muskeln waren durchweg deutlich quer- gestreift und frei von jeder Körnelung." Die Nerven- lähmung hatte also 3—4 Wochen gebraucht, um solche Veränderungen herbeizuführen. |
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Einige Wochen später wurden noch 2 Pferde in hohem
Grade Rohrer, die anderen blieben verschont. Bei keinem trat Heilung ein. Während des Druckes dieser Studien erschien noch
nachstehende Mittheilung des StaatsthierarztVollers, Hamburg (Mittheilungen für Thierärzte 1896 pag. 1 u. ff.). 1. Beobachtung: N. N. in Hamburg fütterte seinen
40 Pferden vom 1 4. September 1895 ab neben Heu, Klee- heu und Häckel 15 Pfund Hafer, 1V2 Pfund Maisschrot und 3 Pfund ungequellte und ungeschrotene von einem Händler gekaufte Erbsen „Lathyrus sativus". 5 Pferde wollten die Erbsen nicht fressen. (Wann und ob die Fütterung der Lathyrus wieder eingestellt worden, ist nicht angegeben — wahrscheinlich etwa Mitte November.) Die verfütterten Erbsen bestanden aus einem Gemisch von 70 °/0 Lathyr. sat., 29 °/n Pisum sativ, 1 °/0 Getreidesamen und Hülsenfrüchten. Mitte Oktober erkrankten drei an Kehlkopf- pfeifen, darauf Ende Oktober wieder eins, zwei der ersteren und letzteres in so bedeutendem Grade, dass sie dem Pferdeschlachter überliefert wurden: „sie seien vor leichtem Wagen nach ganz kurzen Touren unter Er- scheinungen der grössten Athemnoth niedergestürzt", lautete die Angabe des Besitzers. Am 8. November waren wieder 5 Pferde erkrankt. Die thierärztliche Untersuchung ergab, dass dieselben in gutem Nährzustand, fieberfrei und bei gutem Appetit waren, aber nach kurzer Bewegung grosse Athemnoth und starkes Kehlkopfpfeifen bekundeten. Die am 10. November von Völlers vorgenommene nähere
Untersuchung ergab Folgendes: Nr. 1, 7 Jahre alt, erkrankte Mitte Oktober, soll beim
Fahren nach V,, Stunde bis zur Erstickungsgefahr steigende Athemnoth, Kehlkopfpfeifen, schwankenden Gang, starken Husten mit Auswurf von Blutstücken gezeigt haben. Befund: „Athem 14 ruhige Züge, Herzschlag pochend,
unregelmässig, nach 8 bis 4 Schlägen drei kurz nacheinan- der folgende. Das Pferd ist munter, keine Anschwellungen und keine Schmerzen beim Druck auf den Kehlkopf." „Bei Trabbewegungen an der Hand nach l]/2 Minuten
bei pumpender Athembewegung stark pfeifendes Geräuscli mit weit aufgerissenen Nüstern. Nach der Bewegung Herz- schlag pochend, nach h— 6 Schlägen eine kurze Pause, kein Husten, Beruhigung folgt rasch." Nr. 2, 9 Jahr alt Anfang November erkrankt, zeigte
vor dem Wagen schwankenden Gang bei Athemnoth und Pfeifen. Befund: „Athem ruhig, Puls regelmässig, keine An-
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Schwellungen. Beim Trabfübren an der Hand tritt nach
7 Minuten Pfeifen auf und nach weiteren 2 Minuten starke Athemnoth bis zur Erstickungsgefahr. Im Stande der Buhe treten diese Erscheinungen sofort zurück." Nr. 3, 7 Jahr alt: Ende Oktober beim ruhigen Fahren
Pfeifen bemerkt: „Nach 3 Minuten Trabbewegung, hochgra- diges Pfeifen und Athemnoth." Nr. 4, 12 Jahr alt: Vorbericht wie bei Nr. 3. „Zeigte
vor der Droschke nach pp 300 Schritt Pfeifen und Athem- noth bis zum Niederstürzen. Im Stalle sofort Beruhigung." Nr. 5, 12—lö Jahre alt: „Am 7. November im leichten
Gebrauch vor dem Wagen wegen starker Athemnoth mit starkem Pfeifen niedergestürzt und erst nach viertelstün- digem Liegen wieder aufgestanden. Befund: „Nach n Minuten Trabbewegung an der Hand
starkes Pfeifen, hochgradige Athemnoth und schwanken- der Gang. [Bezüglich des schwankenden Ganges bemerkt Völlers weiterhin: „Die Pferde wurden erst im Hintertheil schwankend, wenn Athem- noth und Erstickungsgefahr eintrat." „Bei keinem Pferde trat Durchfall oder Verstopfung
ein, auch haben sie nicht vermehrt urinirt. Völlers hat keins derselben husten gehört und bei keinem Anschwellung am Halse entdeckt. Der Besitzer gab an, dass einige, namentlich das unter Nr. 1 bezeichnete, Jucken in der Haut gezeigt und sich vielfach die Flanken gebissen habe. In diesem Bestände sind dann weiter gleichartig er-
krankt : Nr. 0 am 10. November,
Nr. 7 „ 10.
Nr. 8 „ 13.
Nr. 9*) „ 13./14. „
Nr. 10 „ 14.
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*) Anmerkung: Nr. '■) ist vor der Droschke beim langsamen Trab-
fahren niedergestürzt und gestorben, am 15. November obducirt. Sectionsbefund: „Kadaver in Kückenlage. Nach Abnahme der Haut zeigte die
ganze Halsmuskulatur vom Kehlgange bis zur vorderen Brnstöffnung ein schwarzrothes, stellenweis spiegelndes Aussehen, Venen des Kopfes und Halses strotzend mit Blut gefüllt, Muskulatur in der mittleren Bauch- gegend leicht grünlich gefärbt." „Brusthöhle: Pleura glatt, glänzend, Lungen in Exspirationszu-
stand, in der Brusthöhle pp. 1000 Kubikcentitneter einer braunrothen, un- durchsichtigen, bei auffallendem Lichte grünlich aussehenden Flüssigkeit, auf deren Oberfläche zahlreiche Fetttröpfchen schwimmen. Im Herzbeutel pp. 10 cc. gleicher Flüssigkeit. Beeilte Herzkammer vergrössert, ihre |
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Nr. 11, 12—15 Jahr alt, ist stets im geringen Grade
Pfeifer gewesen. Am 16. November fing das Pferd so stark an zu röhren, dass es ausgespannt werden musste. Im Stande der Ruhe keine Krankheitserscheinungen, bei Trabbewegung an der Hand nach 1/2 Minute beginnendes und nach 1 Minute hochgradiges Pfeifen." „Ich bemerke, dass der einheitlichen Bezeichnung wegen
der bei der Bewegung auftretende Ton von mir (Völlers) als „Pfeifen" bezeichnet worden ist, eine Oarakterisirung, die beim Hörbarwerden der ersten Töne oft zutreffend war; bei gesteigerter Athemnotli glich das Geräusch einem „Hie- men", „Schnarchen" oder „Brüllen". Der Ton trat im Beginn nur bei der Inspiration ein, weiterhin auch bei der Expiration und hielt noch kurze oder längere Zeit im Stande der Ruhe an. Die meisten Pferde beruhigten sich nach der Bewegung' rasch, nahmen sofort Futter und boten den Eindruck ganz gesunder Thiere." „Die am .'50. November wiederholt vorgenommene Unter-
suchung der Pferde ergab Folgendes: Das Pferd Nr. 1 hat beim Fressen aus der Raufe einen Erstickungsanfall gehabt, Herzfehler verschlimmert, Athemnotli nach geringster Be- wegung hochgradig. Bei den übrigen Pferden derselbe Zu- stand. Am 0. Dezember wurde Völlers gemeldet, dass das Pferd Nr.2 tobsüchtige Anfälle mit Beisssucht nach Meiisclien gezeigt habe. Weiterhin erkrankten noch drei Pferde in gleicher Weise am Kehlkopfpfeifen." In diesem Falle war die Verfütterung der Lathyrus
am 14. September begonnen: tägl. Ration drei Pfund, in welcher neben 20 °/ft Pisum sativ. 70 °/0 Lathyr. sativ. ent- halten waren, die Lathyr.-Ration betrug also = 10f>o Gramm pro Tag. Rekapitulation:
Mitte Oktober erkrankten 3, also nach pp. 3—4 Wochen, Ende Oktober „ 1, ,, ,, I ,• _ - Anfang Novbr. ,, 1, „ „ j
Vom 10.—14. Novbr. „ 5, „ ., \ - A
Am 10. Novbr. „ 1, „ „ J
Wandung schlaff, dünner als normal, Herzkammern blutleer, Herzfleisch
trüb, brüchig (wie gekocht), Lungen nichts besonderes, Schleimhaut der grösseren Bronchien diffusruth ohne feste Auflagerungen und ohne Schaum- belag." „Bauchhöhle: beim Eröffnen entweicht eine geringe Menge Gas.
Aussehen der vorliegenden Eingeweide normal, Magen massig mit Hafer und Häckel gefüllt, Erbsen oder Theile derselben nicht nachweisbar. Dick- darm mit trockenen Kothmassen ziemlich stark angefüllt, Darmkanal sonst normal. Milzmilpe etwas weicher als normal, Leber derb, an der Ober- fläche und auf dem Durchschnitt von grünlicher Farbe, Durchschnitt däche |
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2. B e o b ach t u n g: Der Fuhrmann T. hat am 21. S e p -
temberc. aus derselben QuelleErbsen (Lathyr. sativ.) bezogen, er fütterte seinen ö Pferden täglich je 15 Pfund Hafer und reichlich .'! Pfund Erbsen, letztere gequellt, dazu Heu und Häckel. Am 7. November war eines seiner 5 Pferde bei leichtem
Gebrauch im Geschirr plötzlich von starkem Schnaufen be- fallen und niedergestürzt, aber nach einigen Minuten wieder aufgestanden, der Anfall habe sich am 11. wiederholt, am 14. sei es beim Schrittfahren umgefallen. feucht, übelriechend, ohne erkennbare Acini, linke Niere normal, rechte
etwas vergrö'ssert, an der Oberfläche dunkelroth, Durchschnittsfläche feucht, Rindensubstanz braunroth, Marksubstanz diffusroth, Grenzschicht dunkel- blauroth. Maikstrahlen deutlich hervortretend, Glomeruli vergrö'ssert, leicht sichtbar, bei Druck tritt eine schleimig - seröse Flüssigkeit in das Nieren- becken. Harnblase leer." „Halsorgane: Halsgefässe strotzend mit Blut gefüllt. Die ganze
Halsoiuskulatur hochgradig blutig durchtränkt, schwarzroth gefärbt. In der Muskulatur pfennig- bis markstückgrosse blutige Herde, im inter- muskulairen Bindegewebe handtellergrosse Blutlachen. Sämmtliche Kehlkopfmuskeln sind dunkelroth gefärbt, der hintere Ring- Giesskannenmuskel der linken Seite erweist sich bei genauer Untersuchung um ein geringes schwächer, als derjenige der rechten Seite." Anmerkung: Die Kehlkopfmuskeln sind bezüglich der Ur-
sache dieser Erscheinung nicht untersucht: daraus, dass sie sämmtlich dunkelroth gefärbt waren; dürfte geschlossen werden, dass in dem linken crico-aryt. post. eine durch mangelnde Innervation bedingte Atrophie nicht vorlag, zeigte sich derselbe um ein geringes schwächer als der rechte, so konnte das auch durch eine nicht gelten vorkommende kongenitale Schiefstellung der Krista der Ringknorpelplatte vorgetäuscht werden. (G.)_(cf. conten). „Schleimhaut des Kehlkopfes und der Tracheadiffus dunkelroth
gefärbt, Kehldeckel stark geröthet, in der Schleimhaut desselben punkt- förmige Blutungen, Stimmbänder und Kehldeckelschleimhaut geschwollen, Halslymphdrüsen vergrössert, hochgradig blutig infiltrirt, schwarzroth." „Am Gehirn und dessen Häuten keine Veränderungen ins-
besondere keine Blutungen oder Staunngserscheinungen. Rückenmark irn Halstheil hyperämisch, sonst nichts Abnormes." *) ,.Im Ilagen und Darminhalt konnten bei chemischer Untersuchung
weder lletallgifte noch Alkaloide nachgewiesen werden. Die mikro- skopische Untersuchung der Kehlkopfmuskeln und Niere ergab nur die Anwesenheit auf postmortal e Entwicklung zurückzuführen- der Bakt erie n. Mit Stückchen aus der Kehlkopfmuskulatur wurden 1 weisse lläuse und 1 Meerschweinchen subkutan geimpft, erstere starben nach einem, letzteres nach 4 Tagen;" (die Fleischstückchen waren wohl schon in Zersetzung? G.) „Die bakteriologische Untersuchung derselben, sowie auch der auf angelegten Kulturen erwachsenen Keime er^ah kein positives Resultat." *) Anmerkung. Ich habe dieses auffällige, bislang einzig
dastehende Obduktionsergebniss der Vollständigkeit wegen hier wieder- gegeben, nehme aber von einer Untersuchung darüber, in wie weit es auf die spezifische Wirkung der Lathyrus zurückgeführt werden darf, Abstand. Als typisch kann es jedenfalls nicht angesehen werden. |
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Untersuchung am 17. November: 1 Pferd, 9 Jahre
alt, zeigt imstande der Ruhe keine Krankheitserscheinungen. Beim Trabführen an der Hand tritt nach 3 Minuten starkes Pfeifen, verbunden mit »'rosser Athemnoth bis zur Er- stickungsgefahr ein, es kann sich nicht auf den Beinen halten und schlägt nieder; nach ruhigem Liegen von zehn Minuten, Avährend welcher die aufgerissenen Nüstern schwach zusammengedrückt wurden, tritt das Geräusch gänzlich zurück, das Pferd steht wieder auf und ist ganz munter. Bei Besichtigung des Pferdes am 1. December theilt der Wärter mit, dass es auch beim ruhigen Stehen im Stalle Athemnoth gezeigt habe und umgefallen sei. Mitte December waren auch die andern vier hochgradig Kehlkopf- pfeifer. 3. Beobachtung. Fuhrherr D. kaufte etwa gegen
Ende September von demselben Händler Erbsen (Lathyr. sat.) und fütterte seinen Pferden täglich je 3 Pfund gequellt und trocken. Am 15. November theilte er Völlers mit, dass vor
etwa 4 Wochen eines seiner Pferde beim langsamen Fahren stark geröhrt habe und dem Pferdeschlachter ver- kauft sei. Um dieselbe Zeit habe ein zweites Pferd starke Athem-
frequenz bei grosser Hinfälligkeit und Rohren bekundet, er habe es verkauft. Ein drittes Pferd habe er ebenfalls wegen Hinfällig-
keit an den Pferdeschlachter abgegeben. Gegenwärtig röhrten wieder G Stück. Das Resultat
der am 23. November vorgenommenen Untersuchung unter dem Reiter, an der Longe oder an der Hand war Folgendes: Nr. 1 röhrte nach :/0 Minute Nr. 2 „ „ 1/2 „ und nach 3 Minuten hochgradig,
Nr. 3 „ „ x\i „ nach lö Min. verstärktes Pfeifen,
Nr. 4 „ „ b Minuten.
Nr. 5 „ „ 5 „
Nr. (') „ „ 15 „ (verstärkter Trab und Galop.)
Athemnoth bis zur Erstickungsgefahr ist bei keinem
während der Untersuchung eingetreten. Bei dieser Beobachtung trat das Rohren bei
3 Pferden etwa nach 3 Wochen, bei 15 etwa nach () Wochen nach Beginn der Lathyrusf ütterung ein. Weitere Mittheilungen über die schädliche Wirkung der
Lathyrus sativus finden sich: Jahresber. Schütz-Ellenberger 1885 (aus dem Yeterinary Journal pag. 233) Völlers theilt aus diesem bezüglich des oben erwähnten Falles von Leather mit: |
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„Es erkrankten in einem Stalle von 74 Zugpferden und
ß Tonis (35 Pferde), 19 starben, 2 wurden später getödtet, 14 genasen. Die Ponis blieben verschont. In der Kulte er- schienen die Thiere bis auf beschleunigten Puls gesund, bei ewegung Athemnoth, dann Gang schwankend. Tracheotomie half sofort. Oefter asphyktischer Tod. In den meisten schweren Fällen, in denen noch Genesung eintrat, wurde viel Blut beim Husten ausgeworfen. Appetit ungestört. Bei der Seetion zeigte sich ausser den durch Asphyxie bedingten Er- scheinungen in einem Falle Schwund der M. crico arytaen. post. et later. und der M. thyro-arytaen., der linke N. recurr. war auffallend dünner Avie der rechte — also bestand das Pfeifen schon lange vor dem Tode! — . . Sehr günstig war der Einfluss der Weide, während die Thiere, die im Stalle blieben, starben." Ferner: In The Veterinarien LVIII pag. 49ö (Schütz-
Ellenberger Jahrb. 189(): Call berichtet über 2 Fälle von Vergiftung schwerer Arbeitspferde durch Lathyr. sat., in denen die tödtliche "Wirkung erst nach monatelangem Genuss kleiner Mengen i1/, Pfund Mehl täglich) erfolgte: Sehwund der linksseitigen Kehlkopfmuskeln — wie lange vor dem Tode das Bohren bestand, ist nicht angegeben. lieber die Wirkung dieses Alkaloids liegt kein Nachweis vor. JahresberichtSchütz-Ellenberger 1894 pag. 164: Astier
hat in der Lathyr. sat. ein giftiges Alkaloid nachge- wiesen. Nach Völlers cf. Mittli. f. TL 1K96 hat der Ross- arzt Gut zeit in Wandsbeck ebenfalls ein flüchtiges Alkaloid in derselben aufgefunden. lieber Lathyrus - Wirkung vergl. auch Fröhner
Toxikologie und Dammann, Gesundheitspflege, Bd. 1, pag. 444. sowie das Bulletin of Miscellaneos Information 1894. Lathyrus cic.er (französisch „Gesse chiche", „Ja-
rosse") Kichererbse. Nach dem Bulletin der Soc. centr. et im per. de med. veter. 1869, p. öl u. ff. berichtete Verrier, aine, in der Sitzung vom 11. Februar 1869 über einen ekla- tanten Fall von Vergiftung mit Samen der Kichererbse, welcher, soviel mir bekannt, in der deutschen Literatur einer eingehenderen Wiedergabe bislang nicht gewürdigt ist, wohl aber sind die Obduktionsergebnisse, welche Verriet* anführt, in derselben unrichtig inferpretirt % ("cf. Möller 1. c. p. i>8).- Ich gestatte mir deshalb in der Anmerkung*) die Beobachtung niederzulegen.
*) In dem Omnibus-Etablissement zu Ronen erhielten 5+ Pferde
voni 18. Oktober 1807 ab zwei Liter Kichererbse (Jarosse oder gesse chiche) nnd dreizehn Liter Hafer, pro Pferd, täglich. Liese Erbsen- ration wurde etwa 14 Tage beibehalten, dann, da die Pferde ungern daran |
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Auch diese Vergütungen weisen nicht auf andere
lokale Erkrankungen als Ursache der Recurrenslähmung, sondern, ähnlich wie bei Infektionskrankheiten, auf allge- gemeines Ergriffensein des Nervensystems hin, von welchem die Reccurenslähmung nur ein Symptom war. Besonders auffallend und beachtenswerth erscheint aber
die Thatsache des erst nach lange andauernder Einwirkung der Latliyrus-Fütterung urplötzlichen ITervortretens der fraglichen Lähmung, ohne dass sich die Pferde vorher irgend- wie krank gezeigt hatten und dass sogar bis 9 Wochen nach Aufhören der Verabreichung der Lathyrus - Arten Kehlkopf- pfeifen auftrat, ohne dass sich an den Kehlkopfmuskeln der sofort gestorbenen eine Veränderung fand, sowie das Fort- bestehen des Pfeifens bei allen Ueberlebenden. Ein allmählig gingen, vom 3. bis 12. November auf l'/j Liter und von da ab auf 1 Liter
redacirt. Diese Kation wurde bis zum 8. Januar — also etwa zwei Monat beibehalten. Da die Pferde dieselbe gut annahmen, wurde sie wieder auf 2 Liter pro Tag gesteigert. Am 12. Januar 1868 zeigte „Livizzi' grosse Lendenschwäche, am
21. Februar wurde sie vor den Pflug gespannt, zeigte sich aber so schwach und schwankend, dass sie als total uubiauchbar wieder in den Kranken- stall zurückgeführt wurde. Am 27. Februar war sie im höchsten Grade Pfeifer, so dass sie
selbst hei geringster Bewegung in höchster Erstickungsgefahr zu Boden stürzte, das Maul wurde aufgesperrt, die Zunge wurde vorgestreckt, er- schien geschwollen und cvanotisch. 1 ieser Zustand dauerte etwa 10 Minuten, worauf langsam Beruhigung
eintrat und das Thier aufstand. Eine'' halbe Stunde später war auch die letzte Spur dieser erschreckenden Erscheinungen verschwunden. Am 28. Februar wurde die Tracheotomie gemacht und konnte das
Pferd unmittelbar darauf ohne die geringste Beschwerde den heftigsten 'Anstrengungen ausgesetzt werden, es wurde wieder in den Omnibusdienst eingestellt, welchen es ohne Unterbrechung bis- zum 9. April leistete, worauf es in wenigen Tagen an einer Brustentzündung einging. (Sektion nicht angegeben.) Cesar, welcher wegen Lahmheit über einen Monatim Stalle gestan-
den hatte, wurde' am 12. Februar angespannt und hatte im Schritt einen leeren Wagen zu ziehen; unterwegs bekam er einen so heftigen Anfall von Pfeiferdampf, dass er auf der Strasse zusammenstürzte und asphyk- tisch starb. Emile wurde am 26. Januar hei der Arbeit von Paraplegie befallen
und starb auf der Strasse. Leda zeigte am 20. Februar Lendenschwäche, am 28. wurde sie
vor den Pflug gespannt. Kaum war die Arbeit begonnen, als sich ein so heftiges Rohren einstellte, dass sie ausgespannt werden musste, unter- wegs stürzte sie zusammen und verendete. In Folge dieser misslichen Erfahrungen wurde das Verfüttern der
Kichererbse eingestellt (am 1. März?) und sämmtliche Pferde genar unter- sucht. Die Untersuchung ergab Folgendes: Die Pferde sind im Allgemeinen gut im Haar, haben guten Appetit
und sind munter, leisten ihren sehr penib 1 en Omnibusdiens.t gut; einige indessen sind schwer in der Hand (legen sich auf das Gebiss), die Konjunktiven stark geröthet, der Puls voll. Man lässt sie zur Ader. |
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fortschreitendes Erkranken des Nerven und darauf begrün-
detes Zunehmen des Rohrens war liier ganz ausgeschlossen, ebenso auch selbstverständlich Glottiskrampf. — Delafond-Alfort erwähnte 1844 in seinen Vor-
lesungen, dass nach der Verabreichung von Lathyrus cicer, sowohl des Samens als auch des Krautes Kehl- kopfpfeifen entstand, er habe diese Erfahrung vor 9 bis 10 Jahren publicirt (ob im Recueil?). Pisum umbellatum, Chokoladen- oder Kapu-
zinererbse (cf. Berl. Th. W. Nr. 46, 1895). Thierarzt Alberts-Rendsburg berichtet: In einem Bestände von 7 Pfer- den wurden täglich 12 Pfund Hafer und 8 Pfund Erbsen seit Jahren ohne Nachtheil verabreicht vom 30. April bis 7. Juli aber statt letzterer pisum umbellatum. Am 23. oder 24. Mai 1895 trat bei einem Kehlkopfpfeifen auf, welchem in Zeit von einigen Tagen weitere vier nachfolgten. Zwei starben, eins schon am 4. Juni, an Erstickung, ein drittes musste wegen völliger Unbrauchbarkeit geschlachtet werden. Die Pferde waren bis zum Tode stets munter und bei gutem Das Blut scheint sehr reich an Fibrin zu sein, tritt nur schwer aus der
Ader und gerinnt sofort zu einer schwarzen, fast festen Masse, welche nach 24 Stunden weiter keine Aenderung zeigt, als etwas Glätte an der Oberfläche. Erst am dritten Tage erscheint etwas Serum und der weisse: Blutkuchen, doch bleibt der schwarze dreimal so umfangreich, wie die beiden anderen Bestandteile. (Das bei gesunden Pferden im Stande voll- ständiger Ruhe aus der Ader entnommene Blut scheidet sich schon in den ersten 24 Stunden und sinkt der Cruor immer mehr zu Boden. Wird dasselbe Pferd unmittelbar darauf etwa fünfzig Schritte im Trabe bewegt, so erfolgt die Scheidung in ähnlicher Weise, wie hier angegeben. D. Aut.) Behandlung. Alle Pferde werden zur Ader gelassen, erhalten nur
5 Liter, höchstens 10 Liter Hafer, dftzu an Gewicht soviel Mehl, wie die abgezogene Körnerration ausmacht in Schlampform, welcher per Tag und Pferd fünf Gramm tart-\ emet. zugesetzt werden. Carmagnote kommt am 12. Februar wegen Lendenschwäche und
Hodenentzündung in den Krankenstall, wird am 23. kastrirt, die Operation scheint günstig zu verlaufen; am 4. März stürzt er beim Führen im Schritt nieder und stirbt an Erstickung. Sektion: Lunge enthält viel schwarzes Blut; die Schleimhaut des
Kehlkcpfes, besonders die der Aryknorpel, zeigt passive Hyperämie, welche ihre Dicke massig vermehrt. _ Möller übersetzt diesen Befund, der im Original lautet: „La muqueuse du larynx, celle des aryte- noides surtout, est le siege d'une hyperemie passive, qui en augmente seusiblement l'epaisseur".....„ergab die Sektion akute
entzündliche Erkrankung des Larynx") cf. p. 38 seiner Brocbjroe,
über Kehlkopfpfeifen\ Zephir wurde am 20. Februar von Paraplegie befallen. Nachdem
er einige Tage gelegen hatte, erholte er sich allmählig. Nachdem er Hergestellt war, wies er sich in so hohem Grade als Rohrer aus, dass ihm echon beim Wiehern der Athem ausging und er zu Boden stürzte. Nach sofort gemachter Tracheotomie wurde er wieder in Dienst gestellt. |
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Appetit gewesen. Ein viertes erstickte am 15. Juli, bei der
Obduction desselben fand sich äusserte wohnlich starke Atrophie des linken M. crico-aryt. post. und hochgradiges Lungenoedem sonst nichts »weiter. Das fünfte röhrte am 10. August noch stark. Die beiden letzten Pferde des Be- sitzeis blieben verschont. Anmerkung: Alberts schliesst aus dieser Beobach-
tung, „dass ein bereits für Laien erkennbares Rohren bei scheinbar gesunden Pferden in ca. 3 Wochen entstan- den sei", die angeführten Thatsachen beweisen allerdings, dass das Kehlkopfpfeifen pp. 3 Wochen nach Beginn der Erbsenfütterung auftrat, aber nicht, dass eine pp. '6 wöchiges Trocadero zeigte am 20. Februar dieselben Symptome, jedoch
in schwächerem Grade. Nach Einfügen des Tracheotubus nahm er seinen Dienst wieder auf. Solpherino wnrtle am 20. Februar von allgemeiner Paralyse
befallen und starb am 21. Bismarck wurde am 20. Februar von inkompleter Paralyse und
Pfeiferdampf befallen, er kam in den Krankenstall, wurde ausgiebig zur Ader gelassen und bei absoluter Ruhe diät gehalten. Am 27. Februar stellte sich im Stalle, ohne äussere Veranlassung ein äusserst heftiges Rohren ein. welches gut drei Stunden anhielt, so dass man jeden Augen- blick den Tod durch Erstickung erwartete. Der Anfall ging allmälig vorüber und anderen Tags, als ich den Patienten sah, erschien er voll- ständig gesund. Indessen traten in der Nacht des 2. März die Zufälle mit erneuter Heftigkeit auf, das Pferd erstickte an denselben. Sektion wie bei Carmagnote. Vergebens suchen wir nach
Alterationen im Nervensystem (weiterhin p. 56 „das giftige Agens äussert seine Wirkung vornehmlich auf das Rückenmark und die unteren Kehlkopfnerven, welche sie paralysirt, während die Pferde sich sonst einer vollkommenen Gesundheit zu erfreuen scheinen"). Judas zeigte am 20. Februar allgemeine Paralyse und statb am
3. März; das Pferd war schon seit langer Zeit heruntergekommen. Negro wurde am selben Tage von einer Schwäche im Hintertheile
befallen, bald darauf wurde er Rohrer. Nach der Tracheotomie hörte das Rohren auf, aber die Schwäche blieb trotz aller Behandlung. Vom 20. Februar bis 20. März war der Gesundheitszustand der
Pferde ziemlich befriedigend, aber am 20. März meldete ein Postillon, dass zwei seiner Pferde beim Laufen genirt seien und er anhalten müsse, damit sie erst wieder zu Athem kämen. Beide Pferde waren, wenn auch nur in geringerem Grade vom
Pfeiferdampf befallen, man machte die Tracheotomie und gab sie dem Dienste zurück. (p. 54) Obgleich seit dem 13. Februar keine Kichererbsen mehr
verabreicht waren, machte sich ihr verderblicher Einfluss doch noch bis zum 24. April, also noch nach 9 Wochen, bemerklich, indem bis dahin noch 15 Pferde Pfeifer wurden und tracheotoinirt werden mussten. In diesem Falle wurden von 54 Pferden 29 befallen, von denen 9
in Folge von Pfei erdampf oder Paralyse an Erstickung starben. 20 sind noch heute, also nach einem Jahre, Pfeifer und müssen fortwährend den Tracheotubus tragen." So Verrier, |
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Eii tWicklungsstadium vorlag: Die Recurrenslähmung
kann ebensowohl erst an dem Tage plötzlich entstanden sein, an welchem das Rohren zuerst beobachtet wurde. d. Rheumatische Einflüsse, Erkältungen. Das.
plötzliche Entstehen der Recurrens!ähmung nach solchen, Einflüssen ist seit langer Zeit festgestellt (Fr. Günther, sagt (1. c. p. 442): „Wenn nun gleich Fälle plötzlicher,. Erscheinung des Pfeiferdampfes überall nicht sehr selten. sind etc."), sowie auch dass derselbe danach verschieden-, gradig auftreten kann. Diese Thatsache wird durch die. Beobachtungen vieler sehr erfahrener Thierärzte und auch, durch die meinigen bestätigt. In neuerer Zeit hat Prof. Dieckerhoff (Diagnose des Kehlkopfpfeifens p. 7 u. ?2) diese Thatsachen bestritten und fertigt Prof. Moll er's (1. c. p. 43) bezügliche Aeusserung — „ein plötzliches Auf- treten auf spontanem Wege, d. h. ohne Allgemeinerkrankung, wird ausnahmsweise beobachtet, kann auch bei der Natur des Leidens als Nervenlähmung nicht auffallen. Von einem Sportsman wurde mir ein Pferd vorgestellt, welches nach dessen Angaben plötzlich während des Reitens hochgra- diger Rohrer geworden war. Aehnliche Fälle beobachtete ich bei Ackerpferden" — kurz ab; er sagt: „Diesen Aus- spruch M ö 11 er' s . . . kann ein erfahrener Sachverständiger sicher nicht als Beweis für die plötzliche Entstehung des Kehlkopfpfeifens gelten lasseh. FA is^ nicht nur Thier- \ ärzten, sondern auch manchen anderen Pferdekennern be- kannt, dass einzelne notorisch seit 1 — 2 Jahren mit dem J Fehler behaftete Pferde nur bei starker Hochhaltung und / Herannahme des Kopfes in der schnellen firab- und Galop- \ bewegung das laute laryngeale Geräusch bekunden. Sehr \ oft habe ich kennen gelernt, dass ein Besitzer einen solchen Rohrer im Wagen- und Arbeitsdienst viele Monate benutzte, ohne von dem Fehler etwas zu erfahren und dann bei an- strengendem Gebrauche desselben durch das Auftreten des Fehlers überrascht wurde. Was Sportsman und andere Bc- , sitzer (p. 8 „Laien") in diesem Betracht ausgesagt haben, ist für die wissenschaftliche Begründung der Dauer einer Recurrenslähmung gleichgiltig" — so Dieckerhoff. Dass gar mancher, namentlich phlegmatische Pfeifer
Monate lang und länger im ruhigen Zugdienste geht, ohne dass dessen Besitzer den Fehler gewahr wird, ist eine längst bekannte Thatsache, docti* kannjpadurch obige Erfahrung, so unbequem sie auch für die von Dieckerhoff aufgestellte Theorie sein mag, nicht aus der Welt geschafft werden. Solchen Thatsachen stehen andere zur Seite, welche von |
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Männern der Wissenschaft, sowie von Anderen aufgenommen
wurden, die ihre Pferde in anstrengendem Wagen- oder Reit- dienst glcichmässig benutzten, ja in Diensverhältnissen, welche von den Pferden die grosstmöglichste Ausgie- bigkeit der Respiration verlangten. Wenn nun bei solchen Anforderungen der Athem gestern noch normal war und heute durch Pfeifen gestört wird, so kann auch die strengste Wissenschaftlichkeit an solchen Erfahrungen nichts rütteln. Dass es auch Leute gibt, welche achtlos neben ihren Pferden hergehen oder überhaupt nichts von Pferden kennen, kann in der fraglichen Sache nichts ändern. Uebrigens aber sind es fast in allen Fällen, welche
jjir Beurtheilung des Thierarztes gelangen, gerade die „Laien", denen das abnorme Athemgeräusch zuerst aufgefallen ist, es liegt um so weniger Grund vor, ihnen die Fähigkeit, störende Athemgeräusche rechtzeitig wahrzunehmen, ganz allgemein abzusprechen. In der Literatur sind unter anderen auch die nach-
stehenden Beobachtungen niedergelegt. Fr. Günther (Nebel & Vix p. 344). Der Fuhrmann
Seh. ritt am 24. November 1829 seinen komplet gesunden 8 jährigen Schimmelwallach dänischer Race nach R , um Holz an einen zum Aufladen bequemen Ort schaffen an lassen. Das Pferd stand unter freiem Himmel bei rauher, kalter, schneeiger Witterung mehrere Stunden hindurch an einen Baum gebunden, während das Geschäft anderweit besorgt wurde. Beim Abends nach beendetem Geschäft erfolgten 7u-
hausereiten bemerkte der Seh., dass das Pferd nicht mit gewohnter Munterkeit ging, während ein auffallend hie- mender Ton beim Athemholen, auch selbst bei der Bewe- gung im Schritt, hörbar war, und dass dem Pferde Erstickung drohte. Zu Hause angekommen, frass das Pferd zwar mit vollem Appetit, indessen hiemte dasselbe auch im Stande der Ruhe mit gleicher Beschwerde fort. So wurde mir das Pferd denselben Abend 10 Uhr zugeführt. Ich fand das Pferd in einem Zustande, wie beim höchsten Grade des Pfeifendampfes (vergl. I. Unters. 3 Kapit.), sonst, trotz aller Untersuchung, nichts Erhebliches an demselben. . . . Das Pferd genas unter dienlicher Behandlung innerhalb 14 Tagen vollkommen, ohne andere Krankheitserscheinungen, als die der Arzneiwirkung gezeigt zu haben, und geht bis heute (1834) in schwerer Arbeit, ohne im geringsten in der Re- spiration genirt zu sein und ohne dass die geringste Spur von Pfeiferdampf zurückgeblieben wäre,''' |
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Derselbe Autor berichtet (1. c. p. 285, Fall 7): *).
Herr W. machte vom 28. Juni bis 21. Juli im Einspänner eine Reise nach den Harz. Das Pferd, eine 14jährige Stute, gross, willig und rasch, machte die Eeise bis zum 12. Juli zur völligen Zufriedenheit. Am 13. Juli musste ein bedeutender Berg passirt werden und unterblieb des einge- tretenen Regenwetters wegen das sonst bei dergleichen Passagen gewohnte Aussteigen; das Pferd musste also die ganze Last bergauf ziehen. Ueber und über vom Schweisse triefend, wurde das Pferd in dem an der Spitze des Berges gelegenen Orte A. in einen Stall gebracht, wo gerade vor dem Kopfe des Pferdes über der Krippe eine etwa hand- breite Spalte in der Mauer war, durch welche der Wind heftig einblies. Das angeordnete Yerschliessen dieser Oeff- nung war unterblieben und das Pferd in diesen Verhält- nissen kalt geworden. Uebrigens frass und soff das Pferd gut und wurde am 19. Juli zur Kückreise nach H. ange- spannt. Indessen fing das Pferd, angeblich schon beim Ein- spannen, zu stöhnen und zu husten an, es steigerte sich dieses Stöhnen zum Hiemen und artete bei der Be- wegung dergestalt zum förmlichen Brüllen aus, dass das Pferd stets zu ersticken drohte und die Aufmerksamkeit aller in die Nähe kommenden Personen aufregte. Die Rück- |
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*) Gerlach (Gerichtl. Th. II. Aufl. p. 245) hält diesen, sowie den
von Günther 1. c. angeführten 8. Fall für spasmodisch; ebenso auch den von Kopp mitgetheilten (s. oben). Unter Berücksichtigung des Ver- laufes dieser Fälle, namentlich ihrer Andauer kann ich ihm nicht bei- stimmen, im ersteren ist sogar die Becurrenslähmung positiv festgestellt. Die von Fr. Günther, Fall 8 p. 288 mitgetheilte Beobachtung,
dass ein Pferd über Jahr und Tag beim Anreiten so heftig röhrte, dass es allen Leuten auffiel, das Bohren aber jedesmal nach 1/4siündiger, bis zum Schweissausbruch gesteigerter Anstrengung, vollständig ver- schwand und nachher trotz grösster Forcirung nicht wieder zu erregen war, sich auch des Nachmittags, wenn das Pferd am Vor- mittng röhrend geritten war, nicht wieder einstellte, weist auf das Bestimmteste auf ein modifizirbares mechanisches Hinderniss hin, zumal auch das Bohren schlimmer war, wenn das Pferd einige Tage im Stalle gestanden hatte. Nasenausfluss war nie vorhanden. Wenn das Athmen recht erschwert war (p. 293), hustete es einige Male mit Anstrengung, „und dieses befreite dasselbe sichtlich von einem Hindernisse, welches die Bespirationsorgane belästigt zu haben schien, denn durch das Maul und die Nasenlöcher wurde nun ein durchsichtiger Schleim entfernt, der sich mit allen vorhanden gewesenen Zufällen ebenso schnell ganz verlor." In diesem Falle lag bestimmt ein Balggeschwulst vor, die sich beim Beiten oder Husten entleerte. — Trotz der sehr grossen Zahl von Pfeifern und meiner stets auf dieselben gerichtet gewesenen Aufmerksamkeit, habe ich niemals spasmodische Hartschnaufig- keit beobachtet und muss ich das Vorkommen derselben bezweifeln. M o- mentane Lähmung der Erweiterer hat ganz denselben Er- folg, wie momentaner Krampt der Verengerer. |
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tour konnte nur in langsamem Schritt und die 10—11 Meilen
betragende Entfernung, die das Pferd sonst gewöhnlich in einem Tage abzumachen pflegte, kaum in 2a/2 Tagen, be- endigt werden. . . . Nach mehrtägiger Ruhe wurde das Pferd eingespannt, indessen Meinte es gleich von Haus aus so fürchterlich, dass man es, da sich die Zufälle immer stei- gerten, wieder ausspannen musste. Am 21. August wurde mit dem Pferde eine kleine Tour gemacht, auch da hiemte es gleich vom Hause aus gewaltig, indessen arbeitete es sich bald warm. Wie allmälig der Schweiss ausbrach, min- derte sich der Meinende Ton und verschwand zuletzt ganz, trat aber wieder hervor, wenn das Pferd angestrengt laufen oder in einem schlechten Wege schwer ziehen musste. Am 23. August untersuchte ich das Pferd; im Stande der Ruhe, im Schritt und im massigen Trabe auf kurze Distanzen war nichts zu bemerken, sowie aber das Pferd unter dem Reiter 3—4 Minuten scharf getrabt hatte, traten die Erscheinungen des Pfeiferdampfes sofort in bedeutendem Grade hervor. Die durch abwechselndes Niederdrücken der Giesskannen- knorpel ausgeführte Untersuchung stellte die Lähmung des linken Recurrens fest. Nach sofort eingeleiteter Behandlung wurde das Pferd am 16. September zur Probe angespannt und vom Pfeiferdampf nicht das Geringste bemerkt; es wurde fernerhin zu seinen gewöhnlichen Arbeiten als Ein- spänner benutzt, wobei sich dasselbe auch ferner gut hielt und noch jetzt (1834) ohne irgend genirte Respiration arbeitet." Esser (Mitth. aus der Thierärztl. Praxis 1873 p. 136)
berichtet (nach Stockfleth, Chirurgie): „Ein Pferd, vor ! Wochen gekauft, war während der verlaufenen Zeit gesund gewesen und hatte zur vollen Zufriedenheit des Besitzers alle Ackerarbeiten verrichtet, als es eines Morgens beim Pflügen plötzlich von einer so heftigen Athemnoth er- griffen wurde, dass man es ausspannen musste. Als Esser ein paar Stunden später eintraf, stand das Pferd scheinbar gesund im Stalle und frass sein Futter. Wieder angespannt, zog das Pferd gleich lebhaft an, musste jedoch, nachdem kaum 100 Schritte zurückgelegt waren, angehalten werden, weil es zusammenzustürzen drohte. Das Athmen geschah pfeifend, brüllend und war im höchsten Grade angestrengt. Zehn Minuten später war das Athmen ruhig; ein wieder- holter Versuch ergab dasselbe Resultat, im Stalle zeigte sich das Pferd wieder gesund. Am anderen Tage wurde der Luftröhrenschnitt gemacht, die Kanüle war aber nicht wie- der zu entbehren." Eine weitere ärztliche Behandlung scheint nicht eingeleitet zu sein. |
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In der „Berliner Thierärztlichen Wochenschrift" vom
30. März 189:5 theilt Prof. Di eck erhoff in seinem Ober- gutachten einen Fall mit, in welchem ein zu Rennen be- nutztes Vollblutpferd zuerst am 25. September 1890 ein weiterhin als Kehlkopfpfeifen festgestelltes Kehlkopfsgeräusch bekundete, welches früher nicht vorhanden gewesen war. Bei demselben stellte sich gleichzeitig besondere Reiz- barkeit des Kehlkopfes ein, schon nach einfachem Streichen mit dem Finger in der Kehlkopfsgegend trat 8 bis 10 Mal hintereinander Husten ein, der Husten wird als kurz, rauh und trocken bezeichnet, dabei war leichte Schluck- beschwerde, mangelhafter Appetit und geringes Fieber, aber kein Katarrh vorhanden. Reizbarkeit des Kehlkopfes und Husten minderten sich erst von Mitte Dezember ab. Dieser Fall erinnert lebhaft an den von Gerlach mitgetheilteu (im Jahresbericht der hann. Thierarzneisch. von 1869 bezw. 1871.) Oberrossarzt Rosenfeld schreibt in der Zeitschrift
für Veterinärkunde '895 pg. 161; Im Mai 1892 erkrankte eine sechsjährige hannover'sche
Stute nach einem halbstündigen Spazierritt unter dem Reiter an einer heftigen Kolik, welche erst nach 30 Stunden wider Erwarten in Genesung überging. Aloe, Glaubersalz, Mor- phium und Eserin waren in den zulässigen Dosen verabreicht worden. Nach der Genesung war das Thier derartig von Kräften gekommen, dass es 10 Tage lang zur Erholung im Stalle verbleiben musste. Als es dann bei freundlichem Wetter zum ersten Male durch den Reitknecht wieder an die Luft gebracht und im Schritt einen sanft anstei- genden Hügel von 50 m hinangeführt wurde, Hess es laute Athmungstöne hören, welche R. sofort als diejenigen des Kelilkopfpfeifens diagnosticiren konnte. Niemand hatte bei dem Pferde bis dahin Kehlkopfpfeifen gehört, auch nicht Rosenfeld, welchem das Thier seit einem Jahre genau be- kannt war. Das Kehlkopfpfeifen besserte sich zwar etwas mit zunehmender Kräftigung, blieb aber in erheblichem Grade bestehen.' Das Pferd entzog sich nach 2 Jahren der ferneren Beobachtung Rosenfeld's. Auf welche ursächlichen Verhältnisse die Recuruis-
lähmung in diesem Falle zurückzuführen, ist allerdings eben- sowenig zu eruiren, wie die Zeit, zu welcher dieselbe ein- trat, bevor sie erkannt wurde. Zu beachten dürfte indessen sein, dass das Pferd bei den heftigen Schmerzen in Schweiss gebadet gewesen sein muss und desshalb eine Erkältung nicht ausgeschlossen werden kann. |
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Der als Pferdekenner und durch ausgezeichnete Zucht-
resultate rühmlichst bekannte Thierarzt, Gestütsdirektor S c h r e n k in Herrenhausen bei Hannover schreibt mir unter dem 4. Juni 1894. „Bei meinen eigenen Gestütspferden habe ich erfahren, dass Kehlkopfpfeifen binnen einigen Tagen ent- stehen kann. Einmal glaubte ich Erkältung als Ursache an- sehen zu müssen und zwar bei einem 3jährigen Hengste, der in Arbeit genommen, unter meinen Augen 8 Tage täglich longirt war, ohne den Athem hören zu lassen; weil er etwas zu husten anfing, wurde die Arbeit unterbrochen, nach acht Tagen war er im hohen Grade Kehlkopfpfeifer und blieb es." Oberrossarzt Puschmann berichtet (cf. Berl. Thier-
ärztl. Wochenschr. 1895, pg. 59a/2.) Im October er. wurde ich zu einem Pferde in Oester-
reichisch - Schlesien gerufen, das schon 8 Tage vorher ge- ringgradigere Erstickungsanfälle gehabt haben sollte. Ich fand die ca. 7 jährige, gut genäherte Schimmelstute (tragend) in einem geräumigen, gut ventilirten Laufstalle, wo sie sich frei bewegen konnte. Athmung ganz normal, Temperatur 38,1 ° C. Nach Erzählung des Inspectors sei die Stute vor einem massig beladenen Wagen plötzlich unruhig geworden, habe dann angefangen, laut zu athmen. Die Athemnoth habe sich in Zeit von einer Minute derartig gesteigert, dass das Thier die Nüstern uud zuletzt das Maul weit geöffnet habe, wobei sich profuser Schweissausbruch eingestellt habe, und dass es dann unter Erstickungserscheinungen nieder- gestürzt sei. Nach einer Dauer von etwa 10 Minuten sei das vollständig erschöpfte Thier aufgestanden und der Anfall vorüber gewesen. Dieses habe sich noch an zwei folgenden Tagen wiederholt, worauf es nicht mehr zum Dienste ver- wendet worden sei. Der Appetit sei stets gut gewesen. Zuerst dachte ich an Epilepsie. Ich applicirte dem Schimmel eine mit einigen Tropfen Ol. Croton. gemischte flüchtige Einreibung in der Nackengegend. Sowie die brennende Wirkung dieser Eimeibung sich bemerkbar machte, wurde das Thier unruhig, ging flott im Stalle herum und nach Ablauf von etwa 2 Minuten begann es laut giemend zu athmen. Die Atliemnoth nahm rasch zu, so dass innerhalb einer halben Minute nicht nur die Nüstern, sondern auch das Maul weit geöffnet wurde. Der Schweiss rann im wahren Sinne des Wortes stromweise von allen Körpertheilen. Die Schleimhaut des weit geöffneten Mundes war ganz blass. Der Ton bei der Inspiration glich mehr einem Brüllen; schon gleich zu Anfang war die Stute niedergestürzt und suchte öfters sich zu erheben. Der ganze Vorgang machte einen höchst beängstigenden Eindruck. Nach einer Dauer |
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von etwa 6 Minuten verschwanden die Erstickungserschei-
nungen so weit, dass das Thier nunmehr das Maul schloss, bald aber kehrten sie in weit heftigerem Grade wieder, so dass ich mich veranlasst sali, dem erstickenden Thiere die Tracheotomie zu machen. Nach Einsetzung der Caniile ver- schwanden die beängstigenden Symptome rasch, die Stute sprang auf und eilte zur Krippe, um mit lebhaftem Appetit ihr Futter, bestehend aus reinem Hafer, und dann das Heu zu verzehren, als wäre ihr nichts gewesen. Der ganze Vorgang machte den Eindruck, als werde dem
Thiere der Kehlkopf zusammengeschnürt. Dabei wurde der laute Ton nur bei der Inspiration, nicht aber beim Ausathmen vernommen. Das Futter war in jeder Hinsicht tadellos; es wird nur Hafer mit gutem Roggenstrohhäcksel und gutes Wiesenheu gefüttert. In der Kehlkopf sgegend zeigte das Thier beim Druck eine geringe Empfindlichkeit, doch war keinerlei Schwellung der in Betracht kommenden Drüsen festzustellen. Etwa acht Tage nach der Operation soll sich wieder
ein solcher Anfall gezeigt haben, dem das Thier erlegen ist. Ich vermuthe zur Nachtzeit wird sich die Stute die Caniile herausgerissen haben und bei dem darauf eintreten- den Anfalle erstickt sein. Ich hatte Kai. bromat. ä 30,0 sechs Dosen veroidnet. Offenbar handelte es sich hier wohl um Kranipf der den Kehlkopf erweiternden (verengernden?) Muskeln. Oder sollte eine jedesmal plötzlich eingetretene ephemere Lähmung der beiden Muse, crico - arytaenoid. vor- gelegen haben? Leider habe ich die Section nicht machen können. Ein entzündlicher Zustand lag in keinem Falle vor, denn abgesehen von der normalen Körpertemperatur erschienen sämmtliche Schleimhäute des Kopfes normal, auch war keine Spur eines Ausflusses vorhanden." Es ist eine altbekannte Erfahrung, dass in der bei
weitem überwiegenden Mehrzahl aller Fälle das Kehlkopf- pfeifen bei bis dahin ganz gesunden Pferden uner- wartet hervortritt, so dass man eine bestimmte Ursache im speciellen Falle gar nicht angeben kann. Einzeln beobachtet mau, dass das Hervortreten des_
Leidens von einem gewöhnlichen, nicht katarrhalischen Husten, der sich häufig in kürzerer oder längerer Folge wiederholt, begleitet ist, derselbe scheint durch die dem Luitbedürfniss hinderliche Raumbeengung ausgelösst zu werden, vielleicht auch durch gleichzeitige Empfindlichkeit des N. laryng. sup. bedingt zu sein. Ich bemerke übrigens express, dass ich bei keinem einzigen Kehlkopfpfeifer eine dem Leiden vorhergehende Verminderung seiner Leistungs- fähigkeit angetroffen habe. |
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Erblichkeit des Kehlkopfpfeifens.
I )ie altbekannte Erfahrung, dass das Uebel in manchen
Zuchten sehr verbreitet ist, in anderen dagegen -sehr selten, hat schon früh dahin geführt, die Ursachen dieser Erschei- nung in der Vererbung und zwar der solchen Zuchten eigenthümlichen Kopfformen etc. zu suchen, auf welche man das Rohren zurückführen zu sollen glaubte. Von diesen Anschauungen haben sich bis heute Viele noch nicht befreien können. Infolge dieser Annahmen hat man leider versäumt, den Hauptgrund, die Recurrenslähmung, ins Auge zu fassen, man hat sich bemüht und auch erreicht, die verdächtigen Formen abzugleichen, hat aber die Beseitigung des Kehl- kopfpfeifens damit natürlich nicht erreichen können. Wieweit das Uebel in manchen Zuchten verbreitet war
und ist, geht unter anderem daraus hervor, dass I) e 1 a f o n d in seinen Vorlesungen 1844 behaupten konnte, „alle Normänner seien Pfeifer", Andere schätzten derzeit die Zahl derselben auf mindestens Ä/4 des Bestandes. Noch 18(38 behauptete Goux (vgl. Bulletin de la soc. imp. et centr. de med. veter. p. 25 . Viele Pferde der Ebene von Caen (Normandie1, welche für die Remonte und den kaiserlichen Marstall ge- kauft wurden, seien mit dem Fehler behaftet, infolgedessen kaufe man die Pferde dieses Landes nur nach einer strengen Probe. Neueren Nachrichten zufolge pfeift dort auch gegen- wärtig noch eine sehr grosse Zahl. Bei den englischen Pferden, sowohl beim Vollblut wie
auch Halbblut, ist das Leiden gegenwärtig zum Schrecken der Pferdehändler, die von dort importiren, in enormer Weise verbreitet, leider sind auch unsere Zuchten, die auf die englische basirt sind, nicht frei davon. Bei gemeinen Schlägen ist es eben sowohl verbreitet. Nach einem Bericht der „Berliner Thierärztl. Wochen-
schrift" (1892 oder 1893) hat Fleming in einer Bro- chüre „Roaring in horses" eine umfangreiche Statistik über Kehlkopfpfeifen veröffentlicht. Hiernach wird es in 96 bis 98 Prozent aller Fälle, wie ich das früher schon fest- stellte, (Topogr. Myol. 1866) durch Muskelatrophie (?) her- beigeführt und zwar fast immer (99 mal vom 100) durch linksseitige. „Die eingeborenen Pferde Indiens, Australiens, Südafrikas, Egyptens, Südamerikas, sowie die Vollblutaraber werden sehr selten befallen. In Europa kommen die meisten Fälle in England, in Frankreich, in Hannover und in Hol- stein vor. Das englische Vollblut ist am meisten zum Rohren disponirt^ 1889 waren 5x/8 Prozent aller englischer Rennpferde Rohrer. Am häufigsten erkrankten Pferde im |
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Alter von 2 bis 7 Jahren. Auch beim Halbblut ist übrigens
das Leiden häufiger." (Wenn allein 51/» Prozent aller eng- lischen Rennpferde Pfeifer sind, so muss es in der englischen Vollblutzucht dort allerdings recht traurig aus- sehen, da bekanntlich nur ein geringer Bruchtheil der Zucht auf der Rennbahn erscheint, der Rest, der in der Konkurrenz keine Chancen hat., sowie die anderen Rohrer scheiden früher aus). Die aufmerksame Beobachtung hat nun schon längst
ergeben, dass die Recurrenslähmung erblich, und dass die Nichtbeachtung dieser Thatsache die wesentlichste Quelle der weiten Verbreitung derselben ist. Die Recurrenslähmung tritt vorzugsweise, gerade so
wie andere Erbkrankheiten, besonders bei jungen Pferden (sogar bei Saugfüllen) hervor, sie kann ebenso wie diese auf viele Pferde oder wenige vererben, viele freilassen und in der folgenden Generation wieder hervortreten, wodurch ge- rade die Vererbung besonderer Anlage bekundet wird, so dass bei solchen Zueilten rheumatische und infektiöse Ein- flüsse nur zu leicht den Ausbrach der Lähmung herbeiführen. Solche Erfahrung is* bei uns und auch anderwärts, z. B. in Frankreich, vielfach bestätigt; so sagt z.B. Rossigiiol (cf. Bullet, de la soc. imp. et. centr. de med. veter. 1868 p. 216): „Ausser den deutschen Pferden zeigen besonders ge- wisse englische Pferde eine grosse Neigung, Pfeifer zu werden. Von 10 dieser Pferde, welche von Brustkrankheit befallen wurden, blieben 6 Pfeifer." Leblanc pere sagt <p. 217): „In England sind die Yorkshire-Pferde dafür be- kannt, dass sie eine besondere Neigung zum Pfeiferdampf haben.....Jeder weiss, dass viele Pferde nach Angina oder
Lungenentzündung Pfeifer bleiben."
Leider liegt aber auch in der Eigenthümliclikeit der
ererbten Anlage der Grund zu irrigen Ansichten, die ge- radezu der Verderb der Zuchten werden. So be- hauptet man, mit der Vererbung sei es nicht so schlimm, weil von diesem oder jenem Hengste viele Nachkommen frei bleiben, oder nur in manchen Jahren in grösserer Zahl Rohrer werden. Wer den Einfluss der Vererbung über- sehen will, darf sich nicht auf solchen kurzsichtigen Stand- punkt stellen, sondern muss vergleichende Untersuchungen in grossem Massstabe vornehmen, er wird dann finden, dass sich ganze Familien durch das häufigere Vorkommen des Leidens unter gleichen sonstigen Verhältnissen auszeichnen, unter denen andere frei bleiben. Es kostet allerdings viel Selbstüberwindung, einen an
sich vorzüglichen Hengst, der seine hochgeschätzten Eigen- |
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schatten gut vererbt, wegen dieses Uebels, besonders, wenn
es nicht hochgradig ist, von der Zucht auszuschliessen und das in demselben angelegte Kapital einfach abzuschreiben — und doch ist dieses der einzig richtige Weg zur Erhaltung des Renommees guter Zuchten und des darin steckenden Nationalvermögens. Auch Besitzer pfeiferdämpflger Stuten sind oft sehr wenig penibel in der Benutzung derselben Zucht, zumal, wenn sie ihre Pro- dukte als Füllen abgeben, ihnen genügt die sonstige gute Qualität und der Nutzen, den sie aus ihren Zuchten ziehen. Je weniger man auf die Vererbung Rücksicht nimmt, um-
somehr muss sich nicht nur die Anlage in den Zuchten fest- setzen, sondern auch vergrössern, wenn in so veranlagten Zueilten neue Pfeifer wirksam werden. Zum Hervortreten des Leidens bedarf es dann nur progressiv geringerer Ge- legenheitsursachen, die man bei der bei weitem über- wiegenden Mehrzahl aller Pfeifer ihre* Gering- fügigkeit halber geradezu übersieht; die Zahl der letzteren ist so gross, dass alle übrigen dagegen nur einen ganz geringen Prozentsatz ausmachen. Prof. Möller hat in seiner Broschüre p. 39 ff. sehr
wichtige Nachweise über die Vererbung zusammengestellt, Avelclie ihrer Bedeutung halber hier folgen mögen: „In Frank- reich wurde schon frühzeitig die Vererbungsfähigkeit des Leidens einstimmig angenommen, und von Godine, Hu- sard, Girard, Dupuy, Bouleyu. A. betont. Die in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts nach der Normandie eingeführten dänischen Hengste galten als Verbreiter der- selben. . . . Nach Dupuy (Journ. pratique de med. veter. 1827) waren 2/s der Kinder des Misanthrope mit dem Leiden behaftet. Bouley (Dictionaire Bouley und Reynal 1858) stand auf demselben Standpunkte und gab eine Reihe von Beobachtungen für die Vererblichkeit des Rohrens an. Die Züchter Frankreichs (eleveurs> seien davon überzeugt. Ein Hengst wurde in seinem 10. Jahre Rohr er, von da an wurden fast alle seine Nachkommen von dem Leiden befallen. — Aehnliches berichtet Charon (Etüde sur le cor- nage chronique 1886) von der Vererbung durch Stuten: „Mary" und ihre Mutter „Precipitate" waren Rohrer; die erste brachte ein Fohlen vom Sorcerer, welclies ebenfalls röhrte und den Fehler auf seinen Sohn „Back-Jack" ver- erbte. Nimrod (The veterinarian 1840) berichtet von der- selben Stute „Mary", dass sie mit drei verschieden311 Hengsten drei Rohrer gezeugt habe. Charon (1. c.) bringt eine Anzahl von weiteren Beweisen: Easthern, ein Vollblut, |
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hatte unter seinen Nachkommen zahlreiche Rohrer; sein
Sohn Chasseur und Enkel Carnassier waren mit dem Leiden behaftet, der letztere zeugte den berühmten Ganymede aus einer Tochter des Chasseur; Ganymede röhrte und zeugte einen Rohrer gleichen Namens. Unter den Nachkommen des letzteren zeichneten sich namentlich Quebec und Proarn, gleichfalls Rohrer, durch Vererbung des Rohrens aus. Unter den Söhnen des Quebec waren 9, unter denen des Proarn 7 Rohrer. Nach Youatt (The veterinarian 188:)) richtete die
Ansicht, dass das Rohren nicht vererbe, in den Zuchten Norfolk's und Suffolk's grossen Schaden an. „Die Gegenden waren mit Rohrern übersäet und viele Züchter ruinirt." Mark harn (The veterinarian 1839) beobachtete, dass von den 8 Nachkommen eines Rohrers 6 mit dem Leiden be- haftet waren. Mackee, Staatsthierarzt in Grevenmacher (Luxemburg)
schreibt in Nr. öl der deutschen Thierärztl. Wochenschrift 1894: „Ein aus Belgien importirter Hengst war trotz Kehl- kopfpfeifens hierlands angekört worden. Von demselben habe ich drei Füllen von ein und demselben Jahrgänge ge- sehen, welche mit diesem Leiden behaftet waren. Es spricht dieses wohl deutlich genug für die Vererbung des Kehlkopf- pfeifens." Es ist die Frage aufgeworfen, ob Pfeifer die nach-
weislich erst nach erlangter Volljährigkeit von dem Uebel befallen wurden, zu einer Zeit also, in welcher die Periode des Hervortretens der Erbkrankheiten überwunden zu sein pflegt, sowie solche, bei denen dasselbe nach Infektionskrank- heiten etc. auftrat, von der Zucht auszuschliessen seien? — Ich muss diese Fragen ganz unbedingt bejahen, zu- mal gar nicht ausgeschlossen werden kann, dass solche Pferde gerade wegen der ererbten Anlage nach solchen Pfeifer wurden, und auch erworbene Fehler, besonders des Nerven- systems, doch auch andere, nachweislich vererbungsfähig sind. Hengste aber aus unbekannten Zuchten sollte man überhaupt nicht, oder doch nur nach erlangter Volljährigkeit und, nachdem sie sich im Dienst bewährt haben, zur Zucht verwenden, nur auf solche Weise umgeht man thunliehst in ihnen verborgene Erbfehler. Die Recurrenslälimung, welche nach der Influenza und
anderen Infektionskrankheiten (Druse, Bräune, auch Sealina) zurückbleibt unterscheidet sich in keiner Beziehung von anderen Recurrenslähmungen, sie kann also von jenen auch nicht abgetrennt werden. Warum nun gerade die |
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Influenzalähmung nicht vererben soll, ist nicht wohl einzu-
sehen. Durch die Möller'sehe Phrase (1. c. pg. 41), „dass wohl Niemand behaupten wird, dass diese Infektionskrank- heiten erheblich seien", kann diese Frage in keiner Weise beeinflusst werden, da es sich hierbei gar nicht um diese, sondern um einen »'anz anderen Krankheitszustand handelt, welcher, einmal erzeugt, ganz selbstständig dasteht und mit jenen Infektionskrankheiten absolut gar nichts mehr zu schaffen hat. Es ist allerdings sehr willkommen, für die Einführung eines Pfeifers in die Zucht dem Zweifler eine Beruhigung durch den Hinweis darauf geben zu können, dass das Pferd Influenza gehabt habe! Die Recurrensläh- mung bleibt immer dieselbe! Adoptirt man die Maxiin- Mö 11 er 'sehe Idee von der Nichterblichkeit der Influenza- lähmung des Recurrens, so wird alle Vorsicht- eingelullt: „das Pferd hat ja oder hat gewiss Influenza gehabt", und damit ist der Talisman gefunden, unter dessen Schutze die Pfeifer frank und frei ihren Einzug in die Zucht vollführen! Man glaubt den Nachweis der Erblichkeit dadurch er- schüttern zu können, dass man darauf hinweist, dass den positiven Beobachtungen andere gegenübergestellt werden können, die das Gegentheil beweisen, eine Argumentation, die sich mit dem heutigen Stande der Vererbungslehre nicht mehr vereinbaren lässt; auch behauptet man, dass die Re- currenslähme in den südlichen Ländern nicht von den Eltern auf die Nachkommen übertragen werde, und will dadurch nachweisen, dass es mit der Vererbung nicht viel zu sagen habe: dieser Behauptung fehlt bislang jeder Boden, ein Nach- weis, dass das Leiden dort nicht vererbe, liegt bislang nicht vor, aber, wenn das auch der Fall wäre, so würde solche Thatsache für uns in der gemässigten Zone ganz irrelevant bleiben müssen, da wir ausschliesslich mit den bei uns ge- gebenen Verhältnissen zu rechnen haben. Wenn die Sportwelt trotz der bekannten Erblichkeit
auch Pfeifer zur Zucht verwenden will, so ist das ihre Sache, tritt aber die Landespferdezucht, also ein bedeutender Theil des Nationalvermögens und der Landeswehr in Frage, so muss mit aller Energie auf Reinheit von Erbfehlern gehalten werden, und ist es allerliöcliste Zeit, hier ein Einsehen zu haben; sind doch durch das Kehlkopfpfeifen schon ganze Zuchten in Misskredit gebracht, ja sogar ruinirt. Unsere Zuchten sind jetzt schon, wie die bedeutendsten Pferdehändler bekunden, mit Pfeifern über- reichlich gesegnet, fährt man fort, rücksichtslos Pfeifer wirksam werden zu lassen, so ist die Gefahr für dieselben eine sehr grosse, zumal im englischen Vollblut, welches |
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wir gar nicht entbehren können, das Leiden sehr verbreitet
und auch auf das Halbblut übertragen ist (früher war das nicht der Fall, die Ursache dürfte in der rücksichtslosen Ver- wendung von Pfeifern in den Zuchten zu finden sein). Man kann dem Reize vielfach nicht widerstehen, von Kehlkopf- pfeifern, die sich auf der Rennbahn ausgezeichnet haben, weiter zu züchten, indem man nur die sonstige Qualität der- selben und deren Einfluss auf Renner folge berücksichtigt; dass man zugleich die Disposition zur Recurrenslähmung fortpflanzt und durch wiederholte Einwirkung allmählich fest züchtet, weiss man entweder nicht oder setzt sich darüber hinweg. In solchem unvorsichtigen Verfahren wird man leider durch die Erfahrung bestärkt, dass ebenso wie bei anderen Erbfehlern, viele von den Nachkommen ver- schont bleiben, man vergisst aber, dass dieselben in zweiter, selbst dritter Generation wieder hervortreten können, selbst wenn die ererbte Disposition bei den Eltern nicht zum Aus- bruch des Leidens geführt hatte, es ist das besonders häufig der Fall, wenn gleichvcranlagte Thiere gepaart werden. Die Disposition zum Kehlkopfpfeifen und damit dieses selber kann in den Zuchten (auch kaltblütiger Schläge) nur dadurch bekämpft, und allmählich getilgt werden, dass überhaupt keine Pfeifer mehr zur Zucht zugelassen w erden. — Bezüglich der Vererbung erworbener Nervenleiden
glaube ich noch nachstehende Beobachtungen einreihen zu sollen: Ob er stein er (Med. Jahrbücher 1875, p. 179) führt an, dass rein zufällige Zustände, lange nach der Geburt ent- standen, sich auf die Nachkommen vererben. Er hat Meer- schweinchen durch Trennung des N. isehiadicus und auch, nach der Westphal'schen Methode, durch einen oder meh- rere kräftige Schläge auf den Kopf epileptisch gemacht. Er konnte sich ebenso wie Prown-Sequard und Wcstphal Von der Uebertragung der Epilepsie auf die Jungen der ope- rirten Thiere überzeugen. Brown-Sequard durchschnitt Nervenstränge und ein-
zelne Theile des Gehirns und erzeugte dadurch Missbildungen, welche sich auf die Nachkommen der verletzten Thiere bis zur fünften und sechsten Generation vererbten (cf. Wilkens, Deutsche Zeitschr. f Thierinedizin 1891, p. 169), ferner „dass es Eigenschaften gibt, welche von einem Thiere, während seines Lebens erworben, vererbt Avordcn sind, wird von keinem Zoologen geleugnet." Zum weiteren Belege für Vererbung erworbener Krank-
heitszustände führe ich beiläufig nachstehende Erfahrungen an. ,1m hiesigen Marstalle wurde die alte, gelbe Celler Kutsch- 4
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rasse, welche von den früheren Herzögen von Celle vor langen
Jahren etablirt war, weiter gezüchtet. Es waren ausgezeich- nete Pferde, sicher und fromm im Dienst, und ohne irgend welchen Temperamentsfehler. In dieser Zucht wurde ein vor- züglicher aus derselben stammender Hengst verwandt, der in geringem Grade kollerig geworden war. Alle Nachkommen desselben, verschiedener Generationen zeigten ein so choleri- sches Temperament, dass der ganze Stamm in den vierziger Jahren abgeschafft werden musste. Ich habe diese Pferde über ein Jahr lang täglich zwei-
und vierspännig behuf Erlernens des Fahrens selber in der Hand gehabt und kann die Thatsache bestätigen, dass die Pferde nur mit grösster Aufmerksamkeit in Ordnung zu halten waren; sie fielen sonst, wenn sie warm wurden, einfach über einander her. Kastration half nichts. Wir hatten im hiesigen Marstalle einen ausgezeichneten
Vollbluthengst, Cavalier vom Amandis, der in England lange Zeit auf Jagden geritten war und in Folge der Anstrengungen etwas Spat bekommen hatte, welcher aber bei seiner Hier- kunft (natürlich exkl. der Spaterhöhung) geheilt war. Er vererbte seine ausgezeichneten Eigenschaften mit seltener Konstanz, sowie auch seine Formen, leider aber auch eine grosse Anlage zu Spat, so dass man jeden seiner Nach- kommen in dieser Beziehung mit vollem Recht als verdächtig ansah. Beiram, Halbbluthengst im Celler Landgestüt, ein sonst
ausgezeichnetes Pferd, hatte im Dienste Spat bekommen, der aber bis auf ziemlich erhebliche Spaterhöhung, als er als Beschäler eingestellt wurde, abgeheilt war. Unter seinen Nachkommen kamen häufig Spaterkrankungen vor. Verlauf.
Die Recurrenslähmung kann von Anfang an eine voll-
ständige sein, sie kann aber eben sowohl partiell auftreten, so zwar, dass nicht der ganze Nerv, sondern nur einzelne oder mehrere Fasern desselben gelähmt erscheinen. In beiden Fällen kann die Erkrankung auf dem gegebenen Standpunkt stehen bleiben, im letzteren weitere Fortschritte machen, so zwar, dass schliesslich der ganze Nerv gelähmt erscheint; auch ist ein temporäres Ab- und Wiederzunehmen der Läh- mung nicht ausgeschlossen. Aus diesen Verhältnissen ergiebt sich, dass das Kehl-
kopfpfeifen mehr oder weniger lange Zeit, sogar zeitlebens, gleichgradig fortbestehen oder allmählich rascher oder lang- samer zunehmen, sogar periodisch stärker oder schwächer |
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hervortreten kann*). Vollkommene, selbst spontane, Heilungen,
letztere jedoch nur selten **), wurden bislang nur bei erst kurze Zeit bestandenem, aber nicht bei älterem Uebel be- obachtet. Bei diesem ist die Atrophie der Muskeln unüber- steigliches Hinderniss. In der Mehrzahl der Fälle hält sich das Uebel auf der einmal gegebenen Höhe längere oder kür- zere Zeit und zeigt nur geringere Schwankungen, die oft auf kosmische oder diätetische Ursachen zurückzuführen sein dürften (in letzterer Beziehung z. B. mulstrigo Futterstoffe), so dass die Thiere in dem einen oder anderen, besonders Zugdienst, Jahre lang mehr oder weniger volle Verwendung linden können, jedoch ist niemals vorherzusohen, ob und wann eine Verschlimmerung eintreten wird, welche die Thiere sogar total unbrauchbar machen kann. Das Alter der Thiere, sowie das Lebensalter, in welchem das Kehlkopf- pfeifen entstand, hat nachweislichen Einfluss auf den ferneren Verlauf nicht, darauf basirte Schlüsse erweisen sich nur zu oft trüglieh! Diagnose.
Dem Zweck dieser Abhandlung gemäss beschränke ich
die Besprechung der Diagnose auf die Rccurrenslähmung und lasse dabei Erkrankungen der Nasenhöhle, der Knorpel und der Schleimhaut des Kehlkopfes etc. ausser Acht, die bei solchen vorkommenden Stenosengeräusche können in den be- züglichen Handbüchern nachgesehen Averden. Dem Eintritt des Kehlkopfpfeifens geht keine Erschei-
nung vorher, welche auf dasselbe hinweist: mit Eintritt der Eocurrenslähmung ist auch das Kehlkopfpfcifen vorhanden, *> Bei einem 4jährigen Pferde, welches an Vereiterung der gland.
traeh. inf. litt, traten in Zwischenräumen von einigen Stunden so heftige Anfälle von Kehlkopfpfcifen ein, dass dasselbe laut brüllte und jeden Augenblick zu ersticken drohte; die Tracheotomie beseitigte die Zufälle. Der Abscess öffnete sich in die Brusthöhle und das Thier starb. **) Stiegler, Oberrossarzt. Heilung eines Pferdes mit
Stimmbandlähmung. (Bericht über das Veterinärwesen im Kgr. Sachsen f. das Jahr 1895 S. 174.) Ende April 1894 erkrankte ein Pferd nach vorher überstandener Brustseuche an starker Athemnoth in Forin von Kehlkopfpfeifen ohne andere krankhafte Erscheinungen. Das Leiden trat derart heftig auf, dass das Thier nicht im Stande war, 5 Minuten im Schritt zu gehen. Um es noch als Krümperpferd verwenden zu können, wurde zu Anfang Mai der Luftröhrenschnitt gemacht und das Pferd mit dem Tracheotubus zum Dienst verwendet. Nach Verlauf eines Vierteljahrs war keine Athemnoth mehr vorhanden, denn, nachdem die Operationswunde mit einem Pfropfen verstopft worden war, konnte das Pferd ohne jedwede Athemnoth anhaltend im Trabe bewegt werden. Die Wunde verheilte bald und das Pferd ist gesund. Spontane Heilungen sind auch nach Vergiftungen Beobachtet (cf. oben: Ursachen „Luzerne"). 4*
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seiu Kundwerden ist ausschliesslich von oben bezeichneten
Verhältnissen abhängig. Sogcnannte Prodrome des Lei- dens giebt es nicht. Bei Kecurrenslähmung cventl. vorkommender Husten
hat nichts Charakteristisches: er kommt geradeso bei Pferden vor, die an jener Lähmung nicht leiden und auch ferner nicht befallen werden. Nach der weiter unten beschriebenen Kehl- kopfoperation bleibt aber der Husten charakteristisch, so dass derselbe auf den geschehenen Eingriff wenigstens aufmerksam macht — für Zuchtpferde von Belang. Die Untersuchung hat zunächst allemal festzustellen, ob
überhaupt ein abnormes Athmungsgeräusch besteht, die Spe- zialuntersuchung, auf welche Verhältnisse dasselbe zurückzu- führen ist, folgt erst in zweiter Linie. Die Diagnose des Kehlkopfpfeifens setzt selbstverständ-
lich voraus, dass der Untersuchende eine ganz genaue Vorstellung von den bei solchen Leiden auftretenden Stenosengeräuschen besitzt, diese müssen ihm jederzeit, sobald er daran denkt, ebenso klar vor die Seele treten, als wenn er sie eben hört, ebenso genau muss er auch mit allen den Geräuschen bekannt sein, die in normalen Verhältnissen bei den verschiedenen Dienstleistungen vorkommen, oder durch äussere Einwirkungen des Geschirrs etc. herbeigeführt werden. Solche Kenntnisse erlangt man freilich nicht dadurch, dass man einige Pfeifer gehört hat, auch nicht aus Büchern etc., sondern nur durch aufmerksamstes Studium an lebenden Thieren. Man muss sein Gehör so exakt ausgebildet haben, dass auch der geringste Stenosenton auf das Be- stimmtoste sofort als Kehlkopfston auffällt, so dass die fernere Untersuchung nur das so gewonnene Re- sultat zu kontroliren hat. — Solange man diesen Standpunkt nicht erreicht hat, bleibt man ein sehr unzuverlässiger Beur- theiler, der auf den Namen „Sachverständiger" kaum einen Anspruch erhoben kann. Bei .der Untersuchung hat man sich zu vergegenwärtigen,
dass das Temperament der Thicre cot. par. auf . das leichter oder schwerer zu erreichende Hervortreten des Pfeifens von sehr grossem Einflüsse ist, bei phlegmatischen und faulen Thieren müssen oft die allergrössten Mühen aufgewendet werden, um dasselbe zur Aeussernng zu bringen. Daher kommt es denn auch, dass derartige Pfeifer, besonders in ruhiger Hand, oft lange Zeit arbeiten, ohne dass ein Ton wahrgenommen wird. Der Stenosenton tritt bei Eecurrcnslähinung, abgesehen
von sehr hohen Graden, nur bei der Inspiration ein um! bekundet sich je nach der disponiblen Weite der Stinnöritze |
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als ein tieferes oder höheres Tönen, Giemen, welches
mit dem Pfeifen vielleicht einige Aehnlichkcit hat, aber so charakteristisch ist, dass das geübte Ohr des Kenners den Pfeifer aus allen Eospirationsgeräuschen sofort heraushört, und ihn auch meist schon bei dem geringsten Laut erkennt. Dieses Tönen erinnert, sobald es erheblich ist, an das
suffokatorischc Kreischen, Hicinen, event. Brüllen erstickender Thiere bei Erdrosselung. Es kann, wie schon oben bemerkt worden, bei ent-
sprechender Lokalkenntniss und Uebung auch bei gesunden Thiercn durch Niederdrücken eines Gieskannenknorpcls will- kürlich erzeugt werden, besonders wenn man den anderen soweit mit berücksichtigt, dass seine Erhebung vom Stande der Kühe ausgeschlossen wird, und ist hierin ein sehr prak- tischer Weg zur unerlässlichen Einübung des Gehörsinns vor- gezeichnet, den ich nicht angelegentlichst genug Allen denen empfehlen kann, die ihre Einübung noch nicht zum Abschluss gebracht haben. Bei sehr geringen Graden des Leidens tritt der
Stenosenton, wie bekannt, unter gewöhnlichen Verhältnissen gar nicht hervor, sondern wird erst bei forcirten, oft sehr energischen Anstrengungen des Thicres vernehmbar und lässt sich auch bei solchen eventuell nicht bei jedem Athemzuge hören. Zur physiologischen Erklärung dieser Erfahrung mag
nachstehende kurze Analyse des Herganges des Bcspirations- aktes bei solchen Anforderungen dienen (cf. Topogr. Myol. d. Pf. von Günther), welche zugleich geeignet sein dürfte, die meist geübte' empirische Untersuchung betreffender Pferde auf wissenschaftliche Basis zu stellen. Die Analyse der Bewegung des Pferdes ergibt, dass
dessen Thätigkeit von der Festigkeit der Wirbelsäule abhängig ist. Solche Festigkeit liegt in dem sehr verschie- denen Bau derselben mehr oder weniger vorbereitet, muss aber, den Anforderungen entsprechend, durch Muskelkraft zur Geltung geführt werden; dieses geschieht durch An- spannung der an ihr liegenden Muskeln, der Be- spirations- und Bauchmuskeln. Die Hals- und Kopf- muskeln haben hierbei, soweit sie von den Eückenwirbeln ausgehen, die Einbiegung der Eückenwirbelsäule zu hindern, indem sie die Dornfortsätze derselben nach vorn frxiren etc. (cf. Myol.) Wird Hals und Kopf hochgestellt und herangenommen,
so werden die hinteren und vorderen festen Punkte der Bücken- |
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und Stachelmuskeln einander genähert, sie würden bei stär-
kerer Anspannung ein Einbiegen des Rückens zur Folge haben (z. B. Recken der Pferde), da bei solcher Haltung die Hais- und Kopfmuskeln ihren Einfluss auf Stabilität der Rückcn- wirbelsäule m. w. einbüssen. Da die Fortsetzung des langen Rückenmuskels, der lange
Stachclmuskcl (M. spinalis et semispinalis d. M.), bei solcher Hals- und Kopfstellung kaum noch als Rückenstütze wirksam werden kann, so kommen die Rippenanhäftungen etc. des long, dorsi nebst den Respirations- und Bauch- muskeln so ziemlich allein noch in Frage. Der long, dorsi haftet am hinteren Rande der
Rippen, besonders stark aber der falschen, an und kann nur dann kräftig wirksam werden, wenn diese nach vorn festgestellt sind, sich also in Inspirations- stellung befinden; daher zum Theil die unbedingte Nothwendigkeit raschen und tiefen Einathmens vor jeder bedeutenderen Leistung. In gleicher Lage befinden sich die Bauchmuskeln, die auch erst dann zu genü- gender Rückenstütze dienen können, wenn ihre vorderen festen Punkte, die Rippen- resp. das Brustbein, nach vorn fixirt sind. Es erhellt, dass während der Andauer, nament-
lich durch Aufregung und Angst*), vermehr- ter Anspannung dieser Muskeln die Erneuerung der Luft in den Lungen sehr erschwert, wenn nicht geradezu ausgeschlossen ist, selbst der Kehlkopf muss während der- selben geschlossen gehalten werden. Wird die nachdrück- liche, durch Beängstigung des Thieres noch gesteigerte Anspannung genannter Muskeln in un- unterbrochenener Folge vorlangt, so steigt natür- lich das Respirationsbcdürfniss, dieses kann dann aber nur in ganz kurzem Moment durch Freilassen der Rippen befriedigt werden, wird selbst evcntl. durch erneute Kraft- anforderung unterbrochen, wodurch das dringende Luftbcdürf- niss nur noch gesteigert wird. In diesem kurzen Moment muss das Aus- und Wiedereinathmen erfolgen. Der Brustkorb |
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*) Anmerkung: Auf die Aufregung und Beängstigung
des Thieres ist ein sehr hoher Werth zu legen, ohne solche wird das Re- sultat unsicher. Ein eklatanter derartiger Fall mag hier Platz rinden: Iu den 40er Jahren war im Hannover'schen Marstall ein vortreffliches Schul- pferd, der Valet, welcher unter ruhiger Führung alle Gänge der ganzen hohen Schule auf das Eleganteste ausführte, ohne auch nur deu geringsten Kehlkopfton hören zu lassen, aber sofort röhrte, wenn er durch unruhigen Reiter aufgeregt oder gar beängstigt wurde. |
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wird nach dem Ausathmen so rasch und energisch
wie irgend möglich erweitert, wodurch eine mög- lichst grosse Luftsäule mit grösster Kraft und Schnelligkeit durch die Nasenhöhlen in die Eachenhöhle gepresst wird. Bis hierher ist der Respirations- weg weiter, als der innere Raum des Kehlkopfes jemals werden kann; hieraus folgt, dass die aspirirte Luftsäule mit ganzer Wucht auf demselben lasten muss. Können ihr die Aryknorpel nicht aus dem Wege geräumt werden, so werden sie mit in den Kehlkopfsraum hineingepresst. Schon bei ausschliesslich einseitiger, selbst geringer Recurrens- lähmung genügt dann dieser Luftdruck, um die Stimmritze soweit zu schliessen, dass die Luft hörbar anschlägt, weil bei niedergedrücktem x4ryknorpcl die Stimmtaschc weit ge- öffnet ist und nunmehr auch in diese die Luft gewaltsam eindringt, den Aryknorpel und das Stimmband m. w. w i d c r- standslos nach der entgegengesetzten Seite hinüberpresst und je nach Ausdehnung der Lähmung den inneren Kehlkopf- raum beengt, eventuell durch Anlegen derselben an die gegenüberliegende Wand der Stimmritze vollständige Stenose herbeiführt. Es ist einleuchtend, dass die Herbeiführung solcher
Verhältnisse um so energischer durchgeführt werden muss, je geringgradiger die Recurronslähme ist, um Klarheit su er- langen. Nach Aufhören solcher forcirter Leistung werden sofort die Rücken-, Respirations- und Bauchmuskeln frei, die Luft wird in langsamerem Strome eingesogen, desshalb hört dann auch das Anschlagen derselben auf Bei hochgradigen Pfeifern beruhigt sich die Respiration erst allmählich. Dieses ist die wissenschaftliche Basis für die
Untersuchung auf Kehlkopfpfeifen. Die Untersuchung kann sowohl unter dem Reiter, wie an der Longe oder vor dem Wagen, eventuell in den Pilaren vorgenommen werden. Die Untersuchung unter dem Reiter wird
bei g e r i n g g r a d i g s t e m Leiden, besonders bei im Ge- brauch der Rückenmuskeln geübten Pferden mit vorzüglicher Wirbelsäule nur dann sicher zum richtigen Resultate füh- ren, wenn der Reiter energisch und so sattelfest ist, dass er aufgehört hat, das Heruntergeworfenwerden zu fürchten, und das Pferd mit aller Energie ununterbrochen zur energischsten Anspannung der Muskeln (Sprüngen etc.) zwingt und so bearbeitet, dass es vor Angst nicht weiss, wo es hin soll. Bei hochaufgerichtetem, herangenommenem Halse und Kopfe treten hierbei von selber seitliche Biegungen des Ge- nicks ein, wodurch namentlich bei kurzem Genick (Ganaschen- |
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zwang etc.) der Kehlkopfraum beengt wird *) (cf. Topogr.
Myol. d. Pf. v. Verf.). Man steigert auf solche Weise das Kcspirationsbedürfniss
und den Druck der eingeathmetcn Luftsäule bis zum höchsten Grade und darf das Untcrsuchungsrcsultat erst darin als negativ betrachten, wenn man die grösste Aufregung und Beängstigung des Pferdes erreicht hat, ohne den Stenosenton zu erzwingen. Es ist nicht erforderlich, dass derselbe
sich andauernd vernehmen lässt oder stei- gert, sein Auftreten genügt an sich zur si- cheren Diagnose. Die hierzu erforderliche Zeit richtet sich cet. par. nach
der Ausdehnung der Eecurrenslähmung, dem Temperament etc. des betr. Pferdes. Tritt der Stenosenton hervor, so kann man durch sachverständiges, sofort vorgenommenes Nie- derdrücken der Aryknorpol feststellen, ob Eecurrenslähme vorliegt. Die Untersuchung an der Longe hat ganz
dasselbe Endziel, die ununterbrochene andauernde Muskel- spannung und Beängstigung und dadurch das rasche, energischste Einathmon grosser Luftsäulen zu c r z w i n g e n. Das Pferd Avird deshalb so hoch wie möglich aufgesetzt und nun mit der Peitsche in ununterbrochener Aufregung und Angst zu grösstmöglichster Anspannung seiner Kräfte gezwungen. |
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*) Anmerkung: Durch das Herannehmen und Seitwärtsbiegen
des Kopfes wird der Raum in der Rachenhöhle beengt, so dass die Ary- knorpel nicht über den oberen Rand des Schildes herausgehoben werden können und besonders bei kurzen dicken Hälsen und Ganaschenzwang in ihrem freien Spiel genirt werden. Liegt Recurrenslähmung vor, so wird genugende Erweiterung mit dem Grade derselben schwieriger und schlägt die Luft um so leichter an. Durch solches starke Herannehmen etc. entsteht unter bezeichneten
anatomischen Verhältnissen eventl. ebenfalls ein Respirationsgeräusch, der „Boizäu mungston", derselbe ist etwas anders, wie hei Pfeifern, kann aber leicht verwechselt werden. Er hört ebenfalls wie bei Pfeifern sofort auf, wenn der Zwang cessirt, nnd kann deshalb dieses Merkmal kein Unter- scheidungsmerkmal abgeben, wie wohl behauptet worden ist; übrigens bleibt zur Controle die Lokaluntersuchung des Kehlkopfes. Dieckerhoff negirt das Vorkommen des Beizäumungstones und
beruft sich auf Pr. Günther und Gerlach (cf. Diagn. d. Kehlkopfpf. pg. 13). Ersterem war die Beengung des Kehlkopfes durch solche Haltung bekannt (1. c. pg. 444), er hat aber „nie, auch nicht einmal, die Ursache eines bestehenden Pfeiferdampfes in zu kurzer Zäumung aus- schlieslich gefunden, wohl aher ganz in der Regel dadurch eine Stei- gerung des Athmungsgeräusches bei vorhandenem Kehlkopfpfeifen gesehen (cf. 1. c. p. 445)". Gerlach äussert sich über einen Beizäumungston gar nicht (cf. Gerichtl. Th. II). Möller erkennt denselben an (1. c). |
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Vor dem Wagen spannt man das Pferd neben ein
starkes, ruhiges Pferd („Schulmeister" der Pferdehändler), welches sich durch Nichts aus seiner glcichmässigen Gang- art bringen, auch nicht vom Nebenpferde zur Seite werfen lässt, mit kürzeren Strängen an, fährt es mit separaten oder kürzeren Zügeln und beängstigt resp. bearbeitet es beim Fahren mit der Peitsche, bis obiges Endziel erreicht ist. Es ist hierbei zu beachten, dass die Peitsche nur den Hals und die Vorhand des Pferdes treffen darf, widrigenfalls es leicht zum Ausschlagen (Schlagen über den Strang etc.) veranlasst werden würde. Zu solchen Untersuchungen eignen sich besonders die
hohen Brcaks der Pferdehändler mit hoher Schwengcllage und hohem Kutschersitz und ein Terrain, auf welchem die Räder tief einsinken, nicht aber gepflasterte Wege (des Geräusches wegen, welches geringgradiges Pfeifen verdeckt). In den Pilaren bindet man das Pferd kurz und
hoch an und beängstigt es mit der Peitsche etc. Vergleichen wir mit dieser auf wissenschaftlicher
Basis ruhenden Untersuchung das hergebrachte empiri- sche Verfahren. Dieses verlangt zur Feststellung der Verhältnisse, dass die Pferde unter dem Reiter, an der Longe oder vor dem Wagen bis zum allgemeinen Schweissausbruchc etwa eine halbe Stunde lang in Trab und Galop be- wegt w e r d o n. *) Eine Analyse der hierdurch herbeigeführten Verhältnisse
ergibt, dass solche Untcrsuchungsmetliode zur sicheren Feststellung der vorliegenden Verhältnisse nicht aus- reichend ist, denn 1. der allgemeine Schweissausbruch erfolgt unter ganz
gleicher Anstrengung sehr verschieden leicht und ist von der äusseren Temperatur, Feuchtigkeit der Luft, Be- haarung, Kraft, Ernährungsweise, Aufnahme von Wasser und Einübung etc. abhängig: ein Beweis dafür, dass obige Verhältnisse, unter denen auch das geringste Kehlkopfpfeifen hervortreten muss, gegeben wa- ren, bietet derselbe nicht! 2. Die Normirung besti mmter Untersuchungs-
zeit nach der Uhr hat ebenso wenig Berechtigung. Es ist ja richtig, dass durch eine halbstündige Andauer solcher |
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*) Anmerkung: Von dieser Untersuchung ganz verschieden ist
das „A usprobiren", wie solches von gewandten Reitern und routi- uirten Pferdehändlern vorgenommen wird: bei diesem kommen die vor- bezeichneten Bedingungen der Stenose zum Ausdruck. |
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Anstrengungen das Respirationsbedürfniss gesteigert wird und
dass hierdurch bei mehr wie geringgradigem Kehlkopfpfeifen dasselbe hervortritt, aber die Pferde sind zu verschieden, was für das eine eine hochgradige Anstrengung ist, bleibt für das andere, trotz allgemeinen Schweisausbruchs, eventuell nur Spiel. Die Schnelligkeit und Kraft, mit welcher eine
möglichst grosse Luftsäule aspirirt wird, sind bei g e- r i n g s t g r a d i g c m Leiden für das Eintreten des Stenosentons allein entscheidend, ob diese Be- dingung bei solcher Probe erfüllt wird, das hängt davon ab, ob die Art der Untersuchung jene oben bezeichneten Her- gänge dem speciellen Falle entsprechend er- z w a n g; ein Pferd kann deshalb bei solcher z B. halbstün- digen Probe an d c in einen T a g c d c n S t e n o s e n ton äussern und bei späterer U n t e r s u c h u n g ei n, negatives Resultat liefern, weil bei ersterer zeitlich ganz gleichen Anstrengung in Trab und Galop zufällig z. B. durch Aufregung, Angst, Sprünge oder kräftigere Galopbewegung (Rückcngalop) die Be- dingungen gegeben waren, bei letzterer aber nicht in gleiche in Masse eintraten. Die Untersuchung nach der gebräuchlichen empirischen
Methode kann bei der verschiedenen Qualität uud dem un- gleichen Temperament der Pferde angesichts dos sehr un- gleichen Grades der Eecurrenslähmung nur dann den Stenosen- ton erzwingen, wenn sie zufällig den im gegebenen Falle vorliegenden, aber bis dahin unbe- kannten Verhältnissen entspricht. Für gewöhnliche Fälle mag sie zur Erkenntniss
vorhandenen Kchlkopfpfeifons genügen, zur Feststellung des Freiseins von dem Fehler genügt sie nicht! Ich bemerke hierbei, dass Fälle vorkommen, in welchen
solche Untersuchungen bei Pferden versagen, welche bereits ein halbes Jahr, ja sogar Jahr und Tag notorisch geringgradige Pfeifer waren. Bei geringgradigstem Leiden tritt das Bohren
oft nur momentan und zwar nur bei extremstem Druck der Luftsäule auf den Kehlkopf hervor. Derselbe Hergang findet auch bei geringerem Uobel
statt, nur pflegt bei diesen der Stenosenton unter obigen Ver- hältnissen früher und bei jeder Inspiration einzutreten, auch mit der Dauer der Anstrengung (Zunahme des Luftdrucks) |
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heftiger zu werden, aber auch hier sistirt er meistens sofort
mit Aufhören der Ursache. *) Höhcrc Grade äussern sich schon bei massiger Be-
wegung und sonstiger Anstrengung, sowohl beim Eeiten wie beim Fahren, selbst ein plötzlich rasches Einathmen, wie solches nach forcirtem Hustem, Schlagen oder Stossen mit Stock **) etc. eintritt, löst mannigfach momentan den Ste- nosenton, wenn auch im geringen Grade, so doch dem geübten Ohr erkennbar, aus. Bei solchen Pferden nimmt der Ton mit der Anstrengung an Vernchmlichkeit zu, wird oft sehr laut, hiemend, wobei alsdann die Nasenlöcher weit geöffnet er- scheinen, ccssirt aber auch dann, sobald das Pferd angehalten wird, meist sofort. Die aufgeregte Eespiration beruhigt sich sehr rasch. In sehr hohen Graden tritt sogar im Stande der
Ruhe, besonders beim eifrigen Fressen von Hafer aus hoher Krippe ***), der charakteristische Ton hervor, bei der Bewegung tritt rasch starkes Hiemen ein. Werden solche Thierc etwas forcirt, besonders im Trab oder gar im Galop, sei es vor dem Wagen, unter dem Reiter oder an der Longe, so artet das Hiemen rasch in ein förmliches Brüllen aus, welches in der Suffokationsnoth auch bei der Expiration fortbesteht, weil die Expiration zu kurz ist, um die durch Luft gespannte Stimmtasche zu entleeren und damit der Luftpassage Raum zu schaffen. Die Nasenlöcher sind auf das Aeusserste aufgerissen, ihre Ränder machen keine Be- *) Diese Erfahrungen werden von gewandten Verkäufern oft zu
Täuschungen benutzt; sie vermeiden, ihrem Vonheil entgegen, das auf- geregte Mustern der Thiere eventuell unter dem Vorgeben, dass der vor- führende Mann krank sei etc., lassen das Pferd nur vom Beschauer ab im Trabe fortgehen, lassen es weit laufen, sobald sieh ein Ton vernehmen lässt, anhalten und im Schritt zurückkehren etc. Vor dem Wagen suchen sie alle Aufregung des Thieres zu vermeiden, fahren am liebsten nur mögliehst weit vom Beschauer schärferes Tempo, welches bei dem ersten Laut gemässigt wird etc., ebenso lassen sie die Pferde unter dem Beiter auseinandergehen, entfernen sieh nach Bedürfniss mit dem Pferde möglichst weit, vermeiden geschrobenen Gang, besonders beim eventuellen Galop. Alles wird nach dem Grade des Pfeifens rechtzeitig ausprobirt, um die innezuhaltenden Grenzen genau festzustellen. **) Die viel auf Märkten oder sonst geübte Probe, die Pferde bei
hochaufgerichtetem Halse und seitwärts gestelltem Kopfe plötzlich mit dem Knüppel kräftigst in die Bippen zu stossen, löst bei Pfeifern oft ein Brummen oder den charakteristischen Kehlkopfton aus, weil die Pferde dadurch behufs sofortigen Feststellens der Bippen etc. zur Kraftäusserung, zum extrem beschleunigten, tiefen Einathmen gezwungen werden. Das Brummen beweist übrigens nicht ohne Weiteres das Vor- handensein des Kehlkopfpfeifens. ***) Bei solchem eifrigen Fressen verschiebt das Pferd das Einath-
men so lange wie möglich und muss dann nothgedrungon schleunigst eine grössere Luftsäule inspiriren etc. |
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wegungen mehr, sondern stehen fest oder zittern. Die
Respirationsmuskeln arbeiten mit grösster Anstrengung, können die Eippen aber nur soweit erheben, wie solches das Einströmen der Luft zulässt. Oessirt dieses, so schliesst die Inspiration mit quiekendem Ton ab, die Erweiterung des Brustkorbes wird noch während eines kurzen Momentes erstrebt, doch sinken dabei die Interkostalräume ein, weil die Expansionsfähigkeit der in den Lungen enthaltenen Luft rasch erschöpft ist, dann sinken auch die Rippen mit raschem Stoss zurück. Wird die Bewegung nicht unter- brochen, so stürzen manche Pferde asphyktisch zusammen, erholen sich aber meistens wieder, andere verenden an Er- stickung. Durch Zuhalten der Nasenlöcher bis auf ein Minimum wird der Luftdruck auf den Kehlkopf gemindert und dadurch die Gefahr eventl. beseitigt;*) man lässt nur allmählich wieder mehr Luft einströmen. Für die Untersuchung hat man einen möglichst
ruhigen freien Platz auszusuchen und während derselben alle ablenkenden Unterhaltungen etc. zu vermeiden man darf nur Ohr für das Untersuchungsobjekt haben und muss seine ganze Aufmerksamkeit unentwegt auf dasselbe kon- zentriren. Wenn man das Pferd nicht selber reiten oder fahren kann, was ganz unbedingt zu empfehlen, wird die Untersuchung am besten so vorgenommen, dass man sich stets in möglichster Nähe des Thieres halten kann, welches durch Bewegung desselben im massig grossen Kreise von etwa 10 Meter Halbmesser erreicht wird. Man stellt sich in die Mitte desselben und tritt von hier aus nach Bedürf- niss an das vorbeipassirende Pferd heran. Es wird auch wohl empfohlen, die mjt dem einen Zügel
ausgebundenen Pferde an dem anderen in so kurzem Kreise, dass man sie mit dem Stock oder kurzer Peitsche erreichen kann, um sich herum zu treiben; hierbei wird allerdings bei Forcirung des Thieres der Stenosen ton leichter hervor- gerufen, indessen sind die Pferde zugleich allerlei Be- schädigungen, als Kronentritten, Verstauchungen etc. aus- gesetzt — Gefahren, deren Herbeiführung ein Sachverständiger nicht verantworten kann. Eine Untersuchung der Pferde in den ihnen zuge-
wiesenen Dienstverhältnissen, wie Möller 1. c. verlangt, habe ich niemals erforderlich gefunden - - es handelt sich |
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*) Diese Erfahrung hat Anlass gegeben, dass man, um das Pfeifen
zu hindern, betrüblicherweise dem Kehlkopfpfeifer ein Nasenloch verstopfte oder durch niedrig und fest angelegten Nassnriemen den Zutritt der Luft verminderte. |
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ja nicht darum, ob das Pferd in diesem oder jenem
Dienste röhrt, sondern darum, ob es überhaupt Pfeifer ist oder nicht. Ist die Gegenwart des Pfeiferdampfes festgestellt, so
handelt es sich nun noch um die Frage, welche spezielle Ursache dem vorliegenden Falle zu Grunde liegt. Da bei mindestens 96 Prozent aller Pfeifer die linksseitige Becürrens- lähme den Anlass abgibt, so liegt es nahe, Mittel und Wege aufzusuchen, welche solche nachzuweisen vermögen. Die ersten auch noch gegenwärtig vollgültigen der-
artigen Untersuchungen sind von Fr. Günther angestellt (cf. 1. c. p. 378). Er äussert sich bezüglich derselben folgender- massen : „ . . Der gelähmte Giesskannenknorpel giebt nämlich einem massigen Drucke des Fingers tief nach, tritt in die Stimmritze tief ein und beengt so deren Raum in nach- theiligem Grade, während der gesunde Giesskannenknorpel einem gleichstarken, massigen Drucke widersteht und jene Erscheinungen nicht beobachten lässt. . . Be- sonders aufmerksam muss ich darauf machen, dass der Druck auf den Giesskannenknorpel der einen und anderen Seite massig und genau gleichstark sein muss, will man ein richtiges Resultat gewinnen. Uebrigens kann das ge- wonnene Resultat auch durch verstärkten Druck auf den gesunden Gieskannenknorpel kontrolirt werden. Wird nämlich ein so starker Druck auf den gesunden Giesskannen- knorpel angebracht, dass derselbe wie zum Schliessen ge- stellt wird, so stockt der Athem sofort, weil der gelähmte ohnedem schon wie zum Schliessen der Stimmritze gestellt ist und sein Erheben bei gelähmten Muskeln nicht bewirkt werden kann. Die Untersuchung in der vorstehenden Form setzt übrigens einen freiliegenden Kehlkopf voraus, Pferde mit kurzen, dicken Hälsen lassen sich kaum in der ange- gebenen AYeise (Fixirung des Kehlkopfes von unten und dann Uebergreifen mit dem Finger) genau untersuchen." *) Fr. Günther fügt dem noch besonders hinzu: „Es ist be- greiflich, dass solche Untersuchung Sachken ntni ss und Lokal ken ntniss, sowie eine gewisse Ge wandth eit und Uebun g voraussetzt, die übigens leicht erworben werden können." |
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*) Bei starken Bohrern, besonders bei aufgeregter Respiration,
muss man mit dieser Untersuchung sehr vorsichtig sein, es kann dabei der Fall eintreten, dass infolge des grossen Luftbediirfnisses der Kehlkopf ganz geschlossen wird und die Thiere zu ersticken drohen. — Beschränkung des Luftdruckes im Kehlkopf durch Zuhalten der Nasenlöcher bis auf geringe Oeffnung pflegt den beängstigenden Zustand, wenn auch nicht sofort, so doch bald zu beseitigen (cf. Topogr. Myol. p. 08). |
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Ich habe diese Art der Untersuchung fortgesetzt und
gefunden, dass man bei Lokalkenntniss durch aufmerksame Uebung bald dahin gelangt, den entscheidenden Druck auf die Aryknorpel, auch ohne andere Fixirung des Kehlkopfes von unten, in vorgeschriebener Weise mittelst des Zeige- fingers durchzuführen, man kann dann auch bei weniger günstiger Kehlkopfslage diese Untersuchung sehr oft noch erfolgreich benutzen. In anderen Fällen erreicht man die Unterstützung des Kehlkopfes am einfachsten durch Unter- legen des Daumens der untersuchenden Hand unter den unteren Band des Schildes. Kann auf solche Weise die Gegenwart der Recurrens-
lähmung sehr wohl nachgewiesen werden, so wird dadurch doch noch nichts bezüglich der Zeitdauer ihrer Gegen- wart entschieden — in forensischer Beziehung gerade die wichtigste Frage. Es lag deshalb nahe, womöglich auch in dieser Beziehung die Lokaluntersuchung nutzbar zu machen. Möller gibt darüber an (1. c. p. 29), „dass es ihm sehr oft gelungen sei, die Muskelatrophie bei warm- blütigen Pferden durch Untersuchung mittelst des Fingers auf der Kingplatte bei massig gestrecktem Kopfe festzu- stellen." Ich habe solche Untersuchungen recht oft angestellt und bin zu dem folgenden Resultate gekommen: Die Feststellung der Atrophie begegnet nicht unerheb-
lichen Schwierigkeiten, deren Ueberwindung nicht in der Hand des Untersuchenden liegt; nicht nur die deckende Haut, sondern namentlich auch der Schiundkopf, dessen Dicke sehr ungleich ist, bilden natürliche Hindernisse. Selbst bei sektionsmässig festgestellter, sehr hochgradiger Atrophie war das Untersuchungsresultat unsicher und namentlich nicht derart, dass ich es mit dem Sachverständigeneid hätte vertreten mögen. Der Finger erkennt nur zu leicht eine Atrophie, deren Vorhandensein man zuversichtlich vor- aus s e t z t. Eine manuelle Untersuchung per os ist nur ausnahms-
weise durchzuführen, wenn nämlich der sehr verschieden weite Eingang zur Rachenhöhle weit genug ist, um die untersuchende Hand, die bekanntlich ebenfalls sehr ver- schiedenen Umfang hat, passiren zu lassen, sie kann dann, sobald man die Furcht vor den Zähnen überwunden hat, (eventl. auch ohne Maulgatter) sehr wohl durchgeführt werden; das Resultat der Untersuchung wird aber durch den beim Berühren des Schnäuzchens der Aryknorpel sofort eintretenden Schluckakt sehr beeinträchtigt und unklar: sie bleibt auf die Pausen der sich folgenden Schluckbe- wegungen beschränkt. |
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Neuerdings hat man die Benutzung des Kehlkopf-
spiegels empfohlen. Durch denselben kann man die Be- wegungen der Glottis übersehen und glaubt man deshalb denselben als Mittel zur Feststellung der Recurrenslähmung benutzen zu können. Bei geringgradigem Kehlkopf- pfeifen ist die Bewegung der Glottis bei ganz ruhiger Respiration so gering, dass man sie nur eben sehen kann, auch steht der linke Aryknorpel nur sehr wenig niedriger wie der rechte, das Stimmband ist nicht wesentlich atrophirt und die Stimmtasche nicht auffallend weiter geöffnet wie an der rechten Seite. Man muss schon sehr gut ein- geübt sein, wenn man diese Verhältnisse er- kennen will. Durch erregtere Respiration (cf. oben) wird die Feststellung der Lähmung begünstigt. Mittelst des Kehlkopfspiegels kann also die Recurrens-
lähmung eventl. festgestellt werden, doch wird dadurch weiter nichts erreicht, als was durch rationelle Untersuchung bislang eben wohl und sicher festgestellt werden konnte. Ueber die Zeit der Gegenwart des Leidens dürfte auf
diesem Wege bislang auch kein Nachweis zu gewinnen sein, da die Beurtheilung fortgesetzt wiederholte Uebung bei Pfeifern und Nichtpfeifern voraussetzt, zu deren Er- langung nur Wenigen Gelegenheit geboten sein dürfte, zumal sich durchaus nicht alle Pferde die Einführung des Spiegels ohne besondern Zwang gefallen lassen, und der Grad der Lähmung über die Zeit ihrer Gegenwart nichts entscheidet. Gewährszeit.
Das Kehlkopfpfeifen in Folge Recurrenslähmung ist
ein Krankheitszustand, welcher in kürzester, noch nicht einmal nach Stunden bemessener Frist festgestellt werden kann. Der Nachweis, dass solche plötzlich verschieden- gradig entstehen kann, ist geführt; aus den bei den Ur- sachen angegebenen Gründen erhellt, dass eine örtliche Erkrankung, welche auf den Nerv übertritt, nur in den seltenen Fällen vorkommt (unter einigen tausend Fällen etwa einmal), in welchen der Nerv nicht nur neben dem Krankheitsherde liegt, sondern in denselben einbegriffen ist, und dass Drucklähmung durch Geschwülste etc., selbst wenn sie nachgewiesen sein würde, wegen ihrer grossen Selten- heit irrelevant bleiben muss; dass dagegen Infektionskrank- heiten, rheumatische, resp. toxische Einflüsse diesen Nerv ebenso alteriren können, wie andere Nervenstämme und die Zentralorgane des Nervensj-stems selber etc. |
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Der Eintritt der Recurrenslähmung erfolgt ohne
irgendwelche nachweisbare Veränderung der Substanz des Nerven. Diese ist bislang ausschliess- lich nach längerem Bestehen nachgewiesen. Sie gehört also zu den Neurosen. Ueber die nicht materiellen Vorgänge im Nerv, durch welche die Funktion beeinträchtigt oder aufgehoben wird, wissen wir bislang gar nichts*), wir sehen selbst manche Nervenlähmungen und Leiden ebenso plötzlich wie sie aufgetreten sind schwinden, von einem Nerv auf einen anderen springen, und zwar ohne auch nur eine Spur ihrer Gegenwart zu hinterlassen. Aus bei Lebzeiten erkennbaren Veränderungen
kann bislang ein Nachweis über die Zeit der Gegenwart des Leidens nicht geführt werden, wohl aber kann das Er- gebniss der Section ein längeres Bestehen derselben fest- stellen.**) Aus diesen Gründen hat die althannover'sche Schule schon früher, vor 1859 (cf. Jahresbericht 1871 pg. 120) vor der Zurückdatirung der Becurrenslähmung bei lebenden Pferden Abstand nehmen müssen. |
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*) Eine materielle Veränderung im Nerven kann selbst nach viele
Monate bestandener Lähmung und danach erfolgter grossartiger Muskcl- atrophie ausgeschlossen sein, wie aus nachfolgendem Beispiel hervorgeht: Mein Hühnerhund litt vom Herbste her an Paralyse des rechten Kreuz- geflechtes, konnte also den Schenkel nicht benutzen, die Atrophie war im Sommer so bedeutend geworden, dass der Schenkel im höchsten Grade ab- gemagert erschien. Im Augast fehlte es an einem Hunde zur Entenjagd. Ich arbeitete den Schenkel, den Nervenzügen folgend, 10 Minuten lang, trotz des Elagens des Hundes mittelst elektrischer Ströme aus dem elektro-magnotischen Induktionsapparat (mit einem Element) nachdrück- lich durch, worauf er den Schenkel nicht nur sofort benutzen konnte, son- dern auch anderen Tages die sehr anstrengende Wasserjagd mitmachte und Abends auf allen Vieren munter heimkehrte. Den folgenden Tag war jedoch der Schenkel wieder völlig unbrauchbar. Erneute elektrische Be- handlung stellte die iServcnthätigkeit sofort wieder her. Der Schenkel er- langte auffallend rasch seine natürliche Fülle wieder und hat mir der Hund noch jahrelang, ohne Becidiv, gedient **) Möller (1. c. p. 15) gibt an, er habe nach Durchschneiduug des
N. laryng. sup. sechs Wochen später sämmtliche Kehlkopfmuskeln der betr. Seite „atrophisch", und bei einem anderen Pferde viereinhalb Monat nach der Operation ..hochgradige Atrophie" derselben ange- troffen und behauptet, dass bei beiden Pferden bis kurz vor dem Tode die Abwesenheit des Kehlkopfpfeifens festgestellt sei, und dass daher die bei der Sektion gefundene Atrophie nicht beweisen könne, dass das Pferd' bei Lebzeiten Kehlkopfpfeifer gewesen. — Diese Möllersche Behauptung ist bis auf Weiteres völlig irrelevant, und zwar weil seine Untersuchungs- methode zur Feststellung des Kehlkopfleidens nicht ausreichend ist und weil dieser Nerv mit der notorischen Innervation der Kehlkopfmuskeln gar nichts zu schaffen hat: die Unrichtigkeit der Möller'schen Behauptung bat Professor Munk in einem Vortrage in der „Physiolog. Gesellseh." nach- gewiesen (cf. Arch. f. wissensch. und prakt. Thierheikuude Bd. XIX, 3). |
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Ich gebe gern zu, dass in der überwiegenden Mehr-
zahl aller gerichtlichen Fälle die nachgewiesene Recurrens- lähme bereits längere Zeit bestanden haben mag und dass praktische Gründe für ausgedehntere Garantie sprechen mögen, aber ein Beweis ist wissenschaftlich nicht zu kostruiren; jede Annahme einer Zeit, binnen welcher die Lähmung nicht entstanden sein könne, bleibt deshalb eine durchaus willkürliche, die nach dem Standpunkte des Sachverständigen ad libitum modi- fizirbar ist. Die Behauptung, „dass nach der thatsächlichen Er-
fahrung darüber kein Zweifel bestehen kann, dass sich die Entwicklung des Fehlers in allen Fällen langsam voll- ziehe" (Dieckerhoff 1. c. p. 11) hat nur bezüglich der bekannten, meistens langsamen Fortentwicklung, nicht aber bezüglich der Entstehung desselben Berechtigung. Selbst bei nach Infektionskrankheiten zu Tage tretendem
Rohren kann allenfalls nur die Möglichkeit eines Zu- sammenhanges zugestanden werden, mehr aber nicht, da die Thiere durch dieselben gegen andere nervenlähmende Ein- flüsse nicht gefeit, ja in ihrem geschwächten Zustande den- selben vielleicht erst recht zugänglich sind und auf ererbte Anlage immer Rücksicht zu nehmen ist. Bezüglich der in neuerer Zeit wiederholt beobachteten
toxischen Recurrenslähmung genügt das vorhandene Material noch nicht zur allseitig sicheren Beurtheilung. Alle solche Ursachen sind übrigens nur sehr aus-
nahmsweise vorhanden und haben deshalb überall nur eine höchst untergeordnete Bedeutung. Der Diecker- hoff'sehe Ausspruch (1. c. p. 11) „gegenüber diesen Er- fahrungen ist es nicht angebracht, bei einem Pferde, bei welchem innerhalb der ersten 4 Wochen nach der ent- scheidenden Zeit (Handelsabschluss, Uebergabe, letzteres im Bereich der Gültigkeit des preuss. Landrechtes) das Kehlkopfpfeifen festgestellt wird, eine schnelle, resp. inner- halb einer kürzeren Frist geschehene Ausbildung behaupten zu wollen",*) kann den vorstehend erörterten Thatsachen |
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*) Für diese seine Behauptung bringt er ausser Theorien keine
anderen Unterlagen bei, als 1. dass er in den letzten Jahren vier Fälle genau zu beobachten Gelegenheit hatte, in welchen erst sechs bis resp. neun Wochen nach Ablauf der spezifischen Brustkrankheit sich der Fehler bemerklich machte und allmählich einen höheren Grad erreichte (1. c. pg. 8) 2. die Behauptung, „dass keine Thatsachen vorliegen (?G.), aus welchen geschlossen werden könnte, dass die nach der kontagiösen Pneumo-Pleuritis oder nach der „Scalma" eatstehende Recurrenslähme schnell und resp. in weniger als vier Wochen sich ausbilde" und fügt dem hinzu: „Im Uebrigen gehört erfahrungsmässig die Entstehung der Recurrenslähmung 5
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gegenüber fernerhin nicht wohl aufrecht erhalten werden.
Wäre die Dieckerhoff'sche Ansicht zutreffend, so bedürfte es überhaupt keiner bezüglichen Sachverständigen-Gutachten, man könnte dann einfach gesetzlich festlegen, dass jeder Verkäufer vier Wochen lang für Kehlkopfpfeifen, ohne weiteren Beweis, einzustehen habe — sehr bequem für den Käufer, ob aber ebenso gerecht, unterliegt doch wohl dem Zweifel. Der Verkäufer würde dadurch eventuell für Zucht-
fehler und sonstige Vorkommnisse büssen müssen, für die ihn keine Verantwortlichkeit treffen kann; eine vierwöchige Garantie hat solchen gegenüber ebenso wenig hinlängliche Basis, wie die Hildesheimsche Verordnung vom 10. Dez. 1784 mit 12wöchiger Garantie. Der Nachweis, dass das Leiden bereits vor dem ent-
scheidenden Tage bestanden habe,* kann bezüglich lebender |
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als Folge der hier besprochenen akuten Krankheiten zu den excep-
tionellen Ereignissen" (1. c. p. 9) und endlich 3. dass seit langer Zeit in Preussen bei Erstattung massgebender Obergutachten die kürzeste Ent- wicklungsfrist auf vier Wochen normirt worden sei (1. c. p. 11). Aus diesen Unterlagen kann aber eine 4wöchige Entwicklungsfrist nicht abge- leitet werden, da garnicht feststeht, wann die Lähmung entstand. Anmerkung, Die 4wöchige Garantie stützt sich ganz aus-
schliesslich auf den Anhang § 14 zu § 205 Theil I Tit. 11 des Preussischen Landrechts von 1793. Zur Zeit der Emanation desselben gab es noch gar keine Veterinärwissenschaft, die Kenntniss von Krankheiten beschränkte sich nachweislich auf Zusammenstellungen mehr oder we- niger richtig erkannter Symptome. Pathologisch-anatomische Unterlagen gab es noch gar nicht. Von einem Studium der Krankheiten bezüglich ihrer Entwicklungszeit konnte, da man sie selber ja gar nicht kannte, noch keine Rede sein. Speciell bezüglich des Kehlkopfpfeifens ist nachzu- weisen, dass dessen Ursache 40 Jahre später (bis 1834) noch nicht bekannt war; man hatte bis dahin die grob in die Augen fallenden Veränderungen der Kehlkopfmuskeln, welche dasselbe begleiten, noch nicht entdeckt, seine eigentliche Ursache, die Lähmung des N. recurrens wurde derzeit erst fest- gestellt (cf. Fr. Günther, Nebel & Vix, Bd, 1). Die Möglichkeit, eine Ent- wicklungsfrist bestimmen zu können, lag damals also noch gar nicht vor. Die im Landrecht aufgenommene Gewährsfrist entbehrt sonach jeder Unter- lage, sie ist total willkürlich, sie steht aber mit dem heutigen Stande der Wissenschaft in schroffestem Widerspruch! Bislang hat denn auch noch in keinem einzigen Falle der Nachweis geführt werden können, dass die Recurrenslähmung, also das Kehlkopfpfeifen, einer langsamen, etwa vierwöchigen Entwicklungsfrist bedürfe um erkennbar hervorzutreten, vielmehr ist nachgewiesen, dass dynamische Nervenlähmungen, zu welchen auch die Recurrensläh- mung gehört, ohne eine Entwicklungsperiode durchzu- machen, urplötzlich hervortreten, dass also die landrechtliohe 4wöchige Entwicklungsperiode lediglich ein Phantasiegebilde war und auch geblieben ist! Sollte der starre Buchstabe des Landrechts heutzutage denn noch
pro foro in Anwendung kommen, so hiesse das die Wissenschaft ignoriren und die Rechtsprechung um ein Jahrhundert zurückschrauben! |
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Pferde nur durch den höchst misslichen Zeugenbeweis er-
bracht werden. Uebrigens wird dadurch der Erwerber auch in keiner
Weise in seinem guten Eechte gekränkt, da das Leiden in kürzester Frist festgestellt werden kann. Die zur Her- beiführung der Untersuchung erforderliche Zeit muss dem Käufer unter allen Umständen gelassen werden und müsste der Verkäufer während derselben haftpflichtig bleiben; sie darf jedoch nicht über das erforderliche Mass hinaus er- streckt werden. Ein Zeitraum von vier mal vierund- zwanzig Stunden dürfte zum Ausprobiren des Thieres und zur Herbeiführung der Feststellung des Fehlers, wenn auch — in Ermangelung eines Sachverständigen — zunächst nur in Gegenwart unverdächtiger Zeugen, im Allgemeinen völlig genügen. Eine wissenschaftlich nicht zu begründende weitere
Ausdehnung der Gewährslast des Verkäufers könnte nur mit der bei Pferdenutzern sehr verbreiteten Unkenntniss, resp. Indolenz der Käufer motivirt werden. Die wenigen Fälle, in welchen trotz des guten Willens des Käufers eine rechtzeitige Untersuchung resp. Feststellung ausnahmsweise nicht herbeigeführt werden kann, bieten keine genügende Unterlage, aufzustellende Rechtsnormen zu erschüttern. — Das alte Sprichwort: „Wer die Augen nicht aufmacht, macht den Beutel auf," findet auch hier mit Recht An- wendung. — Gutachten
des Prof. Dieckerhoff und der Techn. Deputation. In Folge eines über Kehlkopfpfeifen entstandenen Rechts-
streites sind in neuester Zeit vom Professor Dieckerhoff und von der Königl. Techn. Deputation für das Veterinärwesen in Berlin unter Uebersendung der Processakten Gutachten ein- geholt, deren Ausführungen ich in der Deutschen Thierärzt- lichen Wochenschrift entgegengetreten bin. Die so ent- standenen Schriftstücke gewähren in forensischer Beziehung eine genaue Uebersicht des heutigen Standes der Ansichten über dieses Leiden, ich lasse sie deshalb hier folgen. Der diesen Gutachten zu Grunde liegende Thatbestand
ist kurz folgender: Thatbestand.
Kläger kaufte am 29. 9. 93 vom Beklagten eine englische
Fuchsstute (gegen 7 Jahre alt), nachdem dieselbe eod. dato 5*
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von der Offizierpferde-Kommission auf Diensttauglichkeit
und ganz speziell auch auf Kehlkopfpfeifen untersucht worden war: der der Kommission angehörige Oberrossarzt bezeugt in seinem Fundschein, dass bei dieser Untersuchung auch nicht das geringste Kehlkopfgeräusch wahr- genommen werden konnte. Das Pferd wurde am 5.10.93 dem Kläger per Eisenbahn zugesandt. Der Kläger schrieb am 8.10. dem Beklagten, dass das Pferd am 6. und 7. sehr gut gegangen sei und drückte ihm seine Zufriedenheit mit demselben aus, ebenso auch am 11.10. Am 9.10.93 wurde, wie sich weiterhin ergab, bei dem
Pferde ein lauter Athem beobachtet und am 20. und 23. das Vorhandensein des Kehlkopfpfeifens festgestellt und als dessen Ursache Kecurrenslähmung erkannt. Im Laufe des Processes wurde nachgewiesen, dass das Pferd beim Beklagten niemals am Kehlkopfpfeifen litt, stets gesund gewesen, und auch beim Kläger bis zur Feststellung des Kehlkopfpfeifens an sonstiger Krankheit nicht gelitten und auch nicht gehustet hat. Gutachten
des Prof. Dr. Dieckerhoff (Berliner Thierärztl. Wochen- schrift 1895 Nr. 9 pg. 97 ff.) „Der Fehler beruht auf einer Lähmung des Bewegungs-
nerven und des von demselben abhängigen Muskelapparats der linken Seite des Kehlkopfes. Nach der wissenschaft- lichen Erfahrung kommt dieser Krankheitszustand stets ganz allmählich zur Ausbildung, und es vergeht eine Zeit von mehr als 4 Wochen, bevor derselbe einen so bedeutenden Grad erreicht, dass sich die Erschein- ungen bei anstrengenden Arbeitsleistungen der Pferde und wenn hierbei der Kopf der Thiere stark gegen den Hals herangezogen (beigezäumt) wird, bemerklich machen. Mehrfach ist zwar in der thierärztlichen Literatur behauptet worden, dass sich der Fehler ausnahmsweise in einer kürzeren Zeit ausbilden könne, aber thatsächlich bewiesen ist eine solche Annahme nicht. Die betreffenden Fälle erklären sich vielmehr dadurch, dass im Entwickelungsstadium des Kehl- kopfpfeifens die Symptome bei der Arbeitsleistung der Pferde noch nicht hervortreten, bezw. dass die charakteristischen Merkmale sich erst kundthun, nachdem die krankhaften Veränderungen des Kehlkopfes einen höheren Grad erreicht haben. Wenn in solchen Fällen der fehlerhafte Zustand längere Zeit hindurch unbemerkt geblieben ist, so liegt des- halb noch kein Grund vor zu der Annahme, dass derselbe in kürzerer als nach der wissenschaftlichen Erfahr- |
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ung feststehenden Zeit seine Ausbildung gefunden hat.
Bei der Section von Pferden, welche erst seit einigen Tagen die Symptome der Krankheit geäussert haben und zufällig zu Grunde gegangen sind, werden auch am Kehlkopfe stets ältere Veränderungen gefunden, deren Zustandekommen eine Frist von mehr als 4 Wochen erfordert .... Die Schlussfolgerung, dass das am 20 und 23. Oktober
1893 konstatirte Kehlkopfpfeifen auch schon 4 Wochen früher im Keime vorhanden, bezw. in der Entwicklung gewesen ist, rechtfertigt sich nach den wissenschaft- lichen Erfahrungen über die Ausbildung des in Rede stehenden Fehlers. Gegenüber diesen Erfahrungen können die Befundangaben
des Oberrossarztes F. über die Untersuchung des Pferdes vom 29. Sept. 1893 nicht darthun, dass der Fehler zu jener Zeit noch nicht vorhanden, bezw. noch nicht in der Ent- wicklung gewesen ist; denn bei den am Kehlkopfpfeifen in geringem Grade leidenden Pferden wird nicht selten be- obachtet, dass zeitweise auch durch eine ziemlich bedeutende Anstrengung der Thiere und starke Bei- zäumung des Kopfes die Symptome des Pfeifens nicht h e r- vorgeru fen werden, während zu andern Zeiten die Merk- male sich bei der Arbeitsleistung der betr. Pferde deutlich hervorthun. Es kann demnach auch bei dem hier streitigen Pferde, der Fehler des Kehlkopfpfeifens sehr wohl schon am 29. Sept. 1893 in der Au sbi 1 düng begriffen, bezw. im Keime vorhanden gewesen sein, wenn auch bei der von F. beschriebenen Untersuchung ein lauter Kehlkopf- ton nicht vernommen wurde. (Anmerkung des Verf.: in dem bei den Akten befindlichen Fundschein ist von einem lauten Kehlkopfton keine Rede, es heisst daselbst; dass 'auch nicht das geringste Kehlkopfgeräusch vorhanden war.) Gutachten.
Die Krankheit des Kehlkopfpfeifens, wie
solche vom Oberrossarzt D. und vom Rossarzt E. nach dem Atteste vom 26. Okt. 1893 bei dem hier streitigen Pferde festgestellt ist, bedarf zu ihrer Entwickelung eines Zeitraumes von mindestens 4 Wochen. Berlin, den 3. Febr. 1894. Dr. Dieckerhoff.
Auf desfallsiges Ansuchen des Beklagten habe ich auf
Grund von demselben erhaltener Data das nachstehende Privatgutachten abgegeben. } |
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Privat-Gegengutachten*) des Verfassers.
„Ein wissen schaft lieh begrün de ter Nachweis,
dass das bei der fraglichen Stute am 20. und 23. Oktbr. 1893 festgestellte Kehlkopfpfeifen be- reits am Verkaufstage, den 29. September, oder gar 4 Wochen vor Kundwerdung des Fehlers, wenn auch nur im Keime, bestand, ist in keiner Weise zu erbringen. Gründe:
Die paralytische Form des Kehlkopfpfeifens liegt in 100
Fällen etwa 96 mal vor, sie ist auch in diesem Falle als vorhanden nachgewiesen worden. Sie wird durch die Läh- mung des Nervus recurrens und nicht durch die erst sekundäre Muskelatrophie veranlasst. Die Funktion der Nerven, speziell auch der Bewegungs-
nerven, so die des hier fraglichen Nervus recurrens, kann auf verschiedenem Wege beeinträchtigt werden und zwar durch materielle Aenderung der Nervensubstanz und durch anderweite Einflüsse, bei denen materielle Veränderungen derselben bislang nicht nachweisbar sind. Erstere sind in ihrer Entwicklung ev. zu verfolgen, letztere nicht. Wenn deshalb die wissenschaftliche Erfahrung
angerufen wird, um eine langsame Entwicklung . nach- zuweisen, welche mehr als oder mindestens vier Woehen beanspruche, um zu dem Grade zu gelangen, dass die Lähmungserscheinungen endlich hervortreten, so könnte sich das nur auf diejenigen Fälle beziehen, in welchen der- artige organische Veränderungen des Nerven positiv nachweisbar sind — bei lebenden Thieren sind solche Nervenveränderungen nicht festzustellen. Nun aber liegen solche Nachweise materieller Ver-
änderungen des fraglichen N e r v e n überhaupt nur nach sehr lange Zeit bestandener Lähmung vor, sie fehlen aber sehr vielfach noch nach vielen Monaten und längerem Bestehen des Kehlkopfpfeifens, trotz der in die Augen fallenden Atrophie von ihm innervirter Muskeln. Die Funktionsstörung des Nerven ist also bedeutend früher vorhanden, als irgend welche für uns er kennbare Ver- änderung der Substanz desselben. Die Zeit ihrer Entstehung kann deshalb nur aus derFunktionsstörung erkannt werden. Auf materieller Basis ist die Behauptung einer an-
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*) (Siehe Nr. 18 der Deutsch. Thierärztl. Wochenschr. 1894.)
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geblichen wissenschaftlichen Erfahrung also nicht
aufzurichten; diese beschränkt sich bislang auf die Beobacht- ung, dass die Recurrenslähmung 6 bis 9 Wochen nach Ab- lauf von Infektionskrankheiten auftreten kann. (Dieckerhoff, Diagnose etc.) Von solchen aus kann aber, zumal sie über- haupt nur Ausnahmefälle darstellen, nicht geschlossen werden, dass die Entstehung von Recurrenslähmung allgemein längere Zeit beanspruche, und zwar um so weniger, als Nervenlähmungen, laut Erfahrung, nach jenen in bedeutend kürzerer Zeit, ja sogar während derselben plötzlich auftreten können, zu einer Zeit also, in welcher organische Veränderungen der Nerven noch gar nicht eingetreten sein konnten; auch ist bei solchen Infektions- lähmungen bislang in keinem einzigen Falle eine materielle Veränderung von Nerven recht- zeitig, d. h. zu einer Zeit, wo die Dauer ihrer Gegenwart noch erkannt werden konnte, nachgewiesen. Man hat diese vielmehr nur willkürlich angenommen und bezüglich des Recurrens ihre Möglichkeit darzuthun, erfolglos sich bemüht (s. Dieckerhoff, Diagnose etc.): solche nicht weiter zu basirende Theorien können aber nicht als Basis dienen, und können darauf namentlich keine Schlüsse gestützt werden, auf Grund deren eine Zeit normirt werden will, innerhalb welcher die Recurrenslähmung nicht entstehen könne. Kehlkopfpfeifen, welches nach Infektionskrankheiten auf-
tritt, ist, extreme Fälle ausgeschlossen, immer erst dann festzustellen, wenn sich die Thiere so weit erholt haben, dass sie der. dazu erforderlichen, in hohem Grade anstrengen- den und starke Aufregung verlangenden Untersuchung unter- zogen werden können: die Zeit der Entstehung der Lähmung ist deshalb in solchen Fällen garnicht zu kontroliren, also auch nicht festzustellen. Auch von einem Keime oder einem Entwicklungs-
stadium des Fehlers kann beim Kehlkopfpfeifen keine Rede sein, da etwas Materielles, welches sich weiter ent- wickeln kann, bislang rechtzeitig im Nerv nicht nachgewiesen ist, und, trotz Funktionsstörung, sehr oft auch weiterhin, selbst nach sehr langer Zeit nicht hervortritt! Unbasirte Keim- oder Entwicklungtheorien haben aber weder wissenschaftlich noch forensisch irgend welchen Werth. Auch, wenn man eine langsame Entstehung der Recur-
renslähmung annehmen wollte, so würde man doch noch nicht in der Lage sein, irgend einen Zeitraum zu normiren, innerhalb welches sie nicht entstehen könne, da jeder Anhalt darüber, was in dem Nerv vorgeht, fehlt |
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und etwas für uns Unfassbares zeitlich nicht gemessen werden
kann. Materielle Veränderungen des Nerven sind also
zur Störung seiner Verrichtung nicht erforderlich, wie weiter- hin auch daraus erhellt, dass Nervenlähmungen oft von einem Nerv auf einen anderen, mit sofortiger völliger Wiedergenesung des erst befallenen, überspringen und dass sogar Nervenlähmungen nach über halbjährigem Bestehen in wenigen Minuten durch elektrische Ströme dauernd be- seitigt sind, sowie auch daraus, dass die Funktion von Nerven, auch die des Recurrens, im ganzen Umfange oder partiell sehr verschiedengradig plötzlich gehemmt werden kann. Solche den Materialisten unbequeme Erfahrungen, mit
denen die Notwendigkeit eines langsamen Aufbaues patho- logischer Vorgänge im Nerven bis zur endlichen Lähmung hin unvereinbar ist, suchen sie dadurch aus der Luft zu schaffen, dass sie behaupten „plötzliche Lähmung des Recurrens sei nicht erwiesen", wiewohl authen- tische Nachweise vorliegen und sich der Recurrens in dieser Beziehung in keiner Weise von anderen Nerven unterscheidet. Sie glauben dieselbe auf Täuschung zurück- führen zu dürfen, welche dadurch entstehen soll, „dass die Symptome im E n t wicklun gsta dium (?) des Kehlkopf- pfeifens bei der Arbeitsleistung noch nicht genügend hervor- treten und deshalb übersehen werden". Dass geringgradiges Kehlkopfpfeifen bei der gewöhnlichen Arbeitsleist- ung möglicherweise nicht hervortritt, wird von Niemanden bezweifelt, doch wird dadurch die Tragweite vorliegender exakter Beobachtungen in keiner Weise tangirt oder gar vermindert. Zur Rechtfertigung des materiellen Standpunktes be-
hauptet man, „dass die Symptome des Kehlkopfpfeifens erst hervortreten, nachdem die krankhaften Verände- rungen des Kehlkopfes einen höheren Grad erreicht haben", solches ist aber ganz ausschliesslich dann der Fall, wenn daselbst pathologische Prozesse vorliegen, welche nicht durch die Recurrenslähmung bedingt sind. Auf solche allein ist auch die Angabe zu beziehen, dass bei der Sektion von Pferden, welche erst seit einigen Tagen die Symptome der Krankheit geäussert haben und zufällig zu Grunde gegangen sind, auch am Kehlkopfe stets ältere Veränderungen gefunden werden, deren Zustande- kommen eine Frist von mehr als 4 Wochen erfordert" — Ansichten, die sich mit den Resultaten meiner sehr ausge- dehnten Untersuchungen und mit dem plötzlichen Entstehen des Kehlkopfpfeifens nach rheumatischen und toxischen Ein- |
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Aussen, bei welchen zunächst gar keine Veränderung an
den Muskeln zu finden sind, nicht in Einklang bringen lassen. Wenn aber auch unter solchen Umständen die Folgen der Recurrenslähmung gefunden wurden, so wird dadurch doch nur nachgewiesen, dass die Lähmung in dem betreffenden Falle bereits längere Zeit bestand und durch ordnungs- mässige Untersuchung erkannt werden musste, obgleich das Kehlkopfpfeifen unter den Verhältnissen, unter welchen das Thier lebte, nicht bemerkt worden war. Es beweist das aber keineswegs, dass eine langsame Entwicklung von Veränderungen im Kehlkopfe erforderlich ist, um endlich das Leiden hervortreten zu lassen. Der Lähmung des Recurrens folgt die Lähmung der
bezüglichen Kehlkopfmuskeln und somit die Raumbeengung der Luftpassage im Kehlkopfe, auf welcher das Kehl- kopfpfeifen beruht, auf demFusse nach. Die Muskeldegeneration ist die erst später eintretende irrelevante Folge der fehlenden Innervation, also nicht die Ursache der Funktionsstörung, sondern neben- sächliche Erscheinung. Der für die Luftpassage im Kehlkopf disponible Raum
wird lediglich dadurch beengt, dass der Aryknorpel etc. je nach Lähmung des Recurrens durch die aspirirte Luft- säule m. w. wiederstandslos in den Kehlkopfraum hinein- gepresst wird, ob die Muskeln noch ihre Form etc. besitzen, oder ob sie schon bis auf die letzte Spur geschwunden sind, ist hierbei völlig belanglos; nach Abschneiden des Nerven folgt trotz völlig- intakter Muskeln sofort das Pfeifen. Von Bedeutung wird die Muskelatrophie nur dann, wenn der Nerv etwa früher oder später seine Funktion wiedererlangen sollte, und nun an Stelle von Muskeln nur Residuen derselben vorfindet, wodurch eine Heilung des Kehlkopfpfeifens natürlich ausge- schlossen wird, und wenn es sich darum handelt, eine längere Gegenwart des Kehlkopfpfeifens sektionsmässig festzustellen; — bei Lebzeiten des Thieres ist aber ein Sektionsbefund verborgen und fehlt hiermit jede Unterlage für irgendwelche Fristbestimmung zu solcher Zeit. Aus dem Grade des vorhandenen Kehlkopfpfeifens
kann auch nicht auf die Zeit des Bestehens der Lähmung geschlossen werden, da derselbe lediglich davon abhängig ist, in welcher Ausdehnung die Lähmung den Nerv trifft und diese jederzeit, sogar in ganzem Umfange erfolgen kann. Eine einmal entstandene Recurrenslähmung macht im
Allgemeinen nur langsame Fortschritte oder bleibt wie sie |
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ist; ihr weiterer Verlauf pflegt ein chronischer zu sein; jedoch
folgt daraus ebensowenig, wie aus der langsamen Fortent- wicklung des befruchteten Eies geschlossen werden kann, dass die Entstehung der Befruchtung eine längere, etwa nach Wochen zu bemessende Zeit beanspruche — dass die Entstehung dieser Lähmung auf langsam fortschreitenden Zuständen beruhe, welche von langer Hand her vorbereitet sein müssten, um endlich die Erscheinungen der Lähmung des Nerven in die Augen treten zu lassen. Die Entstehung und der weitere Verlauf sind eben
ganz verschiedene Dinge. Die zu beobachtende allmähliche Verschlimmerung des
Fehlers beruht darauf, dass die Funktion des Nerven nicht sofort im ganzen Umfange erlosch, sondern dass Fasern desselben in mehr oder weniger weit von einander liegenden Zeiträumen, also nach einander ihre Funktion ein- stellen, wie aus den verschiedenen Stadien der Degeneration der Muskelfasern (selbst in ein und demselben Muskel neben gesunden Fasern) nachgewiesen wird. Die Vorgänge, welche der Funktionsstörung im Nerv
vorhergehen, entziehen sich, wie schon bemerkt, bislang, so- bald sie nicht materieller Natur sind, unserer Beobachtung vollständig; sie sind deshalb für uns wissenschaftlich und forensisch erst von dem Zeitpunkte an vor- handen, zu weichem die Lähmungserscheinungen hervortreten, für irgend welche Zurückdatierung ihrer Entstehung fehlt zur Zeit jede Unterlage; eine solche muss deshalb bis auf Weiteres als verfrüht bezeichnet werden. Jedes Kehlkopf pfeifen, auch wenn es nur in geringem
Grade besteht und bei der gewöhnlichen Arbeitsleistung noch nicht hervortritt, ist in kürzester, noch nicht einmal nach Stunden, sondern nur nach Minuten zählender Frist, durch ordnungsmässige Untersuchung zur Kennt- niss zu bringen, ebenso auch das Freisein von demselben. Dass in geringerem Grade vorhandenes Kehlkopfpfeifen zeitweise bei solcher nicht erkannt werden konnte, wie Dieckerhoff angibt, ist mir trotz meiner sehr aus- gedehnten Erfahrungen in diesem Kreise, sowie anderen kompetenten Beobachtern, auch nicht ein einziges Mal vorgekommen. Wenn deshalb der klägerische Gutachter das negative Untersuchungsresultat des Oberrossarztes K. vom 29. 9. 93 als irrelevant bei Seite schieben will, so hätte er nachweisen müssen, dass dessen Untersuchung nicht ausreichend war, um den Fehler zur Aeusserung zu bringen. — |
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Beiläufig möchte ich an diesem Orte noch bemerken,
dass Ger lach, der von Vielen zu den bedeutendsten Autoritäten gezählt wird, in der zweiten Auflage seiner „Gerichtlichen Thierheilkunde" von irgend einer Zurück- datirung des Kehlkopfpfeifens Abstand nimmt; er sagt nur, dass die bisherige Gewährszeit im preussischen Landrechte von 28 Tagen zu lang sei, weil eine Dämpfigkeit — Kehl- kopfpfeifen eingeschlossen — erfahrungsmässig in dieser Zeit entstehen kann. Er normirt die Gewährszeit für Dämpfig- keit generell auf 14—15 Tage und sagt „innerhalb dieserZeit hat der Kauf er Zeit genug, denFehler zu erkennen resp. feststellen zu lassen", er setzt also voraus, dass derselbe bereits beim Besitzwechsel vor- handen war, und fügt dem hinzu „gilt nebenbei noch das römische Recht, so ist die Gewährszeit selbst bis auf 10 Tage abzukürzen, weil in allen Fällen, wo in dieser Zeit eine Feststellung nicht erfolgen konnte, noch der Weg der Beweisführung gegeben ist". Eine Zurückdatirung lässt er zu, wenn der „Pfeiferdampf" nach einer hartnäckigen, be- sonders bei oder nach Influenza entstandenen Kehlkopfsent- zündung oder nach einer Quetschung resp. Verwundung am Halse auftritt, und zwar nur bis zu diesen Leiden hin. Bei ersterer geht er von der irrigen Annahme einer myopathischen Hartschnaufigkeit aus, bei letzteren vom Vorhandensein einer Verletzung des Recurrens. — Als sich das vorstehende Gutachten bereits unter der
Presse befand, wurde ich vom Prozessgerichte unter Zu- sendung der Akten zu einer weiteren Aeusserung aufge- fordert*), und sollten die nachstehenden Fragen besonders Berücksichtigung finden: 1. „Kommen Fälle vor, in denen das Kehlkopfpfeifen
für seine Entwicklung bis zur äusseren Erkennbar- keit nur eine Frist von wenigen Tagen, ev. von wie- viel Tagen gebraucht", und 2. „Unter welchen Umständen findet eine solche Ent-
wicklung statt?" welcher Auflage ich mich entledigte, wie folgt:
Gerichtliches Gegengutachten des Verfassers.
ad. 1. Es kommen Fälle vor, in welchen das
Kehlkopfpfeifen für seine Entwicklung bis zur *) Bei den Akten befand sich das vorstehende Privatgut-
achten nicht und bitte ich die in dem folgenden vorkommenden Wiederholungen deshalb entschuldigen zu wollen. |
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äusseren Erkennbarkeit einer nachweisbaren
Frist überhaupt nicht bedarf, dasselbe kann viel- mehr jed erzeit urplötzlich und in jedem Grade erkennbar hervortreten. ad, 2. Die Bedingungen, unter welchen
solch plötzliches Hervortreten statthat, sind nicht genau zu präzisiren. Grün de.
ad. 1. Das Kehlkopfpfeifen wird durch die Lähmung
des Nervus recurrens und nicht durch die Degene- ration von Kehlkopfmuskeln bedingt, diese ist irrelevante Folge der ersteren. Das betreffende Pferd ist wissen- schaftlich und forensisch entweder Pfeifer, oder es ist Nicht pfeif er. In beiden Fällen kann der Zustand desselben durch ordnungsmässige Untersuchung jedes- mal festgestellt werden. Je nach dem Grade des Fehlers tritt derselbe leichter oder weniger leicht hervor. Dass vorhandenes Kehlkopfpfeifen „zeitweise", wie
in dem klägerischen Gutachten behauptet wird, nicht festgestellt werden könne, ist mir so wenig, wie anderen Sachverständigen und kompetenten Beurtheilern — sobald eine ordnungsmässige Untersuchung vorgenommen wurde — jemals vorgekommen, ich muss das Vorkommen desselben ganz entschieden in Abrede stellen. Hat man vorhandenes Kehlkopfpfeifen „zeitweise" nicht feststellen können, so lag das lediglich daran, dass man nicht ordnungsmässig untersucht hat. Im vorliegenden Falle ist die Untersuchung von einer
aus Offizieren bestehenden Kommission vorgenommen, in welcher ein Oberrossarzt fungirte, und muss bis zum Nachweise des Gegentheils angenommen werden, dass wenigstens der letztere in vollem Masse kompetent war und bei der 15 Minuten dauernden Galopprobe in 2 Fuss tiefem Sande die bezügliche Untersuchung auf wissenschaft- licher Basis durchgeführt hat. Diese Zeit war mehr als ausreichend, das Kehlkopf-
pfeifen, auch wenn es nur in geringem Grade bestand, fest- zustellen. Der negative Befund, wie solcher vom Oberrossarzt K. bescheinigt wird, schliesst demnach das Vorhanden- gewesensein des Fehlers zur Zeit der Unter- suchung am 29. September 1893 aus. Wenn demgegenüber in dem klägerischen Gutachten von
einem „Keime" gesprochen wird, und darauf ein „zeitweise" auch bei jener Untersuchung ev. noch nicht erkennbares |
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„Entwicklungsstadium" basirt werden will, so ist das nicht
wohl verständlich: ein „Keim" des Kehlkopfpfeifens ist bis- lang von Niemandem nachgewiesen worden und ebensowenig ein „Entwicklungsstadium" desselben, sondern nur verschiedene Grade, welche davon abhängig sind, ob der N. recurrens ganz oder nur theilweise gelähmt ist. Die Annahme eines „Keim-" oder „Entwicklungsstadiums"
des Kehlkopfpfeifens könnte sich nur auf ein „Entwicklungs- stadium" der Paralyse im Recurrens selber (oder an anderer bezüglichen Stelle des Nervensystens) beziehen, für solche fehlt aber bislang jeder Anhalt, da zur Zeit des Eintritts der Lähmung Veränderungen des Nerven absolut fehlen und nur nach langem Bestehen im Gefolge der Funktionsstörung hervortreten. Es sind das unfruchtbare Theorien, denen jeder wissenschaftliche und forensische Werth abgeht. Selbstverständlich sind solche Theorien nicht ausreichend,
unfassbaren Keimen oder Entwicklungsstadien einen be- stimmten Zeitraum von z.B. „mindestens 4 Wochen" anzuweisen, binnen welchem sie frühestens das Kehlkopfpfeifen zu Tage fördern könnten; mit weit mehr Recht könnte man ein Keim- resp. Entwicklungsstadium ev. bis zur Geburt, selbst bis zur Zeugung zurückdatiren, da die Recurrenslähmung bekanntermassen erblich ist. Die alleinige Ursache des Kehlkopfpfeifens beider
hier fraglichen paralytischen Form ist die Lähmung des N. recurrens, welche die sofortige Lähmung der betr. Muskeln nach sich zieht, ohne dass zunächst irgendwelche Veränderung an letzteren wahrnehmbar wird, solche folgt erst im weiteren Verlaufe wegen mangelnder Innervation. Mit dem Eintritt der Recurrenslähmung tritt, der Ausdehnung derselben entsprechend, das Kehlkopfpfeifen verschieden- gradig, aber durch ordnungsmässige Untersuchung sofort erkennbar ein. Die Angabe des klägerischen Gutachters, „dass das
Kehlkopfpfeifen erst hervortrete, nachdem die Veränder- ungen des Kehlkopfes (also die Muskeldegeneration) einen höheren Grad erreicht haben" — ist deshalb eine nicht zutreffende. In gleicher Weise ist auch seine weitere Beweisführung, „dass man bei Pferden, die erst seit einigen Tagen die Krankheit geäussert haben und zufällig zu Grunde gingen, stets ältere Veränderungen am Kehlkopf finde, deren Zustandekommen eine Frist von mehr als 4 Wochen erfordere — abgesehen davon, dass sie den thatsächlichen Verhältnissen nicht genügend Rechnung trägt — ungeeignet, |
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ein verborgenes Entwicklungsstadium nachzuweisen; es be-
weist das nur, dass die Nervenlähmung bereits längere Zeit be- stand und durch eine ordnungsmässige Untersuchung erkannt werden musste, wenn sie auch unter den Verhältnissen, un- ter welchen das Pferd lebte, noch nicht bemerkt worden war. Anderseits hat man daraus, dass das Kehlkopfpfeifen
6—9 Wochen nach Infektionskrankheiten beobachtet wurde, geschlossen, dass die Recurrenslähmung mindestens 4 Wochen zu ihrer Entwicklung bedürfe, ohne für solche Schlussfolgerung irgend einen Beweis beibringen zu können; man hat nur Theorien aufzu- stellen vermocht, die die Möglichkeit der Entstehung lähmender materieller, aber bislang nichtnachgewiesener Veränderungen des N. recurrens eventuell erklärlich machen könnten. Soweit zur Zeit die Kenntniss der ursächlichen Ver-
hält nisse der Recurrenslähmung reicht, liegt kein Anhalt vor» aus welchem eine langsame Entstehung derselben ab- geleitet werden könnte. Selbst wenn man der Ansicht huldigt, dass der endlichen Lähmung des Nerven eine all- mählich zunehmende Schwäche oder sonst Etwas vorhergehe, würde man bezüglich der Bestimmung einer Zeit, welche die Lähmung zu ihrer Entstehung bedürfe, auch nicht weiter kommen, weil kein Merkmal vorhanden ist, welches uns solche Schwäche- etc. Zustände enthüllen könnte, und weil unbasirte Theorien nicht als Unterlage dienen können. — Die Wissenschaft hat bislang den Nachweis einer
langsamen Entstehung der Recurrenslähmung, also des Kehlkopfpfeifens, nicht erbracht, dagegen liegen un- umstössliche Nachweise des plötzlichen Entstehens der- selben in der Literatur vor, welche durch die Beobachtungen erfahrener Thierärzte, die volles Vertrauen verdienen, sowie durch die meinigen bestätigt werden. Dass Nervenlähmungen urplötzlich hervortreten
können, hat noch Niemand in Zweifel gezogen, nur bei dem Recurrens hat man eine Ausnahme eintreten lassen zu dürfen geglaubt — doch ist man den Beweis schuldig ge- blieben. Man hat sich zu der Annahme einer langsamen Entstehung wahrscheinlich dadurch verleiten lassen, dass der Nerv recht oft, ja meistens nicht sofort in allen seinen Fasern gelähmt wird, sondern nur partiell, und dass dem- entsprechend ein geringerer oder erheblicherer Grad des Kehlkopfpfeifens beobachtet wird, welcher sich nach Mass- gabe weiterer Lähmung bis dahin verschont gebliebener Fasern mit der Zeit verschlimmern kann — man hat die Fortentwicklung mit der Entstehung verwechselt. |
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Da die plötzliche Lähmung des ganzen Nerven und
dementsprechend sofortiges heftiges Kehlkopfpfeifen zu den weniger häufigen Fällen gehört, hat man die gewöhn- lichen Fälle, in welchen dasselbe geringgradig aufzutreten pflegt, auf ein nicht nachweisbares Entwicklungs- stadium zurückführen zu sollen geglaubt, ohne dadurch irgend etwas zur Klärung der Sache beitragen zu können. Der Nachweis einer langsamen Entstehung der
ßecurrenslähmung, also des Kehlkopfpfeifens, ist daher bislang nicht geführt, wohl aber ist ein urplötzliches Entstehen derselben nachgewiesen.— ad. 2. Die Frage, „unter welchen Umständen eine
plötzliche Entstehung stattfinde?" — kann nur dahin beantwortet werden, dass der Vorgang während der Funktion in gesunden Nerven, auch wenn man denselben auf elektrische Strömung zurückführt, nicht näher bekannt ist, und dass die Wege, auf welchen die Funktion derselben plötzlich gehemmt werden kann — sobald materielle Veränderungen fehlen, unbekannt sind. Wir haben nur die Erfahrung, dass infektiöse, toxische
und rheumatische Einflüsse — Erkältungen — und unbekannte Ursachen dieselben herbeiführen können. Es ergibt sich aber aus dem Vorstehenden, dass eine
wissenschaftliche Erfahrung, nach welcher die Ent- stehung des Kehlkopfpfeifens einen Zeitraum „von mindestens 4 Wochen" beanspruche — nicht vorliegt, wohl aber, dass das Kehlkopfpfeifen jederzeit und zwar in jedem Grade urplötzlich entstehen kann. — |
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Erstes Obergutachten
der Königl. Techn. Deput. für das Veterinärwesen
zu Ber 1 in.*)
Die zur Beantwortung gestellten Fragen lauteten:
„Ob das am 20. Oktober 1893 konstatirte Kehlkopfpfeifen
der Fuchsstute auf eine Erkrankung zurückzuführen ist,
welche bereits vor dem 29. September 1893 stattgefunden
hat?"
„ob überhaupt die Krankheit, welche in der thierärzt-
lichen Wissenschaft als Kehlkopfpfeifen bezeichnet wird,
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*) (cf. Heft 9 der Deutsehen Thierärztl. Wochenschrift vom
2, März 1895.) |
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bis zu dem Zeitpunkte, wo der Ton des Kehlkopfpfeifens
wahrgenommen werden kann, eine Entwicklung von mindestens 4 Wochen gebraucht?" und „ob dementsprechend im vorliegenden Falle mindestens
4 Wochen vorher die körperliche Ursache des später kon- statirten Kehlkopfpfeifens entstanden sein muss?" Gutachten.
Aus dem Fundberichte der Sachverständigen H. und B.
geht hervor, dass die streitige Stute zur Zeit der Unter- suchung dieser Sachverständigen am 20. und 23. Oktober 1893 mit dem sogenannten Kehlkopfpfeifen behaftet war. Nach dem Ergebniss der Beweiserhebungen muss angenommen werden, dass das streitige Pferd auch schon vor dieser Zeit die Erscheinungen des Kehlkopfpfeifens gezeigt hat; denn der Major Seh. hat bezeugt, dass er bereits im Anfange des Monats Oktober 1893, in tiefem, trockenem Sande neben der Stute reitend, von letzterer einen Ton gehört habe, welchen er für den charakteristischen Ton des Kehlkopfpfeifens hielt. Wenn wir berücksichtigen, dass berittene Offiziere im All-
gemeinen die Eigenthümlichkeit des lauten Athemgeräusches, welches beim Kehlkopfpfeifen auftritt, kennen und weiter in Erwägung ziehen, dass der Zeuge S. Präses einer Offizier- pferde-Kommission ist, so müssen wir nach Lage der Sache annehmen, dass bei der streitigen Stute bereits im Anfange des Monats Oktober das Kehlkopfpfeifen hervorgetreten ist. Hierzu kommt, dass auch dem Zeugen D. sehr bald nach
der Ankunft des Pferdes in J., auch vor der thierärztlichen Untersuchung, aufgefallen ist, dass das Thier, wenn es an- gestrengt wurde, einen eigenthümlichen pfeifenden Ton von sich gab. Das Kehlkopfpfeifen der Pferde wird mit sehr geringen
Ausnahmen durch die einseitige Lähmung eines Kehlkopf- nerven hervorgerufen; im Bezug auf das Zustandekommen die- ser Lähmung muss darauf hingewiesen werden, dass Nerven- lähmungen im Allgemeinen nach den klinischen Erfahrungen und Ergebnissen diesbezüglicher Versuche sowohl plötzlich als auch allmählich entstehen können, je nach den Ur- sachen, welche die Lähmung bedingen. Nach den wissen- schaftlichen Erfahrungen liegt nun kein Grund zu der Annahme vor, dass der Kehlkopfnerv, dessen Lähmung die Erscheinungen des Kehlkopfpfeifens zur Folge hat, hinsichtlich der Zeitdauer der Ent- wicklung derLähmung eine Ausnahmestellung gegen- über den übrigen gleichartigen Nerven einnimmt, |
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es muss vielmehr angenommen werden, dass auch in Frage
kommender Nerv unter Umständen schnell, unter anderen Umständen langsam gelähmt werden kann. Die Möglichkeit einer plötzlichen Entstehung der Lähmung dieses Nerven, welche von einigen bestritten wird, wird unter Anderem da- durch bewiesen, dass man durch absichtliche Verletzung des Nerven im Stande ist, die Lähmung und damit das Kehl- kopfpfeifen plötzlich hervorzurufen. In diesem Punkte müssen wir daher der Ansicht des
Sachverständigen Günther beitreten und zugeben, dass unter Umständen das Kehlkopfpfeifen plötzlich entstehen kann. Eine solche plötzliche Entstehung des Kehlkopfpfeifens ge- hört aber zu den seltensten Ausnahmefällen. Sie ist, an bestimmte, nur selten zu beobachtende ursächliche Verhältnisse geknüpft. Der Regel nach entwickelt sich die Lähmung des fraglichen Kehlkopfnerven und des hierdurch bedingten Kehlkopfpfeifens all- mählich. Es vergeht, wie wir im Gegensatze zu dem Sach- verständigen Günther bekennen müssen, nach der tier- ärztlichen Erfahrung in den gewöhnlichen Fällen ein Zeitraum von mindestens 4 Wochen, ehe die Lähmung des Nerven soweit vorgeschritten ist, dass das Kehlkopfpfeifen bei Anwendung eines bestimm- ten Untersuchungsverfahrens in die Erscheinung tritt. Nur ganz ausnahmsweise, im Anschluss an ge- wisse Krankheiten, oder im Gefolge gewisser Vergift- ungen ist beobachtet, dass sich die allmähliche Entwicklung des Kehlkopfpfeifens bezüglich seiner körperlichen Ur- sachen in einer kürzeren Frist als 4 Wochen vollzog. Im vorliegenden Falle haben die Beweisverhandlungen
keinen Anhaltepunkt(P) dafür erbracht, dass nach derüeber- gabe bei dem streitigen Pferde bemerktes Kehlkopfpfeifen eine ausnahmsweise schnelle Entstehung gefunden hat. Die Sach- verständigen H. und R. haben bei der hier fraglichen Stute, als sie dieselbe am 20. Oktober 1893 untersuchten, ausser dem Kehlkopfpfeifen keine krankhaften Erscheinungen wahr- genommen. R. gab bei seiner Vernehmung am 1. Oktober 1894 noch besonders an, dass das Pferd keinerlei Symptome einer äusseren oder inneren Erkrankung gezeigt habe. Ferner bekunden die Zeugen H., ß und D. übereinstim-
mend, dass das im Streit befindliche Pferd in der Zeit vom 5. Oktober 1893, dem Tage der Ankunft in J., bis zur thier- ärztlichen Feststellung des Kehlkopfpfeifens den Eindruck völliger Gesundheit, beziehungsweise einen guten, gesunden Eindruck gemacht habe, frisch und munter gewesen sei, nicht ungewöhnlich geschwitzt und auch nicht gehustet habe. Der 6
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Zeuge H. gab ausserdem noch an, dass an dem Pferde äusser-
liche Verwundungen nicht wahrnehmbar gewesen seien, und Zeuge D., dass das Thier eine ganz besondere Fresslust ge- zeigt und seinen Stallgenossen gern das Futter weggefressen habe. Hiernach ist anzunehmen, dass das Pferd in der Zeit
zwischen der Ankunft in J. und der Feststellung des Kehl- kopfpfeifens an einer Krankheit nicht gelitten hat, welche das Kehlkopfpfeifen hätte zur Folge haben können. Ebensowenig ist durch die aktenmässige Feststellung ein
Stützpunkt dafür gegeben, dass das streitige Pferd in Folge einer Vergiftung das Kehlkopfpfeifen erworben haben könne. Eine derartige Entstehungsursache ist vielmehr in Anbetracht des Umstandes, dass nur die streitige Fuchsstute, nicht aber auch das zweite vom Beklagten an den Kläger verkaufte Pferd, beziehungsweise die anderen Pferde, welche unter den- selben Verhältnissen gehalten wurden, wie das streitige, Kehl- kopfpfeifen zeigten, im vorliegenden Falle mit Bestimmt- heit auszuschliessen. Da nun ferner das fragliche Pferd nach der eidlichen
Bekundung des Beklagten, sowie nach den Behauptungen des Beklagten, welche auf das Zeugniss des Rossarztes H., der Unteroffiziere H. H. Gr., des Wachtmeisters K. und der Ar- tilleristen J. und Th. gestellt sind, auch vor der Abliefe- rung in J. keine Erkrankung gezeigt hat, welche mit dem später nachgewiesenen Kehlkopfpfeifen in Ver- bindung gebracht werden könnte, so muss gefolgert werden, dass sich bei dem streitigen Pferde das Kehlkopf- pfeifen in der gewöhnlichen Weise allmählich ent- wickelt hat und dass die dem Kehlkopfpfeifen zu Grunde liegende Nervenlähmung mindestens 4 Wochen vor dem Auftreten des Kehlkopfpfeifens in der Entwickelung begriffen gewesen ist. Das Kehlkopfpfeifen ist bei dem streitigen Pferde, wie
wir bereits ausgeführt haben, schon im Anfange Oktober 1893 wahrgenommen worden. Mithin muss nach den obigen Dar- legungen auch angenommen werden, dass die Erkrankung, auf welche das Kehlkopfpfeifen im vorliegenden Falle zurückzu- führen ist, in der Entwickelung schon vor dem 29. Sep- tember 1893 zugegen war. Diese Schlussfolgerung wird dadurch nicht widerlegt, dass
weder der Kläger noch der Beklagte noch die von dem Be- klagten vorgeführten Sachverständigen (H. und S.) und die Zeugen (H. H. G. K. J. Th.) bei dem streitigen Pferde vor dem 29. September 1893 Kehlkopfpfeifen gehört haben, denn das Kehlkopf pfeifen tritt im Anfange der Entwickelung |
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der Nervenlähme, wie schon dargelegt wurde, nicht
immer hervor. Aus diesem Grunde streitet auch der von dem Sachverständigen K. am 29. September 1893 erhobene Befund nicht gegen unsere Annahme; obwohl die Art der K.'schen Untersuchung geeignet war, um bereits nachweisbares Kehlkopfleiden zur Wahrnehmung zu bringen. Hiernach geben wir das erforderte Gutachten ab, wie
folgt: Gutachten:
1. Es ist nach Lage der Sache anzunehmen,
dass das von dem Oberrossarzt H. am 20. Oktober 1893 konstatirte Kehlkopfleiden (Pfeifen) der Fuchs- stute auf eine Erkrankung des Pferdes zurückzu- führen ist, welche bereits vor dem 29. September 1893 bestanden hat. 2. Das Kehlkopfpfeifen kann ausnahmsweise
in kurzer Zeit auftreten, in der Regel bedarf aber die dem Kehlkopfleiden zu Grunde liegende Erkrankung bis zum Zeitpunkte, wo das Kehl- kopfpfeifen wahrgenommen werden kann, zu ihrer Entwicklung eines Zeitraumes von min- destens 4 Wochen. Berlin, den 7. Januar 1895.
Die Königlich Technische Deputation für das
Veterinärwesen. (folgen die Unterschriften sämmtlicher Mitglieder excl. der
Di eck erhoff's). Kritik
des ersten Obergutachtens der Technischen
Deputation für das Veterinärwesen zu Berlin.*) Der Schwerpunkt dieses Obergutachtens liegt in der
Behauptung, dass die Lähmung des Recurrens ein Ent- wicklungsstadium durchzumachen habe und dass dieses mindestens 4 Wochen Zeit in Anspruch nehme, bevOi die Lähmung soweit gediehen sei, dass das Kehlkopfpfeifen in Folge derselben e r k e n n b a r hervortrete. Rationelle Gründe für diese Behauptung sind weder in dem Gutachten der Technischen Deputation und Dieckerhoffs noch in |
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*) (cf. Nr. 9 der Deutschen Thierärztl. Wochenschr. 2. März 1895).
C*
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den Arbeiten M ö 11 e r's (Kehlkopfpf. d. Pf.) und in dem von
Eggeling in der rubr. Streitsache abgegebenen Privat- Gutachten oder sonst irgendwo beigebracht. Dieckerhoff ignorirt in seinem Gutachten, welchem
sich Eggeling in allen Stücken anschliesst, bei seiner Be- weisführung den Antheil des Recurrens an dem Zustande- kommen des Kehlkopfpfeifens vollständig und basirt seine Beweisführung auf ganz irrelevante Folge- erscheinungen der Recurrenslähmung. Die Muskeldegeneration hat aber mit dem Kehlkopfpfeifen ab- solut gar nichts zu schaffen, sondern ausschliesslich die Lähmung, wie dadurch nachgewiesen wird, dass nach dem Abschneiden des Recurrens trotz völlig intakter Muskeln das Kehlkopfpfeifen sofort — also erkenn- bar — auftritt. Die Nervenlähme resp. das Kehlkopfpfeifen ist also in
solchen Fällen, wie sie Dieckerhoff anführt, schon lange vor der Zeit, als es erkannt wurde, vorhanden gewesen, wenn es auch wegen nicht vorgenommener sach- kundiger Untersuchung bis dahin verborgen geblieben war — durch ein Nichterkennen vorhandener Lähmung kann aber logischerweise ein Entwicklungs- stadium nicht begründet werden! Auch Professor Möller scheint der Ansicht jener beiden
Professoren zu huldigen, er sagt in seiner Broschüre über das Kehlkopfpfeifen der Pferde pg. 15, dass nach Durch- schneidung des N. laryng. sup. 6 Wochen später sämmtliche Kehlkopfmuskeln der betr. Seite, „atrophisch" und bei einem anderen Pferde 4^2 Monat nach der Operation „hoch- gradige Atrophie" derselben angetroffen wurde, dass aber trotzdem bei beiden Pferden bis kurz vor dem Tode die Abwesenheit des Kehlkopfpfeifens festgestellt sei!! Möller verlangt also für das Zu- standekommen des Pfeifens noch mehr als 4x/2 Monat resp. mehr als hochgradige Atrophie!! Es kann, beiläufig bemerkt, nur angenommen werden, dass seine Untersuchung nicht ausreichend war, um das vorhandene Kehlkopfpfeifen fest- zustellen, und dass überhaupt eine Täuschung vorliegt. (Der N. laryng. sup. hat mit der Innervation der Kehlkopfmuskeln absolut garnichts zu schaffen!) (cf. Prof. Munk, Archiv f. wiss. und prakt. Th. Bd. XII 3). Uebrigens aber geht die Technische Deputation auf solche myopathische Beweisführungen nicht weiter ein. Für die Existenz eines Entwicklungsstadiums wird
weiter von Dieckerhoff (Diag. d. Kehlk. pg. 8) angeführt, dass er beobachtet habe, dass sich erst 6 resp. 9 Wochen |
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nach Ablauf der spez. Brustkrankheit der Fehler bemerkbar
machte und allmählich einen höheren Grad erreichte, sowie dass Besitzer das Rohren bei den betreffenden Pferden erst 7—8 Wochen nach Beginn der Krankheit beim Reiten hörten. Er schliesst hieraus, dass das Kehlkopfpfeifen einer Ent- wicklungszeit von mindestens 4 Wochen bedürfe. Solche Thatsachen berechtigen aber durchaus nicht zu der Annahme eines Entwicklungsstadiums, also auch nicht einer mindestens 4 wöchigen Dauer desselben, da es einmal gar nicht feststeht, wie lange die Recurrenslähmung vor- der Zeit, als sie erkannt wurde, bereits bestand, und weil dieselbe sehr wohl erst zu der Zeit, als das Kehlkopfpfeifen be- merkt wurde, eingetreten sein konnte: treten doch Recurrens- und andere Nervenlähmungen bei und nach Influenza plötzlich auf, sowie auch andere Nervenleiden selbst einige Wochen resp. einige Monate nach derselben plötzlich erscheinen und auch nach Vergiftung z. B. mit Lath. cicer, selbst bis zur 9. Woche, nachdem die Verab- reichung derselben aufgehört hatte, plötzlich Kehlkopf- pfeifen hervortrat (cf. oben, Anmerkung), ohne dass am Recurrens oder den Kehlkopfmuskeln irgend welche Veränderung gefunden wurde. Die Behauptung Dieckerhof f's (Diag. pg. 9), dass keine
Thatsachen vorliegen, welche die Annahme einer plötzlichen Entstehung des Kehlkopfpfeifens rechtfertigen, ist von mir bereits als nicht zutreffend nachgewiesen und auch von der Technischen Deputation als begründet nicht anerkannt. Auf Grerlach's und Bruckmüller's „myopathische"
Formen des Kehlkopfpfeifens brauche ich wohl nicht näher einzugehen, da ich deren Nichtexistenz bereits früher nachgewiesen habe (Jahresber. d. Th. z. H. 1871, pg. 105, und Deutsche Thierärztl. Wochenschr. 1894, pg. 421) Nervenlähmungen entstehen bekanntermassen entweder
in Folge materieller Aenderungen der Substanz oder in Folge anatomisch nicht nachweisbarer dynamischer Störungen. Bei ersteren ist eventuell ein Entwicklungsstadium nachzuweisen, bei letzteren nicht. Makroskopischund mikroskopisch wahrnehmbare Aenderungen der Substanz treten bei letzteren immer erst nach längerem Bestehen der Funktionsstörung hervor und so findet man denn auch bei notorisch monatelangem Bestehen des Kehlkopfpfeifens und in Folge der Nervenlähmung entstandener sehr hoch- gradiger Muskelatrophie recht oft noch keine Aenderung der Substanz des Nerven. Nun aber ist es einem jeden erfahrenen praktischen Thier-
arzte bekannt und wird das auch von den drei Mitgliedern |
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der TechnischenDeputation,ProfessorenDieckerhoff, Möller
und Eggeling, den einzigen, denen eigene ausgiebigere, in thierärztlicher Praxis oder Klinik, erworbene Erfahrung zur Seite stehen dürfte, bestätigt werden, dass sich Nerven- lähmungen bei Thieren nur ganz ausnahmsweise und sehr selten in Folge anatomischer Vorgänge langsam entwickeln, dass dieselben vielmehr regel- mässig und ohne alle Vorbereitung urplötzlich hervortreten, sich also als dynamische s. g. Neurosen charakterisiren. Ich erinnere hier nur an die partiellen und centralen Lähmungen des Facialis, der oberen Halsnerven, einzelner Stämme des Plexus brachialis, des Cruralis und des Plexus sacralis etc. Dieser positiven Erfahrung entgegen nimmt die Technische
Deputation gleichwohl keinen Anstand zu behaupten, dass die Entstehung der Recurrenslähme in der Regel und mit nur sehr seltenen Ausnahmen langsam erfolge und zu ihrer Entwicklung bis zum erkennbaren Kehlkopfpfeifen eines Zeitraumes von mindestens 4 Wochen bedürfe! wiewohl sie mit vollem Rechte ausdrücklich betont, dass sich der N. recurrens bezüglich des Vorkommens von Lähmungen hinsichtlich der Zeitdauer ihrer Entwicklung von anderen Nerven nicht unter- scheide! Bezüglich der Folgen der Lähmung macht sich
zwischen diesen und jenen nur der Unterschied geltend, dass sich die Funktionsstörungen bei letzteren sofort durch Formveränderungen zu Tage liegender Körpertheile, resp. durch auffallende Unthätigkeit der von denselben versorgten Muskeln offenbaren, während die vom Recurrens ver- sorgten Muskeln verborgen liegen und ihre ge- störte Innervation erst dann zu unserer Kenntniss gelangen kann, wenn eingeathmete Luftsäulen so heftig auf den Aryknorpel drücken, dass dieser wegen m. w. gestörten Leistung seiner Muskeln dem Druck nachzugeben gezwungen ist und in den Kehlkopf hinein gepresst wird. Wann und wie heftig solche Zustände eintreten, ist einmal davon abhängig, in welcher Ausdehnung der Nerv gelähmt ist, und dann davon, in welchen Verhältnissen sich die Thiere befinden. Der Kehlkopf ist, selbst bei Recurrenslähme, immer geöffnet, sein freier Raum genügt, eventuell durch die Bewegung des Aryknorpels der gesunden Seite, für gewöhnliches Luftbedürf- niss, erst wenn letzteres grösser, resp. sehr gross wird, muss weitere Muskelthätigkeit eingreifen; das ist besonders der Fall, wenn durch plötzliche und energische aus- |
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giebige Erweiterung des Brustkorbes eine für
die gegebenen Verhältnisse zu grosse Luft- säule mit Gewalt auf den Kehlkopf gepresst wird. Ob und wann die Folgen der Recurrens-
lähmung wahrnehmbar werden, ist also von dem Auftreten dieses räumlichen Missverhältnisses ganz ausschliesslich abhängig. Im Falle ausgedehnterer oder vollkommener Lähmung des
Nerven genügt schon eine etwas rasch eingesogene, wenn auch nicht bedeutende Luftsäule, um den von Muskelkraft verlassenen Aryknorpel mit fortzureissen, und tritt dann das Kehlkopfpfeifen, namentlich bei jungen Pferden, bei welchen die Verbindungen des Aryknorpels noch keine be- sondere Rigidität erlangt haben, sofort hervor. K o m- p 1 e t e plötzliche Lähmung ist allerdings nicht häufig, sie ist aber bei und nach Infektionskrankheiten, Erkältungen, Lathyr. cicer., Lathyr. sativ. etc. und nach noch nicht näher bekannt gewordenen Ursachen genugsam festgestellt. In der überwiegenden Mehrzahl aller Fälle erfolgt die
Recurrens]ähmung zunächst nur partiell, wie der patholo- gische Zustand der von ihm versorgten Muskeln nachweist. Je nach den Dienstanforderungen kann dann
das Kehlkopfpfeifen vielleicht erst längere Zeit nach dem Entstehen der Recurrenslähmungzu Tage treten, wird auch wohl wegen Indolenz oder Un- kenntniss der Pferdebesitzer überhört, wiewohl dasselbe sofort durch eine ordnungsmässige Untersuchung erkannt sein würde. Man könnte vielleicht sagen, dass es sehr wohl denkbar
sei, dass anfänglich nur ein so geringer Theil des Nerven gelähmt werde, dass sich eine Funktionsstörung der Muskeln noch nicht bemerkbar mache, und dass solches erst bei weiterem Fortschreiten der Lähmung eintrete. Denken kann man sich allerdings sehr vielerlei, aber nachweisen nicht, und darauf kömmt es doch gerade an, wenn man, namentlich aber bei Rechtsstreiten, ein Entwick- lungsstadium als Basis einer langsamen Entstehung des Kehlkopfpfeifens heranziehen will. Eine Lähmung, die nicht nachweisbar ist, existirt weder wissen- schaftlich noch forensisch, eine Zurückdatirung kann nur auf positive Unterlage, nicht aber auf Hypothesen gestützt werden. Ist man nun wohl berechtigt, daraus, dass der Eintritt
der Recurrenslähmung nicht sofort, wie bei anderen |
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Nervenlähmungen in die Augen fällt — auf ein minde-
stens 4 Wochen dauerndes Entwicklungsstadium zu schliessen und die Existenz desselben sogar als „wissenschaftliche E rf ahrung" (!) hinzustellen, während, wie auch die Tech- nische Depatation zugibt, die Recurrenslähmung jederzeit plötzlich selbst im ganzen Umfange ent- stehen kann? Dazu liegt denn doch gar keine Be- rechtigung vor! Welches sind denn die Zustände dynamisch gelähmter
Nerven, die eines Zeitraums von mindestens 4 Wochen bedürfen, um endlich zur Funktionsstörung zu führen? So lange diese nicht nachgewiesen sind, liegt auch keine Berechtigung vor, ein solches Entwicklungsstadium (einen paralytischen Keim [!!]) anzunehmen, zumal solches bei gleichen Lähmungen an- derer Nerven fehlt und deshalb auch von Niemandem be- hauptet wird. Fehlt aber ein Entwicklungsstadium der
Recurrenslähmung, so fehlt dasselbe auch bezüg- lich desKehlkopfpfeifens, da dieses kein selbständiges Leiden ist, sondern ausschliesslich durch die Recurrenslähmung bedingt wird. Ist sonach die Unterlage, auf welcher sich das Ober-
gutachten der Technischen Deputation aufbaut, als eine un- erwiesene sogar mehr als kühne Hypothese nachge- wiesen, so müssen auch die auf dieselbe gestützten weiteren Ausführungen und Behauptungen von selber fallen, doch will ich auch diese einer weiteren Analyse nicht entziehen. Die Technische Deputation sagt: „Es sei nur ganz aus-
nahmsweise im Anschluss an gewisse Krankheiten oder in Folge von Vergiftungen beobachtet, dass sich die allmähliche Entwicklung des Kehlkopfpfeifens be- züglich seiner körperlichen Ursache in kürzerer Frist als 4 Wochen vollzogen" und „dass die plötzliche Ent- stehung der Recurrens]ahme an bestimmte nur selten zu beobachtende ursächliche Verhältnisse geknüpft sei", und folgert weiter, „da sich das Pferd weder vor noch nach dem 29. Sep- tember 1893 jemals krank gezeigt habe, dass auch in diesem Falle das Kehlkopfpfeifen in der gewöhnlichen Weise lang- sam entstanden sein müsse." Was man damit sagen will, „dass sich die allmähliche
Entwicklung des Kehlkopfpfeifens bezüglich seiner körper- lichen Ursache in einer kürzeren Frist als 4 Wochen voll- zogen", scheint mir nicht ganz klar. Körperliche, also greifbare Ursachen fehlen bei dynamischen Nerven- lähmungen zunächst stets, sie sind bei auf anderen |
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Verhältnissen beruhenden Kehlkopfpfeifen vorhanden, um
solche handelt es sich aber nur ganz ausnahmsweise, und zwar bei etwa 4o/0 aller Pfeifer, in diesem Falle aber nicht. In fast allen Fällen von Recurrenslähmen bilden dyna- mische Missverhältnisse den Ausgangspunkt des Leidens, jene dürften deshalb auch hier wohl ganz ausge- schlossen bleiben. Bezüglich der ursächlichen Verhältnisse des rascheren
Entstehens der Recurrenslähme kann ich dem Gutachten leider auch nicht beipflichten. Die Technische Deputation behauptet, „dass das plötzliche resp. frühere Auftreten des Kehlkopfpfeifens (vor 4 Wochen) nur ganz ausnahmsweise im Anschluss an gewisse Krankheiten oder in Folge gewisser Vergiftungen beobachtet werde." Diese Be- hauptung widerspricht der sehr bekannten Erfahrung, dass das Auftreten plötzlicher Recurrenslähme geradeso, wie anderer Nervenlähmungen, durchaus nicht an das Vor- handengewesensein gewisser Krankheiten oder Ver- giftungen gebunden ist, dass solche vielmehr in der bei Weitem überwiegenden Mehrzahl aller Fälle ja fast immer bei bis dahin ganz gesunden, vorher nicht krank gewesenen Thieren auftreten, ohne dass man eine bestimmte Ursache nachweisen könnte—man bleibt dann auf die Annahme rheumatischer etc., also unbekannter Einflüsse beschränkt. Mit der Behauptung, dass die plötzliche Entstehung
der Recurrenslähmung an bestimmte ursächliche Ver- hältnisse geknüpft sei, eilt die Technische Deputation dem heutigen Standpunkte der Wissenschaft weit voraus: eine nähere Bezeichnung derselben würde sehr erwünscht sein. Bislang haben solche Behauptungen keinen Werth, sie können deshalb auch nicht als Beweismaterial benutzt werden. Die Argumentation des Gutachtens, dass deshalb, weil
ein plötzliches Entstehen hier nicht nachgewiesen sei(?!) und weil das Pferd nach dem 5. Oktober 1893 an keiner Krankheit gelitten hat, welche das Kehlkopf- pfeifen hätte zur Folge haben können — die Lähmung die gewöhnliche langsame Entwicklung durchgemacht haben müsse — entbehrt sonach jeder Begründung, zumal letztere gar nicht nachzuweisen ist. Bezüglich der Vergiftungsfrage kann ich mich ganz kurz
fassen, da Jedermann weiss, dass zu einer Vergiftung immer eine gewisse Dosis erforderlich ist, die nach Individualität abweichen kann, und dass daraus, dass andere Pferde, die in demselben Stalle standen etc., nicht erkrankten, nicht |
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gefolgert werden kann, dass auch dieses nicht vergiftet sein
konnte — doch das hat ja in diesem Falle, wo eine Einwirkung von Gift gar nicht nachgewiesen ist, keine weitere Bedeutung. Schliesslich behauptet das Gutachten (gleich Diecker-
hoff), dass das Kehlkopfpfeifen im Anfange der Entwicklung der Nervenlähme nicht immer hervortrete, und will damit beweisen, dass das negative Untersuchungsresultat der Offi- zierspferde-Kommission vom 29. September 1893 deshalb nicht gegen die Annahme streite, dass dieselbe bereits damals in der Entwickelung begriffen war; sie erkennt aber an, „dass diese Untersuchung geeignet war, bereits nachweis- bares Kehlkopfpfeifen zu erkennen." Woher weiss denn die Technische Deputation, dass das Kehl-
kopfpfeifen im Anfange der Entwicklung (?) der Nervenlähme nicht immer hervortritt? Ist eine Entwicklung dynamischer Nervenlähme trotz fehlender Funktionsstörung schon jemals nachgewiesen? Woran erkennt sie denn die Gegenwart des Entwicklungsstadiums? Sind das vielleicht noch Nachklänge des myopathischen Standpunktes, oder der nicht zu erweisen- den Annahme, dass die Nervenlähme zunächst nur einen ganz irrelevanten Theil des Nerven treffe und sich deshalb noch nicht durch Funktionsstörung äussern könne? Jedenfalls bleibt auch diese Behauptung der Techni-
schen Deputation bislang ohne jede Begründung, sie kann also auch nicht dazu dienen, den Werth des Untersuchungs- resultats vom 29. September 1893 in irgend einer Weise zu beeinträchtigen. — Nach Lage der Akten steht fest, dass das Pferd a m
29. September 1893 mit dem Kehlkopfpfeifen noch nicht behaftet war, aber später an demselben litt; es muss deshalb, wie aus vorstehenden Erörterungen erhellt, ange- nommen werden, dass die Lähmung des Recurrens erst nach dem 29. September 1893 entstanden ist. Die Gegenwart des Leidens am Lieferungstage, am 5. Ok- tober 1893, ist weder behauptet noch nachgewiesen, also kann auch nicht angenommen werden, dass es bereits zu dieser Zeit bestanden habe. — Zu der Annahme eines verborgenen Entwicklungs-
stadiums der Recurrenslähmung überhaupt undzuder einer mindestens 4 Wochen langen Dauer desselben, liegt nach vorstehenden Erörterungen weder eine wissen- schaftliche noch eine durch die Erfahrung begrün- dete Berechtigung vor, also auch nicht zu der Behauptung, dass das Kehlkopfpfeifen eines Zeitraumes von mindestens •4 Wochen bedürfe, um erkennbar hervorzutreten. — |
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Zweites Obergutachten
der Technischen Deputation für das Veterinärwesen
zu Berlin.*)
„In Bezug auf das von uns bereits abgegebene Gutachten
bemerken wir, dass wir auch ohne Zuziehung des Professor Eggeling zu keinem abweichenden Ergebniss gelangen. Prof. Eggeling war bei der Fassung des Gutachtens nicht betheiligt, sondern hat sich demselben lediglich durch Namen s- unterschrift angeschlossen. Wir verweisen daher hinsichtlich der Erledigung des Beweisbeschlusses vom 4. 7. 94. auf das schon erstattete Gutachten, welches wir in allen Punkten aufrecht erhalten. Dieses Gutachten erleidet auch bei Berücksichtigung der Ausführungen des Beklagten in den Schriftsätzen vom 17.2. und 27.3.95 und durch das Resultat der fortgesetzten Beweisaufnahme keine Aenderung. Insbesondere wiederholen wir, dass auch bei gegen-
wärtiger Sachlage kein Anhaltspunkt dafür vorliegt, dass in» dem gegebenen Falle das Kehlkopf pfeifen eine ausnahmsweise schnelle Entwicklung gefunden hat, und daher diese Art der Entwicklung des in Rede stehenden Leidens bei dem streitigen Pferde nach Lage der Akten als ausgeschlossen betrachtet werden muss, denn die Zeugen Habicht und Ditszum haben auch bei ihrer neuerlichen Vernehmung im Wesentlichen dieselben Thatsachen bekundet, wie bei der ersten. Die Behauptung des Beklagten, dass das Kehlkopfpfeifen bei der streitigen Stute nur einer sehr kurzen Entwicklungs- frist bedurft habe, beziehungsweise urplötzlich entstanden sei, findet somit in dem aktenmässigen Thatbestande keine Stütze, sondern wird durch denselben wider- legt. (!?) Die Annahme des Beklagten hinsichtlich der Aufnahme
von Giften als mögliche Entstehungsursache des Kehlkopfpfeifens bei dem streitigen Pferde und die Be- hauptung, dass eine Verletzung oder Lähmung des zurücklaufenden Nerven durch Schlag, Stoss oder Druck eintreten könne, ohne dass ausser lieh überhaupt etwas wahrnehmbar sei, sind willkürlich und können daher eine weitere Beachtung nicht beanspruchen. Aehnlich verhält es sich mit der Ansicht des
Beklagten über die Zurückdatirung des Kehlkopf- pfeü'ens in jenen Fällen, in welchen eine Allgemein- *) cf. (Nr. 35 der Deutschen Thierärztl. Wochenschrift 1895.)
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erkrankung oder eine Erkrankung des den Nervus
recurrens umgebenden Gwebes nicht nachgewiesen ist. Wir haben bereits in unserem ersten Gutachten die Umstände angegeben, aus welchen wir die An- nahme ableiten mussten, dass das streitige Pferd bereits vor dem 29.9.93 mit dem Kehlkopfpfeifen, beziehungsweise dessen körperlicher Ursache be- haftet gewesen ist,(?) hiernach ist die Feststellung des Beginns des fraglichen Leidens genau auf den Tag, von welchem Beklagter in seinen Schriftsätzen mehrfach spricht, unerheblich. Da auch die übrigen Ausführungen des Be- klagten die Schlussfolgerungen unseres ersten Gutachtens nicht zu ändern vermögen, so geben wir das erforderte Gut- achten dahin ab: Gutachten:
„Das von uns bereits erstattete, Blatt 160
bis 173 der Akten befindliche Gutachten vom 7. Januar 1895 ist auch bei gegenwärtiger Lage der Sache in allen Punkten aufrecht zu erhalten." Berlin, den 8. Mai 1895.
Die Kgl. Techn. Deputation für das Veterinärwesen. (Folgen die Unterschriften sämmtlicher Mitglieder mit
Ausschluss der Prof. Dieckerhoff, Eggeling und Möller (cf. oben), letzerer war bei seinem Abgänge aus dem Staats- dienste ausgeschieden, erstere beiden hatten bereits Privat- gutachten abgegeben und waren deshalb ausgeschlossen.) Kritik
des zweiten Obergutachtens der Deputation.*)
Die vorstehende zweite obergutachtliche Aeusserung der
Techn. Deputation gibt, abgesehen von den vorstehenden Aus- führungen der Kritik des ersten Obergutachtens derselben, auf welche hier besonders Bezug genommen wird, zu nachstehenden Ausstellungen Anlass: Die Deputation behauptet, „dass eine schnelle Ent-
wicklung des in Rede stehenden Leidens bei dem streitigen Pferde nach Lage der Akten als ausgeschlossen be- trachtet werden müsse, denn die Zeugen Habicht und Ditszum haben bei ihren neuerlichen Vernehmungen im Wesentlichen dieselben Thatsachen bekundet wie bei der ersten." |
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*) (cf. Nr. 35 der Deutschen Thierärztl. Woclienachr. 1895.)
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Anmerkung. Der Zeuge Habicht hat bei dieser Ver-
nehmung nur bekundet: „Die in Rede stehende Fuchsstute wurde, als sie
nach J. kam, in den H.'sehen Pferdeställen eingestellt, in denen unter anderen auch mein Pferd stand. Der Kläger unterstellte es meiner Aufsicht. Ich sah mehr- mals des Tages nach, ob das Pferd gut bedient wurde, beobachtete auch, wenn es im Hofe geputzt wurde, und besah es mir äusserlich genau, insbesondere, wenn ich es ritt. Eine Untersuchung auf innere Verletzungen habe ich nicht vorgenommen, da mir dazu die Sach- kenntniss fehlte, der Nervus recurrens ist mir bis jetzt ganz unbekannt gewesen." „Am Montage den 9.10.93 bin ich auf der Fuchs-
stute mit dem Major Seh. zusammengetroffen. Ich weiss, dass es an einem Montage in der ersten Hälfte des Oktober war, nach meiner Berechnung kann es kein anderer Tag als der 9. gewesen sein. Der Kläger war erst ganz kurze Zeit im Besitze des Pferdes, wie lange, kann ich nicht angeben." Auf Befragen des Anwalts des Beklagten gab der Zeuge noch an, „dass er das Pferd durch Betrachten (Betasten?) und Beklopfen nicht untersucht habe, ausser dass er etwa nach dem Reiten an den Beinen strich." (Die Aussage des Zeugen, Major Seh., ging bei seiner früheren Vernehmung dahin, dass er damals, als er neben dem Zeugen Habicht in tiefem trockenen Sande ritt, den Kehlkopfton gehört habe.) Zeuge Ditszum machte nachstehende Aussage:
„Ich habe die Fuchsstute überhaupt nicht geritten, ich ritt aber öfters daneben, wenn der Kläger dieselbe ritt. Den pfeifenden Ton habe ich nur gehört, wenn sie an- gestrengt wurde, sowohl im Galopp als im Trab. Nach meiner Ansicht kam der Ton aus der Nase und nicht aus dem Maule, doch bin ich dazu nicht sachverständig genug, um das beurtheilen zu können Ob ich den Ton bereits vor oder erst nach dem 12.10.93 wahrgenommen habe, ist mir nicht bekannt. Dem Kläger habe ich von meiner Beobachtung nicht sofort, sondern erst nach einer gewissen Zeit Mittheilung gemacht, näher kann ich die Zeit nicht bestimmen." Begründet wird die Ausschliessung eines raschen
Entstehens des Leidens durch diese Aussagen also nicht; ebenso wenig haben die Akten irgend einen sonstigen Anhaltspunkt für solche Ausschliessung ergeben, wie auch nicht für die Annahme, dass sich das Leiden bei der Stute langsam entwickelte; sie enthalten in beiden Beziehungen |
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keine einzigen weiteren Angaben, als die durchaus
willkürliche Behauptung Dieckerhoff's, Eggeling's und der Deputation, „dass die Entwicklung des Kehl- kopfpfeifens, bis zur Erkennbarkeit, eines Zeit- raumes von mindestens 4 Wochen bedürfe", eine Be- hauptung, die, trotz wiederholter öffentlicher Auf- forderung, bislang ohne die allergeringste Begründung ge- lassen worden ist. Die Behauptung der Deputation, dass nach Lage
der Akten eine schnelle Entstehung des Kehlkopfpfeifens als ausgeschlossen betrachtet werden müsse, entspricht deshalb dem aktenmässigen Thatbestande nicht! Es dürfte Pflicht der Deputation sein „den Wortlaut der Akten" zu veröffentlichen, auf welchen sich diese ihre Be- hauptung gründet. Mir hat es trotz grosser Aufmerksamkeit nicht gelingen wollen, in denselben auch nur den allerge- ringsten Anhalt dafür aufzufinden. Ebenso wenig haltbar erscheint auch die Annahme
der Deputation: „die Behauptung des Beklagten, das Kehl- kopfpfeifen habe bei der Stute nur einer sehr kurzen Ent- wicklungszeit bedurft, beziehungsweise sei urplötzlich ent- standen, finde in dem aktenmässigen Thatbestande keine Stütze, werde vielmehr durch denselben widerlegt" (!!) Aktenmässig ist festgestellt, dass das streitige
Pferd, so lange es im Besitze des Beklagten war, niemals am Kehlkopfpfeifen litt, und dass es auch bei der am 29.9.93, dem Tage des Handelsabschlusses, ad hoc vorgenommenen sachverständigen Untersuchung, deren Exaktheit von Niemandem bestritten worden und von welcher die Deputation in ihrem ersten Obergutachten sagt, „dass sie geeignet war, um bereits nachweisbares Kehlkopfpfeifen zur Wahrnehmung zu bringen" — völlig frei vom Kehlkopfpfeifen gefunden worden ist. Das Leiden wurde zuerst am 9. 10. 93 beobachtet und am 20. 10. 93 durch thierärztliche Untersuchung festgestellt. Ich frage nun, was verlangt denn die Deputation sonst
noch an Nachweisen für eine rasche Entwicklung des Kehlkopfpfeifens? Existirt überhaupt ein nicht nachweis- bares Kehlkopfpfeifen? Hat die Deputation ein solches jemals wahrgenommen, oder ist das nur ein Phantasiegebilde? Ich wiederhole: In dem aktenmässigen Thatbestande
findet sich auch nicht ein einziges Wort, welches gegen eine schnelle Entwicklung des Leidens bei dem streitigen Pferde spricht, oder eine langsame Ent- |
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stehung auch nur entfernt vermuthen lassen könnte!
Wie die Deputation Angesichts solchen Sachverhaltes be- haupten kann, dass durch den aktenmässigen That- b est and die Annahme einer sehr kurzen Entwicklungs- frist, beziehungsweise eines urplötzlichen Entstehens — keine Stütze finde, sondern sogar widerlegt werde — ist völlig unerfindlich. Ferner: Die Annahme des Beklagten hinsichtlich der
Aufnahme von Giften als Entstehungsursache des Kehlkopf- pfeifens bei streitigem Pferde und die Behauptung desselben, „dass eine Verletzung oder Lähmung des Recurrens durch äussere Einwirkung, ohne dass äusserlich überhaupt etwas wahrnehmbar sei, entstehen könne," bezeichnet die Depu- tation als „willkürlich" und versagt ihnen des- halb jede weitere Beachtung. Thatsächlich kann die Recurrenslähmung nach solchen
Ursachen plötzlich entstehen (cf. oben und Gerichtl. Thier- heilkunde, Ger lach etc.); ob sie in diesem Falle eingewirkt haben oder nicht, ist allerdings nicht nachzuweisen. Wenn aber die Deputation „willkürlichen" Be-
hauptungen mit Recht jeden Werth abspricht, wie kann sie dann verlangen, dass ihren eigenen will- kürlichen Behauptungen, denen, trotzdem ihnen eventuell die Bezeichnung „wissenschaftliche Er- fahrung"^) beigegeben wird, bislang auchnicht die allergeringste Begründung zur Seite steht — ein grösserer Werth beigemessen werde und dass _ sie sogar dem Richter als Unterlage zur Entscheidung von Rechtsstreiten dienen sollen?! Die Ansicht des Beklagten über die Zurückdatirung des
Kehlkopfpfeifens stellt sie mit dem vorstehenden Passus auf gleiche Linie und beruft sich bezüglich der Widerlegung derselben, statt der bei diesem Kardinalpunkt der ganzen Kontroverse allein, aber dringend gebotenen Angabe von Gründen — auf die bereits widerlegten willkürlichen Behauptungen ihres ersten Gutachtens, ja sie geht jetzt sogar noch einen Schritt weiter und behauptet— dem aktenmässigen Thatbestande also geradezu widersprechend —, dass das streitige Pferd bereits am 29.9.93 mit dem Kehl- kopfpfeifen, beziehungsweise dessen körperlicher Ursache behaftet gewesen sei! Es ist höchst bedauerlich, dass die höchste Instanz,
trotzdem ihre, denen des Herrn Professor Dr. Di eckerhoff konformen Behauptungen als total haltlos und irrig öffentlich nachgewiesen sind, auf ihrem Standpunkte |
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beharrt und ihre Behauptungen kraft höchster In-
stanz durchzudrücken versucht, ohne trotz wieder- holter öffentlicher Aufforderung auch nur ein einziges Wort wissenschaftlicher Begründung vorzubringen, oder vor- bringen zu können! — Anmerkung. Das Prozessgericht hat in dieser Sache am 15. Juni
1895 nachstehendes Urtheil verkündet: Urtheil erster Instanz.
Kläger wird mit seiner Klage abgewiesen und
werden ihm die Kosten des Rechtsstreites zur Last gelegt. Gründe.
Der Antrag des Klägers geht auf Verurtheilung des Beklagten zur
Rückzahlung des Kaufpreises von 2000 Mk. nebst 5 °/° Zinsen seit 1. November 1893 gegen Rückempfang der Fuehsstute in J. als Ort der Uebergabe. Zur Begründung dieses Antrages behauptet der Kläger, dass die Stute schon vor der Uebergabe an ihn mit dem Fehler der Dämpfig- keit (das Kehlkopfpfeifen ist eine Art der Dämpfigkeit) behaftet gewesen sei. Zwar habe er diesen Fehler erst nach der Uebergabe festgestellt, beziehungsweise feststellen lassen, doch sei nach Anhang § 14 zu 205 f. 11, A. L. R. zu vermuthen, dass dieser Fehler schon vor der Uebergabe, welche der Kläger auf den 5.10.93 setzt, vorhanden gewesen sei. Habe er auch erst durch sein Schreiben vom 21.10.93 dem Beklagten (diesem am 24.10.93 zugegangen) das Vorhandensein des Kehlkopfleidens mit- getheilt, so sei doch die Frist des § 200 gewahrt, da die Untersuchung über den Zeitpunkt der Entstehung dieser Krankheit auch noch nach dem 22.10. sehr wohl erfolgen konnte. Dieser Ansicht der Wahrung seitens des Klägers
konnte nicht beigetreten werden. Zunächst ist dem Präjudiz des früheren Obertribunals folgend,
daran festgehalten, dass der § 200 a. a. O. sich auch auf Anhang § 14 bezieht. Da weiter der Kläger die Stute erst am 22.23.10 durch den Ross-
arzt R. und Oberrossarzt H. hat untersuchen lassen, während der Kläger, wie aus dessen Briefen vom 11. und 22.10. zu entnehmen ist, das Kehl- kopfpfeifen bereits am 12.10. erkannt hatte, so ist unter Berücksichtigung, dass nach dem Gutachten des Professor Günther wie nach dem Gut- achten der Techn. Deputation zu Berlin — nach der Ansicht des ersteren das Kehlkopfpfeifen auch plötzlich, nach der Ansicht des letzteren in kurzer Zeit auftreten kann — ein 8tägiges Warten, wie es Seitens des Klägers geschehen ist, eine Säumniss, durch welche der Kläger die Ver- muthung aus § 14 Anhang verloren hat. Der Kläger hat deshalb den Beweis zu erbringen,
dass das Pferd schon zur Zeit der Uebergabe an ihn mit dem Kehlkopf leiden behaftet, bezw. der Krank- heitsgrund schon vor der Uebergabe imThiere vor- band o n w a r. (§ 203 a. a. O. und Entschd. des früheren Obertribunals vom 17. November 1891.) Diesen Beweis hat der Kläger durch das Gutachten des Prof.
Dr. Dieckerhoff und der Techn. Deputation für das Veterinärwesen zu Berlin angetreten, und der Beklagte hat durch das Gutachten des Oberrossarzt K. und des Prof. Günther den Gegenbeweis angestrebt. Auf die an die Sachverständigen nach den Beweisbeschlüssen vom
30.12.93 und 4.7.94 gerichteten Fragen haben geantwortet: |
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1. Prof. Dr. Dieck erhoff:
„Die Krankheit des Kehlkopfpfeifens, wie solche vom Oberrossarzt
H. und dem Rossarzt R. nach deren Attest vom 26. Oktober 1893 bei dem streitigen Pferde festgestellt ist, bedarf zu ihrer Entwicklung eines Zeitraumes von mindestens 4 Wochen." 2. Prof. Günther:
„Es kommen Fälle vor, in welchen das Kehlkopfpfeifen für seine
Entwicklung bis zur äusseren Erkennbarkeit einer nachweisbaren Frist überhaupt nicht bedarf, dasselbe kann vielmehr jederzeit urplötzlich und zwar in jedem Grade erkennbar hervortreten; die Bedingungen, unter welchen solch plötzliches Hervortreten statt hat, sind nicht genau zu präzisiren." 3. Technische Deputation für das Veterinärwesen
zu Berlin: „Es ist nach Lage der Sache anzunehmen, dass das von dem Ober-
rossarzt H. am 20. Oktober 1893 konstatirte Kehlkopfleiden (Kehlkopf- pfeifen) der Fuchsstute auf eine Erkrankung des Pferdes zurückzuführen ist, weiche bereits vor dem 29.9.93 bestanden hat." „Das Kehlkopfpfeifen kann ausnahmsweise in kurzer Zeit auftreten.
In der Regel bedarf aber die dem Kehlkoijfleiden zu Grunde liegende Erkrankung bis zu dem Zeitpunkte, wo das Kehlkopfpfeifen wahrge- nommen werden kann, zu ihrer Entwicklung eines Zeitraumes von mindestens 4 Wochen." Auf Grund dieser Gutachten ist das Gericht zu der Ansicht ge-
kommen : 1. Die Behauptung des Klägers, dass in der Regel die dem Kehl-
kopfpfeifen zu Grunde liegende Erkrankung bis zu dem Zeit- punkte ihrer äusseren Erkennbarkeit eines Zeitraumes von min- destens 4 Wochen bedarf und dass das Kehlkopfpfeifen nur aus- nahmsweise in kurzer Zeit auftrete — ist wissenschaftlich nicht unanfechtbar.
2. Im vorliegenden Falle hat der Kläger dadurch, dass derselbe
nach Erkennen des Kehlkopfleidens 8 Tage hindurch (vom 12. Ok- tober. Tag seiner Wahrnehmung des Leidens, bis 20. Oktober, Untersuchung durch Oberrossarzt IT.) die Stute Weder in sorg- fältiger, sachverständiger Pflege gehalten hat, noch überhaupt thierärztlich hat. untersuchen lassen — sich ausser Stand gesetzt, ausreichende Stützpunkte dafür zu beschaffen, ob das Kehlkopf- leiden auf chronischer oder akuter Erkrankung beruht. — Auch die Technische Deputation für das Veterinärwesen
kommt nur nach Lage der Sache zu der Annahme, dass das am 20. Oktober konstatirte Kehlkopfleiden auf eine Erkrankung zurückzuführen ist, welche bereits vor dem 29. September 1893 (Tag der Uebergabe nach Behauptung des Beklagten) bestanden hat. Die Lage der Sache ist jedoch durch die eben zu 2 erwähnte Säumniss des Klägers nicht derartig zureichend festgestellt, um den dem Kläger obliegenden Beweis für erbracht zu erachten, dass das Kehlkopf- leiden oder auch nur der Grund dieser Krankheit in dem Thiere schon vor dem 29. September oder 5. Oktober vorhanden war.....
.....Nimmt man indessen auf Grund der Sch.schen Aussage an,
dass die Stute am 9. 10. mit dem Kehlkopfleiden behaftet war, so ist
doch nicht ausgeschlossen, dass sich das Kehlkopfleiden in der Zeit vom 7. Oktober ab akut entwickelt hat. Es ist hier zu beachten, dass der Kläger am 7. Oktober dem Be-
klagten mittheilte, nicht nur, dass die Pferde gut angekommen, sondern auch, dass sie gestern und heute sehr gut gegangen sind. Beachtet |
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man weiter, dass die Pferde am 29.9.93 zu E. von dem Oberrossarzt K.
im Beisein der übrigen Mitglieder der Offizierpferde-Kommission auf das Genaueste, speziell auch auf Kehlkopfleiden, untersucht worden sind, und besonders diese Stute in einer Art, welche nach der Erklärung der Technischen Deputation etc. geeignet war, ein bereits nachweisbares Kehlkopfpfeifen zur Wahrnehmung zu bringen, so ist die Annahme einer akuten Entwicklung
nicht ausgeschlossen.
Das Kehlkopfleiden entwickelt sich nach dem Gutachten des Prof.
Günther plötzlich, ohne dass die Bedingungen, unter welchen solch plötzliches Hervortreten des Leidens statt hat, sich genau präzisiren lassen. Dieser Sachverständige sagt weiter: „Die Erkennbarkeit des Kehlkopfleidens tritt bei sachgemässer Untersuchung in jedem Grade hervor." Dass die K.sche Untersuchung am 29.9.93 nicht sachgemäss gewesen sei, diese Annahme ist ausgeschlossen: das Pferd ist bei dieser Untersuchung am 29.9.1893 mit herangenommenem (beigezäumtem) Kopfe über '/* Stunde in 2 Fuss tiefem, frisch aufgeschüttetem Sande galoppirt worden, ein verdächtiges Kehlkopfgeräusch ist nicht bemerkt worden. Stellt man hierzu das vom Beklagten angezogene Rostocker Gut-
achten des Prof. Dr. Dieckerhof'f, welches lautet: „Der abnorme Ton (des Kehlkopfpfeifens) wird bei vielen Kehlkopf-
pfeifern im ersten Krankheitsstadium und oft mehrere Monate selbst 1—2 Jahre hindurch nur dann hervorgerufen, wenn die Pferde mit heran- gezogenem (beigezäumtem) Kopfe in anstrengender Galopbewegung ge- braucht werden/ — so befremdet die Annahme der mindestens 4-wöchent- lichen Entwicklungsfrist in vorliegendem Falle um so mehr, als die Feststellung des Kehlkopfpfeifens durch den Zeugen Seh. am 9.10.93, durch den Kläger selber am 12. cj. und des hochgradigen Kehlkopf- pfeifens durch H. und B. am 20. und 23. Oktober, somit in einen Zeit- raum fällt, welcher nach der Ansicht des Prof. Dr. Dieckerhoff, wie der Technischen Deputation zu Berlin nicht in dem ersten Krank- heitsstadium liegt. Auch der Prof. Günther verwirft die Annahme der mindestens
4-wöchigon Entwicklungsfrist. Dass seine Ansicht eine unwissenschaft- liche sei, zu dieser Annahme konnte der Richer nicht gelangen, auch die Günther'sche Ansicht beruht auf Beobachtungen aus der Erfahrung. Im vorliegenden Falle bietet die Sachlage so wenig brauchbare,
bezw. zuverlässige Stützpunkte, dass sich die richterliche ueberzeugung nicht dahin festsetzen konnte, dass eine plötzliche Erkrankung der Stute ausgeschlossen sei. Dass entgegen der landrechtlichen 4-wöchentlichen Entwicklungs-
frist andere deutsche Gesetzbücher weit kürzere Fristen stellen, sei nebenbei bemerkt. Aus diesen Gründen ist der dem Kläger obliegende Beweis, dass
die Fuchsstute schon zur Zeit der Uebergabe an den Kläger — mag die Uebergabe am 29.9. oder erst am 5.10.93 erfolgt sein — mit dem Kehlkopfleiden behaftet gewesen ist, für geführt nicht erachtet worden. Solange dieser Beweis nicht geführt ist, gilt die Krankheit erst nach der uebergabe entstanden. Die Klage war daher abzuweisen und dem Kläger nach § 87 C.P.O.
die Kosten des Verfahrens aufzulegen. König 1. Amtsgericht zu T.
gez. B. |
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Gegen dieses Urtheil hat Kläger Berufung beim Landgerichte ein-
gelegt; die darauf ergangene Gerichtsentscheidung lautet wie folgt: Die mir jetzt zugegangene Entscheidung der IL Instanz
in Sachen B./W. lautet wie folgt: Der Beklagte wird verurtheilt:
a. dem Kläger die von demselben am 29. September
1893 zu E. verkaufte Fuchsstute Preciosa in J. ab- zunehmen und an den Kläger 2000 Mk. nebst 5°/o Zinsen seit dem 2. Dezember 1893, als dem Tage der Klagezusl allung, zu zahlen; b. die Kosten des Rechtsstreites zu tragen.
Gründe:
.... Der Beklagte hat auch noch ein weiteres schrift-
liches Gutachten des Geheimen Medizinalraths, Direktors der Thierärztlichen Hochschule a. D. zu Hannover, Professors K. Günther vom 2. Dezember 1895 (Promemoria),*) dessen Unterschrift beglaubigt ist, vorgelegt, in dem dieser Sach- verständige seine schon in erster Instanz aufgestellte Ansicht von der Möglichkeit des urplötzlichen Entstehens der hier in Rede stehenden Pferdekrankheit, der Dämpfigkeit, eingehend begründet hat und hat beantragt, nöthigenfalls noch ein Gut- achten der thierärztlichen Hochschule zu Hannover und der Veterinärdeputationen zu Dresden, München und Stuttgart zu erfordern. Das Berufungsgericht hält durch das Gutachten
der Königl. Techn. Dep. für das Veterinärwesen zu Berlin vom 8. Mai 1894 und 7. Januar 1895 zu seiner Ueberzeugung für dargethan, dass das vom Beklagten an den Kläger am 29. September 1893 verkaufte Pferd, das am 23. Oktober 1893 als unzweifelhaft dämpfig befunden worden ist, den Keim dieser Krankheit bereits vor diesem Zeitpunkte in sich getragen hat; mindestens ist bei der wissenschaftlichen Bedeutung, die diesen Gut- achten beizulegen ist, nach dessen Inhalt der nach dem Zwischenurtheile vom 5. November 1895 dem Beklagten noch obliegende Beweis des Gegentheils diesem nicht gelungen, und es kommt deshalb der Anhang § 14 zu § 205 Allg. Landr., Theil I, Tit. 11, gegen ihn zur Anwendung, woraus sich ergiebt, dass er dem Kläger für die Dämpfigkeit aufkommen muss. |
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*) S. Deutsche Thierärztl. Wochenschr. 1895 Nr. 50.
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Selbst durch die am 29. September 1893 von der Pferde-
kommission in Erfurt vorgenommene genaue Prüfung des Pferdes auch auf Dämpfigkeit ist der Gegenbeweis nicht ge- führt, wie ebenfalls nach den Gutachten der vorbenann- ten Behörde anzunehmen ist. Auch ist ein Verzicht des Klägers auf seine Rechte aus
der Gewähr im Anschluss a,uf diese Prüfung nicht nachgewiesen. Unter diesen Umständen kann es nicht darauf ankommen,
ob die Uebergabe des Pferdes rechtlich schon als am 29. Sep- tember oder erst am 5. Oktober 1893 erfolgt zu gelten habe, da nach dem Vorausgeführten die Entstehung der Krankheit in die Zeit vor dem 29. September fällt. Der hinsichtlich einer ausdrücklichen Verabredung über
die Art der Uebergabe vom Kläger dem Beklagten zuge- schobene, von ihm angenommene Eid ist deshalb unerheblich. Es musste deshalb der Beklagte, wie geschehen ist, zur Zurück- nahme des sich jetzt in J. befindlichen Pferdes und Heraus- zahlung des Kaufpreises ' von 2000 Mk. verurtheilt werden. Da ihm die Klage erst am 2. Dezember 1893 zugestellt ist, so ist er erst seit dieser Zeit im Verzug, wobei in Betracht kommt, dass erst durch die Zustellung der Klage der Be- klagte volle Gewissheit darüber erlangt hatte, dass die Vor- verhandlungen des Klägers mit ihm über die Zurücknahme des Pferdes zur Erhebung eines rechtlichen darauf gerichteten Anspruchs des Klägers geführt hatten, und gehörig prüfen konnte, ob dieser Anspruch begündet sei. Anderweit hat aber dem Kläger das Pferd wegen seines
Fehlers keinen dienstlichen Nuzen gewährt*) und es kann deshalb der Beklagte, der dem Kläger das Pferd zur Verwendung im Militärdienste verkauft hatte, eine Aufrech- nung der seit dem 2. Dezember 1893 laufenden Zinsen des Kaufpreises gegen solchen Nutzen nicht verlangen.....
(Folgen die Unterschriften.)
Anmerkung. Durch diese Entscheidung wird dargethan,
dass sich das Landgericht verpflichtet hält, den Darlegungen der auch zur Abgabe massgebender Obergutachten eingesetzten Fachbehörde unbedingt Folge zu geben, indem es als ganz selbstverständlich voraussetzen zu müssen glaubt, dass die höchste veterinärwissenschaftliche Instanz Preussens *) Bei der am 20. und 23.10.1893 vorgenommenen Untersuchung trat
das Kehlkopfpfeifen bereits nach 3 Minuten langer Galopprobe hervor. Nach der Zeit muss sich dasselbe wesentlich gebessert haben, denn der Kläger hat jezt dem Beklagten das Pferd, nachdem der Prozess entschieden war, trotzdem es nun fast 3 Jahre älter geworden ist, für den Preis von 1300 Mk. von neuem abgekauft. lieber den Verlauf des Leidens bei diesem Pferde Authentisches zu erfahren, habe ich mich leider vergebens bemüht. |
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in ihren Obergutachten dem gegenwärtigen Standpunkte der
Wissenschaft voll Rechnung getragen haben müsse und habe. Die technische Deputation erscheint demnach im Auge des Gerichts — unfehlbar! Die Entscheidung fällt also auf die Deputation zurück,
sie könnte event. dazu beitragen, eine die Wissenschaft und die Rechtsprechung schädigende Ueberschätzung ihrer wissen- schaftlichen Bedeutung gross zu ziehen und sie bei Abgabe ihrer Obergutachten weniger vorsichtig zu machen, zumal, wenn ihre Gutachten, wie das bislang geschieht, nachdem sie von Richter und Rechtsanwalt (vielleicht auch von Parteien), also jedenfalls nur von nicht sachverständigen Personen gelesen, von der Bildfläche verschwinden; sie werden dadurch jeder öffentlichen Kritik Sachverständiger, welche Verirrungen wirksam entgegenarbeiten könnten, ent- zogen ! Welche Behörde Preussens erfreut sich gleich unkon-
trolirbarer und unantastbarer Ausübung ihres Berufs? Selbst die höchsten richterlichen Instanzen treten im öffentlichen Interesse mit ihren Entscheidungen freiwillig an die Oeffent- lichkeit! Von einer zur Abgabe massgebender wissen- schaftlicher Obergutachten berufenen Fachbehörde sollte man doch im Interesse der Wissenschaft und der Rechtsprechung füglich Gleiches erwarten, hat sie doch die gleiche Pflicht, durch gediegene Obergutachten aufklärend und belehrend im Kreise der Fachgenossen zu wirken; sehr viele Prozesse würden dadurch vermieden werden! In wissenschaftlicher Beziehung wird durch diese
Gerichtsentscheidung absolut gar nichts geändert, auf der Deputation bleibt nach wie vor der Makel haften, dass sie für ihre, einer vernichtenden Kritik öffentlich unterzogenen obergutachtlichen Behauptungen kein Wort wissenschaftlicher Rechtfertigung zu finden vermag. Die technische Deputation hat aber als höchste Instanz
im Interesse der Wissenschaft und Rechtsprechung die heiligste Pflicht, die gegen ihre Obergutachten ge- richteten Angriffe in wissenschaftlicher Begründung öffent- lich zu widerlegen; thut sie das nicht, so könnte angenommen werden, dass sie sich ausser Stande fühlt, ihre Behauptungen vor dem Auge der Wissenschaft aufrecht zu erhalten, dass sie aber gleichwohl kein Bedenken trägt, sich im Vollgefühl ihrer hohen Staatsstellung über „solche Kleinigkeiten" hinwegzusetzen und sich als Selbstherrscherin der Wissen- schaft zu geriren, welche derselben willkürlich Gesetze vorschreiben und ihrem Fortschritt hindernd ent- gegentreten kann und darf. |
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Sollte diese Anschauung zutreffen, so würde sie das öffent-
liche Vertrauen, von welchem eine höchste Instanz ganz unbe- dingt getragen sein muss — zumal sich die Gerichte nicht in der Lage befinden, den Werth solcher Obergutachten zu prüfen — nicht bewahren können: die Rechtsprechung würde sich eventuell, wie das vorstehend geschehen zu sein scheint, zum Nachtheil der prozessirenden Partei auf willkürliche Behaup- tungen stützen, während sie glaubt, auf wissenschaftlicher Basis zu fussen! Dadurch würde ein ganz unhaltbarer Zustand geschaffen werden, eine Rechtsunsicherheit, die gebieterisch Abhülfe verlangen müsste! Prozesse wegen Kehlkopfpfeifens der Pferde schweben
fortwährend in sehr grosser Zahl, sie müssen sich leider bei der stetig zunehmenden Verbreitung des Leidens naturgemäss noch vermehren: es ist deshalb dringend geboten, dass die Wissenschaft über die Beurtheilung dieses Fehlers pro foro nach hundertjähriger Lethargie endlich zum Abschluss gelange! Im eigensten Interesse der höchsten Instanz, in dem der
Wissenschaft und Rechtsprechung, ergeht deshalb an die technische Deputation nochmals die Aufforderung, die in ihren bezüglichen Obergutachten aufgestellten Behauptungen wissen- schaftlich zu begründen und die auf dieselben erfolgten An- griffe öffentlich zu widerlegen, oder aber event. ihren Irrthum freimüthig einzugestehen, damit die Rechtsprechung soliden Boden wieder gewinne und die Bahn der Wissenschaft frei werde; irren kann ja Jeder, namentlich aber in Erfahrungs- wissenschaften — durch solche That würde ihr Ansehen nur gewinnen können. Aus den vorstehenden Nachweisen ergeben sich folgende
Resultate: Aphorismen.
1. Das auf Recurrenslähmung beruhende Kehlkopfpfeifen
ist dadurch bedingt, dass der Aryknorpel der aspi- rirten Luftsäule nicht aus dem Wege geräumt werden kann und dem Drucke derselben folgend den Kehl- kopfsraum beengt: es tritt deshalb ganz aus- schliesslich unter dieser Bedingung hervor. 2. Das Kehlkopfpfeifen beruht bei mindestens 96°/o
aller Pfeifer auf linksseitiger Recurrenslähmung, welcher sich ab und zu eine Betheiligung des recht- seitigen Nerven beigesellt, diese ist denn aber, jener gegenüber, stets weniger erheblich. Lähmung des rechtsseitigen Recurrens für sich allein ist nicht nachgewiesen. |
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3. Bis zum Nachweise anderer Ursache muss im
speziellen Falle die Recurrenslähme als vorhanden angesehen werden. 4. Das Kehlkopfpfeifen folgt der Recurrens-
lähmung auf dem Fusse nach, ohne dass an dem Nerv oder den Muskeln zunächst irgend eine Veränderung wahrnehmbar ist. 5. Die Atrophie der Kehlkopfmuskeln ist die irrelevante
Folge der Lähmung des Recurrens, also nicht die Ursache des Kehlkopfpfeifens. 6. Materielle Alterationen des Nerven kommen
bei frischen Lähmungen unter vielen tausend Fällen kaum einmal vor; die Nervenlähmung muss deshalb als eine dynamische angesehen werden. 7. Die Lähmung kann Infektionskrankheiten
begleiten oder folgen ebenso auch bestimmten Vergiftungen. In der bei Weitem überwiegenden Mehrzahl aller Fälle, denen jene gegenüber kaum in Betracht kommen, tritt die Lähmung bei bis dahin ganz gesunden Pferden urplötzlich ein, ohne dass ihrem Auftreten irgend ein Symptom von Krankheit oder Unpässlichsein vor- hergeht: Prodrome fehlen. 8. Ein langsames Entstehen dynamischer Re-
currenslähmung, also des Kehlkopfpfeifens, ist bislang in keinem einzigen Falle nach- gewiesen, das plötzliche Entstehen derselben dagegen sehr vielfach festgestellt. 9. Die Annahme eines Entwicklungsstadiums des
Kehlkopfpfeifens, also auch die eines solchen von mindestens 4 wöchiger Dauer, ist absolut willkürlich. 10. Ein Pferd ist entweder Kehlkopfpfeifer oder
es ist frei von dem Leiden, einen Mittel- zustand gibt es nicht. 11. Das Kehlkopfpfeifen kann durch ordnungsmäs-
sige Untersuchung jedesmal festgestellt werden, ebenso auch das Freisein von dem Leiden. 12. Die Recurrenslähmung (Kehlkopfpfeifen) ist erblich.
Therapie.
Angesichts der niederschlagenden Erfahrung, dass es bis-
lang nur selten und zwar fast nur bei möglichst frischer |
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Recurrensläbmung gelungen ist, eine Heilung zu erreichen,
muss es erwünscht sein, weitere Versuche zu unternehmen. Die früher benutzte Behandlungsweise bestand in Warm-
halten, Abführungen, scharfen Einreibungen resp. Haarseilen auf die Ohrdrüsenpartie, Terpenthin, Arsenik, Strychnin etc. Kann ich nun auch keine andere bereits von Erfolg gekrönte Therapie bezeichnen, so möchte ich doch auf die augenschein- lich vortheilhafte Wirkung des Veratrins bei Nervenlähmungen auch Nervenschmerzen*) aufmerksam machen. — In früherer Zeit, als das Veratrin noch keinen Eingang gefunden hatte, benutzten wir Pulv. Rhis. veratr. albi. Bei seit längerer Zeit an Recurrenslähmung leidenden Pferden, die schon beim Pressen so stark röhrten, dass man es trotz geschlossener Stallthür weithin hören konnte, verschwand dasselbe nach einer Gabe von 8 Gramm (mit Konstituens zur Latwerge gemacht) in vier Dosen pr. 24 Stunden und bei einige Tage lang täglich fortgesetztem Gebrauche von 4 Gramm, im Stalle gänzlich. Nach den ersten starken Gaben trat Würgen ein, durch die späteren wurde eine Uebelkeit anhaltend unterhalten. Nach ausgesetzter Behandlung hielt die erreichte Besserung mehrere Tage an, dann trat das Rohren, wie vordem, wieder ein, konnte aber wieder durch veratrum album auf den bezeichneten Stand- punkt zurückgeführt werden. Weitere bezügliche Erfahrungen liegen mir bei ßecurrenslähmung nicht vor. Auf Grund dieser Erfahrungen habe ich Lähmungen des N. cruralis, auch solche einzelner Nerven des Armgeflechtes, des Halses, plötzliche Lähmungen des VII., des VIII. und II. Nerven (cf. Jahresber. d. Hann. Thier. 1873, p. 75) durch innerlichen Gebrauch des Mittels, verbunden mit äusserlicher, dem Laufe der Nerven folgender Einreibung von Tinct. veratr. alb. (1:8) nach vorheriger Rei- zung der Haut durch Tinct. cantJi. mit recht günstigem Erfolge behandelt. [Umgefallene Speckhälse (Halskamm) widerstanden jeder Behandlung, sie sind bleibend.] Der Gestütsthierarzt War necke in Celle behandelte in solcher Weise auf meine Veranlassung ein Pferd, welches seit einigen Monaten an einer Lähmung des N. radialis litt, mit grosser Ausdauer und erzielte nach wochenlangen Mühen schliesslich vollen Erfolg. Anmerkung. In neuester Zeit hat sieb ein Herr Lindemann
zu Hasserode am Harz (cf. ßrochüre „Theorie der Heilung des Kehlkopf- pfeifens der Pferde 1895" bei Lindemann in Hannover) gemüssigt go- |
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*) Bei Nervenschmerz im Biceps brachii habe ich nach Einreibung
von Veratrin 0,05 Spt. vin. 30,00 sofort Linderung gehabt und nach an- dauerndem Gebrauch und Waimhalten Heilung erzielt. Bei frischem sehr heftigen Hexenschuss führte die Einreibung sofort Linderung der Schmerzen und, in 24 Stunden mindestens vier Mal kräftig wieder- holt, Heilung herbei. Die Wiederholung der Einreibung hatte jedesmal statt, wenn die Schmerzen wieder zunahmen. |
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sehen, seine bezügl. Ansichten zu publiziren und dem Kriegsministerium
zur Anregung weiterer Forschungen zu unterbreiten. Derselbe gedenkt das Kehlkopfpfeifen durch methodisch fortgesetzte Einübung und Kräf- tigung der Kehlkopfmuskeln beseitigen zu können, indem er den Zutritt der Luft durch Verengerung der Nasenlöcher' so regulirt, dass ein Fort- reissen des Aryknorpels vermieden wird, welches nach seiner Meinung störend auf die Kräftigung der Muskeln einwirken soll. Abgesehen da- von, dass dergleichen im Resultate gleiche Experimente unbewusst seit uralter Zeit tagtäglich, ohne jeden Erfolg, bei Pferden gemacht werden, welche notorisch Pfeifer sind, aber im gewöhnlichen Dienste Jahr und Tag nicht röhren, so dass ihre Besitzer gar keine Ahnung davon haben, dass dieselben am Kehlkopfpfeifen leiden, fällt seine Theorie schon dadurch zusammen, dass das Kehlkopfpfeifen n.cht durch das erst sekundäre, ganz irrelevante Muskelleiden, sondern aus- schliesslich durehdieRekurrenslähme bedingt ist, welche durch „gymnastische* Uebungen von Muskeln nicht beseitigt werden kann. Muskeln, deren Nerv gelähmt ist, sind für die Zeit der Lähmung motorisch todt! Todte motorisch zu üben, um sie zu neuem Leben zu erwecken, ist — neu!! Derselbe Herr hat auch ausfindig gemacht, dass das Pferd event.
zur Zeit nur eine Lunge zum Athmen benutzt und beim Schrittgehen 122—144 Mal in der Minute athmetü (cf. das. pag. 16). In neuester Zeit ist ebenfalls allen Ernstes vorgeschlagen worden, den gelähmten Recurrens abzuschneiden und das periphere Ende in einen künstlichen Spalt des Vagusstammes einzupflanzen (The Veterin. LXVII) — nur so weiter! Kehlkopfoperation.
Bei der bisherigen Unzulänglichkeit jeder Behandlung habe
ich seit 1845 die Beseitigung des Kehlkopfpfeifens auf opera- tivem Wege versucht. Den Zugang zum Kehlkopf eröffnete ich mir bei mit vorge-
strecktem Halse und Kopfe auf dem Rücken liegenden nicht narko- tisirten Pferden durch Einstechen eines ßistoures durch Haut, Mus- keln und Luftröhren-Ringband bis in die Lultröhre und verlängerte diese Wunde sofort bis zur Vereinigung der Schildknorpel (die Mittellinie ist bei Lokalkenntniss sehr leicht gewahrt, kann auch leicht durch Feststellung des Vereinigungspunktes der Schildknorpel und den am hinteren Rande des Ringes meist vorhandenen Ausschnitts ermittelt werden; doch ist zu beachten, dass Hals und Kopf gerade ausgestreckt sein müssen und dass die Stirnfläche des Kopfes wagerecht auf dem Boden liege). Nach solcher Eröffnung liess ich die Enden des Ringknorpels beiderseits in die Schlinge eines einfachen Messingdrahthakens aufnehmen und mittelst derselben den Ring soweit auseinander halten, als zum Zweck des Einblicks und der Operation erforderlich, nlso nur sehr wenig. Trennung von Luftröhrenringen behufs liaumgewinnung für die Operation habe ich nie erforderlich gefunden. Nachdem mittelst Stockschwämmchen das Blut, sofort nach dem Schnitt und so lange die Blutung andauerte, in rascher Folge aus der Luftröhre genommen, vollführte ich, |
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an der rechten Seite des Thieres sitzend, die bezüglichen
Operationen und zwar: 1. Entfernung beider Stimmbänder: Das so operirte
einjährige Füllen konnte ich 4 Wochen nach der Operation nach Belieben auf dem Hofe umherjagen lassen, ohne dass auch nur der geringste Ton wahrnehmbar wurde, trotzdem es vorher sehr starker Rohrer war. Mit zunehmender Verkürzung der Narbe, welche beide Aryknorpel nach der Vereinigung der Schildknorpel hin tief in den Keblkopf herabgezogen hatte, stellte sieh das Rohren wieder ein, erneuete Operation verschlimmerte das Leiden. 2. Das Stimm band der kranken Seite allein ent-
fernt, lieferte Verstärkung des Rohrens. Der Aryknorpel wird durch die sich verkürzende Narbe tief in den Kehlkopfs - ■ räum hineingezogen.
3. Das Stimmband der kranken Seite sammt der
medialen Wand der Stimmtasche entfernt, so dass die Schildknorpelhälfte der Stimmtasche intakt blieb; die Pferde röhrten alle, einzelne mit schlotterndem Geräusch, bei diesen hing der Aryknorpel nach vollendeter Vernarbung sehr beweglich in den Kehlkopfsraum hinein. 4. Den Aryknorpel einer Seite vor. dem Ringknorpel e x a r -
tikulirt und nebst Stimmtasche und Stimm- band entfernt, also vollkommen exstirpirt, ohne die Schleimhaut der unteren Schiundkopfwand zu verletzen; die so operirten Anatomiepferde starben alle, wie das erwartet war, in der ersten Zeit nach der Operation an Lungenentzündung, weil der Kehlkopf beim Sehlucken nicht mehr genügend ge- schlossen werden konnte. Ich habe diese Operation destralb zur Heilung des Kehlkopfpfeifens nicht in Anwendung bringen können. 5. Den Aryknorpel der gelähmten Seite vorderhalb
der Gelenkfläche, in seinem dreieckigen Theile durchschnitten und ihn sammt Stimmtasche und Stimmband entfernt. Einzelne Resultate brillant, andere wegen Verkürzung der Narbe ungenügend, so viel wie gar kein Resultat, nur trat auch bei extremster Anstrengung, trotzdem manche sehr stark brüllten, keine Erstickungsgefahr wieder ein. In einem Falle trat Caries des Knorpels und be- deutende Verbildung ein, so dass das Thier stärker röhrte als vor der Operation. 6. Die Stimmtasche zwischen Schild- und Ary-
knorpel entfernt, aber das Stimmband ge- schont, (der senkrechte Theil des Aryknorpels wurde dabei bis nahe unter die Gelenkfläche von der Kehlkopf swand getrennt, so dass er aufwärts nur durch die Schleimhaut und abwärts durch das Stimmband mit dem Schildknorpel in Verbindung blieb); in einzelnen Fällen heilte die äussere Fläche des Ary- knorpels sehr gut an dem Schildknorpel fest, und die Pferde waren und blieben geheilt, in anderen Fällen heilte der Knorpel zu niedrig an und die Thiere blieben Rohrer, in noch anderen Fällen heilte der Aryknorpel nicht fest genug an und die Thiere röhrten mit schlotterndem Geräusch.— In einem einzelnen Falle, bei dem das Rohren von verbildetem
Aryknorpel einer Seite herrührte, gelang die Heilung durch Exstirpation des Theiles desselben, welcher sich bei gesundem Knorpel vor dem zwischen beiden Aryknorpeln und der Ringplatte befindlichen, durch Fettpolster gefüllten Räume befindet, vollkommen; indessen bildete sich im letzteren später ein Haselnuss grosser Abscess, mit welchem das |
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Pferd 10 Wochen nach der Operation stark röhrend wieder präsentirt
wurde. Das Rohren sollte sich Tags zuvor eingestellt haben; war aber so stark, dass das Pferd kaum das Schulterrain erreichte und dann asphyktisch zusammenbrach! Die sofort durch raschen Schnitt in die Tiachea gemachte Tracheotomie konnte das Lei en nur noch um einige Athemzüge fristen; Oedem des Kehlkopfes hatte sein Lumen fast völlig geschlossen. In einem anderen Falle, bei dem Veibildung beider Aryknorpel
sehr starkes Rohren veranlasste, liefeite die wie oben angegebene voll- führte Entfernung eines Theiles beider Knorpel kein günstiges Resultat; die "Narbe zog beide tief in den Keblkopf herab; nach wiederholter Operation wurde die Oeffnung im Kehlkopfe, wie das zu erwarten war, so eng, dass kaum noch ein Zeigefinger durch den nahe vor der Ver- einigung beider Schildknorpel offen gebliebenen Gang hindurchgeführt werden konnte. Anmerkung. Die unter Nr. 5 bezeichnete Operation führte
ich mit der rechten Hand folgendermassen aus*) (früher operirte ich an der linken Seite des Thieres knieend mit der linken, war aber mit dieser nicht so sicher, wie ich es wünschte). Jch führte die Klinge dicht über die Spitze des Schnäuzchens, nahm, ohne dieses zu be- ruh r en, genau Mass, drückte dieselbe, über die Hand schneidend, zwischen beiden Aryknorpeln bis zum medialen hinteren Fortsatz des linken ein, gab ihr von da ab sofort die Richtung nach aussen und schnitt den Knorpel mit kräftigem Druck in seinem dreieckigen Theile, also dicht vor der Gelenkt lache ganz durch, ohne jemals den Schildknorpel oder den Ring zu verletzen, auch blieb ausnahmslos die dem Giesskannenknorpel hinter dem Schnäuzchen nur sehr locker an- liegende Schleimhaut intakt. Der ganze Schnitt war innerhalb kaum einiger Sekunden durchgeführt und immer vollendet, bevor der nach Berührung des Schnäuzchens stets rasch erfolgende Schluckakt eintrat. Hierauf hakte ich einen mit Widerhaken versehenen langen Haken in dem senkrechten Theile des abgeschnittenen Knorpeltficiles fest und unterstützte dadurch die sofort folgende Vollendung der inneren Kehl- kopfs-Operation, die im Ganzen keine volle Minute Zeit in Anspruch nahm. Ich beeilte die Vollendung der Oj^eration aus dem Grunde, weil nach derselben stets Blut in die Luftröhre resp. Lungen fliesst. Die Thiere wurden dann schleunigst entfesselt und auf die Beine gebracht, worauf sie das Blut durch Senken des Kopfes und Husten thunlichst aus- warfen. — Fremdkörper-Pneumonie trat nach dieser Operation nie ein, sondern nur nach Exartikulation des Aryknorpels. Bis zu eintretender Schwellung röhren die Operirten bei Verschluss
der äusseren Wunde nicht. Die Misserfolge beruhen, Moll er's Behaup- tung (cf. 1. c. p. 62) entgegen, darin, dass die Narbe des Aryknorpels der ge- sunden Seite, von welcher der der gelähmten abgetrennt wurde, mit der Narbe des resezirten verwächst, und dass beide, so wie auch der Ring- knorpel, durch die Narbe raumbeengend m. w. tief nach dem vorderen Winkel des Kehlkopfraumes hin in diesen hineingezogen und fixirt werden, wodurch zugleich nicht nur das Herausheben des Knorpels der gesunden Seite schwer beeinträchtigt, sondern auch dieser selber zur Einengung des Raumes mit herangezogen wird. |
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*) Das von mir benutzte „Arytom" war ein für die linko Hand bestimmtes Huf-
knorpelmesser (cf. Gourdon, Elements de Chirurgie voterinaire unter dem Namen: „Feuille de sauge simple" beschrieben), zwischen dessen Heft und Klinge eine 8 cm lange Stahlstange eingefügt war. Die Konkavfläche der Klinge war senkrecht und die Konvexfläche schräg gegen diese herangeschliffen, um deren Schnitt schon mechanisch die Eichtung nach dem zu exstirpirenden Theile hin zu geben. Das von Stockfleth als das meinige beschriebene entspricht dem von mir benutzten nicht. |
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An Kehlköpfen solcher Pferde, die nicht nn B.ecurrenslähmung
litten, pflegt die Vernarbung ohne Raumbecngung vor sieh zu gehen, von diesen kann aber nicht auf jene geschlossen werden, Bei wirk- lich geheilten Pfeifern fehlt die störende Narbenverkürzung. Der getrennte Ringknorpel verheilt unter Abflachung seiner
Rundung gleich den getrennten Luf'tröhrenringen mit nach aussen vorstehender, stumpfer Kante und verliert für die Folge seine Spannung. Ungeschicktes Zusammenpressen des oberen Luftröhren- theils, um Husten zu erregen, veranlasst dann bleibende weitere Verengerung des Raumes. (Um Pferde zum Husten zu veranlassen, drückt man das Eing-Lu ftr Öhrenband fest zusammen und lasst es dann plötzlich aus den Fingern schnellen, wobei ein knuppender Ton laut hörbar wird; es folgt dann meist sofort Husten, welcher durch Er- schütterung der Kehlkopfscbleimhaut ausgelöst wird. Das Experiment muss zuweilen in rascher Folge mehrmals wiederholt werden, um Erfolg zu erzielen. Ist auf diesem Wege kein Husten zu erregen, so gelingt es meist noch durch starkes Niederdrücken eines Aryknorpels. Zu- sammenpressen der oberen Luftröhrenringe hat für den Zweck nur sehr untergeordneten Werth. Bei Pferden, die häufig auf Märkten gewesen sind oder sonst den Besitzer oft gewechselt haben, findet man die oberen Luftröhrenringe in Folge dieser Prozedur mannigfach m. w. zusammen- gedrückt, also Vorsicht!) Nach meiner ersten bezüglichen Veröffentlichung (cf. To-
pogr. Myol. 1866) habe ich noch folgende drei Methoden er- folglos versucht: 1. den Aryknorpel unter der Leiste quer ab- geschnitten und. incl. Stimmband und Stimmtasche entfernt; 2. vom hinteren Rande des Aryknorpel aus ein Band zwischen diesem und dem Schilde eingezogen und aus der Stimmtaschen- Oeffnung wieder heraustreten lassen (um den Aryknorpel durch nachfolgende Narbe zu fixiren): das Band blieb 14 Tage liegen ■— es trat Khorpelerkrankung mit derber chronischer Verbildung des Bindegewebes ein; 3. zu gleichem Zweck vom unteren, hinteren Winkel des Aryknorpels aus, dessen Ver- bindung mit dem Schilde mittelst des Fingers bis zur Leiste getrennt. Ich gestattete verschiedenen Herren die Untersuchung des Operationsfeldes mit dem Finger, wodurch eine wesentliche Erweiterung der ursprünglichen Loslösung entstanden war. Folgen wie bei der vorigen Operation. Wegen der Unsicherheit des Erfolges habe ich meine Ope-
rationsmethoden niemals empfohlen und habe sie deshalb auch nicht von den Studierenden einüben lassen. Stockfleth hat auf Grund meiner 1857 erhaltenen
mündlichen Mittheilungen ein von dem meinigen abweichendes Operationsverfahren versucht (cf. dessen Chirurgie p. 263). Er entfernte das Schnäuzchen und einen Theil des Aryknorpels der linken Seite mittelst eines vom hinteren Ende des ersteren bis zum hinteren unteren Winkel des Giesskannenknorpels ge- führten senkrechten und von hier nach vorn bis zum Eingang der Stimmtasche fortgesetzten — (also Winkel-)Schnittes. Sein Resultat war unbefriedigend; er sagt: „Der glückliche Ausgang |
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der Operation hängt also fcheils davon ab, dass man ein ge-
nügend grosses Stück von dem Giesskannenknorpel entfernt, ohne das Stimmband und den Schildknorpel zu verletzen, und fcheils davon, dass die Wunde ohne Bildung grösserer Binde- gewebegeschwülste heilt, welche die durch das Wegschneiden des Giesskannenknorpels geschaffene Oeffnung ausfüllen würden. Man soll also zweimal Glück haben." In neuerer Zeit hat Prof. Möller in Berlin die Kehlkopf-
operationen wieder aufgenommen, „nachdem für ihn (I.e.p.48) der letzte Zweifel beseitigt war, dass das Hinderniss nicht in der Glottis (pars vocalis), sondern in einem nach unten und gegen das Zentrum des Kehlkopfes, Rücken des Aryknorpels, erblickt werden muss" (diese Thatsache war längst bekannt (Fr. Günther 1. c. 1834)! Er gibt (1. c. p. 48) seine Methoden an, wie folgt: 1. Giesskannen-Ringknorpelgelenk geöffnet, Resultat ungenügend, 2. Myotomie des gelähmten hinteren Ring-Giess- kannenmuskels, Resultat ungenügend; 3. Befestigung des Ary- knorpels am Ringknorpel. Leber diese Operation sagt er, er habe den Aryknorpel ohne Oeffnung der Trachea und des Kehlkopfes mit einer Ligatur in erhöhter Stellung an den Schildknorpel festgeheftet (?) — den Operationsmodus gibt er leider nicht näher an — Erfolg ungenügend, und end- lich, 4 mein Operationsverfahren (ct. oben Nr. 5) dahin modi- fizirt, dass er den Aryknorpel gerade so weit, wie ich angegeben habe, abtrug, aber alle Weichtheile des Kehl- kopfes incl. Stimmband und Stimmtasche intakt liess. Wie Möller den wesentlichsten und schwie-
rigsten Theil der Operation, die Abtrennung des Aryknorpels vor der Gelenkfläche, als von ihm ausgehend bezeichnen und als eine wesentliche Verbesserung meiner Operations- methode hinstellen kann (l. c. p. 59), ist mir unverständlich. Schon die allerflüchtigsfce Betrachtung der Knorpelschnitt- Hächen, — deren Oberfläche (er p. 59 1. c.) übrigens viel zu gering auf kaum 1 cm angibt (sie beträgt etwa das Dop- pelte) — musste es ihm sofort zweifellos machen, dass bei dem von ihm als n e u angegebenen Verfahren auch nicht die Nagelprobe mehr vom Aryknorpel entfernt wurde, wie bei dem von mir bezeichneten, dass vielmehr der Schnitt auf derselben Stelle den Knorpel traf, die ich vorgezeichnet hatte. Es war mir deshalb von vornherein klar, dass durch sein
Operationsverfahren andere und bessere Resultate nicht zu er- zielen sein würden, als ich sie erreicht habe. Um so mehr musste ich erstaunt sein, als ich (p. 61 1. c.)
die näheren Angaben seiner Resultate las, nach welchen von 30 operirten Pferden 22 geheilt wurden(?) bei 5 das Leiden in geringerem Grade fortbestand, eins an Bruch der |
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Wirbelsäule, eins an phlegmonöser Laryngitis und eins an
Sephthämie starb. (Letztere habe ich bei keinem meiner Ope- rierten, trotzdem sie nicht antiseptisch behandelt wurden, auf- treten gesehen.) Möller gibt weiterhin an: „Bei Wagenpferden gestaltet
sich der Verlauf im allgemeinen günstiger als bei Reitpferden. Unter den 22 geheilten waren 11 Reit- und 11 Wagenpferde. Mit Ausnahme eines Falles wurden die operirten Wagen- pferde alle geh eilt (?) Aber auch bei Reitpferden wird selbst unter ungünstigen Umständen oft noch-Heilung erzielt Durch die Gebrauchsart, namentlich durch starke ßeizäumung wird bei Reitpferden die Entstehung eines lauten Tones beim Athmen begünstigt, zumal der Bedarf an Luft erheblich grösser ist." Das heisst doch mit anderen Worten: „Vom Kehlkopf-
pfeifen sind sie geheilt; nur darf man sie nicht unter- suchen, sonst röhren sie!" Heilung ist aber nur dann vorhanden, wenn auch
die exakteste Untersuchung kein Kehlkopfpfeifen mehr er- kennen lässt. Solange durch die Gebrauchsart des Thieres Differenzen in dem Resultate der Operation herbeigeführt werden, können die angegebenen Resultate zur Nacheiferung nicht anspornen. Di eckerhoff .sagt 1. c. p. 4 (bezüglich der Heilbarkeit):
„denn in dieser Hinsicht fallen die in den letzten Jahren wieder aufgenommenen Versuche zur Beseitigung des Keblkopfpfeifens auf operativem Wege nicht ins Gewicht. Ueberdies dürfte gegenwärtig auch allgemein bekannt sein, dass die Versuche nicht den gewünschten Erfolg gehabt haben." Möller sagt selber (I. c. p. 62): „Bisher wurde die Ope-
ration auf solche Pferde beschränkt, die unter dem Einflüsse des Rohrens in ihrer Arbeitskraft litten, dagegen da nicht empfohlen, wo das laute Athmen nur mit Unbequemlichkeit für Reiter und Pferd verbunden war. Hoffentlich wird sich das Verfahren jedoch so weit vervollkommnen lassen, dass dasselbe auch auf diese ausgedehnt werden kann. Möller erkennt also trotz seiner angeblichen, brillanten Erfolge die Unbrauchbarkeit des Verfahrens zur Beseitigung des Rohrens selber an. Auch haben die bedeutendsten Pferdehändler Hannovers, denen jährlich Tausende von Pferden durch die Hände gehen, nach einigen von Möller an ihren Pferden eigenhändig ausgeführten Operationen, von weiteren Versuchen Abstand genommen und verwerthen vorkommende Pfeifer, nach wie vor, für sehr geringen Preis, trotzdem ihnen daraus all- jährlich sehr bedeutende Verluste erwachsen. Berliner Pferde- händler haben mit der Operation dieselben ungünstigen Er- fahrungen gemacht. Die brillanten Erfolge des Chefthieravzt.es |
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der englischen Armee, Flemming, der mein Verfahren Nr. 5
in Anwendung brachte, haben nicht mehr Werth als die Möller'sehen, (Roaring in horses 1889.) Ich musste mir weiter die Frage vorlegen, wie Möller
überhaupt zu den vielzähligen günstigen Operationsresultaten gelangen konnte, und meine, den Schlüssel dazu vielleicht in seiner, schon von Di eckerhoff (1. c. p. 15) als zur Fest- stellung der Gegenwart des Kelilkopfpfeifens unbrauchbar bezeichneten Untersuchungsmethode (cf. 30 1. c.) erblicken zu können; denn in der That sind durch dieselbe höhere Grade des Leidens wohl, mittlere, namentlich bei phlegmatischen Thieren, kaum, geringere aber garnicht festzustellen. Ich glaube hier bemerken zu sollen, dass auch ich, gleich
Möller, eventl. vollständige, dauernde Heilung erreicht habe, aber auch, dass mir Besitzer operirter Pferde vielfach ihre völlige Zufriedenheit mit dem Operationsresultate ausdrückten und Heilung behaupteten, wiewohl dasselbe berechtigten An- forderungen an Respirationsfreiheit nicht entsprach und die Pferde als vom Pfeifen geheilt nicht angesehen werden konnten. Die Ansprüche, welche manche Pferdenutzer an .Re- spirationsfreiheit stellen, decken sich mit den von der Wissen- schaft und im öffentlichen Leben sanktionirten nicht; erkennt man solche Zeugnisse einfach an, dann wächst allerdings die Zahl der angeblich geheilten. 1893 hat Cadiot, Professor der Thierarzneischule zu Alfort,
eine Broschüre über die Heilung des Kehlkopfpfeifens auf opera- tivem Wege veröffentlicht. Er operirte nach Möller's Methode und heftete im Innern des Kehlkopfes die Schleimhaut mit drei Heften über der Knorpelwunde zusammen, wie Möller dasselbe in seiner Chirurgie empfiehlt, füllte den Kehlkopf mit antisep- tischer Watte etc. Er rühmte seine vorläufigen Erfolge. Auf eine Interpellation (cf. Bulletin de la societe de
med. veter. 1895, III. Trimester, pag. 287, vorletztes Alinea) antwortete Cadiot: „In Deutschland und England hat man in den ersten Jahren die Zahl der Erfolge übertrieben hoch angegeben. Es ist indessen nicht zu bezweiflen, dass die Operation neben einigen Besserungen auch einige dauernde Heilungen herbeiführt." Cadiot's Erfahrungen bestätigen also die meinigen, nämlich dass die Operation für Beseitigung des Leidens keine Empfehlung verdient. An merkung. Als eventl. Folgen der Operation führt Cadiot
folgende an: 1. Verletzung des bleibenden Aryknorpels kann zu bedeutenden
sich verhärtenden Schwellungen Anlass geben, welche enorme Starke erreichen und Fortbestehen des Rohrens veranlassen. 2. Verschlucken der in den Kehlkopf geschobenen Watte.
3. Fremdkörper-Pneumonie, sie ist sehr selten und soll am leich-
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testen vermieden werden, wenn man den operirten Thieren das
Futter und Getränk möglichst niedrig vorsetzt. 4. Uebermässige Graunlationsbildung in der Kehlkopfwunde — sehr
selten. 5. Seitliche Abplattung der gespaltenen oberen Luftröhrenringe,
durch welche der Querdurchmesser der Luftröhre bis auf 1 cm reduzirt werden kann. 6. In der Luftröhre können an der Stelle, an welcher der Kautschuk-
apparat lag, rasch zunehmende derbe Neubildungen eintreten, 1 welche das Lumen derselben fast vollständig schliessen.
7. Nachbleibender Husten und Ausfluss von Futterstoffen und Ge-
tränk aus der Nase, meist erst gegen die 4 Woche nach der Operation. 8. Sephtämie und Tetanus. —
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Es ergibt sich sonach, dass ein operatives Verfahren ani
den bisherigen Wegen nicht zum Ziele führt. Eines Versuches dürfte es vielleicht noch werth sein, in das Bindegewebe zwischen dem Aryknorpel und Schildknorpel eine reizende Flüssigkeit (etwa verdünnte tinct. canth. oder sonst etwas) aseptisch ein- zuspritzen und zwischen beiden Knorpeln breit zu vertheilen, um den Aryknorpel durch Narbengewebe festzulegen. Frei- lich ist zu befürchten, dass danach Knorpelerkrankung mit derber chronischer Verbildung des Bindegewebes auftreten kann, welche den Verlust des Thieres zur Folge haben würde. In den Fällen, in Avelchen auf die Aeusserlichkeit des
Pferdes weniger Werth gelegt wird, besitzen wir in der Tracheotomie ein vortreffliches Mittel, auch den stärksten Kehl- kopfpfeifer sofort arbeitsfähig herzustellen, und liegt deshalb gar kein Anlass vor, solche Thiere der trotz alledem vorhan- denen Gefahr und dem zweifelhaften Erfolge der Kehlkopf- operation auszusetzen. — |
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Inhalts -Yerzeichniss.
Seite
Anatomisch-physiologische Verhältnisse ........ 4
Stimmritze, Glottis.............. 8
Pathologisch-anatomische Verhältnisse......... 11
Ursachen..................... 12
a. fälschlieh beschuldigte:
Ramskopf, enge Ganaschen........... 13
Lange, dünne Hälse.............. 13
Entfernung des Herzens von der ersten Rippe .... 14
Drucklähmung durch die Luftröhre........ 14
Starke Gefässentwicklung und Fettarmuth..... 14
Grössere Länge des linken Recurrens....... 15
Drucklähmung durch Geschirr.......... 15
Drucklähmung durch Drüsenanschwellungen..... 15
Hydropericard und Herzhypertrophie........ 16
Myopathische Lähmung............. 1*!
b. wahre Ursachen:
Druse................... 16
Bräune, Angina................ 16
Influenza.................. 19
Bleivergiftungen............... 24
Luzerne, medicago sativa............ 24
Platterbse, lathyrus sativns.......... . 25
Kichererbse, lathyrus cicer........... 33
Chokoladenerbse, Kapuzinererbse, pisnm nmbellatnm . . 35
Rheumatische Einflüsse, Erkältungen........ 37
Erblichkeit des Kehlkopfpfeifens......... 44
Verlanf..................... 50
Diagnose..................... 51
Untersuchung . . .•............... 52
Gewährszeit................... 63
Gutachten des Prof. Dr. Dieckerhoff....... 67
Privat-Gegengutachten des Verfassers....... 10
Gerichtliches Gegengutachten des Verfassers..... 15
Erstes Obergutachten der Techn. Depnt. f. d. Veterinärw.
zu Berlin................. 79
Kritik desselben.............. 83
Zweites Obergutachten der Techn. Depnt....... 91
Kritik desselben.............. 92
Entscheidung des Prozessgerichts I. Instanz..... 96
Entscheidung der IL Instanz........... 99
Anmerkung zu derselben........... 100
Aphorismen.................... 102
Therapie..................... 103
Kehlkopfoperation............... 105
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