-ocr page 1-
SPANISCHER mFORMflTIONS
DIENST V3SB
"Mexiko hat, von der ersten Stunde der Spanischen
Tragödie an, seine Haltung festgelegt und alle Konse-
quenzen mit in den Kauf genommen, in bewusster
Verantwortung und getrieben von der Begeisterung
seiner eigenen, schon länger als ein Jahrhundert
seiner Geschichte währenden Kämpfe, um die Schaf-
fung eines Regimes sozialer Gerechtigkeit".
(AUS DER REDE DES MEXIKANISCHEN BOTSCHAFTER)
umente
WÖCHENTLICHER AUSZUG AUS DIN "SERVICIO ESPAÑOL DE INFORMACIÓN'
Barcelona, 7 März 1938
Av. 14 de Abril, 556
Nummer 11
Die Rede de§ neuen Mexikanischen Bot Schauers in Span
ien bei der Überreichung des Beglaubigungsschreibens
Fortschritts kämpft, deren Fundamente die Gerechtig-
keit und die Rechte der Arbeiterklasse darstellen.
Anlässlich der Überreichung des Beglaubigungs-
schreibens richtete der neue Mexikanische Botschafter
in Spanien, Don Adalberto Tejeda, an den Präsidenten
der spanischen Republik die folgenden Worte :
Herr Präsident :
In Erfüllung eines hohen Auftrages, der meinen
Verdiensten nicht entspricht, habe ich die Ehre, Ihrer
Exzellenz das Beglaubigungsschreiben zu überreichen,
das mich bei der Regierung der Republik als Gesand-
ten der Vereinigten Mexikanischen Staaten bestätigt,
.zugleich mit den Rücktrittsdokumenten meines verehr-
ten Vorgängers.
Indem ich hiermit die hohe Mission, die man mir
anvertraut hat, antrete, möchte ich Ihrer Exzellenz vor
allem meine tiefe Befriedigung ausdrücken über die
Ehre, die mir durch meine Regierung zuteil geworden
ist, indem sie mich zu ihrem Vertreter in dem kraft-
vollen und heroischen Spanien ernannt hat, das seine
Autonomie und seine Institutionen gegen den ungerecht-
fertigten Überfall derer, die ihm seinen Bestrebungen
■entgegengesetzte Normen aufzwingen wollen, mit er-
staunlicher Tapferkeit verteidigt.
In meiner kommenden Tätigkeit werde ich uner-
schütterlich die Linie beibehalten, die Mexiko in seiner
Beziehung zu den anderen Völkern befolgt, indem es,
im Einklang mit seiner historischen Überlieferung, in
peinlicher Achtung der fundamentalen Forderung des
Rechtes, die Pflicht einer befreundeten Nation erfüllt.
Die mexikanische, aus dem Willen des Volkes entsprun-
gene Geste der Unterstützung einer befreundeten Re-
gierung findet innerhalb des reinsten und unwiderleg-
lichsten Kriteriums des internationalen Rechtes ihre
volle Rechtfertigung. Daher hat Mexico, von der ersten
Stunde der spanischen Tragödie an, seine Haltung fest-
gelegt und alle Konsequenzen mit in den Kauf genom-
men, in bewusster Verantwortung und getrieben von der
Begeisterung seiner eigenen, schon länger als ein Jahr-
hundert seiner Geschichte währenden Kämpfe um die
Schaffung eines Regimes sozialer Gerechtigkeit.
In keinem anderen Lande wie in Mexiko hat die
Volksseele einen so tiefbewegten Anteil an dem
Schicksal genommen, das das spanische Volk mit bei-
spiellosem Opfergeist und Mut erträgt. Das ist der
Tatsache zuzuschreiben dass die mexikanische Ge-
schichte von ähnlichen Episoden erfüllt ist und die
gleiche Tragik kennt. Seit dem Unabhängigkeitskrieg,
der die Kennzeichen einer Erhebung gegen die Unter-
drückung durch die Monarchie und eine privilegierte
Klasse von Priestern und Herren trug, ähnlich wie sie
in Spanien das Volk geschunden hat—ist unser natio-
nales Leben ein ständiger Kampf gegen ausländische
Invasionen, gegen die Herrschaft von Abenteurern,
die, unterstützt von Verrätern, die Republik zwingen,
sich in einen Fetzen des nationalen Territoriums zu
flüchten. Der Präsident Juárez, welcher schon vorher
die Reformgesetze erlassen hatte, bekämpft den Invasor
mit einer Handvoll Männern und streitet gegen eine
Diktatur, die das Volk jahrelang in tiefer sozialer Un-
gerechtigkeit darniederhält. Zuletzt war es nötig, wie
jetzt in Spanien, ein Prätorianerheer zu bekämpfen und
zu vernichten, das in gemeinsamer Verschwörung mit
dem Klerus und den reichen Bonzen, die Regierung
angriff und dabei den höchsten Vertreter der Nation
ums Leben brachte. Aber in diesem langen Kampfe
verankert sich im nationalen Bewusstsein immer fester
eine fortgeschrittene revolutionäre Ideologie, deren
prachtvolle Verwirklichung wir im Leben des mexika-
nischen Volkes im gegenwärtigen Augenblisich vollzie-
hen sehen, der erfüllt ist von Zufriedenheit und frucht-
baren Hoffnungen für die arbeitende Klasse.
Spanien und Mexiko gehen auf verschiedenen
Wegen auf dasselbe Ziel zu, das auf unwiderlegliche
Prinzipien gestützt ist, die ebensowohl das Einzelleben
wie das Leben der Völker regieren.
Der soziale Konflikt entspringt aus der biologischen
Ordnung als ihre natürliche Konsequenz. Zwei Kräfte
sind es, die in verschiedener Richtung sich bewegend,
im sozialen Leben des Menschen hervortreten. Der
Instinkt der individuellen Selbsterhaltung, der aus dem
Menschen den Gegenstand, den Sinn und das Gravi-
tationszentrum der juridischen und wirtschaftlichen
Auffassungen macht, und der Instinkt der Arterhal-
tung, der das Interesse der Alllgemeinheit verteidigt,
indem er der Kollektivität die Verwirklichung eines
höchsten Zieles zuweist. Die Zusammenwirkung beider
Kräfte ,das heisst ihre Resultante, bringt das Phäno-
men unserer aufsteigenden organischen Anpassung her-
vor, deren Grösse und entscheidende Veränderungen
die Modalitäten bestimmen, die die Auffassung der Ge-
rechtigkeit in der Geschichte durchläuft.
Es ist Aufgabe des Soziologen und Politikers die
Koordination der Interessen zu suchen, die diese beiden
Kräfte in einem technischen, integralen und menschli-
chen Prozesse darstellen, wobei zu beachten ist, dass
die ' Resultante sich zwangsmässig der Komponente
annähern muss, die das höhere Interesse, das Interesse
der Gattung, das heisst das Kollektivinteresse, dar-
stellt. Die in diesen Gedankengängen enthaltene Ethik
verpflichtet sowohl den Einzelmenschen, als die Völker
oder Rasseneinheiten zu gegenseitiger brüderlicher Un-
terstützung im Sinne des materiellen und kulturellen
Fortschritts der Allgemeinheit und des Einzelnen, frei
von aller Exklusivität und der arroganten Überheblich-
keit, die die Schuld tragen an dem verzweifelten Zu-
stand der heutigen Welt. Daher wendet sich Mexiko
jederzeit an das Weltgewissen, sei es als Mitglied in-
ternationaler Institutionen, sei es durch direkte Ver-
handlungen mit den Regierungen anderer Länder, und
verteidigt die Achtung der Souveränität und des Rech-
tes des spanischen Volkes und die Anerkennung und
Behauptung der legitimen Prärogativen seiner Regie-
rung.
Es ist kein Zweifel, dass, wenn man gleich im An-
fang des blutigen Konfliktes diese Haltung eingenom-
men hätte, die Republik in der Lage gewesen wäre,
die Ordnung auf spanischen Boden wieder herzustellen,
und es wäre nicht zu den schweren internationalen
Konflikten gekommen, die sicherlich die Welt in die
schrecklichste aller Hekatomben stürzen werden, falls
die die Gerechtigkeit und den Frieden zwischen den
Nationen garantierenden Normen weiterhin von der
Institution, deren Pflicht es wäre, über ihre Einhal-
tung zu wachen, preisgegeben werden.
In diesem Kampf Spaniens verteidigen die Soldaten
der Republik gleichzeitig die Freiheiten der gesamten
Menschheit und deshalb ist zu hoffen, dass ihr helden-
haftes Opfer die Demokratie dazu bringt, die Hal-
tung, die sie infolge ihrer Kurzsichtigkeit und einer
oberflächlichen Analyse der Ursachen und des Cha-
rakters des spanischen Kampfes, eingenommen haben,
zu ändern, denn der Verlauf des Konfliktes enthüllt
uns seine universelle Tragweite.
Ich möchte zum Schluss Ihrer Exzellens im Namen
de/ Herrn Präsidenten Cárdenas und in meinem eige-
nen, meine aufrichtigsten Wünsche für den Triumph
der republikanischen Waffen zum Ausdruck bringen.
Der Triumph der Republik ist der notwendige Ab-
schluss dieses glorreichen Kapitels Ihrer Geschichte,
das mit dem edelmütig vergossenen, fruchtbaren Blute
des tapferen spanischen Volkes geschrieben wird, wel-
ches für den Anbruch einer Aera des Friedens und des
Die Antwort des Präsidenten der Republik
Herr Botschafter :
Ich empfange mit Befriedigung aus Ihren Händen
das Beglaubigungsschreiben, das Sie als Botschafter
der Vereinigten Mexikanischen Staaten bestätigt und
nehme zugleich die Rücktrittsdokumente Ihres Herren
Vorgängers entgegen. Ich ergreife hierbei mit Genug-
tuung die Gelegenheit, mit dankbarer Erinnerung der
hervorragenden Eigenschaften, die Don Ramon P. de
Negri in der Ausübung seines Amtes entfaltete, zu
gedenken.
Ich akzeptiere dankend, Herr Botschafter, die brü-
derlichen Worte der Verbundenheit, die Sie an die
spanische Nation richten, die das Schicksal wieder ein-
mal gezwungen hat, mit den Waffen für Unabhängig-
keit und Freiheit zu kämpfen, deren Aufrechterhal-
tung, wie schon mehrmals, eng an die Achtung des
Rechtes und des allgemeinen—bedrohten oder gebro-
chenen—Friedens gebunden ist.
Es ist sehr richtig, Herr Botschafter, dass Mexiko
seine Beziehungen zu den anderen Völkern im Sinne
der loyalen Erfüllung der durch das internationale
Recht festgesetzten Pflichten gestaltet. Es verwirft die
Anwendung von Gewalt Es verwirft die Einmischung
fremder Mächte in die inneren Angelegenheiten eines
Volkes, Diese Haltung ist um so bewunderungswerter,
als wir in zahlreichen Fällen ihr Gegenteil sich breit-
machen sehen. Spanien kennt sehr wohl die saubere
und entschiedene Haltung, mit der die mexikanische
Regierung und das mexikanische Volk sich für das
Recht der spanischen Republik einsetzen, das im letz-
ten Sinne kein anderes ist, als das Recht der Nation,
frei das Regime, das sie sich geben wird, wählen zu
können. Dies hat sie während der letzten Jahre mehr-
mals getan und wird es wieder tun, sobald sie in nor-
maler Weise wieder wird zusammenberufen werden
können. Das spanische Volk kämpft für die Anerken-
nung und Aufrechterhaltung der Legitimität der Ent-
scheidung der Mehrheit des Landes. Keine Minder-
heit, unter welchem Banner sie auch kämpfe, hat das
Recht, sich die Mehrheit des Landes zu unterwerfen.
Die Kraft, die dazu nötig ist, der harten Schicksalspro-
be des Augenblicks die Stirn zu bieten, gründet sich
auf folgende, aus der Erfahrung hervorgegangene
Überzeugung : die ungeheure Mehrheit des spanischen
Volkes will nicht unter einem despotischen und unver-
antwortlichen Willen geknechtet leben. Kein politi-
sches Regime in keinem Lande der Welt, in keiner
Epoche der Geschichte, zählt mit der einmütigen Zu-
stimmung aller Staatsbürger, noch konnte es mit ihr
zählen. Aber an dem Punkt, zu dem der politische
Fortschritt der zivilisierten Völker gelangt ist, ist ein
friedliches Zusammenleben mit den Dissidenten und
Unzufriedenen in einem intelligenten und toleranten
Staat immer möglich, der die individuelle Gewissens-
freiheit respektiert, die zivile und politische Freiheit
sichert, die soziale Gerechtigkeit fördert und durch
seine Gesetzgebung der menschlichen Persönlichkeit zu
ihrer Entwicklung und Steigerung freie Bahn macht.
Die der gegenwärtigen Tragik des spanischen Vol-
kes ähnlichen Leiden Mexikos ins Gedächtnis zu rufen,
ist, Ihrerseits, Herr Botschafter, eine Geste, die von
Ihrem feinen Takte zeugt. Mexiko vergisst in diesem
Augenblick, indem es sich des unschätzbaren Gutes des
Friedens erfreut, nicht seine Leiden. Es wahrt sich
-ocr page 2-
Spanischer Informationsdienst
Seite 2
7 März 1938
selber, seinem historischen Wesen, die Treue. Eure
eigene Erfahrung dient euch dazu, die Tiefe dieser
spanischen Krise zu ermessen und die Entschlossen-
heit, mit der Ihr Euch für das klare Recht des spani-
schen Volkes einsetzt, ist nicht nur eine politische und
juridische Stellungnahme, sondern ein Ausdruck einer
warmen Empfindung. Es ist auch richtig, dass die Re-
gierung und das mexikanische Volk so handeln, weil
sie die wachsende Gefahr, die der bewaffnete Angriff
gegen die spanische Republik in sich schliesst, erken-
nen, sowie das allgemeine Interesse an der baldigen
Wiederherstellung einer normalen internationalen
Lage.
Sie können sicher sein, Herr Botschafter, dass Sie
von meiner Seite und vonseiten der spanischen Regie-
rung alles nötige Entgegenkommen zur Erleichterung
Ihres Amtes finden werden wozu noch die aufrichtige
Sympathie, mit der unser Volk stets die eindeutigen
Beweise der Freundschaft und Solidarität Mexikos auf-
genommen hat, beitragen wird.
Ich biete Ihnen, Herr Botschafter, ein herzliches
Willkommen und spreche Ihnen für das Wohlergehen
des Herren Präsidenten der Vereinigten Mexikanischen
Staaten und für den Frieden und das Gedeihen Mexi-
kos meine besten Wünsche aus.
Barcelona, 5 März 1938.
Die Wirtcbaftlage im heutigen Spanien
Die Wirtschafslage in Spanien kann, wenn auch nicht glänzend
so doch jedenfalls gut genannt werden.
Die Zahlen, die das Finanzministerium angibt, bestätigen das.
Die staatlichen Einkünfte weisen in allen ihren Phasen eine monat-
liche Steigerung auf. .
Das in Umlauf befindliche Geld genügt allein schon zur Deckung
der Kriegskosten.
Die Regierung hat sich die Unterstützung der Banken zum Ziel
gesetzt, und in dieser Hinsicht äusserst günstige Resultate erzielt.
Die Banken stehen unter Staatskontrolle, behalten aber gleichseitig
ihre Autonomie bei.
Die Banken im Dienste des Staates werden von jetzt ab die Auf-
gabe übernehmen, die Initiative zur Steigerung der Produktion an-
zuregen.
Die Regierung hat Vorsorge getroffen, um ihre Konten bei der
Bank von Spanien auszubalancieren und auf diese Weise auch das
Gleichgewicht der letzteren herzustellen. Die in Spanien befindlichen
Reserven sind mehr als Garantie für das im Umlauf befindliche
Papiergeld.
Die Bemühungen der Regierung gehen dahin, öffentliche An-
leihen anzuregen, nicht nur von Seiten der Banken, sondern auch
von Seiten der kleinen Sparer.
Die staatliche Kontrolle in der Industrie, sichert die vollkommene
Übersicht über die Produktion, und erleichtert die Verteilung und
die Beschaffung der Rohmaterialien.
Diese Kontrollmassnahmen durch den Staat haben die Inbe-
triebsetzung von stillstehenden Industrien ermöglicht, die—von ihren
Besitzern verlassen—das zur Aufrechterhaltung des Betriebes not-
wendige Kapital entbehrten.
Verschiedene, von Vertretern des Staates und der Produzenten
gebildete Exportzentren sind errichtet worden, die es der Regierung
ermöglichen, ihren Export genau so gut zu kontrollieren, wie das die
ausländische Konkurrenz bei ihrem Export vermag.
Der Staat übt auch über die Minen Kontrolle aus, wobei er jedoch
das ausländische Kapital durchaus respektirt. Als Resultat dieser
Kontrolle haben die spanischen Minen ihre Produktion bedeutend
erhöht. Alle diese Massnahmen haben einen wirtschaftlichen Auf-
schwung des Landes ermöglicht.
Es darf nicht vergessen werden, dass, als die ersten Tage der
Verwirrung, die auf die faschistische Rebellion folgten, vorüber
waren, die Bürger im legalen Spanien wieder begannen, Steuern zu
zahlen wie zu normalen Zeiten. Ausser in ganz seltenen Fällen, hatte
die Regierung es nicht nötig, zu Repressivmassnahmen zu greifen,
um die Steuern von privaten Personen oder kaufmännischen und in-
dustriellen Unternehmen beizutreiben.
Die im Februar 1938 veröffentlichte Statistik der Regierung zeigt,
dass der Steuereingang im Januar 38 den des gleichen Monats im
Jahre 37 um 60 Millionen übertrifft.
Der Ministerpräsident Dr. Negrin, der zugleich Finanz = und
Wirtschaftsminister ist, hat zu wiederholten Malen erklärt, dass das-
leale Spanien über genügend wirtschaftliche Resistenz verfügt, um
den Krieg durchzuhalten, so lange er auch dauern mag._
Das ist wohl ein genügender Beweis dafür, dass die wirtschaft-
liche Lage der spanischen Regierung eine gesunde und solide ist.
Die Regierung dsr Republik Öffnet den inen des Volkes die Pforten der Bildungsstätten
Dieses Dekret findet bezeich-
nenderweise bedingungslose An-
wendung bei den Waisen und
Kindern der Kämpfer des repu-
blikanischen Heeres, den Waisen
der alten antifaschistischen Mili-
zionäre und der vor dem 19 Juli
im Kampfe gegen Reaktion und
Faschismus Gefallenen, ebenso
wie bei den Kriegsinvaliden, die
sich ihr Gebrechen in der Volks-
miliz oder in den Reihen des re-
publikanischen Heeres zugezogen
haben.
Zur Erlangung der Unterstüt-
zungen und Stipendien in den
mittleren und höheren Unter-
richtszentren, in den Normal-
schulen, den Arbeitsschulen und
in den Zentren der künstlerischen
Ausbildung, ist der Beweis bei-
zubringen, dass der Antragsstei-
ler über keinerlei Existenzmittel
verfügt. Gleichzeitig ist die Able-
gung eines Eintrittsexamens in
dem entsprechenden Institut er-
forderlich, das seine Befähigung
für die betreffenden Studien er-
weisen soll.
Zu denjenigen, denen die Mit-
tel zur Fortsetzung des Studiums
fehlen, rechnet man auch die, die
eine bezahlte Arbeit aufgeben
müssen und keine anderen Ein-
nahmequellen besitzen ; ferner
die Kinder aus solchen Familien,
in denen die Eltern oder das Fa-
milienoberhaupt keine anderen
Einnahmen besitzen, als die aus
ihrer Arbeit, wobei diese Einnah-
men 6000 Peseten jährlich nicht
übersteigen dürfen, falls sie bis
zu drei Kindern haben, 8000 —
bei fünf, und 12.000 bei sechs
oder mehr Kindern.
Was die Höhe der Subsidien
betrifft, so sind sie für Lernende
unter 18 Jahren, die über keine
anderen Einkünfte verfügen,
auf 200 Peseten monatlich fest-
gesetzt ; für Studierende über
18 Jahren — auf 300 Peseten und
den vollen Ertrag ihrer Arbeit,
falls sie eine solche des Studiums
wegen aufgeben müssen. Ausser-
dem werden ihnen Diäten in
Höhe von 5 Peseten täglich als
Zuschuss zu den Subsidien Zuge-
billigt, für den Fall, dass sie
ihren bisherigen Aufenthaltsort
verlassen müssen.
Die Stipendiaten erhalten aus-
serdem das Recht auf Befreiung
von. Studiengeldern, freie Lehr-
mittel, Bücher, etc. Bei Beendi-
gung des Studiums erhalten sie
ihren Titel ebenfalls kostenlos.
Die Gewährung von Stipendien
ist einzig und allein vom Fleisse
und von den Leistungen des Stu-
dierenden abhängig. Die Unter-
stützungen hören nur in dem
Fall auf, wenn die materielle
Lage des Lernenden sich ändert.
Diese Bestimmungen erschlies-
sen den bildungshungrigen Mas-
sen Spaniens ungeahnte Mög-
lichkeiten. Mit dem Tage, wo
dieses Dekret erlassen wurde,
beginnt für Spanien eine Periode
unaufhaltsamen kulturellen Auf-
stiegs, was im Verein mit ande-
ren Erlassen des Unterrichtsmi-
nisteriums, die die Gründung von
Arbeitsinstituten und von techni-
schen und Berufsschulen betref-
fen, geeignet ist, Spanien von der
auf ihm lastenden Unkultur —■
dieser traurigen Erbschaft aus
langen Jahrhunderten sozialer
Ungerechtigkeit, und reaktionä-
rer Unterdrückung—, zu be-
freien.
Eines der brennendsten Pro-
bleme Spaniens war von jeher das
Problem der Volksbildung. In
diesem Augenblick, wo der Ex-
Marquis de Lozoya die Schuld
an allem Schweren, das das Va-
terland erduldet, dem «stupiden
Unterfangen der Republik, alle
Spanier lesen zu lehren» zu-
schreibt —• ein Ausspruch, der
einen an die Zeiten Ferdinands
gemahnt—, ist unsere Regierung
um die Wiedergutmachung eines
jahrhundertealten Unrechts be-
müht, indem sie die Pforten der
Bildungsinstitute, der techni-
schen Schulen und Universitäten,
in weitherzigster Weise allen
denjenigen jungen Menschen
öffnet, die sich durch ihre Be-
gabung für wissenschaftliche
Disziplinen auszeichnen.
Von jetzt an ist die Zulassung
zu den Vorlesungen, zur Absol-
vierung eines Studiums, die Mög-
lichkeit, sich intellektueller und
wissenschaftlicher Arbeit z u
widmen, nicht mehr das Privileg
einer Kaste oder Klasse. Jedem,
der die Befähigung dafür auf-
weist, steht diese Möglichkeit
offen, ohne dass ökonomische
Hindernisse seinen Bestrebungen
im Wege stehen.
Es hätte nicht genügt, den
jungen. Studenten die Befreiung
von den Studiengeldern zu si-
chern, da diese Jünger der Wis-
senschaft häufig auf ihren jungen
Schultern einen grossen Teil der
Verantwortung für die materielle
Versorgung der Familie mit zu
tragen haben und in dem Augen-
blick, wo sie sich dem Studium
widmen, gezwungen sind, ihrer
Familie diese wesentliche, häufig
sogar einzige Unterstützung zu
entziehen. War schon die weit-
herzige Anwendung von Schul-
geldbefreiung und die Gewäh-
rung von Stipendien, von den Re-
gierenden der vorausgehenden
zweijährigen Reaktionsperiode,
die in ihren sozialen und politi-
schen Traditionen die Gesinnung
eines Ex-Marquis de Lozoya teil-
ten, fast völlig unterdrückt wor-
den ; war also schon diese gross-
zügige Regelung ein gewaltiger
Schritt vorwärts, so blieb jedoch
die Regierung dabei nicht stehen.
Die Stipendien bildeten nur eine
kleine Beihilfe und die Befreiung
von den Studiengeldern nur eine
Entlastungsmassnahme. Es galt
die materielle Situation des Stu-
dierenden von Grund auf zu re-
geln, ihn und seine Familie vor
jeder Not zu schützen, seinen
Geist und seine Phantasie von
allen materiellen Sorgen freizuh-
alten, so dass er sie voll und ganz
auf das seinen Fähigkeiten ent-
sprechende S t u d ium richten
kann.
Der Geist tiefer sozialer Ge-
rechtigkeit, von dem diese Mass-
nahmen getragen sind, wurde
mitten in Krieg und Revolution
verwirklicht. Die Aufbauarbeit,
welche die Regierung der Repu-
blik leistet und die im stärksten
Kontrast zu dem Werke der Zer-
störung des internationalen Fa-
schismus steht, findet in dem
vom Unterrichtsministerium er-
lassenen Dekret über die Gewäh-
rung von Unterstützungsgeldern
und Stipendien an begabte Stu-
denten einen beredten Ausdruck.
Der Faschismus bedroht die Welt
New-York, 22-2.—Mr. Harold Ickes, Minister des Innern in cien
Vereinigten Staaten, richtete heute an die Hörer englischer Zunge
die erste Ansprache aus einer Serie, benannt aAmerika spricht», die
einen heftigen Angriff auf den Faschismus darteilt, den er als die
grösste Gefahr für die heutige Welt ansieht.
«Das totalitäre Prinzip—sagte er—komme es von rechts oder von
links—ist dem Geiste, der die Demokratieen englischer Zunge be-
seelt, fremd.
Obleich Mr. Ickes sich sehr hütete zu sagen, dass er nicht den
Standpunkt der Regierung oder des Präsidenten Roosevelt teile,
haben die Ereignisse der letzten Tage seiner Rede eine fast sensa-
tionelle Bedeutung verliehen.
«In keinem Lande kann die Demokratie neben dem Faschismus
bestehen»—fügte er hinzu.
Wir in Amerika sind uns völlig darüber im Klaren, dass die in-
neren Angriffe und die Überfälle von aussen die demokratischen Na-
tionen zu grösster Wachsamkeit verpflichten ; sie dürfen nicht die
Augen vor der Tatsache verschliessen, dass die Institutionen, die
mit so grosser Mühe und unter so gewaltigen Opfern geschaffen
wurden, nicht ohne eine energische und tatkräftige Verteidigung
aufrecht zu erhalten sind.
Wir müssen unsere Wachsamkeit von Tag zu Tag steigern, be-
sonders gegen den hinterlistigen" Faschismus.
Wie wir zu unserer Bestürzung feststellen müssen, erliegen die
demokratischen Nationen der vergiftenden Bezauberung durch den
Faschismus.
Der Faschismus ist eine rückschrittliche Bewegung. Menschliche
Wesen werden unter seinem Einfluss zu politischen und wirtschaft-
lichen Marionetten. Der Faschismus entfesselt gegen unschuldige
Völker alle Greuel des modernen barbarischen Krieges.
Angesicht« der Phalanx der faschistischen Staaten, müssen Ame-
rika und alle demokratischen Nationen zeigen, dass die demokrati-
sche Regierungsform nicht nur die grössten politischen Freiheiten
und die grössten ökonomischen Sicherheiten gewährleisten kann,
sondern auch gewährleisten wird.
Unter allen Nationen der Welt bekennt sich eine überwiegende
Mahrheit zu den Grundsätzen der Demokratie.»
«News Chronicle», 23-2-1938.)
Faschistischer Terror in Andalusien
die einzigen Morde. Täglich wer-
den neue verübt. Die Mütter her-
anwachsender Töchter leben in
ständiger Todesangst, da es zur
Genüge bekannt ist, welches
Ausmass die Bestialitäten der
Faschisten annehmen. Der Hass
in den andalusischen Ortschaften
gegen diejenigen, die sie als ihre
Feinde betrachten, ist unbe-
schreiblich.
Viele Jünglinge von 17-18 Jah-
ren sind in die Berge geflüchtet,
um nicht an die Front zu müs-
sen, und ziehen es vor, auf stän-
diger Flucht vor der Guardia Ci-
vil zu leben, die sie mit erbitter-
tem Hass verfolgt, als in den
Ottschaften zu bleiben, wo sie
zum Militärdienst gezwungen
oder nach furchtbaren Erniedri-
gungen und Martern ermordet
werden.
Gibraltar. — Nachrichten, die
aus der faschistischen Zone hier
eintreffen, melden, dass in den
nahliegenden andalusischen Ort-
schaften schrankenloser Terror
herrscht. Die Faschisten fahren
fort zu morden, indem sie ihre
Opfer, ehe sie sie vernichten,
entsetzlichen Qualen aussetzen.
Kürzlich wurden in einer nah
bei Gibraltar gelegenen Ortschaft
etliche junge Mädchen, verhaftet,
die verdächtig waren, Beziehun-
gen zu einigen in die englische
Zone geflohenen antifaschisti-
schen Elementen zu unterhalten.
Lediglich auf Grund dieses Ver-
dachtes wurden sie, nachdem
ihnen die Haare abrasiert wur-
den, in einem Lastwagen durch
die Strassen geführt und darauf
erschossen. Aber das sind nicht
DER NACHDRUCK DER
ARTIKEL AUS DIESEM BU-
LLETIN IST ERWÜNSCHT
-ocr page 3-
Spanischer Informationsdienst
7 März 1938
Seite 3
FRANCO, DER ANTISEMIT
Spaniens Intellektuelle sind bereit, dem
Rnfe der Regierung Folge zn leisten
Der Rassenmischer beugt sich vor dem
Vorkämpf er für ein reinrassiges Europa
Wir haben die ermahnenden
und vertrauensvollen Worte ge.-
hört, die der Präsident des Mi-
nisterrates, im Namen der legiti-
men Regierung, die unser Land
in so würdiger Weise vertritt, an
das spanische Volk gerichtet hat.
Zutiefst durchdrungen von seinen
Worten, die so klar, so tapfer,
so spanisch sind, ohne Beschöni-
gungen und Verschleierungen
— und die, wie er mit voller
Berechtigung gesagt hat, s o
sein können, weil die
Regierenden Spaniens heute von
dem unerschütterlichen Ver-
trauen des spanischen Volkes
getragen sind— , wollen wir,
Männer der Wissenschaft,
Schriftsteller und Künstler, hiei
vor aller Welt feierlich der Re-
gierung der spanischen Republik
unsere vollste Zustimmung und
unsere Bereitschaft aussprechen,
bis zum Endsieg an der Vertei-
digung der Unabhängigkeit und
Freiheit Spaniens mitzuarbeiten.
Wir wenden uns an die Intel-
lektuellen des vom Faschismus
geknechteten Spanien, damit sie,
ihrer Pflicht bewusst und das von
der Geschichte unserem Volke
bestimmte Geschick erkennend,
auch ihrerseits an dem Sieg der
Republik mitarbeiten, der für
unser Land Befreiung und Er-
neuerung bedeutet.
Wir wenden uns zugleich an
die Intellektuellen aller Länder,
damit sie sich mit all ihren Kräf-
ten für das spanische Volk ein-
setzen, das nicht nur sich selbst
verteidigt, sondern die Freiheit
und Kultur der ganzen Welt.
Der Krieg hat uns hart ge-
macht und hat unser patrioti-
sches Gefühl noch mehr erstar-
ken lassen. Heute mehr denn je
fühlen wir uns als ein Teil un-
seres Volkes. Und wir wissen,
dass es kein Opfer gibt, das das
spanische Volk in seinem uner-
schütterlichen Entschluss, den
Krieg zu gewinnen, indem es
dem glorreichen Volksheer als
Base, Stütze und Hilfe dient,
wankend machen könnte.
In den Schulen, in den Labo-
ratorien, in den Studios oder wo
man uns auch hinstellen mag,
werden wir uns von heute ab mit
noch grösserem Eifer der Arbeit
widmen, in dem sicheren Bewust-
sein, dass auch die übrigen Ar-
beiter in Fabriken und Werkstät-
ten das gleiche tun werden. Un-
ser Volk kann auf den Ruf, den
die legitime Regierung soeben
durch den Mund ihres Präsiden-
ten an unser Volk gerichtet hat,
nicht anders antworten. Wir sind
bereit diesem Ruf mit grösster
Energie Folge zu leisten ! Einen
wir uns alle, um Spanien zu ret-
ten, das verraten und überfallen,
aber unerschütterlich und seines
Sieges gewiss ist!
Rafael A Iberti Schriftsteller ;
Julio Alvarez del Vayo, Schrift-
steller ; Jacinto Benavente,
Schriftsteller; José Bergantín,
Schriftsteller; Ignacio Bolívar,
Naturforscher ; Louis Calandra,
Mediziner ; Antonio Machado,
Schriftsteller; Juan Ramón Ji-
ménez,
Schriftsteller ; Odön de
Buen,
Naturwissenschaftler;
Bartolomé Pérez Casas, Medizi-
ner ; Felipe Sánchez Roman, Ju-
riskonsul ; Pío del Río Ortega,
Histologe, etc.. es folgen mehre-
re hundert Unterschriften.
Als ob in dem Spanien, das dem absurdesten
Exotismus ausgeliefert ist, nicht schon genug Pa-
radoxa und Widersinnigkeiten beständen, machen
es sich die Verräter unseres Landes neuerdings
zur Aufgabe, unseren gequälten Brüdern in der
von ihnen besetzten Zone die Wohltaten, jener
neuen Aera zu vermitteln, deren Zivilisation ban-
krott ist und die sich mangels eines inneren
Gehaltes in wilden Hassausbrüchen und grausa-
mer Verfolgung Luft macht.
Franco, der durch die niederdrückende Last des
Verrates auf seinen Schultern klein, ganz klein
geworden ist, geht in seinem Servilismus seinen
Drahtziehern gegenüber so weit, Julius Streicher,
dem Herausgeber des antisemitischen Blattes
«Der Stürmer» zum neuen Jahr eine Photogra-
phie mit eigenhändiger Unterschrift und der fol-
genden Widmung in deutscher Sprache zu sen-
den : «Dem grossen Paladin eines neuen reinras-
sigen Europa, in Bewunderung und Zuneigung.—
Franco.»
Von Mussolini übernimmt er das dünkelhafte
Gehabe und von Hitler die Hasspsychose. Wer
aber hat diesem unnatürlichen Sohn Spaniens die
Feder geführt, um in deutschen Sprache, die er
■nicht kennt, den Adel einer Rasse zu schänden,
die die halbe Welt umfasst?
Franco vergisst, ohne Zweifel, dass Spanien von
Ariern und Sarazenen überfallen ist, und dass,
wenn Deutschland seine Rasse zu reinigen beab-
sichtigt, er nichts anderes ist, als ein Rassenmi-
scher, der sich vor demjenigen beugt, der ihn un-
weigerlich demütigen und verachten muss.
Um die Errettung der Welt
gegen der Krieg
"Schreien" ist Pflicht
von Francois Mauria c, von der Französischen Akademie
sen, werden in dieser Welt nie
wieder spielen.
* * *
Aber gerade darum, weil alle
Rassen, alle Klassen, alle Lebens-
alter von derselben Gefahr be-
droht sind, ist dieses allgemeine
Schweigen so erschreckend, diese
stillschweigende Ergebenheit von
Millionen von Schafen und Läm-
mern in das Schicksal, das ihnen
von den Wölfen, die ihnen als
Hüter dienen, bereitet wird.
Wozu schreien ? — höre ich
fragen. Alle Geschichtsforscher
sind sich darüber einig, dass der
Terror des Jahres 1793 niemals
so blutig gewesen wäre, wenn
man das Wehklagen der Opfer
vernommen hätte. Ihre eigene
Resignation war es, die jene Hin-
richtungen zu einem normalen,
gewohnten Vorgang stempelten.
Wenn mehr von den Verurteilten
ein solches Geheul vollführt hät-
ten, wie die Mme. Dubarry, ohne
sich wie diese soweit zu erniedri-
gen, den Henker um Gnade anzu-
betteln, wenn viele an die Men-
ge apelliert und ihre Unschuld
beteuert hätten ■— die Metzelei
wäre weniger leicht gewesen und
das Volk hätte nicht so viele Mo-
nate gewartet, um seinen Ab-
scheu zum Ausdruck zu bringen
und «Genug!» zu schreien.
Das Traurigste ist, dass sich
dieser Resignation den Metze-
leien gegenüber und der Gleich-
gültigkeit des Volkes ein Ele-
ment der Mitschuld beimischt.
Sie rufen, wie die Ereignisse der
letzten Monate beweisen, bei
manchen Franzosen nicht mehr
das gleiche Entsetzen hervor wie
früher.
Jedenfalls ist die «Cagoule»
nichts anderes als ein extremer,
aber glücklicherweise beschränk-
ter Ausdruck für diesen Geistes-
zustand... Aber ohne, dass es zu
Attentaten kommen muss, wird
so mancher anständige Mensch
davon angesteckt und gerät in
einen Zustand der Verwirrung.
Es gibt viele Anzeichen dafür
und die geringfügigsten sind
häufig die bedeutsamsten. Ich
war, zum Beispiel, diesen Herbst
frappiert, auf den Seiten einer
biederen Familienzeitschrift,
einer wahrhaften Spiesserzeit-
scihrift, den infamen
Satz zu lesen: «Ich b i n
überzeugt, dass die steigende
Entwertung der zivilisierten Na-
tionen von dem lächerlichen Re-
spekt vor dem Leben herrührt».
Ein tötlicher Satz : was aus die-
sem Samen keimt, haben wir in
der traurigen «Cagoulard» — Af-
faire gesehen, in die neben echten
Verbrechern auch einige anstän-
dige Menschen verwickelt waren,
die nicht zu Verbrechern geboren
sind. Es ist ein Satz, der nicht
unserem Boden entstammt. Eine
verlogene Phrase vor allem!
Wir glauben, dass die Achtung
vor dem Leben das Merkmal
wahren Heldentums ist. Das
Wort Christi : «Es ist keine
grössere Liebe, als die ihr Leben
hingibt» (hingibt, um das Leben
anderer zu retten), dieses Wort
ist es, das Helden nach unserem
Sinne schafft, und macht, dass
an dem Tage, wo wir überfallen
werden, unser ganzes Volk sich
wie ein Mann erhebt.
Aber weil wir dieses Volk sind,
dürfen wir die Anschläge auf das
Leben nicht stillschweigend dul-
den. Wir dürfen zu den ermor-
deten Kindern nicht schweigen.
Es darf nicht sein, dass die,
welche das Blut Abels vergies-
sen,'. uns für gleichgültig, ein-
geschüchtert oder gar für mit-
schuldig halten. Denn wenn sie
auch unfähig sind, auf Ver-
nunftgründe zu reagieren, so
wissen sie doch, dass im Fall
eines Konfliktes diese Gründe
sich mit verhängnisvoller Gewalt
gegen die kehren werden, die sie
misjssachtet haben. Deutschland
hat es 1914 am eigenen Leibe
gespürt; und wir glauben
nicht, dass ihre Führer an
schlechtem Gedächtnis leiden.
Es ist also nötig, dass unsere
Empörung sich ohne jede Scheu
äussert. Die Initiative, welche die
französiche Regierung zur Ver-
teidigung offener Städte ergrif-
fen hat, muss nicht nur durch die
Presse aller Richtungen unter-
stützt und ermutigt werden, son-
dern auch durch den Mann der
Strasse. Es ist Zeit, dass die
französische Nation sich dessen
bewusst wird, was sie den Augen
der Welt darbietet : einen Herois-
mus, der auf der Achtung vor der
menschlichen Persönlichkeit ba-
siert. Je höher diese Flamme
steigt, um so eher werden die
brüllenden Bestien zum Schwei-
gen gebracht.
Nicht, dass dies allein schon
genügen könnte, ohne die Macht
der Waffen Aber stützen wir uns
nicht nur auf die materielle
Kraft. Unsere Gegner schöpfen
ihre Macht vielleicht nicht so
sehr aus ihren Kanonen und
Unter der Monarchie sagte
man, das Schweigen der Völker
sei die Weisheit der Könige.
Aber nicht die Weisheit der Dik-
tatoren, denn diese zwingen ihre
Völker zum Schweigen und sind
stolz, wenn sie das Gleiche beim
Ausland erreichen. Sie sehen im
Schweigen ein Zeichen von
Furcht, von Feigheit. Sie schöp-
fen aus ihm eine Aufmunterung
zur Verdoppelung ihrer Kühn-
heit.
Die Öffentlichkeit ist nicht zu
der gleichen Zurückhaltung ver-
pflichtet, wie die Diplomatie. Sie
hat genug Möglichkeiten, ihren
Schmerz, ihre Empörung zum
Ausdruck zu bringen. Ich bin be-
drückt durch die Apathie unserer
Öffentlichkeit, durch ihre Gleich-
gültigkeit gegenüber den schänd-
liehen Angriffen auf das
Schwächste, das Schutzloseste,
das es in der menschlichen Ge-
meinschaft gibt : auf Frauen und
Kinder.
Im Kino lassen die grausigsten
Aktualitäten die schlummernde
Menge kalt. Auf der Leinwand
erhebt sich eine Chinesin, eine
Katalanin aus den Trümmern
und scheint die 'rauchenden und
schweigenden Europäer mit vor-
wurfsvollen und schmerzlichen
Blicken zu betrachten.
Und doch weiss ein jeder, dass
dieser Schrecken auch vor unse-
ren Türen lauert. Die jungen
Menschen machen keine Pläne
mehr ; sie sehen keine Zukunft
mehr vor sich. Sie betrachten sich
als einen Teil der ungeheuren
Rüstung, an die alle Nationen
Europas in fieberhafter Hast die
letzte Hand anlegen. Sie sind
sich bewusst, ein Teil davon zu
sein, Schütze und Ziel zugleich,
und wissen, dass man sie nicht
vor dem letzten Augenblick brau-
chen wird. Und inzwischen
schweigen sie und geben im Vor-
aus ihre Einwilligung. Das liegt
in der Natur der Sache : alle Ge-
nerationen ,die dem Untergang
geweiht waren, wussten das und
haben geschwiegen. Aber wir,
ihre Väter, ihre Freunde?
Unser Los wäre, zweifellos,
kein anderes als das ihre. Paul
Valerie versicherte mich, dass
man in diesen schönen Tagen,
die uns vielleicht erwarten, an
der Maginotlinie sicherer sein
werde, als in der Rue de Ville-
just. Vorigen Sonntag haben die
Flieger in Barcelona das bestä-
tigt ; fünfundachzig Kinder,
mitten aus ihren Spielen geris-
auf die Tschechoslowakei, Polen
und Oesterreich zu legen... Eben-
so täuscht uns Italien über seine
wirklichen Absichten, wenn es
theatralisch von der Moskauer
Gefahr spricht. Ich fand gestern
ein seltsames Zitat wieder, das
vor vier Jahren im «Popólo d'Ita-
lia» am Tage nach der Unter-
zeichnung des Vertrages zwi-
schen den Sowjets und Italien
(2. September 1933) erschienen
ist. Das offiziöse Organ Musso-
linis feierte damals die russische
Revolution : «Die beiden grossen
Revolutionen, die fascistische
und bolschewistische, begegnen
sich, unterstützen sich mit dem
Ziel, sich gegenseitig zu verste-
hen, zusammenzuarbeiten und die
anderen zu ermahnen. Die beiden
Regierungssysteme, die Erneue-
rer sind und zwischen Vergan-
genheit und Zukunft stehen,
werden wahrscheinlich die neuen
Ziele der Menschheit erfüllen!»
Kann man ehrlich sein, wenn
man, nachdem man solche Dinge
geschrieben hat, sich jetzt in ei-
nen mystischen Kreuzzug gegen
den Kommunismus wirft? Nein,
wenn man brüsk den Ton ge-
wechselt hat, so deshalb, weil
plötzlich im Hirn des grossen
Römers, der der Duce ist, Er-
oberungs- und Ruhmesphantasien
aufgetaucht sind. Er träumt von
Korsika, Syrien, Tunis, Algier,
Aegypten, Afrika.»
Henri de Kerillis in «L'Epoque».
«Ich glaube, dass Charles
Maurras und ich die einzigen in
der französischen Presse gewesen
sind, die auf das deutsche Manö-
ver hingewiesen haben, als Hit-
ler 1936 in Nürnberg den Ge-
danken des. Kreuzzuges gegen die
Demokratien lancierte und als er
dann aus diesem Kreuzzug gegen
die Demokratien einen Krieg ge-
gen den Kommunismus im Zei-
chen einer heiigen Allianz
Deutschland-Italien machte. Die
Ereignisse in Asien müssen, so
glaube ich, jedem die Illusionen
rauben. Japan führt keinen Krieg
gegen den Kommunismus. Wenn
es Chinesen hinmetzelt, so führt
es in Wirklichkeit damit Krieg
gegen die Weissen. Es bekriegt
Europa. Der ideologische Vor-
wand des Antikommunismus ver-
birgt den imperialistischen Be-
weggrund eines beutelüsternen
Volkes, das Russland in die Step-
pen Nordsibiriens zurücktreiben
und England und Frankreich aus
Südasien hinauswerfen will, um
allein den gewaltigen gelben Kon-
tinent zu beherrschen. In der glei-
chen Wejse verbirgt Deutschland
seine geheimen Absichten. Es tut
so, als wolle es den Kommunis-
mus zerstören, den es bei sich
besiegt hat, und der es in keiner
Weise bedroht, während es nur
daran denkt, seine Eisenhand
Luftschiffen, als aus einem stu-
ren Idealismus. Lasst uns unser
Ideal nicht verraten. Diese Treue
zum Geist — dem «Geist, des
Teil wir sind»—, wird uns letz-
ten Endes, und — so Gott will,
ohne Krieg — den einzigen er-
strebenswerten Sieg bringen :
einen Sieg des Friedens in einem
versöhnten Europa.
Die Reproduktion
sämtlicher Artikel
dieses Blattes ist
gestattet
-ocr page 4-
Seite 4
Spanischer Informationsdienst
7 März 1938
"Menschenzüchterei" im Dienste
des "totalen Krieges"
sen, ihren neue Kräfte einflössen
und sie befeuern»... (wenn —
fügen wir hinzu — diese «Hel-
den» wie das häufig der Fall ist,
nicht der Ansicht sind, dass die
Beziehung zu Frauen verweich-
licht und dass «der wahre Kämp-
fer» deshalb auf andere Weise
Befriedigung suchen muss).
Die terroristische Praxis der
Faschisten auf diesen Gebieten
nimmt ganz unwahrscheinliche
Formen an. Die heutigen Gebie-
t e r Deutschlands zerstören,
während sie in grossen Tönen die
«Heiligkeit der Ehe» proklamie-
ren, langjährige gemischte Ehen
durch erzwungene Scheidung,
nehmen den «rassisch unzuver-
lässigen» Eltern gewaltsam die
Kinder weg und verüben Schwei-
nereien, von denen zu sprechen
sogar schwer fällt. Nicht genug
damit, dass sich auf die «Verrä-
ter und Verräterinnen an der
Rasse» das ganze widerliche Spü-
licht der faschistischen Literatur
ergiesst, die «Hüter der Rassen-
reinheit, vollführen eine wilde
Hetze gegen ihre Opfer, zwingen
sie nackt, mit schändlichen Pla-
katen, auf die Strasse zu gehen,
treiben sie zum Wahnsinn,
schlagen sie halbtot. Und die fa-
schistische Regierung gewährlei-
stet nicht nur all diesen Verbre-
chen und Verhöhnungen, sie ver-
mehrt sie noch um ein neues un-
geheuerliches Verbrechen — die
Massenanwendung der Sterlili-
sierung als Terrormittel gegen
Andersdenkende und als Mittel
der physischen Vernichtung der
unterdrückten Nationalitäten und
der deutschen Werk tätigen.
Hans Dietrich, faschistischer
Reichstagsabgeordneter, fordert
die Sterilisierung aller hartnäcki-
gen Antifaschisten : «Sie brau-
chen nicht zu sterben, aber auss-
terben müssen sie»—, das ist
seine Formel. Eine Reihe faschi-
sticher «Eugenetiker» fordert die
Massensterilisierung aller Re-
präsentanten «niederer Rassen»
und «Mischlinge» und eine fa-
schistische Zeitung versteigt sich
sogar zu der Forderung, alle ari-
schen Mädchen, denen asserehe-
licher Verkehr mit Juden nach-
gewiesen, wird, zu sterilisieren.
Gleichzeitig mit dieser fanati-
schen Campagne gegen die Men-
schen «niederer Rasse», gegen
«Rassenschänder» und «Minder-
wertige», wird im Lande der
triumphierenden blonden Bestie
eine wahrhaft sinnverwirrende
Propaganda zu gunsten der Fort-
pflanzung der «Rassenreinen»
und «Vollwertigen» getrieben.
Eine umfangreiche Literatur
über das «Ariertum» und die
«Rassenauswahl» ist entstanden,
die Zeitungen sind voll von In-
seraten, in denen «Mädchen von
rein arischem Blut» gesucht wer-
den» — die Rassenpsychose hat
sich des deutschen Bürgers be-
mächtigt. Und in dieser vergifte-
ten Atmosphäre sind Projekte
der «Menschenzüchterei» ent-
standen, die sogar einen an die
faschistischen Orgien des entfes-
selten Terrors gewöhnten Men-
schen verblüffen müssen.
Der junge Veterinär und
Reichswirtschaftsminister Walter
Darre, trat mit dem Plan an die
Öffentlichkeit, eine reinrassige
Menschheit auf rein zootechni-
schen Grundlagen zu züchten.
Zur Organisierung dieses Planes
schlägt Darre vor, die besten
«Produzenten» und «Produzentin-
nen» auszuwählen, im ganzen
Lande spezielle Zuchtstätten,
HEGEHÖFE genannt, zu eröff-
nen, an deren Spitze sogenannte
ZUCHTWARTE stehen, denen
das Recht uneingeschränkter
Kontrolle über das Familienle-
ben des deutschen Bürgers zu-
steht. Und ein so hirnverbranntes
Projekt wird in der deutschen
Presse ernsthaft diskutiert, von
führenden Persönlichkeiten der
Hitlerpartei beifällig aufgenom-
men und von den «gelehrten»
Schuhputzern des Faschismus
begrüsst.
Der «Weltanschauungsgene-
ral» der Nazi-Partei, Alfred Ro-
senberg, tritt für die Zweckmäs*
sigkeit der Polygamie ein, und
behauptet, dass der Kampf des
Christentums gegen die Polyga-
mie einen unmittelbaren Still-
stand in der politischen und
kriegerischen Entwicklung der
germanischen Rasse zur Folge
hatte. Darre, der Protagonist
einer völkischen Menschheit,
empfiehlt bei der Verteidigung
seiner «fruchtbaren» Idee ausser-
dem Harems und Beischläferin-
nen einzuführen. Bezeichnend,
dass es in faschistischen Kreisen
sogar Frauen gibt, die für solche
Vorschläge stimmen, die charak-
teristisch sind für die «Moral»
der faschistischen «Herrenras-
se» , die sich nicht mit
der wirtschaftlichen und po-
litischen Versklavung der werk-
tätigen deutschen Frau begnügt,
sondern sie noch dazu in seine
Sklavin und Beischläferin ver-
wandeln möchte.
Dieser Geist, «der Herren
eigner Geist», um mit Goethe zu
sprechen, geht in seiner gren-
zenlosen Schamlosigkeit so weit,
die Vergewaltigung politisch zu
rechtfertigen. A. Rose nberg
fordert die Bestrafung (und das
auf Grund des Strafrechtes von...
1532) der Vergewaltigung nur in
dem Fall, wo es sich um einen
«Rassenfremden» handelt. Wenn
aber der Vergewaltigungsakt
durch einen Mann der «Oberras-
se» verübt wird, so ist das schon
keine Vergewaltigung mehr, son-
dern die «rechtmässige» Hand-
lung eines «energischen Man-
nes», oder wie Darre sich aus-
drückt, ein Akt der «Unkeusch-
heit», der seinen möglichen
Folgen nach sogar «rassisch-
zweckmässig» sein kann. Ein
anderer Pg., Rudolph Horsleben,
ist Anhänger des «jus primae
noctis» und hat eine besonders
Theorie des Dauereinflusses des
ersten Mannes auf die folgenden
Geburten aufgestellt (Fernzeu-
gung)... In Deutschland existie-
ren bereits seit mehreren Jahren
besondere weibliche Konzentra-
tionslager, die der Gewalt der
«energischen Männer» ausgelie-
fert sind. Der faschistische «Pro-
fessor» Tomalla aus dem Gesund-
heitsministerium, rät zur breite-
sten Anwendung von Massenar-
beitslagern für beide Geschlech-
ter gemeinsam als Mittel zur
Hebung der Geburtenziffer. Sol-
che gemischte Arbeitslager sind
bereits eingeführt und geben,
wenn man dem Zeugnis der Pres-
se Glauben schenken kann, «gute
Resultate».
Das sind die «Gipfel» der Ge-
schlechtsmoral der faschistischen
«Herrenrasse» das sind die
«neuen Wege» der faschistischen
«Menschenzüchterei», die beru-
fen ist, eine Massenproduktion
der zukünftigen Soldaten des
«totalen Krieges» zu organisie-
ren.
I. SILBERFARB
Der alte Soldat des kaiserli-
chen Deutschland, Generalfeld-
marschall von Ludendorff,
spricht in seinem Aufsehen erre-
genden Buch «Der totale Krieg»
von der Notwendigkeit, die Frau
zu veranlassen, ihre Mutter-
pflichten als heiligen Dienst am
Volkstum zu betrachen. Nur auf
diese Weise —■ versichert er—,
kann der ungeheuren Gefahr des
Geburtenrückgangs, der sich im
Heer immer mehr fühlbar macht,
gesteuert and eine gesunde und
fruchtbare Generation erzeugt
werden, die dem Heer viele kräf-
tige Soldaten liefert, die fähig
sind, den «totalen Krieg» zu
führen. Die mit Hilfe des Mo-
nopolkapitals an die Macht ge-
langten Nationalsozialisten wa-
ren berufen, diese Forderungen
des deutschen Imperialismus zu
vollstrecken und bereits bei der
Aufstellung des faschistischen
Parteiprogramms verkündete sein
Autor und Kommentator Gott-
fried Feder, das Weib müsse
«Dienerin der Nation sein und
ihr Soldaten gebären».
Bei der Aufrollung dieses Pro-
blems ist es den deutschen Fa-
schisten keineswegs darum zu
tun, das Recht auf Mutterschaft
sicherzustellen, es handelt sich
vielmehr um eine planmässige
Organisierung der Massenpro-
duktion künftiger Soldaten, ein
Teil des allgemeinen Planes zur
Vorbereitung einer neuen Welt-
schlächterei. «Auf den Trüm-
mern der Welt .— schreibt der
faschistische Professor Frust
Bergman in seinem Buche : «Der
Geist der Erkenntnis und das
Recht auf Mutterschaft»—, wird
diejenige Rasse, die sich als die
stärkste erweist, ihre Siegesfahne
hissen und die ganze Kulturwelt
in Rauch und Asche verwandeln.
«Und deshalb — schlussfolgert
er ■— sei es Zeit, von der tradi-
tionellen Idee der elementaren
Geburten Abschied zu nehmen
und zu einer organisierten Men-
scheit überzugehen. Wissen-
schaft, Gesetzgebung und alle
möglichen praktischen Massnah-
men des dritten Reiches, alles
müsse vereint auf das eine Ziel
gerichtet sein.
Die Frau muss vor allem und
ausschliesslich Gebärmaschine
sein. Grosse und kleine faschi-
stische «Führer» und «Führer-
chen» werden nicht müde das zu
versichern. Der Kampf um die
Gleichberechtigung der Frau —
sagt Hitler — ist eine Erfindung
des «jüdischen Intellektes». Die
deutsche Frau braucht sie nicht.
Sie begnügt sich mit ihrer «klei-
nen Welt». Diese Welt, die der
Frau so grosszügig zugewiesen
wird, ist wirklich sehr klein;
wenn sie früher von den Vertre-
tern des deutschen Obskurantis-
mus durch die traditionellen vier
K gekennzeichnet wurde, so ist
jetzt, wo man es vorzieht, an-
gesichts der Verarmung des Vol-
kes durch die faschistische Wirt-
schaft von KÜCHE und KLEI-
DERN nicht zu sprechen, wo
sogar die KIRCHE sich häufig
weigert die unmenschliche Dik-
tatur der braunen Banditen zu
rechtfertigen, das ganze Schwer-
gewicht der Hitlerschen «Frauen-
politik» auf das eine gerichtet :
die KINDER. Das Programm
der n a t i o n a ^sozialistischen
Frauenbewegung — sagt der
«Führer» — besteht nur aus
einem Punkt. Dieser Punkt ist—
das Kind... Und die Leiter der
faschistischen Frauenorganisatio-
nen werden nicht müde zu wie-
derholen : wenn es die Bestim
mung des Mannes ist, «für das
Vaterland zu sterben», so ist es
die der Frau, «sich der Produk-
tion von Soldaten für dieses Va-
terland zu widmen».
Um das ganze Leben der Frau
auf die Funktionen der Vermeh-
rung zu beschränken, ist es vor
allem notwendig, alles das zu ver-
nichten, was die Frau selbstän-
dig macht, alles, was ihrer Ent-
sklavung dient. Hieraus resul-
tiert der Feldzug gegen die Frau-
enarbeit, gegen Frauenbildung,
gegen die Teilnahme der Frau
am politischen Leben. Das
«Deutsche medizinische Wochen-
blatt» schreit, die grösste biolo-
gische Gefahr für das deutsche
Volk sei... der Bildungswahn-
sinn, auf den der Geburtenrück-
gang hauptsächlich zurückzufüh-
ren sei und die eugenetischen
Finsterlinge der Universitäten
verkünden ex cathedra, dass die
Selbstständigkeit der Frau einen
«rassenschädlichen», «antiselek-
tionalen» Faktor darstellt.
1933 führte der faschistische
Staat sogenannte Ehedarlehens-
kassen ein, indem er verlangte,
dass die Neuvermählte ihre be-
zahlte Arbeit aufgebe (hier wollte
man zwei Fliegen mit einem
Schlag treffen!). Eine solche
«Stimulierung» der Eheschlies-
sungen hatte anfangs einen ge-
wissen Erfolg : 1933-34 stieg die
Zahl der Eheschliessungen in
Deutschland und die faschisti-
schen Politiker sahen hoffnungs-
voll in die Zukunft. Aber schon
der Herbst 1935 brachte ihnen
eine Enttäuschung : angesichts
der allgemeinen Teuerung und
der Verschlechterung der Le-
benshaltung, hörten die unbedeu-
tenden Zuschüsse auf, die Jugend
zu reizen und wieder begann die
Zahl der Eheschliessungen zu
sinken und zwar in steigender
Progression. Im ersten Halbjahr
1935 fiel die Zahl der Eheschlies-
sungen im Vergleich zum Vor-
jahr um 5,2 %, in den folgenden
drei Monaten um 16,4 % u. s. w.
Die Anstrengungen der «Men-
schenzüchter» , den Rassenzu-
wachs zu steigern, misslang.
Da beschloss der faschistische
vStaat zu billigeren Druckmitteln
zu greifen : zu Polizeiterror und
dogmatischer Propaganda. An-
statt der Zuschüsse begann man
den Neuvermählten «geistige
Werte» zu geben, wie z. B. das
Buch «Mein Kampf» oder ein Jah-
resabonnement auf den «Völki-
schen Beobachter». Ferner wur-
de die Organisation der soge-
nannten «Mutter und Kind-Hil-
fe» ins Leben gerufen, welche
sich in öffentlichen Schaustellun-
gen der besten Exemplare der
Kinderzucht, in feierlicher Eröff-
nung der Denkmäler «Mutter
und Kind», in der Einführung
eines besonderen «Muttertages»,
eines Feiertages der Familie und
der Geburt und ähnlichen psy-
chologischen Effekten äusserte.
Einige faschistische Stadtver-
waltungen verabfolgten den kin-
derreichen und vorbildlichen
Müttern so «reichliche» Prämien
wie monatliche Freikarten für
Theater und Kino und in Berlin
ist man sogar auf den Trick ver-
fallen, ein besonderes Institut der
städtischen Patenkinder zu er-
richten.
Was die erfinderischen Kriegs-
faschistischen Menschenzüchter
auch ausdachten, es kam bei
alledem doch nichts heraus. So-
gar der «Völkische Beobachter»
muss zugeben, dass die infolge
der Ankurbelungsmittel aufstei-
gende Geburtenkurve vom Jahre
1935 an wieder steil zu fallen be-
ginnt. Inzwischen steigt die
Sterblichkeitsziffer unter dem fa-
schistischen Regime ununterbro-
chen und die faschistischen offi-
ziösen Blätter jammern laut dar-
über, dass «die Armut an Kin-
dern zur nationalen Gefahr ge-
worden ist» und die Zeitschrift
«Nationalsozialistische Frauen-
warte» äussert sogar die Befürch-
tung, dass Deutschland am Ende
dieses Jahrhunderts nicht mehr
als 40 Millionen Einwohner ha-
ben werde und zieht den Schluss :
«Wir sind nicht mehr ein Volk
ohne Raum, bald werden wir ein
Raum ohne Volk sein».
Der Grund des Geburtenrück-
gangs und der steigenden Sterb-
lichkeitsziffer im faschistischen
Deutschland ist allen klar. Es
genügt die Feststellung, dass so-
gar nach den offiziellen Daten
des Reichsstatistischen Büros der
Arbeitstag wächst, während der
Lohn der Arbeiter und Angestell-
ten unaufhaltsam fällt und die
Kosten der Lebenshaltung stei-
gen. Es genügt daran zu erin-
nern, dass sogar Goering seiner-
zeit zugeben musste, dass in
Deutschland mehr als 13 Millio-
nen ein Hunger = und Bettler-
dasein führen, während Hitler
vor aller Öffentlichkeit auf dem
faschistischen Parteitag erklär-
te, dass von einer Erhöhung der
Löhne keine Rede sein könnte.
Die Politik des organisierten
Hungers, die Hitlers Regierung
verfolgt, hat die schwierige wirt-
schaftliche Lage des Volkes noch
verschlimmert und hierin liegt
natürlich der Hauptgrund des
Geburtenrückganges und der zu-
nehmenden Sterblichkeit.. Aber
die faschistischen Führer wollen
und können das natürlich nicht
zugeben. Der «Völkische Beo-
bachter», bemüht das «Rätsel
der Geburtenziffern» zu lösen,
stellt die Dinge vollends auf den
Kopf, indem er behauptet, am
Geburtenrückgang trügen «Li-
beralismus, Materialismus und
Marxismus», die Schuld, die im
deutschen Volke noch immer
nicht ausgerottet wären. Über-
haupt wird die Geburtenzahl,
nach der Ansicht der offiziösen
faschistischen Zeitung, nicht
durch äussere Faktoren be-
stimmt, sondern durch die «Denk-
art» . des Volkes ; und deshalb
ist nicht Hebung des Lebensni-
veaus der Massen, nicht mate-
rielle Unterstützung der Kinder-
reichen erforderlich, sondern nur
eine Verstärkung des Kampfes
gegen den «boshaften Materialis-
mus» .
Herr Rosenberg droht der
deutschen Frau mit allen nur er-
denklichen Skorpionen, wenn sie
sich «freiwillig mit einem Neger,
einem Gelben, Mestizen oder
Juden einlässt». Und Göbbels
drückt sich noch bilderreicher
aus, indem er fordert, dass man
«die Jüdinnen zum Teufel
schicken» soll und erklärt, dass
er «eine gewöhnliche ehrliche
deutsche Prostituierte» jeder ver-
heirateten Jüdin vorzieht. (In
Klammern müssen wir dazu be-
merken, dass die Prostitution im
faschistischen Deutschland eine
niegekannte Blüte erreicht hat
und dass der Propagandamini-
ster, indem er gegen «Pharisäer-
tum und engstirniges Spiesser-
tum» wettert, für die Anerken-
nung der «Freudenmädchen»
eintritt, welche aunseren natio-
nalen Helden das Leben versüs-
Alle Veröffentlichungen in die-
sem Blatte befolgen den Grund-
satz absoluter Wahrheitstreue