Versuch
einer quantitativen Analyse der
Doppelbrechungserscheinungen
an orientierter Hydratzellulose
A'
■.Vip' vl
- î
-ocr page 4- -ocr page 5-Versuch einer quantitativen Analyse
der Doppelbrechungserscheinungen
an orientierter Hydratzellulose
ter verkrijging van den graad van Doctor
in de Wis- en Natuurkunde aan de
Rijks-Universiteit te Utrecht, op gezag van
den Rector Magnificus Dr. F. H. QUIX.
hoogleeraar in de Faculteit der Genees-
kunde, volgens besluit van den Senaat der
Universiteit te verdedigen tegen de be-
denkingen der Faculteit der Wis- en
Natuurkunde op Maandag 9 October 1939
des namiddags te 4 uur
door
geboren te Bratislava
BIBLIOTHEEK DER
RIJKSUNIVERSITEIT
UTRECHT,
StS-J ,
t'
JVieinen Ekern
in Liebe
zugeeignet.
«'•'si
rft^i^V,-
-ocr page 9-Hooggeleerde K r u y t, Hooggeachte Promotor, ik voldoe aan
een oprecht gevoelde behoefte, wanneer ik U ook op deze plaats
ten zeerste dank zeg voor de welwillendheid en tegemoet-
koming, die ik van Uw zijde mocht ondervinden, zoomede voor
Uw voortdurende belangstelling in dit onderzoek. Hierdoor werd
het mij, als vreemdeling, eerst mogelijk gemaakt, om een
interessante studieperiode in het mooie Nederland door te
brengen.
U, Zeergeleerde Herman.s, geldt mijn bijzondere dank
voor de vriendschappelijke en in den waarsten zin des woords
hulpvaardige wijze, waarop gij mij van den aanvang af met
raad en daad hebt ter zijde gestaan. Wees er van verzekerd,
dat de tijd, waarin ik dit onderzoek onder Uw leiding heb
toogen uitvoeren, voor mij een onvergetelijke herinnering zal
blijven.
Het zij mij veroorloofd om ook de Directie van de N.V.
Hollandsche Kunstzijde Industrie mijn welgemeenden dank te
zeggen voor de gastvrijheid, die zij mij voor de uitvoering van
dit onderzoek heeft verleend en die getuigt van een ruime
blik ten aanzien van het algemeene belang van zuiver weten-
schappelijk onderzoek.
Auch meinen früheren. Lehrern, den Herren Prof. Mark und
Doz. Kratky, sei aii dieser Stelle mein herzlichster Dank
für die viele Mühe und kollegiale Art und Weise ausgedrückt,
mit der sie sich der schwierigen Aufgabe gewidmet haben, den
Neuling in höhere bis ganz hochpolymere Sphären der Wis-
senschaft einzuführen.
rnbsp;«^-a^döifeiyrf iïiswnbsp;^^ ajj
if
-ocr page 11-ABSCHNITT 1.
A. Bisherige Ergebnisse der Arbeiten über Feinbau und
Deformationsmechanismus.
Ein erfolgversprechender Weg, um Aufschlüsse über den
Teinbau von Zellulosegelen zu gewimien, besteht darin, sie
zu deformieren imd die dabei auftretenden Effekte zu beobach-
ten. Als experimentelle Untersuciiuugsmethoden kommen hie-
bei in Frage:
a)nbsp;Untersuchung mit Röntgenstrahlen
b)nbsp;Doppelbrechungsmessung
c)nbsp;Verfolgung der Quellungsanisotropie
d)nbsp;Aufnahme von Kraft-Dehnungs-Diagrammen
e)nbsp;Bestimmung des Dichroismus gefärbter Objekte.
Man ist berechtigt, gewisse Vorstellungen vom Aufbau eines
Zellulosegels bereits als gesichert zu betrachten und es soll
zunächst versucht werden, eine ganz kurze Zusammenfassung
solcher Begriffe zu geben, um auf dieser Grundlage weiter
bauen zu können.
Schon C. V. N ä g e 1 i 1) schloss aus Erscheinungen der Quel-
lung und Doppelbrechung auf das Vorhandensein submikros-
kopischer Kristallite im Gel, die auch während der Defor-
mation ihre Gestalt im ganzen und grossen beibehalten und
lediglich ihre Lage verändern. Diese Auffassung wurde später
durch die grundlegenden Untersuchungen Ambronn's^) über
Doppelbrechung und Dichroismus natürlicher Fasern erhärtet.
Den endgültigen Beweis für ihre Richtigkeit erbrachten
schliesslich die röntgenographiscben Arbeiten van Sche r-
r e r s), sowie von Herzog imd J a n c k e -i), aus denen mit
Sicherheit hervorging, dass in den natürlichen Fasern ge-
richtete Zellulosekristallite enthalten sind. Diese submikros-
kopischen Teilchen, von N ä g e 1 i mit dem Namen Micelle
bezeichnet, haben längliche Gestalt und nach den heutigen
1) C. V. Nägeli, Die Stärkekörner, Zürich 1858; v. Nägeli und Schwendener, Das Mikroskop,
2. Autlage. Leipzig 1877.
'-) H. Ambronn und A. Frey, Das Polarisationsmikroskop, 1926; Ambronn, Oött. Nachr. d.
math, pliysik. Kl. 1919, 299; Wied. Ann. 34. 340 (1888); Bot. 6, 225 (1888); 7, 103 (1889).
3) publiziert in Zsigmondy, Lehrbuch d. Kolloidchemie, 3. Auflage, 1920.
') R.O. Herzog und W. Jancke, Ztschr. f. Physik 3, 196, 343 (1920); B. 53, 2162 (1920).
Vorstellungen^) wird für Hydratzellulose ihre Dicke auf etwa
40 A geschätzt, während für ihre Länge ein Minimalwert von
ungefähr 300 Ä anzunehmen ist. Bei der Deformation eines
Gels drehen sich die Mizellen mit ihrer Längsachse in die
Richtimg der deformierenden Kraft und die Art und Weise, wie
die Verformung die Ausrichtung zuwege bringt, bezeichnen
wir als Deformationsmechanismus.
Die Zelluloseforschung der letzten 25 Jahre hat ergeben, dass
das Molekül der Zellulose aus Cellobioseresten aufgebaut ist,
die in langen Reihen miteinander fadenförmig verkettet sind. In
den Kristalliten liegen solche Padenmoleküle gittermässig pa-
rallel geordnet. Man darf sich aber nicht etwa vorstellen,
dass in einem aus Zellulose bestehenden Körper die gesamte
Substanz in krisitallisierter Form vorliegt, gleichgültig, ob maii
nun eine native Faser oder einen aus Viskose gesponnenen
Faden betrachtet. Solche Körper enthalten immer auch Be-
reiche amorpher Substanz, deren Kettenmoleküle nicht in den
Gitterverband treten; das Verhältnis ihrer Häufigkeit zu der
Menge mizellarer Zellulose muss man sich allerdin-s stark
wechselnd vorstellen. Die Annahme einer solchen „Kittsub-
stanz'quot; zwischen den einzelnen Mizellen ist aber notwendig,
um den Zusammenhalt und die Deformierbarkeit der Gele
trotz beträchtlicher Quellungen verstehen zu können. Man
nimmt an, dass ein Quellimgsmittel wie Wasser in die zwi-
schen den Mizellen gelagerte amorphe Substanz einzudringen
vermag, dass dabei also inter mizellare Quellung stattfindet
Hierbei bleibt die Gestalt der Mizellen in der Hauptsache er-
halten und bloss ihre gegenseitigen Entfernungen werden grös-
ser. Anders ist es bei i n t r a mizellarer Quellung, wie sie bei-
spielsweise in Lauge auftreten dürfte. Sie hat teilweise Auf-
lösung des Gitterverbandes zur Folge und zeigt die Erschei-
nung starker Festigkeitsverminderung und schliesslich voll-
standiger Auflösung des Gels. Nach Hermans lt;gt;) manife-
stiert sich Idas Vorhandensein der amorphen Bereiche in den
elastischen Eigenschaften der Zellulose, eine Anschauung, die
durch Analogieschlüsse aus den Verhältnissen an Kautschuk
gestützt werden kann. Daraus würde folgen, dass Körper aus
regenerierter Zellulose zu einem nicht unbeträchtlichen Teil
aus amorpher Substanz bestehen, während diese Erscheinung
Ber. ^nbsp;''nbsp;271 (1928); K. H. Meyer und H. Mark,
®) P. H. Hermans, Kolloid-Z. 81, 302 (1937).
-ocr page 13-in der natürlichen Faser mehr in den Hintergrund tritt.
Für die Betrachtung eines isotropen Gels, wie es unter
gewissen Bedingungen ans regenerierter Zellulose erhalten wer-
den kann, und für das Verständnis der Vorgänge während
seiner Deformation ist eine wichtige Vorstellung die vom
Vorhandensein einer Ordnung in kleinen Bereichen, wie sie
erstmalig von Kratky^ augenscheinlich gemacht wurde. Sie
besagt, dass benachbarte Ketten und Mizellen immer prak-
tisch parallel zueinander liegen, weil das bei länglichen Teil-
chen viel wahrscheinlicher ist, als regellose Unordnung bis
ms kleinste. Die statistische Lagenmannigfaltigkeit eines iso-
tropen Gels kommt dann lediglich durch die kleinen gegensei-
tigen Verwerfungen zustande. Gestützt und bewiesen wird
diese Vorstellung durch die Konstanz des spezifischen Ge-
wichtes der Zellulose im geordneten und ungeordneten Zu-
stand und die Uebereinstinimung der experinienteilen mit der
auf röntgenographischem Wege ermittelten Dichte. Auch das
Auftreten einer Stäbchendoppelbrechung bei der Quellung imd
ihre der Eigendoppelbrechung proportionale Zunahme im Ver-
lauf der Dehnung bestimmter Esterfilme sprechen in diesem
Sinne.
Man darf sich nicht etwa vorstellen, dass kristallisierte
und amorphe Substanz, scharf gegeneinander abgrenzen, son-
dern der Uebergang geschieht wohl an allen Stellen allmählich,
so dass eine Mizelle von allen Seiten kontinuierlich in lose
Ketten übergehen dürfte. Diese Vorstellung kommt gut in der
„Eransentheoriequot; zum Ausdruck, wie sie Herrmann Gern-
gros s und A b i t z, e) in Analogie zum Kautschuk für Gelatine
entwickelt haben. Auch Hermanss) stellt sich vor, dass
aus den kristallisierten Molekülbündeln an allen Seiten (nicht
nur an den Enden) einzelne Ketten herausragen und mit den
„Eransenquot; der anderen Mizellen durch die gleichen Kräfte zu-
sammenhängen, welche auch die gitterförmige Bindimg be-
wirken. Basierend auf einer Ordnung in kleinen Bereichen liegt
die Vorstellung nahe, dass stellenweise infolge gihistiger Pa-
rallellagerung der Ivetten Kristallisation eintreten kann, dass
aber oft, als Eolge kleiner Verwerfungen, gegenseitiger Ueber-
schneidung oder Umschlingung der Ketten, die Vorbedingung
hiefür nicht gegeben ist. Es sei nochmals betont, dass diese
■) O. Kratky, Kolloid-Z. 68, 347 (1934); siehe ferner P. H. Hermans, Kolloid-Z. 83, 72(1938).
») Herrmann, Oerngross und Abitz; Z. pliysik. Chemie B 10, 371-394 (1930): Biochem. Z.
228, 409 (1930).
') P. H. Hermans nnd A. J. de Leeuw, Kolloid-Z. 81, 302 (1937).
-ocr page 14-letzten Vorstellungen, sowie alle folgenden Betrachtungen, sich
aut Gele regenerierter Zellulose beziehen
Ein schematisches Bild der Teinbauverhältnisse zeigt Fi-
gur 1:nbsp;amp;
Die stark ausgezogenen Linien bedeuten Kristallsubstanz, die
schwächeren amorphe Ketten.
Ein wichtiger Fortschritt für die Auswertung und theore-
tische Behandlung experimenteller Ergebnisse war die Ent-
wicklung einer Deformationstheorie durch Kratkyi») Sie
gestattet die mathematische Beschreibimg einer vorliegenden
Orientierimg und bemüht sich, deren Zusammenhang mit dem
experimentellen Dehnuiigsgrad herzustellen. Will man die Güte
der Orientierung bei verschiedenen Objekten etwa in Tabellen
miteinander vergleichen, so kann man sich durch verschiedene
naherungsweise Angaben helfen, deren Anschaulichkeit auf
Kosten ihrer Genauigkeit geht. So spricht zum Beispiel Pres-
tonii) von einer Art mittlerem Winkel der Mizellen mit der
Paserachse oder an anderer Stellequot;) von Orientierungsprozeri-
ten. Em genaues Bild der Lagenverteilung liefert aber ledig-
lich eine vollständige Distributionskurve, deren Bedeutung und
Anwendmig im folgenden kurz wiedergegeben wird. Auf Grund
so einer Kurve kann man dann wieder in verschiedener Weise
einen mittleren Winkel definieren u:nd ihn mit experimentellen
Grössen in Zusammenhang bringen.
Das an Zellulose und deren Derivaten beobachtete Verhalten
ist in jeder Beziehung sehr vielfältig, doch lassen sich nach
Krat_ky die beobachteten Objekte mehr oder weniger deut
l^jn^wei Gruppen einteilen. Die Eigenschaften der einen
'») O. Kratky, Kolloid-Z. 64, 213 (1933); 84, 150 (193S)
J- DyersColoun-sts
P. H. Hermans nnd P. Platzek, Kolloid-Z. 88 , 68 (1939).
-ocr page 15-scheinen darauf hinzuweisen, dass sich die Mizellen nahezu
unabhängig voneinander drehen und gegenseitig verschieben
können (I. Grenzfall); hierher gehören durchwegs Ester mit
zum Teil extrem langen Seitenketten, wie das Zelluloseamyl-
und Zellulosecetyloxalat. Auch Nitro- und Azetylzellulose sind
eher zum I. Grenzfall zu zählen. Andere Gele, vor allem
solche ans Hydratzellnlose und Zellulosexanthogenat, verhal-
ten -sich so, 'dass man mit irgendeiner festeren Verknüpfung
der Teilchen untereinander rechnen muss. (II. Grenzfall). Hier
ist das Wort vom „netzartigenquot; Auf hau geprägt worden, doch
legt man besser auf die Vorstellung eines Netzes mit festen
und unveränderlichen Verknüpfungspunkten keinen allzngrossen
Wert. Da wir mis in dieser Arbeit auf die Behandlung der
Hydratzellulose beschränken wollen, sei hier in Kürze nur
der II. Grenzfall ausgeführt.
Kratky beschreibt dort den Orientierungszustand in der
Weise, dass er ihn mit demjenigen einer Kette mit sehr vielen
Gliedern vergleicht, die man um einen bestimmten Betrag in
die Länge gezogen hat. Im Ausgangszustand der Kette waren
durch die Eichtungen der Glieder alle Winkel gleich häufig
vertreten, nach der Dehnung ist dies nicht mehr der Eall,
da kleinere Winkel mit der Dehnungsrichtung häufiger vor-
kommen als grössere und letztere je nach der Grösse der
Dehnung überhaupt nur bis zu einem bestimmten Grenzwert
möglich sind. Trifft man gewisse wahrscheinliche Annahmen
über die Drehungsgeschwindigkeit der Kettenglieder, so ergibt
die Eechnung für die relative Häufigkeit J^ einer Winkellage
o( mit der Dehnungsrichtung
j, ist hierin ein Mass für die Häufigkeit aller Winkellagen
im Ausgangszustand mid r ein Parameter, der mit dem Deh-
nungsgrad der Kette, v (= Verhältnis der End- zur Ausgangs-
länge), durch die Beziehung
verknüpft is, wenn
-ocr page 16-Trägt man nach (1) A gegen « auf, so erhält man für ver-
schiedene Dehnungsgrade eine Schar von Distributionskurven,
die das oben geschilderte Verhalten der Kettenglieder an-
schaulich machen.
10
)■ \ | ||
)- I | ||
-gt; OC 1 ' 1 | ||
er |
30° 60° |
90 |
Fig. 2. Schematische Darstellung einiger
Distributionskurven der Teilchenorientierung
als Funktion des Winkels mit der Dehnungs-
richtung, für verschiedene Dehnungsgrade.
Um diese Theorien experimentell prüfen zu können, berech-
net Kratky femer, wie sich bei gegebenem die In-
tensität längs einer paratropen Interferenz im Eöntgendia-
gramm ändern muss und leitet auch den theoretischen
Verlauf der Eigendoppelbrechung eines Objekts mit zuneh-
mender Teilchenorientierung ab.
Es war auch bereits möglich, für bestimmte Fälle nach
beiden Methoden den entwickelten Deformationsmechanismus
zu prüfen und dabei innerhalb gewisser Grenzen die Bestätigung
seiner Brauchbarkeit zu erhalten. Von ausschlaggebender Be-
deutung für diese Untersuchungen war der wichtige Fortschritt,
dass in den H e r man s'schen Zellulosefäden is) ein wirklich
isotropes Ausgangsmaterial zur Verfügung stand, da das Ver-
ständnis der Vorgänge an vororientierten Präparaten auf grosse
Schwierigkeiten stösst.
Die Prüfung nach der Röntgenmethodequot;) wurde an trocken
gedehnten Präparaten durchgeführt. Isotrope Fäden aus Hy-
dratzellulose wurden getrocknet und nun um einen bestimmten
Betrag gedehnt; man kann an trockenen Fäden Dehnungsgrade
von etwa 2 erzielen. Die Präparate wurden .senkrecht zur
Faserachse mit Röntgenlicht durchstrahlt und das Diagramm
P. H. Hermans und A. J. de Leeuw, Kolloid-Z. 81, 302 (1937).
quot;) Hermans, Kratky und Platzek, Kolloid-Z. 86, 245 (1939).
mittels einer Paserkamera aufgenommen. Die innerste paratrope
Interferenz wurde an mehreren Stellen photometriert und die
so gefundenen Intensitäten gegen die Winkel am Eeflexionskreis
aufgetragen. Der Vergleich mit den theoretischen Kurven er-
gab, dass für Dehnungsgrade bis zu etwa v = 1,7 die gefun-
dene Orientierung gut mit der theoretisch geforderten über-
einstimmt, dass aber bei höheren Dehnungen die Drehung
der Teilchen in die Deformationsrichtung langsamer erfolgt,
als von der Theorie gefordert wird.
Die Prüfung durch Doppelbrechungsmessung an gequollenen
Objekten ist ungleich schwieriger und ihre bisherigen Ergeb-
nisse sind mehr oder weniger als problematisch zu bezeichnen.
Es ist auch der Zweck der vorliegenden Arbeit, sich etwas ein-
gehender mit den komplizierten Verhältnissen dieses Gebiets
zu befassen. Jedenfalls hat es sich gezeigt, dass man hoffen
kann, Gesamtdoppelbrechungen rechnerisch in ihre einzelnen
Komponenten zu zerlegen imd so etwas Klarheit zu schaffen.
Auch auf diesem Wege wurde es in früheren Arbeiten wahr-
scheinlich, dass die Theorie des II. Grenzfalles die Erscheinun-
gen gut interpretiert, bei höheren Dehnungsgraden jedoch bes-
sere Orientierungen verlangt, als tatsächlich gefunden werden.
Analoge Ergebnisse lieferten Messungen der Quellungsaniso-
tropie. Hermans«) gebührt das Verdienst, die Bedeutung
dieser Grösse als Ausdruck der Orientierung richtig erkannt
und ihren Verlauf mit zunehmender Dehnung berechnet zu
haben. Wie weiter unten gezeigt werden soll, ist es zunächst
nur sinnvoll, die an trocken gedehnten Objekten gewonnenen
Resultate mit der Theorie zn vergleichen und dann ergibt sich
auch hier vollständige Uebereinstinimung mit den Ergebnissen
der röntgenographischen Untersuchung. quot;)
Zusammenfassend kann hier gesagt werden, dass der Krat-
ky'sche Deformationsmechanismus für den II. Grenzfall die
beobachteten Verhältnisse an trocken gedehnten Präparaten aus
Hydratzellulose befriedigend wiedergibt, bei Dehnungen ober-
halb v=l,7 jedoch den Vorgängen vorauseilt. Als Möglichkeit
zur Erklärung dieser Divergenz kann Blockierung des Netzes
und Gleitung der Mizellen gegeneinander angenommen werden.
O. Kratky und P. Platzek, Kolloid-Z. 84, 268 (1938); 88, 78 (1939).
gt;1') P. H. Hermans^ Kolloid-Z. 81, 2 (1937).
quot;) P. H. Hermans und P. Platzek, Kolloid-Z. 87, 296 (1939).
B. Neuere Vorstellungen über die Bedeutung des
Dehnungsgrades.
Bei den bisher erwähnten Versuchen war immer der End-
zweck gewesen, die Teilchenorientierung mit dem gemessenen
D^hnungsgrad m Verbindung zu bringen. Diese Vorgangsweise
kann natürlich nur dann erfölgversprechend sein, wenn der
Dehumigsgrad tatsächlich ein verlässliches Mass für die statt-
gefundenen Veränderungen darstellt. Nach allem, was wir
bis jetzt wissen, ist diese Voraussetzung bei der Dehnung
t ockener Eaden noch am ehesten erfüllt; will man jedocl!
die Deformation emes gequollenen Präparates verfolgen, muss
man mit der Bestimmung des Dehnungsgrades sehr vorsichtig
Beispielsweise steigt die Quellungsanisotropie mit der Deh-
nung um^ so rascher an, als der Quellungsgrad während der
nquot; quot;quot;quot;nbsp;verschiedene
Werte der Quellungsanisotropie erhält, wenn man Zellulose-
faden der gleichen Herstellungsweise um denselben Betrac.
aber m Zuständen verschieden starker Quellung dehnt. Da wk
die Quellungsanisotropie als charakteristische Orientierungs-
grosse betrachten müssen, ist es deutlich, dass bei gequollenen
Objekten der experimentelle Dehnungsgrad v allein kein für
alle Falle eindeutiges und gleiches Mass für die Orientierunc.
mehr »ein kann. ; ,nbsp;^
Während man zunächst gezwungen war, diese Tatsache ein-
lach zur Kenntnis ^u nehmen, wurde in letzter Zeit eine Ent-
deckung gemacht, die das Problem in ein ganz neues Licht
stellt und für einschlägige Untersuchungen von grmidlegender
Bedeutung zu sein scheint. Es wurde nämlich gefunden' dass
bei den obengenamiteii Objekten gleicher Herstellungsweise
aber verschiedenen Quelluiigsgrades, die QuellungsaniLtropie
immer m genau derselben Weise mit der Dehnung zunimmt,
falls man diese nicht nach dem unmittelbar experimentellen
sondern nach einem in bestimmter Weise definierten Mass be-
urteilt, das als charakteristischer Dehnungsgrad be-
zeichnet wurde. Um seine Bedeutung zu erläutern, sei fol-
gendes ausgeführt:
Betrachten wir beispielsweise einen 9 cm langen, isotropen
Xanthogenatfaden, der nach dem Spimieu einen Quellungsgrad
von 27, d.i. 2600o/„, aufweist. (Der Quelluiigsgrad q ist defi-
niert als das Verhältnis zwischen dem Volumen des gequol-
lenen zu dem des trockenen Gels.) Wir können uns dann vor-
stellen, dass wir dieses Objekt durch Aufquellen eines 3 cm
langen, trockenen Fadens erhalten haben, da sich jede Dimen-
sion des isotropen Fadens proportional der dritten Wurzel
aus dem Quelhmgsgrad ändert. Dehnen wir den gequollenen
Xanthogenatfaden um 100o/„, also auf den Dehnungsgrad 2
so beträgt seine Länge 18 cm; eine nunmehr erfolgende Ent-
quellung geht anisotrop vor sich, wobei die Länge nur un-
bedeutend kleiner wird. Unser Objekt erhält dabei eine Länge
von etwa 17 cm und wir liaben somit den trocken gedachten
isotropen Xanthogenatfaden durch entsprechende Reihenfolge
der Quellung und Dehnung beinahe auf seine sechsfache Län-e
gebracht.quot;) Wir können daher einen neuen Dehnungsgrad
Vj schreiben, der als das Verhältnis der trockenen End-
länge zu der trocken gedachten Ausgangslänge des Objekts
definiert ist. v^ ist aber experimentell bestimmbar, da man
End- und Ausgangslänge, wenn auch nicht an ein und dem-
selben Präparat, messen kann. Man kann v, in v ausdrücken
und erhält
1 L
V'
(3)
worin q den Quellungsgrad und L die spezifische Längen-
andenmg des gedehnten Objekts während der Entquelluno- be-
deutet.
Die Erklärung dafür, dass gleich grosse Dehnungen bei
verschiedenem Quellungsgrad ungleiche Wirkungen in Bezug
auf die mizellare Verteilung hervorrufen, muss man wohl in
folgender Richtung suchen. Wir haben es, wie oben ausgeführt,
mit einer niikroheterogenen Feinstruktur zu tun, die im we-
sentlichen aus zwei verschiedenen Bestandteilen, kristalliner
und amorpher Substanz, aufgebaut ist. Quellung in Wasser
beeinflusst vor allem die letztere, während die Mizellen an imd
für sich dabei unverändert bleiben; lediglich ihre gegensei-
tigen Abstände werden grösser. Das bedeutet, dass die Län-
gensumme der mizellaren Projektionen auf die Dehnungs-
richtung bei stärkerer Quellung einen kleineren Prozentsatz
der Gesamtlänge ausmacht, als bei schwächerer. Nehmen wir
nun an, dass die starreren Mizellen beispielsweise durch blosse
Siehe auch P. H. Hermans und A. J. de Leeuw, Kolloid-Z. 82, 58 (1938).
-ocr page 20-Drehung, die amorphen Bereiche ausserdem noch durch plas-
tische Verformung zu der Längenänderung des Objektes in-
folge einer deformierenden liraft beitragen, dann werden die
Anteile der beide Komponenten an der neuen Länge nicht mehr
im selben Verhältnis zueinander stehen, wie im Ausgangs-
zustand. Tür diese Betrachtung ist es gleichgültig, welche Vor-
gänge wirklich bei der Deformation stattfinden; im allgemeinen
kann man wohl sagen, dass zwei verschiedene Bestandteile
eine verschiedene „Deformierbarkeitquot; im obigen Sinne aufwei-
sen werden. Ist dies aber der Fall, dan wird man bei Variie-
rung des Quellungsgrades durch gleiche Dehnung verschiedene
mizellare Orientierung erhalten. Weiters muss noch beachtet
werden, das die Quellung eines Gels die Kräfte zwischen sei-
nen Teilchen nicht unwesentlich beeinflussen kann, so dass
in unserem Fall dadurch die gegenseitige Gleitung der Mizel-
len möglicherweise erleichtert wird. Man kann daher nicht
von vornherein aussagen, wie sich die ,,Verdünnungquot; der
Mizellen auswirken könnte, muss aber vermuten, dass sie
sich äussern wird.
Hingegen ist man bisher vollständig im Dunkeln über die
physikalische Bedeutung des charakteristischen Dehnungsgra-
des und den Mechanismus, der in diesem Sinne unter Um-
ständen sechs- bis siebenfache Dehnungen hervorbringt. Die
Tatsache, dass der Orientierungsverlauf nur als Punktion des
Vj für ein gegebenes Material immer der gleiche ist, muss
aber so auffallen, dass man ihr beim Studium des Defor-
mationsmechanismus besondere Beachtung verleihen muss.
Bisher ist die Brauchbarkeit des neuen Parameters auf zwei
Wegen untersucht und in überraschend guter Weise bestätigt
worden.
Die eine Prüfunggeschah nach der Methode der Quel-
lungsauisotropie, durch die ja die Bedeutung von v^ überhaupt
erst augenscheinlich geworden war. Die Kesultate kann man kurz
in folgender Weise zusammenfassen: Es werden unter bestimm-
ten Bedingungen Fäden aus ZelJulosexanthogeniat gesponnen.
Diese kann man durch Erhitzen in Hydratzellulose überführen,
dann trocknen und wieder in Wasser aufquellen. Man erhält
so nebeneinander beispielsweise Fäden mit den annähernden
Quellungsgraden 11 (Xanthogenat), 5 (frisch gequollene Zel-
lulose) 2 (wieder gequollene Zellulose) mid 1 (trockene Zel-
lulose), die ein und dasselbe Material in verschiedenen Quel-
») P. H. Hermans und P. Platzek, Kolioid-Z. 87, 296 (1939).
10
lungzuständen darstellen. Wir wollen diese Zustände in der
eben genannten Reihenfolge mit I, II, III und IV bezeichnen.
Macht man von allen diesen Fäden Dehnmigsreihen, misst
immer die Quellungsanisotropie Q und trägt die gefundenen
Zahlen gegen v auf, so erhält man die Kurvenschar der Figur
3a; aus ihr wird es deutlich, dass derselbe experimentelle
Dehnungsgrad verschiedene Quellungsanisotropie hervorrufen
kami. Vergleicht man hingegen die gefundenen Werte mit dem
charakteristischen Dehnungsgrad v^ dann ergibt sich für alle
Fälle die gleiche Q—v^—Funktion. (Fig. 3b).
40 |
d |
D | ||
Q |
I | |||
30 |
- |
/ | ||
20 | ||||
/ ^ | ||||
10 |
/ |
- | ||
1 |
--- |
1 1 |
1.5
2,0 2,5 3P 3,5
Fig. 3. a: Quellungsanisotropie Q an Fäden aus 8%-Viskose als Funktion des
experimentellen Dehnungsgrades v. b: Q als eindeutige Funktion des charak-
teristischen Dehnungsgrades vj.
Auf Grund dieser Tatsache allein scheint es berechtigt, das
deformatorische Verhalten eines Materials durch seine Q—v^ —
Kurve zu charakterisieren. Dass wir uns mit dieser Aussage
aber auf das verwendete Fadenmaterial beschränken müssen
und dieser Funktion keine allgemein gültige Bedeutung zu-
schreiben dürfen, erhellt daraus, dass man durch Aenderun-
gen in der Zusammensetzung der Spinnviskose andere Fäden
erhalten kann, die wohl wieder durch eine eindeutige Q—v^—
Kurve beschrieben werden, welch letztere aber von derjenigen
der Figur 3 b verschieden ist.
Eine Bestätigung dieser Ergebnisse konnte nach Untersu-
chungsmethode d), Aufnahme und Auswertung von Kraft-Deh-
nungs-Diagrammen, gewonnen werden. Setzt man im Diagramm
für die Dehnung den experimentellen Dehnungsgrad v ein,
so erhält man eine unübersichtliche, sich vielfach überschnei-
dende Reihe von Kurven für die Zustände I—IV^o); trägt man
-'quot;) P. H. Hermans, Kolloid-Z. 86, III (1939).
2P
hingegen die Festigkeiten K gegen v, auf, so resultiert eine
nach dem Quellungsgrad vernünftig abgestufte Kurvenschar.
Während man bisher die Verschiedenheit der K—v—Diagram-
me ohne Erklärung einfach zur Kenntnis nehmen musste,
lassen sich die K—v^—Kurven nach einer von Hermans 21)
entwickelten Beziehung zwischen Festigkeit und Orientierungs-
zustand einer netzähnlichen Struktur mit Ordnung in kleinen
Bereichen befriedigend quantitativ interpretieren. Diese Theorie
liefert nämlich eine allgemeine mathematische Beziehung zwi-
schen den Werten der Quellungsanisotropie und der Festigkeit.
Mit ihrer Hilfe lassen sich aus der bekannten experimentellen
Q—Vj—Kurve eines bestimmten Materials dessen K—v —Kur-
ven vorausberechnen, wenn man die Grösse seiner Yieldpoint-
kräfte kennt.
Bei der Sol-Gel-Umwandlung während des Spinnprozesses
scheint ein Gerüst zu entstehen, das auf Grund seines Auf-
baues und seuier Zusianmiensetzung in irgend einer Weise bereits
ein bestimmtes Verhalten gegenüber einer deformierenden Kraft
in sich gespeichert trägt und dieses im Laufe späterer Quel-
lungsänderungen beibehält. Man kann sich zum Beispiel vor-
stellen, dass sich mehr oder weniger feste Verknüpfungspunkte
bilden, die bei Entquellung und Quellung erhalten bleiben und
so das Gerüst der Struktur bestimmen; eine weitere Möglich-
keit zur Erklärung besteht in der Annahme eines bestimmten
Verhältnisses zwischen den Mengen kristallisierter und amor-
pher Substanz bei der Gelbildung, das sich je nach Viskose-
bereitung und Spinnbedingungen verschieben kann. Vermut-
lich werden beide und noch andere unbekannte Umstände
zusammen dazu beitragen, die Charakteristik im deformato-
rischen Verhalten eines Materials festzulegen, wie sie durch
die Q—Vj—Kurve zum Ausdruck kommt. Durch die Verfol-
gung der Abweichungen von einer bestimmten Modellvorstel-
lung, etwa der Kratky'schen Kette, werden sich auf diesem
Wege gewiss interessante Einblicke in die komplizierten Ver-
hältnisse des Feinbaues ergeben.
Es muss aber getrachtet werden, zu diesem Zwecke eine
möglichst feste Grundlage zu schaffen und deshalb erscheint
es vor allem notwendig, die Anwendbarkeit der Grösse v auf
möglichst verschiedenem Wege zu prüfen. Daher ergibt* sich
die Aufgabe, verschieden stark gequollene Objekte nach wei-
P. H. Hermans, Kolloid-Z. 88, 172 (1939).
-ocr page 23-teren Methoden zu untersuchen und die Beurteilung der dabei
erzielten Ergebnisse mit Hilfe von v, durchzuführen, um zu
sehen, ob dies wieder in einheitlicher Weise möglich ist. Es
ist zum Teil die Absicht der vorliegenden Arbeit, durch eine
solche Untersuchung auf optischem Wege hier neues Material
zu sammeln und mit den Ergebnissen früherer Untersuchun-
gen zu vergleichen. ;
ABSCHNITT II.
Wahl der Methode und Zielstellung der Arbeit.
Von den anfangs angeführten möglichen Wegen, um Unter-
suchungen über Eeinbau und Deformationsmechanismus durch-
zuführen, zeichnet sich vor allem die Röntgenmethode durch
eindeutige Resultate und weitgehend hypothesenfreie Auswer-
tung der Diagramme aus. Darin liegen auch ihre grossen Er-
folge begründet und in der Regel hat sie in vielen Fragen
das letzte Wort zu sprechen. Leider sind solche Versuche nicht
überall leicht durchzuführen, sowie photometrisch auszuwer-
ten, und eine weitere Schwierigkeit liegt darin, dass weitaus
nkht alle interessierenden Objekte dieser Untersuchung zu-
gänglich sind. So wurde zum Beispiel die Prüfung der Formeln
für den IL Grenzfall ^^ deshalb bisher nur an trocken ge-
dehnten Fäden vorgenommen, weil gequollene Präparate un-
brauchbare Diagramme ergaben. Die Interferenzen waren aus-
serordentlich schwach und ausserdem von der durch das Quel-
lungsmittel gestreuten Strahlung überdeckt. Obwohl es viel-
leicht möglich scheint, durch Verfeinerung der Untersuchungs-
methoden auch hier schliesslich zum Ziele zu gelangen, stösst
heide eine eingehende Röntgenuntersuchung hoch gequollener
Präparate auf grosse Schwierigkeiten.
Methode e), die Messung des Dichroismus gefärbter Objekte,
hat schon vor einiger Zeit Preston^ä) zur Bestimmung der
mittleren Orientierung verschiedener Fasern herangezogen imd
dabei gute Resultate erzielt. Für eine Anwendung in unserem
Sinne fehlt leider noch eine entsprechend ausgebaute Theorie.
Wegen der beschränkten Anwendbarkeit der Röntgenunter-
suchung bleibt also nur noch Methode b), die Doppelbre-
chungsmessung, um zu einer Kontrolle der Vorstellungen, wie
wir sie durch Messungen der Quellungsanisotropie gewonnen
haben, herangezogen zu werden. Nun liegen hier die Verhält-
nisse recht kompliziert; erstens überlagern sich zumeist ver-
schiedene Arten von Doppelbrechung und zweitens lässt sich
nur schwer etwas über die G-rösse der Eigendoppelbrechung
Hermans, Kratky und Platzek, Kolloid-Z. 86, 245 (1939).
J. M. Preston, ]. Soc. Dyers Colourists 47, 309 (1931).
-ocr page 25-regenerierter Zellulose aussagen. Bevor daran gedacht werden
kann, die v^-Beziehung mit Hilfe von Doppelbrechungsmessun-
gen zu untersuchen, muss erst in diesen beiden Punkten mög-
lichste Klarheit geschaffen werden. Wir können daher den
Zweck der Arbeit in grossen Zügen wie folgt festlegen:
1)nbsp;Schaffung von Grundlagen für die rechnerische Auswer-
tung der an gequollenen Körpern gemessenen Gesamt-
doppelbrechungen.
2)nbsp;Aufklärung über Grösse und Verhalten der Eigendop-
pelbrechung regenerierter Zellulose.
3)nbsp;Untersuchung über die Bedeutung der Grösse v^ für
die Beurteilung einer vorliegenden Teilchenorientierung.
ABSCHNITT 3.
Theoretische Grundlagen für die Auswertung
der optischen Messungen.
Bekanntlich gibt es Körper, die die Eigenschaft haben, dem
Licht in verschiedenen Eichtungen des Eaumes verschiedene
Fortpflanzungsgeschwindigkeit zu gestatten. Diese Eigenschaft
beruht auf anisotroper Anordnung der Moleküle oder ganzer
Molekülaggregate, wofern die Grössenordnung der letzteren un-
terhalb der jenigen der Wellenlänge des Lichtes bleibt. Man
unterscheidet :
a)nbsp;Eigendoppelbrechung (anisotrope Anordnung im Gitter-
verband).
b)nbsp;akzidentelle oder Spannungsdoppelbrechung (anisotrope
Anordnung infolge einer deformierenden Kraft). Span-
nungsdoppelbrechung kann sowohl an deformierten Kri-
stallen als auch beispielsweise an Gläsern beobachtet
werden.
c)nbsp;Formdoppelbrechung (regelmässaige Anordnung aniso-
diametrischer Teilchen, die an sich optisch isotrop sein
können, in einem Medium mit anderem Lichtbrechungs-
vermögen). Im Falle länglicher Teilchen spricht man
von Stäbchendoppelbrechung.
In der Folge soll für Eigen-, Stäbchen- und Spannungsdop-
pelbrechung E-Do, S-Do und Sp-Do geschrieben werden.
Alle diese Komponenten können sich nun an einem Objekt
überlagern und zur Gesamtdoppelbrechung (G-Do) beitragen.
Diese letztere Grösse ist experimentell messbar und ihre Be-
stimmung kann mit Hilfe des Polarisationsmikroskops 21) zwi-
schen gekreuzten Niçois erfolgen, indem der vom Objekt er-
zeugte Gangunterschied zwischen ausserordentlichem und or-
dentlichem Strahl durch Einschalten eines Körpers mit bekann-
ten doppelbrechenden Eigenschaften kompensiert wird.
Als Mass für die Doppelbrechung eines Körpers dient die
Differenz zwischen den Brechungsindizes für den ausserordent-
Eine ausgezeichnete Beschreibung geben H. Ambronn und A. Frey, Das Polarisationsmi-
kroskop, 1926.
liehen mid den ordentlichen Lichtstrahl, n^—n^, welche Grösse
als spezifische Doppelbrechung bezeichnet wird. Ihr Produkt
mit der Dicke des Präparates gibt die G-Do und wenn man
diese Grösse statt in absoluten Längeneinheiten in Wellen-
längen des verwendeten Lichtes messen will, so ergibt sich
für
d. (n —n )
G =nbsp;(4)
(In mathematischen Ausdrücken soll für G-Do, E-Do und
S-Do einfach G, E und S gesetzt werden.)
Betrachten wir einen trockenen Zellulosefaden, der zum Bei-
spiel um 50 »/o seiner Ausgangslänge gedehnt wurde. Die Zel-
lulosekristallite besitzen eine kräftige positive E-Do, die nun
nicht mehr wie im isotropen Zustand gegenseitig ausgelöscht
wird, sondern als Folge der entstandenen Orientierung positive
Doppelbrechung in der Dehnungsrichtimg hervorruft. Ein Ob-
jekt, in dem die Mizellen ideal parallel orientiert sind, wird
auch makroskopisch die optischen Eigenschaften der Mizellen
zum Ausdruck bringen, vorausgesetzt, dass es nicht noch Be-
standteile mit anderen optischen Eigenschaften enthält. Ein
Körper mit völlig ungeordneten Teilchen zeigt keine doppel-
brechende Wirkung und die zwischen den beiden Extremen lie-
genden Orientierungszustände werden entsprechende Bruchteile
der maximal möglichen Doppelbrechung aufweisen. Für einen
Körper ohne S-Do ergibt sich somit für die spezifische G-Do
der Ausdruck
^ = i .E ,nbsp;(5)
worin f ein Faktor ist, der angibt, welcher Bruchteil der
grössten Doppelbrechung zur Geltung kommt; er ist eine aus-
gesprochene Orientierungsgrösse.
Lassen wir nun den betrachteten Körper in Wasser quellen,
so verändert sich seine Doppelbrechung aus zwei Gründen.
Erstens wird das Volumen des Fadens grösser und es
weichen daher doppelbrechende Teilchen aus der Beobachtungs-
richtung; eine einfache Ueberlegung zeigt, dass die E-Do ver-
kehrt proportional dem Quellungsgrad abgenommen hat^ö).
Zweitens tritt nunmehr S-Do auf, da wegen der Ordnung in
kleinen Bereichen die Bedingung hiefür, parallele Lagerung
länglicher Teilchen, gegeben ist. Da die kleinen Bereiche aber
O. Kratky und P. Platzek, Kolloid-Z. 84, 268 (1938).
-ocr page 28-statistisch dieselbe Lagenverteilung aufweisen, wie die ein-
zelnen Mizellen, so wird die Superposition der einzelnen S-Do-
Vektoren in der gleichen Weise durch den Faktor f geregelt
wie die der E-Do-Vektoren. Falls an so einem Objekt keine
akzidentelle Doppelbrechung mehr auftritt, erhalten wir dem-
nach für die spezifische Doppelbrechung eines gequollenen
Körpers
Die Frage der Spannungsdoppelbrechung ist noch nicht rest-
los geklärt, doch weisen experimentelle Ergebnisse darauf hin,
dass sie zumindest so klein ist, dass sie innerhalb der expe-
rimentellen Fehlergrenzen verschwindet. Früher war man leicht
geneigt, mögliche Orientierungseffekte mit ihrer Hilfe zu er-
klären, obwohl schon vor längerer Zeit Ambronn sowie
Möhring26) versuchten, statt mit normaler und abnormaler
akzidenteller Doppelbrechung lieber mit orientierten Mizellen
zu rechnen. Eigene Ergebnisse an Zellulosefäden und -filmen ^s)
scheinen ebenfalls dazu zu berechtigen, die Sp-Do an hoch-
polymeren Gelen zu vernachlässigen. Es ist ja auch unwahr-
scheinlich, als Folge der angewendeten Kräfte Gitterdefor-
mationen annehmen zu wollen, da die Teilchen immer die
Möglichkeit haben, grösseren Spannungen durch Drehung in
die Deformationsrichtung oder nötigenfalls durch Gleitung aus-
zuweichen. Ausserdem ist die Anwendung wirklich grosser '
Kräfte infolge der geringen Festigkeit der Objekte unmöglich.
Formel (6) kann also Anspruch auf weitgehende Anwendbar-
keit bei der Auswertung experimenteller Messungen machen
und hat sich auch schon in mehreren Fällen, sowohl an Hy-
drat-, als auch an Azetylzellulose recht gut bewährt. Die
Grösse q in (6) ist genau genommen der Quellungsgrad be-
zogen auf doppelbrechende Teilchen und eigentlich nicht
ohne weiteres mit dem Quellungsgrad des gesamten Körpers
zu identifizieren. Bevor aber über die optischen Eigenschaften
der amorphen Zelluloseketten und über das Verhältnis zwi-
schen den Mengen kristallisierter und amorpher Zellulose im
Gel keine Klarheit herrscht, muss für q der experimentelle
Quellungsgrad eingesetzt werden. Diese prinzipielle Ungenau-
igkeit muss man aber als Fehlerquelle stets im Auge be-
halten.
Siehe A. Möhring, Kolloidchem. Beihefte 23, 152 (1927).
=') o. Kratky und P. Platzek, Kolloid-Z. 88, 78 (1939).
In Gleichung (6) stehen drei Grössen, die sich nicht un-
mittelbar experimentell bestimmen lassen: Es sind dies E,
S und f. Wenn aber die Wiener'sche Theorie^s) für das op-
tische Verhalten eines Mischkörpers im Falle gequollener Gele
angewandt werden kann, dann haben wir, wie in der Folge
ausgeführt werden soll, die Möglichkeit in der Hand, durch
geeignete Versuchsanordnung die nach der Berechnung von S
noch bleibenden Unbekannten E und f in jedem einzelnen Fall
bestimmen zu können.
Schon früher 29) konnte in guter Näherung quantitativ gezeigt
werden, dass die Anwendbarkeit der W i e n e r'schen Theorie
sehr wahrscheinlich ist, und in der vorliegenden Arbeit wer-
den für bestimmte Bedingungen neue Stützpunkte dafü^ ge-
wonnen. Es erscheint daher berechtigt, die an stärker gequol-
lener Zellulose auftretende S-Do nach Wiener zu berechnen.
Nach dieser Theorie werden die Brechungsindizes des ausser-
ordentlichen und ordentlichen Strahls imierhalb eines Misch-
körpers, bestehend aus länglichen Teilchen in einem Einbet-
tungsmedium, durch die Ausdrücke gegeben:
na^ = J^ni^ -f J^n^änbsp;(7a)
-nbsp;(7b)
Hierin sind ni und S^ der Brechungsindex beziehungsweise
das relative Volumen der Stäbchen, n^ und die entsprechen-
den Grössen des Zwischenmediums. und können im Falle
eines gequollenen Gels aus dem Quellungsgrad berechnet wer-
den.
Die Wiener'sche Theorie ergibt, dass die Doppelbrechung
eines Körpers aus länglichen Teilchen mit paralleler Lagerung
ein der schematischen Figur 4 entsprechendes Verhalten auf-
weisen soll, wenn man ihn der Eeihe nach mit verschieden
stark lichtbrechenden Flüssigkeiten imbibiert. Derartige Kur-
ven konnten bisher an verschiedenen Materialien aufgenommen
werdende), doch liegen an Zellulose ausführliche quantitative
Untersuchungen noch nicht vor.
O. Wiener, Abh. Sachs. Akad. Wiss. 32, 507-604 (1912).
-») O. Kratky und P. Platzek, Kolloid-Z. 84, 268 (1938).
3quot;) M. Wächtler, Kolloidchem. Beih. 20, 170 (1924); A. Möhring, Kolloid-Beih. 23, 162 (1927);
Q. van Iterson jr., Chem. Weekblad 30, 2 (1933); H. H. Weber, Pflügers Arch. 235, 205 (1934);
D. Noll und H. H. Weber, ibidem 235, 234 (1934); J. M. Diehl und Q. van Iterson jr., Kol-
loid-Z. 73, 142 (1935).
nj
Fig. 4. Ausgezogene Linie: Schemati-
sches Bild einer Wiener'schen Kurve.
Strecke AB:E-Do, Strecke CD:S-Do.
Die gemessenen Doppelbrechungswerte, aufgetragen gegen
den Brechungsindex der Imbibitionsflüssigkeit, ergeben eine
Kurve mit einem Minimum, da keine S-Do auftritt, sobald n^
und n^ gleich gross werden. Die Abzisse des Minimums gibt
somit den Brechungsindex der Stäbchen und seine Ordinate
deren reine E-Do an.
Welche Ueberlegungen müssen nun angestellt werden, wenn
man einen Körper vor sich hat, dessen Teilchen wohl im klei-
nen praktisch parallel zueinander hegen, aber statistisch be-
trachtet eine gewisse Lagenmannigfaltigkeit aufweisen, wie
es etwa an unseren Objekten der Eall ist?
Ein Blick auf Beziehung (6) zeigt, dass E-Do und S-Do in
zwei getrennten Termen aufscheinen, was auch im Diagramm
einer Wiener'sche Kurve zum Ausdruck kommt. Da die Or-
dinate des Minimums (Strecke AB in Eigur 4) die reine E-Do
der Stäbchen wiedergibt, ist sie durch den Ausdruck f.— ge-
geben. Die Abstände der einzelnen Kurvenpunkte von dir im
Minimum gezogenen Tangente (z.B. Strecke CD in Figur 4)
haben demnach die Länge f.S.
Wir müssen also trachten, einen Faden mit verschiedenen
Flüssigkeiten derart zu imbibieren, dass seine innere Struktur
dabei unverändert bleibt. Gelingt uns dies und nehmen wir
durch Messung der dabei auftretenden Doppelbrechungen die
der Figur 4 analoge Wiener'sche Kurve auf, dann sind wir
in der Lage, aus diesem Diagramm die Unbekannten f und E
der Gleichung (6) abzulesen, beziehungsweise zu berechnen.
Die projektierte Vorgangsweise ist dabei so, dass man mit Hilfe
des gefundenen n^ die theoretischen S-Do-Werte für die ein-
zelnen Kurvenpunkte berechnet und dann bestimmt, welcher
Bruchteil davon tatsächlich gefunden wird. Dieser Bruchteil
ist definitionsgemäss die Zahl f. Wenn die Umstände verhält-
nismässig einfach liegen, muss jeder Punkt einer wirkhchen
Wiener'schen Kurve dasselbe f liefern, das dann zusammen
mit dem experimentell gefundenen Quellungsgrad q dazu ver-
wendet werden kann, um aus der Höhe des Minimums die
Grösse E zu isolieren. Wir erhalten somit durch Imbibition
eines gedehnten Fadens mit verschiedenen Flüssigkeiten sein
E und f; durch Aufnehmen der Kurve bei verschiedenen Deh-
nungsgraden können wir den Verlauf dieser beiden Grössen mit
zunehmender Dehnung verfolgen.
Was die Aendeung der Zahl f zu bedeuten hat, ist auf den
ersten Blick klar: Sie bringt das Besser- und Schlechterwerden
der Orientierung zum Ausdruck. Bei der Grösse E hingegen ist
bei oberflächlicher Betrachtung Konstanz für jeden Dehnungs-
grad z.Ui erwarten, da sie eigentlich eine Materialkonstante
vorstellen soll. Dennoch ist es denkbar, dass auch bei E der
Dehnung entsprechende Veränderungen stattfinden können, da
erwartet werden muss, dass die optischen Eigenschaften kris-
tallisierter und amorpher Zellulose voneinander verschieden
sind; wenn dem so ist, dann bestimmt das vorliegende Mengen-
verhältnis der beiden Anteile an der Gelstruktur der Zellulose
als wirksames E einen Mittelwert, der durch Verschiebungen
im Mengenverhältnis natürlich Aenderungen unterworfen ist.
Da es beispielsweise denkbar ist, dass im Verlauf der Dehnung
wegen der zunehmenden Parallelrichtnug der Teilchen mehr
Ketten Gelegenheit zur Kristallisation bekommen, müssen wir
uns jedenfalls auf den Fall gefasst machen, dass sich die cha-
rakteristische E-Do mit der Dehnung noch ändern kann, auch
wenn der Lagenmannigfaltigkeit in der richtigen Weise Rech-
nung getragen wird, ^i) Man müsste dann einen prinzipiellen
Unterschied zwischen dem Einfluss von f und dem einer even-
tuellen Aenderung der „Konstantenquot; E auf das Zustandekom-
men der E-Do machen.
Als Orientierungsgrösse wirkt beim Zustandekommen der Dop-
pelbrechung der Verteilungsfaktor f. Auf diesen muss man
sich beschränken, wenn man die letzten Endes in Aussicht
genommene Prüfung der v^-Beziehung vornehmen will. Man
kann dabei so vorgehen, dass man an bestimmtem Faden-
material Dehnungsreihen in verschiedenem Quellungszustand
vorbereitet, an jedem Faden durch Imbibitionen eine Wiener'-
Vgl. analoge Ergebnisse an Kautschuk. P. Thiessen und W. Wittstadt, Z. Physik. Chem.
Abt. B 41, 33 (1938).
sehe Kurve aufnimmt und diese auswertet. Die gefundenen
f-Werte kann man dann sowohl gegen v als auch gegen v
auftragen und überlegen, ob in Uebereinstimmung mit den Ee-
sultaten anderer Methoden auch hier v, sich als das eindeu-
tigere Mass erweist.
So viel sei über theoretische Grundlagen und die Planun-
aer Versuche gesagt. Es wird gezeigt werden, dass die Ver°
haltnisse nicht so einfach liegen, wie vorausgesetzt wurde, und
dass man bis jetzt auf diesem Wege nur innerhalb gewisser
Grenzen gesicherte Resultate erwarten darf.
ABSCHNITT IV.
A. Vorversuche.
Bei der Wahl der Flüssigkeiten, die znr Imbibition verwen-
det werden können, muss darauf geachtet werden, dass der
Aufbau des Zellulosegerüsts beim Ensatz der einen Flüssigkeit
durch eine andere möglichst nicht beinflusst werden soll.
Aus diesem Grunde wurde von allem Anfang an organischen
Verbindungen gegenüber Lösungen anorganischer Stoffe in
Wasser der Vorzug gegeben, weil bei letzteren die quellenden
Wirkungen untereinander sehr verschieden sind. Wie bereits
früher gezeigt werden konnte lässt sich das Quellungswas-
ser durch Einlegen gequollener Fäden in Alkohol leicht durch
diesen ersetzen und auch der Alkohol kann auf dieselbe Weise
durch Benzol oder andere Flüssigkeiten verdrängt werden. Man
kann so durch entsprechende Reihenfolge jede beliebige Im-
bibition ausführen. Da zu erwarten ist, dass zurückbleibende
Wasserspuren sich hier sehr störend auswirken können, wurde
letzten Endes so vorgegangen, dass' die Fäden zweimal in
96-prozentigen und schliesslich in absoluten Alkohol gebracht,
dann in Toluol eine Stunde erwärmt und zum Schluss kurz
aufgekocht wurden. Die Methode des Erhitzens in Toluol ist
auch in der Praxis allgemein gebräuchlich, um letzte Spuren
Wassers in Textilfasern zu bestimmen. Dass dieser Weg auch
bei unseren Objekten zum Ziele führt, konnte bei einem Ver-
such als Resultat erhalten werden, der noch in anderer Hin-
sicht wichtig ist und deshalb kurz beschrieben werden soll.
Isotrope Fäden mit verschiedenem Wassergehalt wurden zur
Bestimmung ihres mittleren Brechungsindex nach der Immer-
sionsmethode so lange in organische Flüssigkeiten wechseln-
den Lichtbrechungsvermögens eingelegt, bis unter dem Mi-
kroskop nach dem Prinzip der Beck e'schen Linie kein Unter-
schied zwischen Objekt und Flüssigkeit mehr zu bemerken war.
Ein anderer Faden wurde auf dem oben beschriebenen Wege
in Toluol erhitzt und dann mit einem geeigneten Flüssigkeits-
gt;-) P. H. Hermans und A. J. de Leeuw, Kolloid-Z. 82, 58 (1938).
-ocr page 34--emiscli imbibiert (keine Immersion), das ebenfalls seine Um-
risse unter dem Mikroskop zum Verschwinden brachte. (Der
Unterschied zwischen Immersion und Imbibition besteht darin
dass bei ersterer das Objekt von der Flüssigkeit bloss umhüllt,'
bei letzterer aber möglichst gleichmässig und vollständig
durchdrungen sein soll). Aus den ersten zwei Zeilen der Ta''-
belle 1 ist ersichtlich, dass dieser Faden in seinem Brechungs-
index mit dem über Phosphorpentoxyd getrockneten und durch
Immersion gemessenen so gut wie übereinstimmt, ja, dass er
sogar noch einen etwas höheren Wert zeigt, als dieser. Man
kann diese Tatsache als Beweis dafür auffassen, dass man
wirklich das gesamte Wasser als azeotropes Gemisch mit Toluol
abdestillieren kann.
Tabelle 1.
Gew.— |
q |
Gemisch mit |
20 |
n berchnet | ||
Imbibiert mit |
0,0 |
4,15 |
Anisol |
1,5442 | ||
Getrocknet über P'A |
0,0 |
1,00 |
1,5429 | |||
Lufttrocken |
9,14 |
1,15 |
Aethylenbromid |
1,5387 |
1,515 |
1,517 |
gequ. in gesätt. |
27,4 |
1,56 |
Xylol |
1,4818 |
1,468 |
1,471 |
getrocknet und |
50,5 |
Aethylenchlorid |
1,4207 |
1,417 |
1,420 | |
frisch gequollen |
76,6 |
5,92 1 |
Amylalkohol |
1,3750 |
1,370 |
1,372 |
Der Hauptzweck dieses Versuches war jedoch, über die Ad-
ditivität der Brechungsindizes von Zellulose und Wasser ge-
nauere Auskünfte zu erhalten. Deswegen wurden Fäden ver-
schiedenen Quellungsgrades vorbereitet und zwar:
1)nbsp;Getrocknet über PjO^.
2)nbsp;Lufttrocken.
3)nbsp;Aufbewahrt in gesättigtem Wasserdampf bei 18°.
4)nbsp;Getrocknet und in Wasser wieder aufgequollen.
5)nbsp;Frisch gequollen.
Die gefundenen mittleren Brechungsindizes der Fäden sind
in Tabelle 1 mit den Zahlen verglichen, die man erstens aus
einer linearen und zweitens nach der quadratischen Misch-
formel von Wiener erhält, die theoretisch besser begründet
ist, als erstere. Als Brechungsindex der Zellulose wurde der
gefundene Wert von 1,543, als der des Wassers 1,333 ange-
nommen. Man sieht, dass bei stärker gequollenen Fäden ex-
perimentell nahezu die theoretischen Werte gefunden werden,
während bei niedrigem Wassergehalt beträchtliche Abweichun-
gen in der Richtung auftreten, dass sich das Wasser weniger
bemerkbar macht, als zu erwarten ist. Diese Beobachtung ist
in guter üebereinstimming mit Ergebnissen, die F r e y-W y s s-
ling?3) durch analoge Versuche an hochorientierten Ramie-
fasern erhalten konnte. Da der höchste dort verwendete Quel-
lungsgrad 1,32 beträgt, macht F r e y-W y ss 1 i n g die Beobach-
tung, dass am System RamieWasser der letztere Bestandteil
gleichsam verschluckt wird und optisch so gut wie gar nicht
zum Ausdruck kommt. Auf Grund von Tabelle 1 niuss diese
Feststellung wohl auf kleine Quellungsgrade unterhalb 2 ein-
geschränkt werden. Diese Abweichungen von der Wiener'-
schen Theorie können ihre Ursache beispielweise in Verände-
rungen des Brechungsindex der an den Mizelloberflächen ad-
sorbierten Wasserteilchen haben; bei Gegenwart grösserer Men-
gen Wasser fällt dann das abnormale Verhalten eines kleinen
Prozentsatzes nicht so sehr ins Gewicht. Da aber die kleinsten
Quellungsgrade, mit denen wir es in der Folge zu tun haben
werden, knapp unterhalb 100 »/o liegen, können wir den eben
besprochenen Versuch als weitere Stütze für die Anwend-
barkeit der Wienerischen Theorie an unseren Objekten be-
trachten.
Die Imbibition eines Fadens mit verschiedenen Flüssigkeiten
kann auf zwei Wegen vor sich gehen. Entweder legt man ihn
als ganzes der Reihe nach in die betreffenden Substanzen ein
und wartet jeweils so lange, bis keine Aenderung in der
Grösse der Doppelbrechung mehr zu beobachten ist, oder man
schneidet den z.B. mit Toluol durchtränkten Faden in kleine
Stückchen und „startetquot; diese gleichzeitig in die verschiedenen
Flüssigkeiten. Die erste Methode hat den Vorteil, dass man
den Faden an seiner gleichen Stelle messen und so in der Be-
stimmung des Quellungsgrades nur geringe Fehler infolge
Schwankung des Fadendurchmessers machen kann. Andrer-
seits weiss man nie sicher, ob die neue Flüssigkeit die alte
bereits vollständig verdrängen konnte und verliert durch die
•quot;gt;) M. Meyer und A. Frey—Wyssling, Helv. Chim. Acta 18, 1428 (1935).
-ocr page 36-Notwendigkeit langen Wartens viel Zeit. Die zweite Vorgangs-
weise erlaubt schnelleres Arbeiten, bringt aber Ungenauigkeiten
in der Bestimmung von q mit sich; sie wurde bei den zu
beschreibenden Vorversuchen verfolgt.
Methylenjodid
a-Bromnaphtalin
«-Chlornaphtalin
Schwefelkohlenst.
Chinolin
Bromoform
o-Toluidin
Monobrombenzol
Anisöl
Nitrobenzol
Benzylalkohol
Aethylenbromid
Nelkenöl
1.
2.
3.
4.
5.
6.
7.
8.
9.
10.
11.
12.
13.
1,740 |
14. |
Monochlorbenzol |
1,522 |
1,659 |
15. |
Aethyljodid |
1,510 |
1,630 |
16. |
Pseudocuniol |
1,505 |
1,620 |
17. |
Toluol |
1,492 |
1,613 |
18. |
Oyclohexanol |
1,465 |
1,596 |
19. |
Tetrachlorkohlenst. |
1,458 |
1,570 |
20. |
Chloroform |
1,444 |
1,568 |
21. |
Aethylenchlorid |
1,443 |
1,553 |
22. |
Amylalkohol |
1,406 |
1,550 |
23. |
Heptan |
1,398 |
1,535 |
24. |
Plexan |
1,380 |
1,533 |
25. |
Aceton |
1,359 |
1,533 |
26. |
Aethylalkohol |
1,360 |
wurden |
so ausgeführt, dass die Imbibi- |
.nbsp;»»ejie uoer Aiüonoi vorgenommen wurde
Beim Uebergang von Wasser in Alkohol findet Bntquellung
statt, doch kann das Volumen beim Austausch des Aethylalko-
hols gegen eine andere Flüssigkeit noch weiter abnehmen. Man
bemerkt aber, dass in den verwendeten anderen Alkoholen diese
weitere Entquellung nicht mehr geschieht und kann so einen
Unterschied verzeichnen, je nachdem die Fäden in Alkohole
oder andere Flüssigkeiten gelegt werden. Das Auftreten ver-
schiedener Quellungsgrade ist aber ein Schönheitsfehler, da
Jidurch das Zustandekommen einer richtigen W i e n e r'scheij
Kurve von vornherein verhindert wird. Die E-Do ist dann
nicht mehr für alle Kurvenpunkte dieselbe.
Deshalb wurde weiter der Versuch gemacht, nicht aus Ae-
thylalkohol, sondern aus anderen Flüssigkeiten, wie Aceton
Aether und Petroläther die Durchtränkung mit den unterschied-
lichen Imbibitionsmitteln vorzunehmen, doch war es auf keinem
dieser Wege möglich, beträchtliche Quellungsunterschiede in
'den Alkoholen einerseits und den übrigen Flüssigkeiten andrer-
seits zu verhindern. Interessanterweise verhält sich hier das ver-
I IniSequot; r''vom t^nTnnbsp;'-quot;quot;»'-quot;es Entgegenkommen von Herrn Ir. C
-ocr page 37-wendete o-Toluidin so wie die Alkolaole, was wahrscheinlich
auf den Einfluss der Aminogruppe zurückzuführen ist. Diese
Vermutung wird dadurch bestätigt, dass auch Ohinolin schwach
quellende Werkung zeigt, wenn es einen Nicht-Alkohol ver-
drängt.
Die geringsten Veränderungen im Quellungsgrad traten dann
auf, wenn der „Startquot; aus Toluol oder Xylol erfolgte, ganz
zu verhindern waren sie nie. Wohl ist in den meisten Flüs-
sigkeiten, reinen Kohlenwasserstoffen und Halogenderivaten,
unter diesen Umständen weitgehende Volumskonstanz zu ver-
zeichnen, doch ist dann wieder in den Alkoholen eine leicht
quellende Wirkung festzustellen. Das Beispiel eines Vorver-
suches, ausgeführt durch Imbibition von Fadenstückchen mit
26 verschiedenen Flüssigkeiten, ausgehend aus Xylol, zeigt
Figur 5.
15
14
13
12
11
10
o
-2B
° Oo
oo ^^^oooo
o
2i ^
\
g/d.10^
1.7
Iß
1,5
1„6
Fig. 5. Experimentelle O—Do eines orientierten Fadens als Funktion des
Brechugsindex der Imbibitionsflüssigkeit. Punkte der unteren Kurve: Alkohole
und o-Toluidin. Die angegeben Nummern haben Bezug auf S. 26.
Der Dehnungsgrad des Fadens betrug v = 1,8, was bei einem
Quellungsgrad von 5,9 einem v^-Wert von etwa 3 entspricht.
Es ergibt sich^ dass von einer schönen und einheitlichen Kur-
ve nicht viel zu bemerken ist, wenn man auch im allgemeinen
den erwarteten Gang einer W i e n e r'schen Kurve nicht ver-
kennen kann. Das Minimum liegt in der Gegend von n^ = 1,54,
was mit den Ergebnissen der Tabelle 1 übereinstimmt. Bei
genauerer Betrachtung kommt man zu dem Schluss, dass mehr
oder weniger deutlich zwei Kurven statt einer entstanden
sind, was durch die zwei strichlierten Linien ausgedrückt wer-
den soll. Auf der tiefer liegenden Kurve bemerkt man die
Alkohole, während alle anderen Punkte merklich höher zu
liegen kommen. Diese Erscheinung ist wohl qualitativ damit
in üebereinstimmung, dass der Quellungsgrad bei den Alkohol-
punkten höher ist, doch da die Volumsdifferenzen höchstens
50/0 betragen, kann man auf Grund von (6) zeigen, dass sie
zu einer quantitativen Erklärung der Abweichungen nicht aus-
reichen, V^enn wir nänüich bedenken, . dass der Faden eine
Quellungsanisotropie von ungefähr 25 aufweist, können wir
ihm ein f von etwa 0,85 zusprechen, ohne einen grossen Feh-
ler dabei zu machen. Wir können dann von den experimen-
tellen G-Do-Werten die genähert richtigen Grössen f. S ab-
ziehen und behalten so die wirksame E-Do des Fadens. Um
5% dieses Wertes etwa dürfen wir die Alkoholpunkte in die
Höhe verschieben, um sie mit den übrigen Punkten vergleich-
bar zu machen; die so entstehenden neuen Lagen sind in der
Figur durch Pfeile angedeutet.
Diese prinzipielle Differenz im Verhalten der Alkohole einer-
seits und nahezu aller anderen Flüssigkeiten andrerseits
trat bei jeder Vorgangsweise während der Versuche zu Tage
und wird an folgendem Beispiel besonders deutlich. Wir
imbibieren einen Faden abwechsehid mit Aethylenbromid imd
Benzylalkohol, die beide nahezu denselben Brechungsindex be-
sitzen, so dass sich die S-Do dabei praktisch nicht ändern
sollte. Trotzdem finden wir auch nach Berücksichtigung des
geringen Quellungsunterschiedes eine deutliche Differenz der
Doppelbrechungswerte in den beiden Medien, die durchaus
reversibel beobachtet werden kann, so dass der Einwand, die
beiden Flüssigkeiten könnten sich etwa nicht vollständig ver-
drängen, zunichte wird.
Man ist eben gezwungen, die vom Standpunkt der Einfach-
heit aus bedauerliche Tatsache zur Kenntnis zu nehmen, dass
eine eindeutige Wiener'sche Kurve an den Hermans'-
schen Fäden bei Verwendung beliebiger Imbibitionsflüssig-
keiten nicht aufzunehmen ist. Es muss daher versucht werden,
eine Erklärung für diese Erscheinung zu finden und sich für
weitere Versuche auf die eine oder andere Gruppe von Flüssig-
keiten zu beschränken.
Wenn wir davon absehen, die Wiener'sche Theorie als
für unsere Objekte unbrauchbar zu betrachten, bleibt, da zu
viele Anhaltspunkte für ihre Gültigkeit sprechen, als einziger
Ausweg, die Schuld für die Unstimmigkeiten auf Abweichun-
gen in der E-Do zu schieben. Wenn wir an der Hypothese
festhalten, nach der sich die E-Do mit dem Mengenverhält-
nis zwischen kristalliner und amorpher Substanz ändern kann,
so bedeutet dies, dass in imseren Fäden bei der Imbibition
mit Alkoholen neue amorphe Substanz auf Kosten der Mizellen
entstanden ist, verglichen mit den Verhältnissen in z.B. To-
luol. Diese Vorstellung hat nichts gezwungenes an sich, wenn
man sich an Hand der Figur 1 vergegenwärtigt, dass ein Quel-
lungsmittel längs der amorphen Ketten im Gel vordringt und
nirgends durch eine definierte Mizelloberfläche aufgehalten
wird. Eine Flüssigkeit mit quellenden Eigenschaften wird dann
im Mittel etwas tiefer in den Mizellkörper eindringen können,
als eine Substanz, die zum Zellulosemolekül überhaupt keine
Affinität zeigt. Bs ist darm leicht denkbar, dass Alkohole
auf Grund ihrer Hydroxylgruppe die Fähigkeit besitzen, zum
Teil in die äusserste Schicht der Mizellen einzudringen und
dadurch die E-Do der makroskopischen Fäden zu verringern.
Eine Flüssigkeit mit stärkeren quellenden Eigenschaften, wie
beispielsweise Wasser, müsste noch grössere Effekte in der-
selben Richtimg ergeben, und es wird weiter unten gezeigt wer-
den, dass dies tatsächlich der Fall ist.
Sobald man sich diese Auffassung zu eigen gemacht hat,
lässt sich bei Betrachtung der Figur 5 nur der Schluss ziehen,
Alkohole bei den beabsichtigten Versuchen für die Imbibition
heranzuziehen. In dieser Gruppe von Flüssigkeiten wird die
Zellulose vermutlich weitgehend gleiches Verhalten und somit
eine gleichbleibende E-Do zeigen, eine Vermutung, die dadurch
gestützt wird, dass sich durch die Alkoholpunkte im Diagramm
tatsächlich eine vernünftige W i e n e r'sche Kurve legen lässt.
Es erscheint eben vor allem wichtig, Flüssigkeiten mit wahr-
scheinlich gleich grosser Affinität zum Zellulosemolekül zu
verwenden. Diese Konsequenz erfährt eine weitere Stütze da-
durch, dass die Differenz zwischen dem durch die oberen
Punkte (Figur 5) gebildeten Minimum und den anderen Punk-
ten auch bei den stärkst gedehnten Fäden nur ein f von etwa
'0,5 ergeben würde, was mit anderen experimentellen Ergeb-
nissen durchaus im Widerspruch steht. Weiters ist es letzten
Endes der Zweck solcher Messungen, Anhaltspunkte für die
Rechnung mit wassergequollenen Objekten zu gewinnen und es
ist wahrscheinlich, dass sich Alkohole eher wasserähnlich
verhalten werden, als die übrigen Substanzen.
Da die meisten Alkohole niedrige Brechungsindizes aufweisen
und daher Punkte am linken Ast der Kurve liefern, wurde noch
das wegen seines hohen Brechungsvermögens interessante Me-
thylenjodid für die weiteren Versuche in Aussicht genommen
Seme Verwendung steht zwar mit dem eben gesagten nicht
ganz m Einklang, da es zu den entquellenden Flüssigkeiten ge-
hört, doch i st aus Figur 5 ersichtlich, dass sowohl beim linken
als auch beim rechten Kurvenast die beiden Flüssigkeits-
gruppen sich wieder nahekommen. Das bedeutet im Sinne der
entwickelten Hypothese, dass an den Enden der Kurve die
Nichtalkohole keine wesentlich höhere E-Do des Zellulosecels
hervorrufen, als die Alkohole. Eine Erklärung dieser ErscLi-
nung kann im Augenblick nicht gegeben werden; man könnte
daran denken, dass Dipolmoment oder Molekülvolumen eine
Eolle spielen, doch kann es sich auch um einen blossen
Zufall handeln.
B. Quantitative Experimente und ihre Auswertung.
Um die Prüfung der Grösse v^ unter möglichst verschiedenen
Umstanden vornehmen zu können, schien es zweckmässig, dazu
zwei Materialien zu verwenden und dieselben in mehreren
Quellungszuständen vorzudehnen. Es gelangten zur Anwendung:
1)nbsp;Fäden, gesponnen aus Viskose mit 8o/„ Zellulosegehalt;
2)nbsp;Fäden, gesponnen aus Viskose mit 4o/„ Zellulosegehalt.'
Beide Arten van Fäden wurden als
a)nbsp;frisch gequollene Hydratzellulose
b)nbsp;getrocknete und wieder gequollene Hydratzellulose vor-
gedehnt. Die isotropen Fäden hatten folgende Quellungsgrade-
la) q = 5,98
Ib) q = 2,36
2 a) q = 9,75
2b) q = 2,58.
Wegen der Verwendung von Alkoholen als Imbibitionsmittel
war es hier nicht mehr nötig, die Fäden zuerst mit Toluol zu
durchtranken, da beim Ersatz des einen Alkohols durch einen
anderen keine Volumsänderung zn beobachten ist. Auch sind
die Alkohole nie vollkommen wasserfrei zu erhalten, so dass
es als genügende Entwässerung betrachtet wurde, die Prä-
parate in absoluten Alkohol zu legen.
Mit jedem der plastisch vorgedehnten Präparate wurden die
-ocr page 41-folgenden Zustände durchlaufen:
1.nbsp;Wasser.
2.nbsp;Aethylalkohol abs.
3.nbsp;Amylalkohol.
4.nbsp;Cyclohexanol.
5.nbsp;Benzylalkohol.
6.nbsp;Methylen] odid.
7.nbsp;Wasser (über Aceton).
8.nbsp;Lufttrocken.
Die Vorgangsweise war derart, dass die ganzen Fäden der
Eeihe nach in die verschiedenen Flüssigkeiten gelegt wurden.
In jedem Zustand wurde jeweils so lange gewartet, bis keine
Aenderung der Doppelbrechung mehr auftrat, wozu nie mehr
als 12 Stunden notwendig waren. Infolge des beträchtlichen
Quellungsgrades der Fäden (über q = ±2) können die Flüssig-
keiten relativ schnell austauschen. In jedem Zustand wurden
Doppelbrechung und Dicke des Fadens unter dem Mikroskop
gemessen, und zwar immer an derselben Stelle des Präparats.
Um die Messung der Doppelbrechung im monochromatischen
Licht vornehmen zu können, wurden an den Enden der Fäden
Keile angeschnitten, an denen man die Zahl der auftretenden
Ordnungen mit grosser Deutlichkeit ablesen konnte. Die Bruch-
teile der Gangunterschiede über den ganzzahligen Vielfachen
der Wellenlänge wurden durch Einschieben geeichter Gips-
plättchen kompensiert, wodurch die Messimgen bis auf ein
Achtel der Wellenlänge genau möglich waren; diese Genauig-
keit ist in Anbetracht anderer, nicht imbedeutender Fehler-
quellen vollständig hinreichend. Zur Verwendung gelangte gel-
bes Natriumlicht der Wellenlänge A 5,90.10-5 cm.
Die Hauptfehlerquelle bei allen Messungen ist die Bestim-
mung des Quellungsgrades. Da die Dicke der Fäden innerhalb
5% Schwankungen aufweist und der Fadenquerschnitt nie
ideal kreisförmig wird, muss man bei der Berechnung des
Quellungsgrades aus einer Dickenmessung mit einem möglichen
Fehler von 10 quot;/o rechnen. Dadurch, dass man die Messung der
Dicke immer an derselben Stelle des Fadens vornimmt, wird
dieser Fehler zwar weitgehend beseitigt, doch können sich
Ablesefehler (Schätzung von Bruchteilen der Skalateilstriche
im Okular) und Abweichungen vom kreisförmigen Querschnitt
der Fäden bei der Berechnung von Quellungsänderungen im-
merhin als 2—3»/o Fehler auswirken. Welche Folgen dieser
Umstand auf die Auswertung der gefundenen Zahlen haben
muss, wird an Ort und Stelle gezeigt werden.
Da die vier Versuchsreihen in genau der gleichen Weise
durchgeführt wurden, genügt es hier wohl, die experimentellen
Daten und deren Auswertung an einem einzigen Beispiel aus-
führlich in Zahlen und allen Einzelheiten wiederzugeben. Wir
wählen dazu willkürlich die Reihe 2a, frisch gequollene Eäden
aus 4 7o-Viskose, deren q im Ausgangszustand gleich 10 war.
Tabelle 2 bringt die in den einzelnen Zuständen gemessenen
Dicken und Doppelbrechungen, letztere bereits als spezifische
G-Do umgerechnet. Die Vordehnungen der Fäden sind gleich-
falls angeführt.
Tabelle 2.
a |
b |
c |
d |
e |
f |
g | ||
Dehnungsgrad |
1,94 |
1,84 |
1,72 |
1,60 |
1,47 |
1,29 |
1,06 | |
1. Wasser |
Dicke (10quot;quot;'' cm) |
524 |
586 |
662 |
711 |
759 |
854 |
945 |
2. Aethyl- |
d O/d.103 |
480 |
544 |
607 |
665 |
719 |
810 |
908 |
3. Amyl- |
d O/d.103 |
476 |
543 |
605 |
664 |
719 |
806 |
905 |
4. Cyclo- |
d o/d.ia' |
476 |
544 |
605 |
662 |
716 |
804 |
902 |
5. Benzyl- |
d G/d.10' |
479 |
541 |
605 |
649 |
740 |
823 |
904 |
6. Methylen- |
d O/d.lQS |
435 |
388 |
546 |
605 |
649 |
740 |
823 |
7. Wasser |
d Q/d.103 |
519 |
575 |
644 |
697 |
739 |
834 |
925 |
8. Luft- |
d O/d.103 |
252 |
265 |
276 |
292 |
316 |
360 |
455 |
Als wichtiges Ergebnis kann zunächst die Tatsache verzeich-
net werden, dass die in Wasser gemessenen Zahlen, sowohl
was Dicke, als auch was Doppelbrechung betrifft, am Be-
ginn und Ende der Reihe bei allen Fäden gut übereinstimmen.
Daraus ergibt sich, dass die Durcbtränkungen 2.-6. wohl
keine bleibenden Veränderungen von Bedeutung in der Gel-
struktur hinterlassen haben, eine Tatsache, die uns für alle
kommenden Betrachtungen festen Boden unter den Füssen
verleiht. Weiters sieht man aus den Werten des Durchmessers,
dass die Quellungsgrade beim Uebergang von Wasser in Ae-
thylalkohol um etwa 15—20»/o abnehmen, aber in den weiteren
Alkoholen praktisch konstant bleiben. Eine nochmalige Bnt-
cjuellung findet beim Einlegen in Methylen] odid statt und zwar
wird q abermals um etwa 20 »/o niedriger. In Wasser quellen
die Fäden dann wieder auf ihr ursprüngliches Volumen auf.
Trägt man die Doppelbrechungswerte der Tabelle 2 gegen
den Brechungsindex des Imbibitionsmittels auf, so entsteht
eine Schar von Wiener'schen Kurven, dargestellt in Figur 6.
Eine Kurve entspricht jeweils einer senkrechten Reihe in
Tabelle 2. Bei den Punkten Wasser und Methylenjodid ist
durch kleine Striche angedeutet, wohin sie zu liegen kom-
men, wenn man sie nach Gleichung (6) auf den Quellungs-
grad der Alkohole umrechnet. Für kleinere Dehnungsgrade
liegen die ganzen Kurven tiefer, weil die E-Do noch weit
von ihrem Endwert entfernt ist, und ausserdem ist ihre Krüm-
mung geringer, weil nur kleinere Anteile der S-Do sich der
E-Do überlagern.
Nun kann man daran gehen, die rechnerische Zerlegung in
S-Do und E-Do vorzunehmen und zunächst aus der S-Do das
f zu bestimmen. Wie schon beschrieben, muss dies deshalb aus
der remen S-Do geschehen, weil in den E-Do-Werten immer
■beide Unbekannten auf einmal enthalten sind.
Die Vorgangsweise ist so, -dass man von der gefundenen
G-Do die auftretende E-Do abzieht. Letztere erhält man aus
dem Minimum der betreffenden Kurve, doch muss man hierbei
auf allfallige Unterschiede im Quellungsgrad achten. Da die
Doppelbrechung des Minimums durch f. — gegeben ist, der
betrachtete Kurvenpunkt aber einen Quellungsgrad von q' auf-
weisen kann, muss die Doppelbrechung im Zustand 5. mit
dem Faktor-^multipliziert werden. Die so erhaltene Zahl sub-
trahiert man von der experimentellen G-Do und die Differenz
ist nach (6) f.S. Sie wird durch die nach Wiener berechnete
S-Do dividiert und der Quotient gibt definitionsgemäss das
gesuchte f.
Man sieht, dass man ohne Kenntnis der Quellungsgrade
in jedem einzelnen Zustand nicht rechnen kann. Für den was-
sergequollenen Faden kann q aus der Aendernng von Länge und
Dicke während der Deformation aus dem bekannten Anfangswert
leicht berechnet werden; beiden weiteren Quellungen und Ent-
quellungen kann man wohl die Durchmesser der Fäden auf etwa
1 7o genau mikroskopisch messen, doch bereitet die Feststellung
geringer Längenänderungen an kleinen, oft leicht gekrümmten
Fadenstückchen Schwierigkeiten. Da aber aus vielen anderen
Versuchen der Verlauf der Quellungsanisotropie mit der Deh-
nung empirisch bekannt ist, kann man bei bekanntem Dehnungs-
grad aus der Aendernng der Dicke diejenige der Länge mit
genügender Genauigkeit vorhersagen. Auf diesem Wege kann
man die Quellungsgrade der Objekte in allen Zuständen be-
rechnen.
Tabelle 3 stellt als Ergänzung zu Tabelle 2 für die Zustände
1.-6. die berechneten Grössen q, S(Liener), f.S(e.per.) und f
zusammen. Die Wiener'schen Zahlen erhält man auf Grund
der Quellungsgrade und des ans der Lage der Kurvenminima
wahrscheinlichen Wertes von 1,54 für den mittleren Brechungs-
index der Hydratzellulose. Für die Zustände 5. und 8. (Ben-
zylalkohol und lufttrocken) wurde für die S-Do der Wert Null
angenommen; 5. stellt ja -das Kurvenminimum dar und die
10 7o Wasser im lufttrockenen Faden kann man in erster Nä- '
herung vernachlässigen, ida gezeigt werden konnte, (Tabelle
1), dass sich kleine Meugeu Wasser iu den Objekten auf op-
tischem Wege nur schwach manifestieren. In den Zuständen
5. und 8. tritt demnach praktisch reine B-Do auf vmd es sollte
möglich sein, die Zahlen durch bh^sse üerücksichtigung des
Quellungsgrades ineinander umzurechnen; dies wird weiter un-
ten in Tabelle 4 versucht.
Tabelle 3.
a |
b |
c |
d |
e |
f |
g | ||
1. |
q |
5,32 |
6,32 |
7,55 |
8,10 |
8,45 |
9,40 |
9,60 |
Wasser |
S.IO' (thcor.) |
4,7 |
4,15 |
3,48 |
3,2 |
3,05 |
2,65 |
2,55 |
f.S.lO'! (gef.) |
3,43 |
2,60 |
1,89 |
1,67 |
1,37 |
0,78 |
0,24 | |
f |
0,73 |
0,63 |
0,57 |
0,52 |
0,45 |
0,28 |
0,09 | |
2. |
q |
4,45 |
5,25 |
6,35 |
6,85 |
7,2 |
8,9 |
9,1 |
Aethyl- |
S.IO' theor.) |
3,98 |
3,58 |
3,08 |
2,87 |
2,73 |
2,08 |
2,03 |
alkohol |
f.S.lQi (gef.) |
3,40 |
2,54 |
1,93 |
1,65 |
1,23 |
0,82 |
0,21 |
f |
0,85 |
0,71 |
0,63 |
0,58 |
0,45 |
0,39 |
0,10 | |
3. |
q |
4,4 |
5.25 |
6,35 |
6,85 |
7,2 |
8,85 |
9,05 |
Amyl- |
S.IO» (theor.) |
2,2 |
2,08 |
1,85 |
1,78 |
1,68 |
1,38 |
1,35 |
f. |
0,97 |
0,87 |
0,71 |
0,62 |
0,55 |
0,43 |
0,09 | |
4. |
q |
4,4 |
5,25 |
6,35 |
6,85 |
7,2 |
8,85 |
9,05 |
Cyclo- |
S.103 (theor.) |
0,6 |
0,57 |
0,53 |
0,5 |
0,5 |
0,4 |
0,4 |
f |
0,90 |
0,81 |
0,68 |
0,68 |
0,42 |
0,47 |
0,15 | |
5. Benzyl |
ql |
4,45 |
5,25 |
6,35 |
6,85 |
7,2 |
8,85 |
9,05 |
6. |
q |
3,65 |
4,25 |
5,05 |
5,35 |
5,6 |
6,8 |
6,9 |
Methylen- |
S.103 (theor.) |
4,5 |
4,13 |
3,75 |
3,6 |
3,48 |
2,97 |
2,93 |
f |
0,97 |
0,87 |
0,75 |
0,55 |
0,52 |
0,39 |
0,12 |
liei Betrachtung von Tabelle 3 bezüglich der darin enthal-
tenen f-Werte muss leider festgestellt werden, dass die er-
wünschten einfachen Verhältnisse auch bei Verwendung von
Alkoholen und Wasser allein nicht vorzuHegen scheinen, da die
gleiche Art der Auswertung nicht bei allen durchlaufenen
Zuständen dasselbe f ergibt. Die Fäden in Wasser liefern klei-
nere Zahlen, als die in Aethylalkohol, und diese wieder klei-
nere, als die Versuche in den anderen vier Flüssigkeiten, deren
Resultate man allerdinge als miteinander übereinstimmend be-
zeichnen kann Diese Verhältnisse äussern sich schon in Figur
6, wo besonders die Wasserpunkte ganz deutlich unterhalb ihrer
Kurven zu liegen kommen. Die Frage, ob diese Abweichungen
durch experimentelle Ungenauigkeiten bedingt sein können,
muss verneint werden, da die Unterschiede überall und in
allen vier Reihen denselben dang aufweisen. Bevor wir aber
daran gehen wollen, diese auffälligen Tatsachen zu diskutieren
und möglichst erklären zu wollen, ist es hier am Platze, die
Ungenauigkeiten aufzuzeigen, die sich aus der Unmöglichkeit
emer fehlerlosen Bestimmung des Quellungsgrades zwangläufig
ergeben. Wohl bleiben die eben besprochenen Unterschiede
zwischen den f-Werten davon in ihrem Prinzip unberührt, da
sie deutlich immer in derselben Richtung liegen, doch muss
man sich darüber klar sein, dass die Zahlen von kleinen Ver-
suchsfehlern nicht unbedeutend beeinflusst werden und muss
untersuchen, wie gross diese Ungenauigkeiten werden können
Zu diesem Zwecke muss man noch einmal Gleichung (6) be-
trachten. Sie weist auf der rechten Seite zwei Glieder auf
in deren einem der Quellungsgrad steht, und aus deren anderem
das f berechnet wird. Man kann nun leicht zeigen, dass sich
klenie Fehler im Quellungsgrad von etwa 3 »/„^ bei der Be-
stimmung von f^viel stärker, auswirken, wenn das Glied f. S
klein ist gegen —. Nehmen wir als Beispiel Faden a in Cyclo-
hexanol, dann rechnen wir:
-d- - IT =nbsp;(6')
6,48.10-3 — 5,91.10-3 = 0,57.10-3
Aendern wir nun das Glied ^ bloss um 2o/„, so entsteht:
6,48.10-3 — 6,028.10-3 = 0,452.10-3
also eine Zahl, die um 20o/„ von der vorigen verschieden ist
In Amylalkohol, wo die S-Do höhere Werte erreicht, wirken
sich 2o/„ Fehler bei q immerhin noch um 8% bei f aus Wir
wollen daher später beim Vergleichen der f-Werte auf Mittel-
bildung zwischen den genäiert übereinstimmenden Zahlen in
Amylalkohol, Cyclohexanol und Methylenjodid verzichten und
nur die f-Werte aus Amylalkohol berücksichtigen, da diejenigen
aus Oyclohexanol mit zu grossen Fehlern behaftet sein können
und Methylenjodid unter allen Alkoholen von vornherein ein
Aussenseiter ist.nbsp;;
Wir kehren nun wieder zu der Frage zurück, worauf die in
Tabelle 3 bei der Eechyiung entstehenden Unterschiede zwi-
schen den f-Werten in Wasser, Aethylalkohol und Amylalkohol
als Vertreter der übrigen Flüssigkeiten zurückzufiüiren sein
dürften. Bisher konnte noch nie gezeigt werden, dass Quel-
lungsänderungen wesentlichen Einfluss auf die Teilchenorien-
tierung ausüben und in diesem Sinne spricht auch die weiter
unten folgende Tabelle 4. Man muss demnach für alle durch-
laufenen Zustände dasselbe f fordern; findet man dies nicht,
so hat man es eben mit Abweichungen von einer einfachen und
eindeutigen W i e n e r'schen Kurve zu tun. Es wurde aber schon
auf Seite 29 gezeigt, da,ss man trotz solcher Abweichungen die
Anwendbarkeit der Wiener'schen Theorie als Axiom aufrecht
erhalten kann, wenn man die nicht unwahrscheinliche Annahme
trifft, dass die charakteristische E-Do der Objekte in verschie-
denen Flüssigkeiten ungleich gross werden kann. Danach muss
man Aenderungen von E nicht nur im Verlauf der Dehnung,
sondern auch bei Variation des Imbibitionsmittels erwarten.
Im Zuge der weitem oben entwickelten Gedankengänge muss
man sich vorstellen, dass Wasser als Quellungsmittel tiefer in die
äusseren Teile der Mizellen einzudringen und so den kristalli-
sierten Anteil de,r Zellulose weiter zu verringern vermag, als es
die Alkohole im Stande sind; in Uebereinstimmung mit dieser
Vorstellung sind auch die Quellungsgrade in Wasser höher,
als in organischen Flüssigkeiten, untep: denen die Alkohole
schon eine besonders bevorzugte Stellung durch ihre schwach
quellenden Eigenschaften einnehmen. Auf Grund dieser Hypo-
these erklären sich dann die niedrigeren f-Werte der Wasser-
punkte daraus, dass es falsch ist, bei ihnen mit der E-Do des
Kurvenminimums zu rechnen, sondern dass man ein kleineres
E einsetzen müsste; bei einer solchen Vorgangsweise würden
dann tatsächlich höhere Werte für f zustande kommen.
Man sieht also, dass die letzterwähnten Unterschiede zwi-
schen den f-Werten, gewonnen aus Zustand 1. einerseits und
aus den Alkoholen (mit Ausnahme des Aethylalkohols) andrer-
seits, qualitativ offenbar auf dasselbe Phänomen zurückge-
führt werden können, das, auch das Zustandekommen einer
glatten Wiener'schen Kurve in Figur 5 verhindert. Als Er-
klärung für diese Erscheinungen soll zusammenfassend die
Hypothese zur Diskussion gestellt werden, dass bei Quel-
lung in verschiedenen Flüssigkeiten das Men-
genverhältnis zwischen amorpher und kristal-
liner Zellulose nicht unverändert bleibt und
dadurch auch das optische Verhalten der ma-
kroskopischen Objekte beeinflusst wird.
Worauf die Mittelstellung des Aethylalkohols zurückzuführen
sein mag, kann nicht ohne weiteres gesagt werden; es kömite
sein, dass sie in seiner Wasserähnlichkeit infolge der Kürze
der Paraffinkette begründet ist, m,an könnte aber auch geringe
Spuren Wassers, die trotz der Absolutiering über Kalziumoxyd
immer zurückbleiben, dafür verantwortlich machen. Eine ge-
dmikliche Schwierigkeit bleibt dami aber auf jeden Fall die
Tatsache, dass die Quellungsgrade in Aethylalkohol nicht grös-
ser sind, als die in den anderen Alkoholen.
So viel sei zimächst über die Auswertung der experimen-
tellen Zahlen gesagt; sämtliche, am Beispiel der Reihe 2a bis
jetzt besprochenen Erscheinungen treten in vollständiger Ana-
logie auch an den drei übrigen Reihen zn Tage, so dass deren
Zahlen für f in der gleichen Vorgangsweise mid mit denselben
Unterschieden und diskutierten Unsicherheiten wie in 2a er-
halten wurden. Wir können uns daher weiterhin darauf be-
schränken, bei den anderen drei Reihen lediglich die gefmi-
denen f-Werte in Tabellen mid Diagrammen wiederzugeben,
ohne dort das gesamte experimentelle Material anzuführen.
C. Die Prüfung der Grösse v^ als Parameter der
Orientierung.
Der Weg, auf dem v^ mit dem experimentellen Dehnungsgrad
V hinsichtlich seiner Brauchbarkeit als alleiniges Mass für eine
vorliegende Orientierung verglichen werden soll, liegt auf der
der Hand: Man trägt die massgebenden Orientiermigsgrössen
einmal gegen v imd dann gegen v^ auf und untersucht, welche
Methode das einheitlichere Resultat ergibt. Im vorliegenden
Fall ist f die interessierende Orientiernngsgrösse und gerade
diese Zahlen sind mit beträchtlichen Unsicherheiten ver-
bunden. Glücklicherweise ist die absolute Grösse der f-Werte
für misere Zwecke weniger von Belang, da wir allein ihren
Verlauf mit der Dehnung verfolgen wollen und dieser Verlauf
aus den Experimenten mit genügender Sicherheit zu entnehmen
ist. Ohne zunächst eine Entscheidung zwischen den f-Werteji
aus Wasser oder denen aus Amylalkohol treffen zu wollen,
werden wir die beabsichtigte Prüfung getrennt für beide yor-
nehmen und sehen, dass sie zu demselben Resultat führen.
Zunächst sei das Material aus 8 Vo Viskose, also die Reihen la
und Ib, besprochen. Eigur 7 zeigt die Diagramme, die ent-
stehen, wenn man f gegen v aufträgt.
1,2 1,4 1.6 1,8 2,0' 2.2 2,4
Schwarze Punkte sind aus Zustand 1. (Wasser) errechnet,
weisse aus Zustand 3. (Amylalkohol). Kreise bedeuten frisch
gequollene Eäden (la), Dreiecke wieder gequollene (Ib). Man
sieht deutlich, dass die Kurven der wieder gequollenen Fä-
den langsamer ansteigen, als die der frisch gequollenen, gleich-
gültig, ob man nun schwarze oder weisse Punkte betrachtet.
Diese Tatsache ist in Uebereinstimmimg mit den Erfahrimgen
aus Quellungsanisotropie- und Kraftdiagrammen.
Jedem v entspricht nun ehi bestimmtes v^, das man expe-
rimentell bestimmen kann (Siehe Seite 9). Für verschiedene
Arten von Fäden wurde dies schon früher bei Messungen der
Quellungsanisotropie durchgeführt und so erhält man Kurven,
aus denen man leicht v, als Funktion von v ablesen kann
Eine Auswahl solcher Dia.gramme ist an anderer Stelle wieder-
gegeben.
Trägt man jetzt die Punkte der Figur 7 statt gegen v, gegen
v^ auf, so entsteht Figur 8, in der die Bezeichnungen der
3^) P. H. Hermans, Proc. Acad. Sei. Amsterdam, 1939; P. H. Hermans und P. Platzek,
Kolloid-Z. 1939. (In Vorbereitung)
Punkte aus Figur 7 beibehalten sind. Trotz der nicht unbe-
deutenden Streuungen, die, wie gesagt, vor allem auf die Un-
genauigkeit bei der Bestimmung des Quellungsgrades zurück-
züfuhren smd, ist deutlich zu sehen, dass Kreise und Dreiecke
gleicher Fa,rbe nunmehr unbedingt das Bestreben haben, eine
definierte Kurve zu bilden, wie auch aus den früher erwähnten
Versuchen nach anderen Methoden zu erwarten war. Zwar sieht
es so aus, als ob die Dreiecke jeweils ein wenig zu weit links
lagen, doch ist auch hiefür eine Erklärung vorhanden Der
Eaden, den man durch Trocknen und Wiederaufquellen eines
isotropen Objekts erhält, ist nicht mehr ganz isotrop, sondern
weist bereits eine mässige Orientiermig in der Richtung der
ladenachse auf, bevor er noch einer Dehnung unterworfen
wird. Dieser Effekt ist quantitativ noch nicht genügend unter-
sucht, qualitativ jedoch mit Sicherheit festgestellt; er dürfte
mit der nicht in allen Fadenteilen gleich schnellen Trocknung
zusammenhängen. Die Folge davon ist, dass die an wieder-
gequollenen Fäden gemessenen Werte für v und somit auch
die für V, alle ein wenig zu klein sind, um die dazugehörigen
Orientierungen richtig beschreiben zu können, so dass eigent-
lich Ihre Punkte in den Figuren weiter rechts zu liegen kämen
Daim fallen sowohl die weissen, als auch die schwarzen Punkte
viel deutlicher auf je eine Kurve.
Genau dasselbe Bild ergibt sich, wenn man die Reihen für
Faden aus 4o/„ Viskose betrachtet. Es sei daJier lediglich die
der Figur 8 analoge Fignr 9 wiedergegeben, deren durch
Kreise bezeichnete Punkte auch in Tabelle .3 enthalten sind
Die Streuungen müssen wir wieder als mivermeidlich betrach-
-ocr page 51-teil und uns die Dreiecke ein wenig nach rechts versclioben
denken. Es ist dann zweifellos, dass auch hier gut definierte
f — Vj—Diagramme entstehen. Selbverständlich darf man für
ein gegebenes Material nur eine einzige Kurve erwarten und
es treten bloss deshalb zwei solche in den Figuren 8 und 9
auf, weil wir es absichtlich unterlassen haben, vor der Prüfung
der Vj-Vorstellung eine mehr oder minder willkürliche Ent-
scheidimg zwischen den f-Werten aus Wasser und denen aus
den Alkoholen zu treffen. Es ist aber gleichgültig, welche
Punktereihe uns schliesslich wahrscheinlicher vorkommen mag:
In beiden Fällen zeigt es sich, dass Sie aus Doppelbrechungs-
niessungen abgeleitete Orientieruiigsgrösse f in ihrem Verlauf
mit Quellungsanisotropie und Festigkeit insofern überein-
stimmt, als auch hier der Parameter v^ die richtige Beurteilung
der hervorgerufenen Orientierung zulässt. Die Brauchbar-
keit von Vj wird also durch eine weitere empi-
rische Tatsache gestützt und es wird immer wahr-
scheinlicher, dass dieser gleichsam zufällig auf experimentel-
lem Wege entdeckten (xrösse eine tiefere physikalische Be-
de,utung zugrunde liegt.
Es bleibt noch übrig, zu überlegen, ob mau den kleineren
oder den grösseren Zahlen für f mehr Vertrauen schenken
soll. Geht man von der entwickelten Hypothese aus, dass Un-
terschiede in der E-Do die scheinbare Differenz der f-Werte zur
Folge haben, so kommt man zu dem Schluss, dass immer das
grössere f aus Amylalkohol zutreffen wird. Denn es ist sehr
wahrscheinlich, dass Amyl- und Benzylalkohol bezügUch ihres
Verhaltens gegenüber Zellulose gleichwertig sind, so dass bei
der Imbibition mit diesen beiden Flüssigkeiten dieselbe E-Do
erwartet werden kann. Eine solche Aehnliohkeit im Verhalten
ist bei dem Flüssigkeitspaar Wasser-Benzylalkohol viel we-
niger vorauszusetzen. Auch der Umstand, dass man an stark
gedehnten Fäden Quellungsanisotropien von Q = ,30—40 mes-
sen kann, spricht dafür, dass f dem maximalen Wert von 1
sehr nahe kommen dürfte, da die Theorie so hohe Zahlen erst
bei sehr weitgehender Parallelrichtimg der Teilchen gestattet
Gegen die kleineren Werte spricht ferner, dass sie mit den
verhältnismässig geringen Grenzwinkeln nicht im Einklang
stehen, die man an Eöntgendiagrammen extrem gedehnter
Faden beobachtet. 3«) Zusammenfassend kann hierüber gesa-t
werden, dass die ans dem Flüssigkeitspaar Amylalkohol-BeL
zylalkohol gewonnenen f-Werte sehr wahrscheinlich innerhalb
der Fehlergrenzen richtig sind, dass also die weissen Punkte
und Dreiecke in den Figuren 8 und 9 zu Eecht bestehen blei-
ben. Man muss sich aber immer dessen bewusst sein, dass
die vorliegenden Experimente noch nicht dazu ausreichen, um
als strenger Beweis für diese Auffassung gewertet zu werden.
D. Betrachtungen über die Eigendoppelhrechung der Fäden.
Auf Seite 34 wurde gezeigt, dass man in den Zuständen 5
und 8., Benzylalkohol und lufttrocken, keine S-Do zu berück-
sichtigen braucht und die gemessenen Doppelbrechungen bloss
als auffassen darf. Wegen der vorhandenen Ordnung in
kleinen Bereichen ist es wahrscheinlich, dass der Trocknungs-
vorgang keine beträchtliche Orientierungsverbesserung zur
Folge hat, so dass man versucht ist, die spezifische Doppel-
brechung in Zustand ,5. durch Multiplikation mit q in die-
jenige von 8. umzurechnen. Dies geschieht in Tabelle 4: Für
alle vier Versuchsreihen sind die Zahlen für die .sigt;ezifische
Doppelbrechung der lufttrockenen Fäden wiedergegeben und
mit den aus 5. berechneten verglichen; ausserdem sind die
Vordehnungen und die Quellungsgrade der Objekte in Ben-
zylalkohol angeführt.
et2 ^,0 ^iffr'quot;'quot;nbsp;vvurden durch Photometrierung Orenzwinkel von
JTnbsp;' 0.85 entspricht. (Siehe P. H. Hermans und P Platzek
Kollo,d-Z. 88 68 (1939). Mi. freiem Auge kann man sehen, dass durch nasse Del.nun^noch
bessere Orientierungen der Diagramme erhalten werden.
Tabelle 4.
Vordehnung v |
2.00 |
1.85 |
1.70 |
1.55 |
1.45 |
1.28 | |||
G/d.lOä gefunden |
34.0 |
31.05 |
26.6 |
20.0 |
18.2 |
13.8 | |||
a |
„ berechnet |
36.0 |
31.0 |
25.6 |
16.9 |
15.1 |
9.9 | ||
1 |
q in Benzylalk. |
1.9 |
2.2 |
3.0 |
3.55 |
3.4 |
3.75 | ||
Vordchnung v |
2.32 |
2.20 |
2.08 |
1.90 |
1.75 |
1.43 | |||
O d.lff' gefunden |
31.7 |
26.8 |
24.9 |
22.7 |
16.8 |
7.55 | |||
b |
„ berechnet |
32.4 |
27.6 |
24.5 |
22.3 |
15.6 |
8.25 | ||
q in Benzylalk. |
1.8 |
1.95 |
2.0 |
2.05 |
23 |
2.2 | |||
Vordehnung v |
1.94 |
1.84 |
1.72 |
1.60 |
1.47 |
1.29 |
1.06 | ||
O/d.lflä gefunden |
27.4 |
23.9 |
20.6 |
16.4 |
13.0 |
7.6 |
1.6 | ||
a |
„ berechnet |
26.0 |
20.0 |
17.0 |
12.4 |
8.9 |
5.7 |
0.6 | |
q in Benzylalk |
4.45 |
5.25 |
6.35 |
6.85 |
7.2 |
8.85 |
9.05 | ||
2 |
Vordehnung v |
2.67 |
2.40 |
2.23 |
2.08 |
1.83 |
1.50 | ||
0/d.l0= gefunden |
27.3 |
26.3 |
20.5 |
17.3 |
13.4 |
5.7 | |||
b |
„ berechnet |
30.2 |
28.2 |
19.5 |
16.6 |
12.1 |
5.3 | ||
q in Benzalalk. |
2.6 |
2.7 |
2.9 |
3.1 |
2.9 |
2.8 |
Aus der Tabelle ist ersichtlicli, ■da,ss die Rechnuugen zu ver-
nünftigen Resultaten führen; innerhalb gewisser Grenzen kaim
man die Doppelbrechung der trockenen Fäden vorhersagen.
Diese Grenzen betragen zwar in einigen Fällen bis zu 20%
der Werte, doch kann man aus der Art und dem Gang der
Abweichungen wieder einen Hinweis auf die Richtigkeit der
Hypothese ableiten, nach der man unter der E-Do der Zel-
lulose immer einen Mittelwert der Komponenten kristallisier-
ter und amorpher Anteile zu verstehen hat.
Bei den Reihen Ib und 2b ist recht gute Üebereinstimmung
zwischen Rechnung und Experiment festzustellen. In la gibt
die Rechnung für grosse Dehnungsgrade etwas zu hohe, für
geringe Dehnungen abnehmend zu niedrige Werte, ein Bild,
das man in seinem Verlauf auch in Reihe 2a wiederfindet, nur
dass dort schon bei hohen Dehnungen zu kleine Zahlen be-
rechnet werden. Eine sinnvolle Erklärung für diese Abwei-
chungen findet man, wemi man die Quellungsgrade in Benzyl-
alkohol betrachtet. Man sieht dann, dass sich gequollener und
lufttrockener Zustand dort richtig ineinander umrechnen lassen,
wo der Quellungsgrad in Benzylalkohol nicht mehr als etwa
2 betrug, dass aber die Rechnung zu niedrige Zahlen ergibt,
wenn die Objekte um beträchtlich mehr als 100 »/o gequollen
waren. In Uebereinstimmung mit dem früher gesagten hiesse
das, dass beim Trocknen eines gequollenen Fadens Teile der
amorphen Substanz kristallisieren, dadurch das Mengenver-
hältnis zugunsten der Mizellen verschieben und so ein Grös-
serwerden der mittleren charakteristischen E-Do hervorrufen.
Dann müsste eigentlich auch bei der Trocknung nur 100 % ge-
quollener Fäden das Experiment grössere Werte liefern, als
die umgerechneten Zahlen, doch darf man nicht vergessen,
dass der lufttrockene Faden immerhin noch etwa 10 »/o Was-
ser enthält und daher genau genommen auch noch als ge-
quollen betrachtet werden muss. Das heisst, dass man einen
Fehler macht, wenn man die Doppelbrechung in Zustand 5.
mit qj multipliziert, da der richtige Faktor qs/q^ wäre. Dann
ergibt die Umrechnung auch bei .schwächer gequollenen Fä-
den in der Tat etwas zu niedrige Werte. Da aber nicht ge-
nügend sicher ist, dass sich geringe Mengen Wasser in ihrer
quellenden Wirkung ebenso stark wie grössere auswirken, (in
Analogie zu den optischen Befunden F r ey-Wy s s 1 ing s imd
der Tabelle 1), ist es prinzipiell besser, nicht quantitativ mit
ihnen zu rechnen, sondern bloss zu zeigen, dass sich ihre
Berücksichtigung befriedigend auswirken würde.
In Tabelle 4 kann man auch zeigen, dass aus den Experi-
menten keine Konstante für E abgeleitet werden kann, sobald
man Fäden verschiedener Herstellungsweise oder verschiedenen
Quellungsgrades für die Auswertung heranzieht. Erstens sind
die Zahlen der Reihen 2 durchwegs niedriger als die der Rei-
hen 1 und zweitens bedeuten die Doppelbrechungswerte alle
f.E, sind aber zum Teil für ein und dasselbe Präparat ver-
schieden, wenn in 5. und 8. erhebliche Quellmigsunterschiede
auftreten, obwohl man dort dasselbe f fordern muss.
Interessant ist noch zu wissen, ob sich E auch mit fort-
schreitender Dehnung ändert. Zugleich will man näheres dar-
über erfahren, wie gross etwa an regenierter Zellulose die
E-Do bei idealer Orientierung werden kann, obwohl auch hier
durch Materialunterschiede wechselnde Ergebnisse zu erwarten
sind. Für diese Ueberlegungen wählt man günstig einen Zu-
stand, in dem am Objekt reine E-Do zu beobachten ist und
berücksichtigt in der bekannten Weise Quellungsgrad und La-
genverteilung.
Da wir gesehen haben, dass offenbar in Benzylalkohol und
im lufttrockenen Zustand nicht überall dieselbe charakteris-
tische E-Do massgebend ist, sondern dass anscheinend beim
Trocknen das E grösser wird, ist es nicht vorteilhaft, auf die
Vorgänge beim Dehnen aus den Messwerten der trockeuen
Fäden zu schliessen. Erstens wurde gezeigt, dass E durch die
Trocknung nicht überall um denselben Betrag zunimmt und
zweitens kann man nicht ohne weiteres übersehen, wie stark
sich die 10 »/o Wasser in den Fäden auswirken. Es ist besser,
sich auf den Zustand Benzylalkohol zu beschränken, trotzdem
wir dann aus der Reohung für die Reihen la und 2a, frisch
gequollene Fäden, keine eindeutigen Schlüsse ziehen können.
Bei diesen Objekten nimmt nämlich mit zunehmender Deh-
nung das Volumen beträchtlich ab, so dass man am Ende nicht
weiss, ob die gefundene Variation von E auf die Dehnung, oder
bloss auf die Unterschiede im Queriun,gsgrad zurückzuführen
sind. Bei den wiedergequollenen Fäden bleibt hingegen der
Quellungsgrad genähert gleich, so dass dort der Einfluss der
Dehnung allein beobachtet werden kann.
Bevor man rechnet, muss man sich noch in Erinnerung zu-
rückrufen, dass die abgeleiteten Zahlen für f nur innerhalb
etwa 10 Vo als zutreffend angesehen werden dürfen und dass
vor allem für jeden Faden zwei extrem verschiedene f-Werte
abgeleitet wurden, zwischen denen zwar sehr wahrscheinlich,
aber doch nicht hundertprozentig sicher, eine Entscheidung
zugunsten des höheren, aus Amylalkohol abgeleiteten, getroffen
werden komite. Um möglichst sicher zu gehen, wird in der
folgenden Tabelle 5 mit beiden Gruppen von f-Werten ge-
rechnet.
Für alle vier Versuchsreihen sind diejenigen Zahlen für E
angeführt, die man erhält, wenn man dem Zustand 5. entspre-
chend in (6) S gleich Null setzt und die Gleichung nach E
auflöst. Die charakteristische E-Do wird dann gefunden durch
d f
G/d und q wurden in Benzylalkohol selbst gemessen und
f auf dem beschriebenen Wege bestimmt. Die Vordehnimgen
der Fäden können aus Tabelle i abgelesen werden.
Aus Tabelle 5 ist zu entnehmen, dass innerhalb jeder Ver-
suchsreihe tatsächlich ein deutlicher Gang der E-Do-„Kon-
stantenquot; zu beobachten ist, so zwar, dass E von hohen zu
niedrigen Dehnungen merkhch kleiner wird. Obwohl auch hier
wieder die beträchtliche Streuung der Zahlen störend wirkt,
ist diese Tatsache nicht zu verkennen. Es ist hierbei gleich-
gültig, ob man mit den wahrscheinlicheren grossen f-Werten
rechnet oder zur Kontrolle jedenfalls auch die kleineren ver-
wendet, da wir zunächst von der absoluten Höhe der Zahlen
absehen und nur ihre Aenderung im Verlauf der Dehnuno-
deutlich machen wollen. Diese Aenderung ist aber in jeder
der acht wagrechten Eeihen der Tabelle in gleicher Weise fest-
zustellen.
E. 103
grossen f-Werten
kleinen
grossen
kleinen
grossen
kleinen
grossen
kleinen
Tabelle 5.
berechnet mit
38 34 37 27 26 23
52 42 57 40 36 34
38 33 35 32 29 21
59 48 44 46 38 27
27 23 24 20 16 13 7
36 32 30 24 20 20 7
31 31 21 21 18 11
44 44 32 30 25 16
Wie gesagt, kann man auf den Einfluss des Dehnungsvor-
ganges für sich streng genommen nur aus den Zahlen der wie-
dergequollenen Eäden schliessen, doch stehen die beiden an-
deren Reihen damit vollständig im Einklang. Es hat auch kei-
nen Sinn, darüber nachzudenken, ob bei letzteren die Deh-
nnngs- oder Qnellungsunterschiede allein, oder beide zusammen
die Variation von E zur Eolge haben, da die Volumsabnahme
mit der Dehnung dort untrennbar und wahrscheinlich phv-
sikalisch wohlbegründet verknüpft ist. Jedenfalls muss man
wohl aus Tabelle 5 den Eindruck gewinnen, dass es, natürlich
immer auf den Cxrundlagen von (6) und der Anwendbarkeit
der W,iener'schen Theorie, nicht begründet erscheint, im Ver-
lauf einer Dehnungsreihe der Hernians'schen Fäden (als
Vertreter von Körpern aus regenerierter Zellulose mit keines-
wegs isomorpher Feinstruktur) mit ein und derselben Zahl
für deren charakteristische B-Do zu irechnen.
Es bleibt noch übrig, zu überlegen, wie gross etwa die B-Do
unserer Objekte werden kann, wenn vollständige Parallelrich-
tung aller Teilchen vorliegen möge. Zu diesem Zwecke be-
schränken wir uns aus den angeführten Gründen jeweils auf
die kleineren Zahlen für E, die mittels der f-Werte aus Amyl-
alkohol berechnet wurden. Es ergibt sich dann, dass E durch
blosse Dehnung und spannungsfreie Trocknung der Fäden aus
8 7o Viskose nicht grösser als etwa 40.10-3 werden und für
solche aus 4% Viskose nicht viel über 30.10-3 erreichen ^ird,
da ja die f-Werte der vorliegenden Reihen für die höchsten
Dehnungen dem Endwert von 1 sehr nahe und praktisch gleicli
kommen. Die Zahl von 40.10-3 steht in guter Üebereinstimmung
mit dem früheren, auf analogem Wege erhaltenen, Ergebnis
Von 38.10-3, das durch Vergleich von Fäden in Wasser, Gly-
cerin und Aethylalkohol erhalten worden war.»') Auch dieser
Umstand ist eine weitere Stütze dafür, dass man nur dann
erfolgreich mit der Wiene r'schen Theorie rechnen kann, wenn
man durch entsprechende Wahl der Versuchsbedingungen da-
für Sorge getragen hat, dass überall wirklich dieselbe E-Do
vorliegt. Auch für die drei letztgenannten Flüssigkeiten ist
es nämlich wieder wahrscheinlich, von ähnlicher Affinität zum
Zellulosemolekül zu sprechen, wemi auch vielleicht nur wegen
des Wassergehaltes von Glycerin und Alkohol, auf deren ab-
solute Reinheit damals nicht genügend Wert gelegt wurde.
Zusammenfassend kann über dieses letzte Kapitel gesagt
werden: Man steht vor der Erscheinung, dass offenbar Quel-
lungs- und Dehnmigsvorgänge von Einfluss auf die doppel-
brechenden Eigenschaften des vorliegenden Zellulosematerials
sind, ein Umstand, der in Widerspruch mit der Anschauung
steht, dass die charakteristische B-Do der Fäden eine unver-
änderliche Materialkonstante sein soll. Trifft man die Annahme,
dass durch Quellung oder Dehnung das Mengenverhältnis zwi-
schen kristallisierter und amorpher Zellulose und dadurch die
mittlere E-Do der makroskopischen Objekte verändert wird,
dann werden alle in diesem Zusammenhang erwähnten Ab-
weichungen qualitativ erklärbar, wenn man den amorphen
Ketten schwächere doppelbrechende Eigenschaften zuspricht,
als den im Gitterverband zusammengehaltenen, auch wenn sie
im kleinen weitgehend parallel geordnet sein mögen. Danach
O. Kratky und P. Platzek, Kolloid-Z. 84, 268 (1938).
-ocr page 58-ist wohl die E-Do eines Zellulosekristalhts mit bestimmtem Git-
ter eine Konstante, kommt aber in künstlichen und auch in
natürlichen Objekten nie vollständig zur Geltung, da immer
auch amorphe Substanz gegenwärtig ist. Diese Auffassung soll
hiemit zur Diskussion gestellt werden.
Die grösste Doppelbrechung, die an einem trockenen Paden
bisher gemessen werden konnte, betrug 45.10-3. Dies war ein
Praparat aus 4o/„ Viskose, das bei' einem Quellungsgrad von
■etwa 1800 o/„ „„i 200 o/„ gedehnt und dann unter Spannung
ptrooknet worden war. Der charakteristische Dehnmigsgrad
betrag hierbei 7,5! Da viel weniger energisch defo4ierte
J^aden bereits ausgezeichnet gerichtete Röntgendiagramme er-
geben, kann man ruhig behaupten, dass dieser besonders
behandelte Faden in seiner mizellaren Orientiermi- der
emer natürlichen Faser recht nahe gekommen sein wird
^eider war es nicht möghch, sich durch eine Röntgenaufnahme
davon zu uberzeugen. Es ist eine erhebliche Differenz zwi-
schen diesem Wert von 45.10-3 und der Doppelbrechung mer-
zerisierter Ramie festzustellen, für welche Pres ton 38) 54 iq-s
findet und A t,s u k i und O ka j i ma^^) sogar 62.10-3fordern Auf
Orientieruugseffekte allein kann diese Diskrepanz nicht zurück-
geführt werden; doch hilft auch hier wieder die Annahme
dass die in der regenerierten Zellulose stärker vorhandenen
amorphen Anteile die Mizellen als Träger starker doppel-
brechender Eigenschaften „verdünnenquot; und so nur kleinere Mit-
telwerte der Beobachtmig zugänglich machen. Ueberlegt man
^ss an entspannt getrockneten Fäden aus 4o/„ Viskose nach
J abelle 5 für E maximale Werte in der Gegend von 30 10-3 er-
wartet werden dürfen, dann ist es deutlich, dass man durch die
Irockuung unter Spannung der merzerisierten Naturfaser be-
trächtlich naher gekommen ist. Auch dieser Effekt ist zu gross
als dass er auf Orientierungsunterschiede zurückgeführt wer-
den könnte; doch fügt sich die Erklärung, dass durch die
erwähnten Bedingungen die Kristallisation gefördert wurde
wieder gut in die ausgeführten Vorstellungen ein.
J. M. Preston, Trans. Faraday Soc. 29, 65 (1933)
-) R. Atsuki und S. Okajima, J. Soc. Chem. Ind. Japan, Suppl. B. 40, 360 B (1937).
Zusammenfassung:
Es wird eine allgemeine Beschreibung der Vorstellungen
gegeben, die man sich auf Grund experimenteller Ergebnisse
A-oni Aufbau eines Gels aus regenerierter Zellulose machen
muss. In der Folge wird gezeigt, wie man mit Hilfe des Krat-
ky'schen Deformationsmechanismus die mizellaren Vorgänge
bei der Dehnung trockener H e r man s'scher Fäden innerhalb
gewisser Grenzen gut beschreiben kann. Die Beispiele hiefür
sind früheren eigenen Arbeiten entnommen.
Bei gequollenen Objekten muss man jedoch widersprechende
Resultate erhalten, wenn man als Mass für die Orientierung
.allein den experimentellen Dehnungsgrad v verwendet. Diese
Schwierigkeit wird ausgeschaltet, wenn man einen neuen Deh-
nungsgrad, bezogen auf den trockenen Zustand der Objekte,
definiert, die Grösse v^, die ebenfalls experimentell bestimm-
bar ist. Ihre Brauchbarkeit als Mass für die Güte einer er-
zielten Orientierung wurde bereits früher durch Quellungs-
anisotropie- und Festigkeitsmessimgen bestätigt.
Nun wird versucht, die Prüfung der v^-Vorstellung auch auf
optischem Wege durchzuführen. Bs wird gezeigt, wie man aus
einer in bestimmten Flüssigkeiten aufgenommenen Wiener'-
schen Kurve die Orientierungsgrösse f, allerdings mit beträcht-
licher Unsicherheit, bestimmen kann. Beim Vergleich des Ver-
laufs von f mit v einerseits und v, andrerseits gewinnt man
eine weitere Stütze füT die Verwendbarkeit des neuen Para-
meters.nbsp;'
Bei quantitativen Betrachtungen über die Grösse der charak-
teristischen E-Do regenerierter Zellulose kommt man zu dem
Schluss, dass Fäden verschiedener Herstelhmgsweise, verschie-
denen Quellungsgrades und verschieden starker Dehnung un-
gleich grosse doppelbrechende Eigenschaften aufweisen, auch
wenn man die'vorhandene Lagenverteilung berücksichtigt. Als
Möglichkeit zur Erklärung dieses Umstandes wird eine Hy-
pothese formuliert, die auf ungleichen optischen Eigenschaften
amorpher mid kristallisierter Zellulose und deren wechselndem
Mengenverhältnis im Gel basiert.
Inhalt
Seite
ABSCHNITT I. Einführung.
A.nbsp;Bisherige Ergebnisse der Arbeiten über Eeinbau und
Deformationsmechanismus.......... 1,
B.nbsp;Neuere Vorstellungen über die Bedeutung des
Dehnungsgrades.............. 8
ABSCHNITT II.
Wahl der Methode und Zielstellung der Arbeit ... 14
ABSCHNITT III.
Theoretische Grundlagen für die Auswertung der op-
tischen Messungen............ . 16
ABSCHNITT IV. Experimentelles.
A.nbsp;Vorversuche............... 23
B.nbsp;Quantitative Experimente und ihre Auswertung . 30
C.nbsp;Die Prüfung der Grösse v^ als Parameter der Orien-
tierung .................38
D.nbsp;Betrachtungen über die Eigendoppelbrechung der
Eäden.................42
Ii.
Ai
-ocr page 61-1)nbsp;Im Furankern sind sowohl die beiden a-, als auch die
beiden /?-Stellen untereinander gleichwertig. (Gilman, Burt-
ner and Vanderwal, Rec.trav.chim. 52, 151 [1933]). Die
Schlussfolgerung der genannten Autoren bezüglich eines
Gleichgewichtes verschiedener Strukturformen erscheint
nicht zwingend.
2)nbsp;Bei in der Hitze verlaufenden Eeaktionen der Diacylperoxyde
tritt eine grosse Anzahl verschiedener Eeaktionsprodnkte
auf. Diese Erscheinung lässt sich am besten durch die
Annahme der intermediären Bildung freier Radikale er-
klären. (D. H. Hey and W. A. Waters, Cheni. Revieuws
21, 169 [1937]).
3)nbsp;Gegen die einseitige Auffassung, nach der in Lösungen
hochpolymerer Substanzen ausschliesslich einfache (Ket-
ten-) Moleküle vorliegen, lassen sich vom Standpunkt der
Viskosimetrie aus Bedenken anführen.
4)nbsp;Es scheint notwendig zu sein, den Begriff des kristal-
linen Zustandes genau und enger als bisher zu definieren.
Auch mesomorphe Phasen können Erscheinungen zeigen,
für deren Auftreten man im allgemeinen den kristallinen
Zustand verantwortlich macht.
5)nbsp;Möglicherweise ist bei anorganischen Molekülen, die aus
Gruppen mit starker gleichartiger Ladung bestehen, der
Parachor keine streng additive Grösse mehr.
6)nbsp;Es erscheint richtig, ein Patent auf eine Erfindung auch
dann zu verleihen, wenn die wissenschaftlichen Vorausset-
zungen dafür dem Erfinder von vornherein bekannt sein
konnten.
7)nbsp;Es ist nicht zweckmässig, die gute Verwendbarkeit eines
Kunstseidefadens für die Textilverarbeitung vor allem nach
seiner Reissfestigkeit zu beurteilen.
8)nbsp;Oft ist die reibungslose und produktive Durchführung wis-
senschaftlicher Untersuchungen nur in Zusammenarbeit mit
den Hilfsmitteln der Industrie möglich.
li;-
Wm
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-ocr page 63-'mÊl^mm
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