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VAN HAMEL

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E DONATIONE

A. G. van HAMEL


PROFESSORIS ORDINARII INnbsp;ACADEMIAnbsp;RHENO-TRAIECTINAnbsp;1923-1946

F. H. DANNER BOEKBINDERIJnbsp;UTRECHT


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CARL MEINHOF

DIE ENTSTEHUNG FLEKTIERENDER SPRACHEN

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» RIJKSUNIVERSITEIT UTRECHT

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DIE ENTSTEHUNG FLEKTIERENDER SPRACHEN

EINE UNTERSUOHÜNG

VON

CARL MEINHOF

„ALLES, WOREIN DER MENSCH SICH ERNSTLICH EINLASST. 1ST EIN UNENDLICHES.“

GOETHE (WANDERJAHBE III. 3)

BERLIN 1936

VERLAG VON DIETRICH REIMER

I ANDREWS fir- STEINER /

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Druck von .T. J. Augustin In Glüokstadt 1. Holst.


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Dem unermüdlichen Förderer der afrik anischen Sprachwissenschaft

Seiner Magnifizenz

Herrn Bürgermeister Dr. Werner von Melle

in steter Dankbarkeit gewidmet

vom Verfasser

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Vorwort.

Die von mir hiermit der öffentlichkeit übergebene Untersuchung ist das Ergebnis jahrzehntelanger Arbeit. Icb babe sie mehrere Malenbsp;Studenten als Vorlesung vorgetragen und will nun versuchen, obnbsp;es mir gelingt, einen weiteren Kreis fiir diese Studiën zu gewinnen.nbsp;Dabei bin ich mir der Unzulanglichkeit meiner Arbeit voUauf bewuBt.nbsp;Obwohl ich mich viele Jahrzehnte mit den Sprachen Afrikas be-schaftigt habe, ist mir doch noch sehr vieles fremd auf diesem überausnbsp;umfangreichen Gebiet, und trotz des unermüdlichen selbstlosennbsp;Eifers meiner Mitarbeiter sind noch manche Ratsel zu lösen, bis wirnbsp;das Ganze der afrikanischen Sprachenwelt iibersehen werden. Meinenbsp;Beschaftigung mit den Semitensprachen liegt weit zurück; ich he-kenne mich hier mit aufrichtigem Dank als Schiiler von Augustnbsp;Müller. Meine Studiën im Indogermanischen, die ich an der Handnbsp;von Rudolf V. Raumer begann, sind noch alter. Spater ist mirnbsp;August Schleicher von unschatzharem Wert gewesen, auch für dienbsp;Auffindung der Lautgesetze im Bantu. Manche Anregung undnbsp;Berichtigung verdanke ich hesonders Fraulein Professor Lasch undnbsp;Herrn Dr. Meriggi in Hamburg. Aber freilich, es wird eine vielnbsp;umfassendere Sachkenntnis, als ich sie besitze, dazu gehören, um dienbsp;Probleme, an die ich mich gewagt habe, wirklich gründhch zu be-handeln. Ich werde aber zur Zeit in dieser Sache kaum viel welternbsp;komipen, als es mir bisher gelungen ist. Deshalb wird es nützlichnbsp;sein, zunachst einmal einen AbschluB zu gewinnen. Dann kann ichnbsp;selbst auf dieser Grundlage aufs neue begiimen, oder andere mitnbsp;jüngeren Kraften und besserem Material, als wir es heute haben,nbsp;können welter forschen auf dem Wege, auf dem sich mir neue Auf-schlüsse über das Wesen der flektierenden Sprachen zu bieten scheinen.

Hamburg, im August 1935.

Carl Meinhof.


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Inhalt.

1. nbsp;nbsp;nbsp;Arbeitsweise.......................................... 9

2. nbsp;nbsp;nbsp;Begriff der flektierenden Sprachen...................... 11

3. nbsp;nbsp;nbsp;Das Gebiet der flektierenden Sprachen ................. 21

4. nbsp;nbsp;nbsp;Die Entstehung von Bildungselementen................. 27

5. nbsp;nbsp;nbsp;Tonhöhe und Druokstarke............................. 34

6. nbsp;nbsp;nbsp;Die Lautveranderungen im Wort....................... 40

7. nbsp;nbsp;nbsp;Innerer Vokalwechsel ................................. 46

8. nbsp;nbsp;nbsp;Die Klasseneinteüung ................................. 57

9. nbsp;nbsp;nbsp;Das grammatische Geschlecht................. 63

10. nbsp;nbsp;nbsp;Die Mannigfaltigkeit der Pluralbildung.................. 77

11. nbsp;nbsp;nbsp;Kasus ............................................... 83

12. nbsp;nbsp;nbsp;Das Verbum ......................................... 93

13. nbsp;nbsp;nbsp;Ergebnis............................................. 104

14. nbsp;nbsp;nbsp;Literatim............................................. 105

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1, Arbeitsweise.

Gegen die Afrikanistik ist oft der Vorwurf erhoben worden, daB sie nicht sprachgeschichtbch arbeiten könne, weil altere Literatur-denkmaler nicht verhanden waren. Ich halte diesen Vorwurf fürnbsp;durchaus unbegründet, zunachst deshalb, weü wir z. B. in der poeti-schen Sprache der Suaheli Literaturdenkmaler vor uns haben, dienbsp;nachweislich um Jahrhunderte zurückreichen und eine sehr vielnbsp;altertümlichere Sprache aufweisen, als sie heute gesprochen wird.nbsp;Wir haben ferner in der altnubischen Literatur noch altere Denkmalernbsp;einer Sudansprache und in den libyschen und meroitischen Inschriftennbsp;Reste von Hamitensprachen, die erheblich alter sind, und schlieBHohnbsp;im Agyptischen sogar eine Literatur, die zu den altesten der Erdenbsp;gehort. AuBerdem muB immer wieder darauf verwiesen werden, daBnbsp;zeitgeschichtliche und sprachgeschichtliche Vorgange verschiedenennbsp;Gesetzen folgen^). Das heute gesprochene Litauisch ist z. B. sprach-geschichtlich eine sehr altertümliche Sprache.

Auch meine Darstellung der Bantulautlehre ist durchaus sprach-geschichtlich gedacht, weü sie in den heute gesprochenen Sprachen festzustellen sucht, welche Formen die alteren und welche die jüngerennbsp;sind, und es ist gegen meine Darstellung etwas Stichhaltiges bishernbsp;nicht eingewendet worden. Sie hat sich im Gegenteil bewahrt auchnbsp;bei der Analyse mir unbekannter Bantusprachen. Im übrigen muBnbsp;ich ipich durchaus der Ansicht von W. Wundt anschlieBen, daB zumnbsp;Verstandnis sprachlicher Vorgange die Sprachgeschichte aUein nichtnbsp;ausreicht. Die Geschichte kann uns z. B. lehren, welche Lautenbsp;zusammengetroffen sind, und welche Veranderungen die Laute dabeinbsp;erfahren haben, aber sie versagt, wenn die Frage aufgeworfen wird,nbsp;warum nun in Sprachen, die nicht miteinander verwandt sind, völlignbsp;identische Lautveranderungen auftreten, wie die Dissimüationen undnbsp;Assimilationen. Hier muB die Sprachpsychologie einsetzen und ver-suchen, das Ratsel zu lösen.

So sehe ich mich auch hier genötigt, viele Vorgange zu erörtern, die sich geschichtlich nicht erfassen lassen, wie z. B. die Beziehungnbsp;zwischen Vokalwandel und Ortsvorstellung, die Beziehung zwischennbsp;Vgl. S. 19f.

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Klasse (Genus) und Numerus, die Beziehung zwischen Person und Subjekt, Sache und Objekt. Hier kann icb mich nicht an die Zu-sammenhange binden, wie wir sie bei verwandten Sprachen vorfinden,nbsp;sondern bin genötigt, darüber hinauszugreifen auf die Gefahr hin,nbsp;gelegentlich auch einmal einen psychologischen Zusammenhang zunbsp;vermuten, wo ein solcher nicht yorliegt. Aber ich sehe keinen anderennbsp;Weg, um überdie Schraukenhinauszukommen, dieunsheutegesetztsind.

Besonders bedenklich scheint mein Verfahren zu sein, wo es sich um die Beziehung der Klassensprachen zu den Hamitensprachennbsp;handelt. DaB die indogermanisohen Sprachen Spuren einer Klassen-einteilung aufweisen, ist heute aUgemein angenommen. Auch fürnbsp;die semitischen Sprachen sind diese Spuren nachweisbar. Dasselbenbsp;gilt für die hamitischen Sprachen. Die letzteren stehen aber heutenbsp;noch vielfach in unmittelbarer Berührung mit Sprachen, die hand-greiflich der Edasseneinteilung unterworfen sind, und haben siehernbsp;seit sehr langer Zeit mit ihnen in Verbindung gestanden. Da scheintnbsp;mir die Frage berechtigt, ob jene Spuren der Klasseneinteilung vonnbsp;diesen afrikanischen Klassensprachen stammen, entweder daB dienbsp;Hamitensprachen aus den Klassensprachen Afrikas sich entwickeltnbsp;haben, oder daB bei dem langen Zusammenleben beider Sprach-gruppen eine gegenseitige Beeinflussung stattgefunden hat. Freiüchnbsp;ist es auch möglich, daB die Hamitensprachen ebenso wie die Semiten-sprachen ihre Klasseneinteilung aus einer dritten Sprachgruppe ge-wannen. Der letzte Fall ist vielleicht der wahrscheinlichste, dennnbsp;die Semiten- iind Hamitensprachen mit ihrem ausgesprochenennbsp;Konsonantismus stehen in der allgemeinen Form der Wortstammenbsp;im starken Gegensatz zu den vokalreichen Sprachen der Ful und Bantu,nbsp;den Hauptvertretern der Klassensprachen in Afrika. Viel ehernbsp;erinnern vokalarme Klassensprachen des Kaukasusgebietes^) an dennbsp;konsonantischen Aufbau der Hamiten- und Semitensprachen1 2). Ver-gleicht man aber z. B. manche Wortstamme des Galla mit Bantu-wortstammen, so ist man oft geradezu betroffen von ihrer Ahnlich-keit — es handelt sich hier natürlich nicht um die Bedeutung sondernnbsp;nur um die Form.

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1

') Vgl. Meillet und Cohen a. a. O. S. 328.

2

Ich halte es allerdings für wahrscheinlich, dafi der heutige Zustand der Semiten- und Hamitensprachen, bei dem die Vokale nur eine sekundare Bedeutung haben, erst unter der Herrschaft des dynamischen Akzents entstandennbsp;ist, und daB früher auch hier wie im Ful und Bantu sinngebende Vokale in dennbsp;Stammen der Worte zu finden waren.

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Z. B. Suaheli; Iconda, hua, lala, mwne, oa, simha, sombo, tmnajtun^a etc.

Galla^); kondala, Ima, lala, mume, oa, simbo, somba, tuma etc. Und doch ist Galla zweifellos eine dem Somali nahestehende Hamiten-sprache.

Ahnlich ist es im Hausa^), z. B. kula, lala, mummuke, uwa, soma, suma, tuma, tuiiga etc.

Nim ist ja für das Hausa klar, daö es dutch seine Berührung mit sudanischen Sprachen einen erheblichen Teil seines hamitischennbsp;Charakters eingebüBt hat. So kann auch der Charakter des Gallanbsp;dutch Berührung mit anderen Sprachen stark verandert sein. Abernbsp;dasselbe kann ja auch mit den afrikanischen Klassensprachen ge-schehen sein, daö sie zwar ihre Klasseneinteilung behielten, aber imnbsp;Lautcharakter dutch Berührung mit sudanischen Sprachen starknbsp;verandert wurden.

Wie kompliziert der Sachverhalt ist, zeigt auch der Umstand, daU das Masai und die verwandten Sprachen handgreiflich neben demnbsp;grammatischen Genus Beste von Klasseneinteilung aufweisen, daBnbsp;aber diese Klassen sich von denen der afrikanischen Klassensprachennbsp;deutlich unterscheiden.

Es ist also bisher keine Möglichkeit gegeben, hier zu einer sicheren geschichtlichen Erkenntnis zu kommen, und wir müssen uns damitnbsp;begnügen, die afrikanischen Klassensprachen logisch als Vorgangernbsp;der Genussprachen anzusehen, obwohl wir einen historischen Zu-sammenhang nicht nachweisen können.

Wenn ich es versucht habe, auf einem so unsicheren Boden einen Pfad zu finden, so wird man nicht erwarten können, daB ich immernbsp;das Richtige treffe. Aber vielleicht ist es mir gelungen, die Fragen,nbsp;die^sich ergeben, etwas genauer zu formulieren und sie dadmch dernbsp;Beantwortung naher zu bringen, die wir in ihrem ganzen Umfangnbsp;erst in der kommenden Zeit erwarten dürfen.

2. Begriff der flektierenden Sprachen.

Wir Europaer sind zumeist gewohnt, eine flektierende Sprache zu sprechen und in ihr zu denken. Selbst wenn wir fremde Sprachennbsp;erlernen, bleiben wir in der Regel im Bereich dieser Sprachart, da janbsp;1) Nach Foot.nbsp;nbsp;nbsp;nbsp;“) Naoh Bargery.

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die weit überwiegende Mehrzahl der europaischen Sprachen zu den flektierenden gehört. Beginnt ein Europaer, sich mit semitischennbsp;Sprachen zu beschaftigen, so steht er zunachst unter dem Eindruck,nbsp;daB er sich hier in einer neuen Welt befindet. Aber bei naherernbsp;Betrachtung bemerkt er doch, daB er es auch hier mit flektierendennbsp;Sprachen zu tun hat. Die Beschaftigung mit Sprachen, die wedernbsp;der einen noch der andem Gruppe angehören, ist heute in Europanbsp;noch verhaltnismaBig selten, obwohl Finnisch, Magyarisch und Tür-kisch dazu einladen.

Aus diesem Tatbestand ergibt sich nun für uns Europaer die Schwierigkeit, einen vorurteilsfreien Bliek für das Wesen der Sprachenbsp;zu gewinnen. Wir sollen von dem Mittel absehen, dessen wir unsnbsp;beim Nachdenken über die Sprache bedienen, von der uns gewohntennbsp;Sprache. Das ist auBerordentlich schwer. — Vieles erscheint unsnbsp;selbstverstandlich, was es durchaus nicht ist, anderes seltsam, wasnbsp;an sich vielleicht logisch richtiger ist als eine uns gelaufige Sprach-form. Manches halten wir für unbedingt notwendig, was doch vielennbsp;Sprachen fehlt. Zumeist gehen wir sogar von der Voraussetzung aus,nbsp;daB unsere Sprachform die höchste ist^) — wahrend doch ein ürteilnbsp;über den Wert verschiedener Sprachen erst dann abgegeben werdennbsp;könnte, wenn wir imstande waren, uns anderer Sprachformen mitnbsp;einer ahnlichen Leichtigkeit zu bedienen wie unserer Muttersprache^).

Aus diesem Grunde glaube ich, daB es für eine Untersuchung des Ursprungs flektierender Sprachen von Vorteil ist, wenn ein Afrikanistnbsp;sie unternimmt, weil seine Wissenschaft ihn veranlaBt, sich vor-wiegend mit Sprachen zu beschaftigen, die wir nicht zu den flektierenden rechnen. Dabei bietet sich gerade ihm noch ein zweiternbsp;Vorteil vor denen, die mit andern Sprachformen zu tun haben.

Zu den flektierenden Sprachen gehören ja nicht nur die indoger-manischen und semitischen, sondern auch ein Teil der afrikanischen Sprachen, die wir unter dem Namen ,,Hamitensprachen“ zusammen-

Vgl. W. V. Humboldt, Über die Versohiedenheit des menschlichen. Sprach-baus 3. 1883, S. 310: „Denn daB unter den abstrakten (Sprachformen) die flektierenden die allein richtigen genannt werden können, dürfte nicht leicht bestritten werden.quot;

'*) Das ürteil über eine Sprache wird oft auch dadurch getrübt, daB die in ihr abgefaBte Literatur besonders hoch geschatzt ist. Damit wird aber einnbsp;fremder Gesichtspunkt herangezogen, denn Reichtum und Klarheit der Gram-matik braucht nicht mit hoch entwickelter Literatur zusammenzufallen,nbsp;vgl. Hmnboldt a. a. O. S. 207 ff.

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fassen^). In ihnen hat der Afrikanist noch ein weites Yergleichs-material, das neue Betrachtungsweisen ermöglicht. Das ist um so wichtiger, als die „Haniitensprachen“ nicht immer scharf von anderennbsp;Sprachtypen abgegrenzt sind. Die Aussicht, in das Werden flek-tierender Sprachen hineinschauen zu können, scheint also hier mehrnbsp;als sonst gebeten. Dies hat mich als Afrikanisten bewogen, demnbsp;Problem der Entstehung flektierender Sprachen nachzugehen.

Es kann sich nun natürlich nicht darum handeln, für alle flek-tierenden Sprachen den Nachweis zu führen, wie sie entstanden sind. Das würde weit über den Rahmen der Aufgabe, die ich mir gestelltnbsp;habe, hinausgehen. Meine Absicht ist zunachst nur, einen Weg zunbsp;zeigen, wie man sich die Entstehung einiger flektierender Sprachennbsp;auf Grund der uns bekannten Tatsachen vorstellen könnte. Es wirdnbsp;dann vieler Einzelarbeiten bedürfen, um zu ermitteln, was sich davonnbsp;für die Entstehungsgeschichte anderer Sprachen und Sprachgruppennbsp;verwerten lafit. Zur Zeit sind ja die flektierenden Sprachen nochnbsp;wie durch eine eherne Mauer von den andern abgetrennt. Wenn esnbsp;nun gelingen sollte, diese Mauer auf einem Punkt zu durchbrechen,nbsp;so ware zu boffen, dafi Zusammenhange der flektierenden mit nicht-flektierenden Sprachen auch an anderer Stelle erkannt werden. Dienbsp;Mauer wird bleiben, aber sie wird nicht mehr ein absolutes Hindernisnbsp;für die Forschung sein. Diesen Durchbruch zu versuchen, dazunbsp;scheint sich wie gesagt in Afrika die Möglichkeit zu bieten^).

Ehe wir uns aber an diese Aufgabe wagen, werden wir zunachst fest-stellen müssen, was wir unter flektierenden Sprachen verstehen.

Die landlaufige Erklarung wird sein, daB es Sprachen sind, die eine Flexion, also Deklination und Konjugation, haben. Aber diesenbsp;Erldarung ist völlig unzureichend. Man muB in allen Sprachen dernbsp;Welt ausdrücken können, ob das Nomen als Einzahl oder als Mehrzahlnbsp;aufzufassen ist, ob es Subjekt oder Objekt sein soil. Ebenso muBnbsp;man sagen können, welche Person handelt, ob ich, du oder er, fernernbsp;ob etwas geschehen ist oder erst geschehen soil. Wenn man unternbsp;Flexion den Ausdruck dieser und ahnücher Beziehungen der Wortenbsp;zueinander versteht, dann sind alle Sprachen der Welt flektierend.nbsp;Das ist also mit dem Ausdruck ,,flektierende Sprachen“ nicht gemeint.

Ich gebrauche den Ausdruck in diesem weiteren Sinn. E. Zyhlarz be-schrankt ihn auf die genuinen Hamitensprachen: Berberisch, Agyptisch, Kuschitisch.

Es ist mir b©kannt,‘ dafi die Beziehungen der finnisch-ugrischen Sprachen zu den indogermanischen ernsthaft untersucht werden; doch vgl. Winkler a. a. O.

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Nehmen wir als Beispiel einer nichtflektierenden Sprache eine isolierende Sudansprache, das Ewe. Man bildet bier von amenbsp;„Mensch“ die Mehrzahl ame-o „Menschen“. Das Subjekt und Ob-jekt wird ahnlich wie im Französiscben dadurcb unterschieden, daBnbsp;das Subjekt unmittelbar vor dem Verbum steht, das Objekt nicht.nbsp;Man konjugiert das Verbum durch vorgestelltes Pronomen, z. B.nbsp;e-va ,,er kam“, o-va „sie kamen“. Das scheint ahnlich zu sein wienbsp;in flektierenden Sprachen. Nun sind aber -o, e-, o- nicht eigentlichnbsp;Suffixe Oder Prafixe, sondern selbstandige Worte, die nur vom Euro-paer als Bildungselemente mit einem andern Wort ame oder va zu-sammengeschrieben werden, ahnlich dem Deutschen ich kam, er kamnbsp;oder dem englischen we are, you are, they are. o ,,sie“ ist also alsnbsp;selbstandiges Pronomen im Gebrauch und bezeichnet den Pluralnbsp;beim Nomen und beim Verbum. Das ist die Bildungsweise einernbsp;isolierenden Sprache.

Im Suaheli, einer agglutinierenden Bantusprache, bildet man von m-ti ,,Baum“ die Mehrzahl mi-ti. Vom Verbum ku-fa „sterben“nbsp;bildet man das Perfekt

ni-me-ku-fa „ich bin gestorben“ u-me-ku-fa „du bist gestorben“nbsp;a-me-ku-fa ,,er ist gestorben“ usw.

Das Futurum lautet: nbsp;nbsp;nbsp;.

ni-ta-ku-fa „ich werde sterben“ u-ta-ku-fa „du wirst sterben“nbsp;a-ta-ku-fa ,,er wird sterben usw.

Diese Bildungsweise unterscheidet sich wesentlich von der des Ewe, deim im Ewe werden selbstandige Worte verwandt, um anderenbsp;Worte „abzuwandeln“, hier aber Prafixe, die für sich nicht existieren.nbsp;Das Pluralzeichen mi- tritt im Suaheli an Stelle des Singularprafixesnbsp;m-. Beide erscheinen wohl vor andern Substantiven und Adjektiven,nbsp;aber niemals als selbstandige Worte. Ebensowenig kann man dienbsp;Pronominalprafixe vor dem Verbum ni-, u-, a- etc. allein gebrauchen,nbsp;sie sind Verbalprafixe^). Hier wird also im Unterschied vom Ewenbsp;die ,,Abwandlung“ ausgedriickt durch Bildungselemente, die nichtnbsp;als selbstandige Worte in der Sprache vorkommen.

Ganz ebenso liegt es nun bei vielen Bildungen der flektierenden Sprachen. Wenn der Lateiner von leo(n) den Plural leones bildet

Ï) Doch vgl. S. 30, Artm. 2.

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Oder von vent-us den Plural vent-i, so entspricht das ganz der Bildungs-weise des Suaheli m-ti, pi. mi-ti, nur daB das Lateinische sich der Suffixe, das Suaheli der Prafixe bedient^).

Ahnlich ist es bei vielen Verbalformen,

z. B. lavda-ba-m „ich lobte“ lauda-ba-s „du lobtest“nbsp;lauda-ba-t „er lobte“ usw.

Oder lavda-re-m „ich würde loben“ lauda-re-s „du würdest loben“nbsp;lauda-re-t „er würde loben“ usw.

Auch diese Bildungen unterscheiden sich nicht wesentlich von den oben aufgeführten Suabeliformen.

Wir finden also in einer flektierenden Sprache, wie es das Lateinische ist, Bildungselemente, die keine selbstandige Bedeutungnbsp;mehr haben. Das Lateinische unterscheidet sich dadurch vonnbsp;den isolierenden Sprachen, teilt diese Eigenschaft aber mit andernnbsp;Sprachen, die wir nicht als flektierend ansehen.

Wir müssen also weitere Merkmale flektierender Sprachen suchen. Als solches bietet sich uns die Veranderlichkeit des Wort-stammes.

In isolierenden Sprachen, wie es das Ewe ist, sind die samthchen Wurzeln bzw. Worte der Sprache, abgesehen von einigen lautlichennbsp;Angleichungen, unveranderhch. Auch in agglutinierenden Sprachennbsp;wie im Suaheli sind die Wortstamme unveranderhch, nur Prafixenbsp;und Suffixe wechseln. Aber auch in flektierenden Sprachen ist,nbsp;wie wir gesehen haben, in vielen Fallen der Wortstamm unveranderhch.nbsp;Dies ^t jedoch nicht immer der FaU. Vielfach erscheint der Wortstamm mit verschiedenen Vokalen. Wir bilden im Deutschen ichnbsp;gebe, ich gab; ich grabe, ich grub, der Graben; ich treibe, ich trieb, dernbsp;Treiber, die Trift; ich trinke, ich trank, getrunken, der Trinker, dernbsp;Trank, der Trunk usw., und wir empfinden diese Worte mit ver-schiedenem Stammvokal doch als eng zusammengehörig. Ebensonbsp;bildet man im Hebraischen von qHöl ,,töten“ qaïdl „er hat getötet“,nbsp;ggiël „tötend“, qatül ,,getötet“ usw. Ebenso bildet man im Somah,nbsp;®iner Hamitensprache, i-mad-a „ich komme“ neben i-mid „ich binnbsp;gekommen”, a-qdn „ich weiB“ neben i-qtn „ich habe gewuBt“ usw.

’) Humboldt halt freilich nur Suffixe für eigentliche Bildungselemente a- O. 8. 139.

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Hier liegt also ein wirkliches Unterscheidungsmerkmal der flek-tierenden von den nichtflektierenden Sprachen vor^).

Allerdings darf man nicht vergessen, daB man z. B. im Konde, einer ostafrikanischen Bantusprache, von -angala „sich wohl be-finden“ den Perfektstamm -angele bildet, von -bqna ,,sehen“ dennbsp;Perfektstamm -buene. Auch im poetischen Suabeli braucbt mannbsp;noch das alte Perfekt -pete von -pata „bekommen“. Wir werdennbsp;diese Bildungen als Assimilationen und Kontraktionen erkennen,nbsp;aber sie zeigen, daB auch in Bezug auf den innern Vokalwechsel dienbsp;Grenze zwischen flektierenden und agglutinierenden Sprachen nichtnbsp;eine ganz feste ist.

Ein weiteres Unterscheidungsmittel ist die Mannigfaltigkeit der Pluralbildung.

Im Ewe wird, wie wir sahen, der Plural regelmaBig mit angefügtem -WO gebildet. Wir machten bereits darauf aufmerksam, daB dasnbsp;Lateinische Plurale auf -ês und -i bildet. Aber es gibt hier ja nochnbsp;andere Pluralformen, z. B. mens-ae von mens-a, venên-a von venên-um,nbsp;fruct-üs von fruct-us. Im Deutschen bilden wir die Schluchten vonnbsp;Schlucht, die Früchte von Frucht, die Manner von Mann, die Bdumenbsp;von Baum, die Lander und die Lande von Land. Ahnlich ist es innbsp;andern flektierenden Sprachen. Das Hebraische unterscheidet dienbsp;Zweizahl von der Mehrzahl und hat für die Letztere wieder zwei ver-schiedene Formen entsprechend dem Genus. Das Arabische hat sonbsp;viele Arten der Pluralbildung, daB der Anfanger sie bei jedem Wort

1) Die Einteilung der Spracht5rpen von Schleicher a. a. O. S. 2—4 scheint mir im groBen und ganzen heute noch brauchbar zu sein, nur müBten die vonnbsp;ihm verwandten Formeln etwas genauer gefaBt werden, etwa in folgendernbsp;Weise:

a) nbsp;nbsp;nbsp;isolierende Sprachen, in denen Wurzeln einander bestimmen. Dasnbsp;wiirde, wenn wir die Wurzel mit R bezeichnen, ergeben RRR. . . bisnbsp;zum nten R = R“.

b) nbsp;nbsp;nbsp;zusammenfügende Sprachen, die zu den unveranderlichen Stammen Prafixe = p, Suffixe = s hinzufügen können uiid zwar in beliebigernbsp;Anzahl. Das wiirde ergeben p“Rs“. (Einige indonesische Sprachennbsp;besitzen auBerdem Infixe.)

c) nbsp;nbsp;nbsp;flektierende Sprachen, in denen der Stamm selbst abgewandeltnbsp;werden kann, also als Rj, Rj, R3, im ganzen also als Rn (nicht R^, wienbsp;Schleicher vorschlagt) auftritt. Dabei wird die Methode der Zusammen-fügung mit Bildungselementen beibehalten. Das ergibt p”RnSquot;.

Gegen diese Dreiteilung wendet sich Humboldt mit groBer Lebhaftigkeit. Für ihn sind die agglutinierenden Sprachen nur .stets miBlimgene Versuche,nbsp;die Flexion zu erreichen. Für ihn gibt es also eigentlich nur flexionslose undnbsp;flektierende Sprachen, a. a. O. S. 142f.

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besonders lemen mu6, z. B. sariqüna von sariqun „Dieb“, kutubun von kitdbun ,,Bueb“, biKarun von baKrun „Meer“, Kukkamun vonnbsp;^himun „Richterquot;, bvManun von baladun ,,Stadt“. lm Schilh,nbsp;einer Hamitensprache, bildet man ikru-an von ihru ,,Hammer‘,nbsp;ilsdun von ils ,,Zunge“, imusa von amus ,,Katze“, iderdar von adurdurnbsp;„Tauberquot;, timydrin von tamyart ,,Frau“ usw.

Die Gründe für diese Mannigfaltigkeit beschaftigen uns jetzt nicht, sondern nur die Tatsache.

Wir haben also in der Mannigfaltigkeit der Pluralbildung ein gutes Kennzeichen der flektierenden Sprachen gefunden.

Aber auch dies Kennzeichen ist keineswegs stets zuverlassig. Wir sahen, daB im Suaheli mi-ti der Plural zu m-ti ,,Baumquot; war, abernbsp;es gibt hier, wie in andern Bantusprachen, noch eine ganze Füllenbsp;andrer Pluralbildungen, z. B. wa-thu von m-thu ,,Mensch“, vi-su vonnbsp;ki-su „Messerquot;, ma-we von dji-we „Stein“ usw.

Wir werden also noch weitere Unterscheidungsmerkmale suchen müssen, und da bietet sich nun eine höchst bemerkenswerte Er-scheinung, die nur in flektierenden Sprachen anzutreffen ist, das istnbsp;das grammatische Geschlecht.

M|in darf das grammatische Geschlecht nicht mit dem Sexus, dem natürlichen Geschlecht, verwechseln. In allen Sprachen dernbsp;Welt kann man irgendwie zum Ausdmck bringen, ob die Person,nbsp;Von der man spricht, ein Mann oder eine Frau ist, ob das Tier, vonnbsp;dem die Rede ist, mannliche oder weibliche Eigenschaften hat. Wortenbsp;wie „Mann“ und ,,Prau“ finden sich überall, imd wo man Haustierenbsp;halt, auch Worte wie „Hengstquot; und „Stutequot;, „Stierquot; und ,,Kuh“nbsp;oder ahiüiches.

Die flektierende Sprache hat aber für mannliche und weibliche Wesen auch verschiedene Pronomina, die andere Sprachen nichtnbsp;besitzen. Den Satz Ewe ekpoe, Suaheli amemuona kann ich über-setzen ,,er hat ihn gesehenquot;, „er hat sie gesehènquot;, „sie hat ihn ge-fiehenquot;, ,,sie hat sie gesehenquot;, und man müBte, wenn es darauf an-kame, in diesen Sprachen die Worte ,,Mann“ und ,,Frauquot; hinzufügen,nbsp;Om den Sinn genau wiederzugeben. Das unterbleibt natürlich da,nbsp;Wo der Sinn sich aus dem Zusammenhang ergibt.

Wahrend aber die Sprache mit diesem Gebrauch sich noch immer ini Gebiet des natürlichen Geschlechts bewegt, wenden nun dienbsp;flektierenden Sprachen den Genusunterschied durchaus nicht nur ,nbsp;s-uf das natüriiche Geschlecht an, sondern sie brauchen die Genus-formen oft, ohne sich um den Sexus im mindesten zu kümmern.

2 Meinhot nbsp;nbsp;nbsp;17

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Man sagt die Katze und der Hund, die Schlange und der Ease, die Schnecke und der Kdfer, der KuckvEc und die Nachtigall, ohne damitnbsp;einen Geschlechtsunterschied bezeichnen zu wollen. Man sagt dienbsp;Ordonnanz, obwohl sie sicher ein Mann ist, der Dienstbote, auch wennnbsp;es sicb um ein Madehen handelt.

SchlieBIich wendet man sogar den Genusunterschied auf Gegen-stande an, die mit dem Sexus gar nichts zu tun haben, wie Himmel und Erde, Sonne und Mond^), Baum und Blume, Tisch und Lampe usw.

Wenn wir diesen Sprachgebraueh nicht so gut kennten, wiirden wir ihn höchst seltsam linden, da er ja der Logik ganzlich zu entbehrennbsp;scheint. Können wir uns doch meist, wenn wir nicht zufallig Sprach-forscher sind, gar keine Rechenschaft dariiber geben, warum wir einnbsp;Wort dem einen oder andern Genus zuweisen. Auch treffen dienbsp;verschiedenen Sprachen ihre Entscheidung über das Genus ganznbsp;verschieden, so daB der Anfanger beim Erlernen einer neuen Sprachenbsp;das Genus der Worte sich miihsam einpragen muB.

Für diese Erscheinung fehlen uns auBerhalb der flektierenden Sprachen die Analogien zunachst ganzlich. Wir werden allerdingsnbsp;spater sehen, daB auch dieser Graben nicht unüberbrückbar ist.

Wir finden also, daB die flektierenden Sprachen

1. nbsp;nbsp;nbsp;manche Eigenschaften mit allen Sprachen gemeinsam haben,

2. nbsp;nbsp;nbsp;daB sie manche Eigenschaften nur mit einigen anderen Sprachen gemeinsam haben,

3. nbsp;nbsp;nbsp;daB sie einige Eigentiimhchkeiten für sich allein besitzen, abernbsp;daB auch diese Grenzen doch nicht immer ganz feste sind.

Die Erage nach der Entstehung flektierender Sprachen würde also nun genauer lauten: Wie konnten die Eigenschaften der flektierenden Sprachen entstehen, die sie von andern Sprachen unter-scheiden ?

Man kann diese Erage auf Grund allgemeiner psychologischer Er-wagungen zu beantworten versuchen. Es ware dabei allerdings nicht sicher auszumachen, ob die so gewonnenen Ergebnisse dem wirklichennbsp;Verlauf der Dinge entsprechen. Wir sind aber in der Lage, diese Er-wagungen durch tatsachlich vorhandenes Material zu unterstützen,nbsp;wir können also die historische Methode, die uns in der Sprachfor-

1) Natürlich ist nicht zu leugnen, daB „Himmel“ und „Erde“ mythologisch als Mann und Frau aufgefaBt werden, so auch ,,Mond“ und „Sonne“, abernbsp;daB in vielen Sprachen auch ,,Sonne“ als mannlich, „Mond“ als weiblichnbsp;bezeichnet wird, beweist schon, daB diese Gruppierung nicht zwangslaufignbsp;und eindeutig ist.

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schung so wichtige Dienste geleistet hat, auch hier anwenden. Wir mussen uns nur von dem Irrtum freimachen, als wenn zeitgeschicht-liches und sprachgeschichtliches Alter zusammenfieleni). Die Sprach-denkmaler, die die altesten ürkunden Agyptens und Babyloniensnbsp;Uns an die Hand geben, sind ja durchaus nicht ursprünglich, sondernnbsp;haben bereits eine lange Geschichte hinter sich. Kein Schriftdenkmalnbsp;reicht in jene Zeit zurück, wo die flektierenden Sprachen noch nichtnbsp;flektierend waren. Trotzdem werden viele Hunderte nichtflek-tierender Sprachen heute noch auf der Erde gesprochen, die also fürnbsp;unsere Auffassung wahrscheinlich sprachgeschichtlich alter sind alsnbsp;das alteste Sprachdenkmal flektierender Sprachen^). Es ist auch nichtnbsp;unwahrscheinlich, da6 sich Übergangsformen zwischen flektierendennbsp;und nichtflektierenden Sprachen aus jener uralten Zeit erhaltennbsp;haben, als es zur Bildung flektierender Sprachen kam.

Die Frage nach der Entstehung flektierender Sprachen würde sich darnach so formulieren lassen:

Gibt es heute noch Übergangsformen, die uns die Entstehung flektierender Sprachen aus andern Sprachformen begreiflich machennbsp;können ?

D^ ich glaube, diese Frage auf Grund meiner Studiën in afrikanischen Sprachen bejahen zu können, sind wir nicht nur auf aUgemeine psychologische Erwagungen angewiesen, sondern können auf Grund von Be-obachtungen an tatsachlich vorhandenen Sprachen arbeiten.

Dabei wird allerdings eine ganz bestimmte Auffassung der all-gemeinen Sprachgeschichte vorausgesetzt.

Wenn man die Entwicklung der europaischen Sprachen verfolgt, ®o steht man unter dem Eindruck, daB hier starke Verfallserschei-Uungen zu Tage treten. Die alten Kasusendungen sind meist ge-schwunden, die Pluralbildung ist vereinfacht, der Wechsel des Stamm-quot;^okals ist beschrankt, und auch das grammatische Genus ist oftnbsp;^urückgetreten. Ein Vergleich des Lateinischen mit dem Französi-sehen, des Gothischen mit dem Englischen und Danischen zeigtnbsp;das u. a. ganz unwiderleghch. So waren besonders die Begründernbsp;der historischen Schule geneigt, die Sprachveranderung als Degeneration, als Verfall anzusehen®). Denkt man diesen Gedanken zu Ende,

') Vgl. S. 9.

“) Natürlich ist der Fall nicht auageschlossen, daB eine Sprache Flexions-iormen wieder verloren hat, vgl. S. 20.

*) So noch G. Curtins, Grundzüge der griechischen Etymologie^ Leipzig 1869, 23, 379 , WO er als Ursache der Lautveranderung nur die Verwitterimg annimmt.

2* nbsp;nbsp;nbsp;19

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so mü6te eine hoch entwickelte Sprache am Anfang der Sprach-geschichte gestanden haben, die dann im Laufe der Zeit immer mehr zerfallen ware^).

So unwahrscheinlich diese Annahme an sich ist, so ware sie auch als reine Hypothese nur verwendbar, wenn wirklich alle Sprachennbsp;der Welt flektierend waren. Da sie es handgreiflich nicht sind,nbsp;würden sich zur Erklarnng, soviel ich sehe, nur zwei Möglichkeitennbsp;bieten, die beide gleich unwahrscheinlich sind.

Man könnte annehmen, daB die nichtflektierenden Sprachen die Flexion verloren batten, ahnhch wie heute das Englische sich demnbsp;flexionslosen Zustand nahert. Aber nichts berechtigt uns, einen der-artigen Ablauf der Sprachgeschichte für die Sprachen der gelben,nbsp;roten, braunen und schwarzen Rassen anzunehmen. Das ware alsonbsp;eine reine Fiktion, der nichts Wirkliches entspricht. Dann bliebenbsp;nur die zweite Möglichkeit, daB die flektierenden Sprachen durcbnbsp;eine selbstandige Neuschöpfung, anders als die andern Sprachennbsp;entstanden waren. Auch das widerspricht aller Erfahrung; denn dienbsp;nichtflektierenden Sprachen erweisen sich trotz ihrer Verschieden-heit von der uns gewohnten Art doch so wenig als fremdartig für einnbsp;europaisches Denken, daB sich der Europaer ihrer z. B. in Afrika gernnbsp;bedient, und nichtflektierende Sprachen in Ostasien die Trager einernbsp;bedeutenden Geisteskultur geworden sind. Also von einer Grenzenbsp;zwischen den flektierenden und nichtflektierenden Sprachen imnbsp;Verkehr der Völker ist keine Rede; sie besteht nur für die Theorie dernbsp;geschulten Linguisten.

Wir werden also zu der Annahme gedrangt, daB der Vorgang der Degeneration keineswegs allein die Sprachgeschichte beherrschtnbsp;haben kann, sondern daB daneben eine Entwicklung hergeht, die vonnbsp;einfacheren zu immer reicheren Formen geführt hat.

Es kann ja nicht zweifelhaft sein, daB die ersten Menschen sich in einfachen Lebensverhaltnissen bewegten und sich einfacher Denk-formen bedienten. Dem muB ihre Sprache entsprochen haben. Beinbsp;der Vermehrung der Menschen, bei der Ausbildung ihrer Bedürfnissenbsp;und Tatigkeiten muBte auch die Sprache reicher werden. Freilichnbsp;ist diese Entwicklung bei den verschiedenen Vólkern sehr verschiedenenbsp;Wege gegangen. Man ist im Irrtum, wenn man annimmt, daB allenbsp;nichtflektierenden Sprachen in ihrem Bau einfach sind. Das istnbsp;durchaus nicht der Fall. Auch ist es nicht so, daB die flektierenden

Schleicher nimmt deshalb zuerst Entwicklung und dann Verfall an, a. a. O. S. 4.

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Sprachen in üiren Formen immer reicher werden. Wir sahen bereits, daB wir an den Sprachen Europas das Gegenteil beobachten können,nbsp;daB also nach frülierem Reichtum wieder eine Verarmung eintretennbsp;kann. Es ist vielmehr ahnlichwie bei'einem Organismus, daBerstorbenenbsp;Bildungen abgestoBen werden und neue aus dem innern Leben dernbsp;Sprache hervorsprieBen.

In diese lebendige Sprachgeschichte müssen wir uns die flektierenden Sprachen hineingestellt denken. Nur so können wir hoffen, ihrnbsp;Werden und Wachsen zu versteken.

3. Das Gebiet der flektierenden Sprachen.

Zu den flektierenden Sprachen rechnen wir zunachst die in Europa und Asien gesprochenen indogermanischen Sprachen. Mit Aus-nahme einiger fremdsprachlicher Enklaven gehört dazu das ganzenbsp;Europ£^ und ein groBer Teil von Vorderasien bis nach Indien undnbsp;Zentralasien. Die Tatsache, die wir bereits erwahnten, daB eine Reihenbsp;von Sprachen wie das Persische, Französische, Englische, Danischenbsp;die Flexionsformen zu einem groBen Teil bereits verloren haben, darfnbsp;dabei freüich nicht vergessen werden.

Dazu kommen die Semitensprachen Vorderasiens, die zum Teil aUerdings ausgestorben, zum Teil aber so lebendig sind, daB sienbsp;sich auch in Nordafrika ausgebreitet haben. Sie stellen nicht etwanbsp;eine niedere und unvollkommenere Art der flektierenden Sprachennbsp;dar, sondern sind an Mannigfaltigkeit des iimern Vokalwechsels, z. T.nbsp;auch an Fülle der Pluralbildungen den indogermanischen überlegen^).

Als dritte Gruppe gehört hierher das Gebiet der Hamiten-sprachen, die früher in Nordafrika allein herrschend waren, aber die dann durch die Semitensprachen Abessiniens und durch dasnbsp;Arabische in ihrem Besitzstand stark zurückgedrangt wurden. Ihnennbsp;nahe stehende Sprachformen finden sich aber in der Nachbarschaftnbsp;der von ihnen völlig verschiedenen Sudansprachen sowie der Bantu-sprachen bis tief hinein nach Zentralafrika und Südafrika.

Es handelt sich also bei den flektierenden Sprachen um ein sehr

Von der Gabelentz stellt sie trotzdem nicht auf die gleiche Stufe mit den indogermanischen Sprachen, a. a. O. S. 409.

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groBes Gebiet, das im Zentrum durchaus zusammenhangti) und nur an der Peripherie mit andern Sprachformen durchsetzt ist. Diesnbsp;Gebiet liegt um das Mittelmeer herum.

Die Menschen, die diese Sprachen sprechen, gehören im allgemeinen zur weiBen, also zur kaukasisehen, lockenhaarigen Rasse, wenn auchnbsp;natüriich Angehörige andrer Rassen vielfach flektierende Sprachennbsp;angenommen haben, denn bekanntlich decken sich Rasse und Sprachenbsp;nicht. So sind manche Asiaten, die flektierende Sprachen sprechen,nbsp;stark vermischt mit dem Blut mongolischer oder anderer asiatischernbsp;Rassen. Viele Semiten und Hamiten in Afrika haben Negerblutnbsp;aufgenommen. Umgekehrt gibt es weiBe Menschen, die nichtflek-tierende Sprachen sprechen, wie die Magyaren, Finnen, Basken undnbsp;manche Bewohner des Kaukasus. Aber im allgemeinen eind dienbsp;flektierenden Sprachen die Sprachen der weiBen Rasse, der Herren-völker, die die Geschichte des Abendlandes und des nahen Orientsnbsp;beherrscht haben. Sie sind die Sprachen der groBen Religionsstifternbsp;und Philosophen. Der feme Osten ist darin freilich nicht einbegriffen,nbsp;ebensowenig Amerika, die jedes eine Welt für sich darstellen. Auchnbsp;in Babylonien sprachen die Trager der altesten Kultur, die Sumerer,nbsp;eine nichtflektierende Sprache.

Sind nun diese drei Gruppen der flektierenden Sprachen unter sich verwandtl — Diese Frage bezieht sich zunachst nicht auf das, wasnbsp;dem Anfanger bei der Sprachvergleichung als das Wichtigste er-scheint, auf den Wortschatz. DaB diese Völker, die seit ürzeiten innbsp;mannigfacher Beziehung zueinander standen, ihren Wortschatz viel-fach gegeneinander ausgetauscht haben, verstekt sich von selbst.nbsp;Man kann also mit allerlei Lehngut aus alter und neuer Zeit sichernbsp;rechnen. Aber die Frage nach der Verwandtschaft des Wortschatzesnbsp;bezieht sich gar nicht auf solches Lehngut, sondern darauf, ob dienbsp;Ahnhchkeit der Wörter auf ihre Abstammung aus gemeinsamer Quellenbsp;schlieBen laBt.

Wir stehen noch im Anfang dieser Untersuchung, und die bisherigen Ergebnisse sind noch sehr umstritten^). Ich möchte mich deshalbnbsp;hierzu an dieser Stelle nicht eingehend auBern. Beachtlich bleibtnbsp;aber die Tatsache, daB die drei genannten groBen Gruppen der flek-

Sprachreste wie das Etruskische und die alten Sprachen Kleinasiens bezeugen uns, daB das Gebiet früher nicht so einheitlioh war, wie es heute ist,nbsp;aber das andert das Gesamtbild von der Verbreitung der flektierenden Sprachennbsp;doch nicht wesentlich.

*) Vgl. Möller a. a. O.

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tierenden Sprachen in ihrem Ban gewisse Büdungen gemeinsam haben wie die Flexion mit innerem Vokalwechsel, die Mannigfaltigkeit dernbsp;Pluralbildung und das grammatische Geschlecht, und es fragt sich,nbsp;ob diese sprachbchen Eigentümbchkeiten um das Mittelmeer herumnbsp;drei Mal unabhangig voneinander entstanden sind, oder ob zwischennbsp;den drei Spracbgmppen, die sie anfweisen, ein alter Zusammenhangnbsp;besteht^). Dieser Zusammenhang könnte verschiedener Art sein.nbsp;Die drei Sprachgruppen könnten aus einer gemeinsamen Ursprachenbsp;erwachsen, also Töchter einer Mutter sein. Oder eine dieser Sprachgruppen könnte die genannten Eigenschaften ausgebildet und sienbsp;daim der einen wie der andern Nachbargruppe mitgeteilt haben.nbsp;SchlieBlich ware auch möglich, daB beides stattgefunden bat, gemein-same Abstammung und fortlaufende gegenseitige Angleichung^).nbsp;Jede dieser Möglichkeiten ist schheBlich wahrscheinlicher, als daBnbsp;diese eigentümliche Sprachform in einem geographisch zusammen-hangenden Gebiet unabhangig mehrfach entstanden sein soil.

Wir haben bereits betont, daB die flektierenden Sprachen sicher nicht eine ursprüngliche Sprachform darstellen. Wenn eine altenbsp;Lebensform durch Neues verdrangt wird, so pflegen sich Beste dernbsp;alten Form in weit voneinander getrennten Gebieten zu finden. Dasnbsp;Neue pflegt dagegen in einem zusammenhangenden Gebiet aufzu-treten. So spricht auch die Art der Verbreitung der flektierendennbsp;Sprachen dafür, daB sie nicht Beste aus alter Zeit sind; sie stehennbsp;vielmehr als jüngere Eruption wie ein Basaltblock mitten in dem Gebietnbsp;der nichtflektierenden Sprachen. Sie treten wie eine Neuerscheinungnbsp;auf, die von einem Punkt ausgegangen ist. Wenn aber eine isolierendenbsp;Sudansprache wie das Ewe eine überraschende Ahnlichkeit mit demnbsp;Bau der chinesischen Sprache aufweist, so sind das beides Beste ausnbsp;einer alteren Periode der Sprachgeschichte, die heute durch Neu-bildungen auseinandergerissen und geographisch weit voneinandernbsp;getrennt sind®).

Werfen wir noch einen BMck auf die besondere Art jeder der drei Gruppen.

*) Vgl. Meriggi a. a. O. nbsp;nbsp;nbsp;^

Man kann heute bereits mit Sicherheit behaupten, daB die Semiten-sprachen den eigentlichen Hamitensprachen besonders nahe stehen; vgl. E. Zyhlarz, Z. f. Eg. Spr. Bd. XXIII. Das weist darauf hin, daB die Be-ziehungen der drei Gruppen zueinander sehr verschiedener Art sein können.

Natüriich soil eine „Verwandtschaft“ des Èwe mit dem Chinesischen hierdurch nicht konstatiert werden.

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DaB die indogermanischen Sprachen unter sich verwandt sind, ist heute nicht mehr zu bestreiten. Ihre Verwandtschaft ist wissen-schaftlich bereits sehr sorgsam erörtert und gesetzmaBig verstanden.nbsp;Aucb auf die Frage braucben wir nicht einzugehen, ob bier im Laufenbsp;der Zeit andersartige Sprachen allmahlicb durch Berührung mitnbsp;Indogermanen verandert und so indogermanisiert sind. Das würdenbsp;an dem aUgemeinen Charakter dieser Sprachart nichts andern, undnbsp;nur damit haben wir es hier zu tun.

Auch die Verwandtschaft der semitischen Sprachen unter sich ist unbestritten. Sie stehen sich so nahe, daB man früher in dernbsp;Semitistik nicht von Sprachen, sondem von Dialekten zu redennbsp;pflegte. Ich halte es für möglich, daB uns bei der weiteren Erforschungnbsp;der Entwicklungsgeschichte dieser Sprachen noch allerlei Entdek-kungen bevorstehen, z. B. bezüglich der Zischlaute und der ,,empha-tischen“ Laute^). Aber an der innern Einheit dieser Sprachengruppenbsp;ist ein Zweifel nicht mehr möglich.

Anders liegt die Sache bei den Hamitensprachen. Hier ist die Zugehörigkeit gewisser Sprachen zu dieser Gruppe noch nicht all-gemein anerkannt, ja es ist nicht einmal sicher, ob wir es hier mitnbsp;einer oder mit mehreren Sprachgruppen im Sinne der andern flek-tierenden Sprachen zu tun haben.

Sicher ist, daB die verschiedenen Berbersprachen von Südmarokko bis zur Oase Siwah an der Grenze Agyptens unter sich verwandtnbsp;sind. Sogar der Wortschatz stimmt z. T. heute noch überein, vgl.nbsp;Schilh tamart, Siwah timart „Bart“, Schilh yen, Siwah §in „eins“,nbsp;Schilh und Siwah sin ,,zwei“, Schilh nta, Siwah nitta „er“, Schilhnbsp;tafukt, Siwah itfuet ,,Sonne“, Schilh izan, Siwah eisem „riiege“,nbsp;Schilh alim, Siwah lum „Stroh“, Schilh und Siwah amun ,,Wasserquot;nbsp;usw.2).

Auch kann man die Zugehörigkeit der Berbersprachen zu den flektierenden Sprachen nicht bestreiten. Man vergleiche die oben®)nbsp;angeführten Plurale und die folgenden Verbalformen im Schilh. Mannbsp;büdet hier von demselben Stamm die zwei „Temporaquot; rêr-ay undnbsp;rür-ay „ich gebe (gab) zurückquot; oder efay und nfiy ,,ich finde (fand)quot;.nbsp;Das grammatische Genus ist vollstandig entwiokelt.

1) Vgl. S. 66.

E. Zyhiarz legt deshalb Gewicht darauf, daB es sich im Berberischen nicht um mehrere Sprachen, sondern um Dialekte einer Sprache handelt.nbsp;Z. f. Eg. Spr. Bd. XXII, S. 1.

3) s. S. 17.

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Aber bei den übrigen „Hamitensprachen“ ist die Verwandtschaft nicht immer so klar.

Das Agyptische woUte man früher überhaupt nicht als flektierende Sprache geiten lassen. Neuerdings wird es von hervorragenden Sach-kennern zu den Semitensprachen gerechnet^), wahrend mir seinenbsp;Zugehörigkeit zu den Hamitensprachen handgreiflich zu sein scheint®).nbsp;Dieses Schwanken hat u. a. seinen Grund darin, daB die agyptischenbsp;Schrift die Vokale meist unberücksichtigt laBt, so daB es schwer ist,nbsp;den Vorgang des innern Vokalwechsels zu belegen®).

Leo Reinisch nahm an, daB die übrigen Sprachen des nordöstlichen Afrika in naherer oder fernerer Beziehung zu den Hamitensprachennbsp;stehen, selbst Sprachen wie das Nuba und das Kimama^), die dasnbsp;grammatische Geschlecht nicht haben. Mir scheint es dagegennbsp;zweifellos, daB man hier trennen muB und trennen kann zwischennbsp;den nichtflektierenden Sprachen der Sudanneger und den Sprachennbsp;der Kuschiten, die ich als hamitisch ansehe und für verwandt mitnbsp;dem Agyptischen und den Berbersprachen halte. Sicher kann dienbsp;historische Sprachforschung ihre bewahrten Methoden beim Agyp-tische^ anwenden, aber nicht nur da. Die uns erhaltenen libyschennbsp;Inschriften zeigen trotz ihrer Dürftigkeit doch, daB ihre Sprache dennbsp;heutigen Berbersprachen verwandt ist®). Wahrscheinlich gehörtenbsp;auch die Sprache von Meroe zu den Hamitensprachen®). Wir habennbsp;es hier aber noch mit Sprachen zu tun, die weiter abstehen, entwedernbsp;weU sie eine altere Stufe der Sprachgeschichte darstellen, oder weilnbsp;sie starker mit fremdem Sprachgut durchsetzt sind, oder aus beidennbsp;Gründen.

Vgl. Erman, Das Verhaltnis des Agyptischen zu den semitischen Sprachen.

Wahrend das agyptische Zahlwort mit den semitischen Zahlen wenig Übereinstimmung zeigt, vgl. Sethe, Von Zahlen und Zahlworten etc., sind dienbsp;Anklange an das Hamitische gar nicht zu übersehen, vgl. Agypt. fdw „vier“,nbsp;Hausa fu'du, Galla afür, Bedauye fadig, Somali afar usw. Selbstverstandlichnbsp;ist eine solche Einzelbeobachtung nicht beweisend, sie dient hier nur zur Er-lauterung. Für einen eingehenden wissenschaftlichen Nachweis vgl. B. Zyhlarz,nbsp;Z. f. Eg. Spr. Bd. XXIII.

Doch ist der innere Vokalwechsel im Koptischen zweifellos verhanden,^ vgl. auch Sethe, Die Vokalisation des Agyptischen.

*) Die sprachliche Stellung des Nuba. Wien. 1911, ferner; Das persönliche Fürwort und die Verbalflexion in den eham.-sem. Spr. Wien. 1909.

Vgl. Meinhof, Libysche Inschriften.

®) Vgl. Z. f. Eg. Spr. Bd. XII, S. 13—16; ferner E. Zyhlarz, Das meroïtische Sprachproblem.

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Dahin gehören die Sprache der Hausa im westlichen Sudan, die der Muzgu im zentralen Sudan und die oft als ,,nilotisch“ bezeichnetennbsp;Hamitensprachen in Ostafrika. Letztere sind von den „nilotischen“nbsp;Sudansprachen, mit denen sie vielfacb Sprachgut ausgetauscht haben,nbsp;sorgsam zu unterscbeiden. Das grammatische Geschlecht ist hiernbsp;ein brauchbares Kriterium^). Diese „nilotischen“ Hamitensprachennbsp;weichen von den Sprachen der Kuschiten stark ab, obwohl ein Zu-sammenhang doch nachweisbar ist.

Zu den Hamitensprachen rechne ich auch noch die Sprache der Hottentotten in Südafrika trotz ihrer Durchsetzung mit fremdemnbsp;Sprachgut, das wahrscheinlich den Buschmaimsprachen entstammt.

Alle diese Sprachen sind bisher schon mit mehr oder weniger Bestimmtheit zu den Hamitensprachen gerechnet worden, wobei esnbsp;allerdings auch an lebhaftem Widerspruch nicht gefehlt hat.

Wir haben es aber in Afrika noch mit weiteren Sprachformen zu tun, die mit den Hamitensprachen in einem viel loseren und entfemterennbsp;Zusammenhang zu stehen scheinen. Hierher gehört zunachst dasnbsp;Ful im westlichen Sudan. Mit den eigentlichen Hamitensprachennbsp;kann man es nicht auf gleiche Stufe stellen, da es erst auf der Grenzenbsp;der flektierenden Sprachen steht. Ich habe deshalb den Ausdrucknbsp;„protohamitischquot; vorgeschlagen, der aber noch der Rechtfertigungnbsp;bedarf.

Mit dem Ful sind aber sicher weitere Sprachformen in Afrika ver-wandt, die wir gewiö nicht als hamitisch, sondem höchstens als praehamitisch bezeichnen könnten, da sie nicht als flektierendenbsp;Sprachen anzusehen sind. Hierher rechne ich die Klassensprachennbsp;von Kordofan und die Bantusprachen. Wir werden spater sehen,nbsp;worin ihre Verwandtschaft mit dem Ful besteht, und inwiefern mannbsp;sie in Beziehung zu den Hamitensprachen setzen kann^).

Mag man nun diese „Hamitensprachen*'^) als eine Gruppe ansehen oder sie mehreren selbstandigen Grappen zuweisen, das ist jedenfalls

So auch Westermann, The Shilluk People, 8. 33 ff. Anders F. Müller, Dinka und Bari, GrundriB Bd. I, 2.nbsp;nbsp;nbsp;nbsp;8. 81 ff.

*) Vielleicht handelt es sioh aber nur um eine sehr alte Berührung beider Sprachgruppen und nicht um Verwandtschaft. So Zyhlarz.

®) Was den Ausdruck ,,Hamitensprachenquot; anlangt, so lehnt er sich wie der Ausdruck „Semitensprachenquot; an die Namen der Söhne Noahs, Sem, Hamnbsp;und Japhet, an. Der Name japhetitiaohe Sprachen ist zwar vorgeschlagen,nbsp;aber nicht recht in Gebrauch gekommen, und man sagt dafür lieber indoger-manische Sprachen. Ich bezweifle aber, daB die drei Namen von dem Schreibernbsp;der Völkertafel Gen. 10 als sprachliche Bezeichnungen gemeint waren. Ich

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sicher, da6 wir unter ihnen flektierende Sprachen finden, und zwar z. T. in sehr ursprünglicher Form und vielleicht in irgend welchemnbsp;Zusammenhang mit nichtflektierenden Sprachen. Trotz ihrer starkennbsp;Vermischung mit fremdem Sprachgut bieten sie uns also vielleichtnbsp;doch eine sehr erwünschte Gelegenheit, in sehr alte Sprachformennbsp;kineinzuschauen und so in iebendiger Gegenwart sprachliche Vor-gange zu studieren, die für die Sprachen der Indogermanen undnbsp;Semiten in unerreichbar ferner Vergangenheit liegen.

4. Die Entstehung von Bilduiigselementen.

Wenn von einem Wortstamm, der einen bestimmten Begriff aus-drückt, neue Formen mit abweichender Bedeutung gebüdet werden, so kann das auf sehr verschiedene Weise geschehen. Zwei Bildungs-arten scheinen mir aber prinzipieU versehieden zu sein. Bei dernbsp;ersten fügt man zu einem Wortstamm einen oder mehrere anderenbsp;selbstÊ|ndige Wortstamme hinzu, und aus der Verbindung diesernbsp;Stamme entsteht darm der neue Begriff. Bei der zweiten Bildungsartnbsp;fügt man dem Stamm Bildungselemente hinzu, die ohne solchenbsp;Verbindung mit einem Stamm nicht vorkommen, die also, wenn sienbsp;allein standen, bedeutungslos sein würden, die aber die ursprünglichenbsp;Bedeutung eines Wortstammes, dem sie angefügt werden, in be-stimmter Weise verandern^).

Die erste Büdungsart ist die in isoUerenden Sprachen übliche, z. B. im Ewe. Der Begriff „erzahlen“ wird hier zerlegt in „sagen“ und

glaube, daC ihin vielmehr die drei groBen Rassen, die weiBe, die gelbe und die schwarze, vorgeschwebt haben. Vgl. die Sprachen der Hamiten, S. VIII.

,,Hamitensprachen“ waren also eigentlich die Sprachen der Neger. Aber die Bezeichnung „Hamitenquot; ist dann auch auf die nur wenig oder gar nichtnbsp;angenegerten Nordafrikaner übertragen, umgekehrt wie der Deutsche unternbsp;„Mohren“ die Schwarzen versteht, wahrend der Name von den Mauren ab-stammt, die gewiB nicht schwarz sind. Ich bin also von der Unrichtigkeit dernbsp;Namen ,,Semitischquot; und „hamitischquot; in dem landlaufigen Sprachgebrauch,nbsp;dem ich gefolgt bin, überzeugt. Aber da die Namen eingebürgert sind, scheintnbsp;es mir unschadlich zu sein, sie beizubehalten, wenn man sie nur richtig versteht.nbsp;Ich bezeichne also einstweilen mit „hamitischquot; die nichtsemitischen flek-tierenden Sprachen Afrikas, wie sie zumeist von hellfarbigen Menschen kauka-sischer Rasse gesprochen werden.

») 8. S. 14ff.

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„lehren“. „Er sagte die Geschichte, lehrte den Knaben“ würde die wörtliche Ubersetzung eines Ewesatzes sein, den wir im Deutschennbsp;wiedergeben durch den Satz; „Er erzahlte dem Knaben die Ge-scbicbte“. In ahnlicher Weise zerlegt der Ewemann „bringen“ innbsp;„nehmen“ „kommen“ „geben“, denn diese drei Tatigkeiten liegennbsp;in dem Begriff ,,bringen“. Im Deutschen gibt es z. B. für „bezahlen“nbsp;keinen einfachen Wortstamm. Man bildet das Wort von zahlen durchnbsp;die Vorsilbe 6e-, die aUein nichts mehr bedeutet, aber nun mit demnbsp;Verbum verbunden aus zahlen bezahlen macht. Im alteren Deutschnbsp;bildete man Kausativa von Stammverben mit dem Suffix -jan. Aufnbsp;dieser Bildungsweise beruhen Formen wie fallen y on fallen, schwemmennbsp;von schwimmen, senken von sinken usw. Dieses -jan existiert nichtnbsp;als selbstandiges Wort, es hat nur die Wirkung, die Bedeutung desnbsp;Stammes in das Kausativum zu verandern. Ahnlich bildet man nochnbsp;heute Verkleinerungsworte beim Verbum mit der Endung -eln, z. B.nbsp;lacheln, tanzeln, lieheln usw.

Im Semitischen kann man von den meisten Verbalstammen ab-geleitete Verba bilden, ahnlich den alten deutschen Kausativen auf -jan, z. B. im Hebraischen mit dem Prafix hi- kausative, mit demnbsp;Prafix n- passive, mit dem Prafix hit- reflexive Stamme. Auch hiernbsp;bedeuten diese Prafixe losgelöst vom Stamm nichts, sondern sie sindnbsp;nur in bestimmter Funktion in Verbindung mit dem Verbum bekannt.nbsp;Ahnlich bildet man im Bantu mit Hilfe von Suffixen von einem Verbum sehr viele abgeleitete Verba, z. B. von Zulu - bona „sehen“,nbsp;-bonela ,,für jmd. sehen“, -'‘bonisa ,,sehen machen“, -bonana „sichnbsp;gegenseitig sehen“, -bonagala ,,erscheinen“ usw. Auch hier habennbsp;die Suffixe vom Stamm losgelöst keine selbstandige Bedeutung.

Ganz anders und dem Ewe ahnlich verfahrt man im Nubischen. Hier bildet man freilich auch vom Stamm abgeleitete Verba, z. B. mitnbsp;den Suffixen ojg, tir, bü, aber diese Suffixe sind heute noch selbstandigenbsp;Verba; ag „sitzen, bleiben“, tir „geben“, ,,sein“. Diese Büdungs-weise ist also von der des Deutschen, des Hebraischen und des Zulunbsp;ganz verschieden und fallt mit der des Ewe im wesentlichen zusammen.

Natürlich kann man auch in agglutinierenden und flektierenden Sprachen mehrere Verba benützen, um einen neuen Begriff auszu-drücken, wie wenn wir im Deutschen das uns fehlende Kausativumnbsp;von sterben ausdrücken durch sterben lassen^). Der Unterschied der

Wahrend in den obigen Ewe-Beispielen die Verba, die zu einem Begriff verschmelzen sollen, koordiniert sind, ist hiei’ sterben subordiniert. Der Vor-gang ist also nur ahnlich, nicht identisch.

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Sprachen beruht aber vor allem darin, daB das Ewe neue Begriffe nur durch Zusammenfügung von Wortstammen bilden kann^),nbsp;wahrend die agglutinierenden und flektierenden Sprachen auBerdemnbsp;durch Bildungselemente neue Stamme vom Wortstamm entstehennbsp;lassen.

Die Frage liegt nahe: Wie sind diese Bildungselemente entstanden ?

Wir können schon im Ewe beobachten, wie einzelne, besonders haufig verwendete Stamme auf dem Wege sind, zu Bildungselementennbsp;zu werden. Wenn man z. B. von ade „sechs“ und a-de ,,ein8“ bildetnbsp;adede ,,sieben“, so wird diese dialektisch noch vorkommende Formnbsp;zu adre zusammengezogen. Dabei wird d wegen des vorhergehendennbsp;d zu r. In ganz ahnlicher Weise tritt -de „einer, irgend einer“ annbsp;Verba und verschmilzt mit ihnen, so daB aus kpe „zusammenlegen“nbsp;kple „und, mit“ über *kpe4e entsteht^). Es ist tatsachlich ein Zu-sammenfügen zweier Wurzehi, aber die zweite Wurzel ist dabei innbsp;ihrer Bedeutung so verblaBt, daB man sie nicht mehr als selbstandigenbsp;Wurzel empfindet, sie nahert sich bereits der Funktion eines Bildungs-elements.

Ahnliches laBt sich sogar noch in flektierenden Sprachen beobachten. So wird im Deutschen das früher selbstandige Wort heit „Art und Weise“ zum Suffix, das Abstrakta büdet. Dies Suffix istnbsp;also eigentlich ein veraltetes selbstandiges Nomen, z. B. in Schönheit,nbsp;Reinheifi).

Das Hebraische hangt im Perfektum zum Ausdruck der 2. Pers. Sing, -td, zum Ausdruck der 2. Pers. Plur. -tem an den Stamm. Diesesnbsp;-ta, -tem findet sich noch in dem Pronomen attd lt; *an-ta ,,du“ undnbsp;attem lt; *an-tem ,,ihr“. -ta und -tem sind zwar als selbstandige Wortenbsp;nicht mehr verhanden, aber man ersieht doch die Entstehung desnbsp;Suffixes aus dem Pronomen.

Ahnlich lassen sich noch andere Bildungselemente auf selbstandige Stamme zurückführen, also auf eine Bildungsweise, die letzten Endesnbsp;mit der der isolierenden Sprachen verwandt ist.

Wenn im Französischen je, tu, il nur in Verbindung mit dem Verbum erscheinen, so sind sie tatsachlich Prafixe, deren Entstehung ausnbsp;selbstandigen Worten keiner weiteren Erörterung bedarf. Sehrnbsp;ahnüch liegt die Sache im Bantu.

Es findet sich im Hebraischen das Pronomen ’am „ich“, gleich-

1) Doch vgl. S. 30.

Vgl. Westermann, Ewe-Grammatik, S. 21 ff.

®) Weitere Beiapiele bei Jesperaen, Die Sprache, S. 360ff.

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lautend mit dem des hamitischen Somali ani-ga^). Es ist nicht un-wahrscheinlich, daö heides zusammenhangt. Vielleicht ist auch das Bantuprafix ni- ,,ich“ damit verwandt. Aber im Bantu ist ni-nicht mehr selbstandiges Wort, sondern es erscheint stets in Ver-bindung mit dem Verbum^). Das Pronomen absolutum der 1. Pers.nbsp;Sing, lautet ganz anders. In manchen Bantusprachen ist ni- so festnbsp;mit dem folgenden Wort verbunden, daB es nur noch hypothetischnbsp;erschlossen werden kann, z. B. im Konde; mbele „ich habe gegeben“nbsp;lt; *ni-phele von -pha „geben“, im alten Suaheli; phete „ich habe be-kommen“ lt; *ni-patile gt; ^mphete von -pata „bekommen“.

Ahnlich steht es mit dem Prafix ia- als Ausdruck der 3. Pers. Sing. Im Somali erscheint ja als selbstandiges Wort zur Hervorhebung desnbsp;Subjekts, wird aber auch hier für die 3. Pers. beim Verbum gebraucht,nbsp;z. B. ia-qan „er wei6“, vgl. ja im Hausa in gleicher Punktion neben Si.nbsp;Im Bantu ist ia- (a-) nur Prafix zum Ausdruck des Singulars dernbsp;Menschenkiasse vor dem Verbum, z. B. Suah. a-me-ku-fa „er (dernbsp;Mensch) ist gestorben“. Im Arabischen ist ia- (ya-) Prafix der 3. Pers.nbsp;Sing, imimperfekt, z. B. ja-qtulu ,,er wird töten“. Wenn sicherweisennbsp;sollte, daB diese Eormen zusammengehören, was ich für möglichnbsp;halte, sind sie gute Beispiele für das Entstehen von Bildungselementennbsp;aus selstandigen Wurzeln.

Dabei erfahren diese Bildungselemente mancherlei Verkürzungen, Assimilationen und andere lautliche Vei'anderungen. Wir sahen,nbsp;daB sich -de im Ewe unter dem EinfluB des vorhergehenden Lautesnbsp;zu -re und -Ie wandelt. Wo es vor sich einen andern Vokal als e hat,nbsp;uimmt es diesen Vokal ebenfalls an, z. B. da gt; dra,fó gt; fló, dó gt; drónbsp;usw.®). Wir sahen auch, daB im Suaheli altes ia meist zu a wurde,nbsp;daB ni- im Konde vor Labialen zu m- wurde usw. Auch unser deut-sches -heit ist in vielen Fallen zu -keit geworden, z. B. Munterkeit,nbsp;Müdigkeit.

Eine besondere Form der Verstümmelung ursprünglich selbstandiger Wurzeln bei ihrer Verwendung als Bildungselement ist die Veranderungnbsp;und Verkürzung der Verdoppelungen der Stamme. „Immerfortnbsp;lachen“ heiBt im Suaheli -tiekatieka von -tzeka „lachenquot;. Mannbsp;wiederholt den ganzen Stamm, um auszudrücken, daB die Tatigkeit

1) -ga ist eine Form des mannlichen. Artikels.

“) Mir ist bekannt, daB im Suaheli die sonst mit dem Verbum verbundenen Pronomina selbstandig gebraucht werden, um das Verbum „seinquot; in manchennbsp;Pormen auszudrücken.

Vgl. Westermann, Sudansprachen, S. 31.

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öfter ausgeübt wird. Ahnlich wiederholt man den Wortstamm im Nama, z. B. gö-gö „genau zusehen“ von „sehen“^). Haufig hatnbsp;die Verdoppelung hier kausative Bedeutung, z. B. jjgani-ljgam „er-zahlen machen“ von jjgam „erzahlen“^).

Aber man wiederholt nicht immer den ganzen Stamm. So bildet man im Suaheli von -enda ,,gehen“ -enenda^). Ahnlich bildet dasnbsp;Hebraische von qüm ,,aufstehen“ die Intensivform qómém mit Verdoppelung des SchluBkonsonanten. Das ist Ersatz für die voll-standige Verdoppelung. In semitischen Spraehen ist die Verdoppelungnbsp;des zweiten Radikals in Formen wie qittêl vom Stamm qaïal sehrnbsp;haufig. Das Indogermanische hat unvollstandige Verdoppelungennbsp;m manclien Priisensformen, z. B. griech. didaskö, vgl. Brugmannnbsp;a. a. O. § 683, sehr haufig aber Verdoppelungen zum Ausdruck desnbsp;Perfekts, z. B. Lateinisch spopondi von spondeo „ich gelobe“, stetinbsp;von sto „ich stehe“, Griechisch pepheziga von pheugó ,,ich fliehe“.nbsp;Gotisch haihait von haitan^ Jmihald von haldan, fraifrais Yonfraisannbsp;„versuchen“, gaigrot von gretan „weinen“.

WiederLaut des ursprünglichen Stammes sich andert bei seinem. Ubergang zum Bildungselement, so auch die Bedeutung.

So T^rd in der isolierenden Ewesprache das Wort [e „Platz“, das noch in dieser Bedeutung lebendig ist, z. B. in nu-da-le „Ding-koche-Platz“ „Küche“ als Ausdruck des Genitivs gebraucht, z. B. ame [e xQnbsp;„Mensch-Platz-Haus“ bedeutet „das Haus des Menschen“, esia enenbsp;ame la Ie tohehe „dies ist des Menschen Strafe“.

Im Suaheli wird -ku-, das eigentlich Ortsbezeichnung ist, zum Zeichen des Infinitivs, ahnlich wie im Deutschen zu, im Englischen to,nbsp;im Französischen d.

Im Ful endigen die Baume auf -ki, z. B. lek-ki „Baum“, im Gola (Liberia) bezeichnet ke- „Baume, Gegenstande aus Holz, Werk-zeuge“1 2), im Bantu ist ki- regelmaBig Prafix der Werkzeugklasse. Danbsp;die ersten Werkzeuge sicher aus Holz gemacht sind, ist der Übergangnbsp;verstandlich.

Im Ful haben die Namen der Flüssigkeiten das Suffix -am, im Bantu das Prafix ma-, DaB beides verwandt ist, ist heute nicht mehrnbsp;zweifelhaft. Beide erinnern an das hamitische Wort aman „Wasserquot;,nbsp;das vieUeicht damit zusammenhangt. Hier liegt der Übergang von

1

Vgl. Dempwolff, Nama S. 62.

2

Ebenda S. 97. Hierbei wird die Tonhöhe geandert, vgl. unten S. 51.

lt;; 2endenda nach bekaimtem Dissimilationsgesetz.

¦2) Vgl. Westermann, Die Gplasprache, § 47.

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der speziellen Bedeutung ,,Wasser“ in die allgemeine ,,Flüssigkeit“ nahe. Man benutzt aber im Bantu das Prafix ma- auch, um doppeltenbsp;Dinge zu bezeichnen, z. B. ,,Augen“, „Ohren“, „Hande“. Nun gibtnbsp;es im Galla einen Stamm lamma „zwei“. Vielleicht ist dieses ma-aus einem verstümmelten lamma oder einer ahnlichen Form ent-standen. ma- ist aber heute im Bantu nicht mehr nur Dualis, sondernnbsp;auch Pluralis.

Ein viel gebrauclites Prafix im Bantu yu- bezeichnet Abstrakta. Es wird aber auch für Landernamen gebraucht, z. B. Suaheli U-layanbsp;„Europa“, U-ganda^). Das scheint den Weg zu zeigen, wie die Formnbsp;entstand. Vermutlich bezeichnete yu- ursprünglich das Land^),nbsp;dann die Art und Sitte des Landes und schlieBhch allgemein dienbsp;Weise, wie z. B. u-baya ,,Schlechtigkeit“, u-zuri „Schönheit“.

Aber die Entstehung der Bildungselemente aus selbstandigen Wurzeln oder Stammen ist nicht die einzige. Jespersens Kritik diesernbsp;Ansicht ist vollkommen berechtigt®). Wie die Pluralendungen -ennbsp;und -er im Germanischen nicht selbstandige Wurzeln darstellen,nbsp;sondern Teile des Stammes waren, und dann auch übertragen wurdennbsp;auf Worte, die ein stammhaftes n oder r nicht enthielten, so wirdnbsp;ahnliches in andern Fallen geschehen sein^).

Das Bantu hat z. B. ganz allgemein das Wort 'mma „Tier, Fleisch“, das auch in Hamitensprachen wiederkehrt, z. B. Hausa nama ,,Tier,nbsp;Fleisch“, Ful nama ,,essen“. Das Wort geht im Bantu nach dernbsp;m-Klasse und ware also zu zerlegen in das Prafix ni- und den Stammnbsp;*-ama. Aber das ist eine rein philologische Konstruktion, denn nachnbsp;den Hamitensprachen gehort w ja zum Stamm, und ein vokalisch

Nach Suahelilautgesetz wird urspr. vu gt; u.

*) Darf man hierbei an Agyptisch hu „Ort“ denken ? Jedenfalls wird nach E. Zyhlarz auch hier hu verwandt, um Abstrakta zu bilden, vgl. hu nfr „Gutes,nbsp;Schönesquot;, hu mui „Vortreffliches“, hii ikr „Trefflichkeitquot; usf.

„Die Sprache“ S. 366ff.

*) Jespersen neimt diesen Vorgang „Ausscheidung“ a. a. O. S. 370ff. Er führt als Beispiel an engl. ox lt; urspr. oxen und andere Worte mit stammhaftemnbsp;n, das im Plural beibehalten ist, ferner lammer, rinder mit urspr. stammhaftem r,nbsp;das im Plural erhalten ist. Ferner gibt er S. 373ff. gute Beispiele für „Suffix-erweiterung“, wie -tier in Franz, cafe-tier, das durch lait-ier imd ahnliche Wortenbsp;mit stammhaftem t entstanden ist. So auch deutsches -ling, in Schwachling,nbsp;Feigling, das sich aus Worten wie Edel-ing gebildet hat. S. 374 beschreibt ernbsp;den Vorgang der ,,Suffixansteckung“, wobei neue Suffixe mit neuer Funktionnbsp;entstehen, z. B. -onalis in meridionalis, das nach aeptentrion-alis von septemnbsp;triones gebildet ist, als ware -onalis ein Suffix, um Himmelsrichtungen zunbsp;bezeichnen.

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anlautender Stamm ist im Bantu ohnehin ungewöimlich. Aber in Anlehnung an nama ,,Tier“ sind im Bantu die meisten Tiernamennbsp;mit dem Prafix n-, *ni- gebildet^).

So ahnlich ist es wahrscheinlich mit dem Bantuwort muntu ,,Mensch“, das wir grammatisch zerlegen in das Prafix der Menschen-klasse mu- und den Stamm -ntu. Aber auch hier bietet sich Hausanbsp;mutum ,,Mensch“ als sehr ahnlich lautende Form, wobei mu- abernbsp;nicht Prafix ist, sondern zum Stamm gehört. AuBerdem ist einnbsp;Stamm, der mit nt beginnt, im Bantu ganz ungewöhnlich®). Alsonbsp;''vird auch hier das mu- urspriinglich stammhaft sein, und die andernnbsp;Worte, die im Bantu nach der Menschenklasse gehen, haben dannnbsp;in Anlehnung an muntu das Prafix mu- angenommen®).

Sehr instruktiv ist es für Untersuchungen iiber die Entstehung der Prafixe, daB im Bantu Fremdworte oft der Klasse zugewiesen werden,nbsp;zu der sie nach ihrem Anlaut zu gehoren scheinen. Die erste Silbenbsp;wird dann als Prafix behandelt. So büdet man im Suaheli von demnbsp;aus dem Arabischen stam menden Wort kitabu ,,Buch“, obwohl hiernbsp;lt;^s k urspr. stammhaft ist, die Mehrzahl vi-tabu, als wenn ki- Prafixnbsp;nnd -tabu Stamm ware, ebenso u-akati, pi. n-akati „Zeit“ von arab.nbsp;y^qt, Duala ma-naya ,,Kriegsschiff“ von englisch man o’war, Vendanbsp;mu-neri „Missionar“ von mijnheer, und davoh sogar die Verkleine-rungsform ku-neri, Nyamwezi ka-lumbeta, pi. tu-lumbeta von demnbsp;romanischen Wort ,,Trompete“, wobei der Singular natiirlich dasnbsp;Spatere ist^), femer Zaramo lu-fiia, pi. mhim „die Rupie“®).

tiberraschend ist hier die Sicherheit, mit der bei der Bildung des Plurals, des Deminutivs, der Abstrakta ein Prafix durch ein anderesnbsp;ersetzt wird. So z. B. Venda lu-janga, pi. phanga „Messer“, k'u-p'anganbsp;gt;,kleines Messer“, bahga^) „groBes Messer“; lu-huni, p\. khuni „einnbsp;Stück Holz“, k^u-k^uni ,,Hölzchen“, guni^), pi. ma-k'’uni ,,ein groBesnbsp;Stück Holz“; Schambala ki-lezu, pi. vi-lezu ,,Kinn“, ndezu ,,Bart,nbsp;Schnurrbart“, lu-dezU, pi. ndezu ,,einzelnes Barthaar, Kinnbart“,

') ni erscheint dann auch als Pronomen, z. B. Duala ni naha „die Kuh“. “) Bourquin nimmt an, daB nt hier aus it entstanden ist. Z. f. Eg.quot; Spr.nbsp;Bd. XXIII, S. 199ff.

Den „klassenbildenden Trieb“ verfolgt Jespersen im Indogermanisohen a. O. S. 375ff., wobei die vielen Tiernamen des Griechischen auf f besondersnbsp;*Herkwiirdig sind.

'*) ka-, pi. tu-, ist Prafix der Deminutiva im Nyamwezi.

') lu- hat im Plural das Prafix ni, ni- p gt; mh nach Zaramolautgesetz. aus Urbantu li-panga.nbsp;aus Urbantu li-kuni.

3 Meinholnbsp;33

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madezu „Bartflechte an Baumen“, dezu (lt; 1li-dezu), pl. ma-dezu „Bart des Mais“. (Die Lautveranderungen im Stamm voUziehennbsp;sich gesetzmaBig.) Dieser Prafixwechsel ist analog der Bildungsweisenbsp;der Adjektive, deren Prafix sich nach dem des Substantivs richtet, zunbsp;dem sie gehören.

Die Bildungselemente sind also z. T. veraltete selbstandige Stamme, z. T. verstümmelte Stamme. Dabei können Stamm und Affix ver-schiedene Stamme sein, oder es kann der Stamm zweimal gesetztnbsp;werden, wobei seine verstümmelte Form als Affix behandelt wird.nbsp;Es tritt dann ein Bedeutungswandel des zum Affix gewordenen Stammes ein vom materiellen Wort zur Funktion. Manche Affixe sindnbsp;aber nicht ans selbstandigen Stammen entstanden, sondern analognbsp;vorhandenen Wörtern aus Teilen ihres Stammes gebildet.

Wir sehen, da6 ein Zusammenhang zwischen allen diesen Bildungs-weisen besteht, dabei sind aber die so entwickelten Affixe etwas grundsatzlich anderes als die Stamme der isolierenden Sprachen.

5. Tonhöhe und Druckstarke^).

Indem die Sprache zur Anwendung von Bildungselementen schreitet, schafft sie lange Worte, bei denen die AtemverteUung geregelt werdennbsp;muB. Das nötigt uns, über die Druckstarke und die oft damit innbsp;Beziehung stehende Tonhöhe der Silben zu sprechen.

Die experimentelle Phonetik hat uns gelehrt, daB die objektive Feststellung der Druckstarke so schwer ist, daB sie mit den gegen-wartigen Hilfsmitteln nicht gelingen wdl. Die Ursache ist die Kom-pUziertheit dieser Erscheinung. Wir irren uns, wenn wir glauben,nbsp;hier einen einfachen Vorgang zu beobachten. Die Druckstarke verandert in vielen Fallen die Artikulation der Konsonanten sowie dienbsp;KJangfarbe und die Dauer der Vokale. Sie kann mit einer Erhöhungnbsp;und Vertiefung der Tonhöhe verbunden sein. Alle diese verschiedenennbsp;Wahrnehmungen verbinden wir meist völlig unbewuBt zu der einennbsp;Vorstellung der Druckstarke, die wir in der Regel ,,Betonung“ nennen.

Im Gegensatz dazu ist die Veranderung der Tonhöhe ein durchaus einfaches Phanomen, dessen Beobachtung nur insofern schwierig

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1

Vgl. Meinhof, Musikalischer Ton und Starkeakzent. Indogerm. For-schungen Bd. LI p. 181—196.

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erscheint, als mcht jeder angeben kaïm, in welcher absoluten Tonhöhe eine Silbe gesprochen wurde, oder in welchem Interval! sich dienbsp;Stimme bewegt bat. Eine solcbe Angabe, die rein theoretischennbsp;Wert bat, ist ja aber für das Sprecben und Versteben nicbt nötig.nbsp;Man braucbt aucb nicbt musikaliscb zu sein, um den ünterscbiednbsp;der Tonböbe wabrzunebmen. Jeder, aucb der Unmusikaliscbe,nbsp;unterscbeidet sicber, ob man etwa: ,,So!“ oder „So?“ ausspricbt,nbsp;und docb liegt der ünterscbied lediglicb in der Verscbiedenbeit dernbsp;Tonböbe. Was unmittelbar unser Gefübl anregt in der Rede desnbsp;andern, ist ja gerade die musikabscbe Bewegung der Stimme, undnbsp;ihre Wirkung ist so stark, dab ganzlich gleichgültige Worte unsnbsp;erschüttern können, wenn sie in einem bestimmten Tone^) gesagtnbsp;Werden. Und umgekehrt können die gewaltigsten Worte uns kaltnbsp;lassen und geradezu lacherbch klingen, wenn sie in langweiligem,nbsp;gleichgültigem Tone ausgesprochen werden.

Die Tonhöhe verfehlt ihre Wirkung selbst da nicbt, wo die Worte bn übrigen nicht genau gehort werden, z. B. am Telefon oder beimnbsp;Thonographen. Spricht man mit unmündigen Kindern oder mitnbsp;Tie ren, so macht man von bestimmten Modulationen der Stimmenbsp;relchbcben Gebrauch; man wendet oft schmeichelnde oder lockendenbsp;Tonfolgen an. Man wird nach der Art des Tieres die Tonböbe wahlennbsp;und sie ihr nach Möglichkeit anpassen, indem man zum Geflügelnbsp;lu hohen, zu Schweinen in tieferen Tonlagen spricht. In der Kinder-sprache behalt man diese Unterscbiede der Tonhöhe aucb bei, wennnbsp;das Kind bereits sprecben karm. Die Benennung der Vögel in dernbsp;Kindersprache pflegt hoch, die für Kühe und groBe Hunde tief zunbsp;®ein. Aucb erzablt man von groBen, drohenden Menschen undnbsp;Ilingen mit tiefer, von kleinen, niedbchen mit hoher Stimme. Wirnbsp;dürfeu also annebmen, daB Unterscbiede der Tonböbe ein uraltesnbsp;Etbgut der menschbcben Sprache sind, und da der Vorgang in sichnbsp;®iufach ist, kann er wie gesagt experimentell aucb leicht festgestelltnbsp;Werden.

Ereibch ist die Verwendung der Tonhöhe in der Sprache nicht über-uU die gleicbe.

Ahnbch wie wir den Gebrauch der Tonhöhe in der Kindersprache ’^ud in den Lockrufen für Tiere finden, begegnet er uns wieder in dennbsp;Sprachen von Zentral- und Südafrika, Ostasien und Neuguinea —nbsp;Sprachen, von denen viele entweder wirklich isolierend sind oder dennbsp;Imkerenden nahe stehen. Hier haftet jeder Wurzel eine bestimmte

„in einem Tone!quot;

Lessmg, Emilia Galotti III, 8.

3* 35

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Tonhöhe an, die sie im Laufe der Rede im wesentlichen beibehalt, wobei allerdings diese Tone sicb durcb Assimilation und Dissimilation gegenseitig beeinflussen können. Aber noch andere Unterschiedenbsp;treten ein. Man wird z. B., je nachdem man in freudiger oder ge-driickter Stimmung ist, seine Satze tiefer oder höher intonieren^).nbsp;Aber die Richtung der Tonbewegung bleibt doch im wesentlichennbsp;bei demselben Satz dieselbe. AuBerdem hat oft auch die grammatische Stellung eines Wortes im Satz EinfluB auf seine Tonhöhe.

In europaischen Sprachen steht die Modulation der Stimme unter dem EinfluB des Sinnes, der dem Satz gegehen werden soil, oder desnbsp;Gefiihls, das zum Ausdruck kommen soil. Dabei spielen aber auchnbsp;die Sprechgewohnheiten in den einzelnen Sprachen und Dialektennbsp;eine wichtige Rolle, Doch es ist hier nicht der Ort, sich darüber zunbsp;verbreiten®).

Ein ünterschied der Druckstarke ist aber z. B. im Ewe kaum wahrzunehmen. Die Aufmerksamkeit bleibt aUein auf die Tonhöhenbsp;gerichtet. Man darf dabei nicht vergessen, daB es sich hier im wesentlichen um einsilbige Worte handelt, die aneinander gereiht werden,nbsp;und von denen jedes einen Begriff darsteUt, der nicht ühergangennbsp;werden darf und deshalb mit gleicher Starke zu sprechen ist. Nur wonbsp;solche Worte beginnen, ihre Selbstandigkeit zu vertieren, verschmelzennbsp;sie mit andern und vertieren ihre Druckstarke, wie wir im Ewenbsp;*k'pede gt; kple^) beobachtet haben. Da aber hier auch die scheinbarnbsp;mehrsilbigen Worte in der Regel aus einsilbigen lose zusammengefügtnbsp;sind, ist kaum Gelegenheit geboten, einen ünterschied in der Druck-starke zu beobachten. Ich fand im Ewe, daB der Eingeborene beinbsp;solchen Zusammenfügungen, die man als ein Wort ansehen kann, dernbsp;ersten Silbe etwas mehr Druck verleiht als den andern. Der Drucknbsp;des Atems entladt sich also rein mechanisch im Anfang am starksten undnbsp;laBt dann nach. Ahnliches kann man z. B. im Einnischen beobachten.

Wo nun aber eine Stammsilbe regelmaBig mit Prafixen und Suffixen in gröBerer Zahl verbunden wird, ergeben sich langere Worte, die eine begriffhche Einheit darstellen. Das ist dann eine neue Auf-gabe für die Atemtechnik, denn jedes dieser langen Worte muB innbsp;einem Zuge gesprochen werden. Dabei wird die Betonung der erstennbsp;Silbe meist vermieden, auch wo sie bereits im Gebrauch war^). Man

Vgl. Chr. Endemann, Der Tonfall in den südostafrikanischen Bantu-sprachen. Vox 1916. S. 161—176.

“) Vgl. meine Darlegungen in Vox 1918. S. 33—42. s. S. 29.nbsp;nbsp;nbsp;nbsp;Vgl. das Lateinische.

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eilt in der Regel mehr dem Ende des Wortes zu und laBt den Druck auf der zweitletzten oder drittletzten Silbe ruhen, Wo die letztenbsp;Silbe den starksten Druck erhalt, ist das in vielen Fallen die Folgenbsp;von Verkürzungen, wobei die ursprünglich letzte Silbe verschwundennbsp;ist, z. B. im Hebraischen und Französischen.

Mit diesem Vorgang beginnt etwas Neues in der Sprachgeschichte, die Herrschaft der Druckstarke. Icli nenne diese Art des Akzents,nbsp;da er durch den Rhythmus des Sprechens langer Worte bedingt ist,

, ,rhythmischen Akzent ‘ ‘.

Was hier vom Wort gesagt ist, wirkt sich noch starker im Satze aus, denn man unterbrieht die zusammenhangende Rede ja nichtnbsp;nach jedem Wort, sondern spricht auch die Satze in einem Zuge aus,nbsp;soweit der Atem reicht. Auch dabei kann nun der Hauptdruck aufnbsp;eine bestimmte Sübe gelegt werden, wie das besonders klar die Be-zeichnung der hebraischen Vokale zum Ausdruck bringt, wo innbsp;»Pausa“ — so nennt man hier den Satzakzent — die letzte odernbsp;vorletzte betonte Sübe des Satzes stark gedehiiten Vokal aufweist.

Aber die ganze Art des rhythmischen Akzents ist nicht die einzige Vejtwendung der Druckstarke.

In den Bantusprachen mit üiren durch Prafixe und Suffixe oft sehr lang gewordenen Worten geht jedenfaUs diesem Vorgang einnbsp;anderer voraus, der sich in manchen Sprachen auch noch neben demnbsp;riiylbmischen Akzent beobachten laBt, und das ist der folgende. Dienbsp;Worte der agglutinierenden und flektierenden Sprachen bestehen ausnbsp;Stamm und Bildungselementen, wobei der Stamm als die Substanznbsp;des Wortes, die Bildungselemente als das Akzidens anzusehen sind.nbsp;ï'ür das Verstandnis ergibt sich dadurch die Notwendigkeit, diesennbsp;Stamm unter den Bildungselementen hervorzuheben. Das laBt sichnbsp;m einer Reihe von Bantusprachen nachweisen, z. B. im Duala, wonbsp;der Starkeakzent fest an der Stammsilbe haftet, gleichgültig wienbsp;^eit sie vom Ende des Wortes entfernt ist, z. B. in sibisabele^) „fürnbsp;®inen Zweck heruntergebracht werdenquot;. Ich nenne das den ,,ety-*ïiologischen Akzentquot;. Er beruht nicht auf einem Bedürfnis dernbsp;Atmung oder einem rhythmischen Gefühl, sondern auf der logischer!nbsp;Unterscheidung von Wichtigem und Nebensachlichem, er ist alsonbsp;Schöpfung des Urteils^).

*) Der Akut bezeichnet hier den Starkeakzent. Die Silbe ist aber tieftonig.

*) In den germanischen Sprachen hat der Akzent zunachst auf der ersten ^ilbe geruht. Da diese meist die Hauptsilbe ist, ist er heute zum Stammakzentnbsp;§®Worden. Aber Ausnahmen wie „Urteilquot;, „Urlaub“ beweisen, dafi das nichtnbsp;krsprünglich ist.

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Diese Art des Drucks stellt den starksten Gegensatz dar zu der oben bescbriebenen Art der musikalischen Betonung. Dort lag dasnbsp;Bedürfnis vor, das Wahrgenommene möglichst gut wiederzugeben,nbsp;wobei wir die Wirkung anf das Gefühl nicht verkennen konnten.nbsp;Hier handelt es sich um Ausdruck der Erkenntnis von dem ver-schiedenen Wert der Begriffe und des Willens, die Hauptsache hervor-zuheben.

Auch diesel' Akzent wird z. B. im Deutsohen und Englischen im Satz reichlich angewandt, wo man durch die Starke des Drucksnbsp;jedesmal den Begriff bezeichnet, auf den es dem Redner im vor-liegenden F4il ankommt, der in demselben Satz bei verschiedenennbsp;Gelegenheiten verschieden sein kann, z. B. ,,heute kam mein Freund''.nbsp;Hier kann jedes Wort bei einer bestimmten Gelegenheit den Haupt-nachdruck im Satz tragen. In anderen Sprachen, wie z. B. im Ewenbsp;und im Französischen, bedient man sich anderer Mittel, um dennbsp;besonders wichtigen Satzteil hervorzuheben. Man fügt z. B. beimnbsp;Subjektspronomen das absolute Pronomen hinzu, z. B. moi je rai vunbsp;,,ich habe ihn gesehenquot;, Ewe ne la me-hpq-e. Oder man wahlt einenbsp;von der gewohnten abweichende WortsteUung oder eine Umschreibung,nbsp;z. B. Ewe me-va etso „ich kam gesternquot;, aber etso la meva ,,ich kamnbsp;gesternquot;, ,,gestern kam ichquot;, c’est hier que je suis venu.

Aber kehren wir zur Wortbetonung zurück.

Wir sehen hier, daö in den Bantusprachen sich sowohl der rhyth-mische wie der etymologische Akzent beobachten laBt. Einige Sprachen betonen die vorietzte, andere die drittletzte und andere,nbsp;wie wir sahen, die Stammsilbe. Es gibt aber auch Sprachen, dienbsp;sowohl den rhythmischen wie den etymologischen Akzent in demselben Wort haben. Man kann ja bei langen Worten auch zwei Druck-akzente von verschiedener Starke anwenden, ein Vorgang, der unsnbsp;Deutschen in Worten wie ubersètzen und ilbersétzen wohl bekannt ist.nbsp;Es kommt aber nicht nur auf die gröBere oder geringere Starke desnbsp;Druckes an, sondern auch die Art des Druckes kann verschiedennbsp;sein. In einem Fall kann eine besonders groBe Luftmasse von dernbsp;Lunge ausgeatmet werden, in einem zweiten die Luft mit besonderernbsp;SchneUigkeit herausgestoBen werden. Von beiden zu unterscheidennbsp;ist dann noch die Dauer des Druckes. Diese an sich verschiedenennbsp;Vorgange sind bisher meist zusammengeworfen worden, und dahernbsp;ist man nicht immer zu sicheren Ergebnissen bei ihrer Beschreibungnbsp;gekommen. Ich füge deshalb noch einige Beispiele hinzu.

Das oben angeführte Dualawort hat auBer dem etymologischen 38

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Akzent auf der ersten Silbe noch einen die Aussprache erleichtemden Akzent auf der vorletzten; man könnte es also als sibisabèle auffassen,nbsp;aber für das Ohr des Europaers ist der Akzent auf be der starkere.nbsp;Auch sonst pflegt im Bantu der rhythmische Akzent die Silbe zunbsp;dehnen, wahrend der etymologische sie kurz laBt, z.B. Konde indmanbsp;,,Tier“ mit etymologischem Akzent auf der Stammsilbe na und mitnbsp;rhythmischem auf dem Prafix P).

Die Beobachtung des Starkeakzentes wird nun noch dadurch erschwert, daB sich die Druckstarke in einzelnen Sprachen undnbsp;Dialekten gewohnheitsmaBig mit einer bestimmten Tonhöhe, Hochtonnbsp;Oder Tiefton, verbindet^), wodurch der Eindruck für das Ohr sehrnbsp;verstarkt wird.

Nun steht die Druckstarke aber nicht bei allen Sprachen so fest wie im Deutschen. Deshalb ist ihre Beobachtung oft auBerordentlichnbsp;schwierig; man vergleiche nur das Schwanken der Druckstarke imnbsp;Pranzösischen, und man wird sich nicht wundern, wenn man auchnbsp;in afrikanischen Sprachen, z. B. im Nubischen, im Bedauye, imnbsp;Somali, nur langsam zu sicheren Ergebnissen kommen kann.

ySoviel aber folgt aus dem Vorhergehenden, daB die Tonhöhe mit der menschlichen Sprache bereits gegeben ist. 1st sie doch schonnbsp;in den Lauten zu beobachten, mit denen die Tiere sich locken. Dienbsp;Einführung des Starkeakzents in die menschhche Rede muB erst innbsp;einer spateren Zeit sich vollzogen haben, und hier ist der etymologischenbsp;Akzent, der ein Ausdruck des Urteils ist, als die höchste Leistungnbsp;des menschlichen Sprachvermogens auf diesem Gebiet zu werten.

Wo nun der Druckakzent eine feste Stelle erhalt, hat er oft zur Polge, daB die Vokale der nichtbetonten Silben flüchtig gesprochennbsp;werden und ganz verschwinden. Aber selbst die Vokale betonternbsp;Süben sind durch den Druck nicht unbedingt vor Verflüchtigungnbsp;geschützt. Im Suaheli schwindet die Labialis u regelmaBig nachnbsp;dem ebenfaUs labialen m, und das geschieht sogar in der Akzentsilbe,nbsp;z. B. in m'ti ,,Baum“, -am'ka ,,aufwachen“ usw.®) Ja im Berberischennbsp;verschwinden die Vokale sogar zwischen stimmlosen Lauten wie z. B.

Mgeben“ mit dem Akzent auf f^). Unter dem EinfluB des

*) Vgl. Meinhof, Das Tsivenda. S. 654f.

Vgl. E. Sievers, Phonetik.^ 1901. § 668.

®) Man wird sich das so zu denken haben, daB das m der Akzentsilbe besonders lang gesprochen wurde und das folgende u dagegen an Druck verlor.

*) Hierbei sei daran erinnert, daB besonders starker Akzent zum Versagen der Stinune und damit zum Ausfall des Vokals führen kann.

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Akzentes werden des öfteren auch Vokale diphthongisiert, also verandert!).

Die Sprachen aber, in denen die Wurzeln musikalische Tone haben, müssen die Vokale möglichst festhalten; auBer ihnen können ja nurnbsp;Nasale und andere stimmhafte Laute Trager musikalischer Tone sein.nbsp;So wird Vokalreichtum wohl ein altes Erbgut der Spracbe sein. Keinenbsp;Sprache Afrikas ist so vokalarm wie die flektierenden Berbersprachen.nbsp;Vokalarmnt ist im allgemeinen nicht das Zeichen einer primitiven,nbsp;sondern im Gegenteil einer fortgeschrittenen Sprache.

Die Gründe, warum die eine Art der Sprache die alte Sprechweise, die unter der Herrschaft des musikalisohen Tons stand, beibehielt,nbsp;wahrend die andere dem Starkeakzent Rechte einraumte, die dennbsp;Lautbestand der Sprache stark veriinderten, kennen wir nicht. Hiernbsp;spielt doch wohl der Unterschied der geistigen Anlage und der Lebens-weise des Volkes eine RoUe. Der Hirt, der zugleich Krieger undnbsp;Rauber zu sein pflegt, tritt als befehlender, als Herr, dein angstlichen,nbsp;sich duckenden Hackbauern gegenüber, und seine Herrenart mitnbsp;ihrem starken Willen pragt sich in seiner Sprache aus. So wird esnbsp;nicht zufallig sein, daB die Herrenvölker in Afrika Sprachen sprechen,nbsp;in denen die musikalische Betonung zurücktritt, in denen aber dernbsp;Starkeakzent zur Herrschaft gekommen ist.^)

6. Die Lautveranderungen im Wort.

Wir nehmen nach den bisherigen Darlegungen an, daB die Sprachen in der Regel ursprünglich reich an Vokalen waren. Wenn nun Bü-dungselemente an den Stamm treten und mit ihm zu einem Wortnbsp;verschmelzen, dann bleiben ihre Vokale in vielen Fallen nicht un-verandert — ein Beweis, wie eng sie sich mit dem Stamm verbinden.nbsp;Wir sahen schon im Ewe, daB suffigiertes -de den Vokal des Stammesnbsp;annimmt®). Solche Assimilationen sind nun in agglutinierendennbsp;Sprachen sehr haufig. Jeder Kenner der Turksprachen und der

!) Vgl. Alfred Schmitt, Akzent und Diphthongiening. Heidelberg, Carl Winter. 1931.

Vgl. Czermak, Zur Phonetik des Somali. WZKM. Bd. XXXI. S. 82—102. s. S. 30 f.

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finnisch-ugrischen Sprachen weiB, in welchem Umfang sie dort vor-kommen.

Diese Assimilation kann unvollstandig sein wie in türk. e-U „seine Hand“ neben yo-lü „sein Weg“, oder voUstandig wie in türk. ew-lérnbsp;„Hauser“ neben ai-tór „Pferde“, vgl. die Prasensstamme des Herero,nbsp;z. B. matu man-a „wir vollenden”, matu hit-i „wir gehen hinein”,nbsp;matu mun-u „wir seben”. Die Assimilation kann ferner fortschreitendnbsp;sein wie in den angegebenen Beispielen oder rückschreitend wie imnbsp;Demonstrativum des Suaheli ha-wa, hi-ki, hu-yu etc. von den Stammennbsp;wa, ki, yu.

In aUen diesen Pallen bat der Stammvokal die Bildungselemente beeinfluBt. Der Fall, daB der Stammvokal selbst durch die Büdungs-elemente verandert wird, soil uns spater beschaftigen^).

Jedenfalls sind diese Assimilationen die Folge davon, daB Stamm und Affixe als zusammengehörig empfunden werden, und verstarkennbsp;ihrerseits das BewuBtsein der Worteinheit.

Wahrend rein vokalische Stamme der Sprache niemals fremd gewesen sein können und uns aucb dauernd in der Kindersprachenbsp;b^gegnen, ist das Vorkommen vokalloser Konsonanten, besondersnbsp;wenn sie stimmlos sind, an sich nicht selbstverstandlich^). DaB einnbsp;Konsonant in der Regel eine Abstraktion ist, erhellt schon daraus,nbsp;daB alle uns bekannten Schriftarten Wort- oder Silbenschriften sind.nbsp;Nur einmal im Lauf der Geschichte ist der Mensch, soviel wir wissen,nbsp;zur Konsonantenschrift gekommen — in Agypten. Was hier imnbsp;Prinzip gefunden war, aber noch mit allerlei historischem Ballastnbsp;beschwert blieb, tritt rein in der hebraischen Schrift auf, von dernbsp;dann die andern Buchstabenschriften abgeleitet sind, entweder direktnbsp;oder in Anlehnung an den neuen wonderbaren Gedanken®).

Wir sahen, daB in primitiven Sprachen der musikalische Ton eine bedeutende Rolle spielt; er ist vom Vokal, von der Silbe getragen,nbsp;denn er beruht auf den Schwingungen der Stimmbander. Er kannnbsp;deshalb nur mit Vokalen und stimmhaften Konsonanten verbondennbsp;Werden. Der AusfaU der Vokale ist hier also ungewöhnlich. Infolge-dessen sind dann Konsonantenverbindungen selten. So kommen

b s. S. 46.

Merkwürdig ist z. B. Katia Ir „Schwein”.

Z. f. Kol. Spr. Bd. VII, S. 214.

Sethe, Der Ursprung des Alphabets. 1916. Ders., Die neuentdeckte binai-Sohrift und die Entstehung der semitischen Schrift. 1917. Die neuer-'hngs gefundene Schrift von Ras Shamra scheint der obigen Behauptungnbsp;*^llerdings zu widerspreehen.

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z. B. im Bantu nur die Lautverbindungen Nasal Konsonant sowie Konsonant Halbvokal vor und die Kombination von beiden Vor-gangen — natürlich auch die sich hieraus entwickelnden Laut-komplexe. Dabei wird der Nasal aber so sehr als vokalisch empfunden,nbsp;daB er, wie wir sahen, Trager des Silbenakzents sein kann, z. B.nbsp;Suaheli m'bya „der Hund“, Sotho n'ku ,,das Scbaf“. Konsonanti-scher SilbenschluB kommt, abgesehen von Nasalen, deshalb in diesennbsp;Sprachen nicht vor^).

Unter der Herrschaft des Starkeakzents, die im Bantu noch nicht ganz durchgedrungen ist, da der musikalische Ton zumeist nochnbsp;daneben besteht, treten nun in andem Sprachen ganz andere Er-scheinungen auf. Unbetonte Vokale werden verflüchtigt, konsonan-tischer SilbenschluB und WortschluB wird dadurch zur Gewohnheit,nbsp;man lernt vokallose Konsonanten auszusprechen, so daB schlieBlichnbsp;eigentlich jeder Konsonant mit jedem verbunden werden kann. Innbsp;der Abwandlung der Worte wird nun ein Konsonant bald mit, baldnbsp;ohne Vokal auftreten, wie man im Hebraischen von qalal ,,er hatnbsp;getötet“ die Imperfektform bildet iiqïöl. Von allen afrikanischennbsp;Sprachen haben es wie gesagt die Berbersprachen am weitesten innbsp;der Vokallosigkeit gebracht, z. B. Schilh®) S ,,essen“, davon dasnbsp;Kausativ sS (mit Akzent auf dem s), Is ,,sich kleiden“, mit Kausativ-prafix sis (Akzent auf dem ersten s), fk „geben“, von dem Stummenbsp;die erstaunhche Form anführt®) addxttfkt „mögest du uns ihn geben“,nbsp;mit Lokalexponent^) adaxti-ttfkt, adaxti-ntfkt.

Es versteht sich nun von selbst, daB diese Konsonanten, die so vokallos aufeinander folgen, sich gegenseitig in ihrer Artikulation stören.

Diese Störungen können sehr verschiedener Art sein. Das Nachst-liegende sind Assimilationen. Wenn die Konsonanten zusammen-treffen, so werden oft die Eigenschaften des einen auf den andern übertragen. So z. B. im Herero, einer Bantusprache. Wenn hier einnbsp;Nasal, der in der Regel ja stimmhaft ist, vor eine stimmlose Explosivanbsp;tritt, so wird sie stimmhaft, z.3. n k gt; ng, n tgt;nd, n -p gt; mb.nbsp;Dabei ist auch der Nasal der Assimilation unterworfen, indem er dienbsp;Artikulationsstelle des folgenden Lautes annimmt®). Ahnlich wird

*) Nur im Lautbild ist dergleiohen nacliweisbar, vgl. Duala na swat „in die Tiefe“.

Nach Stumme a. a. O. S. 76. nbsp;nbsp;nbsp;Stumme a. a. O. § 129b.

*) d ,,hier, her“, n ,,dort, hm“ § 130a.

Vgl. Meinhof, GrundriB einer Lautlehre der Bantuaprachen.® S. 13, 14, 115f.

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im Lateinischen n vor p zu m, z. B. im-probus. Auch vollstandige Assi-milationen mancherlei Art sind haufig, z. B. Sotho mmele ,,Leib“ lt; *movele, wobei sich dem vorhergehenden m assimiliert, umgekehrt wienbsp;im Lateinischen assiduus lt; *ad-siduus, wo das d sich dem folgenden snbsp;angleicht. Oder man dissimiliert die Laute, z. B. im Berberischen,nbsp;WO beim Aufeinandertreffen von t t das erste t oft zur Frikativa,nbsp;also zu s wird^), ahnlich dem deutschen Wort Gif-t von geben undnbsp;ahniichen Büdungen.

Die beiden Laute können auch zu einem ganz neuen Laut ver-schmelzen, wie z. B. Sotho n v gt; p', Schambala n z gt; s oder im Somali l -\- t gt; § wird, vgl. diSa „du schlagst“ lt; *dil-ta von dil,nbsp;meSi „der Ort“ lt;nbsp;nbsp;nbsp;nbsp;von meP).

Diese Assimilationen und Dissimilationen der Laute ergeben sich nun aber nicht nur bei einer Kontaktstellung, sondern auch in Fern-stellung. Denn da nicht mehr die Begriffe, für die die einzelnennbsp;Silben der Wörter ursprünglich der lautliche Ausdruck waren, alsnbsp;Einzelsilben im BewuBtsein lebendig sind, sondern nur das ganzenbsp;Wort, laBt die Aufmerksamkeit auf die Bildung der Einzelsilbe nach,nbsp;Itod Laute, die sich gar nicht berühren, können sich doch beein-flussen. Wahrend man mit der Bildung des einen Lautes beschaftigtnbsp;ist, denlct man bereits an die Bildung des Lautes der folgenden SBbenbsp;und umgekehrt. So entsteht im Schambala taratasi ,,Papier“ ausnbsp;*karatasi, entlehnt aus Suaheh kartasi, das natürlich auch Lehnwortnbsp;ist. Hier wird der erste Laut durch den folgenden verandert. Dienbsp;Feranderung des folgenden Lautes durch den vorhergehenden istnbsp;noch haufiger. So bildet man im Herero die Endung -ena statt *-em,nbsp;wenn die vorhergehende Silbe einen Nasal hat^).

Noch auffaUiger sind die Dissimilationen, wie z. B. das Dahlsche Dissimilationsgesetz im Nyamwezi, nach dem von zwei aufeinandernbsp;folgenden Aspiraten die erste zur Media wird, z. B. -dathu „drei“nbsp;statt *-thathu, -idikha „antworten“ statt *-it}iikha von -itha „rufen“®).nbsp;Man vergleiche dazu das bekannte griechische Dissimilationsgesetznbsp;für die Aspiraten.

Hierher gehort auch die Dissimilation der Nasalverbindungen, wonach z. B. im Suaheh aus urspr. *ngombe ,,Rind“ nombe entsteht®).

“) Stumme a. a. O. § 12a.

nach Ausfall des o.

Reinisoh, Die Somali-Sprache (III). § 30. Vgl. Meinhof, GrundriB S. 12Sf.nbsp;ZDMG. Bd. LVII. S. 302ff.

®) Z. f. Kol. Spr. Bd. III. S. 272—277.

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wahrend das Kuanyama nach einem andem Dissimilationsgesetz ngobe Ixat^).

Die Konzipierung langerer Worte im BewuBtsein fiihrt nun aber weiter dazu, daB die Aufeinanderfolge der Laute nicht mehr sichernbsp;festgehalten wird. Wie beim ,,Versprechen“ vertauscht man dienbsp;Laute. Dieser Vorgang ist im Bantu noch selten, nimmt aber in dennbsp;Hamiten- und Semitensprachen einen breiten Raum ein und ist auchnbsp;dem Indogermanischen nicht fremd.

Es geschieht dies besonders haufig bei r und I und bei Zischlauten. So büdet man im Gaila von arga „sehen“ agarta statt *argata „dunbsp;siehst“. Im Schüh entsteht von S „essen“ mit dem Prafix t die Formnbsp;Ste statt Hse. Das Hebraische bildet das Reflexivum von Samarnbsp;histammer statt *hit-Sammer. So schiebt man im Bedauye ein n, dasnbsp;ursprünglich zur Bildung des Prasens vor den Stamm trat, bei dennbsp;eigentlich dreiradikaligen Stammen in den Stamm ein, z. B. rebinbsp;(vom Stamm rbi) „aufladen“, arambi lt; *aranbi lt; *anrabi. Sonbsp;auch in den vierradikaligen arabischen Stammen, z. B. iqmantaranbsp;statt *in-qamtara.

Man dehnt diese Umstellungen auch auf die Vokale aus, z. B. im Bedauye, wo man von guhar „betrügen“ das Kausativ s-ughar^) stattnbsp;*s-guhar bildet.nbsp;nbsp;nbsp;nbsp;'

SchlieBlich können noch weitergehende Umstellungen vorkommen, z. B. im Somali, wo man das arabische Lehnwort bunduq „die Flinte“nbsp;in mundux und dumbux entsteUt.

Für die Beurteüung der dem Europaer gelaufigen Lautverbindungen ist die folgende Beobachtung wichtig.

In vokalreichen Sprachen, wie es die Bantuspraohen sind, können die einzelnen Laute sehr genau artikuhert werden. Die Nachahmungnbsp;dieser Laute und ihre sorgsame Unterscheidung erscheint dem Europaer so schwer, daB er sie in der Regel nie ganz erlernt. Manchenbsp;flektierende Sprachen haben im Vergleich damit einen viel geringerennbsp;Lautbestand, aber sie sind reich an Konsonantenverbindungen, undnbsp;diese bereiten nun wieder dem an das Bantu oder an Sudansprachennbsp;Gewöhnten fast uniiberwindliche Schwierigkeiten in der Aussprache.nbsp;Er strebt darnach, Konsonantenverbindungen aufzulösen und er-leichtert sieh den konsonantischen SilbenschluB durch angefiigtennbsp;Vokal®). Aus sultan macht der Suaheli sulutdni, aus yaqt „Zeit“nbsp;uakati usw.

1) Z. £. Kol. Spr. Bd. Ill S. 277—278.

“) Reinisch, Gramm. S.1 26. Vgl. Krumm a. a. O. S. 37.

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Der Starkeakzent, unter dessen Herrschaft jene Konsonanten-verbindungen entstanden, übt aber noch weitere Wirkungen auf die Laute aus. Die Konsonanten der Silbe, auf der der Druck ruht,nbsp;werden oft starker artikuliert als die Konsonanten anderer Silben.nbsp;So werden z. B. in manchen Bantusprachen, ebenso auch in deutschennbsp;Dialekten aus Tenues Aspiraten. Oder der Starkeakzent halt dienbsp;alte Artikulation fest, wahrend in der Silbe nach oder vor dem Akzentnbsp;der Laut verandert oder verflüchtigt wird. Wenn nun durch An-fügung von Suffixen das Wort langer wird, so wandert oft auch dernbsp;Akzent und mit dem Akzent die Wirkung auf die von ihm beein-fluBten Laute.

So spricht man im Pedi -aya ,,bauen“ für -dxa anderer Sotho-Dialekte, aber im Perfekt -axile. ist das altere x auch im Pedi erhalten. Im Suaheh spricht man -lia ,,weinen“ statt des -lüa anderer Bantusprachen, aber die apphkative Form lautet -lilia für alteres -lilélanbsp;mit erhaltenem l in der zweiten Silbe.

Auch die Vokale werden unter dem EinfluB des Starkeakzents verandert. Die Silbe, die den Akzent hat, zeigt in vielen Fallennbsp;gedehnten Vokal. Bei der Dehnung wird oft auch die Klangfarbenbsp;véranderD). Unbetonte Vokale aber werden verflüchtigt. Das allesnbsp;laBt sich besonders gut am Hebraischen beobachten. Hier bildetnbsp;man z. B. von qaïal die Form q^tal-tém mit Akzent auf der letztennbsp;Silbe und infolgedessen Verflüchtigung des Vokals der ersten, odernbsp;von demselben Stamm das Imperfekt ii-qtól aus altem *ia-qïul mitnbsp;Verflüchtigung des ersten Stammvokals und Dehnung sowie Ver-anderung des zweiten Stammvokals von u zu ö. Hiervon wiedernbsp;bildet man mit Verflüchtigung auch des zweiten Stammvokalsnbsp;ii-qiH-ehü „er wird ihn töten“ durch Anfügung eines Personalsuffixesnbsp;und Verlegung des Akzents auf die nunmehr vorletzte Silbe.

So starke Veranderungen der Laute bewirkt der Akzent.

R. Lepsius verbreitet sich in seiner nubischen Grammatik über den Vokalreichtum des Nubischen^). Man war zur Zeit der Abfassungnbsp;dieses Werkes noch ein Freund asthetischer Urteile in der Sprache,nbsp;Und Vokaheichtum galt als Zeichen einer hochstehenden Sprache.nbsp;Der wirkliche Verlauf der Dinge dürfte der sein, daB die ursprüngüchnbsp;vokalreichen Sprachen bei Einführung des Starkeakzents und dernbsp;dadurch bewirkten Abschleifung vokalarmer wurden, wie ja z. B. dasnbsp;Deutsche viel von seinem früheren Vokalreichtum in unbetontennbsp;Nebensilben verloren hat.

Vgl. Schmitt a. a. O.

Nubische Grammatik. S. 2f.

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Vokalarmut ist also nicht immer eine Jugendform der Sprache, sondern eher eine Alterserscheinung. Jedenfalls ist es aber nichtnbsp;unsere Sache als Sprachforscher, über den ,,Wohllaut“ einer Sprachenbsp;asthetische Urteile abzugeben, sondern wir haben die Tatsachen zunbsp;beobachten und zu versuchen, aus ihnen den Verlauf der Sprach-geschichte zu verstehen.

7. Innerer Vokalwechsel (Ablaut).

Wir unterscheiden im Deutschen Assimilationen der Stamm-vokale an Vokale der Endung von Ablauterseheinungen. Die Ent-stehung der Assimilationen ist im allgemeinen nicht zweifelhaft; es tragt dabei für die Gesamtbeurteilung dieser Erscheinung nichts aus,nbsp;ob man naoh alter Anschauung i für den ursprünglicheren Laut haltnbsp;oder nach neuerer e. Wenn aus Kalb im Plural Kdlber wird, ausnbsp;grofi im Komparativ grofier, und wenn stirbt und sterben von demselbennbsp;Stamm gebildet werden, so handelt es sich um Assimilationen.

Diese Veranderungen des Stammvokals unter dem EinfluB der Endung sind keineswegs auf indogermanische Sprachen beschrankt,nbsp;sondern auch in afrikanischen Sprachen haufig. So wird im Hausanbsp;vom Stamm *taf- „gehen“ gebildet fe/i „hingehen“; sarkl, pl. sarakainbsp;„der König“ hat die Nebenform serki. Im alteren Suaheli bUdet mannbsp;von -pata „bekommen“ die Perfektform -pete^), die für *-patile steht,nbsp;vgl. Zulu -phethe neben -phathMe, Perf. von -pJiatha „berühren“,nbsp;-Iele lt; *-lalih, Perf. von -lala „liegen“, -ethuese neben -eihwisile,nbsp;Perf. von -ethyasa „sich erneuen (Mond)“.

Instruktiv ist besonders im Konde die Bildung der Perfekta, z. B. -eluiphe statt *-eluphile von -elupah „weiB sein“. Das i der Endungnbsp;dringt in den Stamm ein, und das vorhergehende u wird unsilbisch.nbsp;Steht im Stamm aber ein a oder e, so verschmilzt dies mit dem i dernbsp;Endung, z. B. -angele lt; *-angalile von -angala „sich wohl befinden“.nbsp;Dabei braucht eine Aussprache wie *-angaile als Mittelglied nichtnbsp;einmal immer angenommen zu werden. Die Artikulation des a kannnbsp;sich der des in der folgenden Silbe stehenden i einfach angenahertnbsp;haben. Die Zungenstellung des i wird annaherungsweise vorweg-genommen, weil der Sprechende das i schon im Sinn hat.

1) s. S. 16.

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In ahnlicher Weise assimiliert sich i des Stammes einem folgenden a zu e, z. B. im Chamir^), einer abessinischen Hamitensprache,nbsp;birnbsp;nbsp;nbsp;nbsp;davon ber-a ,,Blutstropfen“

bil „Mottenquot;, davon bel-d ,,eine Mottequot; fiz „Samenquot;, davon fez-d „ein Samenquot;.

Bedauye®) adif, pi. adef-a „Rindequot;

Icawid, pi. kdwed-a ,,Peitschequot;.

Schilh izbil, pi. izbel lt; 1 2izbil-a „Harchenquot;.

In alien diesen Formen liegt unvollstandige Assimilation vor. Aber auch vollstandige Assimilation ist in Afrika nachweisbar,nbsp;deren Erscheinungen zunachst wie ,,Ablautquot; aussehen.

So z. B. bei der Pluralbildung im Schilh.

Hier hat der Singular den Anlaut a-, der Plural den Anlaut i-. Diese Vokale wirken gelegentlich assimilierend, z. B. t-a-basil-t ,,dienbsp;PuBsohlequot;, pi. t-i-bisil-ln.

Haufig hat der Plural die Endung -an (-a), die schlieBende Vokale verdrangt und so den Anschein eines Ablauts erweckt, z. B. a-zru,nbsp;pi. i-zr-an „Steinquot;, itri, pi. itr-an „Sternquot;. In t-a-serdun, pi. t-i-serd-an,nbsp;wo das schlieBende un des Singulars ausgestoBen wird, sieht dienbsp;¦^Bildung einem Ablaut noch ahnlicher.

Besonders auffaUend sind die Passivbildungen der Bantu-sprachen, Hamitensprachen und Semitensprachen.

In der weit überwiegenden Mehrzahl der Bantusprachen wird das Passiv durch ein suffigiertes unsilbisches u gebildet, z. B. Suahelinbsp;-pend-u-a von -pend-a ,,liebenquot;.

Im Hausa bildet man das intensive Passiv mit suffigiertem -u, z. B. ja bug-u ,,er wurde sehr geschlagenquot;.

In den Berbersprachen, z. B. im Schilh, wird das u prafigiert, wobei Qoch ein Prafix ü-, das die Zustandlichkeit ausdrückt, hinzutritt,nbsp;z. B. von ml ,,zeigenquot; 3. P. Sing, im Fiens i-ti-u-ml-i, im Factum

Auch in den Semitensprachen, z. B. im Hebraischen, dient ein prafigiertes u zur Büdung des Passiv, z. B. von hi-qttl ,,das Totennbsp;veranlassenquot; das Passiv hoqtal, das wohl auf 2ha-u~qtal zurückzufiihrennbsp;ist^). In andern Formen dringt aber das u in den Stamm ein, z. B.

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1

Beinisch, Die Chamirsprache. S. 101.

*) Wegen des Akzentwechsels s. S. 49.

Stumme a. a. O. S. 79.

2

In manchen Formen dieser Art erscheint auch im Prafix u statt o, z- B. buSlcah, besonders im Partizipium wie muxtab nach A. Miiller. 8. 70.

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qutial, Passiv zu der Intensivform qittêl. Diese letztere Form quttal sieht nun ganz wie ein Ablaut aus, ist aber naoh dem Vorhergebendennbsp;effenbar durch Assimilation des Stammvokals an das spater abge-fallene Prafix entstanden^).

Wahrscheinbch hangt aucli folgende Büdungsweise hiermit zu-sammen, die jedenfaUs ein vorzügliches Beispiel darstellt für Ver-anderung des Stammes durch Assimilation an das Prafix. lm Irob-Saho, einer abessinischen Hamitensprache, büdet man z. B.

von laha „senden“ mu-luh „Botschaft”

von qaya „tragen” mu-quy „Last”

von raga „wissen” mu-rug „Wissenschaft”.^)

Ahnlich steht es mit der Temporalbildung beim Verbum. Die alten Tempora des Bantu endigten auf -a und -i. lm Ful findennbsp;sich die gleichen Endungen auf -a und -i, daneben auch -u. lm Berbe-rischen, z. B. im Schilh, bildet man von § „essen” zwei Formen is-inbsp;und is-a.

Die Funktion dieser Formen ist verschieden. Die eine drückt das Geschehen, die eigentliche Tatigkeit aus, sie ist rein verbal. Dienbsp;andere ist mehr perfektisch, sie drückt die Vollendung, den durchnbsp;die Handlung geschaffenen Zustand aus; sie ist also mehr nominal.nbsp;Welche von beiden Formen für die eine oder andere Bedeutungnbsp;gewahlt wird, scheint zu schwanken.

Diese Vokale dringen nun aber gelegentlich in den Stamm ein und erzeugen so Büdungen, die wir als Ablauterscheinungen aufzufassennbsp;gewöhnt sind,

z. B. Somali i-mad-a ,,ich komme”

ti-mad-a ,,du kommst” usf.

Aber in der Erzahlungsform hat der Stamm den Vokal i: i-mid „ich kam”.

DaB dies i-mid aus i-mad-i entstanden ist, zeigt deutlich der Plural ti-mad-ên „ihr kamt”, der auf *ti-mad-i-an zurückgeht. Hier istnbsp;das a des Stammes erhalten. Vgl. dazu a-qan lt; *a-qan-a ,,ich kenne”nbsp;aber i-qln lt; *i-qin-i ,,ich kannte”. Hier ist auch im Plural das inbsp;in den Stamm eingedrungen: ti-qin-én lt; *ti-qin-i-an „ihr kanntet”.

Im Bedauye ist die Assimilation an das i so weit vorgeschritten, daB alle veranderlichen Verba, bei denen nicht Faukallaute die Bei-

Vgl. meinen Aufsatz in der Z. f. Eg.-Spr. Bd. XII. S. 260—262. “) Vgl. L. Reinisch, Die Sprache der Irob-Saho. S. 20.

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behaltung des a bewirkt haben^), im Stamm das i aufweisen, z. B. dir ,,töten“, rib „widerstrebenquot;, wik „spalten, sclmeiden“.

In den Semitensprachen erscheint regelmaBig -a als Endung des Perfekts, wobei die Mehrzahl der Verba auch im Stamm a bat, z. B.nbsp;arab. qatala „er bat getötet“, bebr. qatal dass., aber mit scbbeBendemnbsp;-a vor folgendem Suffix; q^iald-ni „er bat micb getötet“. leb baltenbsp;es für möglicb, daB aucb bier das -a unter Verdrangung des Stamm-vokals in den Stamm eingedrungen ist^). Im Imperfektum desnbsp;Hebraiseben sind Spuren einer alten Endung -i nacbweisbar, z. B.nbsp;ii-qïH-é-ni „er wird micb töten“, wobei die Veranderung von i zu ênbsp;nacb bebraisebem Lautgesetz normal sein würde®). Die semitisebennbsp;Imperfektstamme enthalten vieUeicht in vielen Fallen den ursprüng-lichen Vokal, z. B. in arab. ia-qtul-u, bebr. ii-qtöl, ii-ttm^). Vielleiebtnbsp;ist aber in maneben Fallen aucb bier ein Bildungselement in dennbsp;Stamm eingedrungen.

Wir saben S. 27, daB der Akzent Veranderungen der Konsonanten und der Vokale berbeifübrt. So kann denn eine Sübe versebiedenennbsp;Vokal haben, je nachdem sie den Akzent erhalt oder niebt. Wirnbsp;baben oben sebon Falie angefübrt wie im Bedauye, wo es zweifelbaftnbsp;i^éin könnte, ob die Verlegung des Akzents oder Vokalassimilationnbsp;den Wecbsel von i und e veranlaBte. In folgenden Fallen kommtnbsp;nun die Vokalassimilation niebt in Frage; es dürfte also nur dernbsp;Wecbsel des Akzents die Ursache des Vokalwechsels sein:

derim, pl. dirma „Herde“ terig, pl. tirga ,,Monat“.

Allerdings muB man dabei in Betracht zieben, daB die Beobachtung des Akzents und der Klangfarbe der Vokale im Bedauye besondersnbsp;schwierig ist, so daB die Vorgange noch weiterer Prüfung bedürfen.

Im Griecbischen wird das e der Akzentsilbe in unbetonter Silbe oft zu o, vgl. -phérö „tragen“ neben phósphoros, strépJiö ,,drehen“,nbsp;pf. éstropha, stérgö ,,lieben“, pf. éstorga^).

Die M-haltigen Konsonanten bewirken das Auftreten eines u im Stamm, Vgl. S. 56.

Wegen der Perfektstamme mit i und u s. Z. f. Eg.-Spr. Bd. XII. S. 263.

Anders Brockelmann, GrundriB I, S. 641.

*) Hebr. ö steht für altes u, B für altes i.

®) In indogermanisohen Spraohen ist die Veranderung des Stammvokals Unter dem EinfluB des Starkeakzents so haufig, daB dies heute als wesentlichenbsp;Ursache des „Ablautsquot; angesehen wird. Allerdings bleiben doch immer im-erklarte Erscheinungen, wie z. B. der Ablaut in Lautbildern, vgl. S. 51. Klingen-

4 Meinhof nbsp;nbsp;nbsp;'fö

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lm Hebraischen wird das urspr. d, das bereits dem 5 ahnlich ge-klungen haben mu6, in der Tonsilbe regebnaBig zu ö, z. B. Mlöm „Friede“. Durch den Starkton am SchluB der Hauptabschnittenbsp;der Rede, im Hebraischen Pausa genannt, wird a zu ö, z. B. hannöKalnbsp;st. hanndHal, ferner ê, das aus a entstand, zu ö, z. B. in Hobel stattnbsp;Hibel „Abelquot;^), und es steht sogar é st. a in iöxil st. idxdl „er wirdnbsp;essenquot;.

In einem gewissen Zusammenhang mit dem Entstehen von Ablaut-erscheinungen durch Veranderung des Druckes stehen die durch Reduplikation hervorgerufenen Vokalveranderungen, da die beidennbsp;Stamme nicht in gleicher Weise den Druck zu haben pflegen.

Schon in isolierenden Sprachen gehen die Reduplikationen nicht immer mechanisch vor sich. Da z. B. im Ewe Lautverbindungen wienbsp;tr, bl nicht ursprüngüch sind, sondern auf alte Zusammenziehungennbsp;zurückgehen, werden sie nicht verdoppelt. Weil z. B. tro „drehenquot;nbsp;aus *tode, *todo entstand, lautet es bei der Verdoppelung totro ] ebensonbsp;wird aus bla ,,bindenquot; bei Verdoppelung babla etc.

Die Nasalvokale des Ewe sind nach Westermann entstanden durch Verschmelzung mit einem schlieBenden Laute. Deshalb könnennbsp;auch sie nicht verdoppelt werden. So bildet mannbsp;nbsp;nbsp;nbsp;X^^

„zahlenquot; und nicht *;fê%Zè oder *xlèxlè, denn x^^ steht für *xe-de-n, ebenso sosrö von srö „lemenquot; usf.

Das durch Kontraktion aus lui entstandene o des Ewe wird in einigen alten Reduplikationen nicht wiederholt, sondern nur das u, ,nbsp;z. B. bildetnbsp;nbsp;nbsp;nbsp;gbo „zurückkehrenquot; gbugbo^)

do „leckenquot; nbsp;nbsp;nbsp;dudo.

Diese Vorgange haben rein etymologische Gründe und sehen nur oberflachlich den Ablauten ahnlich.

heben hat kürzlich (Z. f. Eg.-Spr. Bd. XXI, S. 81—98) vorgeschlagen, im AnschluB an den Sprachgebrauch der Indogermanisten jede durch den Akzentnbsp;hervorgerufene Anderimg in der Qualitat und Quantitat eines Vokals „Ablautquot;nbsp;zu nennen. Ich halte den Vorschlag nicht für glücklich, da der Gebrauch desnbsp;Terminus im Indogermanischen nicht ganz so ist, wie KI. annimmt, und alsonbsp;durch diesen neuen Terminus eine Klarheit nicht geschaffen wird. Wenn dernbsp;Ausdruck Ablaut überhaupt verwandt wird, würde ich ihn auf Vorgangenbsp;beschranken, die eben nicht durch Assimilation oder Druck, sondern durchnbsp;Tonmalerei bei Lokalvorstellungen oder sonstigen Lautbildem gebrauchtnbsp;werden. (Vgl. dazu den kleinen Artikel von George M. Bolling in Language VII.nbsp;p. 200. B. ist derselben Ansicht wie ich.)

^) Der sonst in semitischen Sprachen haufige Umschlag von o zu e ist z. T. dialektisch, s. S. 56.

’) gb istkeinDoppellaut, sondernSchreibungfürdiestinnnhafteVelarlabialis. 50

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Anders steht es in folgenden Fallen.

Im Nama wird bei der Verdoppelung eines Verbalstammes zur Bildung des Intensivum bzw. Kausativum die zweite hochtonigenbsp;Silbe tieftonig, z. B. (hochtonig) „essen“, =j=v,'-^ü^) „essen lassen,nbsp;Speise geben“^).

Wenn man im Duala hochtonige Verbalstamme verdoppelt, so wird der zweite Teil bei der Wiederholung tieftonig, z. B.

-di'pa^ ,,8chlagen“ bildet -di'pa^di^pane^ „zwecklos sehlagen“ -to'mba^ „vorbeigehen“ bildet -to'mba^topiba^ne^ „zwecklos vorbei-

gehen“.

Wenn man hier noch vermuten könnte, da6 der auf der ersten Silbe ruhende Starkeakzent den Hochton festgehalten hat, wahrend seinnbsp;Pehlen in der dritten Silbe das Eintreten des Tieftons hervorrief,nbsp;Oder daB ein andrer Grund anzunehmen ist, so ist das ausgeschlossennbsp;in der Wiederholung ndi'li'li' na^ ndajaja^ „die Urenkelquot; im Duala,nbsp;wobei sowohl ndi- wie nda- den Starkeakzent hat, der Wechsel dernbsp;Tonhöhe also nicht durch den Starkeakzent herbeigefiihrt ist. Dienbsp;^Ursache ist offenbar dasselbe rhythmische Bedürfnis, das uns ver-anlaBt, bei Lautbildern den Vokal in der Wiederholung zu wechselnnbsp;wie in klippklapp, tiktak, Singsang, Mischmasch, Wirrwarr, bimbam-bum, piff paff puff. Auch im Deutschen pflegt iibrigens mit demnbsp;Wechsel des Vokals ein Wechsel der Tonhöhe verbunden zu sein.

Dies rhythmische Bedürfnis auBert sich im Türkischen durch einen Wechsel des Konsonanten bei der Wiederholung, indem imnbsp;zweiten Wort der Anlaut zu m wird, z. B. tabaqmabaq „Teller undnbsp;ahnliches“, kitabmitab ,,Bücher und ahnliches“.®)

Auch in europaischen Sprachen hedient man sich bei Wiederholung des Konsonantenwechsels, z. B. in pêle-mêle, Schurr-Murr, Hotter dinbsp;Hotter, Chari-vari, Schorte-morte, Techtel-mechtet. Hier kann vonnbsp;einer Wirkung des Starkeakzents nicht die Rede sein; die Ursachenbsp;ist vielmehr die Abneigung gegen mechanische Wiederholung undnbsp;das dadurch bedingte Streben nach Rhythmisierung. So wird dernbsp;gleiche Impuls auch bei dem Vokalwechsel eine wichtige Rohe spielennbsp;neben dem bei den Vokalen zweifellos vorhandenen EinfluB desnbsp;Starkeakzents.

' Bezeichnet den Hochton, , den Tiefton.

“) Im Wörterbuch von Kroenlein p. 321 sind beide Silben als hochtonig bezeichnet, wie ich vermute in einfacher Wiederholung des Simplex, vgl. S. 31.nbsp;s. Jehlièka a. a. O.

4*

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Vgl. hierzu noch Chamir

akeblcib von akeb ,,sainmeln“ aremrim von arem „jaten“nbsp;rirebrib von rireb „aufschichten“.

Auch bei einer unvoUstandigen Wiederholung des Wortstammes ist der Wechsel des Vokals zu beobachten, vgl. Bedauyenbsp;dedib, debib von dib ,,verstecken“nbsp;rerdm von ram ,,folgen“.

So kommt es dann zu einer Mechanisierung des Vorgangs, indem bei Verdoppelungen regelmafiig derselbe Vokal eingeschoben wird,nbsp;unabhangig vom Stammvokal, im Griechischen e, im Gotischen ai,nbsp;im Somali a, z. B. bul, pl. bulal „Hüfte“, Ub, pl. Ubab „Pfeil“; imnbsp;Hausa haufig ö, z. B. ydc'a ,,Finger“, pl. ydc’öc’ï, oft auch a, z. B.nbsp;wuri, pl. wurarê ,,Platz“, oder ai, z. B. hacH, pl. hac'aic’ai ,,Getreide“.

Sehr merkwürdig ist das Irob-Saho, wo die Vokale der Verdoppe-lungsformen der Dissimilation unterworfen sind, z. B.

af, pl. afof „Mund“, also nach a erscheint o bol, pl. bolal „Höhe“, also nach o erscheint a.

Die auf diese Weise entstandenen Verdoppelungsformen werden aber noch weiteren Veranderungen unterzogen. So bildet man im Hausanbsp;den Plural von gulbi „Plu6“ gulabï lt; *gulbabi, von serki, sarkinbsp;„König“ sarakai lt;*sarkakai, falkê, lautgesetzlich stattnbsp;nbsp;nbsp;nbsp;„Hand-

ler“ büdet/aiafcë statt *fatkdkè, döki lt; *dauki „Pferd“ bildet day.akï lt; *daukaki usf.

Manche arabischen Plurale dürften einen ahnlichenUrsprung haben, z. B. üdkim, pl. Kukkam „Richter”, wo die Verdoppelung des k dienbsp;Entstehung aus einer alten Reduplikationsform noch anzeigt.

DaB ein deutscher Ablaut wie hielt von halten eine alte Reduplikationsform ist, kann ja nicht zweifelhaft sein, wenn man got. haihald ahd. hialt vergleicht. Ahnlich liegt es bei lat. ëgi von ago, fëci vonnbsp;fdcio usw.

Echte und scheinbare^) Ablautreihen können aber noch von ganz andern psychologischen Motiven hervorgerufen werden.

Wir finden in afrikanischen Sprachen sehr haufig, daB die ver-schiedenen Vokale zum Ausdruck lokaler Vorstellungen gebraucht werden.

-un.

Ich spreche von scheinbarem Ablaut, weil man damit rechnen muB, daU die deni Stamm angefügten Suffixe aus volleren Formen abgeschliffen sind,nbsp;imd daB sie urspr. verschiedene Vokale enthielten. Vgl. imten -ri undnbsp;In einem solchen Fall liegt ja eigentlich Vokalasaimilation vor.

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So endigt z. B. im Herero das Demonstrativ, das „Jener“ bezeich-net, auf -ni, wenn der Gegenstand noch sichtbar ist, auf -na, wenn er bereits auBer Sicht ist.

Die Demonstrativstamme des Nama lauten ne ,,dieser“, jjna „der da“, nou

Im Somali ist nih-ka ,,der Mann hier“, nin-ko „der Mann da“, nin-ki „der Mann dort (auBer Sicht)^).

Es ist aber zu beachten, daB die Vokale nicht in alien Spraehen dieselbe lokale Funktion haben.

Diese lokale Bedeutung tritt nun auch beim Verbum in die Er-seheinung, wo es sich naturgemaB zunachst um Bezeichnung einer Bewegung handelt.

So bedeutet im Somali si- „hin“ und so- „her“ als Prafix am Verbum, im Hausa -i ,,hin“ und -o „her“ als Suffix.

Im Bantu ist nur noch -o in der Bedeutung „her“ nachzuweisen, z. B. in Suaheli ïidpoo ,,komm her!“

Im Nama ist -ri „hin“ sicher, aber -ru „her“ schlecht bezeugt. Nun ist es an sich nicht nötig, auch nicht einmal wahrscheinlich, daBnbsp;^die Stanime, die „hin“ und „her“ bezeichnen, ursprünglich ver-wandt sind. Gegen solche Verwandtschaft spricht z. B. Bari -rinbsp;„hin“, das mit -ara, -orq wechselt, und -un „her“. Es kann also sonbsp;gewesen sein, daB bei den ursprünglich ganz verschiedenen Stammennbsp;-ri und -un^), die mit den Vokalen i und u sich verbindenden Lokal-vorstellungen, in den Vordergrund traten und so innig damit ver-schmolzen, daB die Vokale als adaquater Ausdruck der Lokalvor-stellung empfunden wurden, und daB so von -ri und -un nur -i und -unbsp;übrig blieben.

Für die Richtigkeit dieser Annahme spricht es, daB man im Schilh d und n zum Ausdruck der Lokalvorstellung gebraucht ohne An-deutung eines Vokalunterschiedes, was bei der weitgehenden Vokal-losigkeit des Berberischen nicht wundernehmen kann.

Diese Lokalvorstellung erfahrt nun einen Wandel der Bedeutung, indem sie in die Zeitvorstellung übergeht. M. v. Tiling hat nach-

Im Korana hei/3t aber „dieser“ he, „jener“ Una; damach sieht es so aus, als waren im Nama verschiedene Stamme nur ahnlich geworden, weil sienbsp;ahnliohe Bedeutung haben. So wurde also vielleicht he unter dem Einflufinbsp;Von nou zu ne.

Ich empfinde auch im Deutschen in bimbambum die Silbe him als Lautbild der kleinsten aber nahen, bum als Lautbild der gröfiten aber fernen Glocke.

Vgl. im Deutschen ,,hier“, „da“ mit verschiedenen Vokalen in nicht verwandten Stammen.

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gewiesen, daB nin-ki im Somali nicht nur „jener Mann“ ist, sondern auch „der Mann von gestern“. Deshalb kann auch das Personal-pronomen „ich“ mit dem Suffix -i versehen werden, was eigentlichnbsp;bedeutet, daB die genannte Person auBerbalb des Gesicbtskreises desnbsp;Redenden ist. Aber ani-gi heiBt nun nicht nur ,,icb dort“ (auBer Sicht)^),nbsp;sondern „ich an einem andern Tage“, und die Form wird angewandt,nbsp;wenn der Redende von sich als zu einer andern Zeit bandelnd spricht.

So hangen wahrscheinlich die oben S. 48/49 aufgeführten Tempora des Hamitischen auf -a und -i mit der Lokalvorstellung zusammen^).

VieUeicht ist auch objektives -i und passives -u im Hausa aus der Lokalvorstellung übertragen, indem das -i auf das „hin“ und das -unbsp;auf das „her“ zurückgebt.

Es mögen aber wohl noch weitere Übertragungen vorkommen. Die Personalpronomina sind ja ihrem Wesen nach eigentlich Demon-strativa, ,,der hier“ = „ich“, „der da“ — „du“ und „der dort“ =nbsp;„er“®). So ist es doch vielleicht nicht zufaUig, daB im Ful mi ,,ich“,nbsp;a „du“, o „er“ heiBt, und daB in vielen Sprachen ,,ich“ mit demnbsp;i-Vokal, „du“ mit a oder u auftritt.

Wir werden spater sehen, daB die Vorstellung des GroBen sich mit der Vorstellung von einer Person, die Vorstellung des BQeinen sichnbsp;mit der von einer Sache verbindet.

Nun heiBt im Ful das Pronomen der 3. P. Sing, bei Personen o; für die verschiedenen Pronomina der andern Klassen kann i eintreten,nbsp;gelegentlich allerdings auch für Personen^). Wir werden sehen,nbsp;welcher Zusammenhang zwischen der Person und dem grammatischennbsp;Maskulinum, zwischen der Sache und dem grammatischen Femininumnbsp;besteht. So ist es bemerkenswert, daB in Hamiten- und Semiten-sprachen u als Zeichen des Maskulinum, i als Zeichen des Femininumnbsp;nachweisbar ist®). Man müBte also versuchen festzustellen, ob o (u)

1) Was eigentlich ja eine contradictio in adjecto sein würde, da „ioh“ immer da ist, WO sich der Redende befindet. Aber man kann allerdings von sichnbsp;selbst als an einem andern Ort befindlich sprechen.

“) Vgl. M. V. Tiling, Die Vokale des bestimmten Artikels im Somali. Z. f. Kol.-Spr. Bd. IX. p. 132ff.

Vgl. die Ersetzung der Personalpronomina durch hic, iste, ille in der lateinischen oratio obliqua.

Vgl. S. 64, 72.

®) Vgl. hebr. „er“, hl „sie“, -ï Femininsuffix in der 2. P. Sing, des Impf. s. S. 72. Im Agypt. ist die Endung des mask. Substantivs haufig u, das altenbsp;Pronomen abs. lautet s „er“, si „sie“. Im Schilh ist der Anlaut des mask.nbsp;Substantivs in der Regel u-, u-, Stumme a. a. O. § 26. Vgl. auch Hausa ka m.nbsp;„du“, ki f. „du“.

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hier mit der Vorstellung des GroBen, i mit der des Kleinen sich ver-bunden hat und von dieser raumlichen Vorstellung die andern ab-geleitet sind. Wir besitzen heute genügendes Material, um eine genauere Untersuchung dieser Zusammenhange in afrikanischennbsp;Sprachen in Angriff zu nebmen.

Wenn nun unter dem EinfluB dieser verschiedenen Momente, zu denen sicher noch manche andere treten, die ich nicht übersehe, innbsp;einer Sprache eine Ablautreihe entstanden ist und sich durch mehrerenbsp;viel gebrauchte Formen dem Gedachtnis eingepragt hat, so wird diesesnbsp;Schema daim nach Analogie auf weitere Worte übertragen. Diesesnbsp;Schema muB z. B. für das Verbum in den semitischen Sprachen sehrnbsp;früh entstanden sein, so daB es in den historisch uns bekanntennbsp;Sprachen überall schon vorliegt^).

lm Hamitischen®) wie im Indogermanischen ist nur ein Teil der Verba dem Vokalwechsel unterworfen, ein groBer Teil der Verba hatnbsp;unveranderliche Stamme.

Im Semitischen ist dagegen die Veranderung des Stammvokals auf alle Stamme ausgedehnt, und auch die Lehnworte werden ihr unter-Vorfen.

Aber auch im Berberischen und im Indogermanischen wird die Ablautreihe gelegentlich auf Fremdworte angewendet.

So wandelt man im Schilh das deutsche hüindel in èmndil, vgl. im Deutschen schrieb, pries nach Analogie von trieb, wies. So bildetnbsp;der Araber im Nomen ,,gebrochene“ Plurale von Lehnworten, z. B.nbsp;•üsquf, pl. asdqife „Bischof“, qdisar, pl. qayisire „Kaiser“, qünsul,nbsp;pl. qandsil ,,Konsur‘ und sogar bardgië „die Agyptologen“ vomnbsp;deutschen Namen Brugsch. Der Name des Piasters qirë stammt vomnbsp;deutschen Groschen ab, der in der Form qurüs als Plural aufgenommennbsp;wurde, wozu man dann nach Analogie von Worten wie nims, pl.nbsp;numüa ,,Ichneumonquot;, libs, pl. lubüs ,,Wattepanzerquot;, sin, pl. sunünnbsp;„Zahn“ den Singular bildete.

Neben dem allen gibt es aber noch eine andere Quelle für schein-baren Ablaut, namlieh den EinfluB benachbarter Konsonanten auf die Vokale.

Bekanntlich wird im Englischen ein a in der Nachbarschaft von w Oder M zu o getrübt, z. B. wash, all, small, tall usw. In afrikanischen

Vgl. E. Zyhlarz, Ursprung und Sprachoharakter des Altagyptischen. Z. f. Eg.-Spr. Bd. XXIII. S. 25 ff.

Nur in den Berbersprachen und den Sprachen der Kuschiten ist der Ablaut im Verbalstamm nachweisbar, aber auch hier nicht bei allen Verben.

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Sprachen wird a in der Nachbarschaft von Labiallauten nicbt selten zu o, z. B. Nama goma-b neben gama-b ,,Ocbse“. Femer wird a zu onbsp;in der Nacbbarscbaft von w, z. B. Somali wolal „Scbleuder“, wogannbsp;„Familiequot;, Hausa wani neben woni „irgendwer“d)

In der Nacbbarscbaft von Faukallauten bevorzugt man in bamiti-scben und semitiscben Spracben den Vokal a. Entweder laCt man a neu eintreten unter Verdrangung des ursprünglichen Vokals, odernbsp;man halt etymologisehes a fest, wo es sonst scbon verscbwunden ist,nbsp;z. B. im Hebraischen iishat statt des zu erwartenden 1 2i,iShöt, Bedauyenbsp;erhan „er sah“, wabrend die Stamme sonst ein i als Stamm vokalnbsp;baben nach S. 49.

Wenn im Scbilb in der Nachbarschaft der mit Kehlpressung ge-sprochenen Laute jedes a zu o wird^), so scheint das zu der gleichen Kategorie zu geboren. Man mu6 aber damit recbnen, daB ein ganznbsp;andrer Vorgang zu Grunde liegen kann. Dem gepreBten k entspricbtnbsp;im Bedauye ¦w-haltiges k, vielleicht aucb w-haltiges g. Hier ist einnbsp;vokaliscbes u noch erbalten. Vielleicht war das bei den Lauten desnbsp;Scbilb früher ahnlich, und es handelt sich also um Vokalassimila-tionen®).

Ahnlich liegt die Sache bei nicht gepreBten Zischlauten des Scbilb. In ihrer Nahe wird urspr. a zu e^). Im Bedauye wird das Prafix dernbsp;Kausativa, das sonst so- oder se- lautet, vor folgendem s und j zu si-.nbsp;Das leitet auf die Vermutung, daB vielleicht diese Zischlaute durchnbsp;den EinfluB eines i entstanden sind, wie sicb das z. B. in den Bantu-sprachen baufig nacbweisen laBt. Wenn das zutreffen sollte, dannnbsp;würde aucb hier nicht die Nacbbarscbaft des Konsonanten die Vokalenbsp;verandern, sondern ein Vokal, der die Bildung der Zischlaute bervor-rief und dann verscbwunden ist, in diesem Fall ein i, ware die Ursachenbsp;der Veranderung.

Zum SchluB sei noch darauf verwiesen, daB Vokale baufig dialek-tisch der Veranderung unterworfen sind, indem z. B. a sich bald dem e und bald dem o nahert. Dieser Lautwandel sieht dem Ablaut zu-weilen ahnlich, ist aber davon zu unterscheiden^).

So mannigfach die Grimde für die Ablauterscheinungen sind, so bat sich doch herausgestellt, daB wir die Entstehung des Ablauts

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1

Vgl. weitere Beispiele in Meinhof, Hamitensprachen. p. 66 und 168. Vgl. Stumme, a. a. O. p. 15. Vgl. aueh oben S. 49.

Vgl. meinen Aufsatz über die emphatischen Laute in Z. f. Eg.-Spr. Bd. XI. S. 102ff.

2

Vgl. S. 50 Anmerkung 1. nbsp;nbsp;nbsp;,

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im allgemeiuen verfolgen können, und daB er keineswegs eine scharfe Scheidung zwischen flektierenden und nicht-flektierenden Sprachennbsp;bedeutet. Auch hier ist die Grenze eine fliefiended)

8. Die Klasseneinteilung.

In isolierenden Sprachen werden alle Wurzeln gleichwertig behandelt. Man kann es der Wurzel nicht einmal ansehen, ob sie nominalen oder verbalen Charakter hat, ja, viele Wurzeln könnennbsp;für beides verwendet werden^). Die groBe FüUe der Wurzeln scheintnbsp;also ungeordnet im BewuBtsein verhanden zu sein. Aber durch dienbsp;Zusammenfügung von Wurzeln kann schon hier eine Art Klassifikationnbsp;erreicht werden. Man kann z. B. im Ewe die Begriffe wie armnbsp;„Mensch“, nu „Ding“, ati „Baum“, ate „Platz“ u. a. zu allerleinbsp;Worten hinzufügen und diese dadurch dem Begriff „Mensch“, „Ding“,

Humboldt glaubt dagegen, daB sogar die Suffixe aus der Wurzel heraus-gebildet, nicht von aufien angefügt sind, vgl. seine Darlegungen a. a. O. S. 137: „Durch die unerforschliche Selbstthatigkeit der Sprache brechen die Suffixenbsp;aus der Wxwzel hervor, und dies geschieht so lange und so weit, als das schöpfendenbsp;Vermogen der Sprache ausreicht. Erst wenn dies nicht mehr thatig ist, kannnbsp;mechanische Anfügung eintreten.quot; Wichtig scheint mir für die Beürteilungnbsp;des Ablauts z. B. im Deutschen auch die Tatsache, daB die Zugehörigkeit dernbsp;Wortformen zu einander keineswegs aus dem Innern des SprachbewuBtseinsnbsp;sich selbsttatig mit geheimnisvoller Kraft ergibt, oder aus theoretisch möglichennbsp;Ablautreihen instinktiv erschlossen wird, sondern daB sie bei der Sprach-erlernung gedachtnismaBig eingeübt wird. Wir empfinden im Deutschen alsnbsp;zusammengehörig trug und tragen, aber nicht Krug und Kragen, winde, wand,nbsp;gewunden, aber nicht Wind, Wand, Wunden oder Kind und Kunden; es ge-hören zusammen sinne, gesonnen, aber nicht Sinne und Sonnen, binde undnbsp;banden, aber nicht Tinte und Tanten, biete und bot, aber nicht Mete und Not,nbsp;Sitz imd saBen, aber nicht Fritz und fraBen, denkt und dachte, aber nidht lenktnbsp;und lachte, schenkt und Schachte, senkt und sachte, krankt und krachte.nbsp;DaB die Einübung uns zuweilen im Stiche laBt und wir nach Analogie bilden,nbsp;wie z. B. frng von fragen imd im Dialekt sogar jug von jagen, andert darannbsp;nichts.

*) Z. B. Kpelle ba „Frucht“ und „Frucht tragenquot;, „Stimmequot; und ,,tonenquot; usw., vgl. Westermann, Kpelle. S. 141. Im Ewe wird allerdings oftnbsp;das Substantiv durch vorgesetztes a- gekennzeichnet, vgl. Westermann, Ewe-Glrammatik. S. 118.

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,,Baum“, „Platz“ unterordnen, z. B. ni-me „Kuhmensch, Pygmaequot;^), lt;io-24)o-»M„(Arbeit-mache-Ding =)Werkzeug“, ga-nu ,,(Eisen-Ding =)nbsp;metallenes Gerat“, y^q-mz-nu „(Haus-iimen-Ding =) Möbelquot;, ng-tinbsp;„(Nu6-Baum =) Kokospalme“, odum-ti, ala-ti, agg-ti (verschiedenenbsp;Baumarten), nu-da-le ,,(Ding-koche-PIatz =) Küche“, dq-wo-lenbsp;„(Arbeit-mache-Platz =) Werkstatt“ usw. Ein ahnliches Verfahrennbsp;wenden wir auch in unserer flektierenden Spracbe an, wenn wir sagennbsp;Fischermann, Gevattermann oder Eichbaum, Palmbaum. Auf diesenbsp;Weise werden viele, wiewohl nicht alle Begriffe einem andern, all-gemeineren Begriff zugeordnet. Daneben gibt es aber in beidennbsp;Sprachen Worte genug, bei denen ein allgemeiner Begriff nicht aus-gedrückt ist, z. B. fia ,,König“, kplö „Tisch“ oder im Deutschennbsp;Fischer, Gevatter, Feind, Held, Hirt, Knecht, Wirt, Tanne, Fiche,nbsp;Linde, Palme etc.

Wie die deutschen Beispiele zeigen, kann man in manchen Fallen die Bezeichnung des allgemeinen Begriffes ausdrücken oder weglassen; vgl. noch Tigertier, Renntier, Elentier, Walfisch.

Anders liegt die Sache, wo diese Beifügungen nicht mehr den Charakter eines selbstandigen Wortes haben, weil sie veraltet sindnbsp;und nicht mehr selbstandig auftreten. So steht es mit deutschennbsp;Worten wie HoUun-der, Wachol-der, in denen das angefügte -der nichtsnbsp;anderes ist als ein früher selbstandiges Wort für „Baum“, vgl. engl.nbsp;tree, dan. tree, das aber im Deutschen auBer Gebrauch gekommen, undnbsp;dessen Bedeutung so völlig vergessen ist, daB man heute sogarnbsp;Hollunderbaum und Wacholderbaum sagen kann, wobei also der Begriff „Baum“ je zweimal ausgedrückt ist. Das sind Ansatze zu einernbsp;Klassifizierung der Begriffe. Eine andre Art der Klassifizierung ist es,nbsp;wenn die Edassen nicht durch selbstandige Worte angedeutet werden,nbsp;sondern durch Bildungselemente. Wir haben schon früher davonnbsp;gesprochen, daB diese wie das -heit (s. S. 29) im Deutschen aus altennbsp;Stammen entstanden sein können. Sie können aber auch einemnbsp;andern Vorgang ihre Entstehung verdanken, vgl. S. 32ff. Dienbsp;Edassifizierung durch Endungen ist nun in den indogermanischennbsp;Sprachen ganz gewöhnlich.

So bildet man im Lateinischen die Substantiva, die eine handelnde Person bezeichnen, regelmaBig vom Supinstamm auf -or, z. B. can-tor,nbsp;rec-tor, scrip-tor, doc-tor, irrl-sor, Abstrakta auf -itas und -itudo wienbsp;sanct-itas, forti-tvdo, Stalle auf -ile wie bov-ile, su-ïle, equ-ïle usw.

1) Zur Bezeichnung des handelnden Menschen wird nicht -me, sondern -la gebraucht, z. B. nu-fia-la „Lehrer“, nu-da-la „Kooh“.

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Diese Bildungsweise scheint in indogermanischen Sprachen alt zu sein, da z. B. die Verwandtschaftsnamen für ,,Vater“, ,,Mutternbsp;,,Tocliter“, ,,Schwester“, ,,Bruder“ urspr. gleichlautende Endungennbsp;haben. Das weist darauf bin, daB die Endung eine bestimmte Be-deutung batte.

In den zuerst genannten Beispielen war der Oberbegriff „Mensebquot;, „Dingquot;, „Baumquot;, „Platzquot; bereits gegeben. Das ist mm niebt immernbsp;der Fall, und es entsteht die Frage, wie es überhaupt zur Bildungnbsp;solcber allgemeinen Begriffe kommen kann. Wir werden das beimnbsp;Gebrauch von Fremdwörtern leichter verfolgen können als bei dernbsp;Büdimg deutscher Worte, die schon seit Urzeiten Bürgerrecht in dernbsp;Spraebe haben.

Das Wort Palme bezeichnet, seitdem man es auf einen Baum an-gewandt bat, zunachst gar nicht die besondere Gruppe der Mono-kotyledonen, die der Botaniker Palmen nennt, denn diese Pflanzen-gruppe war ja den Mittelmeermenschen, von denen das Wort stammt, gar nicht naher bekannt, sondern es bezeichnet nur eine Spezies,nbsp;die Dattelpalme. Von daher bat der Deutsche das Wort bekommen,nbsp;/ind als er im Laufe der Zeit Baume kennen lernte, die nacb ihremnbsp;Bau den Dattelpalmen ahnlich waren, übertrug er das Wort auf sienbsp;und gewann so den Oberbegriff Palme, dem er nun die Kokospalme,nbsp;die Facherpalme, die Ölpalme usw. unterordnete. Noch auffallendernbsp;ist dieser Weg vom Besonderen zum Allgemeinen bei dem Oberbegriff Limonade. Limonade bedeutet im Deutschen heute Wasser,nbsp;das mit Fruchtsaft und Zucker vermisebt ist. Das Wort stammt abernbsp;von Limone ab und bezeichnet also eigentlicb ein mit Limonensaft,nbsp;d. h. Zitronensaft, vermischtes Wasser. Aus diesem Sonderbegriffnbsp;ist es zum AUgemeinbegriff geworden, so daB wir heute unterscheidennbsp;zwischen Zitronenlimonade und Himheerlimonade.

In ahnlicher Weise werden viele Allgemeinbegriffe entstanden sein, nicht im Wege der bewuBten Unterordnung der Sonderbegriffenbsp;unter vorher vorhandene Allgemeinbegriffe^).

Wie stark aber das Bedürfnis des Menschen nacb solchen Allgemein-

Humboldt mimnt im Gegensatz hierzu an, daö die allgemeinen Bedeu-tungen ursprünglich sind und nicht die konkreten imd speziellen, a. a. O. S. 399. — Natürlich lassen sich auch dafür Belege finden. Haufig genug bedeutet einnbsp;geographischer Name wie Ache, Aa usw. nichts anderes als .,Wasserquot;, dernbsp;Name eines Berges wie Gora nichts anderes als ,,Berg“, aber im allgemeinennbsp;bezeichnen die Appellativa z. B. für ein Kind zunachst ein einzelnes Wesen,nbsp;z. B. Hund, Pferd, Schaf, den Himd, das Pferd, das Schaf, das dem Kindnbsp;bekannt ist. Erst daim wird es auf anderes übertragen.

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begriffen ist, beweist besonders die Entwicklung der agyptischen, babylonischen und chinesischen Schrift.

In allen diesen Schriftarten beginnt man damit, die Bilder ein-zelner Gegenstande aufzuzeichnen. Sehr bald ergeben sich aber bei der groBen FüHe der Bilder und Zeichen Vieldeutigkeiten, dienbsp;übrigens auch in der Art der Sprache ihre ürsache haben können,nbsp;z. B. bei gleich oder ahnlich klingenden Worten. Da bedient mannbsp;sich dann in aUen drei Schriftarten desselben Kunstgriffs, daB mannbsp;zu dem Einzelbegriff, dessen Zeichen man schreibt, den Oberbegriffnbsp;hinzusetzt, zu dem man ihn rechnet, z. B. bei Namen von Menschennbsp;das Büd eines Menschen, bei Namen von Göttern etwa einen Stern,nbsp;bei unbedeutenden Dingen einen Sperling, bei Baumnamen einennbsp;Baum, bei Namen von Steinen das Steinzeichen usw. Es ist so, alsnbsp;wenn wir im Deutschen, um die beiden Worte Tau zu unterscheiden,nbsp;bei dem einen das Zeichen für Wasser, bei dem andern das Zeichennbsp;für Faden hinzusetzen würden.

Das ist geschriebene Klassifikation.

In der gesprochenen Sprache ist diese Art, die Begriffe einzuordnen, nirgend so voUstandig durchgeführt wie in den afrikanischen Klassen-sprachen. Wir kennen drei Grappen solcher Klassensprachen;

1. nbsp;nbsp;nbsp;Die Bantusprachen in Zentral- und Südafrika,

2. nbsp;nbsp;nbsp;Das Ful und verwandte Sprachen im westlichen Sudan,

3. nbsp;nbsp;nbsp;Die Klassensprachen Kordofans.

Von diesen sind die Bantusprachen am besten durchforscht.

Man unterscheidet nun in den Bantusprachen folgende Klassen:

1. nbsp;nbsp;nbsp;Menschen

2. nbsp;nbsp;nbsp;Geister, wozu auch Berg, Feuer, Rauch, Flüsse, Baume undnbsp;Krankheiten gehören

3. nbsp;nbsp;nbsp;Dinge, die doppelt verhanden sind, wie Augen, Ohren, Zahne

4. nbsp;nbsp;nbsp;Flüssigkeiten

5. nbsp;nbsp;nbsp;Werkzeuge, Sitten, Gebrauche, Sprachen

6. nbsp;nbsp;nbsp;Tiere

7. nbsp;nbsp;nbsp;Dinge, die zunachst in der Mehrzahl benannt werden, wienbsp;Haar, Brennholz

8. nbsp;nbsp;nbsp;Abstrakta

9. nbsp;nbsp;nbsp;Deminutiva

10. nbsp;nbsp;nbsp;Augmentativa

11. nbsp;nbsp;nbsp;Eine Schmahklasse

12. nbsp;nbsp;nbsp;Drei Lokativklassen

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Natürlich sind nicht alle diese Klassen in jeder Bantusprache nach-weisbar, aber abgesehen davon ist die Klasseneinteilung durchaus im lebendigen Gebrauch der heutigen Sprachen.

Die Klassen werden jede durch ein ihr eigentümliches Prafix gekennzeichnet. Im Plural wird ein anderes Prafix gebraucht, dennnbsp;der Begriff der Klasse wird ja in der Mehrzahl verandert. Der Singular eines Wortes bedeutet z. B. „eins von zweienquot;, vgl. oben unter 3.,nbsp;oder „eines von mehrerenquot;, vgl. unter 7.^), der Plural dann zwei odernbsp;mehrere. AuBerdem ist ja schon der sinnliche Eindruck der Pluralitatnbsp;ein verschiedener, ob man eine Mehrzahl von Menschen, von Baumennbsp;oder von Werkzeugen vor sich hat. So gibt es eine ganze Reihe verschiedener Pluralformen, die wir in Kapitel 10 besprechen werden^).

Damit ist im Unterschied von den isolierenden Sprachen auch eine klare Pluralbezeichnung gewonnen, die den isolierenden Sprachennbsp;eigentlich fehlt. Aber die Klasseneinteilung bringt noch einennbsp;weiteren Gewinn. Das Demonstrativpronomen, das bestimmend zunbsp;dem Nomen tritt, assimiliert sich teilweise oder vöUig den Nominal-prafixen und wird so zu einem sichem Hilfsmittel, urn. die syntaktischenbsp;^ugehörigkeit eines Begriffs zu einem andern im Satze zum Ausdrucknbsp;zu bringen. Jedes Pronomen, jede Verbalform, jeder abhangigenbsp;Genitiv wird auf diese Weise durch Beifügung des Klassenpronomensnbsp;als zu einem bestimmten Nomen gehorig gekennzeichnet®). Die grammatische Abhangigkeit hat damit einen ganz unmiBverstandlichennbsp;sprachlichen Ausdruck gefunden, wahrend in den isolierenden Sprachennbsp;die Stellung der Worte zu einander das einzige Mittel war, um dienbsp;grammatische Beziehung auszudrücken.

Damit haben diese Sprachen einen neuen Weg beschritten, der für die Entwicklung des Sprachbaus von der allergröBten Bedeutung ist.

Wir werden bei der Besprechung der Kasusformen diese Vorgange noch weiter zu verfolgen haben.

Diese eigentümliche Klasseneinteilung ist indes wie gesagt nicht

auf die Bantusprachen beschrankt. Ich fand in Kordofan Sprachen,

die zweifellos auch die Klasseneinteilung haben, ohne zu den Bantu-—-

Also Individualis.

Die Klasseneinteilung ist nicht systematisch, vgl. S. 67, sondern folgt verschiedenen, sich kreuzenden Prinzipien, vgl. meinen Aufsatz „Die afrikani-schen Klassensprachen in ihrer Bedeutung für die Geschichte der Sprache“.nbsp;Scientia. 1931. S. 168.

“) Die Adjektiva werden ebenfalls durch Prafixe dem Nomen zugeordnet, zu dem sie gehören, aber die Art der Verwendung dieser Prafixe ist in verschiedenen Sprachen verschieden.

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sprachen zu gehöreni). Wenn hier das Material noch dtirftig ist und die Sprachen schon stark zersetzt zu sein scheinen, so ist im westlichennbsp;Sudan eine Sprache helifarbiger Menschen bekannt, das Ful^), dasnbsp;die Klasseneinteilung in demselben oder noch gröBerem Reichtumnbsp;hat wie das Bantu, und das auch die Klassenzeichen zum Ausdrucknbsp;der grammatischen Beziehung gebraucht, wenn auch nicht mit dernbsp;gleichen RegelmaBigkeit wie das Bantu.

Ein Hauptunterschied zwischen beiden Spracharten schien zu sein, daB das Bantu die Klassen durch Prafixe unterscheidet, wahrendnbsp;das Pul für diesen Zweck Suffixe verwendet.

DaB dieser Unterschied nicht ein durchschlagender ist, beweisen Mischsprachen, die zwischen beiden liegen, und die sowohl Suffixenbsp;wie Prafixe haben — gelegentlich sogar bei demselben Worte, vgl.nbsp;ZDMG. Bd. LXV. S. 213. Ich habe dort angenommen, daB dienbsp;Suffixbüdung die altere ist. Das ist, wie wir sehen werden, einnbsp;Irrtum, vgl. aber für die Anwendung von Bantuprafixen als Suffixenbsp;bei Ebding, Ndem-Sprache: ma-bato-ma „Tüeher“, W und lo^manbsp;„Wein“, ebda. S. 214., ferner Westermann, Gola a. a. O. S. 32.

SchlieBlich ist es A. Klingenheben gelungen festzustellen, daB auch das Pul früher Prafixe hatte, und daB Reste dieser Prafixenbsp;heute noch im Pul nachweisbar sind®).

Damit ist auch dieser Unterschied zwischen beiden Spracharten als erst allmahlich entstanden erkannt.

Auch das Pul hat wie das Bantu verschiedene Pormen der Klassenzeichen im Singular und Plural, und die Plurale sind auch hier mannig-faltig, wenn ihre Bildungen auch nicht so zahlreich sind wie im Bantu.

Eine wenn auch entfernte Verwandtschaft des Bantu mit demPul und den Klassensprachen Kordofans ist also zum mindesten wahrscheinlich.

Das Pul hat aber eine Eigentümlichkeit, die es vom Bantu be-sonders unterscheidet. Neben der Klasseneinteilung besteht noch eine zweite Einteilung der Nomina, die eine Einteilung höherernbsp;Ordnung zu sein scheint, und die ich deshalb Einteilung in Gruppennbsp;genannt habe. Das ist ein Vorgang, der uns hinüberführt zu einernbsp;der wichtigsten Erscheinungen der flektierenden Sprachen, zumnbsp;grammatischen Geschlecht.

ï) Z. f. Kol.-Spr. Bd. VI, S. 164—206. 264—284. VII, S. 36—109.

“) Von andern westafrikanischen Klassensprachen sei besonders das Wolof genannt, vgl. M. Delafosse a. a. O. S. 29—44.

Die Permutationen des Biafada und des Pul. Z. f. Eg.-Spr. Bd. XV. S. 180—213. 266—272.

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Ich halte es für ausgemacht, daB die Trager der Klassensprachen nicht in Afrika heimisch und daB sie keine Neger waren. Wo abernbsp;ihre Heimat gewesen ist, darüber laBt sich heute noch keine Ver-mutung aufstellen.

9, Das grammatische Geschlecht.

Die flektierenden Sprachen haben in dem grammatischen Geschlecht eine Eigentümlichkeit, die sie scharf von andern Sprachen scheidet. Es ist deshalb zunachst notwendig, den Begriff des grammatischen Geschlechts genau zu bestimmen^). Wir meinen damitnbsp;nicht die Tatsache, daB man für Wesen, die durch den Sexus unter-schieden sind — also Menschen, Tiere, Pflanzen — verschiedenenbsp;Namen hat wie im Deutschen Mann und Frau, Stier und Kuh, Hengstnbsp;und Stute. Wir meinen auch nicht den Sprachgebrauch, daB die Be-zeichnungen mannlicher und weiblicher Wesen durch einen Zusatznbsp;unterschieden werden, z. B. im Ewe a(e-to „Haus-Besitzer“, „Herr“,nbsp;iile-no „Haus-Mutter“, ,,Frau“, vgl. Zulu umfundisi „Lehrer“, um-fwndisi-gazi ,,Lehrersgattin“, sondern wir meinen die Anwendungnbsp;des Genusunterschiedes auf Gegenstande, die mit dem Sexus garnbsp;nichts zu tun haben, wonach z. B. mensa ,,weiblich“, aber Tischnbsp;„mannlich“ ist, obwohl ein Tisch keinerlei Geschlechtseigenschaftennbsp;besitzt. Diese Redeweise erscheint uns selbstverstandlich, da wirnbsp;sie gewöhnt sind; sie ist aber an sich durchaus unlogisch. Wir könnennbsp;auch in den meisten Fallen nicht angeben, warum wir ein Wort demnbsp;einen oder andern Genus zuweisen, und müssen in fremden flektierenden Sprachen das Genus jedes Worts mühsam erlernen unternbsp;Zuhilfenahme von allerlei Regeln, die dann aber wieder viele Aus-nahmen aufweisen. Die einzelnen Sprachen haben eben wie im Falienbsp;mensa, sol, luna die Worte verschiedenen Genera zugeteilt, und sogarnbsp;in derselben Sprache wechselt das Genus in den Dialekten sowie innbsp;verschiedenen Zeitabschnitten der Sprachgeschichte. Neben logi-schen Gründen, die hier wohl einmal vergelegen haben, spielen auchnbsp;lautliche eine erhebliche RoUe, und oft kann nur der Sprachforschernbsp;die Ursachen ermitteln, die für die Wahl des einen oder des andernnbsp;Genus entscheidend gewesen sind. Dem BewuBtsein des gewöhnlichennbsp;Sprechers sind diese Gründe meist langst entschwunden.

*) Vgl. S. 17f.

ea

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Da in der Mehrzahl der heute gesprochenen Spraelien das Genus nicht nachweisbar ist, werden wir annehmen mussen, daB es im Laufenbsp;der Zeit einmal entstanden ist. Wie das geschehen ist, hat sich an dernbsp;Hand der indogermanischen und der semitischen Sprachen bishernbsp;nicht nachweisen lassen, vermutlich deshalb, weil die Bildungen hiernbsp;bereits erstarrt und die Übergangsformen erloschen sind^). Imnbsp;Gebiet der Hamitenspracben liegt die Sache etwas günstiger. Hiernbsp;haben wir wenigstens die Hoffnung, noch in das Werden des gramma-tiscben Geschlechts hineinseben zu können. Wir haben eben alterenbsp;Bildungen noch im lebendigen Sprachgebrauch vor uns, die uns dienbsp;Entstebung des grammatischen Geschlechts vielleicht verstandlichnbsp;machen. So dürfen wir für die Hamitenspracben versucben, die Ent-stehung des grammatischen Geschlechts aufzuklaren und damit dennbsp;Weg zu zeigen, wie die Semiten — und wie vielleicht auch die Indogermanen — zum grammatischen Geschlecbt gekommen sind.

Wir sahen, daB im Ful das Pronomen vor dem Verbum sich keines-wegs immer wie im Bantu einfach nach der Klasse des Subjekts richtet, sondern daB dafür o eintreten kann, wenn das Subjekt einenbsp;Person, i wenn es eine Sache oder eine Person ist^). Diese Unter-scheidung von Person und Sache, bzw. von Lebendigem und Nicht-lebendigem findet sich nun aber nicht nur im Ful, sondern auch sonstnbsp;in verschiedenen Sprachen. Besonders das Fragepronomen hat ganznbsp;allgemein diese Unterscheidung, da es ja von groBer Bedeutung ist,nbsp;oh man nach einer Person oder Sache fragt. Satze wie: ,,Wer hatnbsp;das getan ?“ und: „Was hat er getan ?“ fordern diese Unterscheidung.nbsp;Auf wie einfachem Wege sie zustande kommen kann, zeigt das Ewe,nbsp;das mit dem allgemeinen Fragewort ka zusammenfügt ame-ka „Mensch-Fragewort“, also ,,wer?“, nu-ka „Ding-Fragewort“, also ,,was?“,nbsp;afi-ka ,,Ort-Fragewort“, also ,,wo ?“

Das Suaheli hat nani „wer nini „was ?“. Auch die flektierenden Sprachen verzichten hier auf die Genusbezeichnung, da man ja dasnbsp;Genus nicht angeben kann, wenn die Person ungewiB ist, und unter-scheidet nur quis? quid? ,,wer? was?“3) Aber die Unterscheidung

Ich kann der Meinung von Paul nicht folgen, der nach Grimm das Ent-stehen des Genus aus dem natürlichen Geschlecht erklart. a. a. O. S. 263 f., vgl. Meriggi a. a. O. S. 423.

*gt;) Vgl. S. 64.

Paul sagt von wer? und was? a. a. O. S. 269; „Das Maskulinum wird zum Ausdruck des Persönlichen mit EinschluB des Weiblichen gemachtquot; undnbsp;führt als weitere Beispiele an jemand und etwas, niemand und nichts. Wennnbsp;ich ihn recht verstehe, halt er das aber für eine neuere Entwioklung, ich halte

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beschrankt sieh in andern Sprachen nicht auf das Fragepronomen. Das Buschmannische hat im Pronomen besondere Formen für Personnbsp;und Sache^), ebenso ein groBer Teil der sudanischen Sprachen, vgl.nbsp;Westermann, Die westlichen Sudansprachen, Berlin 1927, S. 61, 111,nbsp;180. Im Türkischen wendet man die Kopula dir bei unbelebtennbsp;Wesen ebenso für den Singular wie für den Plural an, bei belebtennbsp;Wesen hangt man aber im Plural -Ier an. In der Sprache der Katenbsp;(Neuguinea) unterscheidet man beseelt (Individuum) und unbeseeltnbsp;(Gattung) nach G. Pilhofer, Grammatik der Kate-Sprache in Neuguinea. S. 26, 43. In der Sprache der Marschallinsulaner bildet mannbsp;den Plural bei Menschen auf ro, ra, ran, für Tiere und leblose Wesennbsp;auf ko, ka, kan, vgl. Erdland a. a. O. S. 200, vgl. Algonkin und mehrerenbsp;andere nordamerikanische Sprachen in F. Müller, GrundriB, Bd. II, 1,nbsp;S. 195.

Wenn wir dem gegenüber uns die Klassen des Bantu vergegen-wartigen, so werden wir nicht leugnen können, daB sie keineswegs gleichartig sind, denn 1. ist ihr Gewicht für die Sprache sehr ver-schieden, 2. ist die Gruppierung nicht streng logisch^).

Zunachst spricht der Mensch eben viel mehr vom Menschen als ^on Dingen, und daher wird man in den meisten Texten finden, daBnbsp;die Menschenklasse sehr viel mehr gebraucht wird als die andernnbsp;Klassen. So wird es gekommen sein, daB die Menschenklasse vornbsp;dem Verbum das alte Pronomen jfl (a) fast in allen Bantusprachennbsp;unverandert beibehielt, wahrend die andern Klassen dies Prafix ver-anderteii, indem sie es dem Nominalprafix assimilierten®). Die Menschenklasse war hier im Gebraueh schon so fest, daB eine Anderungnbsp;nicht mehr eintrat oder, wo sie trotzdem eingeführt wurde, doch nichtnbsp;alle Verbalformen umfaBte. AuBerdem gehorte ja auch die 1. undnbsp;2. Person zur Menschenklasse, und wo sie ausnahmsweise sich aufnbsp;Wesen andrer Klassen bezog, wie in dem Satz ,,Der Baum sagt: Ichnbsp;es dagegen für einen alten und notwendigen Besitz der Sprache, da ja der Sexusnbsp;hier nicht in Betracht kommt. DaB das Wort „niehts“ eine neuere Bildungnbsp;ist, ist mir bekannt. Wenn das Fi'agepronomen adjektivisch ist, ist die ünter-scheidung des Genus natürlich möglioh: „Welche Frau hat das gesagt ?“

ha „er, sie, es“ (Personen), gA dass. (Tiere und Gegenstande), Vedder Z. f. Kol.-Spr. Bd. I, S. 16f. Für andere Buschmannsprachen trifft das abernbsp;nicht zu, vgl. für das Ixam Meriggi, Grammatik, Z. f. Eg.-Spr. Bd. XIX, femernbsp;nieine Skizze ebda.

2) Vgl. S. 61.

Vgl. meinen „GrimdriB einer Lautlehre der Bantusprachenquot;^. Berlin 1910. S. 39ff.

5 Meinhof nbsp;nbsp;nbsp;65

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werde fallen!“ d. h. „der Baum wird fallen”, wurden doch besondere Formen für diese Klassen nicht gebildet.

Dazu kam die Tierfabel, die im Denken des Afrikaners einen so breiten Raum einnimmt, dafi die meisten ErzahluU^en sich mitnbsp;Tieren beschaftigen. Hier treten die Tiere redend auf und werdennbsp;infolgedessen in einigen Sprachen sogar der Menschenklasse zuge-ordnet^). Aber meist ist das nicht der FaU. Man laBt ihnen dasnbsp;Prafix der Tierklasse, aber man behandelt sie grammatisch, als obnbsp;sie zur Menschenklasse gehörten. Das geschieht zwar nicht immer,nbsp;aber im Laufe der Rede doch vielfach. Im Suaheli ist man nochnbsp;einen Schritt weiter gegangen und behandelt jedes Tier, auch auBer-halb des Marchens, als ob es eine Person ware, z. B. nime-mu-ona mamanbsp;„ich habe es (das Tier) gesehen”. Das Wort nama gehórt sicher zurnbsp;Tierklasse; trotzdem braucht man das Objektspronomennbsp;nbsp;nbsp;nbsp;das

sich auf eine Person bezieht. Meint man mit nama aber ,,Fleisch“, so heiBt der Satz nime-i-ona „ich habe es (das Fleisch) gesehen”.nbsp;Hier wird das regelmaBige Pronomen der Tierklasse angewandt.

So stehen also im Bantu die Klassen nicht als gleichgeordnete GröBen nebeneinander, sondern die Menschenklasse hat für sichnbsp;reichlich dasselbe Gewicht wie alle andern Klassen zusammen undnbsp;hat sogar hier und da die Tierklasse aus einem Teil ihres Besitzstandesnbsp;verdrangt.

Aber noch in anderer Hinsicht ist die Klasseneinteilung nicht streng logisch, denn den einzelnen Klassen, die einigermaBen klarenbsp;sachliche Kategorien nebeneinander stellen: Personen, Geister, Tiere,nbsp;Werkzeuge, treten nun die Kategorien des Verhaltnisses: Verkleine-rung, VergröBerung, gegenüber — auch das Schmahprafix gehórtnbsp;hierher; die Kategorien sind sicher den vorigen nicht gleichgeordnet,nbsp;sondern übergeordnet, und man kann z. B. ein Verkleinerungswort etc.nbsp;von den Worten aller erstgenannten Klassen bilden. Sehr instruktivnbsp;ist der Vorgang im Suaheli, wo das Deminutivprafix ka- verlorennbsp;gegangen ist und durch das Werkzeugprafix ki- ersetzt wird. MiB-verstandnisse vermeidet man in folgender Weise. Von m-ti ,,Baum“nbsp;bildet man z. B. mit Werkzeugprafix ki-ti „Stuhl, Schemel”. SoUnbsp;aber ki- als Verkleinerungsprafix angewandt werden, so nimmt mannbsp;m-ti zunachst durch das VergróBerungsprafix dji- hinüber in dienbsp;Kategorie der Klassen, die die Dinge nach der GróBe bezeichnen, undnbsp;bildet dji-ti „der groBe Baum” und davon dann ki-dji-ti „das Baum-

*) Z. B. haben im Nyanja die Tiernamen im Plural haufig das Prafix wa-(a-) der Menschenklasse.

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chen“. Das Prafix ki- kann nun nicht mehr als Sachenprafix miB-verstanden werden, sondern ist durch das danebenstehende Ver-gröBerungsprafix als Deminutiv gekennzeichnet.

Auch der Individualis (eins von zweien oder eins von mehreren), der also eine Anzahl bezeichnet, steht nicht streng logisch neben dennbsp;andern Klassen, und das wird neben lautlichen Anklangen dazu bei-getragen haben, daB er in manchen Bantusprachen mit dem Augmen-tativ verschmolz^). Jedenfalls hebt sich zunachst die Personenklassenbsp;stark von den andern Klassen ab, und sicher sind Augmentativa,nbsp;Deminutiva etc. freiere Bildungen, die die rein g^genstandlichenbsp;Klasseneinteilung durchkreuzen^).

Für diese Gruppierung der Worte, die neben der eigentlichen Klasseneinteilung hergeht, sie überschattet und sich so scheinbarnbsp;neben sie stellt, hat sich nun im Ful eine eigentümliche lautlichenbsp;Grundlage herausgebüdet, die einen andern, zufalligen Ursprung zunbsp;haben scheint, aber nun vom SprachbewuBtsein damit in Verbindungnbsp;gebracht wird — allerdings nicht vollstandig, denn es gibt Beispielenbsp;genug dafür, daB entfernt nicht alle Worte diesem Schema unter-worfen sind, wie ja auch im Bantu das Verdringen der Menschenklassenbsp;in verschiedener Weise zu beobachten ist. Aber für einen Teil dernbsp;Worte des Ful ist der Anlautwechsel doch so zwingend geworden,nbsp;daB er auch auf Fremdworte angewandt wird, wo keine phonetischenbsp;Basis dafür verhanden ist.

Seit langem war es den Ful-Grammatikern aufgefallen, daB in der Menschenklasse mit dem Suffix -o, pl. -’6e der Anlaut sich innbsp;vielen Fallen anderte. War der Anlaut im Singular explosiv, sonbsp;wurde er im Plural frikativ, z. B. 'pul-o „ein Fulmann“, ful-^be „dienbsp;Pul“.

Ich habe angenommen, daB die Frikativa der ursprüngliche Laut ist, und daB im Singular ein Prafix davorgetreten ist, als das ich l-vermutete. Dieses l- verschmolz dann mit der Frikativa zu p.

Ebenso war es den Ful-Grammatikern aufgefallen, daB Worte, die Nicht-Personen bezeichnen, neben mannigfachen Suffixen auchnbsp;Veranderungen des Anlauts zeigen, die aber denen der Personenklassenbsp;®ntgegengesetzt sind. Bei Nicht-Personen hatte der Singular dennbsp;frikativen Anlaut, der Plural den explosiven, z. B. fitan-du, pl. pital-i

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„Seele“. Ich nahm an, daB auch hier ein prafigiertes l- die Ursache war, das aber hier im Plural und nicht im Singular vorgesetzt wurde.

Neben diesem einen Wechsel des Anlauts gibt es im Ful noch eine weitere ïauschbewegung, die früher vielfach damit zusammen-geworfen wurde, sich aber bei den stimmhaften Lauten streng davonnbsp;unterscheidet. Hier ist namlich der Unterschied nicht der vonnbsp;Frikativa und Explosiva, sondern der von Explosiva und Nasal-verbindung, z. B. gero-gel, pl. ngero-kon „das kleine Huhn“ nebennbsp;ngor-a, pl. gor-ho „der groBe Mann“. Darnach haben Augmentativanbsp;und Deminutiva ihre besonderen Anlautgesetze, wobei die Deminutivanbsp;im Singular die Explosiva und im Plural die Nasalverbindung haben,nbsp;die Augmentativa im Singular die Nasalverbindung, im Plural dienbsp;Explosiva.

Die stimmlosen Laute haben nur dialektisch noch Reste des Nasals erhalten; im übrigen ist hier der Unterschied von Explosiva undnbsp;Nasalverbindung aufgegeben. Als Ursache der Explosiva nahm ichnbsp;auch hier wieder ein l- an, als Ursache der Nasalverbindung einennbsp;Nasal. Auch hier lag also eine Tauschbewegung vor, die ich Polaritatnbsp;genannt habe^).

Wir fanden das Schema:

Singular Plural

1. nbsp;nbsp;nbsp;Personennbsp;nbsp;nbsp;nbsp;l-

2. nbsp;nbsp;nbsp;Nicht-Personennbsp;nbsp;nbsp;nbsp;-nbsp;nbsp;nbsp;nbsp;l-

3. nbsp;nbsp;nbsp;Deminutivanbsp;nbsp;nbsp;nbsp;l-nbsp;nbsp;nbsp;nbsp;Nasal

4. nbsp;nbsp;nbsp;Augmentativanbsp;nbsp;nbsp;nbsp;Nasal l-

Es erweckte den Eindruck, daB diese Einteilung über die alte Einteilung nach Suffixklassen gewoben ware und sie zu verdrangennbsp;begonnen hatte.

Gegen diese Auffassung muBte schon das bedenklich machen, daB der Unterschied von Person und Saohe ja in vielen Sprachen nach-weisbar und also sicher alter ist als die Klasseneinteilung. AuBerdemnbsp;hat aber Klingenheben auf die Tatsache hingewiesen, daB es einenbsp;Anzahl von Beispielen gibt, in denen der Anlaut im Singular undnbsp;Plural gleich ist, so daB man mindestens noch eine fünfte Prafixgruppenbsp;annehmen muB, z. B. gimol, pl. gimi „Lied“, vgl. Klingenheben, Dienbsp;Prafixklassen des FuF).

1) nbsp;nbsp;nbsp;ZDMG. Bd. LXV, S. 201 ff.

-222. 290—316.

2) nbsp;nbsp;nbsp;Z. f. Eg.-Spr. Bd. XIV, S. 189-

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Vor allem aber bat er betont, dab keineswegs nur die Augmentativa den oben beschriebenen Anlautwechsel zeigen, sondern auch Nominanbsp;anderer Klassen. Durch Vergleiche mit dem Biafada bat er dannnbsp;unwiderleglicb erwiesen, dab zwar meine Annabme ricbtig ist, dab l-und ein Nasal den Wecbsel des Anlauts bewirkt haben, dab das abernbsp;nicht irgend welcbe neuen Prafixe sind, die mit besonderer Funktionnbsp;vor den Stamm getreten waren, sondern dab es einfach Beste dernbsp;alten Klassenprafixe sind, die heute suffigiert werden, z. B. in dernbsp;Deminutivklasse l- als Rest von -ngel und im Plural n- als Rest vonnbsp;hon-^).

Auch das Pul bat also früher Prafixe gebabt wie das Bantu, bat aber dann dem Nomen die Prafixe, vermutlich in der Form einesnbsp;Demonstrativs suffigiert und schlieblich die bedeutungslos gewordenennbsp;Prafixe abgeworfen, bis auf die dürftigen Reste, die uns im Wecbselnbsp;des Anlauts begegnet sind. Wo also statt der Frikativa eine Explosivanbsp;eintritt, schlob das Prafix ursprünglich mit l-, wo eine Nasalver-bindung eintritt, schlob es auf einen Nasal, wo der ursprünglichenbsp;Laut erbalten ist, schlob das Prafix vokaliscb.

Die Frage, warum denn nun die Prafixe verschieden auslauten, ist dabei natürlich noch zu beantworten.

Man wird Klingenheben in seinen scharfsinnigen Untersucbungen rückhaltlos beipflichten können und darf dabei doch nicht vergessen,nbsp;dab heute im Sprachbewubtsein der Wechsel des Anlauts so fest mitnbsp;dem Sinn z. B. der Personenklasse verbunden ist, dab man ihn wienbsp;gesagt auch auf Fremdworte ausdehnt, z. B. kefër-o, pl. hefer-^benbsp;„der Unglaubige“. Hier ist h sicher nicht ursprünglich, sondern k.nbsp;Aber der Wechsel von k zuh vollzieht sich nach Analogie der andernnbsp;Formen der Personenklasse^).

Wenn also die Ursache des Anlautwechsels auch eine rein phone-tische war, so haben sich damit andere Vorstellungen verknüpft, die um so starker waren, als die Ungleichartigkeit der Klassen ja imnbsp;Pul dieselbe ist wie im Bantu. Wir sahen auberdem, dab sich imnbsp;Verbalpronomen der Gebrauch von o für die Personenklasse und vonnbsp;i für andere Klassen an die Stelle der Klasseneinteilung zu setzennbsp;beginnt. Damit verschwindet dann eins der wichtigsten Merkmalenbsp;der Klassensprachen, dab namlich die Satzkonstruktion von dernbsp;Klasseneinteilung beherrscht wird, und wir sehen den Vorgang sich

Dieser Zusammenhang ist freilich heute nicht mehr bei allen Klassen erkennbar.

“) Weitere Beispiele bei Klingenheben a. a. O. S. 198f.

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anbahnen, der uns aus den flektierenden Sprachen gelaufig ist, da6 die Klasseneinteilung sich im wesentlichen nur in der Wortbildungnbsp;auswirkt. AUein der Unterschied von Person und Sache bleibt er-halten und in gewissem Sinne der von GroB und Klein, wenn auchnbsp;langst nicht in der Allgemeinheit und Bestimmtheit wie Person undnbsp;Sache.

Dabei spielen noch die Tatsachen eine Rolle, daB man geneigt ist, groBe, Starke, wichtige Tiere wie Elefanten, Pferde, Kinder als Personen zu behandeln und kleine Menschen wie Frauen und Kinder,nbsp;auch Sklaven als Sachen^).

So wird es gekommen sein, daB die Personengruppe vor allem die Manner umfaBte und sich so zum grammatischen Maskulinum aus-bildete. Die Sachengruppe wurde dann Femininum.

So wird es sich ferner erklaren, daB im hamitischen Bedauye, das sich des grammatischen Geschlechts sonst ahnlich wie eine Semiten-sprache bedient, die vokalisch auslautenden weiblichen Eigennamennbsp;als grammatische Maskulina behandelt werden^). Das grammatischenbsp;Maskulinum ist eben eigentlich Personenklasse und hat mit demnbsp;Sexus nichts zu tun.

Die Bedauye sind Hirten und halten besonders auch viele Kinder. Die Kuh sdquot; ist für sie von besonderer Wichtigkeit und wird deshalbnbsp;als Maskulinum behandelt, d. h. sie ist in die Personenklasse gewandert.nbsp;Satze wie: ,,Ich habe die Kuh gemolkenquot; lassen gar keinen Zweifelnbsp;daran, daB es sich wirklich um weibliche Tiere handelt. 1st aber mitnbsp;ëa nicht die lebende Kuh, sondern das Fleisch, also eine Sache gemeint,nbsp;so bleibt das Wort in der Sachenklasse, d. h. es ist grammatischesnbsp;Femininum®).

Wir haben gesehen, daB die Personenklasse dominierend den andem Kdassen in ihrer Gesamtheit gegenübertritt, und werden so begreifen,nbsp;daB der Unterschied von Person und Sache alle andern Klassenunter-schiede in der Satzkonstruktion verdrangte, auch den Unterschiednbsp;von groBen und kleinen Dingen, das Kollektivum und den Individualis,nbsp;also Klassen, die das Verhaltnis der Dinge zu einander ausdrückennbsp;und zu den gegenstandlichen Klassenunterschieden auBer Beziehungnbsp;stehen.

Westermann, Handbuch des Ful, S. 201, Note.

Vgl. Meinhof, Die Sprachen. der Hamiten, S. 139f.

Sa' „Rind“ und sa' (Sa) „Fleischquot; scheinen aber verschiedene Wörter zu sein. Vgl. L. Beinisch, Die Bedauyesprache, Granun. S. 69, 60; vgl. femernbsp;den Vorgang im Suaheli oben S. 66.

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Da die Sprachen nun aber diese Klassen der Quantitat und Qualitat überkommen haben, müssen sie auch auf den Unterschied von Personnbsp;und Sache verteilt werden, und so kommt es, daB man die GröBen-klasse zur Personenklasse, d. b. dem grammatischen Maskulinum,nbsp;die Verkleinerungsklasse zur Sacbenklasse, also zum grammatischennbsp;Femininum stellt.

So bezeichnet im Nama oft das Maskulinum GröBe, das Femininum Kleinbeit, z. B. hai-b m. ,,Baum“, Jmi-s f. ,,Strauch“. Ebenso imnbsp;Masai z. B. ol-alem m. „Scbwert“, engalem f. „Messer“. Ebensonbsp;bezeichnet im Bedauye das Maskulinum neben dem Sexus auchnbsp;GröBe, Ansehen, Energie, das Femininum Kleinheit, Schwache,nbsp;Passivitat^). Die GröBenbezeichnung laBt sich nicht überall nach-weisen, aber das Femininum zum Ausdruck der Kleinheit ist innbsp;Hamitensprachen viel in Gebrauch, z. B. im Bilin^), Chamir®), Kafa1 2),nbsp;Schilh®). Dabei tritt unter Umstanden die Beziehung zum Sexusnbsp;ganz zurück. Im Schilh ist ambur „alte Jungferquot; bald m. bald f.®)nbsp;Man bildet ferner im Masai von ol-tuhani „der Mann“ die Feminin-form endunani „der kleine Mann“, von ol-ayöni „der Knabe“ dienbsp;Femininform engayoni „der kleine Knabe“. Im Kama ist sam-inbsp;,,die weibliche Brust“ Maskulinum, weil sie groB ist, aber sam-snbsp;„die mannliche Brust“ Femininum, weil sie klein isf). Und so wirdnbsp;verstandlich, warum groBe Tiere wie der Elefant im Nama Maskulina,nbsp;kleine Tiere wie der Hase Feminina sind. Auch versteht man, daBnbsp;unbelebte Gegenstande wie Steine das grammatische Genus erhaltennbsp;können. Der groBe Stein ist Maskulinum, der kleine Femininum,nbsp;z. B. im Masai.

Die Kollektiva gliedern sich der Sachenklasse an, im Gegensatz zur Personenklasse. So ist im Nama das Femininum zugleich Kollek-tivum. Nebennbsp;nbsp;nbsp;nbsp;m. ,,Ein Mann des Stammes dex f^Aoni-nquot;^^

steht i=Aoni-s f., das entweder eine Frau des Stammes oder den ganzen Stamm bezeichnet. So wendet ja auch der Deutsche dasnbsp;Femininum gern an als Bezeichnung für eine Vielheit von Mannem,nbsp;selbst von Kriegern, z. B. die Rotte, die Kompanie, die Brigade,

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1

1) Reinisch, Die Bedauye-Sprache, Gramm. S. 60.

2

Reinisch, Die Bilin-Spraohe, Gramm. S. 85.

Reinisch, Die Chamir-Sprache, Gramm. S. 99.

Reinisch, Die Kafa-Sprache, Gramm. S. 43.

Stumme a. a. O. § 24.

®) Stumme a. a. O. § 23 Anm.

Nama jgoub m. ,,Vulva der Kuh“, jgom f. ,,Vulva der Prau‘

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die Division, die Armee, und man stellt als Personifikation des Heer-bannes Germania als gewappnetes Weib dar^).

Im direkten Widersprnch hiermit wird aber auch der Individualis als Femininnm aufgefaBt, vermutlich deshalb, weil das einzelne Dingnbsp;eben kleiner ist als die Gesamtheit, vgl. Schilh alum m. ,,Stroh“,nbsp;aber t-alum-t f. „ein Strohhalm“, Bilin ar m. ,,Durra“, aber ar-d f.nbsp;„ein Korn Durra“. So sehen wir wieder einen neuen Weg, wie dasnbsp;grammatische Geschlecht sich unabhangig vom Sexus ausdehnennbsp;konnte^).

Dazu kommt nun aber noch, daU der Unterschied von Person und Sache sich verquickt mit dem Unterschied von Subjekt undnbsp;Objekt, denn zunachst ist das Subjekt, also der Handelnde, einenbsp;Person, das Objekt aber, also das, worauf die Tatigkeit sich bezieht,nbsp;eine Sache.

Nun bezeichnet im Somali ein -u das Subjekt. Im Berberischen ist u- Zeichen des dem Verbum nachgestellten Subjekts. Man denktnbsp;dabei unwillkürlich an -u als Zeichen des Nominativs im Arabischen.nbsp;Aber u erscheint in Semitensprachen und Hamitensprachen ge-legentlich als Zeichen des Maskulinum, vgl. Hebr. ,,er“, Berber.nbsp;U-, u- Anlaut des m.®)

Daneben ist -i als Zeichen des Femininnm in Semiten- und Hamitensprachen nachweisbar, vgl. Hebr. hi „sie“ und -i als Femininsuffix am Verbum). Vgl. Bedauye heba m., hebi f. ,,mich“, hoka m., hoki f.nbsp;,,dich“, -I als Femininsuffix am Nomen des Bilin1).

Erinnern wir uns daran, daB im Ful ö als Pronomen der Personenklasse vor dem Verbum erscheint, i aber statt mancher anderer Klassenzeichen gebraucht wird, nur selten fiir Personen®), so ist dernbsp;Zusammenhang aller dieser Formen unter sich nicht unwahrscheinlich.

Das Objekt wird in einigen Hamitensprachen®) durch die Postposition -t „ZU, an“ gekennzeichnet. Im Bedauye geschieht dies nur bei dem femininen Objekt, das, wie wir sahen, eigentlich Sachen-

1

Vgl. auch im Indogermanisehen die Anwendung des Feinininum als Kollektivum, Brugmann a. a. O. § 416.

“) Vgl. auch die Verteilung der alten Bedeutungsklassen auf die Genera im Indogermanisehen, Brugmann § 437. Wie hier der Baum m. oder f., seinenbsp;Frucht aber n. ist, so gehort der Baum in vielen Bantusprachen zur Kl. mu-,nbsp;pi. mi-, die Frucht aber zur Kl. li-, pi. ma-.

Vgl. S. 54, Anm. 5.

*) Reiniseh, Die Billnsprache, Gramm. S. 86.

Westermann, Handbuch der Fulsprache, S. 221.

‘) s. S. 87.

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gruppe ist. Das maskuline Objekt erhiilt kein Suffix, oder es wird im Gegensatz zu -t durch -b gekennzeichnet. Dies -b halte ich für ver-wandt mit dem Maskulinsuffix des Nama -6^). Die Endung -t abernbsp;erscheint nun in Hamiten- und Semitensprachen als Femininsuffix,nbsp;auch z. B. im Somali -o, lautgesetzlich lt; *-ad, *-at.

In den Berbersprachen wird t in der Regel auch noch prafigiert. Dies t als Femininzeichen ist darm auch ins Verbum eingedrungennbsp;in Hamiten- und Semitensprachen, z. B. Somali ta-qan „sie weiB“,nbsp;Schilh t-fis „sie schweigt“, Hebr. ti-qtöl ,,sie wird töten“.

Die indogermanisehen Sprachen haben nach der Auffassung von J. Lohmann^) neben das Maskulinum zunachst das Neutrum, alsonbsp;die Sachengruppe gestellt, deren Zusammenhang mit der Objekts-vorstellung schon darum evident ist, weil hier im Neutrum Nominativnbsp;und Akkusativ stets gleich sind und das Neutrum vielfach lautlichnbsp;mit dem Akkusativ des Maskulinum zusammenfallt. Das Femininumnbsp;ist nach Lohmann erst spateren ürsprungs, a. a. O. S. 81. Es fehltnbsp;nach ihm z. B. noch dem Hethitischen.

Der Plural des Neutrum scheint mit dem Femininum zusammen-zuhangen.®) Dieses Neutrum wird im Deutschen in vieler Beziehung ahnlich gebraucht wie die Sachengruppe der Hamitensprachen. Dienbsp;Deminutiva sind Neutra, also auch hier besteht die Verbindung dernbsp;VorsteUung von der Sache (im Gegensatz zur Person) mit der desnbsp;Kleinen. AuBerdem bevorzugt der heutige Deutsche zur Bezeichnungnbsp;weiblicher Personen das Neutrum, z. B. die Deminutiva ,,das Mad-chen“, ,,das Fraulein“ und auffallenderweise zur Bezeichnung desnbsp;Geschlechtsunterschiedes „das Weib“. Im rheinischen Dialektnbsp;spricht man von einem Madchen nur in neutrischer Form et. Wennnbsp;man Mensch mit sachlichem Artikel gebraucht, ist das verachtlich,nbsp;bezeichnet aber stets ein weiblielies Wesen, wahrend der Mensch wienbsp;franz. l’homme stets einen Mann bezeichnet*).

Vielleicht auob mit -ha, das im Somali das Subjekt keimzeichnen kaïm.

*) Genus und Sexus. Gottingen. Vandenhoeck amp; Rxiprecht. 1932.

Vgl. Meriggi a. a. O. S. 422.

*) Erst neuerdings ist es Gebrauch geworden, auch von weiblichen Personen der Mensch zu .sagen, z. B. ein wertvoller Mensch. Gregor v. Tours erzahlt innbsp;„zehn Bücher frankischer Geschichte“ VIII, 20, daB auf der Synode vonnbsp;Macon am 23. Okt. 585 ein Bischof die Behauptimg aufstellte, man könnenbsp;das Weib nicht unter die Benenmmg Mensch begreifen. Er muBte erst vonnbsp;den andem Bischöfen auf Grund der Bibel belehrt werden, ehe er seinen Irrtumnbsp;einsah. Vgl. Geschichtsschreiber der deutschen Vorzeit, übers. von W. v.nbsp;Giesebrecht. Leipzig 1878. Bd. II. S. 79.

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So ist uns Deutschen der Zusammenhang der Sachengruppe mit dem weiblichen Sexus dirrchaus gelaufig, und wir sehen im modernennbsp;Deutsch weiblictie Personen in das grammatische Neutrum abwan-derni).

In afrikanischen Sprachen finden sich nur Ansatze zum Neutrum, die ich übergehe. Das ,,Neutrum“ des Hottentottischen verdientnbsp;diesen Namen nicht. Die Form ist ein Kommune für den unbestimmtennbsp;Artikel, ahnlich der betreffenden Form im Agyptischen.

Die Grammatiken pfiegen festzustellen, dab im Semitischen das Neutrum durch das Femininum ausgedrückt wird. Es ware wohlnbsp;eigentlich richtiger zu sagen, dab das Neutrum, d. i. die Sachengruppe,nbsp;hier auch das Femininum mit bezeichnet.

Es gibt aber noch einen merkwiirdigen Vorgang in den Hamiten-und Semitensprachen, der aus ihrer Beziehung zu den Klassensprachen Licht erhalt.

Wir sahen oben, dab nicht nur die Singulare der Nomina, sondern auch die Plurale in den Bantusprachen und im Ful nach Klassennbsp;gruppiert sind.

Es ist zwar nicht so, wie viele Bantugrammatiker behaupten, dab jede Klasse ihren eigenen Plural hat, denn die Zahl der Singular-klassen ist gröber als die Zahl der Pluralklassen. Aber das istnbsp;richtig, dab mit dem Wechsel des Numerus auch stets ein Wechselnbsp;der Klasse verbunden ist, also z. B. im Bantu Menschenklasse mu-,nbsp;pi. va-, Werkzeugklasse ki-, pi. vi-, Verkleinerungsklasse ka-, pi.nbsp;tu- usw. Wenn also im Ful auch heute noch die Suffixe im Numerusnbsp;wechseln, z. B. Menschenklasse -o, pi. -’ie, Verkleinerungsklasse -iigel,nbsp;pi. -kon, Baumklasse -ki, pi. -’de, so versteht es sich nach Klingen-hebens Entdeckung von selbst, dab nun auch der Anlaut des Nomennbsp;im Plural wechselt, wie wir das oben beobachten konnten; es geschiehtnbsp;zwar nicht immer, aber doch in vielen Fallen.

Wo nun, wie wir sahen, die Klassenunterschiede zurücktraten und vom Genus abgelöst wurden, da darf es uns nicht wundernehmen,

Wahrend hier also das Femininum sogar bei Personen durch das Neutrum wiedergegeben wird, ist in einem Teil der germanischen Sprachen, namlich innbsp;den nordischen Sprachen, der Unterschied von Maskulinum \md Femininumnbsp;beim Nomen geschwunden und daneben nur noch das Neutrum erhalten, z. B.nbsp;Dan. mand-en „der Mann“, fru-en „die Frau“ aber avin-et ,,das Schwein“.nbsp;Freilich wird die Personenklasse auch auf Nichtpersonen angewandt, z. B.nbsp;hest-en „das Pferd“, und das Neutrum auch für Personen, z. B. bam-et „dasnbsp;Kind“. Es ist also doch nicht einfach ein Zurückkehren zu der alten Unter-Bcheidung von Person und Saohe.

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wenn nun auch des öfteren, wiewohl nicht immer, der Genuswechsel mit dem Numeruswechsel verbunden ist. Wir sahen oben schon, daBnbsp;die KoUektiva vielfach als Feminina auftreten. Deshalb endigt imnbsp;Somali das vom maskulinen Singiilar gebüdete KoUektivum, das innbsp;vielen Fallen den Plural vertritt, auf -o lt; *-at und ist Femininum.nbsp;So wird es sich erklaren, daB im Arabischen der Pluralis fractus auchnbsp;der Maskulina ein Femininum ist. Im Deutschen kennen wir dennbsp;Genuswechsel bei Kollektiven, z. B. der Berg aber das Gebirge, dienbsp;Wolke aber das Gewölk, der Wurm aber das Gewiirm, der Busch abernbsp;das Gebüsch, der Trank aber das Getr'ink. Einen entgegengesetztennbsp;Genuswechsel konnten wir beim Individualis beobachten, wo dasnbsp;Einzelne als Femininum, das Ganze als Maskulinum auftrat, s. S. 71 f.

Aus dem Bedürfnis, mit dem Numerus auch das Genus zu wechseln, das als Rest der Klasseneinteüung anzusehen ist, muB man abernbsp;erklaren, daB im Somali jeder feminine Singular im Plural Maskulinumnbsp;wird, und daB in Semitensprachen einige Zahlwörter das umgekehrtenbsp;Genus haben wie das zugehörige Nomen. Im Hebraischen hat ^abnbsp;„der Vater“ feminine Pluralendung in ^ab-6t, ^iësa „das Weib“ masku-line Pluralendung in naS-tm.

Die Satzkonstruktion setzt nun ebenfalls an die Stelle der Korre-spondenz der Klassen die Korrespondenz des Genus. Im Bantu ist die Korrespondenz der Klassen meist voUstandig. Nur sahen wir,nbsp;daB die Tiere vielfach nach der Menschenklasse konstruiert werden,nbsp;obwohl sie das Tierprafix haben. Aber auch andere Substitutionennbsp;kommen vor als Zeichen eines beginnenden VerfaUs.

Im Ful ist, wie wir sahen, neben die genaue Korrespondenz von Subjekt und Verbalpronomen schon eine allgemeinere getreten mit onbsp;für Menschen, i für andere Klassen. Im Hausa und in andern Ha-miten- und Semitensprachen erscheint nun regelmaBig der Unter-schied von Maskulinum und Femininum auch beim Verbum, z. B.nbsp;Hausa maifito ia cë ,,der Schlachter sagte“, aber uwa ta mutu ,,dienbsp;Mutter starb“. Im Semitischen ist die Korrespondenz nicht ganznbsp;durchgedrungen^).

Das Adjektivum erhalt im Bantu das Klassenzeichen des Substantive, zu dem es gehort, mit oder ohne pronominale Verbindung, im Ful naturgemaB die Prafix- und Suffixklasse des regierenden Nomen.

In den Hamitensprachen ist die Korrespondenz des Genus zwi-schen Substantiv und zugehörigem Adjektiv nachweisbar, aber nicht allgemein durchgeführt, z. B. Somali inah-ki {er-a ,,der kleine Junge“,

1) s. S. 101.

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inan-ti {ér-ayd „das kleine Madchenquot; neben nin ‘ad „ein weiBer Mann“ und nag ‘ad „eine weiBe Frau“^). lm Semitischen ist dienbsp;Korrespondenz die Regel, es gibt aber auch hier allerlei Ausnahmen.

In indogermanisohen Sprachen haben die alteren Formen beim Verbum keinen Genusunterschied, z. B. lavdat ,,er lobt, sie lobt“.nbsp;Erst mit dem Verfall der Suffixe und der Prafigierung der Pronominanbsp;erscheint hier der Genusunterschied auch beim Verbum, z. B. franz.nbsp;il a und elle a. Sogar im Englischen und im Danischen hat sich dasnbsp;erhalten. Aber der Unterschied des Genus wird nur beim Pronomen,nbsp;also nicht bei nominalem Subjekt bezeichnet^).

Ich habe im Vorstehenden mich besonders haufig auf Bantu und Ful bezogen. Klingenheben bezweifelt demgegenüber — meinesnbsp;Erachtens mit Unrecht — daB ein Zusammenhang des Ful mit dennbsp;Hamitensprachen besteht. So gern ich seiner Kritik meiner früherennbsp;Ausführungen zustimme, glaube ich doch, daB er hier zu kritisch ist.nbsp;Die zunachst rein lautlich begründete Veranderung des Anlauts imnbsp;Ful ist dann vom SprachbewuBtsein ergriffen worden — das sehennbsp;wir wie gesagt an der Ausdehnung der Permutationen des Anlautsnbsp;auf das Fremdwort, wo sie lautlich nicht begründet ist. Sicher warnbsp;das Schema der Permutationen im Ful nicht ein exakt mathematischesnbsp;— das sind die Klassen im Bantu auch nicht, wo dasselbe Wort zunbsp;verschiedenen Klassen gehören kann, wo dieselbe Klasse verschiedenenbsp;Plurale haben kann, wo sogar dasselbe Prafix bald als Singular-,nbsp;bald als Pluralprafix gebraucht wird. Die Sprachen sind eben nienbsp;ganz konsequent, und die Ansatze zu logischer Gruppierung werdennbsp;von andern Gesiehtspunkten und lautlichen Einflüssen durchkreuzt.nbsp;Wenn man das in Betracht zieht, wird man die Zusammenhangenbsp;doch sehen, ohne daB es noch der Entdeckung einer weiteren Zwischen-stufe zwischen Hamitisch und Ful bedürfte, an die Klingenhebennbsp;denkt®).

») Vgl. V. Tiling in Z. f. Eg.-Spr., Bd. X, S. 209ff.

“*) Vgl. aber auch moderne Bildungen im Italienischen (naoh Meriggi) wie sowo andato „ich (Mann) bin gegangen“, wiihrend die Frau sagt aono andata,nbsp;WO .sich das Partizip sogar in der ersten Person nach dem Genus richtet.

Auch stützte sich meine Behauptung eines Zusammenhangs zwischen Klassensprachen imd Hamitensprachen keineswegs nur auf die ,,Polaritat“nbsp;und nicht einmal in erster Linie, sondern es sind andere gewichtige Griinde,nbsp;die dafür sprechen, und zwar solche linguistiacher Art. Die ethnographischennbsp;und anthropologischen Zusanunenhange darzustellen, habe ich den Sachver-standigen überlassen. Sie beweisen für den Linguïsten freilich nichts, aber

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10, Die Mannigfaltigkeit der Pluralbildung.

Bei dem persönlichen Fürwort wird eine Pluralbildung zumeist nicht angewandt. Auch im Deutschen gilt zwar wir als Mehrzahl zunbsp;ich, ihr als Mehrzahl zu du, aber diese „Mehrzahl“ ist ein völlig selb-standiges Wort und wurde ursprünglich gar nicht als Mehrzahl emp-funden. Einzahl und Mehrzahl sind hier völlig verschiedene Begriffe,nbsp;und deshalb werden sie durch ein besonderes Wort bezeichnet^).nbsp;Beim Hauptwort machen wir die Beobachtung, dafi in den isolierendennbsp;Sprachen Singular und Plural gleich sind, daB also die Pluralbildungnbsp;deshalb nicht verhanden ist, weil man beide gar nicht als verschiedennbsp;ansieht. Wo es notig ist, fügt man dem Satz ein Pronomen ,,sie“nbsp;Oder einen Begriff „viel“ ein. Steht beim Nomen ein Adjektiv, sonbsp;erhalt nicht Substantiv und Adjektiv das Pluralzeichen — es genügtnbsp;hier, wenn es einmal im Satz erscheint. Auch das Verbum bedarfnbsp;keines weiteren Pluralzeichens. Steht beim Substantiv ein Zahlwort,nbsp;so fallt jede Pluralbezeichnung als überflüssig weg. Hier kann mannbsp;also nicht von eigentlicher Pluralbildung sprechen.

Anders liegt die Sache überall da, wo man beginnt, die Substantiva begriffsmaBig in Klassen zusammenzuschlieBen, denn der Begriff dernbsp;Pluralitat ist ein sehr verschiedener bei den verschiedenen Klassen —nbsp;bei Menschen, Baumen, Werkzeugen etc. Das tritt schon hervor beinbsp;Anwendung der verschiedenen Worte, die zur Bezeichnung einernbsp;Menge gebraucht werden. Wir sprechen von einer Plotte beinbsp;Schiffen, bei Reitern oder Kriegsschiffen von einem Geschwader,nbsp;wenn die Ergebnisse mit denen des Linguisten iibereinstimmen, so ist dasnbsp;sicher wertvoll.

Femer muB ich zugeben, daB der von mir angenommene Zusammenhang der Klasaensprachen mit den Hamitensprachen nicht notwendig ein genealo-gischer ist, sondern sehr wohl auf alto Berührung hinweisen kann, wie dasnbsp;E. Zyhlarz für möglich halt. Jedenfalls ist aber logisch die Entstehung desnbsp;Genus verstandlicher, wenn ihr eine Klassenbildung vorangegangen ist. Danbsp;aber nicht nur in hamitischen, sondem auch in semitischen und indogermani-schen Sprachen sich Spuren einer Klassenbildung nachweisen lassen, werdennbsp;die heutigen Klassensprachen zum Verstandnis dieser Bildungsweise heran-gezogen werden können, auch wenn sie nicht historisch die Vorlaufer dernbsp;flektierenden Sprachen sind.

Jedenfalls habe ich Klingenheben für eine Vertiefung und Berichtigung dieser Untersuchung ganz wesentlich zu danlien.

Das ist nun keineawegs in alien Sprachen so. Im Hausa wird der Plural des Pronomen personale mit -u vom Singular gebildet, namlich mu lt; *nunbsp;„wir“ neben ni ,,ich“, ku ,,ihr“ neben ka ,,du“, ,,sie“ neben ki lt; *si ,,er“.

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bei Raubern von einer Bande, bei Rehen von einem Ru del und können diese Sammelworte nicht beliebig bei andern Begriffen an-wenden. lm Gebiet der indonesischen Sprachen hat man solchenbsp;Sammelworte in viel gröBerer Zahl. Man braucht z. B. im Sangir’^)nbsp;bau für runde, bua für lange Gegenstande, bilang für Papier, Bretternbsp;usw., beka für Teile, aus denen etwas besteht, bebule,nbsp;nbsp;nbsp;nbsp;für Haare

und Blatter, die abgerissen sind, lihi für natürliche Teüe von Früchten z. B. Limonen, kela, sela für flache Scheiben, gèsa für Sohiffe, kalepanbsp;für Goldstücke usw. So verschieden wird hier der Begriff der Plura-litat aufgefaBt. Natürlich ist dieser Unterschied begründet in dernbsp;Verschiedenheit des sinnlichen Eindrucks bei den Mengen. Darausnbsp;wird nun weiter verstandlich, warum für die mancherlei Dinge, dienbsp;gezahlt werden, auch verschiedene Arten der Zahlworte im Gebrauehnbsp;sind.

In der Spraohe von Nauru^), einer mikronesischen Sprache, gibt es im ganzen 28 verschiedene Reihen von Zahlworten, namlieh 1. dienbsp;einfachen Zahlen, 2. Zahlen für lebende Wesen, 3. Zahlen für Gruppennbsp;lebender Wesen, 4. Zahlen für Früchte und Baume, 5. für Boote undnbsp;groBe EBschüsseln mit Inhalt, 6. für Trinkschalen und kleine EB-schalen, 7. für Matten, Messer, leere Trinkschalen, 8. für Matten, dienbsp;mit Fischen gefüllt sind, 9. für Blatter und Federn, 10. für abge-wickelte Streifen usw. Es sind in diesen Zahlenreihen nicht immernbsp;alle Zahlen verschieden, aber eben doch einige.

Hieraus wird ferner verstandlich, warum die Sprachen, die das Nomen in Klassen einteilen und diese Klassen durch Affixe aus-drücken, nun auch verschiedene Affixe anwenden, um die Pluralenbsp;zu bilden. So besteht z. B. im Bantu zwar nicht für jede Klasse einnbsp;besonderer Plural aber doch für die meisten.

Man hat hier ein besonderes Pluralprafix 1. für Menschen, 2. für Geister, Baume etc., 3. Ein Prafix bezeichnet doppelte Dinge, istnbsp;also ursprünglich Dual; dasselbe dient auch zur Büdung von Kollek-tiven. Es gibt ferner Pluralprafixe 4. für Werkzeuge, 5. für Tiere,nbsp;6. für Verkleinerungsworte.

Die Bildung hat sich dabei in der Weise vollzogen, daB das Pluralprafix ursprünglich vor das Singularprafix trat®), worauf dann das Wort meistens verkürzt wurde — in der Regel durch Ausfall des

Nach Adriani a. a. O. S. 234.

*) Nach Hambruch a. a. O. S. 3Iff.

®) Z. B. Nyamwezi m-pela, pl. ma-m-pela ,,Nashom“.

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überflüssig gewordenen Singularprafixes^), gelegentlich auch durch Wiederabfall des Pluralprafixes, so daB beim Nomen Singular undnbsp;Plural gleich lauten und nur in der Satzkonstruktion unterschiedennbsp;werden^).

lm Ful ist die Zahl der Pluralsuffixe erheblich kleiner als die der Singularsuffixe, aber auch bier sind doch noch mehrere verschiedenenbsp;Pluralformen nachzuweisen, 1. für Menschen, 2. für Deminutiva,nbsp;3. für Augmentativa, 4. -’de, -’di. usw.

Die verschiedenen Pluralklassen des Bantu haben nun wie die Singulare jede ihren besonderen Pronominalstamm, und die Satzkonstruktion ist also auch im Plural vöUig von der Klasseneinteilungnbsp;beherrscht. Die Zahl „zwei“ lautet im Suaheli wawili, wenn vonnbsp;Menschen die Rede ist, miwili von Baumen, mawïli von Augen,nbsp;viwili von Messern, mhili von Hausern. Dementsprechend beginntnbsp;die dritte Person Pluralis beim Verbum mit wa-, i-, ya-, vi-, zi~, jenbsp;nachdem das eine oder andre Wort Subjekt des Satzes ist.

Im Ful ist diese Regel beim Verbum nicht so streng durchgeführt, aber sie ist doch auch noch in Übung.

Je mehr nun diese Gruppierung der Begriffe zum grammatischen Geschlecht wurde, um so mehr trat in der Satzkonstruktion dienbsp;Klasseneinteilung zurück. An ihrer Stelle erscheint die Unterschei-dung von Maskulinum und Femininum im Singular und Plural. Sonbsp;hat im Nama das Verbum im Plural das Pronomen gu für das Maskulinum, ti für das Femininum, n für das Kommune.

Wo nun die Klasseneinteilung für die Satzkonstruktion ihre Be-deutung verloren hat, hat sie vielfach doch noch für die Wortbildung Geltung behalten, vor allem bleiben hier die mannigfachen Formennbsp;der Pluralbildung noch vielfach in Übung. Wie groB der Formen-reichtum bei der Pluralbildung sein kann, zeigt u. a. das Masai, wonbsp;sich allerdings nur bei einem Teil der Formen eine Funktion nach-weisen laBt. So bilden hier viele Bezeichnungen von Personen dennbsp;Plural auf -k, z. B. ol-barno-ni, pl. il-barno-k „der Barbier“, aber auchnbsp;bei Femininen, z. B. engapya-ni, pl. ifigapya-k „die Witwe“. Dennbsp;Genusunterschied deutet das Prafix an, das Suffix, das auf die Zu-gehörigkeit zm Personenklasse hinweist, ist für beide Genera gleich.nbsp;Freilich bilden auch einige Nichtpersonen den Plural auf -k, z. B.nbsp;^ngef-u, pl. ingej-ek „das Bein“. Sonst haben die Nichtpersonen sehr

Z. B. Suaheli ki-ti, pl. vi-ti „Stühle“.

*) Z. B. Suaheli n-umba Mi „dieses Haus“, n-timha Mzi „diese Hauser“ für urspr. *zi-numba Mzi.

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verschiedene Pluralendungen, deren Funktion sich bisher zumeist nicht feststellen lieB, auf -a, -o, -i, -it, -in, -ni, -ta usw. Anch einige Personen bilden den Plural so, z. B. ol-cokut, pl. il-cokut-i ,,der Hirte“.

Sicher bestimmen laBt sich auch hier der Individualis, z. B. ol-aSumba-i, pl. il-asumba „der Suaheli“, engera-i, pl. ingera ,,das Kind“ usw.i)

In anderen Hamitensprachen lassen sich noch weitere gesetz-maBige Unterschiede der Bildungsweise und der Funktion nachweisen, wobei beachtenswert ist, daB hier die Reduplikation des Wortes alsnbsp;Pluralausdruck haufig ist, die bei den Klassensprachen fehlt. AuBer-dem überwiegen bei der Funktion die das Verhaltnis der Begriffenbsp;ausdrückenden Unterschiede wie Individualis, Kollektivum, wahrendnbsp;die rein gegenstandlichen Unterschiede wie Tiere, Baume, Werk-zeuge etc. zurücktreten.

lm Somali bildet das Maskulinum zwei verschiedene Arten des Plurals. 1. Der distributive Plural, bei dem die Individuen innbsp;ihrer Vereinzelung bleiben. Dieser Plural wird durch Verdoppelungnbsp;gebildet und andert das Genus nicht, z. B. bül, pl. bülal „IIüfte“,nbsp;nin ( lt; 1 2nim), pl. niman ( lt; quot;^nimam) ,,Mann“. 2. Der kollektivenbsp;Plural, bei dem die Begriffe in eine Einheit zusammengefaBt werden.nbsp;Man bildet ihn durch die Femininendung -o lt; 2-at, und das Nomennbsp;wird Femininum^), z. B. bül, pl. bulo, nin, pl. nimo. Das Femininumnbsp;auf -o bildet aber den Plural auf -yin, und diese Plurale sind stetsnbsp;Maskulina, z. B. abeso ,,Schlange“, pl. abësóyin.

Sehr weit verbreitet ist in den Hamitensprachen die Bildung des Individualis, den wir schon bei den Klassensprachen vorfanden®)nbsp;und beim Masai erwahnten2). Hier ist der Plural alter als der Singular,nbsp;z. B. Chamir bil ,,Motten“, bel-d ,,eine Motte“, lës ,,Tranen“, les-anbsp;„eine Trane“, fiz „Same“, fez-d ,,ein Samenkorn“. Diese Plurale,nbsp;die in singularischer Form auftreten wie im Deutschen „Haar“,nbsp;,,Sand“, „Gras“, können nun aber wieder Plurale bilden und zwarnbsp;unter Anwendung der Reduplikation und in der Funktion einesnbsp;doppetten Plurals, z. B. Chamir„Same“ aber fizze ,,die Samen-haufen“.

Wie hier und im Somali unterscheidet man auch in andern Sprachen

80

1

1) 8. Hollis, Masai, S. 18—34.

Vgl. S. 7ö. Im Indogermanischen wird ein solches kollektives Femininuro daim als Plural des Neutrum aufgefaJBt, vgl. Brugmann § 436.nbsp;s. S. 61.

2

8. oben.

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reduplizierte Pluraiformen von den durch Endung gebildeten, nur da6 dann zuweilen den beiden Pluraiformen auch zwei Singular-formen mit verschiedener Funktion entsprechen, von denen die einenbsp;das einzelne Wesen bezeichnet, also den Individualis, die anderenbsp;die ganze Art dieser Wesen, also den Generalis, wie Reinisch treffendnbsp;diese Bildung nennt:

z. B. Bilin^) dimmé-ra, pl. dimmü-t ,,die einzelne Katze“, pl. ,,die Katzen“, dimmu, pl. dimamü „Katzen im allgemeinen“.nbsp;Irob-Saho^) adam-to, pl. adam-tit „der einzelne Menscb“, adam,nbsp;pl. adamum „Mensch im allgemeinen“.

Über diesen Generalis hinaus gibt es nun noch einen Universalis, der alle Wesen einer bestimmten Gattung zusammenfaBt:nbsp;z. B. Chamir®) ieslém-a „ein Moslem“, pl. ieslem-en, aber ieslem-m-tnbsp;,,die muselmanische Welt“.

Somali1 2) nag, pl. nag-o ,,Frau“, aber nag-aial „die Frauenwelt“, nln, pl. nim-o ,,Mann“, aber nim-aaji ,,die Manner-welt®).

Hieraus wird verstandlich, wie es möglich ist, daB im Hausa das Nomen in der Regel verschiedene Pluraiformen hat, von denen dienbsp;einen durch Endung, die andern durch Reduplikation gebildet sind.nbsp;So bildet man von Sirgi „das Packen“ die Plurale sirgögl und sirgaigainbsp;durch Verdoppelung, sirg-una durch Endung.®)

Es sprechen allerlei Anzeichen dafür, daB auch hier die verschiedenen Bildungen ursprünglich verschiedene Funktion haben. Die Sache istnbsp;aber noch nicht klar erkannU).

Diesen Bildungen ahnlich sind manche der arabisehen Plurale, die entweder durch Endung oder durch inneren Vokalwechsel gebildetnbsp;werden, Formen, die nach dem S. 52 Gesagten wenigstens z. T. aufnbsp;alte Reduplikationsformen zurückgehen.

1

1) nbsp;nbsp;nbsp;A. a. O. S. 87.

2) nbsp;nbsp;nbsp;A. a. O. S. 25ff.

») A. a. O. S. 104.

2

Reinisch, Die Somali-Spraehe, III. S. 45f.

Vgl. die ahnliche Bildung im Bantu, z. B. Zulu um^zulu. Sing, zu a^ba-zulu „eine bestimmte Anzahl Zulu“, ama-zulu „das ganze Zuluvolk“.

®) Wegen der aus Reduplikationsformen entstandenen ablautahnlichen Bildungen s. S. 50 ff.

’) Doch vgl. Taylor a. a. O. S. 81 ff.

6 Meinhol

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z. B. sarif, pl. sarif-üna ,,Dieb“, aber raful, pl. rifal ,,Mann“,

ta]ir, pl. tifar „Kaufmann“, faris, pl. fauaris ,,Reiter usw.^)

Zu den Numerusformen, bei denen gegenstandliche Unterschiede unberücksicbtigt bleiben, gehort nun aber auch der Dualis. Wirnbsp;sahen im Bantu, dab eine Klasse der doppelt vorhandenen Dingenbsp;nachzuweisen ist. Dementsprechend finden sich in den Hamiten-sprachen Dualformen, z. B. im Agyptischen^) für paarweis vor-handene Dinge wie Arme und Beine, indes gelegentlich auch fürnbsp;andereBegriffe, die nur zufallig zu zweit sind, wie z. B. zwei Schwestern.nbsp;Aber diese Bildungen sind im Agyptischen scbon früb verschwunden.nbsp;Reste des Dualis finden sich auch im Schilh®).

Im Nama^) hat sich der Dualis jedoch so ausgedehnt, daB beliebige zweimal vorhandene Personen oder Gegenstande im Dualis auftreten,nbsp;80 daB oft die Zahl zwei dadurch ersetzt wird.

Im Agyptischen wird „drei“ als Mehrzahl empfunden. Man setzt in der Schrift beim Dual die Zeichen zweimal, beim Plural dreimal,nbsp;auch wenn es sich um mehrere Gegenstande handelt®).

Je mehr die Klasseneinteilung nun aber für die Satzkonstruktion zurücktritt, desto mehr ist auch das Schwinden der Pluralbildungennbsp;vorbereitet, so daB in manchen PaUen nur der Unterschied von Personnbsp;und Sache, bzw. Maskulinum und Pemininum übrig bleibt.

In der Sprache der Marschall-Insulaner ist das Pluralzeichen bei Personen ro, bei Sachen ko.

Im Nama unterscheidet man auch im Plural bestimmte und un-bestimmte Formen. Die unbestimmten sind Kommune, die be-stimmten sind verschieden für Maskulinum und Femininum.

Im Hebraischen hat man neben dem Dualis nur zwei Formen für den Plural, eine für das Maskulinum und eine für das Femininum,

Auch im Arabischen gibt es Plurale, die das Mengen- oder GröBen-verhaltnis anzeigen, z. B. die Plurale der kleinen Anzahl (3—5) und die Plurale der Menge (Caspari-Müller § 305), die Plurale der Deminutiva (ebenda p. 139,nbsp;156); vgl. auch das Nomen unitatis (den Individualis) neben dem Kollektivumnbsp;(ebda. § 198).

*) Erman, Agyptische Grammatik.^ 1902. § 124.

^) Vgl. Stumme a. a. O. § 60.

*) Z. B. khoi-kha m. ,,zwei Mannerquot;, khoi-ra f. ,,zwei Frauenquot; oder c. „zwei Menschenquot;. Das Korana hat auch im Dual besondere Formen für m., f. und c.nbsp;vgl. Meinhof, Der Koranadialekt des Hottentottischen. Berlin 1930. S. 32, 43.nbsp;®) Oder man setzt zwei bzw. drei Striche neben das Zeichen.

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aber diese lassen noch erkennen, daB sie Reste früheren Reichtums sind. Es ist schon im Nama nicht so, daB in den Pluralsuffixen sichnbsp;Numeruszeichen und Genuszeichen erkennen lieBe, und im Hebrai-schen sind die beiden Eormen sogar ganz verschiedener Bildung. Dasnbsp;maskuline Suffix -lm ist jedenfalls verwandt mit dem -In, -üna dernbsp;andern Semitensprachen und dem -in, -un, -an der Hamitensprachen.nbsp;Die Femininendung -öt steht lautgesetzlich für altes *-at, und diesnbsp;ist doch wohl Reduplikationsform des alten Singularsuffixes *-d^.nbsp;Beide Bildungen unterscheiden sich also voneinander ahnlich wie dienbsp;oben angeführten Bildungen der Hamitensprachen, die eine als reinenbsp;Suffixbildung, die andere als Reduplikationsform.

Von den eigentümlichen Tausehbewegungen, die sich beim Wechsel von Numerus und Genus herausstellten, war schon die Rede^). Imnbsp;Griechischen wird das pluralische Neutrum, das mit dem singula-rischen Femininum verwandt ist, noch regelmafiig mit singularischernbsp;Verbalform verbunden.

Aus dem allen ergibt sich aber, daB die Mannigfaltigkeit der Plural-bildung sich am einfachsten aus der Klasseneinteilung erklart. Manche verschiedene Bildungen des Duals und Plurals haben heute nochnbsp;verschiedene Funktion^), wenn diese sich auch in der Satzkonstruktionnbsp;nicht mehr auswirkt.

11. Kasus.®)

Wenn man von Flexion spricht, denkt man zunachst an die Ab-wandlung des Nomen und des Verbum durch Affixe, also an Deklina-tion und Konjugation. Es unterliegt keinem Zweifel, daB viele, wohl die meisten der heute gesprochenen Sprachen eine solche Abwandlung desnbsp;Nomen nicht kennen—mag das Nomen im Satz diese oder jene Stellungnbsp;haben, es bleibt voUkommen unverandert. Damit ist natürlich nicht

Vgl. S. 67ff.

Vgl. lat. loei, lom, deutsch Orte, Örter, Worte., Wörter, engl. brethren, brothers.

*) Vgl. hierzu rueinen Beitrag ,,Der Ausdruck der Kasusbeziehungen in afrikanischen Sprachen“ zu der Gedenkschrift Trombetti, die demnachstnbsp;erscheinen soil.

6* nbsp;nbsp;nbsp;83

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gesagt, daB die gegenseitige Beziehung der Worte im Satz, die z. B. im Lateinischen durch Kasusendungen ausgedrückt wird, überhauptnbsp;nicht angedeutet werden könnte. Es muB ja in allen Sprachen dernbsp;Welt erkennbar sein, ob z. B. die drei Begriffe Mann, schlagen, Knabenbsp;bedeuten sollen, daB der Mann den Knaben schlagt, oder daB dernbsp;Knabe den Mann schlagt. Ferner muB ja erkennbar sein, ob dienbsp;beiden Begriffe Voter, Freund heiBen sollen ,,der Vater des Freundes“nbsp;oder ,,der Freund des Vaters“. Also muB die Kasusbeziehung überallnbsp;zum Ausdruck kommen. Es ist aber nicht notwendig, daB sie durchnbsp;Prafixe oder Suffixe am Nomen, also durch Veranderung des Nomennbsp;ausgedrückt wird. Sie kann sehr wohl auf andere Weise angedeutetnbsp;werden, und wenn dies nur irgendwie geschieht, so ist das für dasnbsp;Verstehen des Gesagten ja vollkommen ausreichend.

Aber zunachst ist es fraglich, ob die verschiedenen Kasusbeziehungen überhaupt so gleichartige Vorgange sind, daB man sie als zusammen-gehörig betrachten kann.

Den Vokativ hat man schon seit einiger Zeit ausgeschieden, weil er nicht eine Beziehung des Nomen zu andern Satzteilen ausdrückt,nbsp;sondern das Nomen, auch das alleinstehende, als Ausruf gebraucht.

Wie der Lateiner -e statt der Kasusendung anhangt, so fügt man im Schambala dem Namen des Gerufenen ein langgezogenes an,nbsp;z. B. Mlondua-ë! „O Mlondwa!“, oder man beginnt wie im Dualanbsp;mit dem Ausruf a!, z. B. a Ndjo! ,,0 Ndjo!“

In andern Bantusprachen ist der Vokativ das einfache Wort ohne demonstrative Vorsilbe, „Artikel”, der sonst in vielen Sprachen demnbsp;Nomen vorgesetzt wird, z. B. Herero mundu! „O Mensch!” nebennbsp;omundu ,,der Mensch” — eigentlich „das ist ein Mensch“.

Damit kann der Vokativ hier aus der weiteren Betrachtung aus-scheiden. Aber auch die andern Kasusbeziehungen sind keineswegs gleichartig. Neben die uns gelaufigen Kasus treten in andern indo-germanischen Sprachen der Ablativ, der Lokativ, der Instrumentalis,nbsp;und in agglutinierenden Sprachen Europas und Asiens erscheinennbsp;auBerdem weitere Kasus in erschreckender Fülle.

Wundt hat vorgeschlagen, zwischen Kasus der innern Determination, die überall zum Ausdruck kommen müssen, und Kasus der auBern Determination zu unterscheiden, da die letzteren eine ent-ferntere Beziehung ausdrücken und in vielen Sprachen durch Praposi-tionen und Postpositionen oder andere Umschreibungen ersetztnbsp;werden.

Aber selbst wenn man die Richtigkeit dieser Unterscheidung zugibt, 84

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gewinnen wir keinen einheitlichen Begriff der Kasusbeziehung, demi von den vier Kasus der innern Determination: Norninativ, Genitiv,nbsp;Dativ, Akkusativ fallt der Dativ zunachst ganz aus, da er auf einernbsp;früheren Stufe der Sprachentwicklung, wie wir sehen werden, überhaupt nicht verhanden ist.

Statt Norninativ müssen wir Subjektskasus sagen, denn der Nomi-nativ ist durchaus nicht überall auch der Kasus des Pradikatnomens und der Apposition zum Subjekt^). Statt Akkusativ sagen wirnbsp;Objektskasus, denn darauf kommt es hier allein an. Beide Kasusnbsp;stellen mithin die Beziehung des Nomen zum Verbum dar und könnennbsp;80 als zusammengehörig betraehtet werden.

Der Genitiv aber ist der Kasus, der die Zugehörigkeit des Nomen zu einem anderen Nomen angibt, und ist insofern etwas anderes alsnbsp;die erstgenannten Kasus. Wenn man freilich bedenkt, daB das Wortnbsp;zugleich Nomen und Verbum sein kann, besteht für einen primitivennbsp;Zustand der Sprache allerdings ein Zusammenhang zwischen Subjektskasus und Genitiv. „Der Schlag des Mannes“ kann dann auch verbalnbsp;gedacht werden als ,,das Schlagen des Mannes“ oder „der Mannnbsp;8chlagt“. Ebenso kann eine Verwandtschaft zwischen Objektskasusnbsp;und Genitiv besteken, wenn „das Schlagen des Mannes“ die Schlagenbsp;bezeichnet, die der Mann erhalt. Aber sobald Nomen und Verbumnbsp;sich selbstandig ausgebildet haben, drückt der Genitiv eine Beziehungnbsp;andrer Art aus als der Subjekts- und Objektskasus.

In isolierenden Sprachen kann die Kasusbeziehung zunachst nm durch die Stellung angedeutet werden, z. B. kann das Subjekt vornbsp;dem Verbum stehen, das Objekt dahinter, eine Stellung, zu der dasnbsp;Pranzösische zurückgekehrt ist. In andern Sprachen stekt das Objektnbsp;Zwischen Subjekt und Verbum. Wenn der Genitiv dann vor demnbsp;tegierenden Nomen steht, sind die Kasus erschöpfend zum Ausdrucknbsp;gebracht. Der Zusammenhang zwischen der Stellung des Subjektsnbsp;ünd der des Genitiv soheint mir nach dem Vorhergehenden evidentnbsp;Zu sein, wahrend die Stellung des Objekts bereits sekundarer Art istnbsp;ünd deshalb schwankt.

*) In manchen Sprachen tritt dafür der Objektskasus ein, weii die „Kopula“ oin transitives Verbum ist, z. B. im Nama und im Arabischen nach gewissennbsp;Verben. Vgl. auch Plattdeutsch „He is en góden Mann“. Diese Konstruktionnbsp;'Wrd innerhalb dieses Dialekts so sehr als ein Akkusativ des Pradikatnomensnbsp;empfunden, daB im Gymnasialunterricht ein bitterer Kampf dagegen geführtnbsp;'''erden muB, daB das Pradikatnomen auch im Lateinischen falschlich in dennbsp;Akkusativ gesetzt wird. Doch vgl. Velten, Language, Vol. VIII, S. 259.nbsp;Wegen des Nama vgl. S. 87 Anm. 3.

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In andern Sprachen wie im Semitischen steht der Subjektskasus in der Regel hinter dem Verbum und der Genitiv dementsprechendnbsp;hinter dem regierenden Nomen.

Bei Berührung mit Fremdsprachen wird die Regel gestort, und man ist genötigt, zu weiteren Hilfsmitteln zu greifen, um die Kasus-beziehung zum Ausdruck zu bringen. Diese Hilfsmittel erweisennbsp;sich aber auch sonst niitzlich im Dienste der Deutlichkeit der Rede.

Das naohste dieser Hilfsmittel, um die Kasusbeziehung zu ver-deutlichen, ist die Hinzufügung eines nominalen oder verbalen Begriffs.

Zur Verstarkung des Genitivausdrucks wendet man im Ewe das Wort a/c ((e) ,,Platz“ an: fia la [e xQ i.König Platz Haus“ ist „des Königsnbsp;Haus“. „Platz“ soli hier nur bedeuten, da6 ,,König“ und „Haus“nbsp;zusammengehören, daB also das Haus dem König ,,gehört“, daB esnbsp;des Königs Haus ist.

So kann aucb eine kompliziertere Objektsvorstellung durch ein beigefügtes Nomen wie „Saclie“ oder „Umstand“ als Objekt gekenn-zeichnet sein, abnlich dem „das“ in dem deutscben Satz ick glaubenbsp;das: er kommt, den wir heute auffassen als ich glaube, dafi er Icommt.nbsp;So fügt man im Bedauye dem Objektssatz ein akwo ,,Umstand“ bei,nbsp;z. B. Bilal ö-ki§ya efdigê-b akivo diya-he „sage mir, ob Bilal den Sklavennbsp;freigelassen hat“, wörtlich: „Bilal Sklaven freigelassen bat Umstandnbsp;sage mir“. Ebenso verwendet man bei demselben Satz im Namanbsp;Ikxaisa „Sacbe“: Bilal kxovo-b-a go !nora-lnora !kxai-s-a mï-ba-te.

Im Ewe wird der Dativ durch Einfügung eines zweiten Verbum angedeutet, das haufig wiewohl nicht immer na ,,geben“ ist. E tsonbsp;agbalè la na fia la „er nahm das Buch gab dem König“. Hierbei hatnbsp;tso „nehmen“ als Objekt agbalè „Buch“, aber na „geben“ hat alsnbsp;Objekt die Person, der man gibt. Das zweite Verbum drückt also innbsp;diesem Falie unsern Dativ aus. Für den Ewemann ist natürlich fianbsp;„König“ in demselben Sinne Objekt von na „geben“ wie agbalè „Buch“nbsp;Objekt von tso „nehmen “ ist. Ein Unterschied in der Vorstellungnbsp;von Akkusativ und Dativ liegt nicht vor, man hat einfach zwei Verbanbsp;mit je einem Objekt.

Einer andern Art der Umschreibung für den Dativ bedienen sich die Bantusprachen. Sie bilden von jedem Verbum nach Bedarf einenbsp;applikative Form mit der Endung -ela, wodurch das Verbum fahignbsp;wird, ein Objekt anzunehmen, das wir als Dativ auffassen. So z. B.nbsp;heiBt im Suaheli a-me-ni-leta „er hat mich gebracht“, aber a-me-ni-let-ea ( lt; *-let-ela) ,,er hat mir gebrachtquot;. In beiden Fallen ist abernbsp;-ni- Objekt in demselben Sinne und kann im Passiv Subjekt werden:nbsp;86

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ni-me-let-ya „ich bin gebracht worden“, aber ni-me-let-e-ua „mir ist gebracht worden“.

Eine ebensolche Konstruktion findet sich im Eul, indem das Verbum das Suffix -na annimmt.

Ebenso verwendet das Nama das Suffix -ba, das Arabische die 3. Konjugation mit verlangertem Stammvokal, das Deutsche gelegent-lich die mit der Vorsilbe be- gebildeten Verba, z. B. „ich beschenktenbsp;den Knaben“ statt „ich scheukte dem Knaben etwas“. Auch hiernbsp;kann der Satz passivisch gewandt werden: ,,Der Knabe wurde be-schenkt“d)

Ein weiteres Mittel, die Kasusbeziehung anzudeuten, sind allerlei Partikeln — Prapositionen und Postpositionen — von denen nichtnbsp;immer sicher zu ermitteln ist, ob sie verbalen oder nominalen Ur-sprungs sind.

So verwendet man zum Ausdruck der Genitivbeziehung im Ber-berischen, im Hausa und in dem damit nicht verwandten Nuba n, im Hottentottischen di, im Eranzösischen de, im Englischen of usw.

Beim Dativ verwendet das Hausa die Praposition ma oder ga, das Schilh i-, das Hebraische l-, das Eranzösische a, das Englische to.

Um den Objektskasus anzudeuten, verwendet das Nubische die Postposition -gi, -ga, das Bedauye -t^), allerdings nur bei femininemnbsp;Objekt, das Hebraische bei bestimmtem Objekt die Praposition et.

DaB aber die nubischen Suffixe Postpositionen sind und nicht Kasusendungen im Sinne der indogermanischen Grammatik, gehtnbsp;mit Sicherheit daraus hervor, daB diese Suffixe, wenn dem Nomennbsp;ein dazugehöriges Adjektiv folgt, hinter dieses Attribut treten,nbsp;z. B. ai im burü tonjil-gi dolli „ich dies Madchen schön liebe“, d. h.nbsp;,,ich liebe dieses schóne Madchenquot;.

Dasselbe gilt von dem -a des Nama, das sonst ganz wie eine echte Kasusendung aussieht und in verlockender Weise an das -a desnbsp;Objektskasus im Galla und Arabischen erinnert, z. B. mü ta go aobnbsp;geib-a^) ,,ich sah den groBen Mann“.

Das Bantu zeigt eine Bildungsweise, die sich abgesehen von dem Gebrauch der applikativen Verba von dem allen scharf unterscheidet.

Hier wird das Subjekt des Satzes dadurch gekennzeichnet, daB

*) Man könnte also den obigen Suaheli-Satz in schlechtem Deutsch wieder-geben: „Ich bin bebracht wordenquot;.

*) Chamir -t, -et, Bilin -tï, -sï, Quara -tl, -t, -s.

®) Wahrscheinlich ist a aber ebenso wie das S. 92 Anna. 1 erwahnte i verbalen Ursprungs, vgl. Dempwolff, Nama, S. 90.

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ein Pronomen, das mit dem Snbjekt übereinstimmt, vor dem Verbum erscheinen muB. Das Objekt wird durch das Pehlen dieser Über-einstimmung gekennzeichnet. Es kann aber auch durch ein Pronomennbsp;am Verbum angedeutet werden, das mit der Klasse des Objektsnomennbsp;übereinstimmt. Dies steht allerdings an zweiter und nicht wie dasnbsp;Subjektspronomen an erster Stelle,

z. B. Suaheli ki-ti ki-me-anguka „der Stuhl (kiti) ist gefallen“, ni-me-ki-ona ki-ti „ich habe den Stuhl gesehenquot;.

Freilich ist diese BUdungsweise nicht so ursprünglich, wie sie er-scheint^). Es gibt sicheres Material, aus dem hervorgeht, daB das Objektspronomen ursprünglich ein lokatives -ku- vor sich hatte, dasnbsp;dann aber ausfiel, da das Objektspronomen durch seine Stellungnbsp;hinter dem Subjektspronomen genügend gekennzeichnet war^).

Auch die Genitivbeziehung wird dadurch ausgedrückt, daB man ein auf das regierende Nomen bezügliches Pronomen vor dem mitnbsp;vorgesetztem a folgenden Genitiv wiederholt, z. B. vi-ti v^-a mzungunbsp;„die Stühle des Europaers“.

Die Verwendungpronominaler Partikein zum Ausdruck der Kasus-beziehung hat nun auch in flektierenden Sprachen weite Verbreitung gefunden.

Es wird nützlich sein, vom Ful auszugehen, dessen Bildungen zunachst völlige Übereinstimmung mit dem Bantu zeigen, vgl. lek-kinbsp;kin ki towi „dieser Baum ist hoch“. Hier ist -ki Suffix der Baumklassenbsp;und erscheint in dem Demonstrativum kin und in dem Verbal-pronomen ki.

Es kann nun aber i, das Zeichen der Sachengruppe®), hinzutreten, also lek-ki kin i ki towi, oder es kann i allein stehen, also lek-ki kin inbsp;towi. Vergleichen wir den Satz gork-o on o yehi „dieser Mann ging“,nbsp;wobei o Zeichen der Personenklasse ist, so kommt der ünterschiednbsp;von Person und Sache vor dem Verbum zum Ausdruck, und dasnbsp;Nomen ist dadurch als Subjekt des Satzes gekennzeichnet.

Wie hier Person und Sache wird in Semitensprachen Maskulinum und Femininum unterschieden.

Vgl. nach Meriggi im modernen Italienisch: ma non Ie ha jatte queste cose ? „aber haben Sie diese Saehen nicht gemacht wobei Ie das folgende questenbsp;cose vorwegnimmt. Wenn das nominale Objekt dem Verbum vorangeht, mufinbsp;das pronominale Objekt vor dem Verbum erscheinen.

“) Vgl. Meinhof, Grundzüge einer vergleichenden Grammatik der Bantu-sprachen, S. 52.

’) Vgl. S. 54, 64.

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lm Somali tritt ia zum Subjekt, um es hervorzuheben. Dies pronominale ia ist also Subjektszeichen. Aber auch das Verbumnbsp;beginnt mit ia-, das hiermit identisch oder verwandt sein dürfte. Sonbsp;heiBt im Somali ja-gan „er weiB“.

Im Femininum wird dies m- nun durcb ta- ersetzt, das wir als verwandt mit dem Objektszeichen t, das zum Femininzeichen am Nomen geworden ist, erkennen. So wird nun bei maskulinem Subjekt ia-qan,nbsp;bei femininem ta-qan gebraucht und damit das Subjekt gekenn-zeichnet, freilich in viel ungenauerer Weise als in den Klassensprachen.

Ebenso sagt man im Hausa maifito ia cë ,,der Fahrmann sagte“, und uwa ta mutu „die Mutter starb“, und ebenso im Arabischen m-gtulu ,,er wird töten“ bei maskulinem Subjekt, aber ta-qtulu ,,sie wirdnbsp;töten“ bei femininem Subjekt^).

AuBer ia erseheinen aber auch andere Pronomina als Subjektszeichen, z. B. u. Dies u ist vielleicht verwandt mit dem o des Ful und wahrscheinlich identisch mit u „er“ im Somali. Im Somalinbsp;tritt u als Zeichen des Subjekts auf und wird als solches dem Nomennbsp;suffigiert. Es verschmilzt hier mit dem Nomen und stimmt in diesernbsp;Hinsicht ganz iiberein mit dem -u als Nominativsuffix im Arabischen,nbsp;das als echte Kasusendung anzusehen ist. Im Berberischen erscheintnbsp;prafigiertes u- als Subjektszeichen bei maskulinem Nomen, wenn dasnbsp;Nomen, wie es hier die Regel ist, hinter dem Verbum steht.

Da u eben urspriinglich selbstandiges Pronomen ist, kann es nicht wundernehmen, daB es in einem Pall suffigiert, im andern prafigiertnbsp;wird. Ebenso ist es nicht befremdlich, daB die pronominalen Elementenbsp;in dem einen Fall mit dem Verbum, im andern mit dem Nomen ver-schm elzen.

Steht das Subjekt im Plural, so andert sich, wie wir oben sahen, im Bantu die Klasse des Nomen und damit auch die des Verbal-pronomen. In den Hamitensprachen, den Semitensprachen und innbsp;den indogermanischen Sprachen wird die Verbalform im Plural eben-falls meist verandert, so daB auch hier das Subjekt durch diese Über-

1) Man kann auch im Deutschen heute besonders von weniger Gebildeten in offenthoher Rede haufig Wendungen horen wie: ,,Der Vater, er sagte“; „dienbsp;Prau, sie kam sofortquot; u. dgl. m. Haufig auch in poëtischer Rede z. B. beinbsp;Schiller: „Die Klage, sie wecket die Toten nicht auf“, „Der Drache, der dasnbsp;Land verödet, er liegt von meiner Hand getötetquot;, „Ein Regenstrom aus Felsen-rissen, er kommt mit Donners Ungestüm“, „Mein Los, es ist dem euren gleioh“,nbsp;.,Das rasche Schioksal, es treibt ihn fort“, „Die Freude, .sie wohnt nur in Ju-piters Saale“ usf.; vgl. Paul a. a. O. S. 311, wo er u. a. von Goethe anführt:nbsp;.,Der Kirchhof, er liegt wie am Tage“.

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einstimmung, die z. B. in den Semitensprachen auch den Genus-unterschied teilweise noch bezeichnet, kenntlich gemacht wird.

Die Pronominalkonstruktion findet ihre Anwendung zum Ausdruck des Objekts aber nicht nur im Bantu sondern auch in den Hamiten-spracben, z. B. im Somali, wo u „ihn“ mit Beziehung auf das Objektnbsp;zwischen Subjektspronomen und Verbum eingeschoben werden kann.

Um das Objekt des Relativsatzes zu kennzeichnen, wird ebenfalls das Objektspronomen angewandt, übereinstimmend im Bantu und imnbsp;Semitischen, z. B. Suaheli mfhu tmUyempenda „der Mensch, welchennbsp;ich liebte“. Hier ist ye,- Relativpronomen und -m- Objektspronomennbsp;der Menschenklasse. Hebraisch hannabi '^ser SHaKö iahué „dernbsp;Prophet, welchen Jahwe gesandt hat“. Hier ist ’“Jer Relativpronomen und Objektssuffix^).

Einen besonders breiten Raum nimmt aber die Anwendung des Pronomen zum Ausdruck der Genitivbeziehung ein.

In fast genauer Übereinstimmung mit dem Bantu setzt das Pul vor den nachgestellten Genitiv ein auf das Subjekt bezogenes Pronomen ;

z. B. putj-u iigu lami'do „das Pferd des Hauptlings“,

tje-de nde anasara „das Geld der weiBen Leute“.

Hierbei ist nyu Pronomen zu putju, nde zu tjede.

Dieses Bedürfnis, den abhangigen Genitiv durcb ein pronominales Genitivzeicben in Verbindung mit dem regierenden Nomen zu bringen,nbsp;ist auch im Hausa zum Ausdruck gekommen, nur daB hier nicht dienbsp;Klasse, sondern das Genus bestimmend ist. Man braucht nachnbsp;maskulinem Nomen -n-, nach femininem -t-, also iaro-n-serkï „dernbsp;Knabe des Königs“, aber '‘ya-t-malam ,,die Tochter des Priestersquot;.

Anders liegt die Sache im Berberischen.

Im Schilh wird vor den Genitiv allerdings auch ein pronominales u-gesetzt, das mit dem das Subjekt kennzeichnenden u- identisch zu sein scheint. Aber dies Pronomen steht nicht in Übereinstimmungnbsp;mit dem regierenden Nomen wie in den vorhergehenden Fallen,nbsp;sondern mit dem abhangigen; ,,das Haus des Königsquot; tigimi u-gelltd

Vgl. nach Meriggi im Italienischen: lïbri, che son tre mesi che non li vedo piü „die Bücher, welohe (che) [es] sind drei Monate [her], daB (che) ich sie (li)nbsp;nicht mehr sehe“, d. h. „die ich seit drei Monaten nicht mehr sehe“. Vgl. auchnbsp;das Toskanische il paese, che due anni fa ci passai Ie vacanze „das Dorf, dasnbsp;ich vor zwei Jahren darin (ci) die Ferien verbrachte“, d. h. „wo ich vor zweinbsp;Jahren die Ferien verkrachtequot;.

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ist also wörtlich „Haus er König“, nicht wie im Bantu und Hausa ,,Hau3 es König“. Es wird hier durch das vorgesetzte Pronomennbsp;auf den folgenden Genitiv verwiesen.

Im Hebraischen steken in altertümlichen Formen zuweilen i und ö vor dem Genitiv. Ich halte es für möglich, daB das Reste alternbsp;Pronomina sind, die auch hier zwischen Regens und Rectum standen.nbsp;Dafür spricht u. a., daB im Aramaischen ein aus dem Demonstrativumnbsp;entstandenes d- in gleichem FaUe eintritt.

Es gibt dann Umschreibungen des Genitivs mit Hilfe des Possessiv-pronomen, die auf dem Wege sind, den Genitiv zu verdrangen, z. B. im Niederdeutschen dem Bure sin Koh ,,die Kuh des Bauern“, einenbsp;Bildungsweise, die in vulgarer Sprache auch ins Hochdeutsche ein-dringt. Ahnlich steht im Nama tara-s ao-b di-s statt ao-b di tara-snbsp;„des Mannes Frau“^).

Es scheint aber, daB die Kasusendung auch von einer andern Vor-stellung ihren Ursprung haben kann. Wir sahen, daB mit den ver-schiedenen V okalen bestimmte Lokalvorstellungen verbunden werden^). So wird im Somali unterschieden zwischen ninka ,,der Mann hier“,nbsp;niiilco „der Mann da“ und ninki „der Mann dort (auBer Sicht)“.nbsp;Diese Lokalvorstellung spielt nun aber eine Rolle beim Ausdruck desnbsp;Genitivs. So erhalt in der Verbindung ,,das Pferd des Hauptlings“nbsp;jedes der beiden Substantiva verschiedene SchluBvokale, je nachdemnbsp;sie als anwesend oder nicht anwesend gedacht sind. Auch das istnbsp;bestimmend, ob das Pferd und der Hauptling noch leben, und ob dasnbsp;Besitzverhaltnis noch als bestehend angesehen wird oder nicht®).nbsp;Es ist nun denkbar, daB eine dieser Endungen, z. B. -i, die am haufig-sten vorkommt, erstarrte und für alle Falie gebraucht wurde und sonbsp;durch einen Bedeutungswandel zur Genitivendung wurde. Ebensonbsp;ware es denkbar, daB das Objekt, das in der Regel ja in der Nahe desnbsp;handelnden Subjekts sein wird, haufig das Zeichen -a bekam, und daBnbsp;dies -a sich so zum Objektszeichen entwickelte. Dafür spricht -a alsnbsp;Objektszeichen im Galla und Nama*). Im Bedauye andern die

Hierzu gehort auch der Pleonasmus, der zum Genitiv noch das Possessiv-pronomen hinzufügt. So sagt man z. B. im Suaheli in ehrender Weisè djina lake Abdallah „sein, des Abdallah, Namequot; statt djina la Abdallah „der Namenbsp;des Abdallah“. So schreiht Gellert: „Wenige Tage nach des Herm Grafennbsp;seiner Abreisequot;.

“) s. S. 52f.

®) V. Tiling, Die Vokale des bestimmten Artikels im Somali. Z. f. Kol.-Spr. Bd. IX, S. 147 ff.

*) Doch vgl. S. 87.

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Pronomina das u des Singular im Objekt in o, was auf a als Zeicben des Objekts schlieBen laBt^).

So mag es gekommen sein, daB im Arabischen -a als Zeichen des Objekts, -i als Zeicben des Genitivs sich einbürgerte. Dieses geni-tivische i hangt auBerdem aber wohl mit adjektivischen Bildungennbsp;auf -i zusammen, für deren Entstehung das Somali uns wiederumnbsp;sehr wertvolle Erkenntnisse an die Hand gibt^).

Für die Entstehung des Lokativ des Indogermanischen sei auf die Lokativendung -ini des Bantu verwiesen, die zunachst an Nominanbsp;der Lokativklassen mu-, pa~, ku- angehangt wird und diese Prafixenbsp;dann in manehen Sprachen, z. B. im Suaheli verdrangt. Für dienbsp;Entstehung des Ablativ sei auf den Ablativ des Nama auf -i verwiesen,nbsp;in dem ich eine alte Postposition vermute; für die mancherlei Kasus-endungen der finnisch-ugrischen Sprachen vergleiche man die Post-positionen des Ewe wie -me „in“, -nu „an“, -gbo ,,neben“ usf.

Darnach muB man annehmen, daB die Kasusendungen der flek-tierenden Sprachen wohl kaum einen einheitlichen Ursprung haben, sondern aus verschiedenen Quellen stammen und nun formal zu-sammengefaBt werden, weil sie alle als Suffixe die Beziehung desnbsp;Nomen im Satz andeuten.

Die Frage, wie es kommen kann, daB manche Verba im Indogermanischen das Objekt im Dativ oder sogar im Genitiv annehmen, ist hier nicht zu erörtern, auch nicht der Gebrauch des adverbialennbsp;Akkusativ oder Genitiv. Wohl aber kann hier die Frage aufgeworfennbsp;werden, warum verschiedene Kasus bei Prapositionen und Post-positionen stehen.

In vielen Sprachen sind derartige unsern Prapositionen ahnliche Partikeln entweder verbalen oder nominalen Ursprungs. Deshalbnbsp;stehen im Ewe die ersteren vor dem abhangigen Wort, das also alsnbsp;Objekt dazu erscheint, vgl. de, das auch heute noch als Verbum ge-braucht wird, z. B. zd do de-m ,,die Nacht brach über mich herein“,nbsp;wörtlich „die Nacht brach herein, erreichte mich“.

Im Nama regiert eine ursprünglich verbale Postposition den „Akkusativquot;, z. B. om-a xu „aus dem Hause“; om-a ist „Akkusativquot; zu omi „Hausquot;, ;^^6ein Verbum in der Bedeutung „ablassenvon, verlassenquot;.

lm Plural wird allerdings a zu ê, weshalb man hier i als Objektszeichen vermuten könnte. Auch im Nama erscheint übrigens i neben a als Objekts-zeiohen.

Vgl. M. V. Tiling in Z. f. Eg.-Spr. Bd. X, S. 208—240.

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Die Partikein nominalen Ursprungs stehen im Ewe fainter dem abfaangigen Nomen, das also als Genitiv aufzufassen ist. Sie faabennbsp;insofern nocfa nominalen Cfaarakter, als ein Verbum vorfaanden seinnbsp;mu6, dessen Objekt sie sind, wenn sie nicfat Subjekt des Satzes sindnbsp;wie in %q-a-me no ,,das Haus-Innere ist schön“, ,,im Hause ist esnbsp;schön“. So ist in e-le xo-a-me „er ist im Hause“ le „irgendwo sein“nbsp;als transitives Verbum anzusehen, von dem -me „Inneres, in“ abhangt.

Im Nama faaben die ursprünglich nominalen Postpositionen das unveranderte Nomen vor sich, das also als Genitiv aufzufassen ist,nbsp;z. B. gao-ao-b %a ,,vom König“.

In afanlicher Weise werden im Bantu viele Nomina als Prapositionen gebraucht, stets mit folgendem Genitiv, z. B. Suafaeli djuu m numbanbsp;„Oberseite des Hauses“, ,,auf dem Hause“, 'mbele ia mfalme „Vorder-seite des Königs“, ,,vor dem König“ usf.

Aus diesem Grunde regieren arabische Prapositionen den Genitiv — sie sind ursprünglich Nomina. Ahnlich ist es mit manchen deutscfaennbsp;Prapositionen.

Die indogermanischen Prapositionen mit folgendem Akkusativ und Dativ oder Ablativ fasse ich als adverbiale Beifügungen auf,nbsp;wahrend der Kasus vom Verbum abhangt^).

Sehr eigentümlich ist die Verwendung der Lokativprafixe im Bantu, die den Lokalbegriff zum Subjekt des Satzes machen können,nbsp;z. B. Suafaeli pa-li-hu-wa na m-thu „die Stelle (pa-) war mit einemnbsp;Menschen”, „da war ein Mensch“. Die Lokativbezeichnung kannnbsp;auch Objekt des Satzes werden, auch als Genitiv von einem Nomennbsp;abhangen, ist also kein Kasus und auch mit einer Proposition eigentlichnbsp;nicht zu vergleichen, obwofal man bei der Übersetzung in europaischenbsp;Sprachen sicfa der Prapositionen bedienen muB^).

12. Das Verbum,

Da es in isolierenden Sprachen nur eine Zusammenfugung von Stammen gibt, die selbstandige Worte sind, kann es hier abgeleitetenbsp;Stamme im Sinne der flektierenden Sprachen nicht geben. Aber

So auch Brugmann a. a. O. S. 459f.

DaB in einigen Banttisprachen des Nordwestens und des Südostens die uur rudimentar vorhandenen Lokativprafixe wie Prapositionen gebrauchtnbsp;Werden, ist mir bekannt.

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diese Zusammenfügung von Stammen ermöglicht es, für neue Be-griffe leicht den angemessenen Ausdruck zu finden. Man zerlegt eine Tatigkeit in ihre einzelnen Phasen und kann so auck sehr kompli-zierte Handlungen genau bezeichnen.

Diese groBe Freiheit in der Zusammenfügung von Stammen wird in den Hamitensprachen stark eingeschrankt. Hier fügt man, soweitnbsp;eine solche Bildungsweise überhaupt im Gebrauch ist, nicht mehrnbsp;beliebig viele Stamme zusammen, sondern in der Regel nur derennbsp;zwei, um neue Verbalbegriffe auszudrücken, z.B.Kafa te ime „bringennbsp;geben“ gt; „darreichenquot;, Icata hame „eilen gehen“ gt; „schnell gehen“,nbsp;Nama sa-mü „auslesen sehen“ gt; ,,aussuchen“.

Diese ZusammenschweiBung von zwei Verbalstammen ist dem Bantu ebenso wie den meisten flektierenden Sprachen fremd. Nurnbsp;die Wiederholung eines Verbalstammes ist hier noch im Gebrauch.

Ich halte es allerdings für möglich, daB ein Teil der dreikonsonan-tigen Stamme der Hamiten- und Semitensprachen auf solche alten Zusammenfügungen zurückgehen. Die bisherigen MiBerfolge in dernbsp;Analyse dieser Stamme haben vielleicht ihre Ursache darin, daB mannbsp;überall Büdungselemente als dritten Radikal vermutete, wahrendnbsp;es sich in den meisten Fallen wohl um Reste alter Stamme handelD).

Vielleicht sind aber auch die zweisilbigen Stamme des Bantu und Ful, sowie die der Hamitensprachen auf solche alten Zusammen-schweiBungen zweier Wurzeln wenigstens zum Teil zurückzuführen.

Die Stamme, die in isolierenden Sprachen zusammengefügt werden, können nun aber auch z. T. nominaler Natur sein, z. B. Ewe do tonbsp;„richten Ohr“ gt; ,,gehorchen“, he ha „ziehen Wort“ gt; „tadeln“.

Solche Komposita aus Verbum und Nomen oder Verbum uncl Adverb (Postposition), das ja meist ursprünglich nominaler Art ist,nbsp;kennt auch das Nama, wobei das Nomen ohne Genus- und Kasus-zeichen auftritt, z. B. khoa-am ,,Mund öffnen“, Ichom-ei „daraufnbsp;redenquot;, d. h. ,,lesen“, dt-fui „austunquot;, d. h. „hinausschaffenquot; etc.

Auch im Deutschen machen wir davon Gebrauch, z. B. in kaus-halten, acht-geben und aUgemein im Indogermanischen bei den Komposita der Verba, z. B. con-fero, auf-geben, aus-fiihren usw.

Dem Semitischen fehlt diese Art der Zusammenfügung, ebenso dem Bantu.

Dafür ist nun aber im Bantu eine groBe Fülle abgeleiteter Verbal-stamme im Gebrauch, die mit Hilfe von Suffixen von Verben gebildet werden. Diese Suffixe sind keine selbstandigen Stamme, sondern

1) Vgl. Z. f. Bg.-Spr. Bd. XII, S. 271—275.

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erscheinen nur in Verbindung mit dem Verbalstamm. Sie haben auch keine materielle Bedeutung, sondern nur formale, indem sie die Grund-bedeutung des Verbalstamms verandern zu kausativer, intransitiver,nbsp;reziproker, inversiver, applikativer etc. Funktion.

Die Zabl dieser Suffixe im Bantu ist groB, und sie können auBer-dem in der freiesten Weise miteinander verbunden werden. Auf diese Art haben sich die Bantusprachen ein Mittel geschaffen, um jedenbsp;denkbare Schattierung des VerbaJbegriffs kurz und klar zum Aus-druck zu bringen.

Auch das Ful verfügt über eine Anzahl solcher Suffixe, wiewohl nicht über so viele wie das Bantu. Von den Hamitensprachen hatnbsp;das Nama und die nüotischen Sprachen, z. B. Masai, auch allerleinbsp;derartige Suffixe, wiewohl auch nicht so viele wie das Bantu^).

Im Hausa beginnt sich ein Kausativsuffix aus der Praposition da erst zu bilden^). Andere Suffixe lassen ihren Ursprung auch hier nichtnbsp;mehr erkennen. In den Berbersprachen und in den kuschitischen Sprachen werden nur einige Bildungselemente verwandt, si neben i zur Bil-dungvon Kausativen, ma zur Bildung sozialer Stamme,TCafürreziprokenbsp;Stamme und te zur Bildung von Intransitiven. Daneben scheinennbsp;noch kontinuative Stamme auf -ua (-ya, -ja?) vorzukommen. Dienbsp;Funktion ist durch Bedeutungswandel vielfach verandert, auch dienbsp;lautliche Form der Affixe, aber das braucht uns hier nicht weiter zunbsp;beschaftigen. Die Affixe können in mannigfaltiger Weise miteinandernbsp;verbunden werden. Im Berberischen sind sie teilweise Suffixe, zu-meist aber Prafixe. In den Kuschitensprachen treten sie als Prafixenbsp;und als Suffixe auf, z. T. in derselben Sprache, indem die Verba mitnbsp;Veranderung des Stammvokals die Prafixe, die andern die Suffixenbsp;bevorzugen.

Die Semitensprachen zeigen ein ganz ahnliches Bild. Auch hier wird ein s- zur Kausativbildung verwandt neben Vokalprafixen,nbsp;ein Nasal zur Bildung sozialer Formen und ein t- zur Bildung zu-standlich gebrauchter Formen®). AuBerdem tritt Vokaldehnung imnbsp;Stamm auf, vielleicht unter dem EinfluB eines jetzt ausgefaUenen

Vgl. ,,Die Sprachen der Hamiten“ S. 206ff. Beachtenswert ist, dati hier prafigiertes i- Kausativa bildet a. a. O. S. 207. Vgl. unten.

*) Vgl. „Die Sprachen der Hamiten“ S. 83. Das Prafix fï ist hier noch *5elbstandiges Verbum in der Bedeutung ,,machen“ a. a. O. S. 84.

Sie werden meist „reflexivquot; genannt, sind aber in der Regel nicht echte Reflexiva z. B. in der Bedeutung „sich töten“. Allerdings ist auch das nach-weisbar.

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Bildungselements^). Auch hier ist der Bedeutungswandel haufig, indem z. B. die ursprünglich soziale Form im rcziproken und passivennbsp;Sinne gebraucht wird*). Aber die Bildungen sind im Vergleich zunbsp;den Hamitensprachen erstarrt. Sie können nicht frei miteinandernbsp;verbunden werden, sondern nur in wenigen, feststehenden Fallen.nbsp;Die Bildungselemente sind hier immer Prafixe.

Auch das Indogermanische verfügt über eine Anzahl derartiger Bildungsweisen, z. B. got. sita- „sitzen“, satja- ,,setzen“, geisna ,,sichnbsp;entsetzen“ neben gaisja ,,erschrecken“. Einige sind auf den Gebrauchnbsp;bestimmter Sprachen beschrankt, z. B. Lat. -isco bei Inchoativen.nbsp;Die Bildungselemente sind stets Suffixe.

Neben der Büdung abgeleiteter Verbalstamme durch Affixe ist für das Bantu ebenso wie für Hamiten- und Semitensprachen die Bildungnbsp;durch vollstandige oder unvollstandige Verdoppelungim Gebrauch,nbsp;s. S. 31, 50

Bei der Bildung der Tempora verwenden die isolierenden Sprachen allerlei Wurzeln, die zumeist noch als selbstandige Worte erscheinen.nbsp;Freilich werden sie oft abgeschliffen und sind dann nicht auf den erstennbsp;Bliek erkennbar.

Im Ewe hat der reine Verbalstamm die Bedeutung der Vollendung, z. B. me kpo nu ,,ich habe etwas gesehen“. Das Prasens wird aus-gedi-ückt durch eine Umschreibung me-le nu kpo-m ,,ich bef inde michnbsp;im Sehen von etwas“.

Im Futurum wendet man -a als Tempuszeichen an, das auf va ,,kommen“ zurückgeht, z. B. m-a kpo nu ,,ich werde etwas sehen“.nbsp;So lassen sich recht mannigfaltige Formen bilden.

Die Klassensprachen verhalten sich bei der Tempusbildung rein agglutinativ, indem sie dem Stamm Suffixe anfügen. DaB diesenbsp;Suffixe zuweilen durch Vokalassimilation den Stammvokal verandern,nbsp;ist oben bereits gesagt®). Die Bildungen mit Hilfszeitwörtern undnbsp;andern sekundaren Elementen können hier übergangen werden.

Derselben Bildungsweise folgen auch Nama, Hausa und die nilo-tischen Hamitensprachen.

In den Berbersprachen, den Kuschitensprachen und im Indo-germanischen hat man zwei Bildungsweisen, die eine rein aggluti-nierend mit unveranderlichem Stammvokal, die andere flektierend

1) Die „dritte Konjugationquot; im Arabischen.

Die wohl urspr. verschiedenen Prafixe m imd n sind, soviel ich sebe, hier zusammengefallen.

») S. 46.

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mit Ablaut des Stammvokals. Zuweilen kann dasselbe Verbum der eiuen und der andem Bildungsweise folgen. In der Regel gehen abernbsp;die Verba entweder nach der einen oder nach der andern Konjuga-tionsart.

In den semitischen Sprachen sind aber alle Verba dem Ablaut unterworfeni).

Als altes Tempuszeichen^) erscheint im Bantu -a, -i, -ile, im Ful -a, -i, -u.

Im Nama wird a und i bei der Tempusbildung verwandt, es scheinen Hilfszeitwörter zu sein, die vielleicht „sein“ und „werden“ bedeuten.

Im Hausa scheint nur -a als Verbalendung vorzukommen, wo es nicht durch stammerweiternde Suffixe verdrangt wird, s. S. 47.

Im Somali verwendet man a und i zur Bildung der Tempora als Affix, in den veranderlichen Verben auch im Stamm. Ahnlich innbsp;andern Kuschitensprachen. Auch die Berbersprachen verwenden anbsp;und i zur Tempusbildung bei den veranderlichen Stammen.

In den Semitensprachen haben die transitiven Verba im Imper-fektum wohl in der Regel den ursprünglichen Stammvokal bewahrt, im Suffix zeigen sich Spuren eines -i®). Im Perfektum ist -a suffigiertnbsp;und bat in der Regel die Stammvokale verdrangt. Jedoch trifft dienbsp;Regel nicht immer zu. Intransitive Verba folgen andern Gesetzen1 2),nbsp;auf die ich hier nicht eingehe.

Die Bildungsweise indogermanischer Sprachen weicht von dem allen erheblich ab. Hier wird u. a. die Verdoppelung des Stammesnbsp;als Zeichen des Perfektum viel gebraucht®), auBerdem aber findennbsp;wir bei einem Teil der Verba Ablauterscheinungen, die z. T. auf dienbsp;Verlagerung des Akzents zurückgehen®), z. T. aber auch anderenbsp;Gründe zu haben scheinen’).

Die Affixe am Verbum, die die Person des Subjekts und Objekts, die Klasse bzw. das Genus von Subjekt und Objekt, sowie dennbsp;Numerus anzeigen, erscheinen bald als Prafixe, bald als Suffixe.

Ich

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1

M Z. f. Eg.-Spr. Bd. XII, S. 255—270.

Die Grenze zwischen Modus und Tempus ist oft schwer zu linden.

unterlasse es deshalb, an dieser Stelle auf die Behandlung des Modus einzugehen. *) s. S. 49.

2

Vgl. Hans Bauer, Die Tempora im Semitischen. Berlin. 1910, sowie Doliger, Zur Lehre von den grammatischen Kategorien im Semitischen. 1. Teil.nbsp;Bi vista degli studi orientali. 1933. Vol. XV. S. 200—262.nbsp;s. S. 31.

‘) s. S. 49 f. ’) s. S. 52f.

^ Meinhof

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Affixe kann man sie wohl eigentlich nur da nennen, wo diese Prono-minalstamme überhaupt nicht mehr als selbstandige Worte auftreten. Die Grenze ist aber auch hier eine fliefiende. Eine isolierende Sprachenbsp;wie das Ewe sollte ihrem Wesen nach nur selbstandige Pronominanbsp;und keine Affixe haben, aber diese vielgebrauchten Pormen werdennbsp;doch im Munde der Leute so abgeschliffen und mit dem Verbumnbsp;zusammengezogen, daB sie auch hier schon beginnen, zu Affixen zunbsp;werden^), z. B. o „du“ als selbstandiges Pronomen und als Objektnbsp;nach dem Verbum, aber als Subjekt vor dem Verbum è; me „ich“nbsp;als Subjekt vor dem Verbum wird als selbstandiges Pronomen durchnbsp;ne lt; 1 2me-e „ich bin es“ ersetzt und ist als Objekt zu -m geworden,nbsp;z. B. e Jcpo-m „er hat mich gesehen“.

Dabei ist es fur die Entscheidung der Frage, ob Affixe vorliegen, natürlich unerheblich, ob das Pronomen in der gebrauchlichennbsp;Schreibung mit dem Verbum zusammengezogen wird oder nicht.

Das Subjektspronomen wird in den Bantusprachen regelmaBig prafigiert, nur im Plural des Imperativ treten haufig Suffixe auf, dienbsp;dann zuweilen auch in die 2. P. PI. des Indikativ übergehen2).

Das Ful hat ebenfalls Prafixe, kann aber auch in besonderen Formen das Subjektspronomen nachstellen. Von den Hamitensprachennbsp;haben die nilotischen zumeist nur Prafixe, ebenso das Hausa.

Im Nam a können die Pronomina prafigiert und suffigiert werden.

In den Berbersprachen ist eine Bildungsweise allgemein geworden, bei der ein Teil der Affixe als Prafixe auftritt, ein Teil als Suffixe und ein Teil gleichzeitig als Prafixe und Suffixe. Die kuschi-tischen Sprachen haben zumeist zwei Bildungsweisen. Die ver-anderlichen Verbalstamme prafigieren, die unveranderlichen suffi-gieren, wobei die Funktion beider Bildungsweisen ganz identisch ist.nbsp;Die Entstehung der Suffixe ist dadurch erklart, daB hier das Verbumnbsp;„sein“, mit Prafixen versehen, dem unveranderten Stamm angefügtnbsp;ist. Streng genommen sind also auch diese Formen mit Prafixennbsp;gebildet, aber das Verbum „sein“ ist vielfach geschwunden und nichtnbsp;mehr als solches erkennbar, so daB die Bildungen wie echte Suffix-formen aussehen.

In den Semitensprachen bUdet jedes Verbum sowohl eine Prafix- wie eine Suffixform, aber in verschiedener Funktion. Ich

98

1

1) Vgl. S. 29 ff.

2

lm Italienischen werden nach Meriggi die unbetonten pronominalen Objektspartikeln dem Verbum vorangeatellt, im Imperativ aber (auchnbsp;beim Infinitiv, Genmdium und Partizip) nachgestellt.

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halte es für wahrscheinlich, daB die Suffixform auf demselben Wege wie in den Hamitensprachen entstanden ist^).

In den indogermanischen Sprachen wird zunachst nur suffigiert, wie lat. lauda-s, laicda-t, lavda-mus etc. Aber man kann hier, wienbsp;übrigens auch in andern der genannten Sprachen, auBer dem Affixnbsp;zur Verstarkung noch ein selbstandiges Pronomen personele hinzu-fügen. Indem der Gebrauch dieses Pronomen allgemeiner wird,nbsp;werden die Suffixe bedeutungslos und werden deshalb vernachlassigt,nbsp;so daB sie entweder in der lebendigen Sprache ganz verschwinden^)nbsp;oder mit andern gleichlauten, z. B. wir geben, sie geben; I want, wenbsp;want, you want, they want', j’aime, tu aimes, il aime, ils aiment; jeg har,nbsp;du har, han har, vi har etc. So tritt also statt der alten Suffixe nunnbsp;das Prafix ein, das z. B. im Französischen diesen Prafixcharakter sonbsp;vollstandig angenommen hat, daB je, tu, il nicht mehr als absolutenbsp;Pronomina gebraueht werden, sondern hier durch Neubildungen wienbsp;moi, toi, lui ersetzt sind.

Das Objektspronomen tritt in den meisten Bantusprachen als Prafix hinter dem Subjektspronomen in die Verbalform ein, z. B.nbsp;Suaheli tu-m-pige ,,wir wollen ihn schlagen“. Das Objektspronomennbsp;ist zumeist, wiewohl nicht immer, mit dem Subjektspronomen gleich-lautend.

Auch in den Hamitensprachen ist die Anfügung eines Objektspronomen vor dem Verbum nachweisbar, z. B. Somali tfdlif ,,Wahr-sage mir!“3) lm Masai verschmelzen die Subjekts- und Objekts-suffixe dabei derart miteinander, daB eine Analyse schwierig ist.

Andere Sprachen wie das Schilh haben Objektssuffixe, z. B. ikum-k „er prügelte dich“, ikum-t „er prügelte ihn“, neben Prafixen, z. B.nbsp;ur-k-ikum „er prügelte dich nicht“, ur-t-ikum „er prügelte ihn nicht“«).

Die Semitensprachen suffigieren das Objektspronomen stets der ganzen Verbalform, mag das Subjektspronomen prafigiert odernbsp;suffigiert sein, z. B. Hebr. qHal-at-ni „sie hat mich getötetquot;, ti-qH-f-ninbsp;„sie wird mich töten“.

Die indogermanischen Sprachen pflegen in ihren alteren Bil-dungen das Objektspronomen nicht mit dem Verbum zu verschmelzen.

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Erst in modernen Sprachen finden sich Bildungen, die an das Bantu erinnern, z. B. Franz, je t'aime, il m’aime.

Das Reflexivpronomen im Objekt wird im Bantu ebenso wie die andern Objektspronomina durch ein Prafix ausgedrückt, das fiirnbsp;alle Personen und Klassen, also auch fiir den Plural dasselbe ist,nbsp;z. B. Suaheli a-me-dji-ua „er hat sich getötet“, ni-ta-dji-ua „ichnbsp;werde mich töten“, wa-me-dji-ua „sie haben sich getötetquot;.

In den Hamitensprachen kommen auch ahniiche Bildungen vor, z. B. im Somali is, issa, issu vor dem Verbum^).

Zumeist wird aber das Reflexivum durch abgeleitete Verba aus-gedriickt, im Kama regelmaBig durch Verba auf -sn, z. B. jnam-sn „sich lieben“ von /nam „lieben“. In andern Sprachen werden meistnbsp;Zustandlichkeitsformen oder Sozialformen gebraucht, um das Reflexivum auszudrücken, s. oben S. 95.

Man bedient sich auch nominaler Umschreibungen, z. B. im Schilh mit Hilfe von ixf oder agaiu „Kopf‘', z. B. inye iþns ,,er tötete sichnbsp;selbst^).

In den Semitensprachen gibt es kein reflexives Verbalsuffix. Man bedient sich auch hier der Umschreibung durch abgeleitetenbsp;Verbalstamme z. B. Hebr. hitqaddeS „sich heiligenquot; oder durch dasnbsp;Pron. pers. der 3. Pers. oder durch nominale Bildungen, z. B. levnbsp;„Herz“, nefeS „Seelequot;, ’csem „Knochenquot;®).

Die indogermanischen Sprachen haben erst in modernen Formen reflexive Pronominalaffixe, z. B. il s'est tué „er hat sichnbsp;getötetquot;.

Einige Sprachen haben besondere Medialformen, die auch fiir das Reflexiv gebraucht werden. Sonst bedient man sich des absolutennbsp;Pronomens zum Ausdruck der reflexiven Beziehung, z. B. amat senbsp;„er liebt sichquot;.

Der Unterschied der Klasse kommt bei der dritten Person des Verbum im Subjekt im Bantu immer, im Ful haufig zum Ausdruck,nbsp;z. B. Suaheli mthu a-me-ahguka „der Mensch ist gefaUenquot;, m-ti u-me-angulca „der Baum ist gefallenquot;, Ici-ti M-me-anguka „der Stuhl istnbsp;gefallenquot;, dji-we li-me-anguka ,,der Stein ist gefallenquot; usw. Beimnbsp;Objekt wird ebenfalls die Klasse berücksichtigt, wenn ein Objekts-pronomen im Verbum erscheint, z. B. Suaheli ni-me-mu-cma „ichnbsp;habe ihn (den Menschen) gesehenquot;, ni-me-u-cma (den Baum), ni-me-

*) s. Reinisch a. a. O. S. 69. s. Stumme a. a. O. § 164.

Vgl. A. Müller, S. 236.

100

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ki-ona (den Stuhl), ni-me-li-ona (den Stein) usf. Den Genusunter-schied des Subjekts bezeicbnet man im Korana^) stets, auch in der ersten Person Singularis, im Nama nur im Dual und Plural dernbsp;1. Pers. Sonst erbalt die 1. Person kein Genuszeichen, weder innbsp;hamitischen^) noch in semitischen und indogermanischen Sprachen®).

In der zweiten Person wird das Genus des Subjekts bei vielen Hamitensprachen unterschieden, z. B. im Nama, Hausa, Scbilh,nbsp;Bedauye, vgl. Hausa ka m. „du“, ki f. „du“, sowie die TabeUe auf S. 103.nbsp;Auch die Semitensprachen unterscheiden das Genus bei der zweitennbsp;Person, z. B. Hebr. ti-qtgl m. „du wirst töten“, ti-qH-ï f. dass. Dabeinbsp;ist zu beachten, da6 das anlautende t- in beiden Pormen „du“ aus-drückt, das Genus fem. hier also durch das suffigierte bezeichnet wird.

In indogermanischen Sprachen kennt man einen Genusunter-schied in der zweiten Person nicht.

In der dritten Person wird der Genusunterschied in den Hamitensprachen im Singular meist, wiewohl nicht immer, zum Ausdruck gebracht, auch wenn das Subjekt ein Substantiv ist, z. B. Somalinbsp;kolkasa ^askarti ^i-tidi „und diePolizei sagte zu mir“ mit t- vordemnbsp;Verbum wegen des femininen Subjekts^).

Auch die Semitensprachen unterscheiden beim Verbum in der dritten Person das Genus, z. B. Hebr. qdtal „er hat getötet“, qat^lanbsp;„sie hat getötet“, ii-qH-ü „sie werden töten“, ti-qtöl-na f. dass.,nbsp;z. B. uattösë ha 'ares „und die Erde lasse hervorgehen“. Da dasnbsp;Subjekt Femininum ist, lautet die Verbalform tösë, mit femininem tnbsp;beginnend. Jedoch ist diese Regel nicht zwingend. Wenn dasnbsp;Verbum dem Subjekt vorangeht, kann auch bei femininem Subjektnbsp;eine maskuline Verbalform stehen, z. B. yuija^abör harinna „und esnbsp;ging aus das Geschrei“.

Die indogermanischen Sprachen haben für die dritte Person eine Unterscheidung des Genus nur im selbstandigen Pronomen, abernbsp;nicht im Verbalsuffix. Wo diese Pronomina nun zum Prafix werden,nbsp;erscheinen die Genusunterschiede auch beim Verbum wie in Franz.

a, elk a, aber das geschieht nicht nach einem nominalen Subjekt, z. B. Ie père vient, la mère vient^). Man kann also hier einer Verbal-

') Meinhof, Korana, S. 43.

“) Doch hat das SchUh im absoluten Pronomen der 1. Pers. pl. für m. und f. verschiedene Pormen; s. Stumme a. a. O. § 123.

Abgesehen von den mit ,,sein“ zusammengesetzten Tempora in roma-uifichen Sprachen, vgl. S. 76, Anm. 2.

*) Vgl. M. v. Tiling, Somalitexte. S. 53.

Vgl. die Ausnahmen auf S. 102 Anm. 1.

101

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form nicht ansehen, ob sie ein maskulines oder feminines Subjekt hat, die Konkordanz ist vöUig verschwnnden.

Die Unterscheidung des Numerus fallt in den Klassenspraohen mit der Klassenunterscbeidung zusammen.

In den Hamitenspracben gibt es einen Dual; im Nama werden im Dual des Pronomen zwei Potmen unterschieden, Maskulinum undnbsp;Femininum, das zugleich als Kommune gebraucbt wird. Das Korananbsp;hat auch bier mask., fern, und kommune.

Den meisten Hamitenspracben fehlt aber der Dual am Verbum. Von den Semitensprachen hat z. B. das Arabische Dualformennbsp;am Verbum.

Auch in den alteren Formen der indogermanischen Spracben sind Duale im Verbum nacbweisbar, in den modernen Spracben sindnbsp;sie verschwunden.

Zur Kennzeichnung des Plurals hat das Nama besondere Pronomina, die von den singularischen ganz abweicben. Das Hausa bedient sicb eines an das Singularpronomen angefügten -m, um den Pluralnbsp;auszudrücken. Andere Hamitenspracben haben haufig n als Plural-zeichen, z. B. Schüh, Somali, Bedauye, vgl. das Schema S. 103.

Auch in Semitensprachen ist n und ü als Pluralzeichen nacbweisbar, vgl. das Schema S. 103.

Die indogermanischen Spracben verwenden auch oft n als Pluralzeichen, z. B. ama-t „er liebt“, ama-nt „sie lieben“^). DaBnbsp;zwischen den Bddungen der Hamitenspracben und der Semitensprachen ein Zusammenhang besteht, ist sicher. Ein Zusammenhangnbsp;mit dem Indogermanischen muB vorlaufig als unwahrscheinlich an-gesehen werden.

Die eingehendere Vergleichung der einzelnen Bildungselemente geht Tiber die Aufgabe dieser Untersuchung hinaus. Nur zwischennbsp;den hamitischen und den semitischen Spracben bestehen so starkenbsp;Übereinstimmungen, daB man an ihrer Zusammengehörigkeit schonnbsp;jetzt nicht zweifeln kann. Ich gebe deshalb einige Beispiele.

I. Prafixbildung.

Hausa. Die Prafixbildung ist allein iiblich.

Schilh. Prafix- und Suffixbildung sind gemischt. Diese Bildungs-weise ist allein iiblich.

Bei den mit „sem“ zusammengesetzten Tempora der romanischen Spracben treten neben den Genuauntersobieden (S. 76,102) auob Bezeicbnungennbsp;des Numerus auf.

102

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Somali und Bedauye. Die Prafixbildung wird nur bei den Verben gebraucht, die den Stammvokal verandern, und zwar im „Pra-sens“ wie im „Perfektum“.

Arabisch. Die Prafixbildung ist nur im Imperfekt in Anwendung, aber bei alien Verben.

Bedauye


Schilh


Somali

ia-

ta-

ta-

a-


Arabisch ia-ta-ta-ta .nbsp;a-ia .nbsp;ia .nbsp;ta .nbsp;ta .

TM-


Hausa

ia-

ta-

ka-

ki-

ni-,


Sg.3. P. m. f.

2. P. m. f.

1. P.

PI. 3. P. m. f.

2. nbsp;nbsp;nbsp;P


t-ti , ti ,nbsp;a-


t-


y..., }


ina

üna

na

üna

na


-ay -nnbsp;-n-tnbsp;t ...nbsp;t ...nbsp;n-


... an |é jto ... an I


su-^)


na


mu-^)


m

m-t


ta .


. na


l.P


m-


na-


II. Suffixbildung.

1. nbsp;nbsp;nbsp;Das Hausa kennt keine Pronominalsuffixe am Verbum.

2. nbsp;nbsp;nbsp;Die einzige Bildungsweise des Schilh, in der Prafixe undnbsp;Suffixe gemischt sind, ist oben angegeben.

3. nbsp;nbsp;nbsp;Somali und Bedauye wenden die Suffixbildung bei alien un-veranderlichen Verben in alien Tempora an.

4. nbsp;nbsp;nbsp;Das Arabische bedient sich der Suffixe nur im Perfektum,nbsp;aber hier bei alien Verben.

PI.

Somali

Bedauye

Arabisch

3. P. m.

-a

-jfl

-a

f.

-ta

-ta

-at

2. P. m.

j•-^o

-ta

-ta

f.

-tai

-ti

1. P.

-a

-an

-tu

3. P. m.

f.

-an

-na

2. P. m.

-tan

-turn

f.

-tunna

l.P.

-TM

-na

-na

*) lt; *s-u nach S. 77, Anm. 1-*) lt;i*k-u ebda.

lt;i*n-u ebda.

103

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Genus Verbi.

Die isolierenden Sprachen bedienen sicb der Umschreibung, um das Passiv auszudrücken, „sie baben mich geschlagen“ statt „ichnbsp;wurde geschlagen“.

Die Bantusprachen bilden das Passiv durch ein dem Stamm suffigiertes unsilbisches u, z. B. ni-me-'pend-u-a „ich bin geliebtnbsp;worden“.

Im Ful wird das Passiv wie ein abgeleiteter Verbalstamm auf -ma gebildet, z. B. mi lila-rm „ich werde geschickt“.

Das Hausa bildet ein verstarktes Passiv durch suffigiertes silbisches u. Im Schilh wird bei der Passivbildung ein u prafigiert^). Dienbsp;meisten Hamitensprachen ersetzen das Passiv durch Formen, dienbsp;urspriinglich eine soziale (reziproke) oder zustandliche Bedeutungnbsp;haben, z. B. Schilh tMa „gegessen werden“^), Bedauye at-kehan „geliebt werdenquot; von kehan „liebenquot;, Somali dil-an „getötet werdenquot;nbsp;von dil „tötenquot;. — Das Nama suffigiert im Passiv -he, eine Endung,nbsp;deren Entstehung noch nicht erklart ist.

Die Semitensprachen prafigieren u, das dann aber vielfach in den Stamm eindringt und so Ablauterscheinungen hervorruft,nbsp;z. B. im Pual des Hebr., dem Passiv zum PieP). Daneben werdennbsp;auch hier die w-Prafixe und i-Prafixe zum Ausdruck des Passivs ge-braucht, z. B, Arab, ta-^allama „er wurde unterrichtetquot; von‘atoma „ernbsp;unterrichtetquot;, Hebr. ni-qbar „er wurde begrabenquot; vonqbr „be-graben“.

Die Passive der indogermanischen Sprachen, wo solche verhanden sind, haben hiervon abweichende Bildungen. Die modernen Sprachen bedienen sich der Umschreibung durch verschiedene Hilfs-zeitwörter. Mehrfach werden in modernen Sprachen urspriinglichenbsp;Reflexiva passivisch gebraucht, z. B. Ital. si cerca... „(es wird)nbsp;gesucht..Dan. jeg elske-s „ich werde geliebtquot;.

13. Das Ergebnis.

Wir haben bestatigt gesehen, daB die flektierenden Sprachen eine Reihe gemeinsamer Züge aufweisen, die sie von alien andern Sprachennbsp;der Welt unterscheiden. Wir dürfen daher annehmen, daB zwischen

1) 8. S. 47.

“) 8. Stunune a . a. O. § 116. 'I) 8. S. 48.

104

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ihnen alte Beziehungen bestehen. WiU man bierfür den Namen ,,Verwandt8chaft“ anwenden, so muB man sicb stets gegenwartignbsp;halten, daC das zunachst nur eine Arbeitshypothese ist, die aUerdingsnbsp;dadurch an Wahrscbeinlichkeit gewinnt, daB die Völker, die diesenbsp;Sprachen sprechen.imwesentlichen auf einem geographisch zusammen-hangenden Gebiet wohnen.

Es hat sicb aber herausgestellt, daB diese Sprachen doch nicht absolut von den nicht-flektierenden geschieden sind. Wir fandennbsp;besonders in Afrika eine Reüie von Übergangsformen und sind dadurchnbsp;in die Lage versetzt, ihr Werden zu beobachten, also in die Art ihrernbsp;Entstehung einen Einblick zu gewinnen. Man muB aber auch mitnbsp;der Möglichkeit rechnen, daB es sich hier in manchen Fallen dochnbsp;nicht um alte Übergangsformen, sondern um spatere Mischformennbsp;handelt. Das aber ist für die hamitischen Sprachen wohl als sichernbsp;anzunehmen, daB bei ihnen Zusammenhange mit dem Ful und demnbsp;Bantu, und zwar mannigfaltiger Art nachgewiesen sind.

Vor allem ist aber der Zusammenhang der Semitensprachen mit den Hamitensprachen heute nicht mehr zu leugnen^). Der Zusammenhang der Semitensprachen mit den indogermanischen istnbsp;schon viel erörtert, aber die Ergebnisse befriedigen noch nicht^). Esnbsp;dürfte sich aber wohl der Mühe lohnen, von den hier gewonnenennbsp;Gesichtspunkten aus die ganze Untersuchung noch einmal in Angriffnbsp;zu nehmen. Vielleicht hat die vergleichende Sprachforschung Aus-sicht, auf diesem Wege neue und sichere Erkenntnisse zu gewinnen.

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