SPRMISCHERINFORMRTIOMS
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DIENST rarrran
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Die Republik betont ihren Entschluss, allen ihren
Verantwortungen ohne Furcht und Zaudern nach- zukommen. Sie lenkt die Aufmerksamkeit Frank- reichs und Englands auf die unerträgliche Unge- rechtigkeit, welche die einzig gegen das leale Spanien angewandte Nicht-Intervention darstellt. |
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umente
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WÖCHENTLICHER AUSZUG AUS DEM "SERVICIO ESPAÑOL DE INFORMACIÓN"
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Barcelona, 11 April 1938
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Av. 14 de Abril, 556
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Nummer 16
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Die spanische Regierung erhebf von neuem
Einspruch gegen die Nicht-Intervention |
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Die Regierung der spanischen Republik hat der franzö-
sischen und britischen Regierung durch ihre Botschafter in Paris und London folgende Note überreicht: Angesichts einer militärischen Lage, deren Ernst nicht
zu verkennen ist, fühlt die Regierung der Republik sich verpflichet, an die Regierung Frankreichs und Englands, als die Urheber des Nicht-Interventionsvertrages, eine feierliche Erklärung zu richten, inbezug auf die grauenhafte und ge- fährliche Ungerechtigkeit, die die Aufrechterhaltung des genannten Vertrages bedeutet, während die offene Verlet- zung, von Deutschland und Italien öffentlich und zynisch eingestanden, eine so offensichtliche Tatsache ist, dass nie mand, der ein öffentliches Amt bekleidet und sich seiner Verantwortung bewusst ist, es wagen kann, sie anzuzwei- fein. Wir stellen vor allem fest, dass diese Verletzungen nicht
nur dann bestanden haben, den Rebellen die Märkte zum Ankauf von Kriegsmaterial zu öffnen, sondern dass vor den Augen der gesamten Welt und ohne den geringsten Skrupel, sich noch dazu brüstend und öffentlich damit prahlend, Ita- lien und Deutschland seit dem Ausbruch der Rebellion nicht einen Augenblick aufgehört haben, die Rebellen nicht nur mit ungeheuren Mengen von Kriegsmaterial aller Art zu versorgen, denen nur die Erfordernisse der militärischen Operationen eine Grenze setzten, sondern ihnen auch be- trächthehe Massen vor. Kämpfern und eine grosse Anzahl von den regulären Armeen beider Länder angehörenden Fachleuten zu senden. Die Regierung der Republik ist in der Lage, inbezug auf
die letzten Siege der Rebellen an der Aragonfront konkrete und sofortige Beweise für die Tatsache zu liefern, dass diese Siege der enormen Vertärkung durch Menschen und Kriegs- material zuzuschreiben sind, die Italien und Deutschland kürzlich nach Spanien geschickt haben. Da die Regierung diese Sendungen, was Italien angeht, nicht nur als eine erneute Verletzung des Nicht-Interventionsvertrages ansieht, sondern noch dazu als eine direkte und besondere Verlet- zung des durch die italienische Regierung der britischen Regierung abgegebenen Versprechens, die Situation in Spa- nien während der Dauer der anglo-italienischen Verhand- lungen nicht durch neue Verstärkungen zu modifizieren, hat sie der englischen Regierung am 23 März 1938 eine Note überreicht, die eine konkrete und detaillierte Informa- tion über die neuerlichen Sendungen von Menschen und Material vonseiten Deutschlands und Italiens enthielt. Die Regierung der Republik weiss nicht, ob die britische Re- gierung, um die Richtigkeit besagter Information zu prüfen, irgendwelche Untersuchungen angestellt hat, noch, welche Resultate diese ergeben haben, aber sie wiederholt, dass die von ihr gelieferten Informationen, in ihrer Gesamtheit, ab- solut wahrheitsgetreu sind. Die Regierung der Republik will Frankreich und Eng-
land nicht die Beleidigung zufügen, anzunehmen, dass ihre Initiative zur Herstellung des Nicht-Interventionsvertrages |
sich ihr auch entgegenstellen mögen, diese Pflichten zu er-
füllen und diese Verantwortung, ohne Wanken und Weichen, bis zum Ende auf sich zu nehmen. Im Bewusstsein dieser Entscheidung, glaubt die Regie-
rung in einem der kritischsten Augenblicke, die die Erfül- lung ihrer Pflichten auf sich zu nehmen sie gezwungen hat, das Recht zu haben, den Regierungen Frankreichs und Englands eine feierlicht Erklärung zugehen zu lassen, nicht nur inbezug auf die unerträgliche Ungerechtigkeit einer ausschliesslich gegen die republikanische Regierung ge- handhabten Nicht-Intervention, sondern auch inbezug auf die ungeheuren Gefahren politischer Art, die der hart' nackige Beschluss, sie auch in Zukunft aufrechtzuerhalten, einschliesst. Die totale Machtlosigkeit inbezug auf die Verhinderung der Einmischung und der direkten Unter- stützung der Rebellen vonseiten der deutschen und italieni- schen Regierungen, hat eine Situation geschaffen, dank wel- cher die Nicht-Intervention nicht nur die Erlangung ihrer wesentlichsten und vornehmsten Ziele nicht sicherstellen kann — die Lösung der spanischen Frage ausschliesslich den Spaniern selbst zu überlassen — sondern sich noch dazu in das wirksamste Instrument zur Erreichung des entgegen- gesetzten Zieles verwandelt hat: die Lösung der spanischen Frage ausschliesslich der Einmischung und Unterstützung, die Deutschland und Italien den Rebellen zuteil werden las- sen, anheimzugeben. Daher ist die Aufrechterhaltung der Nicht-Intervention vonseiten Frankreichs und Englands nicht nur ungerecht und widerrechdich, sondern auch ein offensichtliches Attentat gegen das elementarste Prinzip der Logik. Auf welche solide Basis also können sich bei die- sem Stand der Dinge die Argumente gründen, die die Aufrechterhaltung eines Vertrages verteidigen, der infolge seiner speziellen Anwendungsbedingungen sich in das wirk- samste Instrument verwandelt hat, um das zu erreichen, was man gerade vermeiden wollte? Da alledem noch wirksam zu begegnen im Bereich des
Möglichen liegt; da noch Zeit ist, die verheerenden Folgen der Ungerechtigkeit und des politischen Irrtums, den die Aufrechterhaltung der Nicht-Intervention einschliesst, auf- zuhalten und da ihre Urheber selbst jede Hoffnung aufge- geben und auf jeden ernsthaften und wirksamen Versuch verzichtet haben, sie integral zur Anwendung zu bringen, würde die Regierung der Republik glauben, ihre loyale Pflicht gegenüber den Regierungen Frankreichs und Eng- lands unerfüllt zu lassen, wenn sie ihnen nicht in klarer und überzeugender Weise ihren Standpunkt inbezug auf eine Frage mitteilte, die die permanenten und allgemeinen Interessen des spanischen Volkes auf eine so vitale Weise berührt, und wenn sie nicht feierlich die volle Anerkennung ihres Rechtes zurückforderte, sich das nötige Kriegsmaterial verschaffen zu können, um die ausländische Invasion, unter der das spanische territorium leidet, zu vertreiben. |
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einzig und ausschliesslich dem egoistischen Zwecke ent-
sprang, zu vermeiden, dass die spanische Rebellion zu einen allgemeinen Weltbrand würde, dem auch sie nicht entrinnen könnten. Diese Initiative wurde zweifellos von dem Vorsatz ins-
piriert, dem spanischen Volk die Möglichkeit zu geben, den in seinem Lande als Ergebnis einer tiefen und schweren inneren Krisis ausgebrochenen Konflikt ohne ausländische Einmischung auszutragen. Die Regierungen Frankreichs und Englands waren zuerst der Meinung, dass jede auslän- dische Einmischung in den Lösungsprozess dieses Konflik- tes nicht nur eine schwere Ungerechtigkeit, sondern ausser- dem eine ungeheure politische Gefahr sowohl für Spanien als für Europa bedeuten würde, da die so erreichte Lösung der wesentlichen Garantien der Billigkeit und der politischen Stabilität entbehren würde, die nur dann gesichert wären, wenn man die Herbeiführung der Entscheidung den spa- nischen Elementen überliesse. Nun gut, der elementarste Sinn für politische Realität zwingt zu der Feststellung, dass die Nicht-Intervention in der Erlangung des erstrebten Zieles, das in der Meinung der spanischen Regierung der höchste und vornehmste Zweck der Politik der Nicht-Inter- vention in ihren Anfängen war, vollkommen versagt hat. Die Schwere und Bedeutung des gegenwärtigen Augen-
bliks legt der spanischen Regierung die Pflicht auf, in ihrer Analyse der Situation eine strenge Objektivität zu wahren. Sie glaubt, dass der Augenblick gekommen ist, wo man den Mut haben muss, einzugestehen, dass die italienische und deutsche Intervention in Spanien eine Tatsache ist, die in der politischen Linie, die die beiden totalitären Regime ihren respektiven Ländern aufzwingen, so tief verwurzelt und so fest mit ihr verbunden ist, dass es kindlich wäre, anzunehmen, die Erwägungen, Motive und Ziele, die die Basis des Nicht-Interventionvertrages ausmachen, könnten den geringsten Einfluss auf sie ausüben. Die ununter- brochene Erfahrung dieser zwanzig Monate beweist mehr als genug, dass wir uns einem historischen Phänomen ge- genüber befinden, das durch keinerlei Simulierungsversuche verdeckt werden kann. De facto hat man jegliche Hoffnung, die integrale Durchführung der'Nicht-Intervention zu errei- chen, aufgegeben. Es ist nicht Aufgabe der spanischen Regierung, bei dieser
Gelegenheit zu untersuchen, was die expansive Kriegslawine der totalitären Staaten Europas für die Zukunft und die Existenz anderer europäischer Länder bedeuten kann. Aber sie hat ein klares, durch eine grausame und schmerzliche Erfahrung bestätigtes Bewusstsein von dem, was sie für Spanien bedeutet: zunächst das Opfer von Tausenden und Abertausenden unschuldiger Leben, als grauenhaftes Re- sultat der sogenannten totalitären Kriegsmethoden. Die Regierung der Republik besitzt eine klare Vision der Pflichten und Verantwortungen, die ihr in dieser enrsten Lage das spanische Volk, als historische Einheit betrachtet, auferlegt, und sie ist entschlossen, welche Schwierigkeiten |
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(Agencia «España»
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und Deutschland ihm zum Siege
verhelfen, in Abhängigkeit von ihnen geraten würde. Schliess- lich, wie gross auch die aus- schlaggebende militärische Hilfe sei, die Mussolini Franco ge- währt hat, Mr. Chamberlain er- klärt sich befriedigt durch die Versicherung Italiens, dass es in Spanien und auf den Balearen keinerlei territorialen, politi- schen und wirtschaftlichen Ziele verfolgt. In dieser politischen Erklärung gibt es ein oder zwei Dinge, welche die Regierung |
niemals erwähnt, die aber er-
wähnt werden müssen, denn es gibt in unserer modernen Ge- schichte wenige Episoden, die schimpflicher wären, als diese. Das regierungstreue Volk Spa- niens ist das Opfer der aNicht- Interventions»-Politik geworden ; da man ihm seine Rechte genom- men hat, ist es fast wehrlos ge- worden. Franco, dagegen, hat diese Politik von Anfang an bis jetzt ausländische Hilfe garan- tiert. Die britische Regierung (Fartsetzung auf der nächsten Sei
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Das spanische Rätsel
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Das Merkwürdigste an Cham-
berlains Aussenpolitik ist ihr Verhältnis zu Spanien. Nirgends macht sich ein solcher Unter- schied bemerkbar v zwischen der Ansicht des Mannes der Strasse und den bezaubernden Perspek- tiven Mr. Chamberlains; auf keinem anderen Gebiet ist es so schwierig, die logischen Schluss- folgerungen aus den Tatsachen, |
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die er vorbringt, zu ziehen. Er
sagt — selbstverständlich — dass die «Nicht-Intervention» einen guten Erfolg gehabt hätte, da sie einen grösseren Krieg vermieden habe. Er sagt weiter, dass die Regelung der spanischen Frage einen wichtigen Teil der allge- meinen Verständigung bilde, die angestrebt wird ; trotzden hat er das später abgeändert, indem er |
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hinzufügte, dass die Zurückzie-
hung der Truppen Angelegen- heit des Nicht-Interventionsko- mitees sei. Er sagte, dass Musso- lini während der Dauer der Un- terhandlungen nichts an der ma- teriellen Situation Spaniens än- dern dürfe und am Donnerstag erklärte er, dass diese Vereinba- rung weiter bestünde. Er glaubt nicht, dass Franco, wenn Italien |
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Seite 2
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Spanischer Informationsdienst
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11 April 1938
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{Farsetzung)
hat die «Nicht - Intervention»
durch eine doppelte Intervention aufrecht erhalten ; sie hat das re- gierungstreue Spanien geopfert und hat vor der ausländischen Hilfe an Franco die Augen ge- schlossen ; alles dies ist klar—, das Übrige ist ein Rätsel. Mussolini hat zwei grosse
Wirkungsfelder : Österreich, wo er gewesen ist und das westliche Mittelmeer, wo er sich mit seinen spanischen Stützpunkten noch immer befindet. Ein unabhängi- ges Österreich bedeutete für ihn den Schlüssel zur Kontinental- macht ; aber er hat es verloren und damit, die Hoffnung auf Macht und Sicherheit seiner Grenze : er wird sein Prestige im Volke verlieren, sobald dieses beginnt, sich von dem Geschehe- nen Rechenschaft abzulegen. Der gesunde Menschenverstand sagt, dass er sich rehabilitieren muss, und dazu soll ihm Spanien die- nen, wo er bereits festen Fuss ge- fasst hat, indem er seine Herr- schaft über die Halbinsel und, nach jeder menschlichen Be- rechnung, auch über Franco aus- zudehnen im Begriff ist, der ihm seine Existenz, und wenn er sein Ziel erreicht, die Macht über Spanien zu verdanken hat. Von dieser Basis aus hat er die Mög- lichkeit, Grossbritannien und Frankreich mit dem Verlust der Seewege durch das Mittelmeer bis an die Küste von Afrika und von Afrika nach Frankreich zu bedrohen. Aber inbezug auf Mus- solini gibt es zwei Gesichtspunk- te. Der eine ist der, dass er mit Hitler ein Abkommen bezüglich Österreichs getroffen hat : Hitler freie Hand in Österreich zu las- sen, unter der Bedingung, dass HMer ihm hilft, mittelst Spanien seine Ziele gegen England und Frankreich zu erreichen... Aber wenn das so wäre, wie könnte |
Die ausländische Aviation bombardiert nnansgesetzt
Städte des Hinterlandes 2 April.—Um 19 Uhr bombardierte ein Wasserflugzeug Alcocebre,
Alcalá und Torreblanca in der Provinz Castellón. 3 April.—Um 7.20 Uhr warfen fünf «Junker» etwa IOO Bomben
über Castellón de la Plana ab, welche 26 Häuser zerstörten. In dem Provinzhospital wurden der Operationssaal, die Apotheke und die Abteilung für ansteckende Krankheiten zerstört. Um 9 Uhr griffen drei Apparate Vidreras und Llagostera (Gerona) an. Um 11.55 Uhr belegten vier Trimotore Benicarló mit 25 Explosiv-
bomben und acht Brandbomben, welche 45 Gebäude zerstörten. IJ Personen wurden getötet und 30 verwundet. Um 13.52 Uhr griffen drei «Junker» Sagunt an, wo sie dreissig
150 Kilo—Bomben abwarfen. 4 April.—Um 0.35 Fliegerangriff gegen Port-Bou, wo die Luftab-
wehrgeschütze ein heftiges Feuer eröffneten, das die vertikale Lage- rung der Angreifer über dem Ort verhinderte. |
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Mussolini jetzt geneigt sein, wie
Mr. Chamberlain glaubt, mit Mann und Gepäck aus Spanien herauszugehen und, seine Vor- mundschaft zurück ziehend, Franco freie Hand zu lassen, ? Der zweite Gesichtspunkt, den anerkannte Autoritäten vertre- ten, wäre, dass Mussolini in sei- ner übereilten Annäherung an Hitler aus Wut über die Sank- tionen, «düpiert» worden ist; dass er über den Staatsstreich in Österreich weder zu Rate gezo- gen wurde, noch überhaupt dar- über informiert worden ist, um was es geht und dass Hitler, um ihn zu entschädigen, jetzt seine freundschaftliche Hilfe, sowohl in Worten wie in Taten, verdop- pelt. Und dennoch, wenn es auch so ist, wenn Mussolini auch durch den Verlust Österreichs und durch die Form, wie er es verloren, aufs tiefste verletzt ist, — er muss ja trotzdem die Axe immer noch verherrlichen, aus Furcht, völlig ohne Freunde zu bleiben—, so kann er sich doch nur in Spanien, auf unsere und Frankreichs Kosten, schad- los halten. Deshalb, wenn Mr. Chamberlain uns sagt, dass Mussolini bereit sei, auf alles zu verzichten und wegzugehen, kein territoriales, wirtschafliches oder politisches Ziel mehr zu verfol- gen, so suchen wir eine entspre- chende Erklärung dafür und fin- den keine. Manche glauben, dass Mussolini sich mit England und Frankreich verständigen möchte, um Deutschland gegenüber stär- ker zu sein ; solange Mussolini die Ruhe im Mittelmeer nicht wiedererlangt hat, braucht Hit- ler sich um ihn nicht zu küm- mern. Aber auf wieviel verzichtet er und warum, wenn das seine Absichten sind? Die «Anerken- nung» würde ihm in Abessinien bessere Ernten verschaffen ; |
kleine Schwierigkeiten würden
beseitigt und die absurde Furcht, wenn er sie hat, was sehr zweifelhaft ist — dass England Italien angreifen könnte, würde verschwinden. Wenn aber — wie Mr. Chamberlain vorgibt —■ Ita- lien die Absicht hat, sein Aben- teuer in Spanien aufzugeben, dann hat er für eine sehr wenig wertvolle Sache Blut und Geld geopfert. Hat er es getan, um wertvoller strategischer Vorteile willen oder um den Kommunis- mus zu zerschmettern? In die- sem Fall, wird er Franco seinem Schicksal überlassen, angesichts einer Nation, die er ohne die Truppen, mit denen er sie ero- bert hat, nicht zu beherrschen imstande ist, denn zweifellos wird der Vertrag nicht gestatten, dass Italien, wenn es einmal fort ist, wieder zurückkehrt? Auf alle diese Fragen gibt es keine Antwort, ausser dass Mr. Cham- berlain der Ansicht ist, dass alles in Ordnung ist. Aber es existiert ein Prinzip, das von Mussolini aufgestellt ist — Hitler hat es angenommen und beide haben es mit der Waffe verteidigt—, das er allem Anschein nach nicht zu- rückzieht, nicht einmal Mr. Chamberlain zu Gefallen : er ist fest entschlossen, den Sieg des «Kommunismus» in Spanien — das heisst, den Sieg der Regie- rung—nicht zu dulden. Schliess- lich werden wir also den Tod ei- nes Systems dulden müssen, das dem spanischen Volk den Auf- stieg in eine Atmosphäre grös- serer Freiheit, grösserer Be- wusstheit und grösserer Unab- hängigkeit z u gewährleisten schien. In dieser Hinsicht gibt es kein Rätsel, nicht einmal in- bezug auf die Gründe : die Inter- vention der Diktatoren, die «Nicht-Intervention, auf die un- sere Regierung so stolz ist. («The Manchester Guardian».) |
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MUT
VON HEINRICH MANN
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Kürzlich hat Ministerpräsi-
dent Hodza den Preis des Mu- tes erobert. Nach seiner Rede wurde in Frankreich gesagt : das tschechische Volk ist das tapferste Europas. Den Eindruck machen eine
Nation und ein Minister heute einfach damit, dass sie nieman- den erlauben, sie mit der Peit- sche des Tierbändigers zu behan- deln. Wer einfach sagt : hier ist keine Menagerie, und werden wir angegriffen, dann wehren wir uns, —■ der hat Mut. Soweit ist es gekommen.
Früher war es selbstverständ- lich, dass jeder sich verteidigte. Darauf wird kaum mehr gerech- net. Sondern der Angreifer gilt für so fürchterlich, dass seine Drohungen genügen. Zum An- griff kommt es nicht erst; man bricht vorher in die Knie. Der Angreifer ist bankerott.
Der Angreifer hat sein eigenes Land so weit er konnte zu Grun- de gerichtet. Sein Volk ist un- frei, es hungert, es glaubt an die Führung des Staates nicht; und käme der Krieg, dann zweifelt das Volk wenig daran, dass sei- ne Unterdrücker ihn verlieren würden. Es ist eine Frage des Temperaments, ob dies den Un- terdrückten unerwünscht wäre. Gleichviel, in einer mutlosen
Welt gilt der Angreifer für fürchterlich. Diese mutlose Welt legt alles zu seinen Gunsten aus. Diplomatische Erfolge, die aber gar keine sind. Internationale Gewalthandlungen, die nach Krieg aussehen möchten, aber man hütet sich, den Krieg zu erklären ; nur Bomben fallen zu lassen auf Wehrlose, das wagt man. Aber es genügt, damit die Welt vor Schrecken erstarrt. Dieselbe Welt schreit vor
Schrecken Heil und Sieg, wenn einer seine eigene Armee säu- bern, unterwerfen, gleichschalten muss, und das nach fünf Jahren uneingeschränkter Herrschaft. Sie war durchaus nicht uneinge- schränkt, wie man sieht. Der Ge- walthaber hat weder das Volk noch hat er das Heer. Die Welt erschrickt, sie findet ihn immer fürchterlicher, je öfter er seine Schwäche verrät. Dies alles, weil er grosse Worte
macht. Weil er vor seinen bezahl- ten Statisten drei Stunden lang brüllt — gegen fremde Regierun- gen, die er nicht dulden wird, gegen Völker, die er in die Tasche stecken wird.Schön. Er duldet nicht. Er wischt weg und |
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steckt ein. Aber tut er es wirk-
lich? Er droht. Darauf allge- meine Erweichung der Kniee. Mi- nister fliegen. Um Verhandlun- gen wird gebettelt. Man hat Angst, was begreif-
lich ist. Eine Welt ohne Angst hat es niemals gegeben, das Le- ben ist eine Angstpartie, beson- ders die Politik. Immer hat einer den anderen gefürchtet. Wer etwas zu verteidigen hatte, be- ging Fehler über Fehler aus blos- ser Furcht: daraus erklärt sich das traurige Ende des grossen Kaisers Napoleon. Dieser hatte wirklich die Welt
erobert, was man nicht von jedem sagen kann. Trotzdem hatte vor ihm die Welt nicht entfernt die Furcht wie heute vor dem, der nichts, aber gar nichts erobert hat. Da der menschliche Mut ein Produkt der menschlichen Angst ist, fand damals Europa den Mut, sich gegen Napoleon zu wehren, und besiegte endlich den, der alle geängstet hatte, bis er selbst vor Furcht den Kopf verlor. Es darf erwartet werden, dass
auch diesmal die Welt nach ihrem Anfall von Angst einen ebenso starken Anfall von Mut bekommt. Nur Geduld. Man weiss schon längst: der Angrei- fer hat mehr zu fürchten als alle Anderen. Er droht, weil er muss. Er verbreitet Furcht und Schre- cken, je besser er selbst mit der Furcht und dem Schrecken be- kannt ist. Sein schwerster Alb- druck ist, dass jemand mobilisie- ren könnte — gleichgültig, ob ein grosses oder ein kleines Heer. Das österreichische war ihm schon zu viel. So ist es gekommen. Das kleine
Heer ist nicht mobilisiert wor- den. Die wenigen Truppen wur- den von der Grenze in das Innere zurückgezogen, damit es nicht zum Vergiessen deutschen Blutes käme. Welchen deutschen Blu- tes? Das Blut des kleinen Vol- kes, das sich überfallen Hess, wird reichlich fliessen. Nur der Angreifer steht, seiner Taten froh, im Lande und nennt seinen Ueberfall, wie er die ganze Pest, die er verbreitet, immer und überall nennen wird : eine deut- sche Revolution. Wie viele Länder, klein und
gross, wollen den Angreifer, der sehr wohl die Angst kennt und nur die Scham nicht, über sich kommen lassen? Zehn kriegs- starke Regimenter, die wirlich schiessen, hätten ein giftiges, aber feiges Reptil in sein Loch zurückgejagt. |
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Die unerschütterliche Moral der spanischen Bauern
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nische Aviation zerstörte Ort-
schaften ; fleissige, regsame Ort- schaften, die nur das Verbrechen bezahlen, an der Mittelmeerkü- ste erbaut worden zu sein. Die Bomben waren gegen die engli- sche Vormacht gerichtet, aber sie trafen auf sie. Wir Spanier sind dazu verurteilt, für fremde Schuld zu büssen, mit jenem Gut, das kaum noch eine Rolle spielt : mit dem Leben. England, das sich weigert, uns die legale Hilfe, die wir fordern, zukom- men zu lassen, verfolgt mit ner- vöser Aufmerksamkeit unseren Krieg, und der Gedanke, dass Italien und Deutschland dabei sind, sich Spaniens zu bemäch- tigen, erfüllt es mit Schrecken. Wenn wir Spanier, nach uner- hörten Anstrengungen und Op- fern, unser .Land freigmacht ha- ben werden, dann werden die ma- ritimen Stützpunkte des Mittel- meeres weder Italien noch Deutschland gehören. Und dann werden die englischen Konserva- tiven sagen : «Unsere Stellung im Mittelmeer ist unanfechtbar». Aber der kleinliche Kalkül und die schwankende Haltung sind nicht die besten Wege, um im Leben zu triumphieren. Mit Schwankungen und kleinlichem Kalkül hätten wir den Krieg schon längst verloren. Nur die edlen Impulse, die männlichen und ritterlichen Entschlüsse kön- nen die von Hindernissen und drohenden Gefahren umringten Völker retten. In der Nähe von Tortosa habe
ich mit einer Familie gespro- chen, die damit beschäftigt war, eine Hütte zu bauen. |
—Werden Sie hier bleiben?»
— fragte ich die Frau. —Hier sind unsere Äcker» —
antwortete sie mir — und wir müssen sie bebauen. Trotz der Bombardements und trotz allem, hat mein Mann auch nicht einen einzigen Tag aufgehört zu arbei- ten.» Wer kann gegen Menschen,
die eine solche aussergewöhnli- che Moral in sich tragen, etwas ausrichten? Tortosa ist von den deutschen und italienischen Ban- diten zerstört worden. Aber seine fleissigen Bewohner, denen kein einziges Haus zum Bewohnen mehr übrig bleibt, bauen sich Hütten, setzen die Bodenbearbei- tung fort und bereiten die Ernte- arbeiten vor. Wenn du, der du dieses liest,
deine Liebe zu Spanien noch heisser lodern lassen willst, so besuche seine Dörfer, und seine Kampffronten. Dann wirst Du sehen, dass die geliebte spani- sche Erde überall bebaut wird und dass in allen Ortschaften die Bewohner reichlicher zu essen haben, als vor einem Jahre Es geht alles voran, dank dem En- thusiasmus, der, anstatt abzu- nehmen, in ständigem Steigen begriffen ist. Und in den aragonesischen Ge-
bieten wirst du mit Soldaten voll- besetzten Lastautos begegnen, mit der spanischen Flagge. Sie fahren an die Front, um der ita- lienischen und deutschen Avia-' tion und Artillerie einen Damm entgegenzusetzen Und sie sin- gen. Wenn sie durch ein Dorf kommen, bricht lauter Jubel los mit Hochrufen auf Spanien und |
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Wir verliessen Barcelona nach
einer Nacht schrecklicher Bom- benabwürfe. Hunderte von Spa- niern hatte der anbrechende Tag zerfetzt und verstümmelt vorge- funden. Unsere Reisegefährten sprachen nüchtern über die er- lebten Schrecknisse. «Die ver- fluchten Mordgesellen haben aus der Todesgefahr schon etwas ganz Gewöhnliches gemacht, einen täglichen Unfall». Als wir Barcelona im Rücken
hatten, sahen wir am Himmel wieder die bekannten weissen Wölkchen der Luftabwehrge- schütze auftauchen und von der Mitte der Stadt her dröhnten dumpf neue Bombenexplosionen. Wieder wirbelten dort, zerfetzt
und zerstückt, mit Erde und Häuserschutt vermischt, Körper von wehrlosen Frauen, Kindern und Nichtkämpfern in die Luft. Zur selben Stunde gaben sich
wohl die demokratischen Mitglie- der der «Nicht-Intervention» in ihren Wohnungen in Paris und London dem Schlummer hin. Auch sie haben sich an das an- klägerische Zucken ihrer Gewis- sen schon gewöhnt. Aber wenn sie glauben, dass das vergossene Blut so vieler Wesen, die von der edlen Sehnsucht erfüllt waren, ihr Vaterland frei zu sehen, sie nicht befleckt, so sieht doch die ganze Welt über ihnen den Schatten der in der besten Blüte ihres Leben vernichteten Ge- schöpfe schweben und die Flüche der Mütter, die ihre Kinder ver- loren haben und der Kinder, de- ren Mütter ermordet wurden. Durch die deutsche und italie-
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gen muss. Der Widerstand Ma-
drids dauert schon anderthalb Jahre. Noch anderthalb Jahre Widerstand in Aragon bieten alle Wahrscheinlichkeit des Endsie- ges. |
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die spanische Republik. Man
muss dieses republikanische Spa- nien und seine Soldaten gesehen haben, um die Sicherheit zu ha- ben, dass der jetzige Widerstand uns den künftigen Triumph brin- |
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Seite 3
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11 April 1938
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Spanischer Informationsdienst
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DER TOTALE KRIEG
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Der «Servicio Español de Infor-
mación» wird täglich in spani- scher und französischer Sprache herausgegeben Ein wöchent- licher Auszug erscheint ausser- dem jeden Montag, Mittwoch und Freitag in deutscher, italie- nischer und englischer Sprache. |
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Ich persönlich bewundere Machiavell ausser-
ordentlich. Ich liebe es, mir das Gehirn des Flo- rentiner Sekretärs wie eines jener Uhrwerke vor- zustellen, die mit entblösster Maschinerie in eine Glasglocke eingebaut sind. Ebenso präzis, klar und leuchtend. Es gibt darin keine Schleier, kei- ne Schatten, keine Ungenauigkeiten. Zweckmäs- sigkeit, Wirksamkeit und gesunde Vernunft sind die Motore seiner Räder. «Der Fürst» ist ein Buch von krystallener Klarheit und hat die ma- thematische Exaktheit einer stählernen Triebfe- der. Brutal? mitleidslos? Ohne Zweifel. So bru- tal und mitleidslos, wie ein Maschinengewehr, ist die in abstrakte Wissenschaft verwandelte, auf algebrisehen Formeln beruhende Politik. Aber nie wäre Machiavell, Autor des Buches «Der Fürst», auf die Idee des totalen Krieges gekommen. Er war zu intelligent dazu. Der totale Krieg konnte nur in einem finsteren und dumpfen Hirn ent- stehen, in einem Hirn, das nur aufs ungefähre und tastend denkt. Das ist ein typisch deutscher Einfall. Deutschland ist ein Land, das voll ist von Halluzinationen und geistigen Nebeln. Seine höchsten Gipfel — Goethe, Schiller, Kant, Nietz- sche, Beethoven — lassen den Nebel unter sich und sind so wundervoll, so leuchtend und durch- sonnt wie die in anderen Breitegraden auch ; aber die deutschen Köpfe, denen es nicht gelingt, ge- nialerweise die Nebelschicht über ihren Häuptern zu durchstossen, leben ihr ganzes Leben zwischen Phantasmen und Spiegelungen. In ihrem Stre- ben nach der Sonne aber ohne den leitenden In- stinkt, begehen sie oft den Irrtum, sie in den Tiefen der Erde zu suchen, und je grösser ihre Beharrlichkeit, um so blinder werden sie. In einem dieser Köpfe ist die Idee des totalen Krie- ges entstanden, eine anti-machiavellistische Idee, weil, abgesehen von der moralischen Ungeheuer- lichkeit, eine zur Wirkungslosigkeit verurteilte Dummheit. Uns Spanier hat das Unglück getroffen, den
Beweis für seine Nichtigkeit zu erbringen. Der totale Krieg fusst auf zwei völlig willkürlichen Voraussetzungen : erstens, dass das Hinterland, das eingeschüchtert werden soll, sich einschüch- tern lässt; zweitens, dass dem Feinde die Mittel fehlen, um auf den Angriff zu reagieren, da bei genügendem Luftschutz — Jagdflugzeuge und Ab- wehrgeschütze — • die Abwehr nicht mehr nur passiv zu sein braucht. Es scheint, dass diese bei- den Voraussetzungen für Abessinien zutrafen. Die Theoretiker rieben sich die Hände. Ihre Be- rechnungen stimmten genau. Der Zusammen- bruch Abessiniens war niederchmetternd und er war zweifellos auf die Unmenschlichkeit der ita- lienischen Kriegsmethoden zurückzuführen. Heu- te ist es möglich, dass die Invasoren sich davon überzeugen, dass die Flamme zwar sengt, aber nicht verbrennt. Ein langsameres Vorgehen — Machiavell hätte es empfohlen — mit humaneren Mitteln, mit freiem Spielraum für die politische Klugheit, hätte vielleicht bis zu den Wurzeln vor- dringen können, die in diesen Tagen wieder neue Triebe entfalten. Die Asche des von den Flam- |
mengarben der Bomben verbrannten Laubwerks
dient als Dünger und nicht als Leichentuch. Nach Abessinien ist die Reihe an Spanien, das
Ubungsfeld für die barbarischen Versuche abzu- geben. Wir sind mitten drin. Aber hier fehlt völlig die erste der beiden Voraussetzungen, und wenn die zweite nur teilweise fehlt, so nicht durch unsere Schuld. Das spanische Hinterland hat sich nicht willig gezeigt, sich einschüchtern zu lassen. Das spanische Volk hat den Geschossregen mit der verächtlichen und spöttischen Geste Madrids aufgenommen ; mit der. stummen Verbissenheit von Sagunt, oder mit dem nervösen Zusammen- raffen Barcelonas ; drei verschiedene Arten von Temperamentsäusserung, die auf einen gemein- samen Nenner zurückzuführen sind : auf ent- schlossenen Stoizismus. Man komme uns nicht mit dem Beispiel solcher Ortschaften wie Guer- nika, die von der Laudkarte verschwunden sind, denn das würde soviel heissen, wie den Soldaten, der im Schützengraben im Angesicht des Fein- des stirbt, der Wankelmütigkeit anzuklagen, weil er stirbt. Man spricht vom Terror als von einem demoralisierenden Element im totalen Krieg. In Spanien hat er versagt. Wenn der brutale Zer- störungswille, das zweite Prinzip, auf das sich das System stützt, nicht versagt hat, so liegt das am Fehlen der notwendigen Elemente zur Vertei- digung und zum Gegenangriff, aber das geht auf Rechnung der Nationen, welche die juridische, moralische und politische Pflicht hatten, uns nicht im Stich zu lassen und die uns im Stich gelassen haben. Wenn das Missverhältnis, das inbezug auf die Kriegsmittel, im spanischen Krieg zugunsten der Rebellen existiert hat und noch exitiert, sich nicht in der Menge der Flug- zeuge und Tanks, sondern in primitiven Flinten und Bombarden gegen Messer und Steinäxte aus- gedrückt hätte, das Resultat wäre das gleiche ge- wesen. Und man könnte nicht sagen, dass dies totaler Krieg gewesen wäre. Nein, inbezug auf sei- ne moralische Auswirkung ist dieser auf spani- schem Boden an der wunderbaren Charakterstärke der Rasse gescheitert. Hätten wir genügend Waffen, um der Agression etwas mehr entgegen- zusetzen, als die Brust und die Charakterstärke, die Rebellen und ihre Verbündeten hätten die Brutalität, die uns allein zugedacht war, am ei- genen Leibe zu spüren bekommen. Das was hier bei uns nicht geschehen ist — was aber gesche- hen kann und noch geschehen muss •— das wird sich notwendigerweise am Tage des Zusammen- stosses zwischen zwei Nationen abspielen, die mi- litärisch auf der gleichen Stufe stehen, und zwar mit dem Vorteil, den das moralische Übergewicht der legitimen Verteidigung dem Angegriffenen gibt. Spanien hat einen Mythus zerstört und den
Nationen, die schon vor Schreck erstarrt sind, ehe sie noch angegriffen werden, ein erhabenes Beispiel gegeben : es ist eines mehr in der langen Reihe der Dinge, die Europa uns zu verdanken hat und die wir angenblioklich mit unserem Blute besiegeln. |
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begonnen haben, werden in Städ-
te geschickt, wo Werkstätten oder andere Institutionen existie- ren, in denen sie den gleichen Beruf erlernen können. Ganz besondere Aufmerksam-
keit wird allen den Problemen gewidmet, die auf das Kind Be- zug haben. Sowohl was die pro- fessionelle Ausbildung und die Frage der Schulen betrifft, als inbezug auf Sanatorien für die Kranken. Die Kinder sind auf diese Weise, trote der Wechsel- fälle des Krieges, vor der Ver- wahrlosung g e s c h ü t zt. Das Schicksal vieler tausender hat sich sogar in einer für sie glück- lichen Weise gewendet. Kinder aus den andalusischen Dörfern und aus der Extremadura, zum Beispiel, die mit ihrer Familie auf Bauern = oder Pachthöfen wohnten, von zartester Kindheit an von den Herren ausgenutzt, zu Analphabetentum und völli- g e r Unwissenheit verurteilt, eröffnen sich jetzt neue ungeahn- te Perspektiven für die Zukunft. Die Panik, die von ihnen Besitz ergriffen hatte, als die Mauren in ihre Dörfer eindrangen oder als die italienisch-deutschen Flug- zeuge sie den Weg entlang mit Bomben und Maschinengewehren verfolgten, wird allmählich ver- schwinden, angesichts des Ge- fühls, sich geliebt und beschützt zu sehen von denen, die die Ge- schicke Spaniens lenken. Und diese Kinder — bisher die un- scheinbarsten und unglücklich- sten Spaniens, werden einst nütz- liche Menschen sein, die Spanien inbrünstig lieben werden, da es sie zu wahren Menschen gemacht hat. VALENCIA
Um einen Begriff von der Or-
ganisation des Flüchtlingsdien- stes zu geben, wollen wir das Beispiel Valencias wählen. In dieser Stadt wurde eine Polykli- nik für die Flüchtlinge gegrün- det, in der monatlich bis zu vier- tausend Kranke betreut werden ; ausserdem das Hospital Giner de los Rios ; das Altersheim de la Borrasca ; das Flüchtlingslager Ramón y Cajal zum vorüberge- henden Aufenthalt. Alle diese Zentren sind in hervorragendster Weise betreut. Die Flüchtlinge haben nicht nur ein Heim und Arbeit, auch Ärzte und Apothe- ken stehen ihnen zur Verfügung. Das ist ein im höchsten Sinne des Wortes soziales Werk. Man stem- pelt sie nicht zu Bettlern, man gewöhnt sie nicht an das verant- wortungslose und inaktive Leben eines Almosenempfängers. Man verschafft ihnen eine Existenz und die Sicherheit, im Krank- heitsfall betreut zu werden wie nie zuvor. ALICANTE UND ALMERÍA
Nicht allein in Valencia ist das
Flüchtlingswesen vorzüglich or- ganisiert. In Almería ist ein |
wunderbares Flu chtlingsheim
eingerichtet worden : geräumig, gut ventiliert, mit allen Bequem- lichkeiten. Mit einem Opera- tions = und einem Sterilisie- rungssaal. Die Frauen in dem Heim haben eine Seifenfabrik eröffnet. Die Direktion versorgt sie mit dem nötigen Material. In Alicante ist ein Altersheim im Bau begriffen und mehrere Güter sind für Infectiöse, Re- konvaleszenten, kranke Kinder, etcétera, eingerichtet. Als konkretes Beispiel für die
hervorragende und menschlich wertvolle Arbeit, die auf diesem Gebiet geleistet wird, möchten wir den Fall eines Dorfes anfüh- ren, in dem ein Flüchtlingslager errichtet wurde. In diesem Dorf in Extremadura, wenige Kilome- ter hinter der Front, wurden in den kalten Monaten, 10.000 Klei- dungsstücke verteilt; zwei Er- holungsheime für Greise errich- tet und 1.000 Säuglinge aus Flüchtlingsfamilien betreut. MUT TER HEIME FÜR
FLÜCHTLINGSMÜTTER In zwei Dörfern in den Provin- zen Valencia und Almería sind Mütterheime für werdende Müt- ter errichtet. Sie sind für fünf- hundert schwangere Frauen vor- gesehen. Beide Institutionen wur- den von einem so berühmten Arzt wie Matteo Carreras, Pro- fessor an der Universität von Ma- drid, organisiert. Eine Einzelheit aus der Organisation erhellt ins- besondere das moralische und hu- manitäre Niveau der Republik. Um zu vermeiden, dass die wer- denden Mütter sich von ihren Kindern, bzw. von ihrer Familie trennen müssen, hat man passen- de Räumlichkeiten bereitgestellt, in denen sie mit den ihren vereint leben können, solange es die Um- stände gestatten. Die Betreuung der Gebärenden ist ausgezeichnet. DIE KINDER IM AUSLANDE
Die Dirección de Evacuación
hat einen Delegierten in Paris, der die Unterbringung der Flüchtlinge im Auslande organi- siert. Grössere Kinder werden in Ländern untergebracht, wo sie ihre Ausbildung in den besten Fabriken und Werkstätten voll- enden können. Auf diese Weise wird ein Stamm von Spezialisten herangezogen, die in den modern- sten technischen und anderen Verfahren ausgebildet sind. Dieses Werk des Arbeitsminis-
teriums auf dem Gebiete des Flüchtlingswesens, das wir hier in grossen Zügen geschildert ha- ben, ist eines unter den vielen, welche sich die Regierung zur Aufgabe gestellt hat und das die ernste und aufbauende Arbeit des republikanischen Staates und die ethischen Grundsätze beleuchtet, die all ihren Handlungen zugrun- de liegen und die innerhalb wie ausserhalb Spaniens Bewunde- rung erregen müssen. |
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Die Flflchtlingsfflrsorge in Spanien
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Die Arbeit, welche die «Direc-
ción General de Evacuación» (Die Oberleitung der Flüchtlings- hilfe) leistet, verdient bekannt zu werden. Das schwierigste un- ter den zahlreichen Problemen, vor die der Krieg diese Institu- tion gestellt hat, ist das der Fa- milien, die aus den von den Fa- schisten Überfallenen Provinzen oder aus den in der Feuerlinie befindlichen Ortschaften haben flüchten müssen. Alles, was sie besassen, ist in jenen Gebieten geblieben, deren Früchte augen- blicklich Italien und Deutschland ernten. Die Odyssee der Fa- milien, die in den ersten Kriegs- monaten auf den Landstrassen oder querfeldein vor dem faschis- tischen Terror flüchten mussten, ist von wahrhaft erschütternder Dramatik. Die Republik hat ihre ganze Aufmerksamkeit da- rauf gerichtet, die Situation die- ser Familien nicht nur augen- blicklich zu erleichtern, sondern sie von neuem ;m Leben der Na- tion zu verankern, ihnen eine Existenz zu verschaffen, die sie |
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gleichzeitig an den allgemeinen
Bestrebungen teilnehmen lässt. Die «Dirección General de Evacuación» wurde dem Arbeits- ministerium angegliedert. Man begann, Flüchtlingszentren zu schaffen. An der Spitze der Or- ganisation steht eine Frau, die eine ungewöhnliche organisato- rische Begabung mit feinem wei- blichen Instinkt vereint. Und das Werk hat in menschlicher, wie in konstruktiver Hinsicht die be- sten Resultate gezeitigt. ÜBER ANDERTHALB MIL-
LIONEN FLÜCHTLINGE Es gibt augenblicklich circa drei
Millionen Personen, die ihr Heim und ihren Aufenthaltsort verlassen mussten. Von ihnen waren 1.753.000 ohne alle Exi- stenzmittel. Der Staat musste sich ihrer annehmen. Zu diesem Zweck gründete die Dirección General Delegationen in Madrid, Valencia, Pons, Albacete, Alca- zar, Alicante, Almería, Caste- llón, Castuera, Fabara, Huelves, |
Jaén und Murcia. Diese Delega-
tionen haben folgende Mission : erstens, die Evakuierung der Dörfer und Städte in die Wege zu leiten, die durch ihre Lage in der Nähe der Kampffront ge- fährdet sind. Diese Delegation unterhält die Verbindung mit de- nen, die in den Städten arbeiten, welche imstande sind, Flüchtlin- ge aufzunehmen. Auf diese Wei- se haben diese Städte, wenn ein Flüchtlingstransport ein trifft, schon sogenannte Flüchtlings- heime mit allem, dessen die Flüchtlinge bedürfen, vorberei- tet. Aber die Dirección General
begnügt sich nicht mit dieser ele- mentaren Hilfe. Sobald die Flüchtlinge an ihrem zukünfti- gen Aufenthaltsort untergebracht sind, wird denen, die arbeiten wollen, Männern wie Frauen, Arbeit in ihrer Spezialität zuge- wiesen. Die Kinder kommen in Schu-
len und die Älteren in eine Lehre. Diejenigen, die bereits eine Leh- re in einem bestimmten Beruf |
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Seite 4 Spanischer Informationsdienst 11 April 1938
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Nach dem Bombardement von Barcelona
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Vier Kinder : das älteste 18
Jahre ; das jüngste drei. Sie lebten mit ihren Eltern in
der Ronda San Pedro. Die Mut- ter war 43 Jahre, der Vater 45. Jene Nacht, jene furchtbare Nacht vom 17, verbrachten sie zum grössten Teil in einem be- nachbarten Unterstand. Gegen Morgen erst gingen sie heim. Um sieben Uhr früh jagten sie — kaum waren sie eingschlafen — 2 neue Explosionen in nächster Nähe aus den Betten. Die dritte Bombe fiel unmittel-
bar darauf in des Haus. Die vier Kinder stürzten aus
ihren Zimmern und schrieen, was alle Kinder schreien, wenn |
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sie leiden oder erschrecken :
«Mama! Mama !» Als sie in den Korridor kamen,
blieben sie vor Schreck erstarrt stehen : es gab keinen Korridor mehr ; vor ihren Füssen gähnte ein Abgrund ; dort unten lagen ihre Eltern begraben. Fünfundzwanzig Körper wur-
den allmählich aus den Trüm- mern geborgen. «Papa und Mama haben sie am
zweiten Tage gefunden : Papa war erstickt, aber Mama war garnicht zu erkennen... «sagte mir ein Bürschchen von 13-14 Jahren, der mir berichtete, auf welche Weise seine drei Geschwis- ter und er zu Waisen gtewor- den waren... Magda DONATO |
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Das Bombardement begann in
der vorhergehenden Nacht, um io Uhr ; es dauerte, mit kurzen Unterbrechungen, bis ein Uhr ; flackerte um vier für einige Au- genblicke wieder auf. Jetzt, um sieben Uhr morgens,
schläft die Familie, erschöpft von Übermüdung und Aufregung. Manuel Muntó Geschäftsrei-
sender ; seine Frau, Ramona ; seine beiden unverheirateten Schwestern ; seine sechs Kinder. Die Älteste, Sara, ist siebzehn Jahre alt ; die Jüngste, Ana Ma- ria, ist vor einem Monat geboren. Plötzlich — es ist kurz vor
acht — ertönt ganz in der Nähe das Krachen einer explodieren- den Bombe ; ein höllischer Orkan wälzt sich in die Wohnung ; das Haus erbebt in seinen Grund- festen ; die Fensterscheiben split- tern ; die Wohnungstüren und Balkontüren werden aufgerissen. Die Bombe ist in einer benach-
barten Strasse gefallen. Und es ist eine von jenen Bomben mit flüssiger Luft, deren Wirkungs- kreis eine ungeheure Ausdeh- nung hat und die alles, was sie auf ihrem Wege antreffen,. }n Geschosse verwandeln ; es ist, mit einem Wort, eine jener wahr- haft dämonischen «Neuheiten», welche die ausländische Aviation im Hinblick auf den kommen- den Weltkrieg an uns auspro- biert. Die Familie ist voller Entset-
zen aus den Betten gesprungen ; aber im selben Augenblick fällt eine neue Bombe, und diese fällt in das Haus, spaltet es in zwei Teile und verwandelt den ganzen hinteren Teil des Gebäudes in einen Trümmerhaufen. Die Eltern und die Schwestern
schliefen im vorderen Teil, der heil geblieben war; ein wahres Wunder, das dadurch zu erklä- ren ist, dass der von der ersten Bombe erzeugte Luftdruck die Fenster aufgerissen hat, so dass diese jetzt keinen Widerstand boten. Unter den Trümmern des hinteren Teiles waren die sechs Kinder begraben. Und jetzt suchen die Eltern
ihre Kinder, geleitet von der angsterfüllten Stimme der io- jfahrigen Rosario, die ununter- brochen wimmert : «Ester atmet nicht! Ester ist tot!» Maria Ester war die Zweitälte-
ste. Erschreckt durch die nächt- lichen Bombardements, wollte sie im Bett des Schwesterchens schlafen und nun liegt ihr toter Körper schwer über der Kleinen. Ja, sie ist tot; die anderen
fünf sind verwundet, schwer ver- wundet. Eins hat ein zerschmet- tertes Bein ; einem anderen ist ein Holzsplitter in den Magen gedrungen. Alle kommen sie ins Hospital, um viele Wochen zu leiden, operiert zu werden, Schmerzen zu erdulden. Das eine wird vielleicht sterben ; das andere fürs Leben verkrüppelt bleiben. Aber Ester ist tot! Zehn Tage sind vergangen.
Manuel Muntó, fahl, mit einge- sunkenen und geröteten Augen, weint; er kann sich nur mit Mühe erinnern, erzählen, erklä- ren. Seit neunzehn Jahren ist er verheiratet; .das Heim ezrstört; die Kinder verstümmelt und Es- ter... tot. Unter Tränen murmelt er im-
mer wieder : «Sie war fünfzehn Jahre!... fünfzehn Jahre...»
* * * Ich habe sie an der Eingangstür
zum Schauhaus des Hospital Clí- nico kennen gelernt. Mit ihrer Tochter, einem Mädchen, dassen |
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Gesicht vom Weinen verschwol-
len ist, ist sie heute gekommen, wie sie gestern kam und vorge- stern und jeden Tag, seit jenem Donnerstag, dem i8ten. Die Aufseher sprechen ihr
voller Mitleid Mut zu : «Kommen sie morgen wieder; vielleicht wird man ihn gefunden haben : es sind immer noch welche drun- ter...» Ja, immer noch ; nach zehn
Tagen ununterbrochener Arbeit, zieht man immer noch von Zeit zu Zeit einen Körper oder ein Stück von einem menschlichen Körper unter den Trümmern hervor. Noch bleibt Emilia Ferrer Ma-
teu die «Hoffnung», die Leiche oder einen Teil von der Leiche ihres Mannes zu finden. Sie wohnten in einer Quer-
strasse der Rambla, mitten im Herzen Barcelona. Ihr Mann, Modesto Uno Ta-
vella war sehr nervös geworden seit den letzten Bombardements, denen vom Januar, die uns da- mals von unerreichter Grausam- keit schienen und die dennoch durch die vom März hundertfach über troffen wurden, als gäbe es keine Grenzen mehr für den menschlichen Frevel. Im Januar fiel ein Blindgän-
ger in das Haus der Familie Uno ; eine zweite Bombe spaltete das gegenüberliegende Haus vom Dach bis zum Keller. Und Modesto Uno Tavella
packte die «Scheu vor dem Hau- se» : er blieb nicht daheim ; kaum hatte er gegessen, ging er los. Am meisten beruhigte es ihn, auf einer Bank in der Cortes zu sit- zen, nahe an der Balmes. Das war ein so friedlicher und freund- licher Ort! Dort, schien es ihm, könnte ihm nichts Böses gesche- hen. Und an diesem tragischen Don-
nerstag kam er zum Stelldichein |
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mit dem Tod. Um zwei Uhr
nachmittegs setzte er sich auf «seine» Bank. Jetzt geht seine arme Frau je-
den Tag zum Schauhaus. Es ist möglich, dass der Körper ihres Mannes, wie so viele andere, zer- rissen wurde, in grosser Entfer- nung fortgeschleudert, vernich- tet... Aber vielleicht, vielleicht liegt er doch noch unter den Trümmern und sie wird ihn noch einmal sehen können... Diese «Hoffnung» verlässt sie nicht : es sind ja immer noch welche drun- ter ... * * * |
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Spanien retten taeisst Grossbritannien retten
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«Weshalb nicht jetzt eine feste
Haltung einnehmen, während wir noch damit rechnen können, dass uns mächtige Nationen zur Seite stehen, die einig sind und die unsere Bestrebungen und un- sere Sorgen teilen ? Weshalb müssen wir diesen Entschluss hinausschieben, bis ein allgemei- nes Abschwenken der kleinen Staaten zum Naziregime stattge- funden hat, weil ihnen kein an- derer Ausweg bleibt?» Diese Worte Churchills, die er
in Unterhaus vor kurzem gespro- chen hat, erlangen jetzt ange- sichts der kritischen Situation des spanischen Kampfes höchste Aktualität. In unserem Laude wächst die
Ansicht, dass wir zu Hitler und Mussolini sagen müssen : «Jetzt ist's genug», und dass England die Pflicht hat zu erklären, dass es Frankreich helfen wird, einen deutschen Angriff gegen die Tschchoslowakei abzuhalten. Aber Frankreich wird sich,
wenn es ein faschistisches Spa- nien im Rücken hat, in einer wenig günstigen Situation befin- den, um gegen einen Angriff Deutschlands auf die Tschecho- |
slowakei Widerstand zu leisten.
Deshalb arbeiten jetzt Hitler und Mussolini in Spanien, um ihr Ziel eines faschistischen Europa zu verwirklichen. Während die britische Regie-
rung von der «Nicht-Interven- tion» redete, führten sie ihre Aviation und schwere Artillerie nach Spanien ein, um die grosse Offensive vorzubereiten. Sie glauben, wenn sie sich
Spaniens bemächtigen, so haben sie das ganze demokratische Eu- ropa in ihrer Gewalt. Nicht nur Frankreich wäre paralysiert : ein faschistisches Spanien an den Li- nien der britischen Verbindungs- wege im Mittelmeer, würde auch Grossbritannien paralysieren. Folglich laufen heute die fran-
zösische und englische Demokra- tie nicht weniger Gefahr, als die spanische. Was die deutsche Ar- tillerie jetzt zu vernichten trach- tet, ist nicht nur die Freiheit Spaniens, sondern auch die Eng- lands und Frankreichs. Entwe- der wir halten Hitler und Musso- lini in Spanien zurück, oder wir ergeben uns feige und schmäh- lich dem Faschismus. Die ganze Welt weiss, was
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getan werden muss : es gilt, die
philofaschistische Verräterpolitik zu verlassen und Flugzeuge und Kanonen nach Spanien zu schaf- fen ; es gilt, die Grenzen zu öff- nen und den Engländern und Franzosen, die bei der Verteidi- gung der Europäischen Demo- kratie mittun wollen, freie Hand zu lassen, das zu tun. Diejenigen welche sich auf die
verbrecherische Nicht-Interven- tions-Politik versteifen, sind Feinde des englischen Volkes und wünschen den Untergang der britischen Demokratie; sie wünschen Grossbritannien von einem faschistischen Europa b«?- herrscht zu sehen, um den Sieg der reaktionären Klasse über die Freiheiten des britischen Volkes zu sichern ; sie sind bereit, um ihre verbrecherische Politik fort- setzen zu können, zu dulden, dass der Faschismus eine Macht er- langt, die ihm erlaubt, die bri- tischen Seewege abzuschneiden und die Verteidigung der autono- men Dominion — Neuseeland und Australien — gegen einen Angriff Japans zu erschweren. Die Behauptung, welche diese
Personen vor zwanzig Monaten aufstellten, dass die «Nicht-in- tervention» dazu beitragen wür- de, den Frieden zu erhalten, ist heute als zynische und reaktio- näre Lüge entlarut. Die «Nicht-Intervention» ist
der Name für die verräterrische Übergabe der Schlüsselstellungen an die Faschisten : ist ein Deck- name für das Sprungbrett, das den Faschisten ausgehändigt wird, von dem aus sie ihren ent- scheidenden Vorstoss gegen die letzten Bollwerke der Demokra- tie^ die letzten Bollwerke der freien Arbeiterbewegung in Eu- ropa unternehmen können. Der Augenblick ist gekommen,
wo das ganze demokratische Volk Englands handeln muss. Organisiert euch zu eurer ei-
genen Verteidigung, indem ihr dafür kämpft, dass Waffen und Flugzeuge nach Spanien ge- schickt werden ; organisiert gi- gantische M a n i festationen in allen Städten und Dörfern unse- res Landes ; organisiert Meetin- ge in allen Fabriken und Werk- stätten, zwingt die lokalen Exe- kutivkomitees der «Trade Unions» und der Arbeiterpartei zum Handeln. Der faschistische Krieg ist da.
Die englische Demoratie ist in
Gefahr. Haltet den faschistischen Vor-
marsch in Europa auf! Rettet Grossbritannien, indem
ihr die spanische Demokratie ret- tet ! Flugzeuge, W'afflen und Hilfe
für Spanien ! {«.Daily Worker», 17 März 1938.)
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Gefeilsche anf dem politischen Jahrmarkt
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denn dort ist es, wo man ihm das Geld verwei-
gert ; aber er zieht es vor, seine Wut an einem strategischen Punkte auszutoben, der in der Nachbarschaft Frankreichs liegt, damit die er- schreckten Franzosen intervenieren. Das Feil- schen geht weiter und Mr. Chamberlain ist in einer Anwandlung von Grossmut bereit zu ge- nehmigen, dass die Italiener in ihren kriegeri- schen Versuchen fortfahren und die fehlenden Pfunde in Freiwillige umsetzen. Auf diesem Punkt sind die Verhandlungen
stehen geblieben. Voller Ungeduld, tobt Mussoli- ni im Senat und spielt auf die Freiwilligen an. Es ist die gebieterische Stimme des Fordernden. Lord Plymouth macht im Namen seiner Regie- rung das Angebot, das Spanien bezahlen soll. Und Europa, bestürzt über dieses Schauspiel, fragt sich : Aber was haben die Spanier mit der agressiven Armut des Duce und mit der Unan- tastbarkeit des englischen Geldbeutels zu tun ? So einfach gesehen, erscheint einem die Angelegen- heit wie ein Witz, und dennoch ist es, nach dem Willen der Götter, eine Tragödie. Ein entsetzli- ches Drama, gesteigert durch das Leiden eines Volkes, das als Handelsobjekt dient zwischen dem englischen Egoismus und den grossprecherischen Prahlereien Italiens. Es wäre ehrenhafter, wenn die beiden Parteien ihren Handel direkt austra- gen würden, ohne dritte hineinzuziehen. Aber das bringt das Risiko mit sich, ein Schei-
tern herbeizuführen, da es nicht ganz leicht ist, die Ansprüche eines flegelhaften Armen mit dem Misstrauen eines hochmütigen Reichen auszusöh- nen. Die spanische Sache hat den Vorzug, beiden Parteien zur Abreagierung zu dienen. Etwa so wie zwei Champions im Boxkampf mit dem Trai- ner kämpfen, anstatt miteinander zu kämpfen. Aber das Ernste daran ist, dass wir Spanier im Ernste kämpfen, bis das schimpfliche Gefeilsche ein Ende nimmt und der Jahrmarkt an allen vier Ecken zu brennen beginnt. |
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Die Rede Mussolinis ist eine gewaltige Bedro-
hung der Demokratien. Cäsar würde ihn um den Ton beneiden. Acht Millionen Italiener machen sich anheischig, die Welt zu verschlingen. Keine schlechte Antwort auf das Angebot der friedli- chen Zurückziehung von 12.000 Freiwilligen, die Lord Plymouth macht, diese Drohung, Europa mit neuen acht Millionen Freiwilligen zu über- schwemmen. Von unserem Standpunkt aus ist das einzige,
was unsere lebhafte Neugier erregt, das Geheim- nis um die Harmonie, die zwischen dem gedul- digen Mr. Chamberlain und dem gewalttätigen Mussolini besteht. Ist es eine aufrichtige Har- monie, Oder ist es die Harmonie zwischen dem Schwiegersohn, der um Geld bittet und dem Schwiegervater, der es nicht hr-rgibt? Das Be- klagenswerte an den Wutausbrüchen Mussolinis ist nur, dass Spanien sie bezahlen muss. Und das Beklagenswerte an dem Widerstand Lord Chamberlains ist, dass ihn ebenfalls Spanien be- zahlt. Nur eines setzt uns in Erstaunen : die Er- bärmlichkeit des Schachers. Noch nie hat das Imperium sine Interessen so niedrig eingeschätzt. Wieviel verlangst du dafür, dass du meine See- wege nicht bedrohst? Das ist das englische An- gebot. Das heisst : Wieviel verlangst du, um mein geographisches Statut nicht anzutasten? Worauf Italien erwidert : Die Anerkennung des abessini- schen Imperiums und eine Anleihe. Englands Premierminister, oder, was dasselbe
ist, die City, zittert. Einem unsicheren Volke Geld leihen? Die Tiara des Imperators, wenn sie auch nur Simili ist, würde man dem kleinen Sa- voyen noch zubilligen, wenn die Italiener sich von Berlin distanzierten ; aber Geld ist eine heilige Sache und seine Abtretung bringt mannigfaltige und wesentliche Unannehmlichkeiten mit sich. Dem Duce steigt das Blut zu Kopf, und um
seine Macht zu zeigen, bombardiert er Barcelona. Es wäre viel logischer, die City zu bombardieren, |
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