-ocr page 1-
SPANISCHER INFORMHTIONS
DIENST 0213
Niemand, der als Künsi~
ler empfindet, kann,
noch darf, in diesem
Krieg neutral bleiben.
umente
WÖCHENTLICHER AUSZUG AUS UNSEREM "SERVICIO ESPAÑOL DE INFORMACIÓN1
(Worie Picetsot)
Barcelona, 3 Januar 1938
Av. 14 de Abril, 556
Nummer 2
Indalecio Prieto spricht über
die Einnahme von Teruel
"Kein anderes Beer der Weif hälfe unter den Bedingungen ¿ekämpif, unter
denen das republikanische Heer gekämpft hat"
Paris, 23.—Ein Vertreter der Havas-Agentur an der republikanischen Ostfront, übermittelt die fol-
genden Erklärungen, die der «Minister der nationalem Verteidigung», Don Indalecio Prieto, ihm gege-
nüber abgegeben hat:
«Den erschütternsten Eindruck, den ich während dieses entsetzlich grausamen Krieges empfan-
gen habe, haben mir gestern die Tausende von Männern, Frauen und Kindern gemacht, die auf der
Strasse nach Sagunt Teruel verliessen. Der Anblick dieses Stromes von Menschen zog das Herz zu-
sammen und erstickte allen Siegesjubel. In der tragischen Stille der Nacht erschien er wie ein Gespen-
sterzug, der nur hin und wieder von angstvollem weiblichen Schluchzen und Kinderstimmchen, die
nach ihren Müttern riefen, unterbrochen wurde. Dieses Schauspiel Hess mich an das unermessliche Ge-
folge von Schmerz denken, das der Krieg mit sich bringt, und indem ich es mir lebendig vor Augen
stallte, fühlte ich, dass mein Gewissen ruhig war, da die Verantwortung für die Entfesselung der
furchtbaren Katastrophe, die Spanien erleidet, nicht auf ihm lastet.
Da ich diese Katastrophe seit langem voraussah, tat ich alles, was in meiner Macht stand, um sie
zu vermeiden, aber alle meine Anstrengungen scheiterten an der Blindheit derer, die nicht an sie glaubten.
Und als sie dann tatsächlich hereinbrach, übernahm ich leitende Funktionen in der Verteidigung
meines Vaterlandes, der Freiheiten des spanischen Volkes und wer weiss ob nicht auch derjenigen ganz
Europas.
Wenn ich einer der Provokateure dieses Krieges wäre, so würde mir, selbst wenn ich dazu gelänge
die Süssigkeit des Triumphes zu schmecken, die Verantwortung, eine Katastrophe dieses Ausmasses ver-
ursacht zu haben, die in Spanien eine lange Kette von Schmerz und Trümmern hinterlassen wird, die
Seele zerreissen. Diejenigen, welche den Aufstand vom Juli 1936 entfesselt haben, wird die Geschichte
niemals von ihrem monstruoesen Verbrechen freisprechen.
Die Operationen von Teruel sind von allen militärischen Operationen, die wir hinter uns haben, die
am vollkommensten ausgeführten. Das ist ohne Zweifel dem verbesserten Zustand unseres Heeres, seiner
igroesseren Disziplin und besseren Ausbildung zuzuschreiben, die dazu beitragen, den militärischen Wert
des spanischen Soldaten, der schon an und für sich prachtvolle Bedingungen mitbringt, zu erhoehen.
Die ersten Tage der Offensive, die bei starkem Schneefall und eisigem Winde stattfand, waren entsetz-
lich. Ich glaube, kein anderes Heer in der ganzen Welt wäre fähig gewesen, unter solchen Bedingungen
zu kämpfen. An dem Beobaohtungsort, von welchem aus ich das Vorrücken der Unseren verfolgte,
konnte man nicht länger als zwei Minuten im Freien bleiben, weil das Schneegestoeber es einfach un-
moeglich machte. Dorthin brachte man mir auch die Nachricht, dass mehrere Soldaten erfroren waren.
Der Erfolg unserer Waffen wird wohl viele im Ausland, die der spanischen Hepublik bereits den To-
tenschein ausgestellt hatten, aus ihrem Irrtum reissen. Diese Leute bildeten sich ein, dass das republi-
kanische Heer jedes ernsthaften Vorstosses unfähig wäre, weil die Propaganda der Aufständischen dies
so ausposaunte. Aber diese Propaganda, die weiten Kreisen in Europa Eindruck zu machen scheint, ist
sehr primitiv.
Die gut ausgedachten, gut geleiteten und glänzend ausgeführten Operationen beweisen das Vorhan-
densein einer ausgezeichneten technischen Leitung im republikanischen Heere, aber sie zeigen mit noch
groesse?er Klarheit, dass wir über prachtvolle Soldaten verfügen, deren Kräfte sich durch den Glauben an
ihr Ideal verhundertfachen. Das Heer der spanischen Republik kämpft als Stossbrigade der europäischen
Demokratie und diese sollte, anstatt die blutigen Opfer dieser Stossbrigade mit Ausweichen zu entgelten,
ihr Bewunderung zollen und die Hilfe bringen, welche sie ihr bis jetzt verweigert hat.»
Der "Manchester Guardian", gegen die
falschen informationen Aber Spanien
London, 22.—Der «Manchester Guardian» beginnt heute mit
der Veröffentlichung einer Reihe von Artikeln seines Berichter-
statters im republikanischen Spanien. Der erste dieser Artikel be-
fasst sich mit der Frage der falschen Nachrichten, die im Auslande
veröffentlicht werden und die Situation in der spanischen Republik
unter einem völlig faschen Gesichtspunkt darstellen. Die faschi-
stische Propaganda, schreibt das liberale Batt, stützt sich auf die
Eroberung des Nordens, mit der die zentrale Regierung nichts zu
tun hatte und ignoriert vorsätzlich die Kräftefaktoren des republi-
kanischen Spanien.
der Antipode alles Dogmatismus.
Der echte Humanist bezieht
seine eigene Stellung gegenüber
der Welt und der Barbarei des
Fanatismus und weigert sich,
vor der materiellen Macht Bück-
linge zu machen, woher sie auch
komme, und wenn der Tyrann
auch noch so drückt und droht
und der äusserliche Zwang über
ihn hereinbricht.
In der Tat sind, inmitten die-
ser unerbittlichen Zerstörung des
Augenblicks, die höchsten Werte
ohne Schutz. Es gibt wohl Orga-
nisationen, die sich vorsetzen, die
Freiheit gegen das Dogma, die
liberalen Forderungen gegen die
Diktatur zu verteidigen ;aber man
beobachtet die grosse Schwie-
rigkeit dieser Verteidigung, da
bei denen, die diese Forder-
ungen verkünden, die Praxis und
das notwendige Beispiel viel zu
wünschen übrig lassen.
Das Leben ist mehr als die
ökonomische Organisation. Das,
was dem Leben Sinn gibt, steht
über den materiellen Strömun-
gen. Im kollektiven Leben sind
die Reibungslosigkeit und der
reichliche Konsum unentbehrli-
che Vorbedingungen ; im indivi-
duellen Leben gibt es dagegen
wertwolle Güter, die das Biologi-
sche veredeln. Es ist leider wahr,
dass in diesem apokalyptischen
Kriege, der uns Spanier zerrüttet
und der im Begriffe steht, zu
einem europäischen zu werden,
das Geistige als überflüssig an-
gesehen wird und das Morali-
sche das Stigma der Schwäche an
sich trägt.
Die Warnung Thomas Manns
richtet sich an alle Europäer. Er
wirft den faschistischen Ländern
ihre Unvernunft vor und strei-
tet ihnen das Recht ab, im Na-
men des Lebens, die Vernunft
totzuschlagen. Den Demokratien
sagt er ein trauriges Ende vor-
aus, wenn sie zulange zögern,
dem Vorrücken der Diktaturen
Gewalt entgegenzusetzen.
Aber trotz allem folgen wir
ihm nicht in seinem Pessimis-
mus. Die Welt und die Kultur
gehen nicht unter, sondern sie
werden wiedergeboren. Es ist
wohl wahr, dass die alte Welt,
die antiquierte Form zu Ende
geht, die sich dem Fortschritte
zum Neuen, zum Gerechten und
Edlen widersetzte. Diese neue
Welt ist es, die augenblicklich
geboren wird. Und aus dieser
schmerzlichen Geburt wird ein
Mensch hervorgehen, der ent-
schlossen ist, eine Reconquista der
Geschichte ins Werk zu setzen.
Er wird für sich selbst die eigene
Geschichte zurückerobern, die er
niemals selbst gestaltete, sondern
die man ihm aufzwang. Er wird
seine eigene Moral wiedergewin-
nen, nicht die Moral, die eine bar-
barische und erpresserische Ge-
sittung ihm anzüchtete ; er wird
die Fortschritte der Technik und
der Wissenschaft benutzen und
sie in den Dienst aller stellen ;
er wird sich bemühen, den Pri-
vategoismus zu überwinden und
im Sinne des allgemein Mensch-
heitlichen, im Sinne der mensch-
lichen Würde zu handeln.
Nein. Die Welt heute hört
nicht auf, sondern sie fängt an.
Wie bei allen schmerzhaften Ge-
burten gibt es Unruhe, Angst,
Fehlgriffe, heftige Eingriffe.
Aber der Mensch wird geboren
und die Welt wird einen neuen
Lauf nehmen, das Geistige wird
wiedergeboren werden und der
Fanatismus, welcher Art er auch
sei, zurückweichen.
Die grossen Werte der Mensch-
heit werben nicht verloren
gehen, denn immer wird es Män-
ner geben, die die eigene Würde
hochhalten, wie Thomas Mann,
die ihre Rufe und Warnungen
in alle Winde schicken und die
der Welt sagen, dass sie geboren
sind, damit sie für die Heiterkeit
zeugen, nicht für das Martyrium,
und damit sie der Welt eine
Friedensbotschaft bringen, nicht
um den Hass und den Kampf-
noch mehr anzustacheln.
Wir möchten nicht, dass der
berühmte Autor des «Zauber-
berg» und der Joseph-Trilogie
sich so sehr seiner Trauer über
den Verlust der menschlichen
»Substanz überliesse, denn diese
Substanz wird aus den Trüm-
mern der Tyrannei immer wieder
neu hervorgehen.
(«Mañana», Barcelona, 7-12-37.)
Gemüt erquickt und unseren
Geist zum Feste eines herrlichen
otiums einlädt.
Der Humanismus, sagt er uns
im wesentlichen, hat nichts Scho-
lastisches an sich und hat nicht
das geringste mit Gelehrsamkeit
zu tun. Der Humanismus ist
vielmehr ein geistiger Zustand,
eine geistige Bereitschaft, ein
Zustand der Seele, welcher Ge-
rechtigkeit, Freiheit, Erkenntnis
und Toleranz einschliesst und
ausserdem noch Anmut und Hei-
terkeit. Der Humanismus ist der
Zweifel, nicht als Ziel betrachtet,
sondern als Methode, um die
Wahrheit zu finden ; er ist eine
sehr mühevolle geistige Anstren-
gung, diese Wahereit gegenüber
der Anmassung aller jener, die
sie ihren Parteiinteressen dienen
lassen möchten, souverän sicher
zu stellen. Der Humanismus ist
Spanisches Echo zun neuesten Buche von
Thomas Plann
Warnung an Europa
So betitelt Thomas Mann sein
kürzlich in Paris erschienenes
Buch. Bei seiner Lektüre spürt
man das Wehen einer frischen
Morgenluft, die die Seele stärkt
und den Geist für die grossen
Gemütsbewegungen des leiden-
schaftlichsten Humanismus offen
macht. Ein nachdenkliches und
der augenblicklichen Weltstunde
angemessenes Buch. Heute, wo
alle menschlichen Werte in Ge-
fahr sind, in die Brüche zu
gehen, wo das Geistige und Mo-
ralische durch die barbarische
Welle, die durch die Welt geht,
sich an den ruhigen Zufluchtsort
dieses von dem echtesten Huma-
nismus durchdrungenen Schätz-
ungsversuches zurückgeworfen
sehen, bereitet diese Schrift den
antidogmatischen Menschen auf
alle Widerstände vor und gibt
ihm neue Kraft zum edelent-
schlossenen Vorwärtsschreiten.
Für uns, die wir mit Schmerz
erleben, wie die Freiheit ab-
nimmt, die Vernunft sich ver-
wirrt und das Materielle über-
hand gewinnt, ist die heitere und
bewegende Prosa dieses würdigen
Deutschen ein Trost, der unser
-ocr page 2-
Seite 2
Spanischer Informationsdienst
3 Januar 1938
Die Hiílerlníerveníion in Spanien
Wer über die militärische Lite-
ratur im Dritten Reich unterrich-
tet ist, hat sich ohne Schwierig-
keit überzeugen können, dass es
im deutschen Heer Gruppen gab
und gibt, die Hitlers Spanienpo-
litik als unheilvoll betrachten.
Natürlich durfte niemand wagen,
diese Meinung offen auszuspre-
chen. Man hat vorgezogen, sie
hinter militärtechnischen Diskus-
sionen zu verbergen. Deshalb ist
sie, mit Ausnahme eines kleinen
Kreises von Militärwissenschaft-
lern, der breiten Masse unbe-
kannt geblieben.
Aber diese latente Opposition
in der Reichswehr ist nun end-
lich in die Öffentlichkeit gedrun-
gen und zwar durch eine kleine
Schrift, die den sensationellen
Titel führt: «Vom Krieg in
Spanien zum Weltkrieg. Die
Verantwortung Deutschlands».
Diese anonym herausgekommene
Schrift zirkuliert heimlich in
Deutschland und ist kürzlich
auch ins Ausland gelangt, wo sie
zum ersten Mal im «Vendemiai-
re» vom 20 Oktober 1937 veröf-
fentlicht wurde. Wenn man um
das Vorhandensein der oppositio-
nellen Strömungen in der Reichs-
wehr weiss, und den Stil des
Dokumentes in Betracht zieht,
kommt man zu dem Schluss,
dass der Autor ein höherer Of-
fizier aus dem deutschen Gene-
ralstab sein muss, wahrschein-
lich aus dem «Hindenburgkreis»,
zu dem auch einige Freunde
des am 30 Juni ».mordeten Ge-
nerals von Schleicher gehören.
Das Werkchen zerfällt in drei
Teile. Seinen Ausgangspunkt
bildet die dialektische Methode
von Clausewitz, der bekannt-
lich den Standpunkt verteidigt,
dass man ein militärisches Un-
ternehmen nicht nach den mehr
oder weniger zufälligen Anfangs-
erfolgen beurteilen darf, sondern
sämtliche Faktoren, die das Un-
ternehmen beeinflussen können,
berücksichtigen muss. In dem
ersten Teil verteidigt der Autor
die These, dass in dem bis jetzt
«nur in Spanien», ertönenden
Kanonenlärm, das Vorspiel eines
grösseren Krieges zu erblicken
ist, und die Frage, die man
gründlich untersuchen muss, ist
die, ob Deutschland mit seiner
augenblicklichen politischen, mo-
ralischen, ökonomischen und mi-
litärischen Kraft einen Sieg
erhoffen kann.
Der Verfasser bezweifelt das
von Anfang an. Er betont be-
sonders die Überstürztheit der
deutschen Aufrüstung und sagt,
dass Deutschland sich in die spa-
nische Äff aire gemischt hat, ohne
genügend die Folgen zu erwägen,
und dass der unabsehbare Kon-
flikt, in dem es sich einer wieder-
auferstandenen «Entente» gegen-
übersehen wird, es dazu zwingen
werde, mit seinen schon sehr
geschwächten Kräften, die ver-
hängnisvollste Aktion seiner Ge-
schichte zu unternehmen. Diese
Schwächung seiner Kräfte ist
hauptsächlich der Tatsache zuzu-
schreiben, dass Hitler, bis Juli
1937, Franco 550 Flugzeuge, 300
Tanks, 550 schwere Artillerie-
geschütze und. 6000 Maschinen-
gewehre geliefert hat, ohne das
Kriegsmaterial mitzuzählen, was
der Belagerungs und Verteidi-
gungsartillerie dient, noch die
Gewehrmunition, noch die Hand-
granaten. Das deutsche Volk —
wir folgen immer dem Autor —
seigt dem spanischen Abenteuer
segenüber ein Unverständnis,
bedroht ist. Er verlangt — be-
sonders in der Wahl von Bundes-
genossen — eine realistische Po-
litik und verwirft alle Politik,
die sich von ideologischen Moti-
ven leiten lässt. Schliesslich
bringt der Autor ein Argument
gegen die HTtlerintervention in
Spanien, das vollkommen dem
Geiste von Clausewitz und
Scharnhorst entspricht, die sehr
wohl den Zusammenhang begrif-
fen, der zwischen der nationalen
und sozialen Frage besteht. Auf
Grund von Forschungen, die er
in bezug auf die kotnerziellen
Interessen gewisser ausländi-
scher Unternehmen in Spanien,
angestellt hat, ist er zu dem
Schluss gelangt, dass diese In-
teressen zum Schaden der natio-
nal-spanischen Belange gefördert
worden sind und dass höchst-
wahrscheinlich gewisse Trusts an
der Entfesselung und Aufrecht-
erhaltung des spanischen Krie^
ges nicht unbeteiligt sind. Er
stellt folgende Frage : Ist das
Blut der deutschen Soldaten so
wenig wert, dass man es rein ko-
merziellen Interessen aufopfern
dürfte ? Und er fährt fort : Nur
diejenigen, die dem Volke gegen-
über eine tiefe Verachtung
fühlen, können die Augen vor
der Tatsache verschliessen, dass,
gerade weil das Volk fühlt, dass
es für eine Sache zu kämpfen
gezwungen wird, die es nichts
angeht, die deutsche Intervention
in Spanien der unpopulärste
Krieg der deutschen Geschichte
ist.
Wenn diejenigen Offiziere der
Reichswehr die das Volk ver-
stehen und Gegner des spanischen
Abenteuers sind, sich endlich
dazu entschliessen könnten, mit
Hitler in klarer und unmissver-
ständlicher Sprache zu reden, so
würde das deutsche Volk viel
eher die ganze Tragweite des
Verbrechens, das der «Führer»
in Spanien begeht, begreifen und
könnte sich mit seiner eigenen
Kraft widersetzen, um endlich
mit der deutschen Intervention in
Spanien Schluss zu machen.
Peter MASLOWSKI
(Ciarte 12-37.)
Alle Veröffentli-
chungen in diesem
Blatte befolgen den
Grundsatz absolu-
ter Wahrheitstreue
das ganz natürlich ist, da dieser
Krieg hinter seinem Rücken ge-
führt wird. Der Verfasser versi-
chert, dass die Kriegsziele nie
mit einem uneinigen oder unter-
drückten Volke verwirklicht wer-
den können. Die Meinung des
deutschen Volkes in bezug auf
Spanien, die auf gewisse hohe
Funktionäre der Nazipartei und
der Diplomatie, wie auch auf die
Führer der Arbeitsfront und des
Heeres (Admiral Forster) nicht
ohne Wirkung geblieben ist,
kann in folgenden Satz zusam-
mengefasst werden : «Warum
mischen wir uns in etwas ein,
was uns nichts angeht ?»
Im zweiten Teil des Schrift-
chens finden wir die Argumente
aufgezählt, die die Verteidiger
der Intervention anführen. Sie
werden mit absoluter Objektivität
geprüft, und zwar von einem
Fachmann, der uns ohne Zweifel
ein getreues Bild der Absichten
übermittelt, die Hitler in Spanien
verfolgt.
Im dritten Teil nimmt der
Autor selbst das Wort, um die
Argumente zugunsten der deut-
schen Intervention in Spanien
Punkt für Punkt zurückzuwei-
sen. Ein kurzer Epilog, der die
bezeichnende Überschrift trägt :
«Zurück ! Wir sind am Rande des
Abgrundes!», beweist, dass das,
was den Autor dazu getrieben
hat, diese Schrift auszuarbeiten,
die Unruhe ist, von der er in be-
zug auf die Zukunft seines Va-
terlandes erfüllt ist. Wie er sich
allerdings diese «Rettung am
Rande des Abgrundes» vorstellt,
kommt dabei nicht sehr klar zum
Ausdruck. Wir finden nur eine
schwache Andeutung, dass es
nötig ist, «die politische Basis,
die das spanische Abenteuer mög-
lich machte, zu ändern». Er
bezeichnet die Nationalsozialisten
als «Emporkömmlinge», «die
ihre fixen Ideen mit der Ehre
und der Würde einer ganzen Na-
tion verwechseln» und sagt, dass
die ernsten und verantwor-
tungsbewussten Elemente diese
hirnverbrannte Politik bekämp-
fen müssen.
Der Interessanteste Teil der
Schrift befasst sich mit dem Pro
und Contra der Intervention in
Spanien und verdient daher ganz
besondere Aufmerksamkeit. Der
Verfasser setzt zunächst die so-
genannte Stützpunkttheorie aus-
einander, welche die Nazifüh-
rer mit Hilfe der Intervention in
Spanien verwirklichen wollen
und die hauptsächlich gegen
Frankreich und England gerich-
tet ist. Spanien soll dazu dienen,
Frankreich vom Rücken her zu
treffen und. zu gleicher Zeit soll
es die Vorbereitung zur mariti-
men Auseinandersetzung mit
England erleichtern, die man als
unvermeidlich ansieht.
Das zweite Argument zugun-
sten der Intervention ist die Not-
wendigkeit, Rohstoffe zu erhal-
ten. In bezug auf Blei — Kupfer
— und Quecksilbervorkommen
steht Spanien an erster Stelle in
Europa. Es verfügt ausserdem
über Zink, Schwefelkies, Eisen-
erze, Manganmetalle und Stein-
kohle. Die Verteidiger der In-
tervention behaupten, dass es nur
zwei Wege gibt : entweder die
totale Aufrüstung Deutschlands
bricht von vornherein zusammen,
oder «wir verschaffen uns durch
die Intervention in Spanien ein
Mittel, unserem Mangel an die-
sen Stoffen abzuhelfen.»
Ein weiterer Grund für das
spanische Unternehmen Hitlers
ist der Wunsch, das neue deut-
sche Kriegsmaterial zu erproben.
Der deutsche Generalstab be-
trachtet das spanische Operations-
feld als eine praktische Schule
zur Erprobung der modernen
Militärtechnik, in der man aus-
serdem noch Gelegenheit hat, das
Material des Gegners sorgfältig
zu studieren. Das vierte Argu-
ment der Interventionisten ist die
Notwendigkeit der gemeinsamen
Bekämpfung des Bolschewismus
durch alle Mächte, die die Ord-
nung wollen. «Dieses Argument,
das rein ideologischer Natur ist,
dient haptsächlich Propaganda-
zwecken, um die wirkichen Mo-
tive (Stützpunkttheorie, Blitz-
krieg, Eroberung von Rohstof-
fen, Materialerprobuug) zu ver-
decken.
Unsere Strategen, die die
Stützpunkttheorie und den Blitz-
krieg verteidigen — so beginnt
der Autor des Schriftchens seine
Widerlegung der Argumente der
Interventionisten — sehen die
kompliziertesten Probleme der
Weltpolitik unter dem stumpfen
Gesichtswinkel der Militärgeo-
graphie, anstatt sämtliche Fak-
toren zu berücksichtigen und vor
allem den politischen Aspekt
nicht zu vernachlässigen. So hat
zum Beispiel die grosse Lektion
von 1918, als die Alliierten
Deutschland bezwangen, gar-
nichts gefruchtet. Diese Lektion,
die Deutschland hätte warnen
müssen sich ein zweites Mal in
ein kriegerisches Abenteuer zu
stürzen, in dem es von neuem den
furchtbaren Dreibund England,
Frankreich und Russland zum
Gegner hat. Der Verfasser beruft
sich auf den grossen deutschen
Historiker Delbrück, der im
März 1919 in den «Preussischen
Jahrbüchern» schreibt, dass es
eine Verrücktheit wäre, an eine
Vergeltung zu denken, bevor
nicht die Entente auseinander-
gebrochen sei.
Aber — sagt der Verfasser —
gerade Spanien hat den Block
der Entente wieder fest zusam-
mengeschweisst und es hängt
ganz von England ab, ihn im ge-
gebenen Moment wirksam wer-
den zu lassen. Und das ist der
katastrophale Irrtum der nazisti-
stischen Politik, der es mit sich
bringt, dass allen anfänglichen
Triumphen eine nur sekundäre
Bedeutung zukommt. Es kann
gar kein Zweifel bestehen, dass
Deutschland einer englisch-fran-
zösisch-russischen Koalition nicht
gewachsen ist. Durch das spani-
sche A b e n t e uer verwickelt
sich Deutschland unheilvoll und
schwächt seine militärische Kraft
in einem sinnlosen und von vor-
neherein aussichtslosen Unter-
nehmen, während die Demokra-
tien schadenfroh zusehen und in
aller Ruhe ihre Rüstungen ver-
stärken. Auch mit den Illusionen
des «Blitzkrieges» räumt der
Verfasser — der als Militärfach-
mann sein Thema beherrscht—,
rücksictslos auf. Er stützt sein
Argument auf die in Spanien ge-
machten strategischen Erfahrun-
gen und sagt im wesentlichen
Folgendes : Der «Blitzkrieg»
muss nach den Worten Hitlers,
erfolgen «wie ein Blitz in der
Nacht». Aber dann sind wir
praktisch schon so gut wie be-
siegt, denn es spricht alles dafür,
dass ein Sieg mittelst Blitzkrieg
unmöglich ist. Vor allem hat die
erfolgreiche Verteidigung Ma-
drids bewiesen, dass trotz der
modernen Waffen die Defensiv-
kraft beträchtlich zugenommen
hat. Und wenn Madrid, das nicht
vorbereitet war, eine so grosse
Defensivkraft entwickeln konnte,
dann darf man sich in bezug auf
die Maginot-Linie — dieses
mächtige Verteidigungssystem,
das sich von der Nordsee bis zu
den Alpen erstreckt—, nicht der
Illusion eines raschen Sieges
durch «Blitzkrieg» hingeben.
Die spanische «Materialprü-
fung» hat ausserdem bewiesen,
«dass wir eine sehr übertriebene
Meinung in bezug auf die Qua-
1 i t ä t unseres Kriegsmaterials
haben», wie der Verfasser sagt.
Auch was die Reserve an Men-
schen angeht, ist Deutschland
den gegnerischen Mächten unter-
legen. Die Motorisierung mit
ihrem gewaltigen Verbrauch an
Menschenmaterial, würde die
Menschenreserve Deutschlands
im Fall eines Krieges gefährlich
erschöpfen. Und was die Rohs-
toffe betrifft, so hat Deutschland
weder genügend Kohle, noch
genügend Eisen und gar kein
Petroleum. Auch der italienische
Bundesgenosse besitzt keinen
einzigen dieser drei notwendigen
Rohstoffe. Überhaupt ist das
Bündnis mit Italien von höchst
zweifelhaftem Wert. Der Negus
war von vorneherein ein sehr
unterlegener Gegner und der
abessinische Sieg beweist nichts
für die militärische Potenz Ita-
liens. Die Niederlage von Gua-
dalajara dagegen spricht eine
sehr deutliche Sprache. Im
Kriegsfalle würde Italien auf die
Dauer für Deutschland nur eine
finanzielle Last bedeuten und. mit
Sicherheit zum raschen Zusam-
menbruch beitragen. Der Verfas-
ser der Schrift ist der Meinung,
dass die deutsche Politik in Spa-
nien lediglich darauf hinauslau-
fen wird, das deutsche Reich
vollständig in das englische Netz
einzuwickeln. England wird aus
der Reserve, die es sich in der
spanischen Frage auferlegt hat,
erst in dem Augenblick heraus-
treten in dem Deutschland den
grösseren Teil seiner Kräfte ver-
pulvert haben wird. Und nicht
Deutschland, sondern Albion
wird die Früchte des spanischen
Krieges einheimsen, ohne in die-
ser Angelegenheit auch nur einen
Finger gerührt zu haben.
Und was die Sowjetunion an-
geht, so ist der Verfasser über-
zeugt, dass ein deutscher Sieg
unmöglich ist, solange Deutsch-
land diese Macht zum Gegner
hat und so ständig im Rücken
Wie Deutschland sich von den
Rebellen bezahlen lässt
Hendaye.—Personen, welche aus dem faschistischen Lager kom-
men, versichern, dass vor einigen Tagen ein deutsches Schiff in
Bilbao Fässer geladen hat, wobei beobachtet wurde, dass eines der-
selben Silbermünzen enthielt.
Die gleiche Beobachtung wurde bei mehreren Kisten gemacht,
die als Frachtgut auf einer Eisenbahnstation verladen wurden.
Diese Nachrichten stimmen mit den kürzlich verbreiteten überein,
wonach zwischen Deutschen und Italienern wegen dieses Silbers
Uneinigkeit entstanden sei.
Tatsächlich scheinen die Quellen der Gewinnung der diversen
Produkte, mit denen die Kriegsmateriallieferungen bisher bezahlt
wurden, auf dem Wege der Requisierung erschöpft zu sein. So ist
heute das Silber ausserordentlich gesucht und es werden alle Anstren-
gungen gemacht, es herbeizuschaffen, um es nach Deutschland
und Italien zu senden. Die Heimlichkeit, mit der das geschieht, ver-
hindert trotz aller Bemühungen doch nicht, dass es in der Öffent-
lichkeit bekannt wird.
(«Solidaridad Obrera». Barcelona, 3-12-37.)
-ocr page 3-
Seite 3
Spanischer Informationsdienst
3 Januar 1938
Picasso in Europa und Amcriha
Die moralische LeKflon des ¿rossen, spanischen Künstlers
"Wir sind im Krieg"
Ein neuer diplomatischer Stil
Spanien redet durch den
Mund seines Präsidenten
scher Flamme auf eine Leinwand
geworfen hat, die eine der Wän-
de des «hall» im spanischen Pa-
villon auf der Pariser Weltaus-
stellung bedeckte. Diesem präch-
tigen Gemälde, das als Ausdruck
modernster Kunst starke Beach-
tung fand und auch preisgekrönt
wurde, hat Picasso folgende Un-
terschrift gegeben : «Un sublime
acto de execración contra la bar-
barie fascista». «Ein sublimer
Akt der Verabscheuung gegen-
über der faschistischen Roheit».
Es wird, in Übereinstimmung
mit dem spanischen Unterrichts-
ministerium, zusammen m i t
Werken yon Matisse, Braque
und anderen bekannten Künst-
lern, nach Kopenhagen, Oslo und
Stockholm gebracht werden zu
einer Wanderausstellung, die
man in diesen Tagen in den
skandinavischen Länder veran-
stalten wird.
Und gleichzeitig mit der Reise
nach Nordamerika und der Ini-
tiative der Rosemberg - Galerie
wird Picasso stark von London
aus verlangt, wo man eine Aus-
stellung eröffnen wird, welche
die hervorragendsten Werke der
modernen Kunst zeigen wird und
die, als Zusammenfassung der
zeitgenössischen Werke der bes-
ten Künstler von Cézanne bis
Picasso, der von dem deutschem
Faschismus organisierten «Aus-
stellung entarteter Kunst» entge-
genwirken soll.
Und in diesem Wettstreite, in
dem die besten Maler mit je
zweien ihrer Gemälde konkurrier-
ten, unter ihnen die Spanier Ben-
jamin Palencia und Sola, wurde
Pablo Picasso ausgezeichnet, in-
dem man die Zusendung von
fünfzehn seiner Werke verlang-
te, was die hohe internationale
Wertschätzung, deren sich unser
grosser, antifaschistischer Künst-
ler erfreut, beweist.
Das republikanische Spanien
wird in Nordamerika — vor dem
Konklave aller positiven Werte
im Bereich der plastischen Küns-
te — glänzend vertreten sein.
Das spanische Unterrichtsmi-
nisterium hat, auf.Vorschlag der
Dirección General de Bellas Ar-
tes, den Maler Pablo Picasso
zum Vertreter Spaniens auf dem
internationalen K ü n s tlerkon
gress, der in der zweiten Januar-
hälfte in New-York stattfinden
wird, ernannt.
Die Bedeutung der Persönlich-
keit Picassos und der West seiner
künstlerischen Produktion, die
er mit der prachtvollen Selbst-
verständlichkeit seiner instinkt-
sicheren Deutung in den Dienst
der Republik stellte und die aus
allen Kritiken und Ausstellun-
g e n siegreich hervorgegangen
ist, rechtfertigt darchaus die
Wahl des Direktors des Prado-
Museums als Vertreter der spa-
n i s c h e n, antifaschistischen
Kunstströmungen in Nordameri-
ka, wo sie mit betonter und er-
wartungsvoller Genugtuung be-
grüsst wurde.
Durch die Pariser literarischen
Kreise zirkuliert eine Anekdote,
die seinen loyalen Antifaschis-
mus kennzeichnet. Jedes Jahr
finden sich auf dem Friedhofe
von Montparnasse, am Grabe des
Dichters Guillaume Apollinaire,
dessen treue Freunde und Be-
wunderer zu einer kleinen Ge-
denkfeier zusammen. Dieses Jahr
trafen dort Marinetti und der
Dichter Andre Salmón, der als
Kriegsberichterstatter des «Petit
Parisién» im Lager Francos
tätig war, mit Pablo Picasso zu-
sammen. Beide streckten unse-
rem Künstler freundschaftlich
die Hand entgegen, aber keiner
der beiden fand in dem höflichem
Grusse Picassos etwas anderes
als Kälte. Als Marinetti darüber
erstaunt schien, rief Picasso:
«Wir sind im Krieg» !
Jetzt geht also Picasso nach
Nordamerika. Aber zu gleicher
Zeit wird sein Name auch Lon-
don und die skandinavischen
Länder erfüllen. Rufen wir uns
sein prächtiges Gemälde «Guer-
nica» in Erinnerung, das er mit
der Genialität eines tiefen Ge-
fühles und mit echt republikani-
Die von don Manuel Azaña, bei Gelegenheit
der feierlichen Überreichung des Beglaubigung-
schreibens durch den neuen französichen Botschaf-
ter, monsieur Labonne, gehaltene Rede bedeutet
einen Bruch mit den traditionellen Formen der
diplomatischen Gebräuche. Keinen Augenblick
zwar hat sich der Präsident der Republik von der
rituellen Linie, die das Protokoll vorschreibt,
entfernt. Das äussere Profil der Zeremonie und
die Beobachtungen der Höflichkeit
die in die-
sem Fall Ausdruck wirklicher Hochachtung, auf-
richtiger Sympathie und herzlichen Einverneh-
mens waren
konnten selbst die in bezug auf
die äusserlichen Riten offizieller Feierlichkeiten
ansprutihsvollsten Geister voll zufriedenstellen. Die
vom Staatsoberhaupt in seiner gestrigen Rede
eingeführte Neuerung betrifft nicht die Äusser-
lichkeiten der Zeremonie. Ihre Wirkungen rei-
chen tiefer. Herr Azaña hat die Rezeptensamm-
lung der von den Kanzleiapothekern geheiligten
Formeln ausser Gebrauch gesetzt und hat sich
gänzlich neuer Formeln bedient, in denen das
neue Spanien seinen eigenen diplomatischen Stil
entwickelt. Das einzige was in der feierlichen
Zeremonie einer Überreichung von Beglaubi-
gungsschreiben gewechselt hat, ist die Sprache.
Diese Sprache von heute ist eine lebendige Spra-
che, eine Sprache mit Kolorit und Präzision, die
in nichts den vagen, kalten und farblosen Worten
ähnelt, die eine steife Vorsicht ineinander zu
fädeln pflegte nachdem sie die Begriffe auf un-
erbittliche. Weise sterilisiert hatte. Der Präsident
der Republik weigert den protokollarischen Re-
geln nicht seine Anerkennung. Aber das Protokoll
ist nicht eo ipso ein Hinderniss für wesentliche
Inhalte.
Die erschütternde Wirklichkeit Spaniens darf
unter keinem Umständen durch diplomati-
schen Formelkram verdeckt werden. Die spanische
Republik ruht auf einer festen, legitimen Grund-
lage und kann das Recht, auf das sie sich stützt,
jederzeit offen vertreten. Viel schlimmer, als dass
andere dieses unser Recht vergessen, wäre es,
wenn wir selber der Erinnerung an die Gerechtig-
keit, die man uns schuldig ist, verlustig gingen.
Das Staatsoberhaupt betont in seinen seltenen
Reden, dass dies keinesfalls geschehen darf und
dass das Memorial unserer gerechten Forderun-
gen uns ständig vor Augen sein muss. Der Herr
Botschafter der französichen Republik hatte Ge-
legenheit, aus dem Mund des Staatsoberhauptes
die Gründe zu vernehmen, die Spanien denjenigen
Nationen gegenüber, die es mit ihrer Freund-
schaft ehren, zu seiner Verteidigung anführen
kann. Wenn die demokratischen Mächte von Frie-
den reden, pflegen sie eine offenkundige Tatsache
zu vergessen, die Tatsache nämlich, dass der
Friede de facto gobt-ochen ist. Der europäische
Friede wurde gebrochen, in dem Augenblick, in
dem ausländische Heeresabteilungen es wagten,
in unser Land einzufallen. Man kann nicht eher
vom Frieden sprechen in Europa, als bis man
ihn dort, wo er umgestossen wurde, wiederher-
stellt. Während der ersten Wochen des Bürger-
krieges erlebte Spanien eine innere Konvulsion.
Das war unsere Sache, und niemand, ausser uns
Spaniern, war dazu berufen, sich in diese Sache
hineinzumischen. Die spanische Republik braucht
keine ausländische Hilfe, um einem nationalen
Aufstand gegenüber die Herrschaft des Rechtes
wiederherzustellen. Unsere politischen Kämpfe
sind Ereignisse, die nur uns angehen und wir
haben es nicht nötig, die Aufmerksamkeit
und
noch weniger die Unterstützung
der Ausländer.
zu erbitten, um mit unseren Angelegenheiten
fertig zu werden. A ber Spanien ist das Opfer eines
Invasionskrieges, der gegen seine Unabhängigkeit
gerichtet ist und vielleicht auch gegen die terri-
toriale Integrität anderer Länder. Die ausländi-
sche Einmischung in unsere Kämpfe bildet seit vie-
len Monaten denjenigen Faktor, der hauptsächlich
an der Aufgewühltheit der internationalen Lage
Schuld trägt. Wir stehen hier vor einem schweren
Problem, das schon nicht mehr ausschliesslich
unser ist. In seiner Antwortrede an,den franzö-
sichen Botschafter hat Herr Azaña klar die ver-
schiedene Haltung der Republik auseinanderge-
setzt, jenachdem es sich um den einen oder an-
deren Aspekt unseres Kampfes handelt. Zum
Wohle des europäischen Friedens
wenn nicht
Würde und Anstand dazu verpflichtetm
hält
die Republik es für nötig, dass der auf spani-
schem Boden ausgebrochene Konflikt eingedämmt
und isoliert wird, aber diese Isolierung müsste
eine vollständige sein, ohne ausländische Dugues-
clins, die ihrem Herrn zu Hilfe kommen, in Ver-
tretung von höheren Herren, zu denen jener, man
weiss nicht recht ob im Verhältnis eines Lehns-
mannes oder eines Schildknappen steht. Diejeni-
gen, welche dulden, dass in Spanien die Verlet-
zungen des internationalen Rechtes fortgesetzt
werden, tragen nicht dazu bei, unseren Konflikt
zu isolieren, sondern sie helfen, ihm auszubreiten,
zu isolieren, sondern sie helfen, ihn auszubreiten,
französiche Botschafter bedeutsame Worte über
das politische Fühlen Frankreichs, wo die Ach-
tung vor dem Einzelmenschen und der Freiheit
des Denkens, ebenso wie der Wille zur sozialen
Gerechtigkeit fundamentale Züge des nationalen
Charakters darstellen. Der diplomatische Vertre-
ter der Nachbar-Republik gab seinem Wunsch
Ausdruck, in Spanien den Frieden auf ähnlichen
Prinzipien errichtet zu sehen. Diese Worte sind
in der Rede des Staatsoberhauptes nicht ohne
Echo geblieben. Spanien erstrebt einen Frieden,
der allen Staatsbürgern die geistige und morali-
sche Freiheit garantiert. Aber auf diesem. Wege,
sagte Herr Azaña
wird die Republik auch
nicht auf den geringsten Teil ihrer Autorität ver-
zichten. Das spanische Volk, einmal im Wieder-
besitz seiner Rechte, wird zusammengerufen wer-
den, damit es seinem Willen Ausdruck gebe. Die
Geschicke Spaniens liegen in der Hand der Spa-
nier.
Von neuem hat Herr Azaña vor aller Welt,
in klarer und edler Sprache, die auf unser Recht
und die Gerechtigkeit unserer Sache gegründeten
Forderungen erklärt. Die klare und kräftige
Sprache des Präsidenten führt einen neuen Stil
in den diplomatischen Gebräuchen ein. Dieser Stil
besteht einfach darin, ohne schönrednerische
Verschleierungen die Wahrheit zu sagen. Es ist
allerdings wahr, dass dieser Stil nur dann an-
gewendet werden kann, wenn man sicher ist, das
volle Recht auf seiner Seite zu haben.
(«Política». Madrid, 12-10-37.)
Ein Telegramm Picassos in den Kongress
der liütsfler in Ncitfork
Pablo Picasso hat an den Kongress Amerikanischer Künstler fol-
gendes Telegramm gerichtet : «Ich bedaure lebhaft, nicht
wie es
■mein Wunsch war
auf dem Kongress Amerikanischer Künstler
sprechen zu können, um Ihnen als Direktor des Prado-Museums zu
sagen, dass die Demokratische Regierung der Republik alle Anstal-
ten getroffen hat, um den in Sicherheit befindlichen Kunstschatz
Spaniens in diesem ungerechten und grausamen Krieg vor Schäden
zu bewahren.
«Ich möchte ausserdem sagen, wie ich denke und immer gedacht
habe, dass niemand, der als Künstler empfindet, in diesem Konflikt,
in dem es um die letzten Werte geht, neutral bleiben kann, noch darf.
«Von unserem Siege überzeugt, sende ich der amerikanischen De-
mokratie und den Künstlern des Kongresses einen warmen Gruss.»
Der faschistische
Terror in Zaragossa
37 gesessen hatte. Er sagte, die
wahren Mörder des Proletariates
von Zaragossa seien der General
Urrutia, der Oberstleutnant im
Generalstab, Dario Gazapo, die
Polizeikommissare Derqui (Kom-
mandant) und Cogerqui, gegen-
wärtiger Polizeikommissar von
Zaragossa ; ferner der Chef der
Falange, Mulo; der Lokalchef
Villuendas und die Falangisten
— gegenwärtig Polizisten: La-
marca, López del Olmo ; Pinilla,
Soro, Navarro, Herrero Treval,
alle von der Organisation der
Falange in Ruiseñores. Ausser-
dem seien Mörder im wahren
Sinne des Wortes die Leute von
der Sicherheitspolizei und die
vom Überfallkommando der
Guardia Civil. Das sind diejeni-
gen, welche die Morde ausführen
und unter ihnen zeichnet sich
besonders ein Offizier der Guar-
dia Civil aus der Garnison des
Stadtviertels von Marera, dessen
Namen ihm nicht bekannt ist,
durch seine Grausamkeit und die
unmenschliche Art seines Verhal-
tens den Arbeitern gegenüber
aus.
Als wahren Blutrausch muss
man den Mord an dem Kamera-
den Antonio Piano, dem Vice-
präsidenten des Provinzialrates
von Zaragossa, bezeichnen, dem
man in Gegenwart des Zeugen
die Augen ausstach, bevor man
ihn ermordete. Er berichtete
gleichfalls über den Fall des
Stadtrates von Zaragossa, von
der Izquierda Republicana, Ló-
pez Conde, den man zu Tode
prügelte; das heisst, er starb,
noch ehe man ihn erschoss. An-
dere Fälle sind : Der Bibliothe-
kar des Gemeinderates, Manuel
Mari Sancho, der gleichfalls vor
dem Erschiessen geprügelt wur-
de ; der Inspektor des Gesund-
heitswesens der Provinz von Za-
ragossa, Albiñana, den man
gleichzeitig mit seinem Sohne,
einem Offizier der Falange, hin-
richtete, und der Genosse Gallo
von der Vereinigten Sozialisti-
schen Jugend, den seine Ange-
hörigen, als sie seine Leiche
abholten, mit durchgeschnittener
Kehle vorfanden und dessen
Mutter, als sie sich deswegen
beschwerte, von den Falangisten
mit Püffen und unter Hohnge-
lächter hinausbefördert wurde.
Er berichtete ferner, dass er
ungezählte Personen gesehen
habe, die aus dem Gefängnis ent-
lassen wurden, um erschossen zu
werden, darunter der hervorra-
gende Professor der naturwissen-
schaftlichen Fakultät, don Fran-
(Fortsetzung auf der nächsten Seite)
An einem der in der Nähe des
Ebro gelegenen Frontabschnitte
sah man einen Mann Zeichen
geben, die verhindern sollten,
dass von uns aus geschossen
würde. Gleich darauf unternahm
dieses Mann einen rasenden
Lauf in der Richtung auf
unsere Schützengräben, unter
einem Kugelregen, der ihn dank
einem glücklichen Zufall unver-
sehrt liess. Bald darauf erschien
er auf unserem Territorium und
erklärte, dass er ein dem fa-
schistischen Terror entflohener
Student der Medizin sei.
Zur Bekräftigung seiner Aus-
sagen machte er interessante
Miteilungen aus dem Informa-
tionsdienst der spanischen.Falan-
ge, in der calle Ponzano Nr. 5,
wo er vom 23 August 36 bis An-
fang September desselben Jahres
festgehalten worden war und aus
dem Provinzialgefängnis von Za-
ragossa, wo er bis zum 19 August
-ocr page 4-
Seite 4                                                                   Spanischer Informationsdienst                                                          3 Januar 1938
Der unfreiwillige Humor des
Herzogs von Alba und Berwick
Der Herzog von Alba und Berwick, in (London als Handelsbeauf-
tragter Franco-Spaniens bekannt, hatte, in Ermanglung eines beru-
feneren Fürsprechers eine Unterredung mit dem Journalisten Jan
Colviu. Die Londoner Presse—«The Daily Telegraph» und «Morn
ingpost»—veröffentlicht in ihrer Nummer vom 8 Dezember die Er-
klärungen des Aristokraten und Traditionisten, welcher die wenig
rühmliche Aufgabe, die ihm sein neues Amt stellt, seinem Adelstitel
vorgezogen hat.
«Es ist dies—so sagte er—für mich, und ich möchte sagen für
alle, eine neue Situation. Ich müsste mich an das Foreign Office
wenden und sagen : hier bin ich. Aber nach -wem soll ich fragen?
Und wenn es der Laufbursche sein soll—gut und schön—obgleich es
sich gehören würde, dass man mich davon in Kenntnis setzt. Glück-
licherweise verfügt das Foreign Office ebenso wie wir über genügend
Sinn für Humor. Ich bin sicher, dass wir uns sehr gut vertragen
werden.»
Sie tun nicht gut daran, so sicher zu sein, Herr Herzog von Alba.
Abgesehen davon, dass der Sinn für Humor, den wir Spanier besi-
tzen, ebenso wie der Sinn für Ehre—grundvrschieeden ist von dem,
den sie für sich in Anspruch nehmen.
Sie waren, Herr Herzog, Besitzer von 34.455 Hektar spanischer
Erde. Auf diesem ansehnlichen Besitztum hatten sie ein Palais,
mehrere Tennisplätze und einen Marstall. Der Rest der 34.455 Hek-
tar, grösstenteils unkultiviertes Land, diente als Staffage, als male-
rischer Hintergrund, um den Nimbus des ebenso prächtigen, wie
sterilen Stammgutes aufrecht zu erhalten.
Sie besassen ein Palais. Lassen wir Jan Calviu berichten : «Sein
Palacio de Liria», heute fast völlig eingeäschert, öffnete allen Eng-
ländern in Madrid seine gastlichen Tore. Denjenigen, die Tennis
spielen wollten, standen die Tennisplätze des Herzogs zur Verfü-
gung ; einem ungeschriebenen Gesetz gehorchend, hatte der britische
Gesandschaftsattaché seine Pferde stets im Marstall des Herzogs.»
Von dieser gerühmten Grossmut' und verflossenen Herrlichkeit
ist wenig übrig geblieben. Fast nichts. Ein Haufen glimmender
Asche. In einem Brand vernichtet, den Sie selber vorsätzlich ent-
facht haben.
War auch das Sinn für Humor, Herr Herzog von Alba? Nein.
Eher Familientradition. Sie haben das Beispiel einer Ihrer Vorfahren
nachgeahmt, —das der Herzogin von Alba und Edlen von Crepúscu-
lo (1), —Herzogin bei Licht und Buhlerin bei Nacht—, welche ihren
Palast, den gleichen Palacio de Liria, in Brand stecken Hess, um der
blossen Laune willen, die Flammen der Feuersbrunst bei einem nächt-
lichen Fest in Madrid leuchten zu sehen.
Und wiederum brannte der Palacio de Liria an jenem tragischen
Morgen. Der Palast derer von Alba. Und Sie sind es, Herr Herzog
von Alba, Edler ohne Adel und Ritter ohne Ritterlichkeit, —der Sie
heute in London mit zweifelhaftem Humor, aber in zweifellos schlech-
ter ¡Laune jene Generäle repräsentieren, welche etwas mehr, als nur
die Tore ihrer Paläste geöffnet haben, nämlich—aus Gastfreund-
schaft oder aus gastfreundlichen Humor gegenüber den ausländischen
Invasoren?—die Tore des Vaterlandes.
Aber Sie Herr Herzog, haben Ihre Tennisplätze verloren. Sie
haben Recht, sich zu beklagen. Sie, ein so gewissenhafter Vollstrecker
ungeschriebener Gesetze, haben sich den Namen eines Spaniers ver-
schertzt auf Grund eines geschriebenen Gesetzes, das zu befolgen Sie
nicht verstanden. Und das ist schlimmer. Obwohl Ihnen nach der
Ansicht Jan Calvins ein anderer Titel verblieben ist: der eines «Pro-
tektors der schönen Künste». Eine Ihrer Sorgen bildet, wie wir lesen,
das Schicksal der unschätzbaren Sammlung des Prado. Diese Besorg-
nis ist begreiflich bei jemand, der unbegreiflicherweise—dies ist echt
spanischen Humor—Präsident des Museumspatronates war.
Aber Sie werden auch mit diesem Gewissensknäuel schon fertig
werden. Es sei denn, dass Sie sich nicht für das Geschick, sondern
für das Missgeschick interessieren, von welchem die Gemälde von
Velázquez, von Goya und Greco betroffen werden konnten, als sie
jenem Luftangriff von Seiten der «nationalem» Flieger dieser soge-
nannten «Nation», welche Sie zu vertreten vorgeben, zum Ziele
dienten.
Glücklicherweise sind die Sammlungen gerettet. Sie brauchen
nicht daran zu zweifeln. Ihr Freund, M. Frederic Kenyon, hat vor
noch nicht langer Zeit einen Bericht über seinen Aufenthalt in Ma-
drid, Valencia und Barcelona geschrieben, den Sie, nicht nur aus
diplomatischer Höflichkeit, zu lesen und zu glauben verpflichtet sind.
Und dann, Herr Herzog? Dann, Herr Herzog, wenn Sie noch
immer nicht überzeugt sein sollten, wird die spanische Republik
zur Überraschung ihrer Anhänger und Widersacher ihre eigenen
Angreifer zu Zeugen aufrufen müssen. Dann werden Sie eingeladen
werden, sich selbst zu vergewissern, wie die Schätze der Kunst und
Wissenschaft, welche Ihnen so sehr am Herzen liegen, gegen die
Luftangriffe geschützt werden. Sie werden, nach Spanien kommen.
Und in Spanien werden Sie nicht mit dem Laufburschen reden, son-
dern—mit dem Richter.
Was hinter den effektvollen Gesten
und grossen Phrasen des Doce steckt
Mussolini hat den Völkerbund ohne jede Grazie
verlassen. Wer die italienische Presse der letz-
ten Tage nicht gelesen hat, kann sich schwer
einen Begriff von der aus ser gewöhnlichen Heftig-
keit machen, mit der auf Befehl des Führers eine
Institution angegriffen wird, in der sein Land
18 Jahre lang vertreten war und deren Werk er
soweit untertützt hat, als diese Institution den
Raubzügen der Faschisten keinen Widerstand
entgegensetzte. Die Skribenten der Regierung
haben natürlich vergessen, dass Italien sich im
Jahre
1931 der Verurteilung des ersten Überfalls
von Seiten Japans auf China angeschlossen hat.
Hat nicht Mussolini selbst
1934 einen heftigen
Artikel gegen den japanischen Imperialismus
geschrieben, welcher den unmittelbaren Protest
der Regierung von Tokio zur Folge\ hatte!
In Nachahmung der Verantwortungslosigkeit
und Brutalität ihres Chefs haben die italienischen
Zeitungen jeden Sinn für Mass und Ziel verloren.
Sie verkünden, dass Genf nichts anderes ist, als
eine «Heilige Allianz, dazu bestimmt, die jungen
Völker daran zu hindern, sich einen Platz unter
der Sonne zu schaffen« («Gazetta del Popólo»).
Die «Popólo dJItalia» findet Mussolini «gran-
dios-» in seiner Grossmut und Geduld, mit der er
«den Charlatanen vom Genfersee Zeit genug ge-
lassen hat, um zu Kreuze zu kriechen-»
. Der Ver-
fasser dieser Schmähschrift, ein gewisser Polve-
relli, ein alter Beamter im Presseministerium, ta-
lentloser Schrifsteller und Vertrauensmann des
Duce, beglückwünscht seinen Chef dazu, dass er
sich von den «Fesseln konservatier Beschränkt-
heit befreit habe, um sich denjenigen Völkern
anzuschliessen, die sich in ihren Bestrebungen
von den Anderen nichts dreinreden lassen» Fa-
rinacci vom «Regime Fascista», sieht im Völker-
bund ein Kriegswerkzeug in der Hand der Frei-
maurer und Juden, und drückt seine Befriedigung
darüber aus, dass sein Land atisgetreten ist, und
so den Provokateuren, Hochstaplern und ausge-
machten Dummköpfen die Tür vor der Nase zu-
geschlagen hat.»
Alle diese Liebenswürdigkeiten sind begleitet
von schlecht verhüllter Drohung, zu den Waffen
zu greifen
—■ gegen was oder gegen wen ist nicht
ersichtlich. Es ist die ohnmächtige Wut einer
vor dem Ruin stehenden Regierung, die in der
Zwickmühle unerbittlicher wirtschaftlicher Not-
wendigkeiten, nach Wiederherstellung ihres Pres-
tiges durch unmögliche Eroberungen dürstet, und
die vor allem gezwungen ist, eine ungeduldige
öffentliche Meinung und ein gequältes Volk durch
Lügen zu beschwichtigen.
* * *
Der Bruch mit Genf hat im italienischen Volke
und vor allem bei den kleinen Kapitalisten eine
wahre Panik hervorgerufen. Man ist sich darüber
klar, dass Mussolini das Land in einen Krieg
hineinsteuert und dass dieser Krieg unvermeid-
lich ist. Ja, man flüstert sich sogar schon den
Zeitpunkt zu: Anfang des kommenden Früh-
jahrs...
Die Reichen, die längst das Vertrauen zur Re-
gierung verloren haben, haben bereits begonnen,
Massnahmen zu treffen, um ihr Vermögen in
Sicherheit zu bringen. Wer irgend kann, ver-
schiebt sein Kapital ins Ausland. Kürzlich führte
die Panik zu einem Ansturm auf die Banken
Rwecks Abhebung der laufenden Konten. Das in
der vorigen Woche umlaufende Gerücht über eine
Herabsetzung des Papiergeldwertes durch Über-
stempelung, rief natürlich äusserste Beunruhigung
hervor. Zu den Kriegsgerüchten gesellte sich
letzthin noch die Furcht vor ausserordentlichen
Massnahmen, die angeblich zur Steuerung der
Goldknappheit erwogen wurden.
Man spricht neuerdings von einem Diskont der
laufenden Konten und von einer Generalinventur
aller gemieteten und privaten Geldschränke. Die
Regierung hat die Entwertungsgerüchte offiziell
dementiert, während sie auf den neuerlichen
Alarm nur mit einer schwächlichen und indirek-
ten Ableugnung reagiert hat. Sie verkündet in
einem Finanzbläitchen, dass es sich durchaus
nicht um eine neue Kapitalsteuer handle, und
dass die ausländischen Kapitalisten unbekümmert
nach Italien kommen könnten, und hier ein Asyl
vor den gegen das Kapital gerichteten Angriffen
finden würden (sie).
Alle diese, mehr oder weniger tendenziösen
Nachrichten und die sie begleitenden Dementis,
werfen von Tag zu Tag mehr Licht auf die ver-
zweifelte Lage der italienischen Wirtschaft.
1938
wird Mussolini, der sein Land bereits aufs äus-
serste ausgepresst hat, neue Einnahmequellen im
Innern finden müssen, um die laufenden Ausga-
ben zu decken und dem täglich wachsenden Defi-
zit im Staatshaushalte .zu begegnen. Er wird vor
allem genötigt sein, das Gold zu finden, das er
nicht hat, um Rohstoffe im Auslande zu kaufen,
deren Erwerb auf Kredit seine Gewaltpolitik ihm
unmöglich gemacht hat.
Um die leeren Kassen der Nationalbank zu
füllen, um dem «Haus Italien» wieder auf die
Beine zu helfen, genügen weder die effektvollen
Gesten und sensationellen Aufmärsche auf der
Piazza di Venezia, noch die dröhnenden Drohre-
den gegen den Frieden.
Antonin POGGIO
(«La Lumiére», 17-12-37.)
DER FASCHISTISCHE TERROR IN ZARAGOSSA
dem Gewissen haben. Diese bei-
den Individuen gehörten zu dem
Trupp, welchen die Aufgabe der
Füsilierungen zufiel und sie ge-
hören heute zur Leibgarde des
Generals der fünften Division.
Diese Subjekte kannten alle Ka-
meraden aus den revolutionären
Organisationen von Zaragossa
und sie nutzten ihre Kenntnisse
aus, um sie erst zu denunzieren
und dann zu füsilieren.
Die Guardia Civil, welcher die
Bewachung der Gefangenen an-
vertraut war, verfährt mit ihnen
auf unmenschliche Weise. Miss-
handlungen mit dem Gewehr-
kolben sind an der Tagesord-
nung.
Infolge    dieser Misshandlun-
gen sind
   verschiedene schwere
Fälle im
    Hospital eingeliefert
worden.
(Fortsetzung)
cisco Aranda ; ferner die Brüder
Muniesa, Professoren der medi-
zinischen Fakultät; der Zivil-
gouverneur, don Angel Vera Co-
ronel, und drei-und-vierzig Frei-
maurer, allein für das Vergehen
solche zu sein, und eine Unzahl
anderer Bürger.
Er schilderte auch die Art, wie
die Gefängnisbeamten mit den
Gefangenen umgingen. Der
Kommandant Julián Díaz brüs-
tete .sich mit der barbarischen
Grausamkeit, mit der er einen
armen blinden Greis, der aus
dem Gefängnis entlassen worden
war, ermordet hatte ; andere Ge-
fängnisbeamte — Manuel Astra-
na, José Muñoz, Angel Martín,
zeichneten sich ebenfalls durch
barbarische Behandlung der Ge-
fangenen aus.
Im Stadtviertel von Arrabal
wurde eine grosse Anzahl von
Personen auf Anregung folgen-
der Kaziken erschossen : Fran-
cisco Barcelona, Keksfabrikant;
Manuel Benedi Cerruz, Eigentü-
mer einer Möbelfabrik ; Vicente
Molina, Fabrikant von Mehlpro-
dukten ; Manuel Acutia, Rene-
gat der Sozialistischen Jugend
und rabiater Falangist.
Besonders hervorgetan haben
sich innerhalb der Informations-
zentrale der Chef Kapitän Tena
und ein gewisser Garrido, welche
den zweifelhaften Ruhm gemes-
sen, Tausende gemordet zu ha-
ben. Ein gewisser Marquesa,
welcher im Tercio eine Rolle
spielt, brüstet sich ebenfalls mit
seinen Heldentaten beim Er-
schiessen der Gefangenen von
Belchite. Auch zwei Individuen,
welche früher der FAI angehört
haben und die in Zaragossa
unter dem Spottnamen der Brü-
der Al Capone bekannt sind, weil
sie bei allen Revolten bewaffnet
auf der Strasse zu sehen waren,
gehören zu denjenigen, welche
die meisten Erschiessungen auf
(1) Doppelsinnig. Spanisch: alba = Morgendämmerung, Crepúsculo = Abenddämmerung.
IM »RUTEN «EICH
Einführung einer Musikzemur
Berlin, 19.—Von heute ab ist alte ausländische Musik der Zensur
unterworfen.
In der aus diesem Anlass veroeffentlichten Verordnung erklärt
der Präsident der Musikkammer, dass diese Massnahme die Be-
kämpfung des schädlichen Einflusses bezweckt, den die unerwünschte
Musik auf das deutsche Volk ausübt.
(«Ge Soir», Brüssel, 21-12-37.)
KINDSTAUFE BEI CÍANOS
Ein Telegramm aus Rom meldet, dass Graf Ciano, der italienische
Minister des Aeussern, seinem jüngsten Sproessling den Namen Mars
gegeben hat.
Zu Ehren des Kriegsgottes.
Der nächste Sproessling des Grafen Ciano wird, wenn es ein
Junge ist, den Namen Pest und wenn es ein Mädchen ist, den Namen
Cholera tragen.
(«Le Canard Enchainé», 22-12-37.)