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VAN HAMEL

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E DONATIONE

A. G. van HAMEL

N.

PROFESSORIS ORDINARII INnbsp;ACADEMIAnbsp;RHENO-TRAIECTINAnbsp;1923-1946

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SJO

ZUM GERMANISCHEN VE REALS YSTEM

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I.

DER AORIST IM GERMANISCHEN VERBAL-SYSTEM UND DIE BILDUNG DES STARREN PRATERITUMS

(SONDERABDRUCK AUS FALK-FESTSKRIFT 1927)

II. ‘

DAS GERMANISCHE DENTALPRATERITUM

(SONDERABDRUCK AUS

NORSK TIDSSKRIFT FOR SPROGVIDENSKAP II)

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DER AORIST IM GERMANISCHEN VERRAL-SYSTEM UND DIE BILDUNG DES STARREN PRATERITUMS.

VON J. SVERDRUP.

Der allgenieineii Ansicht nach geht das geriuanisclie starke Praterituin ausschliesslicb oder fast ausschliesslich auf dasnbsp;indogermanische Perfektuin zurück. In den Handbüchern, dennbsp;Abhandlungen und Aufsiitzen der Germanisten begegnet niannbsp;dieser Behauptnng auf Schrift und Tritt. Sie ist beinahe zunbsp;eineni Dogma geworden. Nur die westgermanischen Ponnen dernbsp;2. Sing, sollen nach einigen Porschern auf den alten Aorist zu-rückzuführen sein. Aber jedoch scheint es mir sehr schwer, dienbsp;Entwicklung des gennanischen starken Prateritums zu verstehennbsp;ohne die Annahme, dass eine Reihe vozi Aoristformen in das ger-manische Priiteritalsystem aufgenommen worden ist.

Hier znöchte ich zuerst einige allgemeine Erwiigungen geltend niachen. Das Germanische zeigt ein starkes Bedürfnis nachnbsp;eiiiem formalen Mittel zum Ausdruck der perfektiven Aktionsart.^nbsp;Als solches Ausdrucksmittel der Perfektivierung linden wir imnbsp;Germanischen die prapositionale Verbalkomposition, besondersnbsp;mit (ja- (wie mit com- im Lat. und po- im Slav.).^ Das kann abernbsp;nicht das Ursprüngliche sein; denn die Verbalkomposition istnbsp;eine spatere einzelsprachliehe Erseheinung. Das alte Mittel zurnbsp;Perfektivierung war dagegen der Aorist. Dass die Germanennbsp;ohne weiteres den Aorist ganz — oder fast ganz — aufgegebennbsp;haften, ist schon deshalb wenig wahrscheinlich; denn das Bedürfnisnbsp;nach Perfektivierung hat sich doch immer lebendig gehalten.nbsp;Vielmehr scheint mir der Vorgang der folgende zu sein: Durchnbsp;den Übergang von eineni Aktionssystem ziz einem Tempussystem

‘ Die Literatur darüber bei Brugmann, Grundriss’ II, 3, S. 68 ff. und 712 ff., bei Streitberg, Got. Elementarbuch § 290 und 294.

^ Vgl. .\. Belié, «Zur slavischen Aktionsart», Streitberg-Festgabe, S. 1 ff.

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Der Aorist im germanischen Verbalsystem.

init dem Ablaut als tra^eiKlein Prinzip siiid sowolil Aoristformen als Perfektt'ormen in das neue (niclitpriisentisclie) System auf-genommen worden, und dieser Zusanunenfall von Aorist- undnbsp;Peri‘ektt‘oi-men mag wolil wenigstens dazn beigetragen liaben, dassnbsp;das neiie System prateritale Bedentung angenommen hat (vgl.nbsp;aucli Meillet, Caractères S. 145). Hand in Hand mit diesemnbsp;Vorgang wird dann die Entwicklung' des neuen Mittels zur Per-fektivierung gegangen sein. Audi das lat. Perfekt berulit ja aufnbsp;einem Zusammenfall von Aorist- und Perfektformen, und anchnbsp;im Lat. linden wir die priipositionale Verbalkomposition beson-ders mit com- als Ausdrucksmittel der Perfektivierung. Und dienbsp;feinste Ausbildung der verbalen Komposition als Ausdrucksmittelnbsp;der Perfektivierung linden wir im Baltisclien und Slavisclien, wonbsp;vom alten Perfekt (von aslav. vëdë abgesehen) nur das aktivenbsp;Partizipium übriggeblieben ist, wahrend das finite Priiteritum aufnbsp;den Aorist zurückgelit. Es bestelit hier überall ein uverkennbarernbsp;Zn samm en hang.

Ferner können aucli die Umstiinde bei der Verwendung des Augments^ ein Licht in die einzelsprachliche Entwicklung dernbsp;verbalen Ponnen bringen. Das Felilen des Augments scheintnbsp;wenigstens diese Entwicklung in eine bestimmte Richtung hin-gelenkt zu haben. Sicher nachgewiesen ist das Augment nur imnbsp;Arischen, Armenischen und Griechischen, und selbst in diesennbsp;Sprachen ist der Gebraueh des Augments in den iiltesten Textennbsp;fakultativ. Diese Sprachen besassen soniit prateritale Ponnennbsp;(das Imperfekt und das seltene Pluscpiamperfekt), die durch dasnbsp;Augment von dein Perfekt deutlich unterschieden waren, wodurchnbsp;jede Vennischung unmöglich wurde. In den übrigen idg. Sprachennbsp;dag(gt;gen linden wir überhaupt keine Spur von dem Augment; undnbsp;alles spricht dafür, dass das Pehlen des Augments hier ursprüng-lich war, um so inelir als das Augment in den erstgenanntennbsp;Sprachen kein festes Verbalprefix war. Die Polge des Pehlensnbsp;des Augments war der Verlust des Imperfekts; demi die sekun-daren Endungen genügten nicht um das Imperfekt vom Prasensnbsp;deutlich zu unterscheiden. Im Slavisclien finden wir zwar einigenbsp;isolierte Reste des Imperfekts wie padü «ich bin getallen», vcde

‘ Für raeine Bemerkungen ttber das Augment und die Bednplikation ver-weise ich auf zwei erliiuternde uud feinsinnige Aufsiitze von A. Meillet: tL’Auguient» und «Le Parfait» (Dial. S. 97 ff. und 102 ff.); seine Ansführungennbsp;sind mir immer mehr einleuchtend geworden.

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«du hast geführt», nese «er hat getragen (Meillet, Le slave com-mun, S. 207 ff.), die jedoch als Aoriste fungieren. Als Ersatz entstanden Neubildungen: slav. nesëaclvü, lat. agéham, die peri-phrastische Bildungen sind, das lit. Imperfekt der Gewohnheitnbsp;matydavau «ich pllegte zu sehen«, das möglicherweise auch peri-phrastisch ist (vgl. Brugmann, Grundriss ® II, 3, S. 515), dasnbsp;kelt. «iterative Prateritum» oder «Prasens secundariuin», das gaiiznbsp;unaufgeklart, aber gewiss eine Neubildung des Keltischen istnbsp;(vgl. Thurneysen, Hdb. I, 346 ff., Brugmann, Grundr.^ II, 3, S.nbsp;755). lm Germanischen linden wir keinen Ersatz, keine Neu-bildung statt des untergegangenen Imperfekts; es ist spurlosnbsp;verschwunden, vom starken Prateritum aufgesogen. Ob das Ger-manische je ein augmentloses Imperfekt, dem aind. dhharam (zunbsp;Priis. hhdrmni), griech. scpepov (zu cpépco, vgl. hom. 9Épopev, cpépere)nbsp;entsprechend, besessen hat, wissen wir nicht; wahrscheinlich ist esnbsp;nicht. — Als weitere Eolge des Pehlens des Augments und dernbsp;Aufgabe des Imperfekts ist nun eine Vermischung von Perfekt-formen und Aoristformen nur zu erwarten, wozu auch, wienbsp;oben erwahnt, die Verundeutlichung der perfektiven Aktionsartnbsp;beim Aorist und die Entwickluiig des neuen Tempussystemsnbsp;beitragen mussten. Die Tatsachen bestatigen diese Annahme.nbsp;Das lateinische Perfekt ist ein Mischtempus von Perfelrtformeiinbsp;und Aoristformen. Dasselbe ist der Fall mit dem keltischennbsp;Prateritum. Das Baltisch-Slavische hat vom Perfekt nur dasnbsp;aktive Partizipium bewahrt, wahrend die finiten Eormen desnbsp;Prateritums auf den Aorist zurückgehen. Enter diesen Um-stiinden ware es doch recht merkwürdig, wenn nicht auch im germanischen Prateritum alte Aoristformen versteekt zu linden waren.

Auch das Fehlen der Perfektreduplikation hat gewiss die Einmischung von Aoristformen in das germ, starke Prateritumnbsp;erleichtert. Zwar können wir nur wenige uridg. Falie ohnenbsp;Reduplikation nachweisen, und im Arischen und Griechischen istnbsp;der Gebrauch der Reduplikation im Perfekt beinahe konstant.nbsp;Bin bekannter uridg. Fall ohne Reduplikation ist aind. ccVto, gr.nbsp;oiba, got. ivait, aslav. vëdë usw.^ Aber eine vergleichende Unter-suchung des Baltisch-Slavischen, Italischen, Keltischen undnbsp;Germanischen scheint doch zu zeigen, dass das Fehlen der Reduplikation ziemlich haufig war, und die Übereinstimmung zwischen

Andere vereinzelte Perfektbildiingen ohne Reduplikation im Ar. und Griech. s. Brugmann, Grundr.^ II, 3, S. 453 und 461.

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Uer Aorist im germaniselien Verbalsystem.

diesen Sprachen spricht dafür, dass viele Perfektforinen schon von Haus aus reduplikationslos waren. Das kann anch nicht wundern,nbsp;wenn man erinnert, dass das Perfekt schon durch die o-Abtönunlt;fnbsp;und durch eigenartige Personalendungen genügend charakterisiertnbsp;war. Das Baltisch-Slavische hat zwar nur das aktive Partizip-ium des Perfekts bewahrt; aber wir finden bier keine Spur vonnbsp;der Reduplikation, z. B. lit. Ulcqs zu lëhü «ich lasse» (aber aind.nbsp;rir/Jcvcis-), lit. r/ftes'zu v/'n-tü «ich falie um» (aber aind. ratjAm*-), lit.nbsp;Idftqs zrr leertu «ich haue» (aber aind. cahrtvds-) usw.; vgl. anch aind.nbsp;vidvds- zu veda, mhrds- zu sdmha «hat bewaltigt», dügvas- zunbsp;daddea «hat gehuldigt»,nbsp;nbsp;nbsp;nbsp;zu darfdrra, «hat erblickt», usw.;

got. hërus-jós. Brugmann (Grundr.*, II, 1, S. 566 f. und II, 3, S. 432) ist sogar der Meinung, dass die Partizipia init dein Formans -uev- niöglicherweise schon ursprünglich durchgangig reduplikationslos waren. Iin Lateinischen finden wir viele Formennbsp;ohne Reduplikation, und es ist bezeichnend, dass diese Formen.nbsp;eben auftreten, wenn das Perfekt schon durch den Vokalismusnbsp;genügend charakterisert ist, z. B. linquö, liqiii; uincö, tilei; fundó,nbsp;füdi ; rumpó, rüpï; fugiö, fügi usw. Ahnlich ist auch das Verhaltnisnbsp;im Keltischen. Wo das Perferkt durch den Vokalismus in be-sonderem Grad charakterisiert ist, fehlt die Reduplikation, z. B.nbsp;techid «flieht», tdich; giiidid «bittet», ro 'gdul usw. (s. Thurney-sen, Hdb. I, s. 396 ff.). Wer nun weiter die Frage nach deinnbsp;Vorhandensein oder Fehlen der Reduplikation voin Germanischeiinbsp;heraus betrachtet, würde gewiss nie auf den Gedanken kommen,nbsp;das germ, starke Prateritum ganz und gar aus einem redupli-zierten Perfekt herzuleiten. J^Iur im Gotischen ist die Reduplikation deutlich bewahrt, obwohl auch hier die redupliziertennbsp;Formen doch eine verhaltnismassig kleine Minderzahl bilden.nbsp;Im Nordischen und Westgermanischen finden wir nur kümmer-liche Reste der Reduplikation, und die vielen verzweifelten Ver-suche, die Reduplikation in diesen Sprachen in demselben Massenbsp;wie im Gotischen nachzuweisen, sind meines Bedünkens ganznbsp;missluiigen, ohne dass ich auf diese Frage hier naher eingehennbsp;kann. Ich inuss auch gestehen, dass ich fiber die Ursprünglich-keit aller reduplizierten Verbalformen des Gotischen einen Zweifel hege, was ja einen Kenner der Sprache Wulfilas nicht wuii-derii sollte. Von vereinzelten Formen wie taitóh, 1 allot, saitlt;önbsp;usw. abgesehen, finden wir die Reduplikation im Gotischen nurnbsp;bei den Verben, deren Praterita nicht durch den Vokalismus,

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d. h. durch Ablaut, gekennzeicbnet sind: maimait, sta/istant, hai-hald, faifloh usw. Alle Verba mit der Abtönung e : o sind redu-plikationslos. In welchem Masse das Fehlen der Eeduplikation hier ursprünglich ist, lasst sich nicht mehr entscheiden. Abernbsp;die Übereinstimmung iin Prinzip mit dem Italischen und Kelt-ischên ist doch sehr beachtenswert. Und noch mehr beachtenswertnbsp;sind die sogenannten Praterito-prasentia, die in Wirklichkeit echtenbsp;Perfekta sind, die ihre perfektische Bedentung erhalten haben. Auchnbsp;das Westgermanische zeigt hier die Perfektendung -t in der 2. Sing.nbsp;Ind. (im Gegensatz zu aoristischen Pormen wie ahd. Ikvi, ^igi, gugi,nbsp;huti usw.); aber von der Eeduplikation ist keine Spur zu linden:nbsp;got. ags. 1. Sing man, 2. Sing. ags. manst, dagegen gr. pépova;nbsp;1. Sing. got. J)arf, as. tharf, 2. Sing. got. parft, as. tliarft, usw. Diesenbsp;Pormen sprechen dafür, dass die Eeduplikation schon von Hausnbsp;aus fehlen konnte (vgl. ivait — oiba). Und die Übereinstimmungnbsp;im Prinzip beim Pehlen oder Vorhandensein der Eeduplikationnbsp;zwischen dem Italischen, Keltischen und Gernianischen führtnbsp;natürlich zu der Polgerung, dass das Pehlen der Perfektredupli-kation in mehreren Pallen schon in eine indogermanische Epochenbsp;zurückzuführen ist. Wir haben es dann hier eben mit einemnbsp;dialektischen Zug des Indogermanischen zu tun, das ja keinenbsp;einheitliche Sprache war, m. a. W. die Eeduplikation ist zwarnbsp;urindogermanisch, aber die durchgeführte Eeduplikation im Per-fekt kann kaum urindogermanisch sein. Das Arische und dasnbsp;Griechische haben dann die Perfektreduplikation beinahe durch-geführt. Das Baltisch-Slavische hat das Perfekt aufgegeben,nbsp;abgesehen von dem aktiven Partizip, das hier nur reduplikations-los ist. Das Italische, Keltische und Germanische haben innbsp;mehreren Pallen für die Eeduplikation keine Verwendung gefun-den, und zwar besonders wenn das Perfekt schon durch dennbsp;Yokalismus deutlich charakterisiert war, ohne dass wir jetzt dasnbsp;ursprüngliche Verhaltnis genau feststellen können. Pür das Germanische gilt dann weiter Polgendes: DieVerundeutlichungnbsp;der perfektiven Aktionsart beim Aorist und die Ent-wicklung des neuen Tempussystems, das Pehlen desnbsp;Augments und der Verlust deslinperfekts, das haufigenbsp;Pehlen der Eeduplikation im Perfekt, dies alles hatnbsp;zu einer Annaherung zwischen dem Perfekt und deinnbsp;Aorist geführt und zum Eindringen von Aoristforniennbsp;in das neue prateritale System. Dann wird auch die

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Der Aorist im germanischen Verbalsystem.

weitere Entwicklung des germ, starken Prateritunis leicht verstandlich. Schon von alters her bestandnbsp;also dieses Prateritum aus reduplizierten nnd unre-duplizierten Perfektforinen nnd aus unredupliziertennbsp;Aoristformen, wahrend der Ablaut zuni wicbtigstennbsp;Tempusmerkmal geworden war, was die Peduplika-tion noch mebr überflüssig machte. End der Keim dernbsp;Entwicklung des germ, prateritalen Ablautsysternsnbsp;lag ja schon in der o-Abtönung als Kennzeichen desnbsp;idg. Perfekts. Durch die weitere Ausbildung undKon-solidierung des prateritalen Systems wurde dann dienbsp;Reduplikation ganz natürlich autgegeben, wozu dienbsp;Assoziation mit den schon bestebenden unreduplizierten Perfekt- und Aoristformen in hohem Gradenbsp;beitragen musste. Nur bei Verben, die wegen ihres Vokalis-mus ausserhalb des prateritalen Ablautsystems standen, hielt sichnbsp;die Reduplikation, wenigstens im Gotiscben, das sie möglicherweisenbsp;auch vermehrt bat (s. Peist, PBB., 32, S. 514). In ühnlicher Weisenbsp;lasst sich auch der Verlust der Reduplikation im Keltischen undnbsp;Italischen erklaren, also durch Assoziation mit den von Haus ausnbsp;unreduplizierten Perfekt- und Aoristformen. leb glaube, dass dienbsp;hier gegebene Erklarung des Verlusts der Reduplikation und dernbsp;Entstebung und Entwicklung des germ, starken Prateritums den-j enigen Erklarungen weitaus vorzuziehen ist, die mit mebr odernbsp;weniger künstlicben Lautwandeln operieren. Man braucht dann seinenbsp;Zufluebt weder zu Loewes Haplologie-Theorie (KZ. 40, 316 ff.) nochnbsp;zu Hirts (Idg. Abl. S. 194 ff., Idg. Vok. § 221 f.) Annahme einesnbsp;Wegfalls der Reduplikation wegen Unbetontheit zu nehmen.^nbsp;Dass das germanische starke Prateritum hauptsachlich aufnbsp;das idg. Perfekt zurückgeht, ist gewiss nicht zu leugnen. Dasnbsp;zeigt schon die bedeutende Rolle, welche die o-Abtönung imnbsp;germ. Prateritnm spielt. Welche sind dann die Prateritalformen,nbsp;die mit grösserer oder geringerer Wabrscbeinlichkeit als altenbsp;Aoristformen erklart werden können? Von dem alten s-Aorist,nbsp;der sich im Italischen und Keltischen so gut erhalten bat, findet

' Übrigens verweise ich auf die vortrefflichen kritischen Erörteruugea und Ausführungen von Feist, Die sogenannten rednplizierenden Verba imnbsp;Germanischen (FBB. 32, S. 447 ff. und die dort zitierte Literatur), obwohl ichnbsp;seinen Ansichten nicht immer beipflichten kanu. Gegen Hirt polemisiert auchnbsp;Brugmann, Grundriss ^ II, 3, S. 431 f.

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sich zwar kaum eine Spur im Germanischen, was jedocli damit natürlich zusammenhangt, dass im Germ, der Ablaut das prateri-tale Merkmal geworden ist. Sichere Aoristformen sind dagegennbsp;die westgermanischen Prateritalformen der 2. Sing, des Indikativs.nbsp;Ich führe zuniichst eine Reihe Beispiele aus der ersten und zweitennbsp;Konjugation an, ohne jedoch auf Vollstandigkeit hinzuzielen.

Althochdeutscli Klasse I: riri zu risan «fallen»; sniti zu snïdan «schneiden» ; hnigi zu linigan «sicb neigen»; stiginbsp;zu stlgan «steigen»; stvichi zu sivuhan «im Stiche lassen»; Kicliinbsp;zu wichan «weichen»; dichi zu slichan «schleichen»; J/iti zu hitannbsp;«warten»; gniti zu gnitan «reiben»; scriti zu scritan «schreiten»;nbsp;istriti zu stritan «streiten» ; hizzi zu Mzan «beissen»; flizzi zunbsp;jitzan «sicb belieissigen»; rizzi zu rizan «veissen» ¦, slizzi m slizannbsp;«zerreissen» ; tvizzi zu wizan «verweisen» ; zunbsp;nbsp;nbsp;nbsp;«schonen»;

hüihi zu hilihan «bleiben» ; rihi zu rthan «reiben» ; irihi zu trihan «treiben»; griffi zu grif an «greifen»; diffi zu fdlfan gleiten;nbsp;lirini zu hrlnan «berühren»; liti zu lulan «leiden»; miti [midi O.)nbsp;zu mïdan «meiden»; ^igi zu fihan «zeihen»; .^piwi zu s-piwannbsp;speieii; litvi zu lihan «leihen».

Klasse II; huti zu hiotan «bieten»; guzzi zu giozan «giessen»; siiti zu siodan «sieden»; kuri zu kiosan «wahlen» ; pnginbsp;zu giohan «ziehen»; nuzzi zu niozan geniessen; ruzzi zu riozannbsp;«wehklagen»; skuzzi zu skiozan «schiessen»; duzzi zu sliozannbsp;«schliessen» ; fruri zu friosan «frieren»; firluri zu firliosan vertieren; higi zu liogan «lügen»; hiigi zu Itiogan «biegen»;nbsp;nbsp;nbsp;nbsp;zu

fliogan «liiegen» ; skuhi zu skiohan «schieben».

Altsachsisch. Klasse I; hidi zu hidan «warten»; hiti zu hitan «beissen» ; drihi zu drihan «treiben»; ghdi zu glidannbsp;«gleiten»; gripi zu gripan «greifen»; Midi zu Midan «bedecken»;nbsp;iinigi zu hnïgan «neigen» ; hrini zu hrina.n «berühren»; hilihi zunbsp;hilihan «bleiben»; farliid zu farlihan «verleihen»; lidi zu lithannbsp;«gehen»; midi zu mithan «meiden»; sigt zunbsp;nbsp;nbsp;nbsp;«seihen»;

zu skrithan «schreiten»; diti zu .ditan «schleissen»; snidi zu smidan «schneiden»; spin'i zu .‘•piwan «speien»; digi zu -digannbsp;«steigen»; wiki zvl irikan «weichen»; tciii zu witan «vorwerfen»;nbsp;giwiti zu gitritan «gehen»; ivriti zu irritan «schreiben».

Klasse II: hudi zu hiodaii «bieten»; hidrugi zu hidriogan «betrügen»; fhdi zu fiiolm^ «fliessen»; guti zu giotan «giessen»;nbsp;gruti zu griotan «weinen»; MmU zu Miotan «erlangen» ; kuri znnbsp;kiosan «wahlen»; lugi zu liogan «lügen»; farhm zu farliosan

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Der Aorist im germanisohen Verbalsystem.

«verlieren»; miii zu niotan «geniessen» ; skidi zu skiotan «schies-sen» ; tu(ii zu tiohan «ziehen.

Angelsachsisch.^ Klasse I; yrijpe zxx gripan «grei-fen»; drife zu drifan «treiben»; helife zu hdïfan «bleiben»; swife zu swifaii «bewegen»; hite zu Intan «beissen» ; Jiüe zu jiitan wett-eifem; hnite zu hmitan «stossen»; .s'cite zu scltan «cacare»; slitenbsp;zu slitan «zerreissen» ; hemmie zu hcsmïtan «beschniutzen» ; Jjwitenbsp;zu picitan «schneiden»; gemie zu gewitan «gelien»; ivlite zu lolltannbsp;«schauen»; write zu wrltan «schreiben» ; hide zu hulan warten;nbsp;gilde zu glldan «gleiten»; gnide zu gmdan «reiben»; hlide zunbsp;Midaii «bedecken»; ride zu rïdan «reiten»; slide zu slïdan «gleiten» ; stride zu strïdan «schreiten»; hlice zu hlïcan «glanzen»;nbsp;strice zn strïean «streichen»; stoice zu swiean «verlassen»; wice zunbsp;wïean «weichen»; hmge zu hnigan «neigen»; nvige zu migannbsp;«mingere»; sige zu sigan «sinken»; stige zu stigan «steigen»;nbsp;dwiiie zu dicinan «scbwinden» ; lirine zu hrtnan «berühren» ; ginenbsp;zu ginan «klaffen»; seine zu scinan «scheinen» ; spitve zu sphvannbsp;«speien»; sntde zu snidan «schneiden»; Ude zu lidan gehen; tigenbsp;zu téon «zeiken»; wrige zu ivréon «bedecken».

Klasse II: erupe zu eréopan «kriechen»; clufe zu cléofan «spalten»; hnite zu hrëotan «brechen»; flute zu flèotan «fliessen»;nbsp;gutc zu géotan «giessen»; grute zu gréotan «weinen»; nute zunbsp;néotan «geniessen» ; rute zu réotan «wehklagen»; scute zu scéotcmnbsp;«schiessen»; hude zu héodan «bieten»; lude zu léodan «wachsen»;nbsp;rude zu réodxin «roten»; druge zu drèogan «aushalten»; luge zunbsp;iéogan «lügen»; hruwe zu hrëowan «brauen»; hruive zu hréoivannbsp;«reuen» ; sude zu sëoban «sieden»; cure zu cëosan «wahlen»; drurenbsp;zu drèosaii «tallen»; frure zu frèosan frieren; hrure zu hrèosannbsp;«tallen»; forlure zu forléosan «verlieren»; tuge zu tèon ziehen;nbsp;fluge zu flêon «tliehen».

Diese westgerin. Fornien der 2. Sing, wurden trüher und werden noch heute als ursprüngliche Optativformen erklart, dienbsp;in den Indikativ eingedrungen seien. Die Erklarung rührt vonnbsp;J. Griniin her (Geseh. d. d. Spr. S. 187) und ist weiter begründetnbsp;worden von W. Scherer (Zur Gesch. d. d. Spr.^ S. 194). Seinernbsp;Ansicht haben sich auch mehrere Gelehrte wie z. B. van Helteiinbsp;(PBB. 17, 554; 28, 545 f.), Siebs (Pauls Grundr.^ I S. 1337),

Sclion das Altfriesische hat di© alte 2. Sing. Ind. aufgcgeben zuguDsten der -Formen auf -st: cöniest skamst», iinderfengest «suscepisti» (s. Siebs, Paulsnbsp;Grundr.® I, S. 1337).

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J. Sverdrup.

Kluge (Urgermanisch, S. 188) angesclilosseii. Dagegen hat v. Fierlinger (KZ. 27, 430 ft.) uachzuweisen verzucht, dass die west-germ. prateritale 2. Sing. Ind. ihrem Ursprung nach ein alternbsp;Aorist sei, und seine Erkliirung hat vielfach Zustimmung gefun-den. Neulich hat aber E. Schroder (IF. 39, 224 ff.) eine neuenbsp;Verteidigung der Schererschen Optativ-Hypothese geliefert, indeinnbsp;er behauptet: «Aus dem Fragesatz stam men diewest-germanischen Formen, es sind echte Optative; aus dernbsp;Sphare des Optativus dubitativus oder potentialis.» Obwohl schonnbsp;0. Behaghel (IF. 40, 167 ff.) die Unwahrscheinlichkeit der syn-taktischen Erklarung Schroders nachgewiesen hat, finde ich esnbsp;doch erforderlich auf die Frage etwas naher einzugehen, weilnbsp;mir die Optativ-Hypothese auch in formaler Hinsicht (worauf Behaghel nicht eingeht) ganz verfehlt scheint. Schroder legt daraufnbsp;grosses Gewicht, dass «wir einmal den Optativ zur Erklarungnbsp;nicht umgehen können». Es ist wahr, dass man öfters den Optativ herbeigezogen hat; das war aber eben ein verhangnisvollernbsp;Fehler, der die Frage nur getriibt hat, und man hat in der Tatnbsp;gar nicht nötig, seine Zuflucht zuni Optativ zu nehmen, um zunbsp;einer befriedigenden Erklarung zu gelangen. Auch muss mannbsp;nicht, wie Schroder glaubt, die Herausbildung der westgerm.nbsp;Formen auf drei «Stadiën» verteilen. Man kann hochstens vonnbsp;drei Typen sprechen: as.nbsp;nbsp;nbsp;nbsp;hmuU und hari, obwohl diese Ein-

teilung f'iir die Lösung des Problems ohne Belang ist. Nur der Übersicht halber behandle ich den Typus hiti zuerst.

Nun lauten die westgerm. prateritalen Verbalformen der 2. Sing. Opt der 1. und 2. Konjugation: ahd. Inzzis,nbsp;nbsp;nbsp;nbsp;SbS. hittn,

hud/s; ags. bite, Jnide; afries. hnigc (nigi E zu hmga «hneigen») here (zu kiasa «wahleii»); die entsprechenden Priisensformen sind:nbsp;ahd. hizés, h'otës; as. bites, biodes; ags. bite, bèode; afries. bite,nbsp;hiade. Schon die Erhaltung des auslautenden -s bei den ahd.nbsp;und as. Formen scheint fiir die Optativ-Hypothese sehr bedenk-lich. Aus dieser Not hat man sich doch gewissermassen zu helfennbsp;gewusst, indeni man die as. und ahd. Formen als Neubildungennbsp;betrachtet. Sich Scherer anschliessend hat niimlich Hirt (PBB.nbsp;18, S. 527) die Hypothese aufgeworfen, dass im Westgermani-schen (Hirt zwar nur «Ahd.») jedes urspriinglich auslauten-des -s, mochte es im Germ, als -s geblieben oder zu -z gewordennbsp;sein, abgefallen sei. Danach sollen die ags. und afries. Optativ-

b/te.

Prat. ags.

bite, blade;

formen (Priis. ags. bite, bèode, afries.

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Der Aorist im germanisoheii Verbalsystem.

bilde, afries. limge. hen] das Urspriingliclie und «Lautgesetzliche» init frühein westgeriii. Scliwund des -s- darstellen, wahrend dienbsp;as. und ahd. Formen ilir -s von der 2. Sing. Priis. Ind. (as. hitis.nbsp;hiudis, ahd. hizis, hiuUb) übernommen haben sollen (vgl. vannbsp;Helten, PBB. 34, 138; Streitberg UG. S. 344, 346). Und vornbsp;dieser Übertragung seien dann die Optativformen — aber nurnbsp;die prateritalen! — in den Indikativ eingedrungen. Vorausge-setzt nun dass diese Erklarung, so künstlich sie doch erscheint,nbsp;richtig ware, sind doch daniit nicht alle Schwierigkeiten aus deinnbsp;Wege geraunit. Wenn niimlich Optativformen als Indikativfor-inen gebraucht worden sind, was schon an sich, wie anch v. Pier-linger mlt vollein Recht hervorhebt, sehr unglaublich erscheint,nbsp;dann verstekt man nicht recht, warum iin Altsachsischen nndnbsp;Althochdeutschen nicht anch die im Indikativ gebrauchten Opta-tivforinen das auslantende -s bekoinmen haben, nm so niehr alsnbsp;dann die neuen prateritalen Indikativformen zu den entsprechen-den Prasensforiuen stinimen würden, von denen ja die eigent-lichen Optativformen ihr -s übernommen haben sollen. Nun istnbsp;aber selbst die Annahme, dass die ahd. und as. Optativformennbsp;der 2. Sing. Neubildungen seien, kaum stichhaltig. Denn erstensnbsp;liisst sich aus den entsprechenden ags. und afries. Formen nurnbsp;wenig schliessen, weil die Form auf -e im Ags. iin ganzen Sing,nbsp;des Optativs und im Afries. im ganzen Optativ durchgeftthrt erscheint; vgl. die ags. Pluralformen héoden, huden, welche zeigen,nbsp;dass hier die 1. und. 3. Person über die 2. Person gesiegt haben.nbsp;Bei einem solchen Zusammenfall von mehreren Formen kannnbsp;man überhaupt etwas Sicheres über die ursprüngliche Form dernbsp;westgerm. 2. Sing. Opt. nicht ermitteln. Zweitens ist Scherer--Hirts Hypothese unhaltbar (vgl. die Kritik von Walde, Germ.nbsp;Auslautgesetze S. 129 ff'.; s. auch Janko, IF. Anz. 15, S. 266). Dennnbsp;sie widerspricht den Tatsachen. Ausser den genannten ahd. undnbsp;as. Optativformen finden wir namlich ein ursprünglich auslauten-des -s auch in folgenden Fiillen, bei denen die Erhaltung des -nnbsp;sich schwerlich durch Analogie erklaren liisst: ahd. games, iiema-més; ahd. neritös, as. nerides, ags. neredes; as. N. Plur. dagos,nbsp;ags. dagas, das Hildebrandslied hat helidos. Ich habe auch dennbsp;letzten Fall (as. dagos usw.) angeführt, weil ich der gewöhnlichennbsp;Ansicht nicht zustiininen kann, wonach dieser Ausgang as. -os,nbsp;ags. -as mit dem arischen Plural auf -clsas (ved. aijvasafj, apers.nbsp;hagahcd') zusammenzustellen und auf idg. -öses {-ar in afries. fiskar

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J. Sverdrup.

sogar auf -özez) zurückzuführen sei.' Deun diese Erklarung ist gar zvL entlegen und gezwungen, uin auf irgend welche Wahr-scheinlichkeit Anspruch macheii zu können; ein dein arischennbsp;-asas- entsprechender Ausgang findet sich sonst nicht, und dasnbsp;einzig Natürliche und Verantwortliche ist, diesen Ausgang alsnbsp;arische Neuhildung zu erklaren (vgl. Thumb, Hdb. des Sanskrit,nbsp;S. 170). Ebenso schlecht steht es init der Erklarung des Aus-gangs -Ö770 in ahd. (/ehöno, as. gebo)w, ags. giefena, urn. runono-(Steiitofta), der von vielen Forschern (z. B. Loewe, Germ. Sprachw.nbsp;II, S. 17, Boer Oergenn. Hdb. S. 183, Noreen, Geschichte d.nbsp;nord. Sprachen, S. 166, Aisl. Gramm. § 373, Anm. 5) zu demnbsp;arischen Ausgang -dnam in aind. dgvdndni «der Stuten», apers.nbsp;jmmv-zanandm «der viele Menschenrassen entbaltenden» gestelltnbsp;wird, obwohl auch diese Form am wahrscheinlichsten eine ein-zelsprachlicbe Neubildung ist (vgl. Thumb Hdb des Sanskritnbsp;S. 171, Brugmann Grundr.^ II, 2, S. 239), wahrend die germ.nbsp;Form sich am einfachsten durch Anlehnung an die i?-Deklinationnbsp;(ahd. ziingöno, as. iungono, ags. tungena) erklaren liisst. Derartigenbsp;ZusammensteUungen sind überhaupt methodisch verwerflich, weilnbsp;sie jeden festen Boden entbehren, ganz wie so hiiuöge etymologische ZusammensteUungen wie z. B. an. tjgnt «kleiner Waldsee»nbsp;zu aind. dari «Loch in der Erde», got. mats- «Speise» zu aind.nbsp;mdtsgafi «Fisch», an. erta «necken» zu aind. arddgati «regt auf»nbsp;(vgl. die vortrefflichen Ausführungen und evidenten Deutungennbsp;von Marstrander, «Vsegtens og Vaïgtterminologiens historie», S.nbsp;10 f. und 17).^ — Wir müssen also auch as. dagos usw. zu dennbsp;Fallen rechnen, wo ein ursprünglich auslautendes -s im Westger-manischen erhalten geblieben ist, ohne dass es bis jetzt gelungennbsp;ist, die Ursache dieser Erscheinung aushndig zu niachen. Dernbsp;Erklarungsversuch von Walde (Gerin. Auslautgesetze, S. 130 f.),nbsp;wonach die Erhaltung des -s der vorhergehenden gestossenen

' Der Urheber dieser Zusammenstellung i.st Hermann Möller (PBB. 7, S. öOö f.) aber er siebt docb darin niclit den Beweis einer idg. Pluralform aufnbsp;¦öses, sondern bemerkt nüchtern und vorsicbtig; «Dass aber das indoiranischenbsp;und ein teil des germaniscben in der verwendnng der pluralendung -öses fürnbsp;o-stiimme übereinstimmen, ist der reine zufall, d. h. es bat zwar wie alles einennbsp;inneren grund, aber der grund ist nicbt das frübere besteben einer gemeinindo-germaniscben pluralform -öses für wörter auf -o-s.»

Sohon Meringer (IF. 18, 211) bat got. mats zu mitan gestellt und ver-gleicbt lat. caro «Fleiscb» : umbr. karu «Teil»; s. übrigeiis die vielen Kombina. tionen bei Feist, Etym. Worterb. d. got. Spracbe,^ S. 263.

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Der Aorist im germanischen Verbalsystem.

Lange zu verdanken sei, befriedigt nicht, weil er dann für as. daijos usw. seine Zuflucht zu dein arisehen Ausgang -asas nehmennbsp;inuss. Auch Janko (IF. Anz. 15, S. 265) hat m. E. das Problemnbsp;nicht gelost durch seine Annahme, dass ein tirsprünglich starkernbsp;Nebenton das -s bis ins Westgermanische bewahrt habe, weilnbsp;dann sowohl as. dofjos usw. als ahd. Imtis usw. ausscheiden müs-sen. Wir können nur feststellen, dass ein ursprünglich auslau-tendes -.s' in nicht starktoniger Silbe im Westgermanischen meistens zu -z und weiter geschwunden ist, in gewissen Fallen jedochnbsp;als -s erhalten geblieben ist.^ Es mogen dabei die vorhergehendenbsp;Vokallange, Sandhi-Erscheinungen (vgl. Boer, Oergerm. Hdb. S.nbsp;125) und Systemzwang im Spiele gewesen sein. Enter diesennbsp;Umstanden aber dürfen wir nicht die ahd. und as. Optativformennbsp;der 2. Sing, als Neubildungen erklaren. Auch aus diesem Grundenbsp;ist die Optativ-Hyphotese zur Erklarung der westgerm. 2. Sing.nbsp;Prat. Ind. unhaltbar. Es bleibt dann kauni eine anderenbsp;Möglichkeit übrig, — das ist aber eine vortreffliche Möglichkeitnbsp;— als die westgermanische 2. Sing. Prat. Ind. auf den «starken»nbsp;Aorist zuriickführen, wenn wir auch natürlich nicht für jedennbsp;einzelnen Fall die genau entsprechende aussergermanische Aorist-form nachweisen können. Folgende Entsprechungen sind dochnbsp;sehr beachtenswert:

1. nbsp;nbsp;nbsp;ahd. hizzi, as. hiti, ags. hite: aind. ahhidad «spaltetest»;nbsp;vgl. 3. Sing, ahhidat tG:v., Aor. Opt. hhidéyum AV., redupl. ahi-hidliat Gr.; lat. fidit fidimus.

2. nbsp;nbsp;nbsp;hi-Iihi, as. hi-lihi, ags. he-Jife:nbsp;nbsp;nbsp;nbsp;dlipafi «beschmiertest»;

vgl. alipat C., alilipat Gr.; lit. l/pa «klettre, steige,» aslav. pri-lïjm «adhaesi».

3. nbsp;nbsp;nbsp;ahd. siw/, ags siwe (nach Part. ahd. h/shvaii, ags. dsiwennbsp;zu ags. sëo)! «seihen» anzusetzen): aind. dsicad «gossest»; vgl.nbsp;asicat V., 2. Plur. ask-ata V. B., Aor. Opt. sk-yat B., asïsicat Gr.nbsp;Vielleicht ist j edoch das Part. ahd. bis/ica)/, ags asiicen einenbsp;sekundare Bildung, und der Wurzelauslaut ist auch im Germ,nbsp;ursprünglich nicht labialisiert, also germ, '^'sih nicht quot;^s/hiv; dannnbsp;würden wir 2. Sing. ahd. *sk//, ags. *si(je anzusetzen haben.

Wenn ahd. as. tcüi dem got. wileis, lat. veils gleichzusitzen ist, möchte ich den Schwund des -z der Schwachtouigkeit des Verbs znschreiben; andersnbsp;AValde (Germ. Anslautgesetze, S. 132 f.), der die Gleichung ahd. as. wili = got.nbsp;wileis leugnet; iibrigens ist diese Form wie auch die lateinische ratselhaftnbsp;wegen der Vollstufe des Stammvokals (vgl. Brugmann, Grnndr.^ II, 3, S. 00.nbsp;Sommer, Hdb. der lat. Laut- und Formenlehre, S. 533 f.).

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.1. Sverdrup.

4. nbsp;nbsp;nbsp;ahd. j/c/?, ags. tigc: aind. adic^an. «zeigtest»; vgl. adidiratnbsp;Gr.; osk. * diced aus osk. dicust «dixerit» zu folgern.

5. nbsp;nbsp;nbsp;ahd. litvi, as. far-liwi: aind. ciricati iiberliessest, gr.nbsp;eXiJieq «verliessest»; vgl. arm. eliMi «er verliess» (= gr. ëXins).

6. nbsp;nbsp;nbsp;ahd. as. stigi, ags. stige: gr. ëCTi/ec; stiegst; vgl. aind.nbsp;Pr iis. stighnoti.

7. nbsp;nbsp;nbsp;ahd. hiti, as. Hdi, ags. hide: gr. ëmamp;eq «überredetest» ;nbsp;vgl. jréjnamp;óv, èjridgt;ó|dr(V; diese Zusamnienstellung ist vielleicht innbsp;semantischer Hinsicht bedenklich, aber doch inöglich.

8. nbsp;nbsp;nbsp;ahd. seizzi, ags. scite: ahd. dchidati «spaltetest»; vgl.nbsp;achidat AV., acichidafl E.; lat. scidit scidimus.

9. nbsp;nbsp;nbsp;ags. mige (zu migan «mingere»): aind.dwi7/iff(i «niinxisti»;nbsp;vgl. aind. amimihat Gr., amiksat 9^-; gr. ójaixEiv.

10. nbsp;nbsp;nbsp;ahd. wichi, ags. wihe: aind. dmjaJl «wichst zurück, eil-test davon»; vgl. vivijad EV.; gr. oÏYvnpi.

11. nbsp;nbsp;nbsp;ahd. huti, as. hudi, ags. hude: aind. dhudhafi «erwach-test»; vgl. aind. 3. Plur. M. ahudhran EV., Akt. hudhdnta EV.,nbsp;ahühudhat V.; gr. èjruamp;óprjv.

12. nbsp;nbsp;nbsp;ahd. hugi, ags. huge: gr. ëcpnyeq «üohst»; vgl. aind.nbsp;hhujdti biegt.

13. nbsp;nbsp;nbsp;ahd. rtizzi, ags rute: aind. driidafj. «wehklagtest, wein-test»; vgl. drudat AV., arürudat Gr., Priis. ruddti, lat. rudit.

14. nbsp;nbsp;nbsp;ahd. Uuhi, as. kluhi, ags. clufe: gr. eyXncpec «schnitz-

test, grubst ein». nbsp;nbsp;nbsp;,

15. nbsp;nbsp;nbsp;ahd. trugi, as. drugi: aind. druhali V. E, «suchtest zunbsp;schaden»; vgl. druhan V. E., adudruhat Gr.

16. nbsp;nbsp;nbsp;ahd. as. kuri, ags. cure (ahd. ni kuri «noli», ni kuritnbsp;«nolite»): aind. djusa/i «erfreutest dich»; vgl. aind. Med. ajusrannbsp;EV., redupl. ajüjusat Gr.

17. nbsp;nbsp;nbsp;ahd. ar-luti, as. ludi, ags lude: aind. drudhad «wuchsest»,nbsp;gr. fjXnamp;sq «kamst»; vgl. ir. 1. Sing, lod «ich ging».

18. nbsp;nbsp;nbsp;a,gs. rufe zu réofan «zerbrechen» (uur Part. rq/ew,nbsp;belegt): aind. drupad «zerbrachst» ; vgl. arupat Gr., arürupat AV. B.nbsp;(vgl. auch alupat Gr. alülupat E.).

19. nbsp;nbsp;nbsp;ags. luce zu lücan «schliessen»: aind. drujad «zerbrachst»;nbsp;vgl. arürujat C., Priis. rujdti V., gr. Xeyi^co «biege».

Wie grosse Wichtigkeit wir diesen Entsprechungen beimes-sen dürfen, ist nicht leicht zu sagen. Es muss, wie Brugmann (Grundr.^ II, 3, S. 136) mit Eecht hervorhebt, bedacht werden,nbsp;dass solche Ponnen erst eiirzelsprachlich aufgekommen sein können.

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Der Aorist im germanischeii Verbalsystcni.

weil es sich ja um einen produktiven Typiis handelt, so dass deshalb die Ubereinstiinmung init der Form einer anderen Sprachenbsp;durch Zufall entstanden sein kann. Aber die Übereinstiminunfrnbsp;im Bildungsprinzip ist doch sehr wichtig und darf nicht unter-schatzt werden. Auch ist nicht zti vergessen, dass man ja nichtnbsp;überall genaue etymologische Entsprechungen erwarten können,nbsp;und dass sich der 6‘-Aorist in den Einzelsprachen durch Neu-bildungen auf Kosten der anderen Aoriste gewiss stark vermehrtnbsp;hat (darüber von allem Meillet, Sur l’aoriste sigmatique, Mélanges Saussure S. 81 ff).

Wenn nun die westgerm. priiteritale 2. Sing. Ind. der 1. und 2. Konjugation auf den thematischen Aorist zurückzuführen ist,nbsp;muss dasselbe auch mit den entsprechenden Formen der 3. Konjugation der Fall sein. Denn auch diese Formen zeigen sowohlnbsp;die Endung -i aus -es als die für den Aorist charakteristischenbsp;Tiefstufe der Wurzel. Einige Beispiele:

Althochdeutsch; kliimhi zu Mimhan «klimmen»; krumphi zu kriwphan «krampfhaft zusammenziehen» ; lumjphi zunbsp;limphan «zukommen»; sunnizu sinnan «streben»; tlrungi zu dringannbsp;«dringen»; divungi zu divingan «zwingen»; güungi zu gïlingannbsp;«gelingen»; sungi zu singan «singen»; slungi zu slingan «schlei-chen» ; sprungi zu springan «springen»; sivungi zu stvingannbsp;«schwingen»; sunki zu sinkan «sinken»; stunki zu stinkannbsp;«stinken»; trunki zu trinkan «trinken»; scriinti zu scrintan «bersten» ; sH'unti zu sicintan «schwinden»; slunti zu sh'ntan «ver-schlingen» ; wunti zu lointan «winden»; himti zu hintan «binden» ;nbsp;funti zu findan «linden»;

hulgi zu helgan «erzürnen»; mulki zu melkan «melken»; gulti zu geltan «geiten, bezahlen»; seidti zu sceltan «schelten»; smulji zunbsp;smeljan «schmelzen»; tidhi zu telban «graben»; sundgi zu swelhannbsp;«verschlingen»; huif zu helfan «helfen»; kurri zu kcrran «knarren» ; scurri zu scerran «lo-atzen»; nmrri zu tverran «verwirren»;nbsp;htirgi zu hergan «bergen»; snmrji zu smer^an «schmerzen»; sturhinbsp;zu stcrhan «sterben»; sivurhi zu swerhan «wischen»; snurfi zunbsp;snerfan «zusammenziehen; tmrti zu icerdafi «werden»; wurfi zunbsp;Kerf an «werf en».

Altsachsisch: himdi zu hindan «binden»; sivundi zu swindan «schwinden»; tvundi zu tviudan «winden»; sliindi zunbsp;slindan «schlingen» ; drunki zu drinkun «drinken»; sunki zn sinkannbsp;«sinken»; sungi zu singan «singen»; sprungi zu springan «sprin-

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J. Sverdrup.

gen»; s/cuncji zu sivingan «scliwingen» ; thrungi zu thringan «dringen» ; thicungi zu thwingan «zwingen»; tvrungi zu wringannbsp;«ringen» fnndi zu fithan «finden» ;

hidulbi zu hidelbcin «begraben» ; huigi zu helgan «erzürnen»; hidpi zu helpan «hellen»; smuUi zu smeltan «schmelzen»; swidti zunbsp;sweltan «ster ben» ; guldi zu geldan «zahlen»; hifulhi (für -*fidg/)nbsp;zu hifelhan «befehlen»; shurri zu skerran «kratzen»; icnrri zunbsp;wcrran «verwirren»; sturbi zu fstcrban «sterben»; siviirhi zu siver-ban «abwischen»; hurgi zu hcrgan «bergen»; swurki zu swerkcmnbsp;«dunkeln»; irurdt zu u'eröan «werden»; uu)pi 7m tverpan «werfen: .

Angelsachsisch: bunde zu bindan «binden»; gehmipr zu gelimpan «sich ereignen»; dumbe zu dimbannbsp;nbsp;nbsp;nbsp;\ fimde

zu findan «finden» ; grunde zu grindan «zermabnen; wunde zu windan «winden»; driince zu drincan «trinken»; serunce zu scrin-can »verschrumpfen»; sunce zu sincan «sinken»; stiince zu stincannbsp;riechen; swunce zu sivmcan «sich abmühen»; slunce zu slincannbsp;«kriechen»; dunge zu dingan «einschrumpfen»; crunge zu cringannbsp;«lallen»; hrunge zu liringan «tonen»; siinge zu singan «singen»;nbsp;sprunge zu springan «springen» ; stnnge zu stingan «stechen» ;nbsp;sivunge zu steingan «schwingen» ; Jjninge zu pringan «dringen» ;nbsp;ivrunge zu wringan «ringen»; punde zu Inyidan «schwellen»; pruntenbsp;zu printan «schwellen»; sunne zu sinnan «denken»; rumpc zunbsp;{h)rimpan «runzeln»;

bulle zu bellan «bellen»; kidpe zu helpan «hellen»; didfe zu delfan «graben»; muite zu meltan «schmelzen» ; swulte zu siveltan «sterben» ; bulge zu beïgan «erzürnen»; smdge zu mcelgan «verschlingen»;nbsp;guide zu gicldan «zahlen» ; gulpe zu gielpan «prahlen»; mulce zunbsp;meolcan «melken»; mice zu seolean «ersclilallen, trage werden»;nbsp;wurpe zu tceorpan «werlen»; scurfe zu sceorfan «schürlen»; slurfenbsp;zu steorfan «sterben»; curfe zu ceorfan «schneiden»; htcurfe zunbsp;hweorfan «sich wenden»; srnurte zu smeortan «schmerzen»;/krfcnbsp;zu feortan «pedere»; burce zu beorcan «bellen», swurce zu siveorcannbsp;«dunkeln»; burge zu beorgan «bergen»; siourfc zu sweorfan «abwischen» ; scurpe zu sceorpan «kratzen»; wurde zu weordan «werden»;/«///e zu féolan «verbergen».

Wie aus den oben erwiihnten Gründen nur zu erwarten ist, sind die aussergermanischen Entsprechungen nicht zahlreich.nbsp;Jedoch sind lolgende Zusammenstellungen nicht belanglos:

20. ahd. wurti, as. wurdi, ags. wurde: aind. avrtah «dreh-

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Der Aorist im germanischen Verbalsystem.

test dich»; vgl. avrtut AV. B. C., Med. uvrtran V. B., redupl. uvivrtat V.; alat. uortit?

21. nbsp;nbsp;nbsp;ahd. midki, ags. mnlce; aind. amrjafj, «wischtest ab»;nbsp;vgl. 3. Plur. Med. amimrjanta B., Pras. mrjdnti V., aslav. mlüza',nbsp;lat. nmlgeó.

22. nbsp;nbsp;nbsp;ahd. furji, ags. furte: gr. ë7ipabE(; (ejipabe Suid.). Nahe-res bei Boisacq, Diet. étym. nnter :!Tépbojiai.

23. nbsp;nbsp;nbsp;ahd. smurji', ags. smurte: aind. dmrdafj «zerriebst»; vgl.nbsp;amimrdat E., Pras. mrdnati E., lat. mordeö «beisse»; s. Persson,nbsp;Beitrage I, 213 ff., II, 945; Boisacq, Diet. étym. unternbsp;OgepbaXéoc.

24. nbsp;nbsp;nbsp;as. .mice (nnr ini Part. a.s-oIcei} belegt); aind. dsrjafinbsp;«liessest los»; vgl. asisrjat Gr., 3. Plur. Med. dsnjran BV. (vgl.nbsp;Thumb, Hdb. des Sanskrit, § 134), Pras. srjdti V.

25. nbsp;nbsp;nbsp;ags curfe: gr. ypaepea «schreibe», mit dem Vokalismusnbsp;des Aorists; vgl. Hirt, Hdb. der griech. Lant- mid Eormenlehre,nbsp;S. 51(5.

2(5. as. ahd. wurri: elisch Fappqv «verbannt werden; vgl. aslav. vricha «dresche»; alat.nbsp;nbsp;nbsp;nbsp;anders Torp bei Pick^ III,

S. 398.

27. nbsp;nbsp;nbsp;westgerm. *Jmrsi odernbsp;nbsp;nbsp;nbsp;(zu got. gapairmn «dürr

sein, leehzen»): ain. trsafi «dürstetest»; vgl. trsat AV. B., Prils. tfsyati V. B.; lat. torrére.

28. nbsp;nbsp;nbsp;as. thunsi, ahd. dmisi (zu thiusan, dinsan «ziehen»):nbsp;aind. diasafi «schütteltest»; vgl. aind. dtasat AV. B., Pras. tan-é‘ati Gr.

29. nbsp;nbsp;nbsp;ahd. hiinti, as. hiindi, ags. hundc: aind. 3. Sing. Opt.nbsp;Aor. hadliyüt Gr.; vgl. Pras hadhndti V. «bindet».

30. nbsp;nbsp;nbsp;ags. -swunce: aind asvajafj «umarmtest»; vgl. dsasvajatnbsp;BV., Prils, svajate V.

Nun wird freilich gewöhnlich behauptet, dass die westgerm. Ponnen des Typus icurti, midki, hiindi nicht «echte» Aoristfor-men, sondern Analogiebildungen seien, weil ja die Endnng -iznbsp;(ans -es) nach langer Stammsilbe schwinden müsse. Charakteristischnbsp;für diese Betrachtung sind folgende Ausserungen von E. Schrodernbsp;(IP. 39, 225 f.): «Als lautgesetzlieh korrekte Aoristformen könnennbsp;zunachst nnr die kurzstammigen mit Schwundstufenvokal ange-sprochen werden, also die Typen: as hitinbsp;nbsp;nbsp;nbsp;hugi {^*lmgiz).

In dem Typus as. hulf i, hniidi haben wir freilich die für den Aorist verlangte Schwundstufe, aber die Bewahrung des -i wider-

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J. Sverdrup.

spricht dem Sieversschen Synkopierungsgesetz, kann also nur aus Analogie der beiden ersten Klassen erklart werden. Die letztenbsp;Gruppe scliliesslich; as. ndmi, gabi; fóri', sïépi stellt überhauptnbsp;keine Aoristfonnen dar: es sind sichere Optative; *némiz, ''-‘gèbïz;nbsp;*förtz; *sïèplz, und ihr Eindringen in das Paradigma wird nnsnbsp;daniit erklart, dass die erste und zweite Gruppe forinell alsnbsp;Optative gedeutet werden konnten, nachdem sich ancli *bitiz,nbsp;*hug?z; *hnlpiz, *bttndiz zu biti, hugi; hidpi, bundi entwickeltnbsp;batten.»

Aber die Ponnen des Typus wurti, mulki, bundi sind nicht Analogiebildungen im eigentlichen Sinne, weil sie ihr auslauten-des -i nie verloren haben. Oder glaubt man denn wirklich, dassnbsp;z. B. bundi zuerst sein u «lautgesetzlich» verloren hat und zu ''^'hundnbsp;geworden ist, und dass dann, spater wohl nachdem, wie es so-schön heisst, das Synkopierungsgesetz zu wirken aufgehört hat,nbsp;das -i aus Analogie von hugi usw. an *bund wieder angehangtnbsp;woi’den ist? Es gibt vielleicht noch treuherzige «Junggramma-tiker», die einen solchen Köhlerglauben an «die Ausnahmslosig-keit der Lautgesetze» haben; er bleibt doch nur ein Aberglaubenbsp;ohne Verstandnis für die Porderungen des Systems. Der Schwundnbsp;des -i (aus -iz lt;-es) nach langer Stammsilbe ist eine verhaltnis-massig spate und einzelsprachliche Erscheinung im Germanischen.nbsp;Zu dieser Zeit war aber die Ausbildung des germanischen starkennbsp;Priiteritalsysterns schon langst vollendet, und in einem Teil desnbsp;Germanischen stand schon langst die prateritale 2. Sing, auf -inbsp;und mit Tiefstufenvokalismus als eine integrierende Poi’m desnbsp;Systems. Kein «Lautgesetz» würde nunmehr den Schwund desnbsp;-i bei den langstiimmigen Ponnen herbeiführen können, weil einnbsp;solcher Schwund dein System mit seinen vielen Ponnen desnbsp;Typus biti, bugi widersprechen würde. Deshalb sind die Ponnennbsp;des Typus wurti, mulki, bundi ebenso «korrekte» Aoristfonnennbsp;als biti, bugi, und von zwei «Stadiën» der Herausbildung kannnbsp;hier keine Rede sein.

Dagegen können die vestgerniauischen Ponnen der 2. Sing. Prat. der übrigen starken Konjugationen kaum ursprünglichenbsp;Aoristfonnen sein, nicht weil sie langstiimmig sind, sondern weilnbsp;aussergermanische Entsprechungen sich kaum nachweisen lassen.nbsp;Es sind dies Ponnen wie z. B. folgende:

Klasse IV: ahd. stali, kali, quali, bari, quari, sc.ari, jdri,. nami, jami, quami, brachi, radii, spradii, stachi usw.;

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Der Aorist im germanisohen Verbalsyatem.

as. stali, hali, qiiali, dwali, hdri, skari, ndnii, gitdmi, qudmi, hrdki, .sprdki, ivrüki, pldgi, trdgi, drdpi, usw.;

ags. stSle, hcele, ctoMe, hcere, scamp;re, tëre, nöme, c(iv)óme, hrmce usw.

Klasse V: ahd. gdhi, tvdgi, kndti, trati, wdti, fdzi, mdzi, higdzi, tvdhi, Idri, tvdri, qimti, mhi, hdti, lügi, sdzi usw. ^nbsp;as. gdM, ivdM, tvdgi, dti, higdti, stdki, knadi, wdri, quadi, samp;wi,nbsp;hüdi, Idgi, mti usw.;

ags. viMe, sivaèfe, wamp;fe, cnéêde, trcëde, Imse, genase, sprmce, icrace, loébe, drape, civmde, ware, sdwe, gefage, géafe, gèate, iade, lage,nbsp;ftate usw.

Klasse VI: ahd. fuori, triiogi, suochi, tviioti, gruobi, skuohi, guoli, miioli, tvuohsi, dwuogi, (zu dwalian) luogi (zu lahan), sltioginbsp;(zu slahtm), wuogi (zu *giwahan), huoii (zu heffen) skuofi (zu skepfen)nbsp;swuori (zu ewerieti) usw.;

as. fóri, móli, epöni, tvóhsi, ivöski, gróbi, sköM, drógi, sóki, Midi, lögi, slögi, thwógi, hobi, hlógi, skópi, stópi, stödi usw.;nbsp;ags. fóre, gröfe, Mode, wide, óce, iöce, sóce, dróge, gnóge, góle;nbsp;slóge, (zu slénn), [móge, (zu Ptvèan), flöge (zu Jléan), loge (zu lean),nbsp;wéoxe, swóre, stópe, höfe, scéope, scèode (zu soeppan) Móge (zunbsp;hliehhan), stöde usw.

Diese Fornien müssen wohl als Neubildungen betrachtet werden; deun auf Zusammenstellungen wie ahd. nidzi: gr. gr^bogai und ahd. sdzi: lit sédu (Brugmann, Grundr.^ II, 3, S. 490) darfnbsp;man kaum so viel Gewicht legen. Aber als Neubildungen lassennbsp;diese Formen sich nun leicht erklaren. Dabei braucht man nichtnbsp;mehr seine Zuflucht zu den Optativfornien zu nebmen, ja es istnbsp;dies, wie oben ausgeführt, nicht einmal möglich. Schon von Hausnbsp;aus hatte also das Westgernianische bei den drei ersten Verbal-klassen eine prateritale 2. Sing., die durch die Endung -i (ausnbsp;-es) und die Yokalstufe des Plurals (und des Optativs) gekenn-zeichnet war. Dann war es nur ganz natürlich, ja beinahe selbst-verstandlich, dass diese Bildung auch bei den übrigen Verbal-klassen weitergeführt und verallgemeinert wurde, überall mitnbsp;dem Stammvokalismus des Plurals. So enstanden also Ponnennbsp;wie ahd. stdli, hdri, ndmi, mdzi, fuori usw. zu stdlum, hdrum,nbsp;ndmum, mdzwm, fuorum nach Analogie des Verhaltnisses von giginbsp;zu ;jigum, himti zu huntum usw. Und endlich schlossen sich auchnbsp;Pormen an wie ahd. liiazi, fiangi, as héti, fengi, ags. héte,nbsp;fenge usw.

Die westgei’inanische prateritale 2. Person Sing. Ind. zeigt,

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J. Sverdrup.

dass der Aorist iin Germanisclien eine nicht unbedeutende Rolle gespielt hat. Es fragt sich dann, ob nicht aueb andere genna-nische Prateritalfornien auf den Aorist zurückzuführen sind odernbsp;wenigstens mit grosser Wabrscbeinlichkeit sich als ursprünglichenbsp;Aoristforinen erklaren lassen. Eine eigentüinliche Form ist dienbsp;germanische prateritale 3. Person Plur. Ind. wie got. hitun, hudun,nbsp;waur'pun, hundun usw. Es ist dies eine athematische Bildungnbsp;mit der Endung -ni, und der Endung nach scheint sie kaumnbsp;eine Perfektform zu sein. In den meisten indogerni. Sprachennbsp;ist nainlich die 3. Plur. Perf. Ind. eine r-formantische Bildung.nbsp;Das Arische zeigt hier im Aktiv aind. -ur (-tid), av. -argt;K -wè, imnbsp;Medium aind. -ré, -irè, av. -re, z. B. Akt. aind. cakrii/i «sie habennbsp;gemacht», tutudüd, «sie haben gestossen»,nbsp;nbsp;nbsp;nbsp;«sie haben gekocht», dadMlt;ri «sie haben gesetzt», av.nbsp;nbsp;nbsp;nbsp;«sie sind gewesen»

(= aind. Avil/Z), cilcöitdrd^ «sie haben wahrgenommen» (= aind. cikitiifi)', Med. aind. cahrré, tutudiré, pécirë, dadlire (und dadhiré),nbsp;av. caxrare (= aind. eakriré). Im Italischen haben wir die Plu-ralformen auf -ére wie fuére, dlxêre, nidére usw., wahrend dernbsp;gewöhnliche Ausgang -ermit (aus -is-ont) auf den sigmatischennbsp;Aorist baut (s. Sommer, Handb. S. 578 ff., Meillet-Vendryes,nbsp;Traité, § 520). Zu diesen arischen und italischen r-Bildungennbsp;ist weiter mit Meillet (Indogerm. Jahrbuch I, S. 16 und Mémoires 18, S. 2) der tocharische Ausgang -are in z. B. wenarenbsp;«dïxëre» zu stellen. Endlich scheint diese r-Bildung auch in dernbsp;irischen 3. Plur. Perf. Ind. Akt. auf -(a)tar erhalten zu sein, z.nbsp;B. ro 'rergatar «sie haben ausgestreckt», lelgatar «sie haben geleekt»,nbsp;'leblangtar «sie sind gesprungen», obwohl hier die r-Endung mit einernbsp;w^-Endung verbunden scheint. Im Baltisch-Slavischen linden wirnbsp;natürlich keine Spur von dieser r-Formation, weil hier, von aslav.nbsp;vëdë «ich weiss» und von dein Me,s-Partizipiuni abgesehen, das altenbsp;Perfekt völlig verloren gegangen ist. Auch das Griechische hat keinenbsp;r-Formationen, und hier hnden wir dann in der 3. Plur. Perf. Ponnen,nbsp;die mit der germanisclien Bildung verwandt scheinen. Wahr-scheinlich sind j edoch die griechischen Bildungen keine ursprüng-lichen Perfektformen. Die Endung -an, -aoi, wie im delph.nbsp;xalleOTdxan «sie haben angeordnet», hom. XeXóyxaoi «sie habennbsp;erlangt» («durchs Los erhalten»), ist eine primare Endung -ntinbsp;(aber germ, -nt sekundar!), die eigentlich den reduplizierten odernbsp;langstammigen Prasentia zugehört, z. B. aind. dddhati «sie setzen»,nbsp;tdkmti «sie verfertigen». Deshalb meint Brugmann (Grundriss^,

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315

Der Aorist im germanischen Verbalsystem.

II, 3, S. 627; vgl. Brugmann-Thumb, Griech. Gramm.* S. 401) mit Recht, dass der Ausgang -ari wahrscheinlich aus verlorenennbsp;reduplizierten Prasensformen von der Art des aind. dddhatinbsp;(= gi’. *Tiamp;aTi) ins Perfekt übertragen worden ist und sicb dortnbsp;unter dein Schütz des medialen -arai erhalten bat. Perner beruhtnbsp;die weit verbreitete Perfektendung -avri, -döi z. B. xexava%Tinbsp;«sie baben gegahnt»,nbsp;nbsp;nbsp;nbsp;«sie haben geschrieben», wie

allgemein anerkannt, auf einer Umbildung von -ari (s. Hirt, Hdb. S. 490, Meillet-Yendryes, Traité, § 483). Übrigens zeigt dasnbsp;Griecbiscbe in der 3. Plur. überhaupt besonders zablreiche Neu-bildungen. Unter diesen Umstanden dürfen wir wobl annehmen,nbsp;dass die 3. Plur. Perl. Ind. ursprünglich durch ein r-Pormansnbsp;charakterisert war,* um so niehr als der ganze Singular eigen-artige Endungen {-u, -tlia, -e) batte, und dass deshalb got. hitmi-usw. der Endung nach keine Perfektform sein kann; vgl. Brug-mann, Grundriss^ II, 3, S. 652.

Die sekundare Endung -nt ist selten ausserhalb des Gernia-nischen. Wir finden sie in gthav. dadat «sie setzten» (vgl. as. dedim) und beiin .9-Aorist gthav. stdi}hat_, aslav. dasq «sie standen»,nbsp;daèe «sie gaben». Im Griechischen ist sie zwar verscbwunden,nbsp;aber liegt doch vor, durch v erweitert, in sbei^w «sie zeigten».nbsp;Wobl bekannt ist dagegen die thematische Bildung auf -nt innbsp;der 3. Plur. Ind. Akt. des Imperfekts und des Aorists, z. B. Ini-perfekt aind. dhhciran, gr. scpepov, Aor. aind. dsican^ gr. ëAijiov,nbsp;aslav. jKida (lt; *pödo-)it, Meillet, Einführung, S. 136) «sie helen»,nbsp;7iem «sie trugen». Der Endung nach scheint also got. hitunnbsp;usw. eine aoristische Bildung zu sein. Und auch was die Vokal-stufe der Wurzel betrilft, kann got. hitun usw. ebenso gut einenbsp;Aoristform als eine Perfektform sein, gleichwie wir dieselbe Tief-stufe der Wurzel bei der westgermanischen Aoristform der 2.nbsp;Sing, gesehen haben. Wir könneii dann z. B. folgende fast ge-naue Entsprechungen aufstellen (vgl. oben S. 307 ff.);

got. httun: aind. dbhidan (vgl. den atheinatischen Aorist ved. hhét «er spaltete»).

got. gataihun: aind. ddii-an.

got. hiJihun : aind. dlipan.

' Dass die r- Formationen verschiedenen Urspriings sind, sich weiter aus-gebreitet haben and bei vielen anderen Verbalformen auftreten, besonders ini Italischen nnd Keltischen, int nichts znr Sacbe. Über die i' Formationen überhaupt s. Brugmann, Grnndr.® II, 3. 657 ff., besonders § 603.

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316

J. Sverdrup.

got. laikjun: gr. ëXiTiov.

got. stigun: gr. ëcri/ov.

got. hidun: gr. è7ri9gt;ov.

ags. sciton: aind. achülan.

got. budmi: aind. dhudhan.

got. bugun: aind. dbhujmi, gr. etpoyov.

ags. duf on: gr. ëyXucpov.

ags. niton: aind. drudan.

as. drugun: aind. ddruhan.

got. ludim: aind. drudhan.

ags. rufon: aind. drupan.

got. waurfun: aind. dvrtan.

ags. furton : gr. ëjtpabov.

got. at-punsm: aind. dtasan.

got. gapaursun: aind. trsan.

Bei diesen Bntsprecliungen ist der einzige Unterschied, dass wir im Gerinanischen eine athematische, im Altindischen nndnbsp;Griechischen dagegen eine thematische Bildung haben, wahrendnbsp;der germanische Typus as. bidi, budi wieder thematisch ist. Ichnbsp;glanbe deshalb, dass wir mit einer an Gewissheit grenzendennbsp;Wahrscheinlichkeitfeststellenkönnen, dass die germanische prateri-tale 3. Plur. Ind. aoristischen Ursprungs ist. Dies hat auch Meilletnbsp;(Einführnng, S. 130, Caractères, S. 145) angedeutet, jedoch ohnenbsp;naheren Nachweis, nnd er fügt hinzu : «On ne peut cependantnbsp;rien af firmer a eet égard.» W enn wir aber überhaupt durchnbsp;eine vergleichende Betrachtung des vorliegenden Materials irgendnbsp;etwas folgern wollen, dann können wir m. E. nur zu dem Ergebnisnbsp;gelangen, dass die germ. 3. Plur. Ind. keine Perfektform, sondernnbsp;aller Wahrscheinlichkeit nach aoristischen Ursprungs ist. Auchnbsp;die 1. nnd 2. Plur. Prat., got. hitum, hüup usw., können wegennbsp;der Endungen ebenso gut dem Aorist als dem Perfekt entsprechen,nbsp;ohne dass sich jedoch hier etwas Sicheres ermitteln lassen.

Das germanische starke Prateritalsystem enthalt nun auch andere Eormen, die sich nur mit Mühe und durch unwahr-scheinliche und künstliche Erklarungshypothesen als ursprünglichenbsp;Perfektformen erklaren lassen. Das ist der Pali mit dem eigen-tümlichen tmd ratselhaften ë-Typus in Eormen wie got. hërmn,nbsp;némmi, gébtmi, métum usw. Dieser Typus ist herrschend im Dualnbsp;und Plural und im ganzen Optativ des Prilteritums der 4. undnbsp;5. Verbalklasse. Mit seinem ë scheint dieser Typus ausserhalb

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317

Der Aorist im germanischen Verbalsysteiu.

des Perfektsystems zu stehen, das ja teils durch die o-Abtönung, teils durch die Tiefstufe charakterisiert ist; und die eifrigennbsp;Bemühungen, auch die é-Pormen als ursprünglich tiefstufige Perfekt-formen niit Dehnung der Eeduplikationssilbe wegen des Schwundsnbsp;des Wurzelvokals zu erklaren, scheinen mir ziemlich inisslungen.nbsp;Eine idg. Form wie *sezddmé zur Wurzel *sed halte im Gotischennbsp;*sistum ergeben. Warum heisst es nicht *numum, *lgt;aurum, *stulumnbsp;wie himdum, ivaurpum, hulpum ? Auf die verschiedenen Erklarungs-versuche des ë-Typus branche ich doch hier nicht naher einzugehen,nbsp;sondern begnüge mich, auf folgende Behandlungen der Frage zunbsp;verweisen: R. L o e w e, Das starke Prateritum im Germanischen,nbsp;KZ. 40, 266 ff; Streitberg, Urgermanische Grammatik, S. 81 ff;nbsp;Hirt, Zum lat. Perfektum, IF. 17, 278 ff, Indogerm. Vokalismus,nbsp;S. 43 ff; R. C. Boer, Oergermaansch Handboek, S. 88ff; Brug-mann, Zu den Ablautverhaltnissen der sog. starken Verba desnbsp;Germanischen, IF. 32, 179 ff, Grundriss® II, 3, S. 433 ff. und 489 ff;nbsp;N. van Wijk, Das litauische langvokalische Prateritum, IF. 34,nbsp;367 ff; V. Osten-Sacken, Das lit. langvokalische Prateritumnbsp;in seinem Verhaltnis zum Inf. und Pi’iis., IF. 40, 145 ff.; Collitz,nbsp;Das schwache Prateritum, S. 197 ff.; die übrige Literatur übernbsp;die Frage s. bei Brugmann, Grundriss ^ II, 3, S. 427 ff'. — Hiernbsp;werde ich dann nur versuchen, den ë-Typus im germanischennbsp;starken Prateritum im Zusammenhang mit meiner Auffassungnbsp;des starken Prateritums als ein Mischtempus von Perfektformennbsp;und Aoristformen zu erklaren.

Neben dem ë-Typus steht auch ein ó-Typus, und, wie Brugmann (IF. 32, 179 ff'.) nachgewiesen hat, kann dieser Typus ebenso ursprünglich sein als der ë-Typus. Der ó-Typus tritt nicht nur beinbsp;Wurzeln mit «-Vokalismus' auf: got. skóf sköhum zu shahannbsp;(W. *skal)h, lat. scabo «kratze», gr. cxanxvi «grabe»), an. öh okumnbsp;zu aka (W. *ag, gr. öyco, lat. ago, aind. djati), got. öl ólum zu alannbsp;(lat. aló), ags. wód tvödon zu wadan (lat. iiadö «schreite», wödó «wate»),nbsp;usw., sondern auch bei solchen mit e-Vokalismus:

got. för forum, ahd. fmr fuorum, an. far forum usw. zu got. faran usw.: W. *per, gr. Treipco (aus *perj6) «durchbohre», aslav.nbsp;na-periti «durchbohren», vgl. got. far jan «fahren, schiff'en», as.nbsp;ferian, ahd.ferren ags./ër?a« «führen, bringen, fahren»; esnbsp;scheint, dass wir im Ags. sowohl em. ferian —ferede (= goi. farjan)nbsp;als ein ferian—ferode (vgl. an. ferjaferjaèd) haben.

' Das a kann idg. a, o und 9 sein, vgl. Wilmanns, Deutsche Gramm. Ill, S. 33.

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J. Sverdrnp.

got. grof gróhum, ahd. gruoh gruohmn, an. gróf grófum usw. zn got. grahan usw.: W. *ghrel)h, agt;sla,v. greha »schabe, kratze»,nbsp;lett. grehju «liöhle aus».

got. móf fnólum, ahd. muol muoltim, an. möl móltim usw. zu got. malan usw.: W. ''-'mei, aslav. meljq «niahle»; ahd. as. melo, ags.nbsp;melu, meolo, an. mjgl (aus *melwa-) «Mehl».

got. slöh slóhum, ahd. sluoh sluogum, an. .dó slógum, usw. zu got. slahan usw.; W. *slelc, ir. .sligül «fallt, schlagt nieder», wozunbsp;3. Sing. Prat. 'selaig (aus *'seslaig) «schlug nieder».

an. göl gólum, ahd. guol guoluni usw. zu an. gala ahd. galan usw. : W. *ghel, an. gjaJla, ags. giellan, ahd. gellan «geilen, ertönen»;nbsp;gr. xeXibcóv «Schwalbe».

got. si€Ör .s-ivörum, ahd. sivuor Hwuorum, an. s(v)ór H(v)örum, usw. zu got. swaran, ahd. swerien, an. sverja usw.: W. *siwr,nbsp;osk. sverrtmet «deni Sprecher»; vgl. Part. an. sorinn, ahd. gisworan,nbsp;ganz wie an. horinn zu óera, ahd. gihoran zu heran.

an. Icól, ags. cöl zu an. kala, ags. ealan «frieren» ; Wz. ''*gel, *gela, lat. gelö «friere», gelu «Kalte» usw.; vgl. auch ags. cól, ahd.nbsp;kuoli «kühl».

got. wóhs wóhmm, ahd. wtiohs wuohsum, an. óx óxmn, usw. zu got. wahsjan, ahd. wah.mn, an. vaxa usw.; gr. d(F)É5co «vermehre».

got. wok wökum. zu wakan: W. *ueg, lat. uegeó «bin munter», uegetm «rührig, munter», uigü «wachsam» ; vgl. an. vakinn.

ahd. giwuog giwuogum (Pras. giwahanen «sagen, sprechen»): W. *He¥k, gr. ënoc, el. kypr. Féjto;; «Wort»; vgl. aind. Perf. iivdcanbsp;V. «sprach».

got. gamot «findet Raum», ahd. mms «habe Gelegenheit, mag», eine «praterito-prasentische» Form, d. h. ein echtes Perfekt,nbsp;das seine perfektische Bedeutung bewahrt hat, zur Wurzel *mednbsp;in got. mitan, ahd. messan usw., wozu wieder das Prateritum got.nbsp;métum usv. ; s. Meringer IF. 18, 211 ff. Collitz, Schwach. Prat. S. 46.

Ini Italischen finden wir den ë-Typus bei e-Wurzeln in Formen wie uém uénimus (got. qèmum), mli sédtmus (got. sétum), légïnbsp;Jègimus, frégi frêgimus (got. hrékum), alat. dépi (got. hléfum) usw.,nbsp;umbr. 'pru-sikurent «pronuntiaverint» init i aus ë (W. *sek1i). Dernbsp;d-Typus findet sich nicht im lateinischen Perfekt; jedoch scheintnbsp;lat. sópïre «einschlafern» (vgl. aind. svapdyati) auf diesem Typusnbsp;zu beruhen.

Das Keltische zeigt beide Typen, wie das Germanische. Den ë-Typus finden wir bei Formen wie ro'ir «er hat gewahrt» zu Pras.

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Der Aorist im gerraanischen Verbalsystem.

Konj. fu 'mulair «er urteilte» (vgl. got. métuni) zii Pras. miditliir, 'fidedar «sie führten« zu Pras. feAid. Daneben steht auch dernbsp;o-Typus: gaid «er bat gebeten» zu Pras. guidid, rdith «er lief» zunbsp;Priis. rethid, taich «er floh» zu Pras. techid usw. (s. Thumeysen,nbsp;Hdb. des Altirischen I, S. 396 ff.).

Das Griechische zeigt den ó-Typus z. B. im hoinerischen Plusquamperfekt ctcopro (vgl. lit. vora «Eeihe» init -ö-), das einnbsp;Perf. *dcopa zu cteipco «hebe auf» voraussetzt (s. Brugmann, IF. 32.nbsp;S. 184).

Im Baltischen ist der ë-Typus sowohl durch lit. Priiterita wie émiaü «ich nahm», w'émiau «ich erbrach mich», gëriau «icb trank»nbsp;USW'. als durch -ues'.-us- Partizipia wie èmqs, wëmqs, gêrqs, sédf^snbsp;(zu üèsti «sich setzen») vertreteii (s. N. van Wijk, Das litauischenbsp;langvokalische Prateritnm IF. 34, S. 367 ff; W. Frhr. v. d. Osten-Sacken, Das litauische langvokalische Prateritum in seinem Ver-haltnis zum Infinitiv und Prasens, IF. 40, S. 145 ff.).

Auch im Arischen fiuden wir oft den langvokalischen Stamm. Aber wegen des lautlichen Zusammenfalls von é d d in d imnbsp;Arischen können wir nicht bestimmt entscheiden, welche Formennbsp;zum è-Typus und welche zum d-Typus gehören. Die -iies- Partizipianbsp;haben bisweilen langen Stammvokal, z. B. aind. sahvas- zur Wurzelnbsp;*segh »bewaltigen», dacvds-, dagivas- «Opfer darbringend». Den-selben langvokalischen Stamin finden wir auch in Prasensformennbsp;wie aind. sdhati «bewaltigt, ddAi «opfert», rdsti «herrscht» undnbsp;in Formen des sigmatischen Aorists wie dyanisam «ich reichte,nbsp;dchantsam «ich fand Gefallen», dtarsani «ich überschritt», dchditsamnbsp;«ich schnitt ab», usw. (s. Meillet, Mélanges Saussure, S. 102 f.).nbsp;Weiter erscheint der Dehnstamm in Perfektformen wie aind.nbsp;msdhé und vor allem in der 3. Sing. Ind. Akt. Perf. wie cahdranbsp;«er hat gemacht», tatdna «er hat gedehnt», hahhdra «er hat ge-tragen», uvdr:a «er hat gesprochen» (vgl. ahd. gitvuog); diesernbsp;Dehnstamm im Perfekt gehort aller Wahrscheinlichkeit nachnbsp;zum d-Typus. Endlich findet sich der Dehnstamm auch in dernbsp;3. Sing. Med. Aor. auf -i (Passivaorist) Z. B. aind. vdci, dvaci, sddi,nbsp;dmdi,dkayi,di'dhi (zn'Gn/i- «führen»), dgdmi (zu *gain «gehen») usw.

Diese beiden Typen.der ë-Typus und der d-Typus, haben ursprüng-lich kaum dieselbe Funktion gehabt, mit anderen Worten, sie sind kaum beide perfektisch. Der d-Typus muss zwar perfektischnbsp;sein; das zeigt schon die deni Perfekt eigene o-Abtönung. Altenbsp;Perfekta sind deshalb Formen wie got. for forum, grof gröbiim.

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.1. Sverdrup.

möl möluni usw. ^ air. gaid, raith, taich^ usw., aind. sasahé, cakdra., sasdda, uvdca usw. Die Formen mit -é- dagegen lassen sich kaumnbsp;als alte Perfektformen erklaren. Zwar ist aind. sèdimd ausnbsp;*sesdimd aus einer reduplizierten sckwundstufigen Perfektform ent-standen, denn das alte é musste im Arisclien d geben. Dagegennbsp;das ë in den italischen, keltischen, germanisclien und litauischennbsp;Formen lasst sick kaum in ahnlicher Weise erklaren. Weil nunnbsp;der alte Aorist im Italischen und Keltischen so bedeutende Spurennbsp;hinterlassen hat, wahrend im Baltischen das Perfekt, von dennbsp;«es-Partizipia abgesehen, völlig untergegangen und der Aoristnbsp;mit dem alten Imperfekt semantisch zusammengefallen ist, liegtnbsp;es doch am nachsten, den ë-Typus, im Gegensatz zu dem per-fektischen ó-Typus, als ursprünglich aoristisch zu erklaren. Aoristi-schen Ursprungs sind dann Formen wie got. hèrum, nèmum, gëbum,nbsp;sëtum usw., lat. mni, sèdi, légi usw., air. 'ir, 'midair, 'fidedar, lit.nbsp;émiau, ivémiau, geriau usw. Im Vokalismus stimmen diese Formennbsp;zu der 3. Sing, des altindischen Passivaorists, z. B. dsadi: lat.nbsp;sëdi, got. sëtum, dgdmi: lat. uéni, got. qénium.

Für das Germanische ist weiter Folgendes zu beachten. Als echte Perfektformen hatten wir got. *numum, *haurtim, *stulumnbsp;erwarten sollen, ganz wie bundum, waurpum, hulpum. Nun findetnbsp;sich wirklich der Typus *numum, und zwar bei den Praterito-prasentia, z. B. munum, skulum, die ja eben alte Perfekta mitnbsp;erhaltener perfektischer Bedeutung sind, und die auch im West-germanischen in der 2. Sing, die alte Perfektform auf 4 bewahrtnbsp;haben. Daraus darf man wohl mit grosser Wahrscheinlichkeitnbsp;schliessen, dass Formen wie nëmum, hèrum, stèlum nicht perfekti-schen Ursprungs sein können, und dann liegt es am nachsten,nbsp;an den alten Aorist zu denken. Sehr bezeichnend ist weiter dernbsp;Gegensatz von got. gamot gamötum, ahd. muo2 muozum («findenbsp;Eaum», ursprünglich etwa «habe eine von mir zu leistendenbsp;Abgabe einem zugemessen») und got. métum, ahd. mdzum. Beidenbsp;Formen gehören zu derselben Wurzel *med, «messen»; abernbsp;gamötum ist ja praterito-prasentisch, d. h. ein echtes Perfektum;nbsp;das kann nicht gleichzeitig auch mit mëtum der Fall sein, darinnbsp;steekt vielmehr ein alter Aorist. Meines Erachtens bemerkt des-halb A. Meillet mit vollem Eecht (Dialectes indo-européens,

' Wie diese Verba im Prasens a bekommen und sich .somit der 6. Ablauis-reihe augeschlossen haben, berührt uns nicht hier; die Erkliirung gibt Brug-mann iu seinem Aufsatz IF. 32, 179 ff.

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Der Aorist im germanischen Verbalsystem.

S. 107): «II est probable que la voyelle longue des types v. irl. gad et got grof n’a rien a faire avec du type got. setiim, latnbsp;sédi: got. qenium, lat. uëtii; v. h. a. hrahhum, lat./'rë97, et desnbsp;prétérits lituaniens tels que èmé, vëré, etc. Ce qu’enseigne surnbsp;ces formes M. Loewe, K. Z., XL, 289 et suiv., est évidemmentnbsp;erroné (sans parler du skr. sédimd, qu’on est surpris de voir citernbsp;a cóté de formes a é indo-européen). Gommes les prétérito-présentsnbsp;ont Ie Tocalisme zéro au parfait, ainsi dans got. munun, shulun,nbsp;en regard du degré é des prétérits ordinaires tels que got. qemun,nbsp;herun, ces formes a è radical sont trés suspectes d’être d’anciensnbsp;aoristes; nulle part en effet, elles n’ont valeur de parfaits propre-ment dits, et partout elles servent de prétérits; Ie contraste denbsp;got. munun «ils pensent» et de qemun «ils sont venus» seinblenbsp;décisif. Et dés lors lat. uéni, -lëgi etc. doivent passer aussi pournbsp;être issus d’anciens aoristes, de même que t. irl. ro 'mïdar».nbsp;Dieses bat Meilief schon im Jahre 1908 geschrieben. Leider scbeintnbsp;Brugmann weder in seinem Aufsats IE. 32, S. 179 ffc' (1913) noclinbsp;in der zweiten Auflage seines «Grundrisses» (1913) irgend welchenbsp;Rücksicht auf Meillets Aufsatz «Le Parfait» genommen zu haben;nbsp;dieser wichtige Aufsatz findet sich nicht einmal in dem sonstnbsp;so reichhaltigen Literaturverzeichnis des «Grundrisses».

Wenn nun der é-Typus in Pormen wie got. némum, bérum, ¦sétum usw. aoristischen Ursprungs ist, dann können auch dienbsp;dehnstufigen 2. Sing, des Westgermanischen wie ahd. ndmi, hdri,nbsp;mzi hierher gehören, und sie brauchen nicht wie oben S. 313 f.nbsp;¦durch Analogie erklart zu werden. Notwendig ist doch diesenbsp;Annahme nicht, und weil aussergermanische Entsprechungen sichnbsp;kaum nachweisen lassen, glaube ich, dass die oben S. 313 f.nbsp;gegebene Erklarung durch Analogie vorzuziehen ist, die ja fürnbsp;Ponnen wie ahd. fuori, sluogi usw., hiazi, fiangi usw. die einzignbsp;mögliche ist (vgl. auch Brugmann, Grundriss’’ II, 3, S. 123, 135 f.,nbsp;und besonders 490 f.).

Auch unter den westgermanischen und nordischen Praterita, denen im Gotischen reduplizierte Praterita entsprechen, findennbsp;sich, glaube ich, einige alte Aoristformen. Auf die ganze schwierigenbsp;und umstrittene Prage ' nach dem Verhiiltnis der nordischen undnbsp;westgermanischen reduplikationslosen Praterita zu den ent-

' Uie Literatur über diese Frage ist jetzt ziemlich gross; es genügt jedoch bier, auf Brugmann , IF. 6, 89 ff., Felst, PBB. 32, 447 ff. und Janko, IF. 20, 229 ff-(mit reiclihaltigem Literaturverzeichnis) zu verweisen.

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J. Sverclrnp.

sprechenden reduplizierteii Praterita iiii Gotischen kami ich hier nicht naher eingehen. Nur möchte ich betonen, dass init dernbsp;Annahnie von Kontraktion, Eeduplikationsverlust und von ana-logischen Uinbildungen ursprünglich reduplizierter Foriuen ininbsp;Nordischen und Westgernianischen ni. E. nicht durchzukonimennbsp;ist. Aïich gibt es iinter den Anhiingern der Kontraktionstheorienbsp;(Z. B. Kluge, Noreen, Bethge, Wilnianns, Loewe) kauin zweinbsp;Forscher, die darüber einverstanden sind, wie sich die Fornien-reduktionen iin Nordischen und Westgernianischen vollzogen haben.nbsp;Forinen wie abd. hiaz, skiad, liaz, hliaz, hialt, fiang usw. lassennbsp;sich kauin durch Kontraktion erklaren. Wenn wir iui Angelsacb-sischen die anglischen Formen heht, reord, Icolc, ondreord, leortnbsp;neben den westsachsischcn hét, réd, léc, ondréd, Ut finden, scheintnbsp;es doch ganz unannehmbar, dass diese Nebent'orinen auf dieselbennbsp;reduplizierten Vorfornien zurückgehen.

Loewes Kontraktionstheorie (KZ. 40, 316 ft’., Gernianische Sprachwissenschaft ® II, 77 ff.) scheint niir zieinlich verfehlt. Ernbsp;operiert init einein «Disshnilationsgesetz», das sogar «ausnahmslos»nbsp;sein soil: «folgt auf eine aus konsonant e bestehende haupt-tonige anfangssilbe konsonant -[quot; rokal, so schwindet der konsonant an zweiter stelle» (KZ. 40, 319). Aber waruni finden wirnbsp;dann keine Dissimilation bei as. deda, an. rera, und bei Nominanbsp;wie ahd. heliara, ags. tcter, ahd. hihar, hihur (aus *hebar) usw. ?nbsp;Sehr ratselhaft scheint es auch, dass diese Dissimilation nur nachnbsp;dem Vokal e eingetreten sei (vgl. ahd. hahan, huohön, ivèwurt,nbsp;gagani, an. gagarr, nsw.). Das heisst nur den Schwierigkeitennbsp;aus dem Wege gehen. Wegen der anglischen Formen heht, leort,nbsp;leoJe, reord, oiidrcord lasst Loewe willkürlich den dissimilatorischennbsp;Schwund nicht vor einein Konsonanten stattfinden. Dann nimnitnbsp;er an, dass diese Singularformen sich nach den schwundstnfigennbsp;Pluralformen gerichtet batten, indeni er als solehe z. B. *leltun,nbsp;*rerdn)i aufstellt. Aber diese Formen sind ganz wiUkürlich,nbsp;nirgends belegt und sehr unwahrscheinlich, weil wir sonst keinenbsp;Spur von der schwachen Stammform im Plural der redupliziertennbsp;Praterita finden’; als Pluralformen sollten wir übrigens in der Tatnbsp;''delatun (oder *Jelaitun), *reraduii (oder *reraid;un) erwarten, wodannnbsp;nach Loewe die Dissimilation eintreten niusste. Oder wenn Loewenbsp;selber sétum über '¦'se-od-mé aus ^ge-sod-mé entstehen lasst, dann solltenbsp;man seiner eigenen Theorie zufolge eher die Entwicklung '*le-h)d-mé

' Vgl. Brugmanu, Grundri.ss II, 3, S. 481 uud Janko, IF. 20, 268.

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Der Aorist im germanischeii Verbalsystem.

gt; nbsp;nbsp;nbsp;*le-9(l-mé gt; *Jétum und *ye-r,)(Ui-mégt; *re-9(lh-mé^ *réönin, beidenbsp;mit ë/ erwarten. Soinit gerat er nur in Widersprnch mit sichnbsp;selbst. In lautlicher Hinsicht scheint weiter die Annahme bedenk-lich, dass sowohl é a als é -|- ai nnd é ë in ë ^ zusammen-gefallen seien, wahrend wir docli einen ganz anderen Ursprungnbsp;des ë^ kennen. Wie willkiirlich Loewe überhaupt verfahrt, zeigtnbsp;nun noch ein Beispiel. Um die verschiedenen Prateritalforniennbsp;des Verbs «lassen» zu erklaren, ninimt er ohne Bedenken sogarnbsp;vier alte Nebenfornien an: *Möta, *ldéta, *löta, *lëta; *Möta innbsp;got. iailót und niit dissimilatorischein Schwund des zweiten l innbsp;westgerin. *leot (V); *léléta mit derselben Dissimilation in ags. lét,nbsp;ahd. liaz usw.; *löta aus *lelöta mit haplologischem Schwund dernbsp;Reduplikationssilbe in aschw. lót, und so auch *Iéta, haplologischnbsp;gekürzt aus leléta, in aschw. lat. Wie ist denn alles doch herrlichnbsp;einfach! Kein Wunder, dass Loewe mit Stolz ausbricht: «Esnbsp;macht auch keine schwierigkeiten, die vokale der nord.-westgerm.nbsp;formen durch kontraktion des reduplikationsvokals und der wurzel-vokale zu erklaren» (KZ. 40, 316).

Man hat behauptet, dass die Reduplikationssilbe bald unbe-tont, bald haupttonig sein könnte (s. ISToreen, Geschichte der nordischen Sprachen, § 239 ft'), und danach hat man dann mitnbsp;diesem Wechsel willkürlich und schematisch operiert, um dienbsp;nordischen und westgermanischen Formen aus den entsprechendennbsp;reduplizierten Praterita herzuleiten ; Z. B. urnord. *hehait^ *lihait

gt; nbsp;nbsp;nbsp;wn. heit,'- aber *héhait gt; *héceit gt; *héétlgt; *héit'^yvn. hét;nbsp;urnord. *feftill gt; *ffall gt;gt; on. fall, aber *héhal(l gt; *héalt;gt; héltlgt;nbsp;wn. helt (so Noreen). Aber die Annahme eines solchen Akzent-wechsels ist völlig aus der Luft gegriften. Vor der germanischennbsp;Akzentverschiebung war aller Wahrscheinlichkeit nach die Reduplikationssilbe nieinals haupttonig. Dafür spricht die altindischenbsp;Betonung^: vavarta, vavrtmd, ravrtüfi (-ür) vavrté, vavdrtat,nbsp;vavrtyut, vaijtvch-, und dazu stimmen auch die Formen got.nbsp;saidép und an. sem (vgl. saitio), wenn hier die Erweichung desnbsp;Spiranten wirklich auf die vorgermanischen Akzentverhaltnissenbsp;zurückgeht; denn eine Möglichkeit ware es auch, dass der stimm-hafte Spirant hier durch Dissimilation entstanden ist. Die grie-

‘ Über heit s. jedoch Hesselman, Arkiv 27, 360.

° Hirt (IF. 17, 284 und Indogerm. Vokalismus S. 43) nimmt an, dass in der 3. Plur. des Perfekts (wie des Priisens) der Ton auf der Reduplikationssilbenbsp;lag; wenig überzeugend.

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J. Sverdrup.

chische Betonung jLiégova, XéAoï^ra beruht auf der Neiguiig im Grie-cbischen, den Akzeiit zurückzuziehen. Den Grad der Schwacli-tonigheit der Reduplikationssilbe kennen wir nicht ; vermutlich bat sie doch einen Nebenton getragen in Formen wie vavrtimd,nbsp;WO die Wurzelsilbe sich in Akzentdepression befand. Nach dernbsp;germanischen Akzentverschiebung dagegen lag der Ton immernbsp;auf der Reduplikationssilbe. Das Nebeneinander von got. saislépnbsp;und gasaizlèp beweist gar nichts; denn wenn der stimmhaftenbsp;Spirant in gasaizlèp altererbt ist, ^ beruht wohl saislép auf demnbsp;Einfluss der Prasensformen; und so auch got. saisö gegenübernbsp;an. sera. Für die Aniiahme eines Wechsels von unbetonter undnbsp;haupttoniger Reduplikationssilbe gibt es somit keine Anhalt^.

Wir haben überhaupt keine Gewahr dafür, dass die redupli-zierten gotischen und die entsprechenden unreduplizierten west-germanischen und nordischen Praterita ursprünglich identisch sind, und deshalh dürfen wir auch nicht ohne weiteres voraus-setzen, dass die reduplizierten Formen im Gotischen die einzigennbsp;und ursprünglichen Praterita dieser Verba sind. Freilich findennbsp;sich gewiss Üherreste reduplizierter Praterita sowohl im West-germanischen als im Altnordisclien. Es sind die anglischen Formennbsp;heht, leort, leolc, reord, ondreord, (zu hata(n), léta(n), Idca(n), réda(n),nbsp;ondréda(nj) und die altwestnordischen Formen sera, rera, gr era,

* Über das Verhaltnis got. saislép: saizlëp bemerkt Meillet, Mémoires 15, 82 f: «On a peine a croire que Wulfila ait écrit trois fois saislép saislepun,nbsp;et deux fois les anciens saizlep saizlepun (v. Streitberg, Got. Eb., § 211, p. 136);nbsp;il est plus naturel de supposer qu’il a écrit partout saizlep saizlepun, et quenbsp;ces formes uniques dans leur genre ayant été éliminées dans la langue parlée,nbsp;les copistes ont parfois introduit les formes qu’ils employaient.j Und in einernbsp;Fussnote fügt er binzu; «11 est trés peu probable qu’il y ai jamais eunbsp;d’alternance tel que saizlep saislepun par exemple; car il ne semble pas quenbsp;Ie parfait indo européen présentat, comme Ie présent, Ie ton sur Ie redouble-ment S, certaines formes; Ie Sanscrit prouve peu a eet égard, paree qu’il n’admetnbsp;en principe d'autre mouvement du ton qu'entre élément prédésinentiel etnbsp;désinence; mais Ie grec, oü I on a bebóoSlai bebopévoc; en contraste aveo amp;iamp;oa9-atnbsp;amp;iamp;ópevoc;, vient appuyer Ie témoignage du Sanskrit (v. M. S. U. XIII, 110 etnbsp;suiv.); got. saizlep saizlepun et v. isl. sera coneordent avec ce qu’enseignent Ienbsp;Sanskrit et Ie grec.» — Streitberg, Got. Eb. ® bat in einer Fussnote S. 148nbsp;über got. saislép: saizlep mitgeteilt: «Nach Sievers ersebeint z bei gewöhnlichemnbsp;Fallton, s dagegen, wenn ausnahmsweise Steigtou eintritt.» — Übrigens ist esnbsp;auffallend, dass z nur und alleinberrsebend in den Verbalformen mit ga- auftritt:nbsp;gasaizlëp (.1. 11, 11), gasaizlëpun (K. 15, 6); sonst finden wie nur belegt: saislépnbsp;(M. 8, 24), anasaislëp (L. 8, 23), anasaislëpun (Tb. 4, 14).

¦ Vgl. auch Janko, IF, 20, 265 und 268, Fusseote.

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Der Aorist im germanisclieii Verbalsystem.

snera, gnera (zu sd, róa, gróa, smia, gnüa), obwohl es bei diesen letzteren fraglich scheint, ob sie alle ui’sprüiiglich rednpliziertnbsp;waren; das Ostnordiscbe bat bier überall ein Dentalprateritum.nbsp;Es lasst sicb ferner nicbt leugnen, dass aucb andere westgerin.nbsp;nnd an. Formen auf alte reduplizierte Praterita zurückgebennbsp;können, indem bei dem Wegfall der Reduplikation Lautinecba-nisches, Dissimilation nnd analogische Uinbildnngen zusainmen-gewirkt baben können, z. B. Ponnen wie an. jók, jos, hjó, ags.nbsp;héow, an. hjó nnd wobl aucb andere Ponnen.

Aber mit dieser Erklarungsweise koinmt man bei allen diesen Verben kaum durcb. Die Annabme liegt deshalb nahe, dassnbsp;aucb nnter diesen Verben einige alte reduplikationslose Perfektanbsp;nnd Aoriste sicb ins Westgermanische nnd iVordische hiniiberge-rettet baben können. Und wenigstens in einem Falie glaube icb,nbsp;dass wir es aller Wahrscbeinlichkeit nach mit alten Aoristformennbsp;zii tun baben, namlicb bei den Verben, die zwischen Prasens

zeigen. Es sind dies die

und PrÉiteritum die Abstufung ai: é'

Verba germ, aikan, fraisan, haitan, laikan, maitan, skaipan, sivai])an, taisan, plaihan.

Wie Jellinek (PBB. 15, 297 ff.) erst nachgewiesen bat, gebt germ, ê ^ in bestimmten Pallen auf idg. éi zurück:

Got. hér «bier», an. hér, as. ags. hér, afries. hir, ahd. hear, hiar; daneben abd. Inr, kir; vgl. got. hina, hita, an. kinig, hinugnbsp;(= got. kina wig)', zinn Pronominalstamm idg. *ki, also hér ausnbsp;idg. *kéi-r.

Ahd. skéri «scharfsicbtig», skéro, skiaro «schnell»; wenn dieses Wort mit got. skeirs «klar, deutlich», an. skirr, usw. und mit an.nbsp;skérr «ungemiscbt, rein, klar» verwandt ist, muss wobl skéro aufnbsp;idg. *skéi-r- zurückgeben; an. skérr dann vielleicht aus *skiiri- ?

Abd stiega, mhd. stiege, nhd. Stiege, ahd. stiagil «Stufe, Treppe»; dieses Wort muss wobl mit ahd. steiga «steile Pabrstrasse», got.nbsp;staiga «Steig, Weg», an. Steig (Ortsname, vielleicht mit dernbsp;Bedeutung «steiler Abhang» oder «steile Pabrstrasse»), ags. stmgernbsp;f. «Treppe», neben abd. stiga f., an. stigr und stigr m. «Steig,nbsp;Pfad», ags. stig f. «Pfad», abd. stig m. «Steig» verwandt sein;nbsp;alle zu got. steigan usw., gr. cJrei'xco «gebe, steige». Pür abd. stieganbsp;erhalten wir somit eine Grundform idg. *stéigha; vgl. Brugin.,nbsp;Grundr. I S. 205.

Ahd. jêrf, jiari «scbön, prachtig», innd. untëre «hasslich», abd. ^iari f. «Scbmuch, Zier», mnd. lër «Glanz, Ruhin»; daneben

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,T. Sverdrup.

an. tin- in., as. ags. tiv in. «Ehre, Rulini», mid nenisl. térr «rein, klar», nennorw. tcêra strahlen». Ahd. ^èri ist wohl idg. *déirio-niit derselben Vokalstiife wie iin avestischen 5-Aorist riais «dunbsp;sahst;» isl. térr viellicht aus ’^(Uirio-?

An. vér, akd. wér, wier wohl aus idg. *néi-s, gegenüber got. wei-s, aind. vatj-am.

Ahd. wiara f. Golddraht, inhd. wiere; daneben an. vira-virlci «Arbeit aus Metalldraht,» ags. wir «Metalldraht», und auch ags.nbsp;war «eine Art Seegras». Das ahd. Wort ist wohl ein idg. *nëira;nbsp;ags. war hat vielleicht die Stufenbsp;nbsp;nbsp;nbsp;vgl. lat. vière «Hechten»,

aind. vciyati «webt, flicht».

Mnd. Icêl in. «enge Meerbucht», gegenüber an. kill in. «enge Meerbucht», und neunorw. keil a f. «kleine Eiiine, Kanal» (vgl.nbsp;ahd. kil «Keil», neunorw. kilc)', vgl. got. uskeinan «entkeiinen»,nbsp;ahd. kinan, ags. kinan «bersten, sich spalten»; also kél wohl ausnbsp;germ. *kèila- (s. übrigens Eeist, Got. Wörterb. unter kcinan).

An. vél f. «Kuiistgriff, List», véla «bestrieken», gegenüber ags. ivil^ n. «List, Betrug»; vgl. lit. rylius, List, Betrug, vyliótinbsp;«betrügerisch locken»; vél aus idg. *uéil-.

Ags. mèd f. «Lohn, Bezahlung, Miete», ahd. méta, miata, as. mèda, afries. méde, mide; daneben got. mizdö f. «Lohn», ags.nbsp;meord f. (an. Xsy.], und ahd. meida, aofries. meide; Ygl. aind. midhdmnbsp;n. «Kanipfpreis, Wettkampt'», gr. pioHóq in. «Lohn». Für ags.nbsp;mèd erhalten wir somit mit Jellinek eine idg. Grundform *méizdhd.

Der Volksname afries. Frésa (auch Frésinne f. Fréslroid, frésisk) ags. Frésan, ahd. Frieson gegenüber der Ablautsforninbsp;afries. Frisa, ags. Frlsan, an. Frisir. Dieser Ablaut ist bei dennbsp;Völkernamen nichts Merkwürdiges; wir haben z. B. Gaid-: Gut-,nbsp;Greut-: Grut-, usw.. Schon Zeuss (Die Deutschen und die Nach-barstiimme, S. 13(5) hat Frése, Frésan, Frieson und Frisa, Frisan,nbsp;Frisir init afries. frése, frase f. «Gefahr» (wozu afries. frèslik,nbsp;frdslik, frashéd), eiS. frésa f. «Gefahr», ahd./re/,s’a f. «Gefahr», as.nbsp;frèsón «in Gefahr, Versuchung bringen», 2igs. frdsian «versuchen,nbsp;prüfen», ahd. freisön «in Gefahr sein», inhd. vreisen «in Gefahrnbsp;bringen», und weiter mit got. fraisan «versuchen» zusainmen-gestellt. Diese Zusaminenstellung scheint mir noch immer dienbsp;beste, obwohl sie von den ineisten Forschern jetzt abgelehntnbsp;wird. So bemerkt Schönfeld (Altgerm. Personen- und Völker-

' Ags. \iSll ist jedoch eio ziemlicli spates Wort, und es ist deshall) möglich, dass es zu ags. wiglian «practise sorcery» gehort; vgl. ags. geicilimg «divinatio».

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Der Aorist im germanischen Ver1)alsystem.

namen, S. 9(5): nbsp;nbsp;nbsp;« Die zuerst von Zeuss angenoinmene Beziehung

zu got. fraisun usw. scheitei’t an dein Umstand, dass ai in. W. niemals als Ablant zii ë' ersclieint». Aber dieser Einwand istnbsp;gar nicht stichhaltig. Wie die obigen Beispiele zur (Heniige dartun,nbsp;erscheint ai zweifellos als Ablant zu ê^. Wenn übrigens ë ® niit inbsp;ablautet, innss es anch mit ai ablauten können. In lautlichernbsp;Hinsicht ist die Zusanimenstellung von Zeuss in der schönstennbsp;Ordnung. Got. fraisan usw. stelle ich mit S. Bugge (PBB. 24,nbsp;435 f.) und H. Hirt (Idg. Ablaut, S. 121) zu der Basis *peréi innbsp;lat. periculum «Versuch, Probe, Greiahr»,perïtus «erfahren», usw. ^nbsp;Der Yolksname Fréna gelit somit auf eine Ablautsstufe '^préi-n-zurück. Die Bedeutung des Namens war vielleicht «die Kühnen»nbsp;oder «die Erprobten«. Diese Erklarung lindet eine bedeutsamenbsp;Stütze an dem Namen Franhen des Nachbarstammes. Diesernbsp;Name beruht wohl auf einem Adjektiv germ, ’^franlca- «mntig,nbsp;unerschrocken» in au. frakkr, und die Bedeutung ist wahrscliein-licli «die Mutigen» oder «die Ereimütigen» oder «die Tüchtigen».nbsp;Friemn und Franken bilden ein Namenpaar, das gewiss nichtnbsp;nur durch die Alliteration, sondern anch durch die Bedeutungnbsp;zusammengebundeii war. Beide Namen gehöreii der zahlreichennbsp;Gruppe von Völkernamen, die persönliche Epitheta enthalten,nbsp;wie Chanci «die Hohen», Uhii «die Üppigen» oder «die Über-mütigen», Sugamhri «die Tatkraftigen», Sciri «die Glanzenden»nbsp;oder «die ülfonkundigen» (s. Much, Reallexikon, IV, S. 430) u. a.m.

' Mehrere Porscher fassen got. fraisan usw. als eine Zusammensetzuug mit Ara- auf. Einige (Hoffmann, I'EPAS, ,S. .S8, Wood, Mod. lang. notes 13, 310,nbsp;Uhlenbeok, PBK. 80, 277) sehen in got. fraisan eine Zusammensetzuug *fra-isan,nbsp;andere (Brugmann, Grnndriss^ I, 925. Wiedemann, BB. 28, 48) ein *fra-aisan;nbsp;und man vergleicht gr. ïjiepo^ «Sehnsucht», aind. icchdti «wünscht», usw., odernbsp;an. eisa «vorwarts eilen», aind. prés «Drang», isatè «eilt», um nur einige Vermut-ungen zu nennen. Sowohl in lautlicher als iu semantischer Hinsicht scheinennbsp;mir diese Erkliirungen unannehmhar. Wenn got./raisora aus */ra-isan entstandennbsp;wiire, sollten wir doch Prüt. *frés erwarten, ganz wie fraifan (d. h. fra-itan vgl.nbsp;ahd. frezzan) — Prat. fret, aber es heisst faifrais, das eine Ausspraehe fraisannbsp;bezeugt. Eine Zusammensetzung mit einem dem an. eisa entsprechenden Verbnbsp;sollte got. *fraisön geben, und ein Übergang iu die reduplizierte Klasse ist dochnbsp;wenig glaubhatt, Und in senmntischer Hinsicht, wie gelangt man denn vonnbsp;eiuer Bedeutung «wünschen, sehnen« oder «eilen» zu der Bedeutung «in Gefahrnbsp;bringen (sein)»? Die ursprungliche Bedeutung der germ. Wörter ist zweifellosnbsp;«Gefahr, in Gefahr bringen (sein)»; die biblische (christliche) Verwendnng desnbsp;Wortes /rnisfflM bei Wulfila ist leioht ver.standlioh.

Auf die übrigen Erkliirungen des Namens der Friesen brauche ich hier nicht niiher eiuzugehen; sie siud m. E. alle unannehmbar. Sehr beliebt ist die

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J. Sverdrup.

Kehren wir nun zu den oben angeiuhrten Verben mit dem Yokalismus ai wie haitan, laikan, maitan usw. zuriick, dann findennbsp;wir, dass sie im Westgermaniscben und im Nordiscben ihrenbsp;Praterita mit ê® bilden, und dass auch dieses ëquot; sich aus idg.nbsp;éi berleiten liisst:

haitan: Priit. an. ags. as. hét, afries. hét, hit, ahd. hiaz. Die Etymologie von haitan ist zwar unsicher; sehr ansprechend istnbsp;aber die Erklarung von Brugmann (IF. 6, 89 f, vgl. Wood, Mod.nbsp;lang. notes 16, 310), der haitan mit. lat. eière und cire «in Be-wegung setzen,» accio, cito «rufe berbei,» gr. xico «gehe», xivécanbsp;«setze in Bewegung, treibe,» xivupai «bewege mich,» usw. ver-bindet (fiir die Bedeutungsentwicklung vgl. gr. xéXXto «bewege»:nbsp;xéXopai «treibe an, fordere au£, rufe an, rufe bei Namen, nenne»)-Die Wurzel ist *kéi: *k9i: *ki. Bei dem germ. Verb erhaltennbsp;wir somit eine Abstufung Pras. *kai(lö: Prat. *kèid-

ftkaipan, skaidan (got. skaidan, ags. scadan, as. skéthan, afries. ^¦kétha, ahd. sceidan): Prat. ags. need, as. skéth, ahd. sciad. Ver-wandt sind ahd. scidön «scheiden» und sc.it «Scheit». Ausser demnbsp;Germanischen sind verwandt ir. sciath «Schulterblatt, Schwinge,»nbsp;und ferner (mit verschiedenem Dental) aind. chédah «Schnitt», gr.

«spalte,» lett. skaidit «verdiinnen,» skaida «Span,» usw. Abstufung beim gerni. Verb: Pras. *s]clt;gt;itó: Prat. *skéit- (oder *skhlt;gt;itó: *skhèit-). Die Grundwurzel istidg. '*sk(h)éi, die wir oben S. 325 in ahd.nbsp;skéri usw. gefunden haben; es ist doch dann das Wahrscheinlichste,nbsp;dass die beiden in skéri und in as. skéth denselben Ursprungnbsp;haben, namlich idg. éi.

laikan: Priit. an. lék, ags. léc (daneben angl. leoh). Verwandt sind aind. réjati «macht hüpfen,» lit. laigyti «wild uniherlaufen,»nbsp;air. lóeg «Kalb» (aus kelt. *loigo- «Hüpfer» (?)), gr. èXeXiXco (Aor.

Deutung des Namens als »die Kraushaarigen», indem man ein germ. .\dj. *frisia-, woraus franz. friser stammen soil, zu Grunde legt und weiter afries.nbsp;frisle, fresle i. «Haar, Haarlockegt; (frïsle frësle und ags. fris (?) bei Holthausen,nbsp;Afries. Wb., S. 32) vergleicht. Ich flude diese Deutung künstlicb und schwach,.nbsp;nicht uur weil ein germ. Adj. frisia- nirgends belegt ist, sondern auoh weilnbsp;weitere etym. Anknüpfungen, welche die Annahme eines germ. Adj. *frï8ia-rechtfertigen könnten, sich weder unter den germ, noch unter den aussergerm.nbsp;Sprachen naehweisen lassen. Überhaupt ist es fraglich, ob ein germ. Volks-stamm je nach der Haartraeht genannt worden sei. Denn die Deutung des Namens der Langobarden als die «I.angbiirte» scheint mir sehr zweifelhaft; soilnbsp;danu vielleicht der Name Seadobeardan die «Kampfbiirte» bedenten? Dernbsp;Name Hasdingi, an. Haddingjar ist kein Volksname, sondern ein Dynastiename.

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329

Der Aorist im germanischen Verbalsystem.

èXéXi^a) «mache erzittern, schwinge.» Abstufung beim germ. Verb: Priis. *l3igó: Prat. *lèig-.

maitan: Prat. ahd. miaz, mhd. miez. Mit s im Anlaut sind verwandt got. aiza-smipa m. «Schmied,» an. smiör, usw., ahd.nbsp;smida f. «Metall,» usw., gr. 0|riXr( «Schnitzmesser» (Wz. *sméi:nbsp;*sm3i: *snii «hauen, schnitzen»). Abstufung beim germ. Verb:nbsp;Priis. *m3idó: Prat. *mëid-.

taisan (ahd. zeisan «zupfen»): Priit. ahd. zias, mhd. zies. Verwandt sind ags. tman «zerp f Kicken,» mnd. tésen «zupfen,nbsp;kratzen,» ags. teoswian «plagen,» ahd. zeimla «Distel,» norw. tlslnbsp;«Gestraueh,» usw.; ferner ohne «s-Determinativ» aind. dayaténbsp;«zerteilt,» gr. baiouai «teile». Abstufung beim germ. Verb: Priis.nbsp;*digt;isó: Priit. *déis-.

Bei den übrigen vier Verben dieser Gruppe ist die etymologische Erklarung sehr unsicher (über fraisan s. doch S. 32(5 f.). Auch sind bei ihnen, ausser for-swép «fegte hinweg» (vgl wn.nbsp;sveip, ags. sivéop) keine Priiteritalformen mit è belegt.

Wie sind nun die germanischen Praterita mit é ^ aus éi gegenüber Prasentia mit ai aus oi zu beurteilen. An ursprüng-lich reduplikationslose Perfekta ist kaum zu denken. Dagegennbsp;liegt es nahe, den Ablautwechsel ai (lt;i9i):nbsp;nbsp;nbsp;nbsp;(lt;C éi) bei den

germanischen Verben mit dem Wechsel a (lt;Z s): é bei dem lateinischen Typus faciö: fécl, iació: iécï, usw. zu vergleichen.nbsp;Wir haben hier im Lateinischen wie im Germanischen genau dieselbenbsp;Abstufung a: ë, nur dass im Germanischen a: é vor i steht. Nun zeigtnbsp;aber die evidente Zusaminenstellung you fécl mit gr. èhpxa, dass dernbsp;Typus/ëw zweifellos aoristischer Herkunft ist. Wir können dannnbsp;nicht umhin, anzunehmen, dass die germanischen Praterita mit é^nbsp;gegenüber Prasentia mit ai auf alte Aoriste zurückgehen. Diesenbsp;Annahme findet auch eine gewisse Stütze an den dehnstuhgennbsp;,s'-Aoristen im Altindischen, obgleich das Germanische keine Spurnbsp;von dem sigmatischen Aorist aufweist; so linden sich s-Aoristenbsp;mit éi wie aind. dcaisam «ich sammelte,» draiksam «ich überliess»nbsp;(3. Sing draik), dnaiicsam «ich wusch,» usw.; mit aind. d-chaitsamnbsp;lt;ich schnitt ab» lasst sich hinsichtlich des Vokalismus direktnbsp;ags. scéd, as. skéth, ahd. nciad vergleichen.

Die Prage nach der Erhaltung von Aoristformen im germanischen Verbalsystem ist nie ausführlich und eingehend behandelt worden. Der Grund ist wohl eben, dass, wie oben bemerkt, dienbsp;Aulïassung, dass das starke germanische Prateritum ausschliesslich

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DAS GERMANISCHE DENTALPRATERITUM

I. Kritische Einleitung.

Die Frage nach dem Ursprung des germanischen Dentalprateritums oder „schvvachenquot; Prateritums, wie es gewöhnlich nach Grimmnbsp;genannt wird, gehort gewih zu den schwierigsten, aber auch zu dennbsp;interessantesten Fragen der germanischen Sprachwissenschaft. Mehrnbsp;als 200 Jahre haben sich nun die Forscher mit diesem Problemnbsp;beschaftigt, ohne dah eine völlig befriedigende und evidente Lösungnbsp;erreicht worden ist, weder durch Collitz’ grofees Werk 1912 nochnbsp;durch von Friesens Behandlung der Frage 1925. Die Literatur übernbsp;das Dentalprateritum, die jetzt zu einer ansehnlichen Gröfae erwachsennbsp;ist, bildet ein wichtiges Kapitel aus der Geschichte der germ. Sprachwissenschaft, weil es ein interessantes Bild der wechselnden sprach-wissenschaftlichen Grundanschauungen der Forscher verschiedenernbsp;Zeiten bietet.

lm wesentlichen stehen noch zwei Deutungen des germ. Dentalprateritums gegeneinander. Die eine will das Dentalprateritum binnen deni Germanischen aus einer periphrastischen Konstruktion herausnbsp;erklaren, als durch Zusammensetzung mit Formen des Verbums ent-standen, das im deutschen vorliegt. Die andere sucht Anknüpfungnbsp;an das indogermanische Formensystem, indem sie teils auf das ifo-Partizipium baut, teils das Dentalpraterium aus idg. Verbalformennbsp;herleitet. Ubrigens herrscht aber die schönste Uneinigkeit unter dennbsp;Forschern.

Der Urheber der Zusammensetzungstheorie scheint Diederich von Stade zu sein, der in seiner Otfridgrammatik von 1710 in der Silbenbsp;-te von /oór/e Otfrids „deda et tetaquot; erkennt; und nach ihm ist dannnbsp;diese Theorie in verschiedenen Formen weiter ausgebaut worden von

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6 JAKOB SVERDRUP

mehreren Forschern wie Bopp, Grimm, Scherer und anderen, und neulich von Otto von Friesen. Auf der anderen Seite steht wohl alsnbsp;einer der ersten Rask, der im to-Partizipium den Ausgangspunkt desnbsp;Dentalprateritums sieht (auch Bopp legt doch teilweise das /o-Partizi-pium zugrunde); er ist somit der Vorlaufer anderer Forscher, wienbsp;Begemann, Windisch und Flerman Möller. Fine Deutung mit An-knüpfung an das idg. Verbalsystem ist endlich von Forschern wienbsp;Behaghel, Wackernagel, Collitz und zuletzt Brugmann geltend gemachtnbsp;worden. Sonst brauche ich nicbt hier auf die altere Geschichte dernbsp;Erforschung des germ. Dentalprateritums naher einzugehen, weil schonnbsp;Collitz in seinem Werke fiber „Das schwache Prateritum und seinenbsp;Vorgeschichte“ eine vortreffliche historisch-kritische Ubersicht über dienbsp;altere Forschung geliefert hat, obwohl seine Kritik mir nicht immernbsp;ganz unparteiisch scheint, weil er ilberall die friiheren Arbeiten autnbsp;diesem Gebiete im Lichte seiner eigenen Erklarung betrachtet, welche ihmnbsp;das entscheidende Wort in dieser Frage zu sein scheint. Nur mochtenbsp;ich bemerken, dafe unter den verschiedenen Erklarungen, welche vonnbsp;der Zusammensetzungstheorie Abstand nehmen, mir immer noch Bege-manns friiher so verpönte Deutung diejenige scheint, die mit demnbsp;germanischen System am besten im Einklang steht. Und doch mufstenbsp;seine Deutungsversuch scheitern, weil er zu keiner befriedigenden Erklarung der Flexionsformen des Dentalprateritums fiihren konnte.nbsp;Dagegen scheint es nicht unangemessen, die von Collitz gegebenenbsp;Ubersicht fiber die altere Forschung hier weiterz’uführen durch einenbsp;kritische Erörterung der spateren neuen Erklarungsversuche von Collitznbsp;selbst bis zu v. Friesen. Denn dadurch gelingt es vielleicht, zu wei-teren Ergebnissen in dieser schwierigen Frage zu gelangen, wennnbsp;diese Ergebnisse auch nicht in dieselbe Richtung gehen mochtennbsp;wie diejenigen, die Collitz seiner Ansicht nach gewonnen hat.

Schon im Jahre 1888 hat Collitz das germanische Dentalprateritum behandelt (Amer. Journal of Philology 9, S. 42 ff.; BB 17, S. 227 fi'.);nbsp;seine Hauptarbeit ist aber, wie oben erwahnt, „Das schwache Prateritum und seine Vorgeschichtequot; (Hesperia I, 1912)’. Collitz sucht

^ Ich verweise hier auf die ausführlichere Besprechung dieser Arbeit in den Indo* germ. Forschungen 35, Anzeiger, S. 5 ff.

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DAS GERMANISCHE DENTALPRATERITUM

2uerst den Nachweis zu führen, dafe der Dental des Prateritums überall mit dein des /o-Partizipiums und der zugehörigen ti-, *lt;-Abstraktanbsp;übereinstimmt. Was die /o-Partizipia betrifift, ist dieser Nachweis innbsp;überzeugender Weise geführt worden. Doch liegt darin eigentlichnbsp;nichts Neues; haben ja auch viele Forscher vor ihm diese Überein-stinimung gesehen und betont. Mit der Übereinstimmung mit den ti-Abstrakta scheint es mir doch nicht so sicher zu stehen. So stimmtnbsp;ahd. sculd nicht zu scolta, an. gfimd nicht zu unna (s. IF 35, Anz. S. 12).nbsp;Jedoch ist es wohl eine berechtigte Annahme, dafe die ti-, ^«-Abstraktanbsp;mit den Dentalpraterita nahe assoziiert waren und diese wohl auchnbsp;beeinflufst haben. Aus dieser Übereinstimmung im Dental mit demnbsp;/o-Partizipium und den ti-, i!«-Abstrakta will nun Collitz den Schluftnbsp;ziehen, dafe die beiden Dentale ursprünglich identisch seien; auch dasnbsp;Dentalprateritum habe idg. t. Aber schon hier verbirgt sich einenbsp;bedenkliche Schwache seiner ganzen Theorie über die Entstehungnbsp;des germ. Dentalprateritums. Denn es ist ihm gar nicht gelungen,nbsp;den Beweis für diese Behauptung beizubringen. Wegen diesernbsp;Übereinstimmung mufs doch nicht der Dental des Prateritums einnbsp;idg. t sein. In der Tat ist diese Übereinstimmung nur etwas, wasnbsp;man erwarten mufs wegen des im Germanischen stark hervortretendennbsp;Systemzwanges. Dagegen ist es auffallend und von nicht geringemnbsp;Belang, dafs Collitz selber, eben durch seine scharfe und überzeugendenbsp;Betonung des Zusammenhanges mit dem /o-Partizipium, die Annahme,nbsp;die er selber bekampft, nur gestarkt hat, dafe das /ö-Partizipium dasnbsp;Dentalprateritum analogisch habe beeinflussen können.

Weiter legt nun Collitz darauf besonders Gewicht, dafs die Endungen der i. und 3. Sing. Ind. des Dentalprateritums genau zunbsp;den Endungen der i. und 3. Sing, des gotischen Passivs stimmen:nbsp;got. nasida deckt sich der Endung nach mit nasjada. Diese Übereinstimmung scheint ihm nicht zufallig zu sein: das Dentalprateritum istnbsp;daher eine Zeitform mit aktiver Bedeutung, aber mit Passivendungen,nbsp;und kann somit nur eine alte Medialform sein. ünd dann liegt esnbsp;am nachsten, in dieser Form ein altes mediales Perfekt zu suchen.nbsp;Diese Perfektform findet er dann wieder in der griechischen 3. Sing.nbsp;Perf. Med. auf -tai\ /dkvrat. Mit dem griech. kekvrai neben kvezai ver-

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gleicht er got. nasida neben nasjada. Die Endung -tai der 3. Sing. Perf. Med. im Griechischen soil somit der Ausgangspunkt des ganzennbsp;germanischen Dentalprateritums sein, nur abgesehen von got. iddjanbsp;und westgerm. deda. Nun beruht aber die griechische Endung -tai innbsp;der 3. Sing. Perf. Med. höchstwahrscheinlich auf einer Neubildung;nbsp;das Altindische hat hier -ai: dadhê, tutudé, gegenüber astê, bharatënbsp;im Prasens. Die Sache ist namlich, dafii -tai ursprünglich bei dennbsp;thematischen Stammen Verwendung fand, -ai dagegen bei den athema-tischen. Im Prasens hat -tai dann -ai im Griechischen völlig verdrangt.nbsp;Auch im Altindischen dringt -tai hier auf das Gebiet des -ai ein; aufnbsp;der anderen Seite ist im Arischen -ai schon früh auf das Gebiet desnbsp;-tai eingedrungen, also bei den thematischen Prasensstammen. Imnbsp;medialen Perfekt haben wir es dagegen nur mit einem athematischennbsp;Stamme zu tun. Hier ist deshalb -ai alleinherrschend im Altindischen,nbsp;von vereinzelten unsicheren Formen abgesehen. lm Griechischennbsp;aber ist auch hier -ai von -tai völlig verdrangt worden; es heifetnbsp;Xélvxai gleich wie Xverai. Daher mufa wohl -tai in der 3. Sing, desnbsp;griech. Perf Med. eine Neuerung sein; und Collitz selber findet ja dienbsp;ursprüngliche Endung -ai bei iddja und deda. Wenn er also das griech.nbsp;XéXvxm neben Xvexai mit dem got. nasida neben nasjada vergleicht, mufsnbsp;er annehmen, dafs auch im Germanischen dieselbe Neuerung, vom Griechischen unabhangig, stattgefunden habef Und dann sei das Ger-manische in der Umbildung noch weiter geschritten: die Endung -tainbsp;sei auch auf die i. Sing, übertragen worden wie im Mediopassiv, undnbsp;endlich habe die ganze Bildung Aktivbedeutung angenommen. Dies

Seit dem Erscheinen des Werkes von Collitz sind neue Ansichten Ober das gotische Passivum geltend gemacht worden. So nimmt Brugmann in einemnbsp;Aufsatz „Das gotische -fTf/a-Passivumquot; (IF 39, S. 26 ff.) an, dafi die gotischennbsp;Ausgange -da^ -nda {-dau, ‘ndau d. i. -da, -nda vermehrt um die Partikel ii)nbsp;ursprünglich nur dem konjunktivisch-imperativischen Gebiet angehört haben undnbsp;mit den ai. Ausgangen -tam^ -niamp;m (es handelt sich um die ai. mediopassivischennbsp;Imperativformen wie bhdraiam^ hhdrantdni) identisch sind. Diese Annahmenbsp;kommt mir, wie auch Streitberg (Got. Elementarbuch®, S. 67), wenig wahrschein*nbsp;lich vor. Jedoch mufs wohl Brugmann zugegeben werden, daê vonseiten dernbsp;Lautlehre kaum eine gesicherte Unterlage für die Identifizierung der got. Ausgange -sa, 'da, 'Yida mit griech. fojat, -rat, -riat gegeben ist (vgl. auch Grundrifs^nbsp;II, 3, S. 644). Damit hangt vielleicht zusammen folgende Aufierung von Meillet

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alles zeigt, wie aufterordentlich schwach und unwahrscheinlich selbst der Ausgangspunkt seiner ganzen Theorie ist. Und wenn man nunnbsp;auch Collitz vieles zugeben könnte, dann ist und bleibt es doch einnbsp;Ratsel, wie die Endung -tni, die doch im Germanischen als passivenbsp;Prasensendung erhalten ist, dazu gekommen ist, auch ein aktives Pra-teritum zu bilden. Ich kann nicht finden, daè Collitz hier Ober dasnbsp;blofee Postulat hinausgekommen ist.

Was die Flexionsformen des Dentalprateritums betrifft, hebt Collitz mit Recht hervor, dafe im Dual und Plural des Indikativs undnbsp;im ganzen Optativ die Endungen des Dentalprateritums zu denennbsp;des starken Prateritums stimmen. Hier hat daher wahrscheinlich An-lehnung an das starke Prateritum stattgefunden. Dagegen seine Er-klarung der Singularformen scheint mir ganz verfehlt. Obgleich alsonbsp;auch seine Deutung der i. und 3. Sing, mir unannehmbar ist (s. IFnbsp;35, Anz. S. 12 ff.), branche ich doch hier nur auf seine Erklarung dernbsp;2. Sing, naher einzugehen, weil eben diese Form einen Eckstein innbsp;seinem ganzen Erklarungssystem bildet. Diese Form sucht Collitz aufnbsp;eine sehr eigentümliche Weise zu erklaren. Er weist zunSchst daraufnbsp;hin, dafe das ë im westgerm. *didês und got. *iddjës zu dem ê der 2.nbsp;Plur. westgerm. *dêdujgt; (= ahd. tahii) und got. iddjêditj) stimmt. Ebensonbsp;stimmt hausidês zu hausidêditj), kunpês zu kunjyêdum usw. Darausnbsp;will nun Collitz den Schlufs ziehen, dafe auch die 2. Sing, ursprünglichnbsp;das „Mittelstückquot; -ëd- gehabt hat. Zu diesem „Mittelstückquot; soil dannnbsp;die Endung der 2. Sirig. des starken Prateritums, die im Gotischen -tnbsp;lautet (namt, wast usw.), gefügt worden sein. Als 2. Sing, zu *dêdujgt;

(Bulletin 23, S. 68), obgleich er nicht auf Brugmanns Aufsatz hinweist: „En gotique, Ie type passif bairaza^ bairada^ bairarida ne saurait reposer sur desnbsp;formes en *-ai, ni sur des formes en *-o. L’-a final suppose une ancienne voyellenbsp;longue. Et rien n’empêche de partir denbsp;nbsp;nbsp;nbsp;*-tö, *‘ntö. Or, Talternance de

breve et de longue est fréquente en fin de mot; a la personne du pluriel active, Ie védique a a la fois -ma et -wrf; Ie lituanien a -mé-s^ en face de sLnbsp;•me de plusieurs dialectes. Les formes du présent, got. hairaza^ etc., reposentnbsp;done sur des desinences du type secondaire, tout comme lat. sequere, sequitur,nbsp;sequontur'. Es scheint mir fraglich, ob man einen solchen Wechsel zwischennbsp;kurzen und langen Endvokalen auch für das Germanische annehmen darf. Undnbsp;ein Beweis gegen die Annahme von got. aus -ai ist doch nicht beigebrachtnbsp;worden. Aber bei solcher Sachlage wird nun Collitz’ Theorie nicht eben gestarkt.

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würde sich also zunachst ein *di-dêd t, zu nasidêduf» ein *nasi-dêd t ergeben. Da aber Dental t im Germanischen nach langein Vokal zunbsp;s wird, so mufs aus *di-ded t lautgesetzlich *didês, aus *nasi-dëd -r tnbsp;ebenso nasides entstehen. Hier baut sich ja alles schön auf! Wirnbsp;kommen durch diese iiberraschende Kombination zu den tatsachlichnbsp;vorliegenden Formen. Nun ist aber nach Johansson (KZ 30, S. 547 ff.)nbsp;und Collitz das „Mittelstückquot; -êd- mit den altindischen Dualformennbsp;des Perfekts auf -atliê (2. Du. Perf. Med.) und -ate (3. Du. Perf. Med.)nbsp;zu vergleichen. Dann versteht man doch nicht, wie eine Dualformnbsp;in den Singular hat eindringen können; und warum nur in die 2. Sing,nbsp;und nicht in den ganzen Singular wie nach Collitz in den ganzennbsp;Plural und in den ganzen Optativ. Überhaupt ist die ganze Erklarungnbsp;der 2. Sing, zu spekulativ und. künstlich, als daê man ihr Glaubennbsp;schenken könnte. Wenn es nur darauf ankommt, gewandt mit Laut-gesetz und Analogie zu operieren, dann lafit sich fast alles erklaren.nbsp;Aber derartige Spekulationen scheinen mir wenig Wert zu haben,nbsp;wie geistreich sie auch sein mogen.

Und wie verhalt es sich nun eigentlich mit diesem eigentümlichen „Mittelstückquot; -ëd-l Wir müssen uns damit noch ein wenig weiternbsp;beschaftigen. Wie oben erwahnt, sollen wir es nach Johansson undnbsp;Collitz bei den altindischen Formen auf -athê und -ate wiederfinden.nbsp;Es heifat 2. Du. Perf Med. cakrathe, dadhathê, 3. Du. Perf Med. cakratê,nbsp;dadhati. Diese Medialformen, die sich bei den athematischen Stammennbsp;finden, kennen wir überhaupt nicht aufaerhalb des Arischen. Ob sienbsp;auch ursprünglich indogermanisch sind, bleibt deshalb wenigstensnbsp;zweifelhaft. Jedenfalls können wohl nur die Elemente -the aus -thatnbsp;und -tê aus -tai auf irgendwelche Ursprünglichkeit Anspruch machen'.

Wenn man daher das ai. „Mittelstückquot; -ath- oder dem „Mittelstückquot; -êd- der gotischen Dual-, Plural- und Optativformen gleich-setzen will, dann bleibt doch dies bei dieser Sachlage nur eine über-kühne Behauptung, die jede Wahrscheinlichkeit entbehrt. Und welche

tlbrigens genilgt es, auf Krugmann, Grundrifs^ II, 3, 2 § 601 zu vervveisen, wo die verschiedenen arischen Medialformen der 2. und 3. Person des Duals behandelt sind. Und es ist zu beachten, daamp; die Formen auf -S/Zv und -ate dochnbsp;nicht die einzigen Formen der 2. und 3. Du. Med. sind. Bei den thematischen

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sonderbare Form wird nun das got. nasidèdwn! Das erste d soil hier auf die Medialendung -tai der 3. Sing, zurückgehen, dann sei dasnbsp;„Mittelstückquot; -ëd- zugefügt worden, und schliefilich sei -uin aus dernbsp;starken Verbalflexion übernommen worden!

Dann geht Coilitz noch weiter als Johansson; er meint, daft das „Mittelstück“ -ëd- auch im Westgermanischen und Nordischen ur-sprünglich verhanden gewesen sei. Zu dieser Annahnie ist er eigentlichnbsp;gezwungen; denn er hat ja nicht nur westgenn. dêdum aus *d-ëd-uninbsp;(wo also nur das erste d- die Wurzelsilbe reprasentiert!) und ags.nbsp;ëodtm aus *tjëdwii, sondern auch die 2. Sing. (got. -ës, ags. -es, an. -er)nbsp;aus ¦ëd-\-t erklaren wollen. Durch Haplologie oder „Formkürzungquot;nbsp;sei dann die Silbe -êd- im Westgermanischen und Nordischen wiedernbsp;verloren gegangen. Jetzt ist aber Coilitz (IF 34, 209 ff.) geneigt,nbsp;die Haplologie-Theorie aufzugeben und sich naher an Johansson zunbsp;schliefsen. Die westgermanischen und nordischen Plural- und Optativ-formen sollen also überhaupt nie das „Mittelstückquot; -êd- gehabt haben.nbsp;Aber dabei scheirit er mir zu vergessen, dafe dieser Rückzug ihmnbsp;nicht mehr offen steht, ohne da6 er auch seine Erklürung der 2. Sing,nbsp;aufgibt. Wenigstens kann er sich dann nur noch auf seine Erklürungnbsp;von dêdum und ëodim stützen.

Das Ergebnis der obigen Ausführungen bleibt nun, dafe Coilitz’ Erklürung des germ. Dentalprateritums in der Hauptsache als verfehltnbsp;bezeichnet werden mufs, erstens weil der Ausgangspunkt selbst garnbsp;zu schwach und unsicher und unnatürlich ist, und zweitens weil es ihmnbsp;nicht gelungen ist, eine plausible Erklarung der wichtigen Singular-formen zu geben. Jedoch hat Coilitz gewila seine Anhanger gefunden;nbsp;denn er hat seine Lehre mit bewundernsvverter Konsequenz durch-geführt. Sie ist ein Meisterstück der Kombinationskunst — auf demnbsp;Papier! Es wundert mich deshalb nicht, dafs Jespersen noch so spatnbsp;wie im Jahre 1923 (Language S. 381) ohne weiteres erklart: „Nownbsp;we have Collitz’s comprehensive book Das schwache Prateritum, 1912,

Stammen finden wir ai. -êthï'^ -ëtë, z. B. Ind. Pras. bdrëfhë, bdrëtë gegenüber brtivathe, brnvdtë. Dies macht m. E. den Vergleich mit den ai. Medialformen desnbsp;Duals noch unsicherer. Ich hitte auch die Betonung der ai. Formen aufnbsp;'dtë zu beachten.

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in which the formative consonant is shown to have been Ar3’an “ Und doch mufs ich gestehen, daft ich bei alien diesen seltsamennbsp;Kombinationen von Collitz, wie geistreich sie auch sein mogen, michnbsp;des Gefühls nicht erwehren kann, dafe eine derartige Sprachwissen-schaft sich auf dem Rückwege zu der alten Buchstabenkunst befindet.

Weil jedoch Collitz in seinem sonst so reichhaltigen und interessanten Buch den Nachweis geführt hatte, dafe der Dental des Dental-prateritums ein idg. t sein kann, so war auch damit der Phantasie freien Spielraum zu neuen Kombinationen und Deutungen gegeben,nbsp;die von einem idg. t ausgingen. Schon im Jahre 1913 hat Brugmannnbsp;eine neue Erklarung vorgeschlagen (PBB 39, S. 84 ff.), und er hatnbsp;diese Erklarung in die zweite Auflage von seinem Grundrife (II, 3,nbsp;S. 369 f.) aufgenommen. Brugmann bemerkt selber (PBB 39, 85): „ Jedernbsp;deutungsversuch, der für die dentale des schwachen praeteritums vonnbsp;dem einen uridg. t ausgeht, hat demnach nunmehr, was das rein laut-liche betrifft, unbedingt freie hand.quot; Dagegen ist zwar nichts einzu-wenden. Es mufs aber auch nicht vergessen werden, dafs dieser Aus-gangspunkt an und für sich keine Gewahr für die Richtigkeit dernbsp;ganzen Erklarung überhaupt leistet. Nur wenn es gelingt, die weiterenbsp;Erklarung in überzeugender Weise auszubauen, kann auch die Her-kunft des Dentals sichergestellt werden. Wie ich glaube nachgewiesennbsp;zu haben, ist das Collitz nicht gelungen. Ich kann auch nicht finden,nbsp;dals Brugmann besseres Glück gehabt hat. Ob also der Dental vonnbsp;einem idg. t, th oder dh oder gar von allen drei herrührt, lafst sichnbsp;überhaupt nicht von vornherein auf rein lautlichem Wege feststellen.nbsp;Hier kann nur eine evidente Deutung von dem germanischen Sprach-system heraus entscheiden.

Brugmann betrachtet das Dentalprateritum als Umbildung eines vorgermanischen themavokalischen Prateritums auf -to-m, -te-s, -te-t,nbsp;das von den mit te .'/o-Formans gebildeten Prasentia wie ahó. Jlehfan,nbsp;fchtan, lat. pecto usw. ausgegangen sei. Die Bedeutung dieser Grund-formen können sowohl imperfektiv (vgl. etiektov : tiexioS) als aoristischnbsp;(vgl. ëfikaarov : ^/.aardvco) gewesen sein, und er meint, dafs sie gegen-über den Prateritoprasentia vorzugsweise als Imperfekta, gegenübernbsp;den Prasentia wie bugja dagegen (banhtd) als Aoriste fungiert haben.

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Er findet zwar nur drei germanische Praterita, die auEergermanischen to-Prasentia entsprechen, namlich ahd. skafta (zu skephen „schöpfenquot;):nbsp;axaTirco „stelle durch Hacken etwas her“, got. *agda (die Vorforni vonnbsp;öhta) : ü^OojAai „grame michquot;, und ahd. konsta : lit. -iistii [pa-i.{stu)nbsp;„kennequot;; jedoch könnten bei der nahen Beziehung, in der die to-Prasentia der idg. Sprachen zu den mit -to- gebildeten Nomina vonnbsp;jeher gestanden haben, auch alle diejenigen Dentalpraterita zur altestennbsp;Schicht gerechnet werden, neben denen altüberkommene nominalenbsp;lt;o-Stamme stehen. — In urgermanischer Zeit sei dann die alte thema-vokalische Flexion aufgegeben infolge von Anlehnung an den Ausgangnbsp;reduplizierter Perfekta von Wurzeln auf langen Vokal, vor allem desnbsp;Perfekts von der Wurzel *dhê : ahd. tcta, as. dcda. Nach dem einmalnbsp;auch im Gotischen vorhandenen *dêdum sei z. B. got. “nasi-dum usw.nbsp;zu nasi-dêdum usw. umgebildet worden. Von den Pluralformen vonnbsp;deda sei as. dedtin ags. dydon unmittelbar dem ai. dadhimd gleichzu-stellen; das ê von dëduni sei dem idg. Typus séd- zu verdanken.

Diese ganze Erklarung Brugmanns scheint mir wenig überzeugend. Es gilt hier dasselbe wie bei Collitz, da6 der Ausgangspunkt selbstnbsp;gar zu schwach und unsicher ist, urn zu einer befriedigenden Lösungnbsp;des Problems führen zu können. Die /o-Prasentia spielen überhauptnbsp;eine verschwindend kleine Rolle im Germanischen, und das /-Formansnbsp;erscheint überall durch das ganze Verbalsystem durchgeführt. Mannbsp;versteht deshalb nicht recht, wie das prasentische /-Formans dazunbsp;gekommen ist, ein Tempusmerkmal des Prateritums zu werden. Dasnbsp;w5re zwar denkbar, wenn nachzuweisen ware, dafa zu derselbennbsp;Wurzel Prasentia mit und ohne /-Formans nebeneinander bestandennbsp;(v'gl. gr. né.Ktü) neben néxco „kammequot;); dann könnte namlich der Vor-gang eintreten, dafe ein Imperfekt oder ein Aorist von dem mitnbsp;/-Formans gebildeten Verbum in Beziehung zu dem Prasens ohnenbsp;/-Formans trate und als Prateritum zu ihm gefühlt würde. Ahd. skafta,nbsp;das sich nur bei Otfrid findet, darf kaum als ursprüngliche Formnbsp;ohne Mittelvokal betrachtet werden. Die postulierte Form got. *agdanbsp;für öhta ist doch ziemlich problematisch. Und ahd. konsta betrachtenbsp;ich mit Collitz (S. 49 und 55) als spatere Neubildung für ktmpa, gleich-wie onsta für alteres *un{gt;a. Übrigens erklart Brugmann selber, dafa

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natüriich nicht behauptet werden darf, da6 gerade die genannten Formen die Musterformen gewesen seien, von denen unsere ganzenbsp;Formenkategorie abstamme. Eben deshalb versteht man aber nicht,nbsp;welche ^o-Prasentia den Ausgangspunkt des germanischen Dental-prateritums batten bilden können. Auch die Art und Weise, wie sichnbsp;Brugmann die Umbildung der ursprünglichen thematischen Flexionnbsp;denkt, durch Anlehnung an die Flexion der wenigen redupliziertennbsp;Perfekta von Wurzeln mit auslautendem langem Vokal, kommt mir sonbsp;befrenidlich vor; und endlich scheint mir seine Erklarung der gotischennbsp;Prateritalformen mit der Silbe -êd- ziemlich zweifelhaft (s, auch unten).nbsp;Brugmann verknüpft gewissermafeen die /-Theorie mit der Zusammen-setzungstheorie, und diese Verknüpfung scheint mir seine Erklarungnbsp;nicht zu starken. Jedoch möchte ich nicht von vornherein leugnen,nbsp;da(3 einzelne germ. Dentalpraterita wirklich auf alte /o-Prasentia zurück-gehen könnten, indem sie, wie Brugmann sich denkt, ursprünglich alsnbsp;Imperfekta oder Aoriste fungiert batten. Aber welche? Das zu er-mitteln, ist eben die groiae Schwierigkeit, und eben deshalb stehtnbsp;seine Erklarung auf so schwachen Füamp;en; doch Naheres darübernbsp;weiter unten.

In dem genannten Aufsatz aufaert sich Brugmann auch über sein Verhaltnis zu dern Deutungsversuch Begemanns, der ja bekanntlichnbsp;das Dentalprateritum unmittelbar aus dem /o-Partizipium herleitet. Brugmann bemerkt: „Insofern ich das t unserer praeterita mit dem -to-der participia zusammenbringe, deckt sich meine hypothese mit dernbsp;von W. Begemann, der bekanntlich das schwache praeteritum unmittelbar aus dem /o-participium entsprossen glaubte. Dieser gelehrtenbsp;wufate aber — und daran scheiterte, glaubte man, seine ganze theorie —nbsp;mit den hinter dem t erscheinenden flexionsausgangen, got. -a, -és u.s.w.,nbsp;nichts anzufangen.quot; Seitdem ich vor Jahren die zwei Arbeiten vonnbsp;Begemann über das germanische Dentalprateritum las, bin ich immernbsp;wieder zu seinem Grundgedanken, der mir noch heute verlockend scheint,nbsp;zurückgekommen und habe ihn immer wieder einer neuen Prüfungnbsp;unterwerfen müssen. Sein Versuch einer Erklarung der Flexionsformennbsp;des Dentalprateritums ist zwar gescheitert; mit Recht bezeichnet Collitznbsp;Begemanns Erklarung von got. nasididum aus *nasid êd-\-um [-êd-

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wie in got. fahêds) als phantastisch, obgleich Collitz’ eigene Erklarung des got. nasidês als aus *nasid êd-\-t entstanden kaum weniger phantastisch scheint. Aber Begemanns Ausgangspunkt ist doch vortrefflichnbsp;und fügt sich natürlich in das germanische System ein. Hier befindennbsp;wir uns auf festem und sicherem Boden. Deshalb habe ich oft gedacht,nbsp;dafa man viellèicht doch nicht nötig hatte, seine ganze Erklarung fallennbsp;zu lassen, vvenn es nur möglich ware, die Flexionsformen des Dental-prateritums ins Reine zu bringen. Diese könnte man dann — Brug-manns Gedanken aufnehmend — durch Anlehnung an die Flexion desnbsp;reduplizierten Perfekts foder Aorists?) der Wurzel *dbê erklaren. Mitnbsp;anderen Worten, die Flexion von deda zusammen mit der Flexionnbsp;des starken Prateritums überhaupt könnte für die Ausbildung dernbsp;Flexion der zu den /o-Partizipia gebildeten Praterita mafegebendnbsp;gewesen sein; also z. B. got. nasida, as. nerida, ahd. nerita wie deda^nbsp;teta, got. nasidês wie ags. dydes, ahd. neritt4m, as. neridun wie as. dedunnbsp;usw.; das got. nasidêdmn für alteres *nasidimt ware dann mit Brug-mann durch Umbildung nach dëdunt zu erklaren. Die hier gegebenenbsp;Erklarung der Flexionsformen lag mir schon langst im Gedanken;nbsp;ich habe sie jedoch wieder aufgeben müssen: erstens weil die ganzenbsp;Erklarung überhaupt mir zu schwach und unwahrscheinlich scheint;nbsp;zweitens weil die Erklarung von nasidédum unannehmbar ist; dennnbsp;nur die Flexionsausgange von deda können für die Flexionnbsp;dieser to-Praterita matagebend gewesen sein, nicht das ganze dedanbsp;dëdunt, das ist doch ganz unglaublich, vvenn man nicht plötzlich aufnbsp;die Zusammensetzungstheorie hinüberspringen will; und wenn wirklichnbsp;*nasidum, wie Brugmann sich denkt, zu nasidédum umgebildet wordennbsp;ist, warum ist dann nicht auch nasida zu *nasidida geworden? undnbsp;an und für sich ist doch *nasidum gleichwie ahd. neriium eine morpho-logisch sehr brauchbare Form, was diese Annahme einer Umbildungnbsp;nur noch unglaublicher macht; endlich drittens weil es mir unzulassignbsp;scheint, die Obereinstimmung von -dëdunt im got. nasidédum mit

Wir wissen doch nicht, wie die dem westgerm. deda entsprechende got. Form gewesen ist, z. B. 'dida ('daida) oder 'didö ('dnidö), vgl. saisö, waiwö) die Sachenbsp;ist nicht so einfach.

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as. damp;dim, ahd. tatum als nur zufallig zu betrachten'. Begemanns Erklarung von nasidedttm ist zweifellos unmöglich; nicht viel bessennbsp;ist die von Johansson und Collitz, und auch Brugmanns Erklarungnbsp;ist unannehmbar. So bleibt das fatale nasidedum immer noch einnbsp;Stein des Anstofees bei jeder Erklarung, die ohne die Zusammen-setzungstheorie auszukommen sucht. Bei alledem hat doch Begemannsnbsp;Theorie eine gute Grundlage, und sie ist weit besser als diejenigennbsp;von Collitz und Brugmann, bei welchen auch der Ausgangspunkt sonbsp;überaus schwach ist. Mit Recht betont Begemann die „tatsache, daft innbsp;sammtlichen germanischen sprachen seit den altesten zeiten der engstenbsp;formelle zusammenhang zwischen participium und prSteritum bestehtquot;.

Lassen nun sowohl Collitz als Brugmann der Phantasie ziemlich freien Lauf, dann geht sie bei L. L. Hammerich geradezu durch.nbsp;Er legt in seinem Aufsatz „Det germanske svage Prseteritumquot; (Arkiv 38,nbsp;S. 21 ff.; 1921) eine ganz neue Zusammensetzungstheorie zur Priifungnbsp;vor. Indem auch Hammerich von einem idg. t ausgeht, erklart ernbsp;das germ. Dentalprateritum als ein ursprünglich periphrastisches Perfekt,nbsp;das aus einem Nomen agentis auf -telto (Nominativ eines ter tor-Stammes) und dem Prasens der Wurzel ^es „seinquot; zusammengeschmolzennbsp;ist. Nun kennen wir aber keine Nomina agentis aul -teritor im Germanischen, und die Annahme eines Nominativausganges auf -têltö istnbsp;hinfallig; das got. fadar gegenüber dem ai. pita spricht gegen einenbsp;solche Annahme. Die ganze Theorie findet überhaupt keine Anknüpfungnbsp;an das germanische Sprachmaterial und streitet gegen das germanischenbsp;System; sie bezeichnet nur eine Rückkehr zu den wilden Phantasiennbsp;zur Zeit Bopps.

Eine weitere Behandlung der Frage nach der Herkunft des germanischen Denlalprateritums rührt von Otto v. Friesen her: „Om det svaga preteritum i germanska sprikquot; (Skrifter utgivna av K. Huma-nistiska Vetenskaps-Samfundet i Uppsala 1925). Otto v. Friesen kehrtnbsp;zu der Zusammensetzungstheorie zuruck, vielleicht weil er nach dennbsp;vielen miftlungenen Versuchen sich überzeugt fühlt, daft keine Theorie,

Diese Einwande sind natürlich auch gegen die Theorie Brugmanns geltend zu machen.

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die von dem indogermanischen Formensystem heraus ihren Ausgangs-punkt nimmt, zum Ziele führen wird. Seine Darstellung ist interessant und original, obgleich ich ihm in mehreren Hinsichten nicht bei-pflichten kann. Auch v. Friesen kritisiert Collitz, und von besonderernbsp;Bedeutung ist seine Kritik des von Collitz aufgestellen „Gesetzesquot; einernbsp;germanischen Aspiratendissimilation vor t, das unter den Forschernnbsp;allgemeine Zustimmung gefunden hat.

Für Collitz galt es, den Dental der westgerm. Praterita hogda, lagda, sagda, habda, libda, die ja immer wegen des Fehlens des Mittel-vokals als das starkste Argument gegen die /-Theorie ins Feld geführtnbsp;worden sind, ins Reine zu bringen. Wie die meisten Forscher, siehtnbsp;auch Collitz in diesen Formen ursprünglich mittelvokallose Praterita.nbsp;Nun hatte schon Kluge (Beitr. zur Geschichte der germ. Konj., S. 121)nbsp;den Versuch gemacht, das t für diese Formen zu retten, indem ernbsp;den Gedanken aufwarf, dafs in got. gahiigds die Gruppe -gd- aufnbsp;voTgerm. gfid/t und weiter auf idg.nbsp;nbsp;nbsp;nbsp;zurückgehe. Weil es ihm

aber nicht gelang, Formen wie germ. *bnhti-, *gifti-, die auch lég. gh-\-t, hh-tt haben, mit dieser Erklarung zu vereinigen, wurde seine An-nahme von fast allen Forschern abgelehnt. Collitz nimmt die Fragenbsp;wieder auf und versucht nachzuweisen, dafi Kluge in Wirklichkeit aufnbsp;dem richtigen Wege sei. Er macht namlich darauf aufmerksam, dafenbsp;die Wörter mit germ, ht, ft aus idg. bht auch im Wurzelanlautnbsp;eine idg. Aspirata haben, wahrend dies bei den Wörtern mit gd, bdnbsp;nicht der Fall ist. Aus lautlichen Gründen lafet sich weiter die Annahmenbsp;idg. ght, bht = germ, gd, bd von vornherein nicht ablehnen; denn auchnbsp;im Altindischen und im Griechischen finden wir nach Bartholomaesnbsp;Gesetz die Umwandlung der Lautgruppe Aspirata / zur Media a%,nbsp;eine Erscheinung, die Collitz meint, der idg. Epoche zuschreiben zunbsp;dürfen. Aus idg. gdh (lt;ght) und bdh [lt;bht) müssen sich nun imnbsp;Germanischen gd, bd ergeben, und diese Gruppen gd, bd (aus idg.nbsp;ght, bht) liegen nach Collitz sowohl in den oben erwahnten westgerm.nbsp;Praterita hogda usw. als in den zugehörigen Partizipia und in got.nbsp;gahugds vor. Dagegen erscheinen idg. ght und bht als germ, hi und /tinnbsp;allen anderen Fallen, z. B. got. -bauhts, ahd. gibuluht „Zorn“ (zu belgari),nbsp;got. dauhiar, ahd. toht „Tüchtigkeitquot; (zu got. daug), an. drdttr „Zug“

2 — Norsk Tidsskrift for Sprog:videnskap

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(zu draga), got. gadraiihts (zu driugan) ags. gedxfte „sanft freundlichquot; (zu got. gadaban „passenquot;), an. drift „Treibenquot; (zu drfa). ahd. gift,nbsp;an. grqptr (zu grafa). Aber nun zeigt es sich, daft alle diese Bildungennbsp;zu idg. Wurzeln geboren, die sowohl im Anlaut als im Auslaut einenbsp;Aspirata haben, und damit soil nach Collitz die verschiedene Be-bandlung der Gruppe glit und bht zusammenhangen. Durch Dissimilation sei bier die Aspiration verloren gegangen, und gt, bt seiennbsp;lautgesetzlich zu germ, geworden. Collitz formuliert sein Gesetznbsp;folgendermafeen: „Indogermaniscbe Wurzeln mit anlautender und aus-lautender Aspirata geben im Germaniscben beim Antritt eines /-Suffixesnbsp;die Aspiration im Auslaute ganz auf, wahrend sonst die Aspirationnbsp;von der auslautenden Aspirata auf das t des antretenden Suffixesnbsp;übergeht.quot; Wir haben es also bier mit einer Aspiratendissimilationnbsp;zu tun, und Collitz setzt auch sein Gesetz mit dem bekannten „Hauch-dissimilationsgesetzquot; Grafemanns in Verbindung. Grafemanns Gesetznbsp;soil also auch für das Germanische eine gewisse Geltung haben,nbsp;wenigstens auf einem beschrSnkten Gebiete, namlich wenn ein t un-mittelbar auf die zweite Aspirata folgt.

Diese ganze Theorie, die mir friiher sehr verlockend schien, unterwirft v. Friesen (S. 43 flf.) einer eingehenden Kritik, wonachnbsp;Collitz’ „Gesetzquot; einer germaniscben Aspiratendissimilation wohl nunnbsp;aufzugeben ist. Ich mufe dann hier die Hauptpunkte der Kritik v. Friesensnbsp;in aller Kürze erwahnen. Von den Praterita habda, libda usw. abgesehen,nbsp;zu deren Erklarung seine These ja aufgestellt worden ist, hat Collitznbsp;nur ein einziges Beispiel der urg. Verbindung gd anfiihren können,nbsp;namlig got. gahugds, ags. gehygd usw. Daneben steht nun ags. hyhtnbsp;„Hoffnungquot;, welche Form Collitz als analoge Umbildung nach Musternnbsp;wie ags.flyht f. „Flugquot; zwflêogan, tyht (. „Erziehungquot; zu tëon „ziehen,nbsp;erziehenquot; erklaren will. Diese Assoziation ist doch gar zu fernliegend;nbsp;viel natürlicher ist es, ags. hyht als urspriinglich zu betrachten und innbsp;got. gahugds usw. eine Neubildung mit dem gewöhnlichen Suffix -hinbsp;an den in alien altgerm. Dialekten vorliegenden Stamm *hug- (in *hugi-,nbsp;“hugian) zu sehen. Weiter gibt es eine Reihe von Wörtern, die gegennbsp;Collitz’ Theorie ht, ft zeigen. So hat Collitz vergebens ahd. mhd. kluft,nbsp;„Zange, Felsenkluft, Spaltequot; und an. veptr, m. vipta f. „Einschlag im

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Ge\vebe“ zu deuten versucht. Aufeerdem führt v. Friesen noch folgende Wörter an, die auch „unregelmafeigesquot; ht und ft haben, und die sichnbsp;unmöglich als spatere Umbildungen erklaren lassen:

Ahd. klaftra „Klafterquot; : lit. glé’biu „umfassen, umarmenquot;.

An. Idtr n. lt; *lahtra- : gr. Xóyoq „Hinterhaltquot;, Xiyos „Bett“, got. ligan usw.

Got. leihts, an. Ir'ttr usw. lt; *lenhta- : lit. lehgvas „leichtquot;.

An. vétt, vétt f. „Gewichtquot;, ags. wikt n. : lat. uehö.

An. stétt f. „Tritt, Trittbrett, Stufequot; zu an. sttga, vgl. aind. stighnoti.

An. smóti in isinótt, hofuösmótt f. „ÖfFnung eines Kleidungsstücks iQr den Kopfquot;, eig. „Hineinschleichenquot;, zu an. smjüga, vgl. lett. smaugsnbsp;„schmalquot;, poln. smug „Engpafsquot;. „Wenn alsoquot;, schlieamp;t v. Friesen,nbsp;„idg. gh t und bh t immer als resp. ht und ft in den germ. Dialektennbsp;auftreten, können unmöglich die Praterita habda, libda etc. aus Ver-bindungen bh t etc. entstanden sein.quot;

Es zeigt sich also, dafe sich überhaupt kein einziger sicherer Fall mit germ, gd und bd aus idg. ght und bht nachweisen laét. Dannnbsp;wird auch Collitz’ Erklarung von got. öhta und mahta sehr unwahr-scheinlich. Eür öhta kann die ursprüngliche Form nicht *agda sein,nbsp;sondern *ahta, die zu öhta umgebildet worden ist, indem sie das önbsp;von ög übernommen hat, wahrend eine Umbildung von *agda zu öhtanbsp;schwer verstandlich ist. Got. mag und mahts f. können nicht von aslav.nbsp;mog^ „ich kannquot; und mostï „Machtquot; getrennt werden, und die aslav.nbsp;Wörter können, wie Trautmann (KZ. 46, S. t8o ff.) nachgewiesen hat,nbsp;nicht aus dem Germanischen entlehnt sein; dann wird es doch dasnbsp;Natürlichste, sowohl mahta als mahts für ursprüngliche Formen zunbsp;halten. Wenn wur auch Collitz’ „Dissimilationsgesetzquot; und seine Erklarung von habda, libda usw. als verfehlt betrachten müssen, brauchennbsp;j edoch diese Praterita nicht gegen die ^Theorie zu sprechen; dennnbsp;es ist sehr zweifelhaft, ob wir es hier mit ursprünglich mittelvokallosennbsp;Formen zu tun haben; darüber weiter unten.

Wie schon oben erwahnt, kehrt O. v. Friesen zu der Zusammen-setzungstheorie zurück. Indem auch er die Theorie von Collitz nicht genehmigen kann, weist er darauf hin, „att den sedan mer an tva-hundra ar — fran Stade til Sverdrup — alltjamt segt fortlevande hypo-

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tesen, att del svaga preteritum ursprungligen ar ett perifrastiskt tempus, uppkommet genom omskrivning med det i vgerm. sprak annu i litterarnbsp;tid kvarlevande pret. deda' pi. dêdiim, har sa stor innre og yttre sanno-likhet för sig att den kann förmodas bli aven av tidigare motstandarenbsp;godtagen, sa snart det visats att de former (vtssa, kunj)a, bauhta etc.),nbsp;som ansetts sta hindrande i vagen för denna teori och vilka ickenbsp;heller de siste förfaktarne av den (Loewe och Sverdrup) lyckats panbsp;ett tilfredstallande satt förklara, enkelt och naturligt lata infoga sig inbsp;namda förklaringssystem“. Ich muft mir doch schon hier den Vorbehaltnbsp;machen, da6 ich nicht einsehen kann, dafs man nötig hat, alle Dental-praterita in dasselbe Erklarungssystem einzufügen, um überhaupt zunbsp;einer plausiblen Erklarung zu gelangen. Eormen wie z. B. got. kunpanbsp;und nasida scheinen doch so verschiedenartig zu sein, daft man nichtnbsp;von vornherein annehmen darf, dafe sie dieselbe Herkunft haben.nbsp;Collitz’ mifelungener Versuch einer einheitlichen Erklarung sollte ehernbsp;vor einer solchen Annahme warnen.

Wie V. Friesen glaube auch ich, dafe das germ. Dentalprateritum hauptsSchlich eine ursprünglich periphrastische Form ist und auf Zu-sammenschmelzung mit Verbalformen der Wurzel 1dhê:dhö beruht.nbsp;Wenn wir aber zu der Frage kommen, welches Verbalsubstantiv wohlnbsp;das erste Glied der Zusammensetzung gebildet habe, stellt er eine neuenbsp;Theorie auf, wo ich ihm nicht mehr folgen kann. Auch kann ich ihmnbsp;nicht beipflichten, wenn er meint, da6 wir es überall mit redupli-zierten Eormen der Wurzel 1dliê, d. h. den wirklich vorliegenden Eormennbsp;dcdadêdxtm, zu tun haben.

Indem nun v. Friesen meint, dafe auch Eormen wie wissa, kiinpa, bauhta usw. auf Zusammensetzung mit deda beruhen, knüpft seinenbsp;weitere Erklarung dieser Eormen gewissermafeen an Collitz an, dernbsp;die Aufmarksamkeit auf den Zusammenhang der ti-, ///-Substantiva mitnbsp;dem Dentalprateritum hingelenkt hatte, obwohl Collitz dadurch nurnbsp;zu dem falschen Schlufe geführt wurde, daft auch der Dental desnbsp;Prateritums ein idg. t sein müsse. Weil jedoch bei einer ursprünglichnbsp;periphrastischen Konstruktion mit Eormen der Wurzel 1dhê die daraus

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Ich habe doch nicht z. B. got. tiasida, ahd. nerita usw. als mit deda zusammen-

gesetzt betrachtet, und ich glaube auch heute nicht daran.

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entstandene Zusammensetzung als ihr erstes Glied ein Verbalsubstantiv haben mufa, dann sollte es, meint v. P'riesen, theoretisch betrachtet nichtnbsp;unmöglich erscheinen, dafa auch nomina actionis auf -ti und -tu innbsp;die Zusammensetzung eingegangen seien. So könnten z. B. bei Prateritanbsp;wie got. j)Shta, j)ühta, waurhta, bauhta, mahta, kimj)a skulda usw.nbsp;die Verbalsubstantiva *jgt;anhti- (ahd. githaht f. „Gedankequot;) jrunhtii-(got. pühtus m. Gewissen), *wurhti- (got. frawaurhts f. Sünde, ags. ge-voyrht „Werkquot;), *buhti- (got. andabanhts f. „Lösegeldquot;), *mahti- (got.nbsp;mahts usw.), *kunpi- (got. gakunps f., ags. cyp „Kenntnisquot;), *skuldi-(as. sculd f.) usw. zugrunde liegen. Diesen Gedanken weiterführend,nbsp;stellt dann v. Friesen folgende Entwicklung auf:

pdnliti-dcda^ gt; panhteèsd- gt; got. pahta punhtn-béda^ gt; punhteds.^ gt; got. pühtanbsp;bnhti-dcda^ gt; buhteda^ gt; got. bauhtanbsp;mdhti-deöa^ gt; mahteèa^ gt; got. mahtanbsp;kiinpi-dcda^ gt; kunpedd^ gt; got. kimpanbsp;usw. usw.

Durch einen solchen Entwicklungsgang, indem er also ein nomen actionis auf -ti oder -tu zugrunde legt, denkt sich v. Friesen, dafenbsp;sowohl die Praterita der praterito-prasentischen Verba als auch allenbsp;diejenigen mittelvokallosen Praterita enstanden seien, deren Dentalnbsp;nicht ein idg. dh sein kann. Und neben den meisten dieser Dental-praterita stehen auch Verbalsubstantiva auf -ti oder -tu.

1st nun aber dieser von v. Friesen postulierte Entwicklungsgang wahrscheinlich oder gar möglich? Für das Gotische — und daraufnbsp;kommt es hier vor allem an — scheint mir seine Hypothese unhaltbar.nbsp;Was die erste Stufe der postulierten Entwicklung, den Übergangnbsp;von *bühti-öeèa^ gt; *buhtcbad-, betrifft möchte, ich die Möglichkeit diesernbsp;Kürzung nicht leugnen. Die Synkope des Mittelvokals (-/- oder -u-)nbsp;begründet v. Friesen mit dem schwachen Nebenton des spaterennbsp;Kompositionsgliedes und mit der Stellung des zu synkopierendennbsp;Vokals zwischen zwei homorganen, dentalen Lauten. Zwar ist dienbsp;Erhaltung der Vokale der Kompositionsfuge ein charakteristischer Zugnbsp;des Gotischen, vgl. z. B. gastigöps, aurtigards, drauhtiwitöp, naudi-bandi usw., qipuhafts, handuwaurhts usw. Weil aber die akzentuellen

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Verhaltnisse hier nicht dieselben wie bei einem “bühti-èéèa^ sind, bei welchem das zweite Kompositionsglied allmahlich den Charakter einernbsp;Flexionsendung und dadurch schwachen Nebenton bekommen mufste,nbsp;wahrend das zweite Glied von gastigöjgt;s stark nebenbetont war, mufsnbsp;man die Möglichkeit einer S3’nkope bei *bühti-öeöa^ wohl zugeben;nbsp;aber nur auch die Möglichkeit, ein Zweifel bleibt mir immer nochnbsp;sitzen, weil mir diese Synkope so ungotisch vorkommt.

Wenn wir aber zu der zweiten Stufe der von v. Friesen postu-lierten Entwicklung, dem Übergang von *buhteba^ gt; baiihta, kommen, nimmt er wieder eine neue Synkope an, die für das Gotische geradezunbsp;ausgeschlossen ist. Die Annahme einer solchen Synkope widersprichtnbsp;überhaupt allem, was wir über die Behandlung der Mittelvokale imnbsp;Gotischen wissen. Wo finden wir eine solche Synkope im Gotischen,nbsp;WO die Erhaltung der Mittelvokale so charakteristisch ist? Eine Formnbsp;wie das postulierte *buhteèa^ würde in akzentueller Hinsicht ungefahrnbsp;auf einer Linie mit den zahlreichen Abstrakta auf -ipö stehen, z. B. arma-hairtifgt;a, garaihtijgt;a, wairjyida, inwindifja, aufiida, mildijja, pwastipa,nbsp;weitwödijya usw. Hier kennt das Gotische keine Synkope, und auchnbsp;hier steht der Mittelvokal zwischen zw'ei homorganen, dentalen Lauten.nbsp;O. V. Friesen verweist auf das urn. satido, das zu awn. setta gewordennbsp;ist. Aber was beweist denn das für das Gotische? In VVirklichkeit istnbsp;die Annahme einer Synkope bei *buhtcöd^ noch unwahrscheinlichernbsp;als bei z. B. mildi^a, weil beim ersteren der Mittelvokal nach der erstennbsp;Synkope {*biihti-öédd^ gt; *buhteba^] einen schwachen Nebenton trug.nbsp;Schon in lautlicher Hinsicht ist deshalb die ganze Hypothese v. Friesensnbsp;unhaltbar. Vielleicht hat v. Friesen selber das Gefühl gehabt, dafanbsp;seine rein lautliche Erklarung doch auf schwachen Füften steht, dennnbsp;er will auch die Haplologie zu Hilfe nehmen. Indem ich auf diesenbsp;Haplologie-Theorie, die sowohl bei v. Friesen als noch mehr beinbsp;Loewe (Das schwache Prateritum des Germanischen, IF 4, S. 365 ff.)nbsp;eine bedeutende Rolle spielt, weiter unten naher zurückkommen werde,nbsp;möchte ich hier nur bemerken, daft auch die Praterita des Typusnbsp;nasida, hausida oder deren Vorformen, wie man sich nun auch diesenbsp;Vorformen denken mag, sich einer Reduktion *buhteèd^gt; bauhta ent-gegenstellen würden; ja auch die Plural- und Optativformen bauhtêdun,

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bauhtêdi usw. würden dieser Kürzung ungünstig sein. Wenn *fullnaöc()a^ (um die Form v. Friesens zu setzen, die niir doch sehr zweifelhaft scheint)nbsp;zu ftdlida geworden ist, könnte ein *buhtideöa^ doch nur zu *bauhtidanbsp;werden. Das fordert das gotische System. Deshalb lafet sich dienbsp;Theorie v. Friesens auch nicht mit dem gotischen Flexionssysteninbsp;vereinigen, und der Ausgangspunkt, die Verbalsubstantiva auf ¦*'undnbsp;¦tu nbsp;nbsp;nbsp;nbsp;wird somit unhaltbar.

In einem besonderen Abschnitt (S. 38 ff.) behandelt v. Friesen die gegenseitigen Einwirkungen des Dentalprateritums und des Partizipsnbsp;aufeinander. Er meint, daft die Partizipia der „sekundarenquot; Verbanbsp;wie got. jgt;agkjan, j)ugkjan, brükjan, •waurkjan, bugjan usw. nach demnbsp;Muster der Praterito-prasentia umgebildet worden seien. Weil die sekun-daren Verba ihr ^o-Partizip mit Mittelvokal („Bgt;ndevokal“) bildeten,nbsp;dürften die den oben angeführten Verba zugehörigen Partizipia ur-sprünglich got. *j)agkif)s, *pugkips, *brükips *waurkij)s, *bugij)s gelautetnbsp;haben, und die Partizipia/a/Ps, jgt;ülits, waurhts, bauhts seien Ausgleichungs-formen, die vom Ind. und Opt. des Prateritums fiahta, pühta, waurhta,nbsp;banhta ausgingen. Wenn nun dies richtig ware, wQrde es nur die ganzenbsp;Hy'pothese v. Friesens noch unbegreiflicher machen. Wenn namlichnbsp;die Goten neben Pras. nasja und Part. nasips (Fem. nasidd) ihrnbsp;Prat. nasida haben, wer glaubt dann, daamp; sie neben PrSs. bugja undnbsp;Part. *bugips (Fem. *bitgida) ein PrSt. baiihta bilden würden, wie nunnbsp;auch die Vorform von baiihta gelautet haben mag? Auch in diesernbsp;Flinsicht gerat die Hypothese v. Friesens nur in Streit mit dem System.nbsp;Nun sind aber Verba wie bugian, waurkjan usw. nicht sekundare Verba;nbsp;sie sind im Gegenteil alte primare -ie- : -?o-prasentische Verba wienbsp;auch got. bidjan, hafjan usw., und sie dürfen nicht mit den Kausativanbsp;auf -ciö (got. frawardja) und den Denominativa auf -iiö (got. haurnja)nbsp;verwechselt werden. Dafi diese von Haus aus geschiedenen Bildungennbsp;im Germanischen zusammenfielen, so dafe auch vide -ie- : -/o-Prasentianbsp;ein Dentalprateritum bekamen, ist eine andere Sache; für eine historische Sprachbetrachtung ist die Trennung notwendig'. Die -ie- : -io-Prasentia bildeten von Haus aus ihr to-Partizipium ohne Mittelvokal.

^ Ich verweise übrigens auf die interessanten Ausführungen Brugmanns in seinem

GrundriÊ^ 11, 3, § Ï29.

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Wir haben deshalb keinen Grand, Partizipia wie got. pahts, puhts, waurhts, bauhts als Neubildungen zu betrachten. Sie müssen ursprüng-lich sein. Wie also die Goten neben Pras. nasja und Part, nasipsnbsp;(Fern, nasida) ihr Prat, nasida batten, bekamen sie neben Pras. bugianbsp;und Part, bauhts (Fern, bauhta) in der besten Übereinstimmung mit demnbsp;System ein Prat, bauhta. Dabei kann vielleicht die Vorgeschichte vonnbsp;bauhta ziemlich dunkel scheinen; aber die Form mufate sich dochnbsp;schliefelich in das System einfügen.

Die nachste Frage gilt nun die Form des Hilfsverbs, das das zweite Glied der Zusammensetzung bildet. Man hat früher gemeint,nbsp;die Form des Hilfsverbs könne ein idg. Perfekt, dem aind. dadhau,nbsp;Oder ein idg. Imperfekt, dem aind. ddadhat entsprechend, sein. R. Loewenbsp;(IF 4, S. 373 f.) sieht in der Silbe -da des gotischen nasida einennbsp;idg. augmentlosen Aorist *dhcdhöm, dem aind. ddadham' entsprechend,nbsp;wahrend v. Friesen (S. 30 f.) das as. deda usw. für ein altes Perfekt,nbsp;urgerm. *dedöa, halt, das mit aind. dadha(u) zu vergleichen ist, weilnbsp;auch die aind. Form auf ein idg. *dhedhö- zurückgehen mufs; undnbsp;as. dadun usw. mit seinem eigentiimlichen ê will v. Friesen mit Streit-berg dadurch erklaren, daft die Reduplikationssilbe gedehnt wurde,nbsp;wenn im Plural der Wurzelvokal vollstandig verloren ging. Beidennbsp;Forschern (v. Friesen und Loewe) gemeinsam ist die Ansicht, daisnbsp;das got. nasidêdum das Ursprüngliche vertrete, dafs also auch die an.nbsp;und westgerm. Pluralformen ursprilnglich auf -dëdum usw. ausgingen.nbsp;Bei den Flexionsformen des Dentalprateritums sollen wir es alsonbsp;überall mit reduplizierten Formen der Wurzel *dhê zu tun haben,nbsp;Formen, die im Singular dem as. dcda usw., im Plural dem as. dadunnbsp;usw. entsprechen. Um deshalb die wirklich vorliegenden reduziertennbsp;Formen wie im Sing. got. nasida (für *nasidida) usw. und im Plur.nbsp;ahd. neritum (gegenüber got. nasidêdum usw.) zu erklaren, greifennbsp;sowohl V. Friesen als auch — und in noch weiterem Umfange — Loewenbsp;zu der Lehre von der Haplologie.

Die Haplogie-Theorie habe ich schon früher (IF 35 Anz. S. 16) als eine verdSchtige Sache bezeichnet, wenn man sie anwenden will,nbsp;um die Entwicklung der Flexionsformen des Dentalprateritums zu

‘ Aind. ddadham hat doch wohl die ^-Stufe.

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erklaren; diesen Verdacht hege ich noch heute, und er hat sich eher gesteigert. Unter Haplologie versteht man bekanntlich einen dissimila-torischen Silbenverlust, indem von zwei aufeinanderfolgenden Silben,nbsp;die den gleichen oder sehr ahnlichen konsonantischen Anlaut haben,nbsp;die eine Silbe verloren geht (vgl. Brugmann, Grundrife^ I, S. 857 ff.,nbsp;Collitz, Schwach. Prat., S. 168 ff. und 236 ff.). Beispiele; lat. sêmodmsnbsp;„halber Modiusquot; aus sêmimodius, gr. xéxoayjiov aus xExgdögayjiov,nbsp;aind. rujanas- „mit zerschlagener Nase“ aus *rujana-nds-, nhd. super-intent aus superintendent usw. Bei diesem Vorgang handelt es sich,nbsp;wie Collitz mit Recht hervorhebt, nicht um einen einfachen Lautwandelnbsp;im eigentlichen Sinn, auch nicht um eine einfache Formübertragung,nbsp;sondern um einen auf Formkürzung beruhenden dissimilatorischennbsp;Silbenverlust. Schon deshalb scheint es mir bedenklich, die Flexions-formen des germ. Dentalprateritums durch haplologischen Silbenverlustnbsp;zu erklaren, wodurch die Haplologie gewissermafeen als ein „Laut-gesetz“ gefafet wird. Collitz selber hat jetzt — wohl auch aus diesemnbsp;Grunde — die Haplologie-Theorie bei der Erklarung der an. und west-germ. Pluralformen und Optativformen ,des Dentalprateritums auf-gegeben, und er bemerkt (IF 34, S. 213 f.): „Da wir (d. h. Collitznbsp;und Loewe) im übrigen in der Erklarung des schwachen Prateritumsnbsp;so ganz verschiedene Wege einschlagen, könnte es mir nur erfreulichnbsp;sein, wenigstens hier (d. h. hinsichtlich der Auffassung des Verhalt-nisses von Eormen wie westgerm.-nord. “nazidum und got. nasidêdHm)nbsp;eine Strecke mit Loewe zusammengehen zu können. Leider abernbsp;mufa ich gestehen, dafe ich gerade in demjenigen Teil meiner Dar-stellung, um den es sich dabei handelt, meiner Sache durchaus nichtnbsp;sicher bin. Schon bei der Wahl zwischen den drei Möglichkeiten,nbsp;die ich S. 167 meiner Schrift unterschied, konnte ich mich des Ge-fühles nicht erwehren, daft ich mich hier auf unsicherem Bodennbsp;bewegte. Inzwischen — und zwar schon vor dem Erscheinen vonnbsp;Loewes jetzigem Aufsatz (KZ 45, S. 334 ff.) — habe ich Gelegenheitnbsp;gehabt, diese Frage von neuem zu erwSgen. Mir will jetzt scheinen,nbsp;dafe K. F. Johansson (KZ 30, 551 ff.) der richtigen Lösung nahernbsp;war als ich, wenn er die gotischen und die westgermanischen Formennbsp;als parallele Weiterbildungen einer gemeinsamen alteren Flexion ansah.quot;

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Zu diesem Ergebnis ist also Collitz gekommen, der doch früher die Haplologie-Theorie so vortrefflich verteidigt hatte. — Ferner ist esnbsp;auffallig, dafe die Falie der Flaplologie im Germanischen so aufeer-ordentlich selten sind. Wir kennen ahd. swibogo „bogenförmigenbsp;Wölbung“ aus *swibi-bogo, vgl. mhd. swebeboge'. Dagegen ist got.nbsp;awistr „Schafstal!quot; kaum eine haplologische Bildung aus *awi-wistra-(Noreen, Urgerm. Lautlehre, 30), sondern entweder mit Meillet (MSLnbsp;12, 218 f.) aus *oui-sth(e)-ro- oder mit Bezzenberger (KZ 27, 276 ff.)nbsp;aus *oui-sth-tro- zur Wurzel stha zu erklaren. Ebenso ist got. gana-wiströn kaum aus *nawi-wistra- (zu ahd. wist f. „ Aufenthaltquot;) dissimiliert,nbsp;sondern gehort mit W. Schulze (KZ 29, 270 f.) zu dem germ. Stammnbsp;nawi-st-tra- zur Wurzel *sfha mit dem Formans -tro-. Ganz unsichernbsp;ist es auch, ob im Ahd. das -o des Gen. PL F. in redino (Otfrid) undnbsp;kuninginno (Williram) aus -ö)w gekürzt worden ist. Bei dieser Sachlagenbsp;dürfte wohl mein Verdacht gegen Loewes und v. Friesens Flaplologie-Theorie zur Erklarung der Flexionsformen des germanischen Dental-prateritums nicht unberechtigt scheinen.

Wenn ich nun aus den obigen allgemeinen Grilnden ernstes Bedenken gegen die Haplologie-Theorie tragen mufate, dann wird diesenbsp;Theorie noch unwahrscheinlicher, wenn wir das Verhaltnis bei dennbsp;verschiedenen Flexionsformen des germ. Dentalprateritums im ein-zelnen betrachten. Die Singularformen des Ind., got. nasida, ahd. ncrita,nbsp;as. nerida usw. sollen in alien germ. Sprachen durch Haplologie ent-standen sein. Was das Gotische betriftt, ist es sehr auffallig, daftnbsp;diese haplologische Kürzung nur im Singular des Ind., aber nicht imnbsp;Plural und nicht im ganzen Optativ stattgefunden hat. Das lange -ê-braucht die Kürzung gar nicht zu verhindern, denn die Vokallangenbsp;spielt bei der Haplologie keine Rolle, vgl. z. B. lat. medialent ausnbsp;*niedt-dialem, debiliiare aus *dêbilitatare, calamitósus aus *calamilatösus,nbsp;nütrlx aus *nütrttrtx usw. Und ein gotisches *nasidum (dem ahd.nbsp;neritum entsprechend) wQrde doch sowohl in lautlicher als in mor-

' Es ist sehr bezeichnend, data die vollere und die durch Haplologie gekürzte Form oft nebeneinander bestehen, z. B. gr. (’m^pooEvg = ‘a/i()'i-(pogevg, ij/iédi/irornbsp;= r/fit-fiÉSifivor, usw., lat. portörium = portitörium, comportnx = comporiatrtx,nbsp;usw. Dies zeigt auch, dail die Haplologie nicht den Charakter eines gewöhn-

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phologischer Hinsicht eine sehr brauchbare Form sein. Auf der anderen Seite wurde die Erhaltung der unverkürzten got. Formen imnbsp;Plural [nasidêdum usw.) und im ganzen Optativ {nasidêdjau usw.)nbsp;gewifs einer haplologischen Kürzung der Singularformen des Ind.nbsp;hinderlich sein. In seinem Aufsatz IF 4, S. 372 f. glaubt Loewe fürnbsp;die Richtigkeit seiner Haplologie-Theorie eine Bestatigung beinbsp;den krimgotischen Aufzeichnungen Busbecks zu linden. Bei Bus-beck finden wir folgende drei Satze: Tzo Warthata. Tu fecisti;nbsp;les Varthata. Ille fecit; Ich malthata. Ego dico. In diesen Formen will Loewe Praterita sehen, wo der ursprüngliche got. Aus-gang -deda (oder -*êeda) erhalten sein soil. Aber erstens ist es unzu-lassig, aus solchen unklaren und unerklarten Formen, die uns erst ausnbsp;dem 16. Jahrhundert überliefert sind (und was für eine Uberlieferung!),nbsp;Schlüsse auf den „urgotischenquot; oder gar „urgermanischenquot; Stand desnbsp;Dentalprateritums zu ziehen, und zweitens ist Loewes Erklarung diesernbsp;Formen ganz willkörlich, nur eine Erklarung seiner Theorie zuliebe.nbsp;Das krimgot. warthata (vgl. got. waurhtd) sieht aus wie eine Neu-bildung, vielleicht mit nochmals angefügter Prateritalendung, wienbsp;V. Grienberger (Z. f. d. Phil., 30, 130) vermutet hat, wahrend Muchnbsp;(IF, Anz. 9, 200 f.) geneigt ist, in dem Ausgang -ta ein angeschleiftesnbsp;ita „esquot; zu sehen, so dafe warthata einem got. waurhta ita entsprechennbsp;würde. Bei malthata ist zu beachten, dalii Busbeck Ich malthata mitnbsp;„ego dicoquot; übersetzt, und ob die Anderung „dixiquot; auch eine „Bes-serungquot; ist, scheint mir wenigstens zweifelhaft. Much erklart malthatanbsp;als Prasensform auch mit angeschleiftem ita^ also einem got. mapljanbsp;ita entsprechend; wenn aber Busbeck hier wirklich einen Fehlernbsp;gemacht hat, ware es doch das natürlichste, in malthata eine gewöhn-liche Prateritalform gleich dem got. *ma-j)lida und mit Umstellung von j)inbsp;zu sehen. Nach Michels (IF, Anz. 6, 87), der auch Loewes Haplologie-Theorie nicht gutheifeen kann, könnte ies warthata eine Neubildungnbsp;nach dem Plural sein und ein *waurhtêda reprasentieren; das ist viel-

lichen Lautwandels hat. „Lebhaftere, erregtere Rede begünstigt den haplologischen Silbenschwund, und wir werden es, wo die unverkürzte und die ver-kürzte Form nebeneinander überliefert sind, öfters mit dem Gegensatz von Lento- und Allegroform zu thun habenquot; (Brugmann, GrundriÊ^, I, S. 859).

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leicht möglich, aber doch nur eine unsichere Vermutung. Dies alles 2eigt jedenfalls, wie willkürlich und unwahrscheinlieh Loewes Erklarungnbsp;dieser krimgotischen Formen ist. Und eines ist klar: sie können unsnbsp;nichts über den urspriinglichen Ausgang des Dentalprateritums imnbsp;„Urgermanischenquot; mitteilen’.

Dafe die westgermanischen Singularformen des Dentalprateritums durch eine haplologische Kiirzung entstanden sind, ist auch sehrnbsp;unwahrscheinlieh, weil hier die entsprechenden selbstandigen Formen,nbsp;ahd. teta, as. deda usw., daneben stehen, und die Assoziation mit diesennbsp;Formen, bei welchen keine Haplologie stattgefunden hat, wiirde gewifanbsp;einer Reduction der mit deda usw. gebildeten Prateritalausgangenbsp;sehr ungQnstig sein. Auch Loewe und v. Frieseii miissen zugeben,nbsp;wie wir gleich unten sehen werden, daamp; die Frhaltung der selbstandigen Prateritalformen der Wurzel *d/iê der Kürzung der entsprechenden Formen in der Komposition entgegenwirken mufa. Wennnbsp;nun Loewe (und auch v. Friesen?) die haplologische Kürzung dernbsp;Singularformen des Indikativs als „urgermanischquot; betrachtet (KZ 45,nbsp;337)) wird die Sache nur noch schlimmer. Denn je ferner wir diesennbsp;Vorgang in eine Urzeit zurücklegen, desto starker mufa die Assoziationnbsp;mit den entsprechenden selbstandigen Prateritalformen der Wurzelnbsp;*dhe gewirkt haben, und desto mehr nahern wir uns dem Stadiumnbsp;der periphrastischen Konstruktion.

Wenn wir nun zu den westgerm. und an. Pluralformen des Dentalprateritums, ahd. nerituni, as. neridun, an. svQföum, kommen, will Loewe auch hier eine haplologische Kürzung finden, indem got.nbsp;nasidêdum das Ursprüngliche vertreten soil. Früher hat er einenbsp;Haplologie nur bei kurzem Vokal angenommen. Jetzt aber erklartnbsp;er (KZ 45, 337): „Wenn ich jetzt auch die letztere Annahme (dafanbsp;die an. und westgerm. Pluralformen Analogiebildungen seien) nichtnbsp;mehr aufrecht erhalten mochte, so geschieht das weniger desw'egen.

^ Loewe scheint jetzt seine Erklarung der krimgot Formen aufgegeben zu haben, indem er (KZ 45, 337 f.) folgende unklare Bemerkung macht: „Für krimgotischnbsp;warthata^ malthata müête allerdings eine Analogiebildung nach dem Plural nachnbsp;dem Muster von *deda^ *deduni angenommen werden. Das Krimgotische brauchtnbsp;ja auch als Sprache der Heruler, die ursprünglich am wahrscheinlichsten etwa

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weil die Proportion, nach der diese Analogiebildung zustande ge-kornmen sein müfete, keine mathematisch genaue gewesen sein könnte, als vielmehr aus der Erwagung, dafa doch selbstandige Formen wienbsp;*dë()umequot; usw. wahrscheinlich eher auf Erhaltung des *-èéèume” in dernbsp;Komposition als auf dessen Kürzung hingewirkt haben werden: mannbsp;wird eben in Formen wie *saltö-öëöumequot; (got. salbö-dêduni) noch dasnbsp;-*dê()imie'‘ als „wir tatenquot; hindurchempfunden haben. Ich halte esnbsp;deshalb jetzt für wahrscheinlicher, daft, nachdem urgermanisch bereitsnbsp;bei kurzem Vokal (im Singular des Indikativs) eine Flaplologie statt-gefunden hatte (vgl. dagegen oben), spater, nach Abzug der Goten an dasnbsp;Schwarze Meer, im Westgermanischen und Nordgermanischen nun auchnbsp;noch bei langem Vokal (also im Plur. Ind. und im ganzen Optativ) sichnbsp;eine zweite Haplologie einstellte; die Flaplologie ist ein so haufigernbsp;Vorgang, dafa man ohne Bedenken eine solche Wiederholung der-selben annehmen kann.“ Dem ersten Teil dieser Ausführung (dernbsp;Erwagung) kann ich gern zustimmen; das übrige ist nur wilde Phan-tasie. Und dabei wird es ganz unbegreiflich, dafe die Goten, die ihrnbsp;selbstandiges dêdunt verloren haben (nach Loewe schon zur Zeit, alsnbsp;die Goten noch in Skandinavien safeen), jedoch an dem unverkürztennbsp;Ausgang -dêdum festgehalten haben, wahrend die Westgermanen trotznbsp;ihrer Erhaltung des selbstandigen dêdum den Ausgang -dêdum zunbsp;-dum verkürzt haben sollen. Auch versteht man nicht, warum west-germanische Stamme, die von den Goten meilenweit entfernt wohnten,nbsp;mit ihrer Flaplologie warten sollten, bis die Goten nach dem Schwarzennbsp;Meer abzogen. Für Loewe ist es eben verhangnisvoll geworden, dafenbsp;er die Haplologie als einen gewöhnlichen Lautwandel auffaftt; hat ernbsp;ja sogar ein neues „Lautgesetzquot; entdeckt: „Westg. und nordg. schwandnbsp;die inlautende Gruppe ‘unbetonter Vokal b’ nach vorausgehendemnbsp;bquot; (IF 4, 371). Dies ist eben ein typischer Ausfluê des „junggramma-tischenquot; Eifers, auf die Jagd nach neuen „Lautgesetzen “ zu gehen.

in Mecklenburg: oder vielleicht auch auf den danischen Insein, kaum aber in Skandinavien gesprochen sein wird, das Verbum „tunquot; nicht aufgegeben zunbsp;haben, das allerdings dem eigentlich Gotischen schon zur Zeit, als die Goten nochnbsp;in Skandinavien safaen, mit dem Nordgermanischen zusammen verloren gegangennbsp;sein wird.quot; Dies ist aber nur eine Anhaufung der unsichersten Vermutungen.

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Wenn man überhaupt die Haplologie in dieserWeise als „Lautgesetzquot; betrachtet, dann bleibt im Germanischen eine ungeheure Mengenbsp;von Fallen übrig, bei denen man verpflichtet sein wird, zu erklaren,nbsp;warum keine Haplologie stattgefunden hat'.

Wie schon erwahnt, macht nicht v. Friesen von der Haplologie einen sokhen ausgedehnten Gebrauch wie Loewe. Freilich verweistnbsp;auch v. Friesen bei seiner Behandlung der an. und westgerm. Plural-endungen auf die Möglichkeit einer Kürzung durch Hapologie. Abernbsp;er will sie jedoch lieber in einer anderen Weise erklaren. Für dasnbsp;Westgermanische betont v. Friesen mit Recht, das der Ausgangnbsp;-*()edum an dem gewöhnlichen Hilfsverb *dêöuin eine starke Stützenbsp;finden diirfte. Also auch v. Friesen mufs die starke Assoziationnbsp;zwischen den selbstandigen Praterialformen der Wurzel *dhê und dennbsp;entsprechenden Ausgangen des Dentalprateritums zugeben. Aber mitnbsp;dieser zweifellos richtigen Auffassung ist dann seine folgende Erkla-rung kaum vertraglich: „Mig .synes rimligast att vid förklaringen avnbsp;de nord- och vastgerm. pluralformerna -him etc. for aldre -hehun etc.nbsp;bygga pa de redan tidigt (forlitterSrt t. o. m. i got.) forenklade sg.-for-merna urn. -ho etc. Genom formens reduktion fran -behd^ till -ha^nbsp;loses associationen med det hjalpverb som ligger for dem til grund.nbsp;Dentalen blev for sprakkanslan barare av preteriti-betydelsen, och plu-ralens personalformer bildades genom att lagga pluralens vanliganbsp;personalandelser — saledes de som brukades i de ursprungliga an-delserna -èêhum etc. och i det starka verbets pret. plur. överhuvud —nbsp;til singularens „stamquot;. Sa reducerades pa analogisk vag pi. -ëêöumnbsp;Qtc.gt;-hum etc.quot; Aber warum hat denn diese Reduktion eben nichtnbsp;im Gotischen stattgefunden, wo ja das ganze Verb „tunquot; so fruh verloren gegangen war, und v/o der Trieb zur Ausgleichung so vor-herrschend ist? Und ist es nicht erstaunlich, dais diese Lockerungnbsp;der Assoziation mit dem zugrunde liegenden Hilfsverb sich eben innbsp;den Sprachen eingestellt haben soil, die ihr selbstandiges dëdum usw.

Wie sehr sich Loewe in die Haplologie verbissen hat, zeigt auch seine bequeme und einfache Lösung der schvvierigen Frage nach der Herkunft und Entwicklungnbsp;des germ, starken Prateritums (KZ 40, 266 flf.), das er ganz und gar auf einnbsp;idg. redupliziertes Perfekt zurückführt, indem er die Reduplikationssilbe durch

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bewahrten^. Wie man sieht, ist es v. Friesen durch seine Erklarung nicht besser gelungen als Loewe mit seiner Haplologie, den Schwierig-keiten aus dem Wege zu gehen, geschweige denn sie zu überwinden.nbsp;Überhaupt zeigt es sich, daft diese ganze Theorie, die von den For-men dcda-dêdiim ihren Ausgangspunkt nimmt und daneben auch mitnbsp;einer haplologischen Kürzung operiert, sich nicht durchführen lafttnbsp;ohne Willkür und Gewaltsamkeit und unwahrscheinliche Annahmen,nbsp;ohne Vermutung auf Vermutung zu haufen, bis alles zusammenzustür-zen droht.

Auf V. Friesens Erklarung der Flexionsendungen des germ. Den-talprateriiums brauche ich nun nicht naher einzugehen, weil sie ja v'oraussetzt, dafe das germ. Dentalprateritum auf Zusammensetzung mitnbsp;einem redüplizierten Perfekt der Wurzel *dhê beruht. Ich kann ihmnbsp;deshalb auch hier in wichtigen Punkten nicht beipflichten, was sichnbsp;aus meiner Erklarung der Singularformen weiter unten ergeben wird.

Soeben ist mir eine neue Abhandlung über die Frage nach dem Ursprung des Dentalprateritums in die Hand gekommen: „Dasnbsp;schwache Prateritum in den germanischen Sprachenquot; von A. W. M.nbsp;Odé (Mededeelingen der Koninklijke akademie van wetenschappen,nbsp;Amsterdam 1926). Odé kritisiert mit Recht die Erklarungen von Collitz,nbsp;Brugmann, Hammerich und v. Friesen. Selber versucht Odé einenbsp;neue Erklarung, die jedoch derjenigen von Collitz ziemlich nahe steht.nbsp;Wie sinnreich nun Odés Erklarung auch erscheinen mag, ist sie dochnbsp;unannehmbar und unhaltbar, weil er nicht nüchtern auf festen Bodennbsp;baut, sondern in den Wolken konstruiert und kombiniert, und sogarnbsp;zu der Urzeit des menschlichen Sprechens zurückkehren will.

Wahrend Collitz den Ausgangspunkt des germanischen Dentalprateritums in der Personalendung -tai des medialen Perfekts gesucht hatte, geht Odé bei seiner Erklarung von der sekundaren Personalendung do der 3. Sing, des medialen Aorists aus, z. B. aind. ddhitanbsp;„setzte, stellte“, dgata „gingquot; usw., gr. êxlvxo „hörtequot;, êdoro „gab“, usw.

Haplologie verschwinden laêt. Mir scheint seine Lösung des Problems ebenso verzweifelt als einfach (vgl. die treffenden Bemerkungen von Meillet, Dial. S. 107).nbsp;Schon die Annahme einer frühen Kürzung der Singularformen des Indikativsnbsp;ist jedoch; wie oben nachgewiesen, höchst unwahrscheinlich.

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Aber den nachsten Verwandten des germanischen Dentalprateritums findet er im lateinischen Deponens [loquitur usw.). Beim germ. Dental-prateritum babe dann der Dental, der ursprünglich nur der 3. Sing,nbsp;gehorte, sich über alle Flexionsausgange der ganzen Formation ver-breitet, und der Dental sei zum Tempusmerkmal geworden. — Es giltnbsp;hier dasselbe, das ich schon oben S. 11 über die Erklarung von Collitznbsp;bemerkt habe: der Ausgangspunkt ist gar zu schwach und unsichernbsp;und unnatürlich, um eine befriedigende Lösung des Problems gewahrennbsp;zu können.

Noch mehr befremdlich und absonderlich ist die Art und Weise, wie Odé die Elexionsausgange des germ. Dentalprateritums erklarennbsp;will. Um die i. und 3. Person Sing, des Indikativs zu erklaren, bemerkt er: „Ich nehme an, daft ein Teil des Indogermanischen dienbsp;dritte Person durch ein Pronomen angedeutet hat. Ich möchte einnbsp;Pronomen e annehmen (cf. Brugmann, Grundrifi'^ II, 2, S. 324 ff.),'nbsp;das in sehr alter Zeit, lange vor der Periode der Schleifton erzeugen-den Kontraktionen, nach Streitbergs Dehnungsgesetz bei seinem Weg-fall -to zu -tö gedehnt hat {1 24o-’e gt; -tö). Diese Endung -tö hat wiederumnbsp;die übrigen Endungen beeinflufet.quot; — Hier verfallt Odé nur in dienbsp;künstlichsten und willkürlichsten Konstruktionen, die jeden festen An-haltspunkt entbehren, und die deshalb bei einer modernen verglei-chenden Methode völlig belanglos sind.

Die 2. Sing, des Indikativs will Odé nach der Wackernagel-Behaghelschen Theorie (KZ 30, 313) erklaren, daft sie von der Medial-endung 2-thês (aind. -thah, air. -the) ausgegangen sei, obwohl Wacker-nagel und Behaghel das ganze Dentalprateritum aus dieser medialen Aoristform herleiten wollten, was zweifellos ganz verfehlt ist (vgl.nbsp;IF 35, Anz. S. 5). Es werden die Gleichungen angeführt: got. wuldës:nbsp;aind. vrthah] got. fra-waurhtês : idg. 2vrkthês', got. mundês (unbelegt,nbsp;aber i. munda, 3. gamunda, gamundêdmn, mundédun) : aind. mathak.nbsp;Eine gotische Eorm wuldës (ohne Sternchen!) spukt noch immer innbsp;den Handbüchern und Abhandlungen (so auch bei Odé); sie findetnbsp;sich aber nicht, es heièt wildës (unbelegt, aber i., 3. wilda, wildêdum,

1

^ Vgl. doch Brugmann ; „So ist ferner das uridg. e im Ausgang der 3. Sing, 'gegone^

2

uoide^ gr. yéyovs, olds ursprünglich wohi kein Subjektspronomen, sondern der

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wildèduj), wildêdim, wildêdi, wildêdeij)], und es scheint mir gar nicht so abgemaeht, dafa ein got. *wuldës je existiert hat. Es bleibt dienbsp;Gleichung got. mtindês : aind. dmathah. Brugmann (PBB 39, S. 96)nbsp;findet gegen diese Identifizierung zwar nichts Ernstliches einzuwenden.nbsp;Er fügt aber doch hinzu: „Aber nur in dem sinne ist sie statthaft,nbsp;dafe man annahme, diese formen seien in urgermanischer zeit in dennbsp;bann unserer schon vorhandenen und fertigen prateritalen bildungs-classe hineingeraten.“ Dazu möchte ich bemerken: Es ist dies zwarnbsp;eine Möglichkeit — aber nur eine Möglichkeit, mehr nicht — wenn dasnbsp;germanische Dentalprateritum wirklich ein altes ^Tempus (tó-Tempus)nbsp;und aus einer oder mehreren Flexionsformen des indogerm. Verbal-systems herzuleiten ist. Wenn das aber nicht der Fall ist, wennnbsp;das sich nicht nachweisen laêt, und es sich zeigt, dafa das germ.nbsp;Dentalprateritum vielmehr auf Umschreibung und Zusammenschmelzungnbsp;beruht, dann schwindet auch diese Möglichkeit, weil dann der germanische Ausgang -és sich auf eine ganz andere und viel natürlicherenbsp;Weise erklaren lafet.

Auch Odés Erklarung der gotischen Dual-, Plural- und Optativ-formen kann ich nicht beipflichten, u. a. weil er im Anschluè an Johansson mit den arischen Medialendungennbsp;nbsp;nbsp;nbsp;-atë operiert, was

m. E. ganz verfehlt ist; darüber s. oben S. 10 ff.

Sowohl gegen mich als gegen von Friesen macht Odé den Einwand, dafe es nicht erlaubt sei, einen Unterschied zwischen pri-maren und sekundaren Verben zu machen. Aber ein solcher Unterschiednbsp;war doch ursprünglich gewife vorhanden. Dafe Verschiebungen undnbsp;Vermischungen stattfinden können und stattgefunden haben, ist selbst-verstandlich. Das andert aber nichts an dem prinzipiellen Verhaltnis.nbsp;Die sekundaren oder abgeleiteten Verba (Denominativa und Deverba-tiva) batten ursprünglich nur einen einzigen Stamm, einen Prasens-stamm. Andere Stamme sind bei diesen Verben erst in den Einzel-sprachen durch Neubildung erschaffen. Wenn es z. B. heiftt gr. Pras.nbsp;Ti/uda), Fut. xifJLi'jav), Aor. êxï/xrjaa, Perf. zeri/xrjxa, oder lat. amö, amabo,nbsp;amabam, amdui, dann beruhen diese Konjugationen auf Neubildung

Ausgang eines nominalen Gebildes gewesenquot; (Grundr.^ II, 3, S. 7). Mehr als

blo6e Vermutung ist dies doch kaum.

3 — Norsk Tidsskrift for Sprogvidenskap

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(s. Meillet, Einführung, S. ii4f.). Das Prateritum der sekundaren Verba im Germanischen konnte deshalb entweder durch Anschluft annbsp;das schon vorhandene Flexionssystem der primaren Verba oder durchnbsp;eine periphrastische Konstruktion gebildet werden. Beide Möglich-keiten waren vorhanden. Wenn man nun aber einesteils bedenkt,nbsp;welche grofee Rolle die Tendenz zur Umschreibung beim Verbal-system in alien indogermanischen Sprachen und nicht zuletzt im Germanischen spielt, und es sich andernteils immér mehr zeigt, wienbsp;untunlich es ist, das germanische Dentalprateritum aus irgendeinernbsp;Oder mehreren einfachen Flexionsformen des indogerm. Verbalsystemsnbsp;herzuleiten, dann wird doch die Möglichkeit und die Wahrscheinlich-keit, dah das germ. Dentalprateritum durch Umschreibung entstandennbsp;ist, fast zur Gewifeheit. Die Voraussetzung dieser Entwicklung desnbsp;germ. Dentalprateritums liegt also eben in dem urspriinglichen Unter-schied zwischen primaren und sekundSren Verben, und deshalb istnbsp;es völlig berechtigt, diese Tatsache zu betonen.

Ferner behauptet Odé gegen von Friesen; „Jeder Versuch, das schwache Prateritum im Germanischen einheitlich zu erklaren, d. h. dienbsp;Verba praterito-prasentia nicht von den sekundaren Verba zu trennen,nbsp;hat den Vorzug. “ Diese Forderung an Einheitlichkeit bei den Erkla-rungen sprachlicher Erscheinungen und Vorgange begegnet uns heutenbsp;fast auf Schritt und Tritt unter den Sprachforschern. Sie ist in Wirk-lichkeit nichts als ein falsches methodologisches Prinzip, das von dennbsp;iibertriebenen junggrammatischen Vorstellungen der Gesetzmahigkeitnbsp;sprachlicher Wandlungen herrührt. Denn die sprachlichen Vorgangenbsp;sind eben so mannigfach und verwickelt und uneinheitlich wie dasnbsp;Leben selbst. Es gibt im Germanischen Vorgange genug, die sichnbsp;nicht einheitlich erklaren lassen, z. B. die Adjektivflexion, das verbumnbsp;substantivum, das starke Prateritum, der Ubergang e gt; und vielenbsp;andere. Wir mussen die Vorgange ganz voraussetzungslos betrachtennbsp;und suchen am liebsten zu evidenten und wenigstens zu plausiblennbsp;Erklarungen zu gelangen; ob diese dabei einheitlich werden odernbsp;nicht, tut nichts zur Sache und ist völlig belanglos. Dagegen ist esnbsp;ein wichtiges methodologisches Prinzip, dafe die sprachlichen Erklarungen im Einklang mit den Forderungen der Sprache als sozialen

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Systems stehen. Ich raöchte nicht behaupten, dafe die Erklarungen von Collitz und von Odé diesem Prinzip nicht Genüge tun. Collitznbsp;zeigt in seinem reichhaltigen Buche über das Dentalprateritum oft einnbsp;feines Verstandnis fiir die Forderungen des Systems. Aber die Aus-gangspunkte bei den Erklarungen beider dieser Forscher scheinennbsp;mir doch recht' befremdlich.

Als ein besonders groèes Verdienst von Collitz hebt Odé fol-gendes hervor: „ Aus dem engen Rahmen der Germanistik heraus hat Collitz das Problem in den unabsehbaren Raum der Indogermanistiknbsp;hinübergeführt.“ Ich mufa gestehen, daft ich diese Behauptung nichtnbsp;verstehen und nicht zugeben kann. Ob das ganze Problem ein indo-germanisches oder ein intern germanisches ist, mag an und für sichnbsp;ziemlich gleichgültig sein. A priori kann es doch nicht ein wissen-schaftliches Ziel sein, das germ. Dentalprateritum als ein indogerma-nisches Problem nachzuweisen. Dariiber wissen wir im voraus garnbsp;nichts. Wir wissen nur, dafe wir es hier mit einem Prateritalsystemnbsp;zu tun haben, das für das Germanische charakteristisch ist. Bei dernbsp;Untersuchung des Problems müssen wir deshalb zunachst vom Ger-manischen ausgehen und alles herauszufinden suchen, was sich ausnbsp;dem Germanischen herausfinden laèt. Erst danach dürfen wir weiter-gehen und nötigenfalls und wo möglich Verknüpfungen mit Flexions-systemen aufsergermanischer Sprachen suchen. Aus der Tatsache,nbsp;daft der Dental des Dentalprateritums immer mit dem des fo-Parti-zipiums übereinstimmt, darf man nicht folgern, dafe beide Dentalenbsp;ursprünglich identisch sind, und daamp; deshalb auch der Dental desnbsp;Prateritums ein idg. t sein mufii. Das ist ein Fehlschlula, wodurchnbsp;man nur auf Abwege gerat, und dieser Fehlschlufk ist sowohl fürnbsp;Collitz als für Odé verhangnisvoll geworden.

Noch eine letzte Behandlung der Frage nach der Herkunft des Dentalprateritums möchte ich nicht ganz stillschweigend übergehen:nbsp;Chr. Rogge, „Die entstehung des schwachen prateritums im germanischen als psychologische formangleichung“ (PBB 50, S. 321 ff.). Esnbsp;genügt aber, sein Ergebnis anzuführen: „alle formen des germ,nbsp;schwachen praeteritums gehen als analogie- oder angleichbildungennbsp;von deda aus, aber dies geschieht in zwiefacher weise: einmal indem

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von *deda das -da übertragen wurde, für dual und plural auch die vollen formen von *deda in die neue worteinheit eingingen [ta-widêdum)-, andererseits die angleichung syntaktischer verbindungen annbsp;*deda {mahts was) nur den auslaut a heriibernahmen, wobei sich zum teilnbsp;infolge nachtraglicher umdeutung (mah-ta statt maht-a) /a-formationennbsp;herausstelltenquot; (S. 330).

II. Ergebnisse der obigen Kritik.

Die obigen Erörterungen mogen vielleicht eine ziemlich negative Kritik der früheren Erforschung des Problems erscheinen. Aber ichnbsp;glaube doch, daft eben durch diese Kritik sich wichtige Ergebnissenbsp;feststellen lassen:

1. nbsp;nbsp;nbsp;Die Herkunft des germanischen Dentalprateritums laEt sichnbsp;nicht binnen dem idg. Formensystem finden. Die vielen Versuche,nbsp;die bisher gemacht worden sind, das germ. Dentalprateritum ausnbsp;irgendeiner idg. Verbalform herzuleiten, sind alle gescheitert. Allenbsp;Möglichkeiten scheinen jetzt erschöpft; keine hat zum Ziel geführt.

2. nbsp;nbsp;nbsp;Schon dadurch hat die Zusammensetzungstheorie in hohemnbsp;Grad an innerer Wahrscheinlichkeit gewonnen. Und weil nun dienbsp;Denominativa und die Deverbativa von Haus aus ein eigenes formellesnbsp;Prateritum entbehrten, wurde es das einzig natiirliche, dieses durchnbsp;eine Umschreibung, eine periphrastische Konstruktion auszudrücken,nbsp;wie es bekanntlich das Altindische in seinem periphrastischen Perfektnbsp;gamay^ cakara „veranlaète zu gehen“ kennt.

3. nbsp;nbsp;nbsp;Dab die Germanen eine ahnliche Umschreibung benutzt haben,nbsp;zeigt fast zur Evidenz das gotische nasidêdum usw., dessen -dêdumnbsp;es ein methodischer Fehler sein würde, von dem westgerm. dêdumnbsp;„taten“ zu trennen. Dann ist es aber auch die gröbte Wahrscheinlichkeit, dab das germanische Dentalprateritum hauptsachlichnbsp;einer periphrastischen Bildung mit Formen der Wurzel *dhê zu verdanken ist.

4. nbsp;nbsp;nbsp;Dagegen kann das' germ. Dentalprateritum kaum ganz und garnbsp;durch Zusammensetzung mit reduplizierten Formen der Wurzel *dhênbsp;entstanden sein. Mit anderen Worten, got. nasida usw. ist nicht aus

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einem “nasideda entstanden, und ahd. neritum usw. entspricht nicht dem got. nasidêdum.

5. Zwischen dem Dentalprateritum und dem to-Partizipium, das ja früh prSteritale Bedeutung angenommen hatte, besteht eine engenbsp;Assoziation, die nicht nur zu einer Übereinstimmung in dem Dental,nbsp;sondern überhaupt zu einer formalen Übereinstimmung zwischen dennbsp;beiden P'ormen führte.

Hier haben wir, glaube ich, feste Ausgangspunkte für die weitere Betrachtung des Problems. Dagegen ist es m. E. unzulassig, von vorn-herein vorauszusetzen, dafs der Dental aller Dentalpraterita, also sowohlnbsp;von kunj)a, wissa, bauhta als von nasida, hausida, salböda, denselbennbsp;Ursprung haben mufe. Ich kann nicht einsehen, daè es methodologischnbsp;notwendig ist, alle diese Formen in ein und dasselbe Erklarungs-system einzudrücken. lm Gegenteil, das heifet doch auf eine vorgefaEtenbsp;Idee bauen. Das ist es eben, was sowohl Collitz als v. Friesen getannbsp;haben, und, wie wir gesehen haben, mit keinem günstigen Erfolg.

Wenn nun aber das germanische Dentalprateritum eine ursprüng-lich periphrastische Bildung ist, dann scheint es einleuchtend, dafe wir von den Denominativa und Deverbativa (Kausativa, Iterativa undnbsp;Inchoativa) auszugehen haben. Denn diese Verba batten von Hausnbsp;aus kein eigenes Prateritum, und muEten also ihr Prateritum durchnbsp;eine periphrastische Konstruktion ausdrücken. Und ist nun weiternbsp;dieses periphrastische Prateritum durch Verbalformen der Wurzel *dhënbsp;gebildet worden, so dafe also die spatere Zusammensetzung diesenbsp;Formen als ihr zweites Glied enthalt, dann dürfte es doch ebensonbsp;einleuchtend sein, dafs es vor allem gilt, die Formen der Typen got.nbsp;nasida, salböda usw., ahd. nerita, salböta usw., as. nerida, satboda usw.,nbsp;ags. neredc, sealfode usw., an. talda, kallaba u.sw. zu erklaren. Denn diesenbsp;Typen müssen mit Formen der Wurzel *dhe zusammengesetzt sein,nbsp;wenn wir einmal zu dem Ergebnis gelangt sind, dafj die Denominativa und Deverbativa im Germanischen ursprünglich ein periphrasti-sches Prateritum mit Verbalformen der Wurzel *dhê gebildet haben.nbsp;Hier liegt das Hauptproblem. Wie es sich dabei mit Formen wienbsp;kitnjgt;a, wissa, bauhta usw. verhaken mag, bleibt eine Sache für sich.nbsp;Sie sind gewifi in sprachgeschichtlicher Hinsicht sehr interessante

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Bildungen, stehen aber aiiêerhalb des Hauptproblems, und können deshalb fiir die Lösung des Hauptproblems keine entscheidende Rollenbsp;mehr spielen. Es ist deshalb ganz unnötig und grundlos, die Zusam-mensetzungstheorie fallen zu lassen, nur well sie scheinbar sich nichtnbsp;ohne weiteres auf Formen wie kunpa, wissa, bauhia anwenden lafet.

III. Die Bildung des Dentalprateritums.

Das germanische Dentalprateritum der Typen nasida, salböda usw. beruht also auf Zusammenschmelzung einer ursprünglich peri-phrastischen Konstruktion, die aus einem Verbalnomen und einernbsp;Verbalform der Wurzel *dhi bestand. Die periphrastischen Tempus-bildungen waren sehr beliebt in alien idg. Sprachen, und die Ver-bindung konnte teils loser sein, wie z. B. Xzï. factus sum, teils festernbsp;wie bei dem aind. periphrastischen Futurum datasmi „werde geben“nbsp;aus data asmi. Mit dem germ, periphrastischen Prateritum, aus wel-chem das Dentalprateritum hervorgegangen ist, vergleicht man vornbsp;allem und mit Recht das altindische periphrastische Perfekt mit cakaranbsp;„machtequot;, z. B. gamay^ cakara „veranlaBte zu gehenquot;, vid^ cakaranbsp;„wuÊtequot;, usw. Hier ist jedoch die Verschmelzung noch nicht voll-zogen, wie das der Fall sein mufe mit dem germ. Dentalprateritumnbsp;schon in einer vorhistorischen Periode. Deshalb vergleicht man auchnbsp;andere ursprünglich periphrastische Bildungen, die schon früh vonnbsp;den Sprechenden als einfache Verbalformen empfunden werden mufsten,nbsp;vor allem das lateinische Imperfekt antabam, monêbam usw., wo dienbsp;Silbe -bam als ein Aorist *(e)bhuam „ich warquot; (vgl. ir. i. Sing, ba, lit.nbsp;3. Sing, biivo) zur Basis *bheua aufgefafst wird. Weiter vergleichtnbsp;man das slavische Imperfekt neseachu zu nesf „tragequot;, das aus Verschmelzung mit einem *esont „ich warquot; (thematisches Imperfekt zunbsp;jesmt) erklart wird, also *nese-esont „ich war beim Tragenquot;, wie lat.nbsp;legêbam „ich war beim Lesenquot;; ohne lautliche Schwierigkeiten istnbsp;jedoch diese Erklarung nicht (s. A. Meillet, Le slave commun, § 296).nbsp;Auch eine ursprünglich periphrastische Bildung mit der Wurzel *dhenbsp;glaubt man aufeerhalb des Germanischen zu finden, namlich in demnbsp;griech. med.-pass. Aorist aufnbsp;nbsp;nbsp;nbsp;z. B. hifid-d'rjv zu Ti/adcjo „schatzen.

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ehren“, è(pih]-'d-r]v zu cpiXéw „lieben“ ÈyoXm-driv zu /oldco „erzürnenquot;. Diese Formen sind wahrscheinlich Zusammensetzungen eines Verbal-nomens mit dem Aorist *(ë-)drjv der Wurzel *dhê, also dem aind.nbsp;Aorist ddham entsprechend; auch diese Deutung steht doch nicht ganznbsp;fest (s. Hirt, Handb. der griech. Laut- und Formenlehre § 468; Brug-mann, Grundrife^ II, 3, S. 503 f.; Meillet-Vendr3'es, Traité de gramm.nbsp;comp., S. 214 ff.). In den germanischen Sprachen ist die Tendenznbsp;zur Umschreibung mit einem Verbum „facerequot; immer lebendig ge-bheben. Zwar linden wir diese Umschreibung nicht in der altestennbsp;Zeit; aber das ist eben leicht verstandlich, wenn das germ. Dental-prateritum wirklich aus einer periphrastischen Bildung mit Verbalfor-men der Wurzel *dhê hervorgegangen ist. Bekannt ist ja die Umschreibung mit dem Hilfsverb do im Englischen. lm Deutschen findennbsp;wir die Umschreibung des Verbum finitum durch tim und den sub-stantivierten Infinitiv seit dem 13. Jahrhundert, und in den Mundartennbsp;ist sie heute weit verbreitet (s. Paul, Deutsche Grammatik 4, § 349;nbsp;Behaghel, Deutsche Syntax II, § 746): klagen si do beide von irnbsp;dienste herzelichen taten (Kudr. 1065, 4), daz si uns tüon bewarennbsp;(Walth. 6, 2). Besonders haufig ist diese Umschreibung im Mittel-niederlandischen: heten dede,nbsp;nbsp;nbsp;nbsp;usw. (Grimm, Deutsche Gram

matik IV, S. 103 f.). Im Norwegischen sind Redensarten wie lese gjorde han hele dagen ganz gelaufig. Wie man sieht, die Annahme,nbsp;dah das germ. Dentalprateritum aus einer ahnlichen periphrastischennbsp;Konstruktion entstanden sei, stimmt vortrefflich zu dem ganzennbsp;System.

Dafe der erste Bestandteil des germ, periphrastischen Prateritums ein Verbalnomen gewesen ist, darf wohl jetzt ohne weiteres ange-nommen werden. Wie aber dieses Verbalnomen gebildet war, undnbsp;welcher Kasus in der Periphrase Verwendung fand, darüber lafat sichnbsp;jetzt kaum etwas Bestimmtes ermitteln. Auch hier will v. Friesennbsp;(s. 21) Anschauungen geltend machen, die wenigstens sehr anfechtbarnbsp;sind: „Huruvida det germ, subst. ursprungligen varit en -/o-stamnbsp;(mask, eller neutr.) eller en -?a-stam (fem.), jfr. Brugmann, Grundr.^nbsp;2: I § 26 (s. 167) och § 97 b (s. 168), ma lamnas öppet och er lik-giltigt: den urg. grundformen till satida ar, sedan verbet enklitiskt

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anslutit sig til verbalsubstantivet och detta antagit kompositionsform, *satija-deèd^ (lt; ieur. *sodeiom eller *sodeiam dhedhod). Detta ar salundanbsp;grundformen til preteriter av 2:dra och 3:dje sv. klasserna (resp. fvn.nbsp;velia, valèa och fella, felda). I analog! harmed bör grundformen tillnbsp;i:sta klassens preteritum lyda *peuanöia-()eöa^, jfr. fsa. thionoian pres,nbsp;inf., senare thionon = fvn. pióna. Preteritets första led bör vara bildadnbsp;pa presens-stammen och denna andas i första klassen pa -öio-, Oie-,nbsp;se Streitberg UG § 206: ags. pres. ind. i. p. sealfie, (3) pl. sealftaè,nbsp;inf. sealfian etc. av stammen *sal'böio-, *salt)öie-, pret. sealfode = fsa.nbsp;saltoda (inf. aldst salioian). Troligen har pa et tidigt stadium (got.nbsp;salboda) andelsen -öifa)- i pret. reducerats till ö före det pa konsonantnbsp;uddljudande *be.èa^, under det att daremot i pres. -öi- kvarstod framförnbsp;bakre vokal (fsa. salioian, ags. sealfian), dar det ej genom analog!nbsp;ersatts av o (got. sa/óow).“ Aber as. thionoian kann unmöglich alternbsp;sein als thionon', es ist möglich, da6 wir es hier mit zwei uraltennbsp;Bildungen zu tun haben, wahrscheinlich ist aber thinoian eine spaterenbsp;Neubildung. Eine Grundform *salböia-èeèa^ hatte kaum im Ags.nbsp;sealfode geben können, das wird jeder einsehen, der mit den ags.nbsp;Lautverhaltnissen vertraut ist. Und es ist unbegreiflich, warum got.nbsp;salbön eine analogische Umbildung sein soil. Es scheint mir, dafijnbsp;v. Friesen überhaupt das formale Verhaltnis bei den germ. ö-Verbennbsp;verkannt hat. Wir haben es namlich hier mit zwei uralten Bildungennbsp;zu tun: einer athematischen Bildung auf -d- und einer thematischennbsp;mit -ie-Ito- erweiterten Bildung auf -aie-'.-dio-. Zu dem ersten Typusnbsp;gehört z. B. lat. cubds cubdmus, laudds lauddmus usw.; ir. maraithnbsp;„bleibt“ aus *mrrd-, 'rannam „wir teilenquot; zu rann „Teilquot;, scaraimnbsp;„trenne michquot; (wo -aim aus -dmi wie in ahd. salböm), gr. aol. t{ua-/uevnbsp;„wir ehrenquot;, usw.; lit. büvome „wir warenquot;, jüsto-me „wir gürtenquot;nbsp;zu jü'sta „Gürtelquot;, brydau „stehe im Wasserquot;, usw.; aind. mdldtinbsp;„ist wie ein Kranzquot; zu mdld „Kranzquot;. Zu dem thematischen Typusnbsp;gehört z. B. aind. damdyd-ti „bandigtquot; (vgl. aber lat. donias — amp;\\d.nbsp;samös), usw.; gr. att. Ti/xdoo (aus -dió), usw.; aslav. diraj(i „schindequot;,nbsp;citaj(i „lesequot;, lit. lindoju (neben lindau) „bin hineingekrochenquot;, usw.nbsp;Das Italische scheint ursprünglich nur den athematischen Typus zunbsp;kennen. Jedoch wird die i. Sing. Ind. Pras. auf allgemein aus

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-aiö erklart; aber diese Erklarung steht kaum fest; könnte wohl auch aus -aö entstanden sein' (vgl. umbr. subocauu „invocoquot;), indemnbsp;der ursprüngliche Ausgang -ami zu -aö gt; -ö umgebildet worden seinbsp;nach den thematischen Verben der 3. Konjugation, ungefahr wie dasnbsp;¦mi von ai. bhdrami (lat. ferö] auf die thematischen Stamme übertragennbsp;worden ist. Auch im Keltischen scheint der athematische Typus fastnbsp;alleinherschend zu sein. Nur bei den einsilbigen Stammen könnennbsp;wir noch die thematische Flexionsweise erkennen, z. B. ir. snaïd „flief3t“.nbsp;raid „rudertquot;, vgl. aind. snaya-të „badet“; dagegen kann 'tau „ich bin“nbsp;ebensowohl aus 1staö als aus 1stdiö entstanden sein. Im Germanischennbsp;ist der athematische Typus wenigstens der herrschende. Das Gotische,nbsp;Altnordische und auch das Althochdeutsche kennen nur den athema-tischen Typus; denn die alemannischen Optativformen salbö(g)e,nbsp;salbö(g)êst usw. müssen Neubildungen sein (trotz der Versicherungnbsp;Wilmanns, Deutsche Gramm. Ill, S. 86). Am weitesten verbreitet istnbsp;bekanntlich der thematische Typus irn Anglofriesischen; alsoim Ags.:nbsp;I. Sing. Ind. sealfte (aber 2. und 3. sealfas, sealfaÖ), Plur. sealfiad;nbsp;Opt. sealfte, sealfien) Imp. i., 2. Plur. sealfian, sealfiad] Part. sealficnde]nbsp;Inf. sealfian. Im Altsachsischen finden wir die thematischen und athe-matischen Formen nebeneinander, z. B. Ind. Plur. mako(ia)d] Opt.nbsp;1. Sing, mako(ie), PI. mako(ia)n] Part. mako(ia)ndi] Inf. mako(ia)n. Dienbsp;thematischen Formen kommen nur im Heliand und in der Genesisnbsp;vor neben den athematischen Formen, die überhaupt die Mehrzahlnbsp;bilden. Bei diesen -y-Formen können wir wohl den altererbtennbsp;thematischen Typus haben, jedoch kaum beim Infinitiv, weil dernbsp;Infinitiv von Flaus aus mit dem Verbum nichts zu tun hatte; sprach-geschichtlich mufi deshalb as. thionon alter als thionoian sein (vgl.nbsp;Streitberg UG § 198 und Zur germ. Sprachgeschichte S. 15 ff.). Undnbsp;es scheint mir auch wenigstens fraglich, ob die übrigen Formen mitnbsp;-j- wirklich den alten thematischen Typus vertreten. Sie können auchnbsp;Neubildungen sein. Collitz (Schwach. Prat. S. 96) sagt nicht ohnenbsp;Berechtigung; „Man hat ja nun freilich dem Altsachs., Altfries, undnbsp;A^s. zu Liebe eine urgerm. Flexion auf -öjön angenommen. Dafe aber

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Brugmann, Grundriê lï 3, S. 199, setzt als Ausgang -alijö und will wohl eben dadurch andeuten, da6 heides möglich ist.

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das j in der 2. Klasse nicht alt ist, ergibt sich daraus, daft das j aut den Stammvokal der Verba (im Gegensatz zu dem j der i. Klasse)nbsp;keinen Einflufii übt. Die Erklarung ist vielmehr darin zu suchen, dafijnbsp;die genannten Sprachen dazu neigen, die scharfe Scheidung zwischennbsp;den verschiedenen Klassen der schwachen Verba fallen zu lassen undnbsp;namentlich das ursprilnglich nur fur die i. Klasse charakteristische -j-auf samtliche schwachen Verba auszudehnen.quot; Hierzu bemerkt Brug-mann (Grundrift^, II, 3, S. 119, Fufenote): „Collitz, Schwach. Prat.nbsp;95 fif., halt das as. ags. *-öian für eine Neuerung für -on. Im Prinzipnbsp;erscheint das nicht unglaubhaft, zumal wenn man die Neubildungnbsp;umbr. portaia „portetquot; vergleicht.quot; Für Collitz’ Auffassung sprichtnbsp;auch die Tatsache, teils daft wir von dem thematischen Typus im Got.,nbsp;An. und Ahd. keine Spur linden, und teils daft die -y'-Form in dennbsp;übrigen germ. Sprachen (besonders im As.) so wenig durchgeführtnbsp;erscheint. Unter diesen Umstanden ist jedenfalls die Vermutungnbsp;V. Friesens, daft got. salboda, ahd. salbota, as. salboda, ags. sealfode,nbsp;(an. kallaöa) samtliche auf eine Grundform *saltöia-öeda^ zurückgehen,nbsp;völlig unhaltbar. Und auch seine Annahme, dafa der erste Bestandteil der periphrastischen Bildung ein Verbalsubstantiv auf -ia (Fern.)nbsp;gewesen sei, ist nicht stichhaltig. Besser könnte dann. Loewes Annahme scheinen (IF IV, S. 374), da6 der erste Bestandteil der Juxtaposition der Infinitiv sei: salböda lt;^*salpönon-dhedhöm durch „Wort-kürzungquot;. In lautlicher Hinsicht ist doch diese Annahme sehr bedenk-lich und nicht hinreichend begrundet.

Vergleicht man nun hinsichtlich der Bildung des zugrunde liegenden Verbalnomens unser Dentalprateritum mit den oben erwahnten aufeergermanischen ursprünglich periphrastischen Bildungen, dannnbsp;scheint die Bildungsweise von z. B. lat. doma-bam, gr. èzijnd-'amp;rjv genaunbsp;dem ahd. zamö-ta, got. salbo-da zu entsprechen, ebenso lat. tacê-ham,nbsp;gr. êcpdfj-'amp;tjv dem ahd. dagêta, got. habaida] dagegen stimmt got.

^ Es genügt, auf folgende Arbeiten hinzuweisen, wo auch weitere Lit. verzeichnet ist: Brugmann, Grundrift^, II, 3, S. ^oi, 506, 516; Thumb, Handb. d, Sansl^-itsnbsp;1,369 f.; Sommer, Handb. der lat. Laut* und Formenlehre I, S. 521 ff., II, S. 140 ff.;

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satida nicht zum lat. monêbam. Zu den lat. Formen stimmen wieder in auffalliger _Weise die slav. Bildungen auf -achU wie nesëachü usw.nbsp;(Meillet, Le slave commun, § 296), Nun sind aber die Natur und dienbsp;Bildung des verbalen Nomens, das den aufeergermanischen Bildungennbsp;zugrunde liegt, ebenso unaufgeklart wie die des germ. Dentalprateri-tums. Fine Reihe von Hypothesen ist vorgelegt worden, ohne daftnbsp;eine evidente Erklarung erreicht worden ist. Ich brauche diese nichtnbsp;hier naher zu besprechen'. Nur möchte ich bemerken, dafb Hirtsnbsp;Annahme (IF 17, S. 40 ff.), wir hatten es ursprünglich überall hiernbsp;mit einem „Kasus indefinitusquot; zu tun, mir zwar geistreich, aber dochnbsp;nur ein Notbehelf scheint; das Bedenkliche dabei ist, daft man dannnbsp;die ganze Bildung bis in eine uralte indogermanische Periode vornbsp;der Ausbildung der Flexion verlegen mufe. Was Streitberg schonnbsp;vor Jahren (UG S. 341) ausgesprochen hat, scheint mir deshalb nochnbsp;heute nicht ohne Berechtigung: „Wie in lat. amdbam, uidsbani,nbsp;fardbatn, in abg. delaachü, celêachü, sucht man auch in den germ.nbsp;Formen alte Kasus; au6er dem allzeit hilfsbereiten Instrumental bleibtnbsp;wenig Auswahl. Es ist zuzugeben, dafe der erste Ausgangspunktnbsp;irgendwelcher Kasus gewesen sein mu6, wahrscheinlich ein Akkusativ;nbsp;jedoch darf man nicht so weit gehn, in den lat., abg. oder germ.nbsp;Formen noch regelrechte Kasus zu suchen. Diese sind ersetzt worden durch das, was dem Sprachgefühl der Redenden als „Stamm“nbsp;erscheinen muEte, d. h. durch jenen Lautkomplex, der in den ver-schiednen Flexionsformen konstant bleibt, wahrend ihm die „Endungenquot;nbsp;das je nach Kasus oder Person Veranderliche sind, vgl. H. Paul,nbsp;PBrB IV. 413. Es ist daher vergebne Mühe, die zu einem einheitlichennbsp;Ganzen verwachsnen periphrastischen Bildungen durch einen einfachennbsp;Schnitt in zwei Teile zu zerlegen und in dem ersten den oder jenennbsp;Kasus zu suchen.quot; Ich glaube noch heute, daE Streitberg hier imnbsp;wesentlichen die Sache richtig beurteilt hat, obwohl sein Ausdruck

Meillet, Le slave commun, S. 232 ff.; Meillet-Vendryes, Traité de grammaire compare, S. 275. — Manu Leumann, Die ital. ƒ- und A-Tempora (IF 42, S. 60 ff.,nbsp;und die da verzeichnete Literatur).

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„ersetztquot; mir nicht glücklich gewahlt scheinth Ich denke mir den ganzen Vorgang bei der Entstehung des germ. Dentalprateritums fol-gendermaamp;en: Ursprünglich war der erste Bestandteil der periphra-stischen Konstruktion ein verbales Nomen, dessen genaue Bildung undnbsp;Kasus wir nicht mehr bestimmt feststellen können. Durch die Ver-schmelzung der beiden Bestandteile zu einem einheitlichen Ganzennbsp;verlor das zweite verbale Glied allmahlich die Bedeutung eines Hilfs-verbs und wurde immer mehr als nur flexives Element empfunden.nbsp;Es entstanden somit neue einfache Verbalformen mit prateritaler Bedeutung, deren Elexionsausgange auf flektierte Formen der Wurzelnbsp;*dhê zurückgingen. Dabei scheint es mir einleuchtend, dafs die neunbsp;entstandenen Verbalformen nicht aufserhalb des Systems stehen bleibennbsp;konnten, sondern muEten sich in das ganze übrige Verbals3'stemnbsp;einfügen durch Assoziation mit den entsprechenden übrigen Verbal-formen (Prasens-, Imperativformen, Infinitiv usw.), ungefahr wie esnbsp;sich Streitberg gedacht hat, und diese Assoziation wurde dann auchnbsp;für den’ „Stamrnquot; der neuen Prateritalformen bestimmend. V'on ent-scheidender Bedeutung aber ist meines Erachtens die zweifellos starkenbsp;Assoziation mit den entsprechenden to-Partizipia gewesen. Der Grundnbsp;war, daE die to-Partizipia binnen dem System, worin sich die neuennbsp;Praterialformen einfügen muEten, die einzigen Formen waren (natürlichnbsp;von den starken Verben abgesehen), die prateritale Bedeutung hatten,nbsp;so daE sie als passives Prateritum Verwendung fanden, auch ohnenbsp;Hilfsverb. So finden wir z. B. im Altindischen Umschreibungen mitnbsp;dem to-Partizipium ohne das Verbum Substantivum wie tatü ntê dpahnbsp;(RV I, iio, i) „getan ist meinWerk“. Auch kann an die Entstehungnbsp;des kelt. passiven Prateritums, wo auch das /o-Partizipium zugrundenbsp;liegt, erinnert werden, z. B. ir. ro carad „wurde geliebtquot;, ro carthanbsp;„wurden geliebtquot; (s. Thurneysen, Hdb. I, S. 403 flf., Brugmann, Grundr.^nbsp;II, 3, S. 509). Neben dem „Dentalpartizipiumquot; kommt also im Germ,nbsp;ein Dentalprateritum zu stehen. Dies ist eben sehr wichtig: hier habennbsp;wir die psychologische Grundlage der durchgeführten formalen Über-einstimmung zwischen Dentalprateritum und /o-Partizipium. Uberall

’ Dagegen sagt Streitberg gar nicht, wie Sommer (Krit. Erlaut. S. 141) behauptet, dafe dieser „Ersatzquot; bereits in uridg. Zeit erfolgt sein soil. Im Gegenteil, aus

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stimmt der Wortbestandteil vor dem Prateritalausgang zu dem Stamm des tó-Partizipiums. Um dies zu veranschaulichen, nehme ich einigenbsp;Beispiele aus dem Gotischen:

jah gawasi-dedun ina paurpurai (Mc 15,17) ~ wasu}5-jDan lohannes gawasi-jgt;s taglam ulbandaus (Mc 1,6).

bijje daupi-da alia managein (L 3,21) daupi-jgt;s was fram lohanne (Mc 1,9); daupi-dai wesun allai (Mc 1,5).

JjaJjroh aftra galagi-da handuns ana jjo augona is (Mc 8,25) st. wasuh l^an hulundi jah staina ufarlagi-da was ufaro (I 11,38).

jah gasati-da ina ana giblin alhs (L. 4,9) ~ gasati-dai wesum (E I, ii).

aiwaggeli j)atei meri-da izwis (K 15,1) ~ jah in allai bairgahein ludaias meri-da wesun alia j)o waurda (L 1,65).

bi mik auk jains gameli-da (I 5,46) ~ {jata gameli-do (L 18,31). gahaili-da ins (L 4,40) gahaili-dai waurjjun (L 6,18).nbsp;jjaruh eis allai gadoini-dedun ina skulan wisan daujjau (Mc. 14,64)nbsp;~ jah uswaurhta gadomi-da warj) handugei fram barnam seinamnbsp;(M II, 19).

jah suns hauhi-da ina (I 13, 32) ~ unte lesus nauhjianuh ni hauhi-j)s was (I 7,39).

saei gatimri-da razn sein (M 7,24) ~ ana Jiammei so baurgs ize gatimri-da was (L 4,29).

saei in gudaskaunein wisands ni wulwa rahni-da wisan sik galeiko guda (Ph 2, 6) ~ rahnt-dai wesum swe lamba slauhtais (R 8,36).

Jiatei frauja gakanni-da unsis (L 2,15) ~ unte bi andhuleinai gakanni-da was mis so runa (E 3,3).

hianuh jian jiuk sehjum gast jah galafgt;o-dedum ? (M 25,38) ~ swaswe atlapo-dai sijuj) in aina wen (E 4,4); gala^o-jgt;s wast (K 7,21).

jah [sa] galaubjands du imma ni gaaiwisko-da (R 9,33) ni gaaiwisko-j)S war|) (k 7,14).

jan-ni gaweiso-dedup meina (M 25,43) ~ gawciso-dai waurjjun (Neh 7,1).

etun jah drugkun, lingai-dedun jah lingai-dos wesun (L 17,27).

seiner ganzen Darstellung erhellt, dafi er diesen „Ersatz“ als einzelsprachlich betrachtet.

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hjan filu jjus frauja gatawida jah gaarmai-da J)uk (Me 5,19) ~ ij) nu gaarmai-dai waurjju|) (R 11,30).

ni heilai-dedun bidjandans (C 1,9) ~ unte ana/veilai-ps war{) ahma is fram allaim izwis (k. 7,13).

Ich brauche keine Beispiele aus den anderen germ. Sprachen anzufuhren. Uberall linden wir die formale Ubereinstimmung zwischennbsp;Dentalprateritum und Dentalpartizipinm durchgefilhrt. Dem aktivennbsp;Prateritum hailida entspricht das passive Prateritum haili-^s (Fern, hai-lida) warj) (was). Es kann kein Zweifel bestehen, dafe das Dentalprateritum schon friih in eine enge Beziehung zu dem to-Partizipiumnbsp;getreten sein mufe, was nicht vergessen werden darf, wenn man zunbsp;der Erklarung der mittelvokallosen Praterita kommt. Bei der Ent-wicklung des germ. Dentalprateritums linden wir also zwei Haupt-momente; erstens die Verschmelzung der periphrastischen Konstruktion,nbsp;und zweitens die Einverleibung des neu entstandenen Prateritumsnbsp;in das übrige Verbalsystem durch Assoziation mit dem to-Partizipium.nbsp;Fiir die Richtigkeit dieser Auffassung spricht auch die Tatsache, dafj mitnbsp;Ausnahme der Singularendungen des Indikativs die iibrigen Flexions-endungen des Dentalprateritums iiberall zu denjenigen des starkennbsp;Prateritums stimmen; nur im Alemannischen und bei Isidor lindennbsp;wir besondere Plural- und Optativendungen, die sich jedoch, wie wirnbsp;weiter unten sehen werden, als spatere Neubildungen leicht erklarennbsp;lassen.

Wir kommen jetzt zu der Frage nach der Form des Flilfsverbs, das den zweiten Bestandteil der ursprünglich periphrastischen Konstruktion bildet. Solange das germ. Dentalprateritum sich noch aufnbsp;dem periphrastischen Stadium befand, ist es klar, dafe eine Reihenbsp;von verschiedenen Formen der Wurzel *dhë, sowohl Aoristformen alsnbsp;Perfektformen, sowohl reduplizierte als unreduplizierte Formen, innbsp;diese Periphrase eintreten konnten. Aber abgesehen von den Formennbsp;des Typus nasidedum, dessen -dêdum wegen des langen -ê- einernbsp;naheren Erklarung bedarf, können, wie ich oben nachzuweisen gesuchtnbsp;habe, die Formen des Dentalprateritums weder aus einem redupliziertennbsp;Aorist (oder Imperfekt) noch aus einem reduplizierten Perfekt herge-leitet werden. Aus prinzipiellen Gründen bin ich überhaupt geneigt

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anzunehmen, dafe das Dentalprateritum eben nicht mit denjenigen Formen der Wurzel *dhê zusammengesetzt ist, welche als selbstandigenbsp;Verbalformen auch nach der Zusammenziehung in der Sprache fort-lebten, also z. B. as. nerida nicht mit deda, ahd. neritum nicht mitnbsp;tatmn. Den es ist wahrscheinlich, dafe diejenigen Formen der Wurzelnbsp;*dhê, die als Hilfsformen in der periphrastischen Bildung besondersnbsp;Verwendung fanden und daher als selbstandige Formen wenigernbsp;gebrauchlich wurden, ausgestorben sind gleichzeitig mit der Zusammen-schmelzung der periphrastischen Konstruktion. So steht neben lat. ama-bant kein selbstandiges *fam (aus *bhuam, vgl. doch altlat.„ichnbsp;moge sein“), dagegen ir. ba „ich warquot;, Wt. büvo „er warquot;; nebennbsp;griech. htudamp;tjv kein selbstandiges *ëamp;r]v (vgl. sê-rjxa), dagegen aind.nbsp;ddham. Es ist dies ein Vorgang, der auch bei den nominalen Kompo-sitionsbildungen wohlbekannt ist, und der sich im Germanischen vornbsp;unseren Augen vollzieht. Indem das zweite Kompositionsglied all-mahlich zu einem bloBen formantischen Element herabsinkt, verschwin-det entweder das selbstandige Wort ganz oder lebt nur fort in einernbsp;verschiedenen, speziellen Bedeutung. So ist neben den Abstrakta aufnbsp;¦heit wie ahd. niagadheit, kindheit, frtheit, kuoviheit usw. das im Mhd.nbsp;noch lebendige /««'/jetzt ausgestorben. Neben den Bildungen auf -schaftnbsp;[Frcimdschaft, Botschaft usw.) ist das selbstandige Wort ahd. scaf,nbsp;giskaft, mhd. skaft auch verschwunden. So auch ahd. mhd. iuomnbsp;neben Rittertum, Königtmn usw.; zwar bewahren noch das Engl. undnbsp;das Nord. das selbstandige Wort (engl. doom, norw. dom), aber innbsp;der speziellen Bedeutung „Urteilquot;. Wir haben Adjektiva wie sündhaft,nbsp;glaubhaft usw., aber das alte selbstandige haft findet sich nicht mehr.nbsp;Weitere Beispiele sind nicht nötig; sie lassen sich aus allen idg.nbsp;Sprachen anführen.

Die Form des Hilfsverbs (natürlich wieder von dem Typus got. nasidêdum abgesehen), das den zweiten Bestandteil des germ, periphrastischen Prateritums bildete, kann deshalb meines Erachtens nurnbsp;ein augmentloser Aorist der Wurzel *dhê gewesen sein. Es mag viel-leicht kühn scheinen, dem Aorist eine solche Wichtigkeit im Germanischen beimessen zu wollen, wo doch die meisten Forscher dasnbsp;ganze starke Prateritum ausschliefslich •— oder fast ausschliefalich auf das

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indogermanische Perfekt zurückführen. Diese Auffassung ist beinahe zu einem Dogma geworden. So bemerkt z. B. J. J. Mikkola (Streitberg-Festgabe, S. 267), indem er die alte Gleichung got. iddja : aind. dyatnbsp;verwirft; „Es ware aber recht merkwürdig, dafe eine isolierte Aug-mentform im Germanischen erhalten ware, da die anderen Prateritanbsp;auf idg. Perfekta zurilckgehen.quot; Zwar findet sich kaum eine Augment-form im Germanischen, aber nicht weil die anderen Praterita auf idg.nbsp;Perfekta zuriickgehen. Das ist eben eine Behauptung, die nie erwiesennbsp;worden ist; man nimmt nur hier als ausgemacht, was nie wissenschaftlichnbsp;festgestellt worden ist. Auch von Friesen behauptet „att det starkanbsp;preteritum i alia germaniska sprak atergar pa ieur. perfektum. Inbsp;denna iakttagelse ligger uppslagsandan till hela problemets lösning“nbsp;(Det svaga pret., S. I, Fufanote). Und doch scheint seine Lösung desnbsp;Problems eben an „denna iakttagelsequot; zu scheitern. In der Tatnbsp;können wir meines Erachtens die Entstehung und Ausbildung desnbsp;germanischen Prateritalsystems nicht erklaren ohne die Annahme einernbsp;Mischung von Perfekt- und Aoristformen.

In einem Aufsatz „Der Aorist im germanischen Verbalsystem und die Bildung des starken Prateritumsquot; (Falk-Festskrift, S. 296—330)nbsp;habe ich die Frage nach der Erhaltung von alten Aoristformen imnbsp;germanischen Verbalsystem ausfilhrlich behandelt, und ich glaube nach-gewiesen zu haben, dah eine Reihe von Aoristformen in das germa-nische Prateritalsystem aufgenommen worden ist1.

Sichere Aoristformen sind die westgermanischen Prateritalforraen der 2. Sing, des Indikativs. Die auhergermanischen Entsprechungennbsp;sind gar nicht so selten und zufallig, wie öfters behauptet worden ist.nbsp;Dem erwahnten Aufsatz entnehme ich folgende Beispiele:

ahd. biezi, as. biti, ags. bite (zu ahd. bïzan „beiftenquot;, usw.) : aind. dbhidah „spaltetestquot;.

ahd. bi-libi, as. bi-ltbi, ags. be-life (zu bi-liban „bleibenquot;, usw.) : aind. dlipah „beschmiertestquot;.nbsp;nbsp;nbsp;nbsp;

ags. siwe, ahd. siwi (zu ags. sêon „seihen“, usw.) : aind. dsicaJt „gossestquot;.

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Für die ganze nahere Beweisfiihrung mu6 ich auf diesen Aufsatz verweisen.

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ahd. zig!, ags. tige (zu ahd. zthan „zeihenquot;, usw.) : aind. ddifah „zeigtestquot;.

ahd. as. stigi, ags. stige (zu ahd. stïgan „steigenquot;, usw.) : gr. ëoxiyes

ahd. liwi, as. far-liwi {zn Ithan „leihenquot;, usw.) : aind. dricah „über-liefeestquot;, gr. ëhm(; „verliefaestquot;.

ahd. scizzi, ags. scite (zu ahd. sctzan „scheifeenquot;, usw.) : aind. dchidah „spaltetestquot;.

ags. mige (zu mïgan „mingere“) : aind. dmihah „minxistiquot;.

ahd. wicht, ags. wice (zu ahd. wtchan „weichen“, usw.) ; aind. dvijah „wichst zurück“.

ahd. buti, as. budi, ags. bude (zu ahd. biotan „bietenquot;, usw.) : aind. dbudhah „erwachtestquot;.

ahd. bugi, ags. buge (zu ahd. biogan „biegenquot;, usw.) : gr. ëqtvye? „flohstquot; mit g, aber germ, gh oder k.

ahd. riizzi, ags. rute (zu ags. réotan „wehklagenquot;, usw.) : aind. drudah „wehklagtestquot;.

ahd. klubi, as. kluti, ags. clufe (zu ahd. klioban „spakenquot;, usw.): gr. eylvcpeg „schnitztestquot;.

ahd. trugi, as. drugi (zu ahd. triogan „trügenquot;, usw.) : aind. druhah „suchtest zu schadenquot;.

ahd. as. kuri, ags. cure (zu ahd. kiosan „wahlenquot;, usw.) : aind. djusah „erfreutest dichquot;.

ahd. ar-luti, as. ludi, ags. lude (zu ags. lëodan „wachsenquot;, usw.): aind. drudhah „wuchsestquot;.

ags. rufe zu rêofan „zerbrechenquot; (nur Part. rofen, berofen belegt): aind. driipah „zerbrachstquot;.

ags. luce zu lücan „schlieëenquot; : aind. drujah „zerbrachstquot;.

ahd. wurti, as. wurdi, ags. wurde (zu ahd. werdan, usw.) ; aind. dvrtah „drehtestquot;.

ahd. mulki, ags. mulce (zu ahd. melkan „melkenquot;, usw.) : aind. dmrjah „ wischtest ab quot;.

dhd. furzi, ags. furte (zu ags. feortan „pederequot;, usw.) : gr. ejiQaèeg.

ahd. smurzi, ags. smurte (zu ahd. smerzan „schmerzenquot;, usw.); aind. dmrdah „zerriebstquot;.

4 — Norsk Tidsskrift for Sprogvidenskap

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5° JAKOB SVERDRUP

as. sulce (nur im Part, asolcen „trage gewordenquot; belegt) : aind. dsrjah „liefeest losquot;.

westgerm. *purri (zu got. gapairsan „dürr werden, lechzenquot;) : aind. trsah „dürstetestquot;.

as. thunsi, ahd. dunsi (zu tiunsan, dinsan „ziehenquot;) : aind. dtasah „schiitteltestquot;.

ags. swunce (zu swincan „sich abmiihenquot;) : aind. dsvajah „um-armtest“(?).

Diese westgermanischen Prateritalformen der 2. Sing, wurden früher und werden noch heute als ursprüngliche Optativformen erklart, dienbsp;in den Indikativ eingedrungen seien. In meinem Aufsatz (Falk-Fest-skrift, S. 303 fï.) glaube ich jedoch nicht nur nachgewiesen zu haben,nbsp;dafe die Einwendungen gegen die Aorist-Erklarung nicht stichhaltignbsp;sind, sondern dafii auch die Optativ-Hypothese ganz verfehlt ist.

Eine weitere eigentümliche Form ist die germanische prateritale 3. Person Plur. Ind. wie got. bitun, budun, waurpun, bundun usw. Esnbsp;ist dies eine athematische Bildung mit der Endung -nt, und der Endungnbsp;nach scheint sie kaum eine Perfektform zu sein. Die 3. Plur. Perf.nbsp;Ind. des Indogermanischen war namlich höchstwahrscheinlich ur-sprünglich eine r-formantische Bildung; vgl. z. B. aind. Akt. cakrühnbsp;„sie haben gemachtquot;, pêcüh „sie haben gekochtquot;, usw., Med. cakriré,nbsp;pêciré usw.; av. Akt. atjhard „sie sind gewesenquot;, ciköitdVds „sie habennbsp;wahrgenommenquot; (vgl. aind. cikitüh), Med. cdxrare ( = aind. cakriré)] lat.nbsp;fuêre, dtxêre, uïdére usw., tochar. wenare „dixërequot;; air. ro rergatarnbsp;„sie haben ausgestrecktquot;, ro leblangtar „sie sind gesprungenquot;, usw. —nbsp;Die sekundare Endung -nt ist zwar selten aufeerhalb des Germanischen;nbsp;jedoch finden sich aoristische Formen mit dieser Endung (s. Falk-Festskrift, S. 315). Wohl bekannt ist dagegen die thematische Bildungnbsp;auf -nt in der 3. Plur. Ind. des Aorists, z. B. aind. dsican, gr. ëhnov,nbsp;zs\z.v. pad(i „sie fielenquot;. Sowohl der Endung als der Wurzelstufe nachnbsp;scheint also got. bitun usw. eine aoristische Bildung zu sein, und wirnbsp;können dann z. B. folgende fast genaue Entsprechungen feststellen:nbsp;got. bitun : aind. dbhidan.nbsp;got. gataihun : aind. ddican.nbsp;got. bilibun ; aind. dlipan.

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DAS GERMANISCHE DENTALPRATERITUM 51

got. laifvun nbsp;nbsp;nbsp;:nbsp;nbsp;nbsp;nbsp;gr. sXinov.

got. stigun nbsp;nbsp;nbsp;:nbsp;nbsp;nbsp;nbsp;gr. êatr/^ov.

got. bidun nbsp;nbsp;nbsp;:nbsp;nbsp;nbsp;nbsp;gr. Emd-ov.

ags. sciton nbsp;nbsp;nbsp;: aind.nbsp;nbsp;nbsp;nbsp;dchidan.

got. budun nbsp;nbsp;nbsp;: aind.nbsp;nbsp;nbsp;nbsp;dbudhan.

got. bugun : aind. dbhujan,^gr. êqjvyov.

ags. clufon : gr. ty}Mq)ov.

ags. ruton nbsp;nbsp;nbsp;:nbsp;nbsp;nbsp;nbsp;aind. drudan.

as. drugun nbsp;nbsp;nbsp;;nbsp;nbsp;nbsp;nbsp;aind. diruhan.

got. ludiin nbsp;nbsp;nbsp;: aind.nbsp;nbsp;nbsp;nbsp;dnidhan.

ags. rufon nbsp;nbsp;nbsp;; aind.nbsp;nbsp;nbsp;nbsp;dmpan.

got. waurpun nbsp;nbsp;nbsp;: aind.nbsp;nbsp;nbsp;nbsp;dvrtan.

ags. furton ; gr. ejiqaèov.

got. at-jgt;unsun ; aind. dtasan.

got. gapaursun : aind. trsan.

Bei diesen Entsprechungen ist der einzige Unterschied, dafs wir im Germanischen eine athematische, im Altindischen und Griechischennbsp;dagegen eine thematische Bildung haben, wahrend der germanischenbsp;Typus as. bidi, biidi usw. wieder thematisch ist. Ich glaube deshalb,nbsp;dafa wir mit einer an Gewifisheit grenzend en Wahrscheinlichkeit feststellennbsp;können, das die germanische prateritale 3. Plur. Ind. aoristischen Ur-sprungs ist.

Sehr eigentümlich und ratselhaft erscheint der é-Typus in Formen wie got. bërum, nêmum, gêbum, mêtum usw. Dieser Typus ist herr-schend im Dual und Plural und im ganzen Optativ des Prateritumsnbsp;der 4. und 5. Verbalklasse. Mit seinem -ê- scheint dieser Typusnbsp;aufeerhalb des Perfektsystems zu stehen, das ja teils durch die o-Ab-

V

tönung, teils durch die Tiefstufe charakterisiert ist; und die eifrigen Bemühungen, auch die ê-Formen als ursprüngllch tiefstufige Perfekt-formen mit Dehnung der Reduplikationssilbe wegen des Schwundsnbsp;des Wurzelvokals zu erklSren, erscheinen alle ziemlich miMungen.

Nun steht neben dem ë-Typus auch ein ö-Typus, und, wie Brug-mann (IF 32, 179 ff.) nachgewiesen hat, kann dieser Typus ebenso ursprünglich sein als der ë-Typus. Fine vergleichende Untersuchungnbsp;der Ausbreitung und Verwendung dieser beiden Typen führt zu dem

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52 JAKOB SVERDRUP

Ergebnis, daft beide Typen ursprünglich nicht dieselbe Funktion ge-habt haben; sie können also nicht beide perfektisch sein. Der ö-Typus mufe zwar perfektisch sein; das zeigt schon die dem Perfekt eigenenbsp;ö-Abtönung. Alte Perfekta sind deshalb Formen wie got./ór forum,nbsp;gróf gröfum, möl mölum usw., air. gaid, raith, iaich usw., aind.nbsp;sasahé, cakara, sasada, uvaca usw. Die Formen mit -ê- dagegennbsp;lassen sich kaum als alte Perfektformen erklaren. Zwar ist aind.nbsp;sêdimd aus einer reduplizierten schwundstufigen Perfektform entstanden,nbsp;denn das alte ê mufste im Arischen a geben. Dagegen das ê in dennbsp;italischen, keltischen, germanischen und litauischen Formen lafet sichnbsp;kaum in ahnlicher Weise erklaren. Weil nun der alte Aorist imnbsp;Italischen und Keltischen so bedeutende Spuren hinterlassen hat,nbsp;wahrend im Baltischen das Perfekt, von den -ues- Partizlpia abgesehen,nbsp;völlig untergegangen und der Aorist mit dem alten Imperfekt semantisch zusammengefallen ist, liegt es doch am nachsten, den ê-Typus,nbsp;im Gegensatz zu dem perfektischen ö-Typus, als ursprünglich aori-stisch zu erklaren. Aoristischer Herkunft sind dann Formen wie got.nbsp;bêrum, nëmum, gêbum, mêtum usw., lat. uêni, sêdi, lêgi usw., air. -tr,nbsp;¦midair, ‘fidedar, lit. émiaü, wè'miau, geriau usw. Im Vokalismusnbsp;stimmen die Formen zu der 3. Sing, des altindischen Passivaorists,nbsp;z. B. asadi'. lat. sëdt, got. sëtum, dgami-, lat. uëni, got. qëntum.

Für das Germanische ist weiter Folgendes zu beachten. Als echte Perfektformen hatten wir got. *numum, *baurum, *stuluni er-warten sollen, ganz wie btindum, waurpum, htdpum. Nun findet sichnbsp;wirklich der Typus *numum, und zwar bei den Praterito-prasentia,nbsp;z. B. munum, skulunt, die ja eben alte Perfekta mit erhaltener per-fektischer Bedeutung sind, und die auch im Westgermanischen in dernbsp;2. Sing, die alte Perfektform auf -t bewahrt haben. Daraus darf mannbsp;wohl mit grofeer Wahrscheinlichkeit schlieamp;en, daft Formen wie nëmum,nbsp;bêrum, stëlum nicht perfektischen Ursprungs sein können, und dannnbsp;liegt es am nSchsten, an den alten Aorist zu denken. Sehr bezeichnendnbsp;ist weiter der Gegensatz von got. gamot gamötum, ahd. muos muozumnbsp;und got. mêtum, ahd. mdzum. Beide Formen gehören zu derselbennbsp;Wurzel *med „messenquot;; aber gamötum ist ja praterito-prasentisch,nbsp;d. h. ein echter Perfektum; das kann nicht gleichzeitig auch mit mêtum

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DAS GERMANISCHE DENTALPRATERITUM 53

der Fall sein, darin steekt vielmehr ein alter Aorist, ganz wie in air. ro midair.

Auch unter den nordischen und westgermanischen Praterita, denen im Gotischen reduplizierte Praterita entsprechen, finden sich wahr-scheinlich einige alte Aoristfornien, und zwar bei den Verben, dienbsp;zwischen Prasens und Prateritum die Abstufung ai:nbsp;nbsp;nbsp;nbsp;zeigen. Es

sind dies die Verba germ, aikan, fraisan, haitan, laikan, mailan, skaijgt;an, swaipan, taisan, filaihan. Wir wissen, dafe in bestimmten Fallennbsp;auf idg. êi zurückgeht. Das ist auch der Fall mit dem ë'^ in Prateritanbsp;wie an. lëk, ags. lëc (vgl. angl. leolc]) an. as. ags. hët (vgl. angl. heht),nbsp;afries'. hët, hit, ahd. hiaz] ags. seed, as. skêth, ahd. sciad] ahd. miaz',nbsp;ahd. zias. Diese Praterita haben also aus ëi, wahrend im Prasensnbsp;ai auf 3i zurückgeht. Es liegt nahe, den Ablautwechsel ai «ai):nbsp;ë^ «éi) bei den germanischen Verben mit dem Wechsel a «a): ênbsp;bei dem lateinischen Typus facio : fëci, iaciö : iëci, usw. zu vergleichen.nbsp;Wir haben hier im Lateinischen wie im Germanischen genau dieselbenbsp;Abstufung a : ë, nur dab im Germanischen a:ëvori steht. Nunzeigtabernbsp;die evidente Zusammenstellung von fëci mit gr. eamp;rjxa, dab der Typusnbsp;fëci zweifellos aoristischer Herkunft ist. Wir können dann nicht umhin,nbsp;anzunehmen, daft die germanischen Praterita mit ë^ gegenüber Pra-sentia mit ai auf alte Aoriste zurückgehen. Diese Annahme findetnbsp;auch eine gewisse Stütze an den dehnstufigen s-Aoristen im Alt-indischen, obgleich das Germanische keine Spur von dem sigmatischennbsp;Aorist aufweist; so finden sich s-Aoriste mit ëi wie aind. dcaisam „ichnbsp;sammeltequot;, dnaiksam „ich wusch'‘, usw.; mit aind. d-chditsam „ichnbsp;schnitt ab“ lafst sich hinsichtlich des Vokalismus direkt ags. scëd, as.nbsp;skêth, ahd. sciad vergleichen.

Weil also der Aorist bei der Entwicklung des germanischen stanken Prateritums eine nicht unbedeutende Rolle gespielt hat, dürfennbsp;wir jetzt ohne Bedenken annehmen, dafs der Aorist auch bei dernbsp;Ausbildung des Dentalprateritums nicht unbeteiligt gewesen ist. Welchenbsp;diese Aoristformen sind, werde ich in einem besonderen Kapitel übernbsp;die Personalendungen des germanischen Dentalprateritums nahernbsp;nachzuweisen versuchen. Indem ich auf meine obigen Ausführungen,

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54 JAKOB SVERDRUP

besonders S. 36 ff., 38 fF. und 46 ff., verweise, möchte ich hier nur betonen, dafe die altindische periphrastische Konstruktion mit dernbsp;Wurzel *kar, die ja zum Vergleich mit dem germanischen Dental-prateritum so oft herbeigezogen wird, nicht nur Perfektformen diesernbsp;Wurzel enthalt, vvie man nach den gewöhnlichen grammatischennbsp;Darstellungen glauben sollte; in der Tat sind Formen mit dem Aoristnbsp;des Hilfsverbs ebenso haufig als die mit dem Perfekt (s. Whitneynbsp;§ 1073, b). So heifit es z. B. ramayfi dkar „machte zufrieden“;nbsp;janay^ dkar „erzeugtequot;, sdday(i dkar „setzte“; svaday(i dkarnbsp;wohlschmeckendquot;; vid^ dkran „sie wufetenquot;, usw.

IV. Die Verbalformen der Wurzel im Germanischen.

Es ist auffallend, dafii wir kein gemeingermanisches Verbum der Wurzel *dhe kennen. Nur das Westgermanische hat ahd. tuon, as. don,nbsp;afries. dua, ags. don] daneben stehen mit dem bekannten Bedeutungs-unterschied ahd. mahhön „zu stande bringen, bewirken, fügenquot;, as. makonnbsp;„zurichten, bereiten, fügenquot;, afries. niakia, ags. macian „bereiten,nbsp;machenquot;, und ahd. wurchen „bewirken, ausführen, machen, tunquot;,nbsp;ags. wyrcan. Das Gotische hat taujan „machen, tun, wirken“ (vgl. ahd.nbsp;zouwen „verfertigen, bereiten, machenquot;, ags. tawian „bearbeitenquot;,nbsp;as. töian, afries. tawa „machenquot;) neben waurkjan „machen, wirkenquot;.nbsp;Das Altnordische hat görva, gera „bereiten, machen, tunquot; (vgl. ahd.nbsp;garawen „fertig machen, bereitenquot;, as. garwian, gerwian „bereiten,nbsp;zurüstenquot;, ags. gierwan „bereiten, kochenquot;) nehen yrkja (=got. waurkjan). Das urn'ordische tawido (Gallehus) scheint zwar ein dem got.nbsp;taujan entsprechendes Verb vorauszusetzen, s. jedoch Marstrander imnbsp;3. Bande dieser Zeitschrift; und urn. dalidun (Tune) ist, wie Seipnbsp;ebenda nachzuweisen gesucht hat, wahrscheinlich die Prateritumsformnbsp;eines Verbs *dêlian „machen, tunquot; zur Wz. *dhë, vgl. an. dxll „leicht,nbsp;umganglichquot;, asl. delajfi „arbeitequot;.

Dies gibt nun ein zieralich buntes und uneinheitliches Bild der Verhaltnisse. Jedoch können wir nicht bezweifeln, dah das alteste

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DAS GERMANISCHE DEN'IALPRATERITUM 55

Germanische ein gemeinsames Verb der Wurzel *dhê gehabt hat. Das zeigt auch die zu dieser Wurzel gehörigen Nominalbildungen:

a. nbsp;nbsp;nbsp;Mit der ê-Stufe:

got. gadêps f. „Tat“, an. ddê {fordéda f. „Zauber, Verbrecherin, Hexe“), ahd. tat, as. dad, gidad, afries. dëd, dède, ags. dmd) vgl. asl.nbsp;blago-dëït „Wohltatquot;; aind. dddhati „er setzt“, gr. Tidrjfxi, lat. ƒ««nbsp;(: gr. ëêrjxa), aslav. dëti, dëjati) Abl. got. waidêdja m. „Ubeltater“,nbsp;ahd. ubiltato.

an. dxll „leicht, umganglichquot;; vgl. asl. dëlo n. „Werkquot;.

ahd. gitan „gelanquot;, as. gidan {gtdön), afries. dën, ags. (ge)dön; vgl. asl. dënü „gesetzt, getanquot;.

b. nbsp;nbsp;nbsp;Mit der ö-Stufe;

got. doms m. „Urteil, Sinnquot;, an. dómr, ahd. tuom, as. döm, afries. döm, ags. döm\ vgl. gr.nbsp;nbsp;nbsp;nbsp;„Strafequot;, dmjuóg „Haufenquot; ; aind. d/ia-

ma(n) „Gesetzquot;.

Die germanischen Nominalbildungen der Wurzel *dkê zeigen also nur die è-Stufe und die ó-Stufe. Dies ist auch von Wichtigkeit fürnbsp;die Beurteilung der Verbalformen dieser Wurzel und der Flexions-formen des Dentalpraterituums. Eine Schwundstufe *dhd wie z. B.nbsp;in lat. fado finden wir im Germanischen nicht; zwar hatten wir einnbsp;to-Partizip *dhdU- (vgl. an. stadr, dmd?_sthitd), dem aind. dhitdh ent-sprechend, erwarten sollen, es findet sich aber nicht, dagegen *dhêno-,nbsp;ahd. gitan.

Warum das Gotische und das Altnordische das Verbum dön als selbstandiges Verb haben fallen lassen und durch andere Verba ersetzt,nbsp;können wir nicht bestimmt sagen. Am Ende beruht es auf psycholo-gischen und sozialen Bedingungen. Aber der Schwund hangt gewifenbsp;teilweise mit der periphrastischen Verwendung des Verbs und dernbsp;Entwicklung des Dentalprateritums (vgl. meine Bemerkungen oben S. 47)nbsp;zusammen. Dann ist auch zu beachten, dafe die athematischen Wurzel-prasentia eine ziemlich anomale Stellung im germanischen Verbal-system einnehmen. Das Gotische und das Westnordische haben dienbsp;Verba von dem Typus ahd. gdn, stdn, ags. bêon zugunsten anderernbsp;Verba und Formen aufgegeben. Ein got. *dön, an. *dó (z. B. Pras.

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Althochdeutsch (wesentlich nach Braune, Ahd. Gr., S. 303).

Alteste

Form,

Benedictinerregel,

Hymnen.

Tatian.

Otfrid.

Notker.

Indikativ.

Sg. I

tötn

tuam

tuon

diian

tuon

2

tös

*tuas

tüos, tuost, tuis

duas(t) duis(t)

tuost

3

töt

tuat

tuot

duat, duit

tuot

PI. I

tömês

tnamês

tiioniês, tuon

ducn

tüên, tuoên

2

töt

tuat

tuot

duet

tuont

3

tont

tuant

tuont

ducnt, duant

tuont

Optativ.

Sg. I

tüe

tuo, tuoe, tuca, tüe

due

tüe, tuoe

2

tos

tüês

tüês

duest

tüêst, tuoêst

3

tüe

tuo usw. wie I

due

tüe, tuoe

PI. I

tom

*tüêm

*tuom, *tuon

ducn

tüên, tuoên

2

tot

tüêt

tuot

*duet

tüênt, tuoênt

3

ton

tmn

tuon

*duen

tüên, tuoên

Imperativ.

Sg.

tua

tuo

dua

tuo

PI. I

tömes

tuamês

tuomês

duemês

*tüên, *tuoên

2

tot

tuat

tuot

duet, duat

tuont

Infinitiv.

tön

titan

tuon

duan

tuon, tüen

Gerund.

tOnnt

tuannc

tuonnc

duanne

tuonne, tüen

Partizip.

tönti.

tnanti.

tuonti, tüanti

*ducHti

tuonte, tuonde, tüendc.

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DAS GERMANISCHE DENTALPRATERITUM 57

*dcé, *dér, *ddr, *dóm usw’.) ivürde im Verbalsystem gar zu absonderlich stehen, und würde deshalb um so leichter durch andere, lebenskraftigerenbsp;Verba mit gleicher oder verwandter Bedeutung verdrangt werdennbsp;können ; und solcher Verba gab es ja, wie wir oben gesehen haben,nbsp;viele. Vielleicht können bei dem Absterben des Verbs don im Go-tischen und Altnordischen auch satzakzentuelle Verhaltnisse (Schwach-tonigkeit im Satze) mitgespielt haben; doch möchte ich bei einer sonbsp;frühen Stufe der Sprachentwicklung nicht ein zu grofees Gewicht aut'nbsp;dieses Moment legen, und besonders für das Gotische scheint es mirnbsp;sehr bedenklich.

Wir gehen nun zu den westgermanischen Verbalformen der Wurzel *dhê-.*dlw über, und werden zunachst die Prasensformennbsp;behandeln. Ehe wir aber eine Erklarung der verschiedenen Prasensformen versuchen, scheint es angemessen, zuerst eine Übersicht übernbsp;die Prasensflexion in den westgermanischen Sprachen zu geben.

Ahd. Formen s. S. 56.

Weitere Formen thematischer Art: Ind. 2. Sg. töis Cass, 3. Sg. töit Pa R, tuoii M, gitöit Cim, 3. PI. tuoant Gc^; Opt. 2 Sg. giiüêsnbsp;Bib, tuoiest Nps., 3. Sg. gatöz Freis. Pn. B, gitüe Mg, tuoe M, duoenbsp;Is., gituoge Clm, tiioie, iiioge Nps. Im Mittelfrankischen (z. Teil auchnbsp;im Nfr. und im Mnd.) linden sich die eigentümlichen Formen der 2.nbsp;3. Sg. Ind. deist, deit, die im spateren Mfr. herrschend werden.

Altsachsisch.

Indikativ.

Sg. I. dom, duom, dön, diion.

2. nbsp;nbsp;nbsp;dös, duos, duoas.

3. nbsp;nbsp;nbsp;död, döt, duod, diiot, döit.nbsp;PI. död, döt, duod, düad, düat.

Optativ.

Sg. I. döe, düo, düa, düe.

2. nbsp;nbsp;nbsp;duoas.

3. nbsp;nbsp;nbsp;döe usw. wie i.

PI. döen, döan, duon, düan, duoian.

Imperativ.

Sg. 2. dö, duo.

PI. död, döt, duot, düad, düat.

Gerundium.

duonne.

Infinitiv.

dön, duon, döan, döen, düan, duoian.


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58 JAKOB SVERDRUP

Altfriesisch.

Optativ. due, dwe, dwee.

Gerundium. dwane, dwande.

Infinitiv.

dua, dwa, duan, dwan, dwaen.


Indikativ.

Sg. I. dwe, dwee, due.

2. nbsp;nbsp;nbsp;*dest.

3. nbsp;nbsp;nbsp;dëth, dêt, deth, det.

PL duat(h), dwat(h), dwaet, djuae, dwa.


Angelsachsisch

Westsachsisch.

Kentisch.

Mercisch. (Ps)

Nordhumbrisch (Li).

Indikativ

Sg. I

do

do

dom

doam, dOm, dOa, doe, do

2

dêst

dëst

dcest, dees

dOas, dOass, does (do, gedoeb)

3

dëö

dêb, dêt

d(ëb

doeb, doxb,döab (gedoxs)

PL

dob

dob

dob

dOab, doeb, (dOas)

Optativ

Sg.

do, doe,

do, gedoe

doe, dOa, do

doe, dOa

PI.

doH

dOn, gedoen

doen

doe (dóe)

Imperativ

Sg. 2

do

do

doa, do

do, dOa

PL I

don

dOn

dOn

2

dob

dob

dob

dOab, dOxb,doas does

Infinitiv

dOn

dOn, gedOan

dOn, doan

dOa, dom, doe

Gerundium

dOnne

dOnne

dOnne

dOanne, doenne

Partizip

dOnde,

doende.

dOnde.

dOnde.

doende, doend.

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DAS GERMANISCHE DENTALPRATERITUM 59

Zu beachten sind auch folgende Formen:

RuF Ind. Sg. 1. dóm, 2. dast. 3. düp, P. döaj) (einmal doep), döp (död)] Opt. Sg. (einmal döa), PI. döan, döa) Imp, Sg. dö,nbsp;PI. döjp, doej), död) Inf. döan, döa) Ger. döanne) Part. dönde, doende.

RiF: Ind. Sg. i. döm, 2. dcès, 3. deed, das, PI. döad, döas) Opt. Sg. doe, PI. doe) Imp. Sg. döa, dö, PI. döab) Inf. döa) Ger. döanne)nbsp;Part. doende.

Ri: Ind. Sg. i. döm, 2. dcest (einmal dost), 3. dab, PI. döab, döas, doxb, döeb) Opt. doe) Inf. döa) Part. doende.

Wie man sieht, bietet die PrSsensflexion des Verbs dOn in den westgerm. Sprachen ein ziemlich buntes Bild. Um nun die verschie-denen Formen zu erklaren, bat man eine ganze Reihe von Stammennbsp;*dö-, *döia-, *du-, *dê, *dêia- aufgestellt, die alle aus dem Indogerma-nischen herstamnien sollen. Aber die Annahme einer solchen Buntheitnbsp;von altererbten Formen, alle in ein Flexionssystem zusammenge-worfen, ist doch wenig wahrscheinlich. Meiner Ansicht nach habennbsp;wir es nur mit einem ursprünglichen Stamm Vó- zu tun, und dienbsp;abweichenden Formen glaube ich als Neubildungen nachweisen zunbsp;können. Aber auch der Stamm *dö als Prasensstamm scheint auf-fallend. Nach dem Verhaltnis von got. saian; saisO, (êkan\ taitök u. dgl.nbsp;hatten wir als Prasensstamm *dê- (vgl. gr. jid'rj/u, Aor. aind. dhdt, ddhat)nbsp;und als Perfektstamm *dó- (vgl. aind. dadhaü) erwarten sollen. Deshalbnbsp;rechnet Brugmann (Grundrife^, II. 3, S. 102 f.) mit einem alten Stammnbsp;*dha- als Neubildung nach der S-Klasse, wahrend Hirt (Ablaut 158 f.,nbsp;192, IF 17, 287) ein enklitisches -dhö-m annimmt, das das alte''ö'Ar-wnbsp;verdrangt haben soil. Nun hat aber Meillet (MSL 19,181 ff. undnbsp;20,103 ff.) nachgewiesen, da6 es schon von alters her athematischenbsp;Prasentia mit der Wurzelstufe o gab, und er weist auf Formen wienbsp;aslav. bodix, lat. tonö, domo, uomö u. a. hin. Die Wurzel *dhê gehortnbsp;zwar zu denjenigen, die ursprünglich Aoriste bildeten, nicht Prasentia. Aber in der westlichen Gruppe des Indogermanischen erscheintnbsp;diese Funktion weniger fest. Von der Wurzel *dhê hat das Italischenbsp;ein imperfektives Prasens, lat. facio, osk. fakiiad (mit *dhd-) gebildet,nbsp;gegenüber dem Perfekt \at. fêcï, das aoristischer Herkunft ist. Danebennbsp;wendet aber das Lateinische die Wurzel *dhê auch als perfektives

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6o JAKOB SVERDRUP

Prasens an, namlich in Bildungen wie con-do, ê-dö tra-dö usw. Des-halb bemerkt Meillet (MSL 20,104): „II est done concevable que le thème radical *dhe *dhö- ait fourni un présent dans un dialecte occidental tel que le germanique. II est trés curieux que ce présent aitnbsp;dans tout le germanique occidental le vocalisme de timbre 0. Riennbsp;ne donne lieu de croire a la formation en -a- dont M. Brugmann, Grimd-rifi IP, 3. p. 102, envisage la possibilité. On apergoit l’antiquiténbsp;de ce theme *dhö; e’est la plus claire de toutes les formes de présentnbsp;athématique a vocalisme radical de timbre o.“

Wie ich oben S. 40 nachzuweisen gesucht habe, war die ur-sprüngliche Prasensflexion der germ. ö-Verba aller Wahrscheinlichkeit nach nur athematisch, und die thematischen Formen muamp;ten deshalbnbsp;als spatere und einzelsprachliche Neubildungen erklart werden. Beinbsp;den Prasensformen der Wurzel *dhé:*dhö wird diese Annahme zurnbsp;Gewifsheit. Ein thematischer Stamm der Wurzel *dhe findet sich nurnbsp;im Altindischen und Baltisch-Slavischen, z. B. aind. dhayate „setzt fürnbsp;sich“, lett. deju dëd „Eier legen“, aslav. dejfi dëti „legen, stellenquot;.nbsp;Einen aufeergermanischen Stamm *dhöio- gibt es überhaupt nicht.nbsp;Die oben gegebene Übersicht über die Prasensflexion des Verbs dönnbsp;zeigt deutlich, dafs der ursprüngliche Stamm durchgangig athematischnbsp;war. Die weitere Formenentwicklung ist dann in den Hauptzügennbsp;leicht erkennbar. Der Optativ (ahd. (ö, tös, tö, tont, töt, ion, ags. dö,nbsp;dön) ist kein echter Optativ, sondern wahrscheinlich ein alter Injunktiv,nbsp;wie auch bei den ö-Verben. Er w'ar nicht genügend charakterisiertnbsp;und fiel in mehreren Formen mit dem Indikativ zusammen. Flier hatnbsp;wohl deshalb die Umbildung zunachst eingesetzt, indem der Optativnbsp;von den thematischen Verben thematische Flexion übernommen hat;nbsp;und wahrscheinlich haben dabei die verba pura eine nicht unwesent-liche Rolle gespielt. lm Althochdeutschen und im Angelsachsischennbsp;können wir beobachten, wie die thematischen Optativformen durch-dringen, wahrend das Altsachsische nur diese Formen kennt. Weiternbsp;dringen dann thematische Formen auch in den Indikativ, Infinitiv usw.nbsp;ein, ohne jedoch herrschend zu werden. Allein das Altfriesische zeigtnbsp;nur thematische Formen, indem *dest deth wohl aus *döist *döith zunbsp;erklaren sind (S. Siebs, Grundr. I, S. 1224). Die ahd. Formen mitnbsp;¦ü- erklaren sich bekanntlich durch den Übergang von ö, uo (na) zu

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DAS GERMANISCHE DENTALPRATERITUM 6l

ü vor Vokal (Braune, Ahd. Gr. § 40, A. 4; Schatz, Ahd. Gr. § 24). Bei den ags. Formen mit -oe- lafst sich nicht immer entscheiden, obnbsp;dieses oe als oder als öe zu lesen ist; doch sind wohl die Mehr-zahl dieser Formen zweisilbige, also thematische Formen (Sievers,nbsp;Ags. Gr. § 429, A. 2). Die thematischen Prasensformen des Verbsnbsp;dön erklaren sich also durch eine ganz natürliche und leicht verstand-liche Ubertragüng aus den thematischen Verben, und wir brauchennbsp;nicht unsere Zuflucht zu einem hypothetischen idg. Stamm *dhöio- zunbsp;nehmen.

Sehr eigentümlich und schwierig zu erklaren sind die Formen mit -ne- bei Otfrid: duen, duet, duent, due, duest. Das Merkwürdigenbsp;ist, dafe ue hier Diphthong ist, und die Formen also einsilbig sind;nbsp;auch duit, duist braucht Otfrid metrisch als einsilbige Formen. Umnbsp;diese Formen zu erklaren, hat man eine germ. Wurzelform *du an-genommen, die jedoch völlig ohne Anhalt ist; aus idg. *dhd kannnbsp;dieses *du kaum entstanden sein. Für eine nüchterne Betrachtungnbsp;müssen die Formen mit ue in irgendeiner Weise einerseits mit dennbsp;««-Formen und andererseits mit der Neigung zur thematischen Flexionnbsp;in Zusammenhang stehen. Vielleicht könnte man dann geneigt sein,nbsp;die Formen mit ue als athematische Formen mit Übergang von uanbsp;zu ue zu erklaren. Weil aber die Formen mit ue bei Otfrid undnbsp;auch sonst ganz sporadisch auftreten: fuelen, irluegetun, bluetes, fuernbsp;er { = fuari er), wo ue durch Assimilation an das folgende e entstanden scheint, mufe diese Erklarung abgelehnt werden. Es gibtnbsp;dann keine andere Möglichkeit als die übrigens ganz natürliche An-nahme, dafa duen, duet usw. ursprünglich thematische Formen sind,nbsp;d. h. duen, duet, duent, due, duest sind auf *dUên, *düêt, *düënt, *düe,nbsp;*düêst zurückzuführen. Wie sind aber die letzteren Formen einsilbignbsp;und diphthongisch geworden? Ich glaube, dafa diese Frage sich innbsp;befriedigender Weise beantworten lafst.

Bekanntlich haben die satzakzentuellen Verhaltnisse in der leben-digen Rede einen grofeen Einflufs auf die Lautgestalt der Wörter. lm Satzgefüge stehen einige Wörter starktonig, andere mehr odernbsp;weniger schwachtonig und werden deshalb als enklitisch odernbsp;proklitisch bezeichnet. Besonders Pronomina, Prapositionen, Konjunk-tionen und Partikeln stehen gern schwachtonig im Satze. Die Re-

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duktionen, denen die schwachtonigen Wörter ausgesetzt sind, treten zwar ziemlich sparlich in den alten Texten zutage, und natiirlich nichtnbsp;wie in der lebendigen Rede. Aber bei den Wörtern, die normaler-weise schwachtonig stehen, kommen sie doch öfters zum Vorschein,nbsp;und bei ihnen hat dann bekanntlich die Schwachtonigkeit zur Vokal-kürzung und zur Elision und zu anderen Reduktionen geführt. Bei-spiele brauche ich bier nicht zu geben, sondern kann mich damitnbsp;begnügen, auf die verschiedenen grammatischen Handbücher zu ver-weisen (z. B. Wilmanns, Deutsche Grammatik P, S. 413 IF.). Keinernbsp;der altdeutschen Verfasser hat sich (wohl zum Teil aus metrischennbsp;Grunden) so sehr bemüht, die Formreduktionen wegen Schwachtonigkeit zum Vorschein zu bringen, wie Otfrid. Auf Schwachtonigkeitnbsp;beruht es somit, wenn bei Otfrid das Adv. tho und der Opt. si kur-zen Vokal haben; ja bisweilen schreibt er si er, si in, si itns, undnbsp;er hat dadurch jedenfalls eine sehr schwachbetonte Aussprache desnbsp;unterpunktierten Vokals bezeichnen wollen. Für sie, sia, sio, thianbsp;hat er öfters die schwachtonigen Formen se, sa, so, tha. Aulnbsp;Schwachtonigkeit beruht weiter die grofte Menge von Elisionen beinbsp;Otfrid, wie z. B. nan, mo, ro für inan, iro, imo (sogar ermes für ernbsp;imo es)) uuior für uuio er, zaltaz für zalta is, theiz für ther iz) thiunsnbsp;für thiu uns, thiuuo für thio iiiuo; theih fur then ih; ther (auchnbsp;vor Kons.) für thera und them; theis, theih theist für thaz iz, thaznbsp;ih, thaz ist; uuol er für uuola er; uuar er für uuara er, uiianan ernbsp;für uuanana er; thar ingan für thara ingan; thanan Uz für thanananbsp;Us; thann' er für thanne er; uuant er für uuanta er; ob uns für ohanbsp;uns; hart es fur harto es, usw.'.

Auch die Verba können im Satzgefüge schwachtonig stehen. In seinen „Vastnordiska Studierquot; I, S. 75 hat B. Hesselmann betont,nbsp;daft der Unterschied zwischen starktonigen und schwachtonigen Verben für die lautgeschichtliche Betrachtung sehr wichtig ist. Dienbsp;schwachtonigen Verba sind leichter einer lautlichen Reduktion ausgesetzt als die starktonigen. So sind z. B. giva, bliva, hava, draganbsp;zu neuschw. gi, bli, ha, dra reduziert worden; und D. A. Seip (Maal

^ Ausführlich über diese Verhaltnisse bei Otfrid s. Kelle, Otfrids Evangelienbuch,

III; Wilmanns, Beitrage z. G. d. alt. d. Lit. 3, 72 ff.; Kappe, ZfdPh. 42, 199 ff.

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og Minne 1922, S. 60 fif.) hat die synkopierte Form an. selda mit Umlaut und d für ó durch Schwachtonigkeit erklaren wollen (doch s.nbsp;Sommerfelt, Falk-Festskrift, S. 47 fif.). Es sind vor allem die Hilfs-verba, die besonders haufig schwachtonig sind. Aber auch anderenbsp;Verba stehen sehr oft schwachtonig im Satze. Starktonig ist ein Verb,nbsp;wenn es allein ein vollstandiges Pradikat bildet: £r trinkt. Dernbsp;König lebt. Dagegen ist es wenigstens sehr haufig schwachtonig,nbsp;wenn es ein Akkusativobjekt oder adverbiale Bestimmungen nötig hat,nbsp;um ein vollstandiges Pradikat auszumachen; Er trinkt Wein. Dernbsp;König lebt noch. Verba, die haufig schwachtonig stehen, sind z. B.nbsp;haben, lassen, tragen, nelimen, geben, legen, seizen, sagen, schlagennbsp;und viele andere. Jedoch mufs betont werden, dafe es kaum ein ein-ziges Verb gibt, dafs nicht sowohl starktonig als schwachtonig stehennbsp;kann. Deshalb ist die Schwachtonigkeit als Erklarungsgrund nur mitnbsp;grofeer Vorsicht anzuwenden, und nicht ohne bestimmte Anhaltspunkte.nbsp;Am besten können wir eine Formreduktion durch Schwachtonigkeit kon-statieren, wenn wir aus demselben Sprachgebiete oder aus nahe ver-wandten Sprachgebieten und aus derselben Sprachperiode volle und re-duzierte Formen belegt finden, oder wenn wir beobachten können, wienbsp;eine altere volle Form durch eine jüngere reduzierte Form ersetzt wird.

Auch bei Verben findet sich Elision sowohl bei Otfrid als in vielen anderen Texten, z. B. O.: heiz ih, laz ih, gib ih, oug ih, ihnbsp;zeil uns, ougt ih, ih riht es, habet er, del er, usw. Unter den Verben,nbsp;die im Satzgefüge haufig schwachtonig stehen, gehören zweifelsohnenbsp;auch die Verba haben, lassen und hm. Von habên finden sich be-kanntlich schon im Petruslied und seit dem ii. Jhd. gewöhnlich ver-kürzte Formen: Sg. 2. hast, 3. hat, PI. 3. hant, Inf. hm. Prat. hate.nbsp;Daft diese Reduktion die Folge der Schwachtonigkeit des Verbs ist,nbsp;kann wohl kaum bezweifelt werden. Auch von lazan kommen ver-einzelt im Spatahd. und gewöhnlich im Ahd. verkürzte Formen vor:nbsp;lan, last, lat, lan, lat, lant; Imp. la, lat; Inf. Idn; Part. Prat. gelan. Wienbsp;nun diese Formen auch zu erklaren sind (s. Behaghel, Geschichtenbsp;d. d. Spr., S. 311), am Ende müssen sie doch auf Schwachtonigkeitnbsp;beruhen. Das Verbum tuon steht sehr haufig schwachtonig in einernbsp;Menge von Redensarten, wie z. B. zeihhan tuon, wilton tuon, wahsmon

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tuon, sunta tuon, gibet iuon, unreht tuon, thiuba tuon, megin tuon, hriuwa tuon, werk tuon, thionOst tuon usw.; kund tuon, mart tuon, wisnbsp;tuon, offan tuon, suosi tuon, wola tuon, usw. Überhaupt spielt tuonnbsp;in vielen Fallen beinahe die Rolle eines Hifsverbs. Dieser Gebrauchnbsp;des Verbs führt zur Bedeutungsminderung oder Bedeutungsschwachung.nbsp;Das Verb verliert an selbstandiger Bedeutung und wird synsemantischnbsp;oder mitbedeutend: thionöst tuon heifiit ungefahr so viel als thionön,nbsp;redina tuon als redinön, suozi tuon als suozen, offan tuon als offonon,nbsp;usw. Bei Hilfsverben wie sollen, wollen, mogen, mussen hat Behaghelnbsp;(Geschichte d. d. Spr.quot;*, § 343) starke Kürzungen nachgewiesen, undnbsp;er bemerkt bezeichnenderweise, dafa diese Schwachungen „über dasnbsp;Mala des sonst Zulassigen hinausgehenquot;'. Es is deshalb unmittelbarnbsp;verstandlich, dala die zweisilbigen Formen eines Verbs wie tuon innbsp;der lebendigen Rede leicht reduziert werden können. Weil wir nun,nbsp;wie oben ausgeführt, Otfrids duen, duet, duent, due, duest (beziehungs-weise duën usw.) unmöglich von den entsprechenden zweisilbigennbsp;Formen anderer Texte, wie z. B. den alemannischen tüên, tüët, tüênt,nbsp;tüe, tüêst, trennen können, scheint es mir eine naheliegende und ein-leuchtende Erklarung, daè Otfrids einsilbige «e-Formen (und ui-¥ov-men) durch Schwachtonigkeit entstanden sind. Ob wir als Vorformennbsp;*düên, *düët usw. oder *duaên, *duaêt usw. (beziehungsweise *düist,nbsp;*düit oder *duaist, *duatt) setzen, bleibt dabei gleichgültig. In dernbsp;lebendigen Rede der Sprache Otfrids haben natürlich die verkürztennbsp;schwachtonigen und die vollen starktonigen Formen nebeneinandernbsp;bestanden. Aber Otfrid, der doch die Schwachtonigkeit der Wörternbsp;in solchem Umfang metrisch ausgenützt hat, dafa man ihm sogar vor-geworfen hat, sprachwidrige Formen gebildet zu haben, er hat es

^ Ich verweise hier auf die höchst interessanten Ausführungen bei W. Hom, Sprachkörper und Sprachfunktion, besonders S. 46 ff. Horn sucht die Wirkungnbsp;der Funktion der sprachlichen Elemente in der Sprachentwicklung zu erforschen,nbsp;und er betont, daê das Verhaltnis von Sprachkörper und Sprachfunktion dienbsp;innersten Fragen des Sprachlebens berührt. Sprachelemente, die funktionslosnbsp;geworden sind, werden geschwacht oder schwinden, wahrend Sprachelemente,nbsp;die funktionswichtig sind, erhalten bleiben. Es mag sein, dafè Horn in Einzel-heiten zu weit gegangen ist oder fehlgegriffen hat, und soweit mag die Kritiknbsp;Luicks (Englische Studiën, 56, S. 185 ff. und 58, S. 235 ff.) berechtigt sein. Abernbsp;es ist doch m. E. nicht zu leugnen, da6 Horn mit vielen guten Beispielen ein

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eben für seinen metrischen Zweck gewShlt, das Verb duan im Prasens durchaus einsilbig zu flektieren.

Diese Erklarung der ?i'^-(resp. tii-) Formen bei Otfrid findet, glaube ich, eine bedeutsame Stütze an gewissen Flexionsformen dernbsp;Verba gan, gên und stan, siën, die ja auch sehr haufig eine schvvach-tonige Stellung im Satzgefüge einnehmen. Ich denke an die einsilbi-gen eZ-Formen bei Otfrid, der in der 2. Sg. stets geist, steist und innbsp;der 3. Sg. in der Regel geit, steit braucht, welche Formen im Mfr.nbsp;üblich werden (s. Behaghel, Geschichte d. d. Spr.^ S. 304 f.). Ich lindenbsp;es ganz unzulassig, diese Formen, die ja erst bei Otfrid auftauchen,nbsp;aus irgendeinem indogermanischen Lautstand heraus erklaren undnbsp;auf uralte Vorformen zurückführen zu wollen, wie die meisten Forschernbsp;es tun (s. z. B. Brugmann, IF 15, 126 f., Wilmanns, ZfdA 33, 424 ff.).nbsp;Sie müssen doch Neubildungen sein, die auf gleicher Linie mit duistnbsp;duit, und deshalb auf neugebildete thematische Formen *gais(t), *sidis(t),nbsp;*gdit, *stait oder vielleicht lieber ^gëisftj, *stêis(t), *gëit, *stêit zurück-zuführen sind, die durch Schwachtonigkeit zu geist, steist, geit, steitnbsp;verkürzt worden sind.

Noch ein Verhaltnis ist ganz beachtenswert. Wie Braune (Ahd. Gr. § 380, Anm. 3) mit Recht bemerkt, vermischt sich vielfachnbsp;die Prasensflexion von tuon mit den Prasensformen der schwachennbsp;Verba pura auf uo. Es besteht hier gewiL ein assoziativer Zu-sammenhang. Nun heifet es aber bei Otfrid nur müent, müen, blüent,nbsp;die nicht einsilbig sind wie duent, duen. Der Grund des Unter-schieds scheint inir einleuchtend: die ersteren sind starktonig, dienbsp;letzteren dagegen schwachtonig, weshalb sie auch reduziert worden sind.

sehr vvichtiges Prinzip in der Sprachentwicklung hachgewiesen hat, obvvohl er auf diesem Gebiete nicht der erste ist. In vielem entsprechen die Anschau-ungen Horns der modernen Auffassung des Sprachsystems. Die Sprachelemente,nbsp;die dem System entbehrlich oder überflüssig sind, werden reduziert oder schwin-den; die Sprachelemente dagegen, die dem System unentbehrlich sind, die imnbsp;System funktionell bedeutungsvoll sind, müssen erhalten bleiben, wenn auch „dasnbsp;blind wirkende Lautgesetz“ ihren Untergang fordert. Es ist eben diese prin-zipielle Betrachtung, die für meine Auffassung der 2. Sg. Prat. hundi^ hulpi (Falk-Festskrift, S. 311 ff.) und des Verlusts der Reduplikation (ib., S. 298 ff.) ma6*nbsp;gebend gewesen ist.

5 — Norsk Tidsskrift for Sprogvidenskap

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lm Mfr. tauchen die Formen 2. Sg. deist, 3. deit auf und werden allmahlich herrschend^ Sie finden sich zum ersten Male im Arnsteinernbsp;Marienleich aus dem 12. Jahrh. Ganz ungereimt scheint mir die nochnbsp;heute gewöhnliche Erklarung, wonach diese spaten Formen auf altenbsp;idg. Urformen mit der Wurzelstufe *dhê zurückgehen sollen. Sienbsp;lassen sich m. E. ganz befriedigend als Neubildungen durch Anglei-chung' an geist, steist, geit, steit erklaren. Es ist eben bezeichnend,nbsp;daft deist, deit nur in Texten vorzukommen scheinen, die auch ent-sprechende Formen von gan und stan haben. Diese Umbildung gehtnbsp;wohl von einsilbigen Formen wie duist, duit aus.

Durch die obige Darstellung glaube ich nachgewiesen zu haben, das die westgermanische Prasensflexion des Verbs don ursprünglichnbsp;nur auf einen athematischen Stamm *dhö- aufgebaut ist, und dafe allenbsp;abweichenden Formen und Bildungen sich als spatere Umbildungennbsp;erklaren lassen, die im wesentlichen alle auf der ganz natürlichennbsp;Tendenz beruhen, die athematische Flexion durch die thematische zunbsp;ersetzen.

Wir gehen dann zu einer Betrachtung der Prateritalformen

über.

Althochdeutsch.

Indikatlv.

Sg. I. teta

2. nbsp;nbsp;nbsp;tati

3. nbsp;nbsp;nbsp;tetanbsp;PI. I. tatum,

2. nbsp;nbsp;nbsp;tatut

3. nbsp;nbsp;nbsp;tdtun.


Optativ. tati, -ï (alem.)nbsp;ta.lt s(t)

3. tati, -ï (alem.) PI. I. tatïm, -tn

2. nbsp;nbsp;nbsp;tatit

3. nbsp;nbsp;nbsp;tatin.


Sg. I

2


-un


Partizip.

^ Sie finden sich auch im Mnd. und im Mfr.; über die modernen mundartlichen Verhaltnisse s. übrigens Sütterlin, Neuhochd. Gramm., S. 480 ff.

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Altsachsisch.

Indikativ. nbsp;nbsp;nbsp;Optativ.

Sg. I. deda, dxda, dede Sg. i. dedi, dêdi; dadi

2. nbsp;nbsp;nbsp;dedos; dadinbsp;nbsp;nbsp;nbsp;2.nbsp;nbsp;nbsp;nbsp;—

3. nbsp;nbsp;nbsp;deda, dxda, dedenbsp;nbsp;nbsp;nbsp;3.nbsp;nbsp;nbsp;nbsp;dedi,nbsp;nbsp;nbsp;nbsp;dêdi;nbsp;nbsp;nbsp;nbsp;dadi

PI. dedun; dadtin, dêdun. PI. dcdin, dêdin; dadin.

Partizip.

gidan, gidOn, gidüan, gidöcn.

Vgl. Gallée, As. Gr.^ § 86, Anm. 3, § 423, und Bülbring, As. Eb.^ § 95 u. 474quot;-5-

Altfriesisch.

Sg. dede nbsp;nbsp;nbsp;Sg.nbsp;nbsp;nbsp;nbsp;dede

PI. deden nbsp;nbsp;nbsp;PI.nbsp;nbsp;nbsp;nbsp;deden (dede).

Partizip.

dên, welche Form auf die Neubildung *döin für *dön zurückgeht.

Angelsachsisch.

Die normale Flexion ist die folgende:

Indikativ. nbsp;nbsp;nbsp;Optativ.

Sg. I. dyde nbsp;nbsp;nbsp;Sg. dyde

2. nbsp;nbsp;nbsp;dydes, dydestnbsp;nbsp;nbsp;nbsp;PI. dyden

3. nbsp;nbsp;nbsp;dyde,

PI. dydon.

Partizip.

gedön, gedëên (gedên), gedöan, gedoen.

Es gibt doch auch abweichende Formen. Erstens Formen init x, ê in der ersten Silbe: Pt. dxdun Psalmen 61^, 77^^, 108^ (Ms. -uni),nbsp;diêdon Gen. 722, Opt. dxde Daniel, gediëde Gen. 2893; PI. dêdun^iv?,nbsp;dêdon Li. Zweitens die kentischen Formen mit e: dede, dedon, welche

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jedoch wohl durch den kentischen Ubergang von jy zu « zu erklaren sind, obwohl wir dessen nicht ganz sicher sein können.

lm Mittelniederlandischen findet sich unter anderen Formen Ind. Sg. dede, dedes, dede, PL i. 3. deden, Opt. dede usw. Das Mittelnieder-deutsche hat Ind. und Opt. Sg. i. 3. dede, 2. dêdest, PL deden, alternbsp;daden (naheres s. Lilbben, Mndd. Gramm. S. 84, Lasch, Mndd. Gramm.nbsp;S. 246, Sarauw, Niederdeutsche Forschungen II, S. 212 ff.; die mndd.nbsp;Formen bei Collitz, Schwach. Prat. S. 164 sind kaum richtig).

Mit den westgermanischen Prateritalformen des Verbs don sind endlich auch die gotischen Flexionsformen zu vergleichen: Ind. Du.

1. nbsp;nbsp;nbsp;*-dëdu, 2. -dêduts, PL i. -dednm, 2. -dëdnj), 3. -dëdun; Opt. Sg. i.nbsp;-dëdjau, 2. *-dêdeis, 3. -dêdi. Du. i. *-dëdeiwa, 2. *-dêdeits, PI. i. -dëdeima,

2. nbsp;nbsp;nbsp;-dëdeip, 3. -dëdeina.

Wie man sieht, bieten auch die Prateritalformen des Verhs dön ein ziemlich buntes Bild. Es muE gestanden werden, daft es sehrnbsp;schwierig ist, zu einer evidenten Erklarung der verschiedenen Formennbsp;zu gelangen; auch gehen ja bekanntlich die Meinungen weit ausein-ander. Wir wollen nun zunachst die Vokale der ersten Silbe betrachten, und dann die Flexionsausgange, um dadurch die Grundformennbsp;leichter herausfinden zu können.

Wenn wir von dem ratselhaften ags.jy absehen, das einer naheren Erörterung bedarf, scheint germ, e im Sing, des Ind. zu herrschen, ënbsp;dagegen im Plural und im ganzen Optativ. Die Formen mit kurzemnbsp;e aufaerhalb des Sing, des Ind. im Altsachsischen {dedun und dedinnbsp;sind durch das Metrum erwiesen, dedi dagegen ist zweifelhaft undnbsp;wohl lieber als dëdi zu lesen, s. übrigens Holthausen, As. Eb. S. 169),nbsp;im Mittelniederlandischen und möglicherweise im Altfriesischen' werdennbsp;vielleicht bei dieser Sachlage als Neubildungen nach dem Sing, desnbsp;Indikativs zu betrachten sein, und die Schwachtonigkeit des Verbsnbsp;mag diese Übertragung gefördert haben. Jedoch lafat die Möglichkeitnbsp;sich nicht abweisen, dafii die as. und mndl. Pluralformen (und Optativ-formen) mit kurzem e alt sein können. Gegen diese Annahme sprichtnbsp;zwar die allgemeine Verbreitung der e-Formen (ags. dïèdon, dëdon.

Nach Siebs, Pauls Griindr. S. 1333 sollen afries. dede^ deden auf Grund der neufriesischen Dialekte und altfricsischer Schreibung mit langem ë anzusetzen

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dêdun kommen doch verhaltnismafeig sehr selten vor). Für sie sprechen aber die ags. Formen mit y, wenn diese, wie ich glaube, sich aufnbsp;alte Formen mit e zurückführen lassen. Ich mufe die Frage unent-schieden lassen, bin doch geneigt, die genannten as. und mndl. Formennbsp;für altertümlich zu halten. — As. dêdi, dëdin sind entweder als frühenbsp;Umlautsformen oder als anglofriesische Formen aufzufassen. Die 2. Sg.nbsp;des Ind. ahd. tati, as. dadi ist eine leicht begreifliche Neubildung nebennbsp;tatun, dadun nach dem Muster von nami-.namun. Sowohl die Singular-formen mit kurzem e als die Plural- und Optativformen mit langem ênbsp;müssen im Germanischen alt sein; ob sie aber gleich alt sind, istnbsp;eine andere Frage. Das kurze e ist gewiamp; als Vokal der Redupli-kationssilbe aufzufassen; den wir müssen deda der Bildung nach aufnbsp;gleiche Linie mit Formationen wie got. saisö, an. sera stellen. Dienbsp;Beurteilung des langen ê ist dagegen eine heikle Sache. Die meistennbsp;Forscher sehen wohl jetzt in germ, dëdum eine Bildung mit langemnbsp;Reduplikationsvokal, der nach Streitbergs Dehnstufentheorie durchnbsp;Ersatzdehnung wegen des völligen Schwundes des Wurzelvokalsnbsp;entstanden sein soil. Mir scheint diese Annahme unhaltbar, weil sienbsp;nicht mit den Tatsachen im Einklang steht. Wir kennen sonst keinenbsp;Eormen der Wurzel *dhê mit langem Reduplikationsvokal (s. Whitney,nbsp;Ind. Gramm. § 786, Brugmann, Grundrift^ II, 3, S. 27). Wenn mannbsp;wie V. Friesen und andere — und ich glaube mit Recht — deda mitnbsp;aind. dadhaü zusammenstellt, muL man auch dëdum zu aind. dadhimanbsp;stellen, wo doch der Reduplikationsvokal kurz ist. Und daft dadhimanbsp;das Ursprüngliche, idg. ^dhedhdmé, vertritt, betont Collitz (Schwach.nbsp;Prat. S. 158) mit Recht. Dem aind. dadhimd entspricht aber genaunbsp;as. dedun, wenn diese Form als alt anzusehen ist, und das tut auchnbsp;ags. dydon, wenn es, wie ich glaube, auf eine altere Form mit enbsp;zurückzuführen ist. Für die Annahme einer Ersatzdehnung des Re-duplikationsvokals dürfen nicht die Formen des r-T3'pus wie bërum,nbsp;sëtum ins Feld geführt werden, weil dieser Typus höchstwahrscheinlichnbsp;eine ganz andere Herkunft hat (s. oben S. 51 ff. u. Falk-Festskrift, 316 ff).nbsp;Die von Flirt (Idg. Gramm. II, S. 43 ff., IV, S. 264 ff.) angesetzten

sein; das è muö dann verallgemeinert worden sein; s. doch auch van Helten, Aostfries. Gramm. § 310.

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¦Vorformen wie *gegbum, *bëbrum, *sêzdum sind nur hypothetische Papierformen, und gegen sie sprechen entschieden aind. Formen wienbsp;paptimd „wir sind geflogenquot;, jagmimd „wir sind gegangenquot;, cakhnimdnbsp;„wir haben gegrabenquot;, usw. mit kurzem Reduplikationsvokal (vgl.nbsp;Collitz, Schwach. Prat. S. 159). Es lafet sich natiirlich nicht leugnen,nbsp;dafe lange Vokale und Diphthonge haufig durch Ersatzdehnung ent-standen sein können. Aber die Dehnstufentheorie ist doch keinnbsp;Patentmittel zur Erklarung aller möglichen langen Vokale und Di-phtonge (vgl. auch die kritischen Bemerkungen von Marstrander, NTS I,nbsp;S. 235). Obwohl die Ubereinstimmung zwischen dem Gotischen undnbsp;dem Westgermanischen dem ê der Formen dëdum usw. ein ziemlichnbsp;hohes Alter zu verbiirgen scheint, braucht es deswegen doch nichtnbsp;ursprünglich zu sein; und ich sehe keine Möglichkeit mehr, dieses ênbsp;als ursprünglich zu erklaren. Das ë muls deshalb m. E. eine germa-nische Neubildung sein, und es mufe dadurch entstanden sein, daftnbsp;die prateritalen Plural- und Optativformen des Verbs dön sich anderennbsp;Formen des Verbalsystems angeglichen haben. Wir kommen dannnbsp;mit Brugmann, Grundrila^ II, 3, S. 480, zu dem Typus sêtum, gëbumnbsp;usw. Jedoch glaube ich, daft bei der Umbildung eines altererbtennbsp;*dedum zu dëdum auch Dentalpraterita der Verba pura wie ahd. sdtiim,nbsp;drdtunt, kndtuni, ndtum usw. eine nicht unbedeutende Rolle gespieltnbsp;haben. Zwar heifet es got. saiso (ai. sera], waiwö und ags. blëow,nbsp;cnêow, sëow usw. (s. Karstien, Die redupl. Perf. des Nord- und West-germ., S. 77 ff.), aber das verhindert nicht, dais die Verba pura —nbsp;Oder wenigstens viele von ihnen — sehr früh Dentalpraterita gehabtnbsp;haben können. Auch das Partizip. Prat, mit seinem alten ê hat wohlnbsp;zu dieser Umbildung mitgewirkt.

Wie ist nun aber das ags. y in dyde, dydon usw. zu erklaren? Das y erscheint ja in der ganzen Prateritalflexion durchgeführt. Wiedernbsp;hat man zu idg. Vorformen zurückgreifen wollen. So hat Sieversnbsp;(PBB 16, 235 ff.) angenommen, dafa neben dem Ind. dcda ein Optativnbsp;*dudt, *dudts, *dudi bestanden habe, woraus ags. dyde, *dydcs, dyde;nbsp;und *du- in “dudt sei die tiefstufige Form *dh3- der Reduplikationssilbe,nbsp;also *dudt aus *dhd-dh-i. Diese Erklarung ist aber unannehmbar, weilnbsp;sie eine reine Konstruktion ist, die jeglicher Grundlage entbehrt. Eine

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bessere Möglichkeit scheint mir dann die Annahme, daft wir es bei dem ags. dyde mit dem w-Typus in der Reduplikationssilbe wie innbsp;aind. rurödha, tutudê, lat. tutudï (s. Meillet-Vendryes, Traité denbsp;Gramm. Comp., S. 253, Brugmann, Grundr.^ II, 3, S. 25) zu tunnbsp;haben könnten; dyde könnte auf alteres *dudö- zurückgehen, und dasnbsp;y könnte aus dem Optativ herrühren. Ich möchte die Möglichkeit einernbsp;solchen Erklarung nicht völlig ablehnen; weil aber cjer «lt;-Typus innbsp;der Reduplikationssilbe dem Germanischen sonst unbekannt ist, bleibtnbsp;sie doch kaum mehr als eine Konstruktion ohne sicheren Anhalt,nbsp;obwohl ich sie besser finde als die Erklarung von Sievers, dessennbsp;*dhd- eine unbekannte Gröfae ist, und dessen Annahme eines Über-gangs von *dh3- zu *du- sehr problematisch ist. Es lafiit sich überhauptnbsp;aufaerhalb des Germanischen schwerlich einen Anhalt für eine befrie-digende Erklarung des ags. y in dyde linden, und deshalb mufe wohl dienbsp;Lösung des Problems im Ags. selbst gesucht werden. Nun hat Sievers mitnbsp;Recht hervorgehoben, dafe das y in dyde alt sein mufe, und allen ags. Dia-lekten gemeinsam, und also nichts zu tun hat mit dem spateren y, dasnbsp;dem Westsachsischen so charakteristisch ist (Sievers’ „unfestesnbsp;s. Luick, Hist. Gramm., § 263). Jedoch ist es aufl'allend, wie allgemeinnbsp;verbreitet die Formen mit y erscheinen. Es hat den Anschein, alsnbsp;ob die westsachsische Lautgestalt sich üher alle ags. Dialekte verbreitet hatte; die y-Form scheint gewissermalken zur „Standardformquot;nbsp;geworden zu sein. Dafs aber das y dennoch ziemlich alt sein mufs,nbsp;scheint zweifellos. Danach würde man wohl geneigt sein, in diesemnbsp;y den 7-Umlaut eines früheren u zu sehen, welches das ursprünglichenbsp;e — und nur von einem e kann hier die Rede sein — ersetzt hatte.nbsp;Dieses u könnte man weiter in Zusammenhang mit der Assoziationnbsp;zu erklaren suchen, welche die Formen mit ê (got. -dêdum, ahd. tatumnbsp;usw.; s. oben S. 70) hervorgerufen hat, m. a. W. die Assoziation mitnbsp;den prateritalen Plural- und Optativformen der 2. und 3. Ablautsreihe,nbsp;wie budon bude, hulpon hulpe, wurpon wurpe, brugdon brugde, usw.,nbsp;hatte zum Ersatz des alten e durch u geführt. Die Umlautsformnbsp;y müfste dann aus dem Optativ herrühren und verallgemeinertnbsp;worden sein.

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Für ags. y in dyde usw. möchte ich jedoch eine andere Erklarungs-möglichkeit vorziehen. Wenn keine Umbildungen stattgefunden batten, batten wir Ind. *dede, *dedes, *dede, *dedon, Opt. *didi, *didm, spaternbsp;*dide, *diden erwarten sollen. Bei einer solchen sonderbaren Lagenbsp;der Verhaltnisse ist es verstandlich, daL Umbildungen und Ausglei-chungen stattfinden muLten. Die obige Erklarung sucht diese Umbildungnbsp;und Ausgleichung darzulegen. Es ist aber auch denkbar, daft einenbsp;Regelung dieser Vokalverhaltnisse durch eine vokalische Dissimilationnbsp;erfolgt sei. Sbwohl das e im Indikativ als vor allem das i im Optativnbsp;mag durch Dissimilation zu y geworden sein; also Opt. *didi, * didinnbsp;zu *dydi, *dydin, woraus spater dyde, dyden. Die ags. Vokalverhaltnissenbsp;machen ja einen sehr verwickelten und oft wenig „lautgesetzlichenquot;nbsp;Eindruck. Dafe dissimilatorische Tendenzen sich geltend gemachtnbsp;haben, scheint mir sehr wahrscheinlich. Wenn wir z. B. Formen findennbsp;wie spurnan neben spornan, murnan für *mornan, ufan für *ofannbsp;(das a in -an hatte a-FSrbung), fugol für *fogol, me. murder ausnbsp;*tnurdor für nioröor, sty de (besonders kentisch) neben stede, scheintnbsp;es mir sehr annehmbar, dafs eine Dissimilation stattgefunden hathnbsp;Besonders in schwachtonigen Mittelsilben scheint eine dissimilatorischenbsp;Tendenz sich geltend gemacht zu haben. Sehr bezeichnend bemerktnbsp;Luick (Hist. Gr. § 347): „In der zweiten Halfte des achten Jahrhun-derts ungefahr kam ein Streben nach Vokalwechslung in Endsilbennbsp;zur Geltung: wenn in solchen zwei Velarvokale aufeinander folgten,nbsp;wurde der erste zu e, vermutlich 3, reduziert. So in (e)afera „Nach-kommequot;, nafela „Nabelquot;, adesa „Axt“ für alteres (e)afora, nafulanbsp;(Cp.), adosa, in vielen Pluralformen wie fugelas „Vogelquot;, munecasnbsp;„Mönchequot;, ruderas „Himmelquot;, hear etas „Hirschequot;, nh. hlaferdasnbsp;„Herrenquot; zu fugol, munuc, rodor, heorot, hlaford; in Verbalformennbsp;wie stadelaö „befestigtquot;, staöeloöe „befestigtequot; gegenüber stadol „Stützequot;;nbsp;in Genitiven des Plurals wie gumena „der Mannerquot;, tungena „dernbsp;Zungenquot;, êagena „der Augenquot; für alteres -ana] in Prateritalformennbsp;wie löcedon „blicktenquot; für alteres -o on, -adon] im Superlativ wienbsp;heardesta „hartestequot; für -osta.^ Diese Verhaltnisse sind sehr bezeich-

In der ags. Lautwandlung iu'gt;io {liode^ aber as. hudi] die altesten Texte haben noch \u) möchte ich eine Differentiation sehen (vgl. NTS S. 197 ff.).

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nend; aber in diesem „Streben nach Vokalabwechslungquot;, das doch kaum als Erklarungsgrund geiten kann, sehe ich eben lieber einenbsp;Tendenz zur Dissimilation. Nicht zum wenigsten Falie wie Nom. PI.nbsp;fraceöu (zu fracoè n.) „Beleidigungenquot; gegenüber Nom. PI. fracoëenbsp;„elende, verachtliche,quot; nacedum gegenüber nacode „nackte“, macedonnbsp;gegenüber macode, usw. scheinen mir für die Annahme einer voka-lischen Dissimilation zu sprechen. Bei dem dissimilatorischen Wandelnbsp;von *dede, *didi, *didin zu dyde, dyden mag auch die Schwachtonigkeitnbsp;des Verbs mitgewirkt haben. Es ist aufserdem zu beachten, daft sichnbsp;bei schwachtonigen Silben und Wörtern eine Tendenz zeigt, e und inbsp;zu _y zuwandeln:nbsp;nbsp;nbsp;nbsp;„gingestquot;, nihtys „nachtsquot;, hëlynd „Heilandquot;,

fcedyr „Vaterquot;, êhtyss „Verfolgungquot;, belocyn „verschlossenquot; (Bülbring Ae. Eb. § 360, Anm.): ys „istquot;, hyt „esquot;, dyder „dorthinquot;, synfnbsp;„sind“; so wahrscheinlich auch stynt „stehtquot;, öyrê „tragtquot;, órycönbsp;„brichtquot;, sprycd „sprichtquot;. Die meisten dieser Falie gehören zwarnbsp;der spateren Sprache an; aber die Tendenz kann doch sehr frühnbsp;ihre Wirkung ausgeübt haben. Und es scheint mir somit nichtnbsp;unwahrscheinlich, dalii auch die ws. Pronominalformen pyssum, jgt;ysne,nbsp;die ja alt sind, auf Schwachtonigkeit beruhen können. — Ich möchtenbsp;also ags. dyde usw. durch Dissimilation in Verbindung mit Schwachtonigkeit erklaren; und ich glaube, daft diese beiden Faktoren gemein-sam genügen, um den frühen Eintritt des Wandels c, i zu y innbsp;diesem Falie erklarlich zu machen. Jedoch braucht das y nicht alternbsp;als der Anfang des 8. Jahrhunderts zu sein.

Wie schon erwahnt, müssen wir westgerm. deda auf gleiche Linie mit reduplizierten Perfektformen wie got. saisO, waiwö stellen. Aufaer-halb des Germanischen ist wohl dann deda am nachsten mit aind.nbsp;dadhaü zu vergleichen. Die Entsprechung aind. dadhimd: ags. dydonnbsp;(aus *dedum) und möglicherweise as. dedun kann doch kaum einenbsp;Zufalligkeit sein. Ubrigens stimmen die Pluralendungen und dienbsp;Optativendungen zu denjenigen des Dentalprateritums und des starkennbsp;Prateritums. Einer naheren Erklarung bedürfen deshalb nur dienbsp;Singularendungen des Indikativs. Mit von Friesen setze ich als idg.nbsp;Vorformen: i.*dhedhöa, 2.*dhedhötha, 3. ‘‘dhedhöe. Können nun dienbsp;I. und 3. S. ahd. teta, as. deda, ags. dyde unmittelbar aus *dhedhöa,

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*dedhöe hergeleitet werden? Man würde vielleicht diese Frage vernemen, weil die Endungen -oa und -oe zum schleiftonigen (dreimorigen) -Ö werden miifeten, woraus sich ahd. -o, as. -o, ags. -a entwickelnnbsp;sollten. Nun sind aber die sogenannten „Auslautgesetzequot; — vornbsp;allem die Behandlung der auslautenden langen Vokale — ein sonbsp;verwickeltes und unklares Gebiet der altgermanischen Lautgeschichte,nbsp;wo sich die willkilrlichsten Hypothesen herrlich umhergetollt haben,nbsp;daft ich es ganz unzulassig finde, wegen dieser oder jener Hypothesenbsp;einen sonst recht plausiblen Lautwandel abzulehnen, besonders wennnbsp;dieser Wandel nur die qualitative Farbung der Vokale, nicht dienbsp;Quantitat betrifft. Wir kennen verhaltnismafiiig wenige Formen mitnbsp;auslautendem -o, und sie sind kaum zweifellos. So haben wir abla-tivische Formen wie got. galeiko, ahd. gilicho, as. giltko, aber mitnbsp;-od. Ahd. gomo, ags. guma sollen -o aus -on enthalten; dann mufenbsp;aber in got. guma, an. gumi eine ganz verschiedene Endung (vermutlichnbsp;-m) vorliegen, weshalb viele Forscher die westgerm. Endungen durchnbsp;Übertragung aus dem Akkusativ erklaren wollen (z. B. Wilmanns,nbsp;Deutsche Gr. Ill, 2, S. 346), und in derselben Weise wird dann ahd.nbsp;as. namo (M.) gegenüber got. namö (N.) zu beurteilen sein. Die Formen des Gen. PI. wie got. gibo, ahd. tago, gebOno, gesteo, as. geio,nbsp;dago, nahto, ags. giefa, daga, wina haben urspriinglich -om. Wienbsp;man sieht, stehen diese Formen nicht völlig auf derselben Linie mitnbsp;*dhedhöa, *dhedhöe. Dagegen entsprechen dem got. Gen. Sing, undnbsp;Nom. Akk. Plur. gibös mit -os (aus -üs) ahd. geba (geba), as. geba,nbsp;ags. giefe. Bei dieser Sachlage finde ich es ganz unbedenklich, anzu-nehmen, dafi ahd. tcta, as. deda, afries. dede (?), ags. dyde direkt aufnbsp;*dhedhöa und *dhedhöe zurückgehen können. Dazu mufe auch dienbsp;funktionelle Übereinstimmung mit den entsprechenden Formen desnbsp;Dentalprateritums in Betracht gezogen werden: ahd. teta wie nerita,nbsp;as. deda wie nerida, ags. dyde, dydes, dyde wie nerede, neredes, nerede.nbsp;Überhaupt ist man geneigt gewesen, „Auslautgesetzequot; aufzustellen,nbsp;ohne auf die funktionellen Verhaltnisse (Funktionslosigkeit und Funk-tionswichtigkeit) der flexivischen Elemente Rücksicht zu nehmen. Mitnbsp;vollem Recht betont W. Horn (Sprachkörper, S. 104), dafi die flektier-baren Wörter in bezug auf die Behandlung des Auslauts ganz anderen

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Bedingungen als die nichtflektierbaren Wörter unterliegen. So ist wohl die Erhaltung des -s in den Optativformen der 2. Sing, wienbsp;ahd. Pras. btzês, biotës, Prat. bizzts, butts, as. Pras. bïtes, biodes, Prat.nbsp;bitis, budis gar nicht einer Übertragung aus dem Indikativ, sondernnbsp;der Funktionswichtigkeit des -s zu verdanken (vgl. Falk-Festskr.nbsp;S. 304 flf.)'. Daneben stand das Dentalprateritum, dessen 2. Sg. vonnbsp;alters her auf -.s {-z) auslautete. Somit ist dieses -s zur Endung dernbsp;2. Sg. „par excellencequot; geworden, wie spater im Deutschen -st diesenbsp;Rolle übernahm. Dies ist wohl zu beachten bei der Beurteilung dernbsp;2. Sg. as. dedos, ags. dydes; denn tati (dadi) mufs natürlich als Neu-bildung ausscheiden. Mit von Friesen (Det svaga pret., S. 32 f.) findenbsp;ich deshalb die Umbildung von *dhedhótha zu germ. *debös (odernbsp;*deöds?) leicht verstandlich. Vielleicht mag bei urspr. *deèöfgt;(a), wienbsp;V. Frisen meint, auch eine Tendenz zur Dissimilation mitgewirkt haben.nbsp;Wir hatten vielleicht ags. *dyda(s) erwarten sollen; aber die Flexionnbsp;von dyde ist doch völlig mit der Flexion des Dentalprateritums zu-sammengefallen.

V. Die Flexionsendungen des Dentalprateritums,

Die Plural- und Optativendungen des Dentalprateritums stimmen bekanntlich zu denjenigen des starken Prateritums. Nur im Althoch-deutschen finden sich einige Besonderheiten, die weiter unten nahernbsp;besprochen werden sollen. Zunachst haben wir dann die Singular-endungen des Indikativs zu betrachten. Diese ergeben sich aus fol-gender Übersicht:

Gotisch. nbsp;nbsp;nbsp;Altnordisch (anorw.).

1. nbsp;nbsp;nbsp;nasidanbsp;nbsp;nbsp;nbsp;i.nbsp;nbsp;nbsp;nbsp;talöa

2. nbsp;nbsp;nbsp;nasidêsnbsp;nbsp;nbsp;nbsp;2.nbsp;nbsp;nbsp;nbsp;talöer

3. nbsp;nbsp;nbsp;nasidanbsp;nbsp;nbsp;nbsp;3.nbsp;nbsp;nbsp;nbsp;talbe


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wido (Kjölevig). — 3. Sing, wurte (Tjurkö), orte (By), sAte (Gum-marp), niAde (Eggjum), urti (Sölvesborg); auf der Spange zu Etelhem auf Gotland (vor 500) steht wrta (d. h. worta), dessen -a als -se zunbsp;fassen sein soil (Walde, Auslautgesetze, S. 102 ff.), aber das -a könntenbsp;wohl eine gutnische Endung sein, dem got. -a (waurhta) entsprechendnbsp;(vgl. Bugge, No. I., S. 152 ff.). — 3. Plur. dalidun (Tune).

Altfriesisch.

1. nbsp;nbsp;nbsp;nercde (nerde)

2. nbsp;nbsp;nbsp;*neredest (*nerdest)nbsp;2. nerede (nerde)

Altsachsisch.

1. nbsp;nbsp;nbsp;nerida, -e

2. nbsp;nbsp;nbsp;nerides, -as, -os

3. nbsp;nbsp;nbsp;nerida, -e


Angelsachsisch.

1. nbsp;nbsp;nbsp;nerede, alter

2. nbsp;nbsp;nbsp;neredes(t),nbsp;nbsp;nbsp;nbsp;-xs

3. nbsp;nbsp;nbsp;nerede,nbsp;nbsp;nbsp;nbsp;-X.

Althochdeutsch.

1. nbsp;nbsp;nbsp;nerita

2. nbsp;nbsp;nbsp;neriiös, -öst

3. nbsp;nbsp;nbsp;nerita.


Die as. Endung -e in der i. und 3. Person kommt sehr haufig vor; darüber bemerkt Holthausen, As. Eb., S. 146: „Nur in Gen., M, C,nbsp;Greg., Lam., und Oxf. Gl. kommt -e vor, und zwar in M und Oxf.nbsp;Gl. etwa doppelt so oft als -a, wahrend letzteres in Gen. stark über-wiegt; C hat nur 4, Greg. Gl. i -e (neben i -a), Lam. und Par. Gl.nbsp;nur -e (je i mal)“; vgl. auch Gallée, Alts. Gr.^, S. 149 f. In der as.nbsp;2. Person hat M nur -es, C 4 mal -os, 3 mal -as, Gen. und Trier.nbsp;Gl. B je I mal -os. — Im Ahd. findet sich die Endung -es der 2. Personnbsp;viermal: chiminnerodes minuisti bei Isidor, altinotcs distulisti, frühfrank.nbsp;Gl. 2, 142, 63, uuoltes Gl. Jun., garates in der Handschrift D beinbsp;Otfrid; Tatian hat 5 -as, das auch sonst vorkommt; auch -ns findetnbsp;sich vereinzelt.

Die Flexionsendungen des Dentalprateritums müssen wir zunachst aus ihnen selbst heraus zu beurteilen suchen. Das hat von Friesennbsp;in dem 3. Abschnitt seiner Abhandlung über „Det svaga preteritumquot;nbsp;nicht getan, weil er eine Übereinstimmung mit den Endungen vonnbsp;dcda hat hervorzwingen wollen, was ihm nicht ohne sehr künstlichenbsp;und unwahrscheinliche Hypothesen gelungen ist. So beruht seine

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Annahme, dafe die ahd. Endung -ös der 2. Sing, die ursprüngliche sei, auf einer falschen Beurteilung des Tatbestands, weil es dochnbsp;got. -ês, an. -er, ags. -es. as. -es (neben -os) heiêt, und auch dem Ahd.nbsp;die Endung -es nicht ganz unbekannt ist. Um dann weiter die got.nbsp;und an. Endungen zu erklaren, nimmt er eine sehr eigentümliche undnbsp;unglaubliche Ausgleichung an: von den Plural-, Dual- und Optativformen,nbsp;die nach v. Friesen auch im Westgerm. und im An. ursprünglich wienbsp;im Got. mit -*dêbum usw. gebildet seien, was an sich wenig glaublichnbsp;ist, soil der Mittelvokal -ê- in die got. Endungen des ganzennbsp;Sing, und in die an. Endungen der 2. und 3. Sing, eingedrungennbsp;sein! Derartige Bemühungen zeigen deutlich genug, dafii es ganznbsp;unmöglich ist, die Singularendungen des Dentalprateritums mit den-jenigen von deda in Übereinstimmung zu bringen, und auch ausnbsp;diesem Grunde mufs die Annahme, dafe das Dentalprateritum mitnbsp;reduplizierten Perfektformen der Wurzel *dhë fvon got. -dêdumnbsp;usw. abgesehen) zusammengesetzt sei, als verfehlt betrachtet werden.nbsp;Daft wir im Westgerm. eine Übereinstimmung zwischen deda und demnbsp;Dentalprateritum finden, ist eigentlich selbstverstandlich; aber diesenbsp;Übereinstimming ist völlig belanglos bei der Beurteilung der got. undnbsp;an. Endungen des Dentalprateritums.

Durch eine vergleichende Betrachtung der in den germanischen Sprachen tatsachlich vorliegenden Singularendungen des Dentalprateritums können wir jedoch, glaube ich, zu einer befriedigenden Erklarungnbsp;gelangen. Die Endungen der i. Sing. got. -a, urn. -ö, an. -a, afries.nbsp;-e, ags. -e, as. -a, ahd. -a lassen sich samtliche auf eine, aber auchnbsp;nur auf eine Grundform zurückführen, namlich germ. -öm. Es istnbsp;dies eine Tatsache, die ich früher betont habe (IF 35, Ans. S. 13),nbsp;und worum nicht herumzukommen ist. Es erscheint deshalb ganznbsp;zwecklos, hier eine analogische Urabildung anzunehmen. Auf germ.nbsp;-ês lassen sich ungesucht die Endungen der 2. Sing. got. -ês, an. -ernbsp;{-ir), ags. -es, as. es zurückführen; nur ahd. -ös, as. -os bedarf einernbsp;besonderen Erklarung, und darüber weiter unten. Endlich könnennbsp;die Endungen der 3. Sing. got. -a, urn. -e {-i), an. -e [-i], afries. -e,nbsp;ags. -e, as. -e auf germ, -êj) zurückgehen. Die 3. Sing. ahd. nerita,nbsp;as. nertda hat wohl ihr -a von der i. Sing, übernommen, wie auch

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die 2. Sing, -es zu -as umgebildet worden ist; bei dieser Umbildung der 3. Sing, glaube ich aber, dafii auch die Übereinstimmung zwischennbsp;der 1. und 3. Sing, sowohl besonders bei deda (teta) als auch beinbsp;dem starken Prateritum mitgewirkt hat. Das Nebeneinander von neridanbsp;und nerijde in der i. und 3. Sing, im As. scheint mir eben daraufnbsp;hinzudeuten, daft die urspriingliche Flexion i. nerida, 2. nerides,nbsp;3. neride gewesen ist, welche Formen ganz zu den entsprechendennbsp;ags., got. und an. Formen stimmen.

„Lautgesetzlich“ batten wir sowohl im Westgerm. als im Nord. den Schwund des -e in der 3. Sing, und im Westgerm. auch dennbsp;Schwund des -s in der 2. Sing, erwarten sollen. Dieser Schwund würdenbsp;aber dem System widersprechen, und die Erhaltung erklart sichnbsp;deshalb einfach durch die funktionelle Bedeutsamkeit dieser Sprach-elemente.

Die Flexionsausgange des Dentalprateritums im Singular des Indikativs werden somit auf germ. i. -horn, 2. -bes- 3. bëjgt; zurück-zuführen sein. Darin sehe ich einen alten augmentlosen Aorist, demnbsp;aind. Aorist i. ddham, 2. ddhas, 3. ddhat neben dham, dhas, dimt undnbsp;den griech. Formen aufnbsp;nbsp;nbsp;nbsp;-d-rj (vgl. oben S. 38 f.) entsprechend.

Wir kommen somit zu einem idg. Aorist *dhêm, *dhês, *dhêt. Auffallend bleibt dabei nur das ö in der i. Sing, des Germanischen. Es solltenbsp;aber nicht so merkwürdig erscheinen, weil ja das ö im germ. Prasens-system der Wurzel *dhê alleinherrschend ist. Man hat eben im Germanischen einmal den Aorist *döm neben dem Prasens *dönit gehabt.nbsp;Dabei mag vielleicht auch eine Assoziation mit den ö«-Verben innbsp;Betracht kommen.

Dagegen mufa die ahd. und as. 2. Sing, auf -ös, -os m. E. eine spatere einzelsprachliche Neubildung sein. Denn die Sachlage istnbsp;hier eine ganz andere als bei der 1. Sing. In der 2. Sing, ist namlichnbsp;die Endung -ês alleinherrschend im Got. (-fs), An. (-er) und Ags. (-es);nbsp;sie überwiegt im As., wo Monacensis nur -es kennt, wahrend Cotto-nianus, der eben in der Formenlehre hochdeutschen und nieder-frSnkischen EinfluB zeigt (s. Holthausen, As. Eb., § 31), -os und -asnbsp;hat; und endlich ist -es auch dem Ahd. nicht unbekannt. Bei diesernbsp;Sachlage ist es das methodisch Richtige, in der -ös-Endung eine Neu-

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bildung zu sehen. Es ist dann recht wohl möglich, dafa die 2. Sing, ihr ö dem Einflufe der 1. Sing., die ja einmal auf -ö endigte, verdankt.nbsp;Das Bedenkliche dabei ist nur, ob wir nun auch diese Umbildung sonbsp;früh ansetzen dürfen. Wenn nicht, dann kommt mir Collitz’ ErklSrungnbsp;(Schwach. Prat., S. 152 f.) gar nicht so unwahrscheinlich vor, vrienbsp;V. Friesen sie findet, obwohl ich sie ein wenig geandert formulierennbsp;möchte: Bei der zahlreichen 2. Verbalklasse sei zuerst die Endungnbsp;¦ós der 2. Sing. Pras. {salbös) auf die 2. Sing. Prat. übertragen, alsonbsp;salbötös nach salbös, und von dort aus in die 2. Sing, der übrigennbsp;Dentalpraterita übernommen worden, also nach salbötös auch suohtös,nbsp;habëtös, dorftös usw. Für die Richtigkeit dieser Annahme scheint mirnbsp;auch der Umstand zu sprechen, daE wir auch spater eine ahnlichenbsp;Übertragung von der 2. Sing. Pras. aus noch einmal beobachten können,nbsp;indem namlich das in der 2. Sing, zugefügte -t zunachst nur demnbsp;Pras. Ind. zukommt (suochist, salböst, habëst) und erst spater auch innbsp;die 2. Sing. Prat. eingedrungen ist [snochtöst, salbötöst, habëtöst]) vgl.nbsp;Braune, Ahd. Gr., § 306, Anm. 4. Übrigens ist bei dieser Umbildungnbsp;der 2. Sing, des Dentalprateritums besonders für das As. wohl auchnbsp;dedos in Betracht zu ziehen, und auch das Ahd. mufe einmal eine ent-sprechende Form gehabt haben.

lm Dual und Plural des Indikativs und im ganzen Optativ stimmen bekanntlich — von einigen Ausnahmen im Ahd. abgesehèn — die En-dungen des Dentalprateritums zu denjenigen des starken Prateritums.nbsp;Das verhindert aber nicht, dafs auch mehrere dieser Flexionsaus-gSnge des Dentalprateritums unmittelbar auf aoristische Formen dernbsp;Wurzel *dhë zurückgehen können, z. B. die i. Plur. -dunt auf *dh3mé,nbsp;vgl. gr. êamp;efiev, und die 3. Plur.-dun auf *dhnt (oder dhdnt?), vgl. aind.nbsp;adhuh, nur dafs hier das Altindische die Endung -ur gegenüber dem germ.nbsp;¦nt hat (s. Falk-Festskrift, S. 313 ff.). — Auch in der Optativflexionnbsp;des Dentalprateritums mogen uralte Optativformen der Wurzel *dhënbsp;versteekt liegen: Indogerm. Sing. i. *dhiëm, 2. *dhiës, 2- *dhiët — Plur.nbsp;I. *dhïmén, 2. *dhïté, 3. *dhiént (s. Streitberg, UG., S. 344, vgl. Brug-mann, Grundr.^ II, 3, § 458). Mit Ausnahme von an. telèa stimmennbsp;dazu die an. und westgerm. Optativausgange des Dentalprateritumsnbsp;(z. B. ahd. Sing. i. -ti, 2. -tis, 3. -ti — Plur. i. -ttm, 2. -tit, 3. -tin), nur

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daft das Germanische auch hier wie überall sonst beim athematischen Optativ die schwache Formengestalt durchgefuhrt hat.

Was die Pluralformen auf j. -tom, 2. -tot, 3. -ton (neritom, neritot, neritOn) im Alemannischen und bei Isidor betrifft, dann ist Schulzesnbsp;Erklarung (KZ 45, S. 338 f.) mir ebenso wenig glaubhaft wie Collitz’nbsp;(IF 34, S. 215 ff.), und sie (-tön, -tt aus *-daun, *-dai aus *-dadun,nbsp;*-dadi durch Dissimilation) ist nach Streitberg (IF 35, 197 f.) alsnbsp;völlig gescheitert zu betrachten. Collitz .selbst (IF 34, S. 2:5 fif.)nbsp;scheint sich fiir die Annahme entschlossen zu haben, dais diese Pluralformen ihr 0 von der 2. Sing, erhalten haben. Daft sie durch spaterenbsp;Umbildung entstanden sind, wind wohl jetzt niemand mehr bezweifeln.nbsp;Ich möchte nicht leugnen, da6 die 2. Sing, auf -tös, die wohl alter ist,nbsp;zu dieser Umbildung zwar habe mitwirken können; aber ich glaubenbsp;nicht, daft die 2. Sing, genilgt, urn das ö in den alem. Pluralformennbsp;zu erklaren; eine solche Übertragung scheint mir nicht hinreichendnbsp;begründet und etwas befremdlich. Vielmehr glaube ich, daft diesenbsp;Formen auf derselben Entwicklung beruhen, welche die ahd. (und zumnbsp;Teil as.) 2. Sing, des Dentalprateritums hervorgerufen hat. Zuerst istnbsp;bei den zahlreichen Verben der 2. schwachen Konjugation das ö ausnbsp;dem Prasens in das Prateritum eingedrungen, also salbötöm, salbötöt,nbsp;salbötön nach salbömês (salbön) salböt, salbönt; und von dort aus istnbsp;dann das ö auch auf die Pluralformen der anderen Dentalprateritanbsp;übertragen worden. Auch die Pluralformen des Pras. Opt. (salböm,nbsp;salböt salbön) dürften wohl hier mitgeholfen haben, und sie machennbsp;es nur um so begreiflicher, dafe diese Übertragung bei der 2. schwachennbsp;Klasse angefangen hat. Andere Übertragungen bestarken nur diesenbsp;Erklarung der alem. Pluralformen des Dentalprateritums. So ist innbsp;vielen alem. Quellen des 9. Jahrhs. (H, B, Rb, Ja.) und bei Tatiannbsp;die Endung -mes aus dem Prasens in das Prateritum übernommennbsp;(s. Braune, Ahd. Gr., § 307, Anm. i und Schatz, Ahd. Gr., § 523).nbsp;Bei Notker und überhaupt im Spatalemannischen bis in die mittel-hochdeutsche Zeit finden wir die Endung -nt statt -t in allen Formennbsp;der 2. Plur., und höchstwahrscheinlich ist diese Umbildung von dernbsp;3. Plur. Ind. PrSs. auf -nt ausgegangen (Braune, § 308, Anm. 3). Esnbsp;kann somit kein Zweifel sein, dafs eine enge Assoziation zwischen

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den Formen des Prasens und denen des Prateritums stattgefunden hat, wodurch mehrere Umbildungen und Ausgleichungen veranlafetnbsp;worden sind. Dabei müssen wir beachten, daft er ja der Dental ist,nbsp;der das prateritale Tempusmerkmal bildet, und eben deshalb konnten dienbsp;Endungen des Prasens und des Prateritums um so leichter zusammen-fliefaen. Und wir haben es hier mit einer zusammenhangenden Reihenbsp;von Vorgangen zu tun, die im Zusammenhang beurteilt werden müssen.nbsp;Die Umbildung der 2. Sing. Prat. Ind. finden wir schon auf dem ganzennbsp;althochdeutschen Sprachgebiete und zum Teil auch im Altsachsischen;nbsp;aber am weitesten in der Umbildung und Ausgleichung ist das Ale-mannische gegangen. — Das alem. -t (auch bei Isidor) in der i. undnbsp;3. Sing. Opt. Prat. [suohtï) ist gewifa aus den übrigen Personen über-tragen (s. Collitz, IF 34, S. 214 ff.); das ist ebenso einfach als ein-leuchtend und allen anderen Erklarungen vorzuziehen (vgl. Streitberg,nbsp;IF 35, S. 197 f.).

VI. Dentalpraterita ohne Mittelvokal.

Es gibt bekanntlich eine Reihe Dentalpraterita, die anscheinend von Haus aus ohne Mittelvokal gebildet worden sind, und derennbsp;Dental, von got. munda und skulda abgesehen, anscheinend nicht aufnbsp;idg. (f/i zurückgehen kann. Ich sage absichtlich anscheinend. Dennnbsp;erstens können wir nicht von vornherein wissen, ob nicht eine Formnbsp;wie z. B. got. wissa doch letzten Endes eine Bildung ahnlicher Art wienbsp;aind. vid^ dkar (also z. B. ein *vid-dhöm oder *vid x dhöm, wo x dasnbsp;unbekannte formantische Element eines Verbalabstraktums bezeichnet)nbsp;sein könnte; und zweitens ist noch kein entscheidender Beweis dafürnbsp;beigebracht worden, daia der Dental der alten mittelvokallosen Prate-rita wie got. panrfta, wissa, j)alita usw. unmöglich am Ende auf idg.nbsp;dh zurückgehen könnte. Was würde sich z. B. aus einem idg.nbsp;dhöm im Germanischen ergeben?

Zunachst gebe ich nun ein Verzeichnis der alten Dentalpraterita ohne Mittelvokal. Es ist schwierig, die Anzahl dieser PrSterita genaunbsp;festzustellen; für die Beurteilung des Problems hat das aber wenignbsp;zu sagen. Das nachstehende Verzeichnis schliefet deshalb nur die,

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Dentalpraterita ein, die aller Wahrscheinlichkeit nach schon von alters her mittelvokallos waren, die also alien germanischen Sprachen ge-meinsam sind oder gewesen sind, und nicht durch einzelsprachlichenbsp;Entwicklung oder Umbildung entstanden sein können.

I. Die Praterita der Praterito-prasentia.

1. nbsp;nbsp;nbsp;Prat. got. wissa „wufiitequot;, an. vissa, ags. wisse, as. wissa, ahd.nbsp;wissa, wessa; zu got. wait usw., gr. olda.

Part. got. unwiss (? nur du unwisamma K 9, 26 A, vielleicht far imweisammd), an. viss, ags. wiss, gewiss, as. wiss, afries. wiss, ahd.nbsp;giwissêr] vgl. got. mipwissei f. „Gewissen“.

Vgl. an. vit n. „Wissen, Bewufetseinquot; {vitiigr „verstandigquot;), got. unwiti n. „Unwissenheitquot;, ahd. wizzi „Wissen, Verstandquot;, usw.; gr.nbsp;elèoQ n. „Aussehenquot;, aind. védah n. „Erkenntnisquot;, véda- m. „Wissenquot;,nbsp;aslav. vidu m. „Anblickquot;; aind. vitti f. „Bewufetseinquot;.

2. nbsp;nbsp;nbsp;Prat. ahd. tohta „taugte, niitztequot;, ags. dohte] zu ahd. toug,nbsp;ags. dêag (dêah), got. daug.

Part. Prat. ahd. doht, indem bei Otfrid sowohl dem dohia (Akk. Sing., V, 23, 236, 240) als dem dohtï (V, 12. 87, S 13) wohl einnbsp;partizipiales Adj. doht „tuchtigquot; zugrunde liegt (vgl. Schatz, Ahd.nbsp;Gramm. § 543).

Vgl. mhd. tucht, ducht f. „Tüchtigkeitquot;, ags. dyhtig, mhd. tühtec. Die Etymologie ist kaum gesichert; man vergleicht gr. rsv^fco „bereite,nbsp;rüstequot;, revxog „Geratquot;, rvyr] „Geschickquot;; air. dual „passendquot;; lit. daügnbsp;„vielquot;, russ. düzij „kraftigquot; (vgl. Feist, Etym. Wb. d. got. Spr.^ S. 94 f.).

3. nbsp;nbsp;nbsp;Prat. got. kunpa, an. kunna, ags. cüèe, ahd. kunda (konda)nbsp;„konntequot;; zu got. kann „kenne, weifequot; usw.

Part. Prat. got. kunps „bekanntquot;, frakunps usw., an. kuör, kunnr „bekanntquot;, ags. cüp, as. küth, afries. küth, ahd. kund.

Vgl. got. gakimds f. „Überredungquot;, uf gakunpai „aQ^ofievogquot;, an. forkunnr, -kuör f. „Verlangenquot;, einkunn usw., ags. uncyöig, ahd.nbsp;kundig) Va. pa-zinti „ke.nnen“, pa-èintas „erka.r\rA“, pa-zintis f. „Erkenntnisquot;, a:v. paiti-zanta „erkanntquot;, d-zainti f. „Kundequot;; 2VmA. janati „ernbsp;kennt, weifequot;, gr. yê.ycova „bin vernehmlichquot;.

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DAS GERMANISCHE DENTALPRATERITUM 83

4. nbsp;nbsp;nbsp;Prat. got. patdrfta „bedurfte“, ica. ^urfta, ags. porfte, bs. thorfta,nbsp;ahd. dorfta-, zu got. jgt;arf, usw.

Part. Prat. got.„nötig, nützlichquot;, ahd., mhé. durft.

Vgl. got. paurfts f. „Bedürfnisquot;, an. j)urft, usw.; got. parba f. „Mangelquot;, an. j)Qrf f. „Bedarf, Nutzenquot;, as. tharf f. „Mangelquot;, usw.;nbsp;an. jyarfr „nützlichquot;, fgt;arfe „nötigquot;. Die Etymologie scheint mir auchnbsp;in semantischer Hinsicht ziemlich sicher (dagegen Feist, Et.Wb., S. 371):nbsp;apreuft. en-terpo „nütztquot;, en-terpon „nützlichquot;; aind. tfpyati, trpnötinbsp;„sattigt sich, wird befriedigtquot;, tdrpayati „sattigt, befriedigtquot;; gr. tegnconbsp;„sattige, erfreuequot;, rÉgiiofiai „freue michquot;.

5. nbsp;nbsp;nbsp;VrzX.' got.'gadaursta, ags. dorste, as. gidorsta, ahé. gitorsta]nbsp;zu got. gadars „wagequot;, usw., aind. dadhdr^a,

Das Part. Prat. fehlt.

Vgl. ahd. giturst f. „Kühnheitquot;, ags. gedyrst f. „tribulationquot; (? nur einmal), dazu ahd. giturstig, ags. dyrstig) aind. dhr^ti f. „Kühnheitquot;,nbsp;dhr§tdh „kühn, keekquot;, dhdr^ati, dhr^noti „wagtquot;, dhr^üh, dhr^mih „kühnquot;,nbsp;usw.; gr. êagoEOO „bin mutigquot;, êégaog, d’dgoog „Mut, Kühnheitquot;, dagatgnbsp;(= aind. dhrsüh)] usw.

6. nbsp;nbsp;nbsp;Prat. got. munda, an. munda (s. Collitz, Schwach. Prat., S. 64),nbsp;ags. munde) zu got. man „glaubequot;, an. man, ags. man „gedenkequot;, gr.nbsp;fjiéjxova.

Part. Prat. got. munds.

Vgl. got. muns m. „Gedankequot;, an. munr „Sinnquot;, ags. myne „Er-innerungquot;; got. gamunds f. „Gedachtnisquot;, ags. gemynd, ahd. gimunt', aind. mdnah n. „Sinnquot;, gr. gévog n. „Geist, Mutquot;; aind. matt f. „Gedankequot;;nbsp;at. mens „Geistquot;, aslav. pa-m^ti „Gedachtnisquot;, usw.; gr. uruvojuai „binnbsp;verzücktquot; (lt;*mni-ó-); usw.

7. nbsp;nbsp;nbsp;Prat. got. skulda, an. skylda, spater und anw. skulda, afries.nbsp;scolde, ags. scolde, sceolde, as. skolda, ahd. scolta) zu got. skal „binnbsp;schuldig, soilquot;, an. skal, usw.

Part. Prat. in got. skuld ist, an. skyldr „passend, geziemend, schuldigquot;.

Vgl. an. skuld, skyld f. „Schuld, Abgabequot;, ags. scyld, afries. skelde, as. skidd, ahd. sculd] got. skula m. „Schuldnerquot;; lit. skeliü „bin schul-,nbsp;digquot;, skold „Schuldquot;, kaltas „schuldigquot;, kalté „Schuldquot;.

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84 JAKOB SVERDRUP

8. Prat. ags. benohte zu beneah, geneah „es genügt“, got. ganah, ahd. ganah.

Part. Prat. got. binauht „erlaubtquot;, ahd. durchnoht „vollkommenquot;.

Vgl. an. gnótt f. „Genüge, Fülle, Überflufs'', ags. genyht, ahd. gi-nuht\ man vergleicht an. nd^ati „erreichtquot;, êveyxslv „tragenquot;, aslav. nesf „tragequot;, usw.

g. Prat. ahd. onda (aus *unfgt;a', das o ist sekundar wie in konda, vgl. Collitz, Schw. Prat., S. 57 u. 60), ags. ude, an. unna\ zu ahd. annbsp;„gönne“, ags. an, an. ann.

Part. Prat. mndl. ge-ont (aus *unjgt;a-)', das Ags. hat geimnen wie auch gemunen, oncnnnen', das An. hat un(na)t, vgl. kunnat, niimabr.

Ein Verbalsubstantiv *imdi-i. findet sich vielleicht in 3.0. Qfund f. „Abgunst, Neidquot; (anders Collitz, Schw. Prat., S. 60), neben *unsti- innbsp;ahd. abunst f. „Neidquot;, as. atunst, an dst, ags. ëst, as. ahd. anst. Dienbsp;Etymologie ist ganz unsicher, s. z. B. Feist, Etym. Wb. unter ansts.

10. Prat. ahd. w/msa, mhé. muose „mufstequot;; daneben got. mösta (nur gamöstêdun Mc. 2,2: „swaswe juljan ni gamostedun nih at dauraquot;nbsp;= „so daft sie 'schon nicht Raum hatten auch vor der Tiirquot;),nbsp;afries., ags. möste, ahd. mnoste (erst bei William); zu got. gamot „habe,nbsp;finde Raumquot;, ags. mot „darfquot;, ahd. muoz „habe Gelegenheit, magquot;.nbsp;Collitz ist der Ansicht, dais got. gamösta usw. fiir alteres *mösa, ahd.nbsp;muosa sich nach der 2. Sing. Pras. gadarst, Prat, gadaursta zur 2. Sing.nbsp;gamöst eingestellt habe. Dagegen sieht v. Friesen in mösta die ur-spriingliche Form, weil sie dem Gotischen und Anglofriesischen gemein-sam ist, und er legt ein Verbalsubstantiv idg. ^ mOd-tu-, das doch nir-gends belegt ist, zugrunde; fiir ahd. muosa gibt er keine Erklarung.nbsp;Collitz’ Auffassung scheint mir die wahrscheinlichste.

Es ist R. Meringer (IF 18, 211 ff.), der zuerst gamot mit got. mitan usw. (vgl. Falk-Festskrift, S. 330) zusammengestellt hat, und diesernbsp;Zusammenhang scheint mir sowohl in morphologischer als in seman-tischer Hinsicht einleuchtend. Bei gamöt wird dann die Bedeutungs-entwicklung: ich habe ermessen gt; ich habe, finde Raum gt; ich habenbsp;Gelegenheit, Erlaubnis gt; ich mag, darf. Fiir Meringers Etymologienbsp;scheinen mir nicht zum wenigsten Falie wie kymr. meddu „to possess

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DAS GERMANISCHE DENTALPRATERITUM 85

to be ablequot;, air. midiiir (i. Sing. Pras.) „putoquot; (s. Pedersen, Vgl. Gr. II, § 780, A. 2) und lat. modus „Mafsquot;, aber dann „Art und Weisequot;,nbsp;zu sprechen.

11. nbsp;nbsp;nbsp;Prat. got. öhta zu ög „fürchtequot;.

Vgl. got. afagian „abschreckenquot;, inagjan „bedrohenquot;, usagips „erschrockenquot;, ögan „fürchtenquot;, ögian, an. cegja „schrecken, er-schreckenquot;; got. agis n. „Furchtquot;, usw.; an. ógn f, „Schreckquot;, ótte m.nbsp;„Furchtquot;, ags. öga m., öht f. „Schreckenquot;; gr. dyolt;; n. „Schmerz, Leid,nbsp;Beangstigungquot;, dyo^iai „angstige michquot;, ir. dgathar „er fürchtet sichquot;.

12. nbsp;nbsp;nbsp;Prat. got. mahta, an. mdtta, afries. machte, mochte, ags.meahtenbsp;(mehtc, niihte), as. ahd. mahta, mohta] zu got. mag „kann, vermagquot;, usw.

Part. Prat. got. mahts, an. matt, ags. meaht „machtigquot;.

Vgl. got. mahts f. „Machtquot;, as. ahd. maht, afries. macht, ags. meaht, an. nidttr m.; got. mahteigs usw.; aslav. mog^ „vermagquot;, mostïf. „Machtquot;,nbsp;gr. /arjxos n. „Hilfsmittelquot;.

13. nbsp;nbsp;nbsp;Prat. got. aihta, art. dtta, afries. dchte, ags. dhte, as. êhta', zunbsp;got. aih „habe, besitzequot;, PI. aigum, an. d, usw.

Part. Prat. an. dttr.

Man vergleicht aind. i^ê „hat zu eigenquot;, andere Beziehungen sind aber unbekannt.

2. Andere mittelvokallose Dentalpraterita.

14. nbsp;nbsp;nbsp;Prat. got. pdhta, an. fgt;dtta, ags. j)öhte, as. thdhta, ahd. thdhta,nbsp;datha-, zu got. ^agkjan „denkenquot;, usw.

Part. Prat. andaj)dlits „bedachtigquot;, ags. bcjgt;öht, ahd. beddht, irdaht.

Vgl. ags. ^anc, jgt;onc m. „Denken, Gedanke, Dankquot;, as. thank „Denken, Dankquot;, ahd. danc „Denken, Gedanke, Dankquot;; ags. gefreaktnbsp;f. „Gedankequot;, as. ahd. githdht; man vergleicht lat. tongêre „nosse, scirequot;,nbsp;osk. tanginüd, Abl. „sententiaquot;.

15. nbsp;nbsp;nbsp;Prat. got. fühta, an. fótta, ags. fühte, as. ahd. thühta\ zu got.nbsp;jmgkjan „dünkenquot;, usw.

Part. Prat. got. hauhfühts, mikilfuhts „hochmütigquot;, an. fóttr, ahd. kadüht (B, Rb).

Vgl. got. fühtus m. „Gewissenquot;, an. fóttr, fótte m. „Meinung, Gefallenquot;; fühta, im Ablautsverhaltnis zu fdhta.

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86 JAKOB SVERDRUP

16. nbsp;nbsp;nbsp;Prat. got. brUhta, spatahd. brUhte {bruhte WGen, verbmchtenbsp;spate Gl. 3, 413, 19), mhd. brühte\ zu got. brUkjan „brauchenquot;, ags.nbsp;brUcan (Prat, breac), as. brUkan (Prat, brök), afries. brUka.

Part. Prat. mndd. gebrücht, nhd. gebraiicht] das Ahd. hat Part. kepruhchit B, gebruchet Np, gebruochct N; das Mndd. hat Prat. brUkede,nbsp;Part, gebrUket.

Vgl. got. brttks „brauchbarquot;, ags. bryce, ahd. prüchi\ lat. fruor (aus *frUgvor) „geniefaequot;, frUctus sutn.

17. nbsp;nbsp;nbsp;Prat. got. ivaurhta, urn. worahto, an. orta, afries. wrokte, ags.nbsp;worhte (woruhte, wrokte, warhte), az. war(a)kta', zhd. wor(a)hta', zu got.nbsp;waurkjan „wirkenquot;, usw.

Part. Prat. got. frawaurhts „sündhaftquot;, uswaurhts „gerechtquot;, an. ortr, afries. ewrocht, ags. world, as. giwar(a)kt, ahd. giworkt (obd. auchnbsp;giwurchit).

Vgl. got. frawaurkts f. „Sündequot;, uswaurhts „Gerechtigkeitquot;, ags. wyrht „Werkquot;, as. farwurht „Sündequot;, gkvurht „Tatquot;; an. verk, ags.nbsp;weorc, usw.; gr. EQyov „Werkquot;, qé^w „tuequot; (aus *vrg-), usw'.

18. nbsp;nbsp;nbsp;Prat. an. sótta, afries. söhte, ags. söhte, as. söhta, ahd. suohta\nbsp;zu got. sokjan „suchenquot;, usw. Das Got. hat sökida, ahd. sohhUuit M.

Part. Prat. an. sóttr, afries. söht, ags. gesöht, as. gisökt, ahd. ir-suohter (Notker); das Ahd. hat auch gisuochd.

Gewöhnlich stellt man sökjan usw. zu lat. sagtre „nachspürenquot;, sagax „scharfsinnigquot;, gr. ijyso/iai „meine, glaubequot;, air. saigim „suchequot;. Obnbsp;auch got. sakan sök „streiten, rechtenquot;, an. sqk i. „Rechtssache, Sachequot;,nbsp;usw. heranzuziehen sind, scheint zweifelhaft; es ist auch fraglich, obnbsp;sökida nicht eine ebenso alte Bildung sein kann wie söhta.

19. nbsp;nbsp;nbsp;Prat. got. bauhta, ags. bokte-, zu got. bugian „kaufenquot;, usw.

Part. Prat. got. frabauhts „verkauftquot;, usbauhts „erkauftquot;, ags.

gebokt, as. giboht.

Vgot. andabaukts i. „\^öamp;og€id.quot;, faurbauhts „Loskaufungquot;. Die Etymologie ist ganz unsicher. Collitz (Schw. Prat., S. 41) stellt got.nbsp;bugian usw. zu aind. bhuj „Genufa schaffen, büfsen, geniefeenquot;, undnbsp;er bemerkt, „dafa in aind. bhuj- wahrscheinlich zwei verschiedenenbsp;Verben zusammengeflossen sind, deren eines mit av. buj- und got.nbsp;bugian auf idg. bhugh- „Ersatz geben, Entgelt gebenquot; zurückgehtquot;.

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DAS GERMANISCHE DENTALPRATERITUM 87

20. Prat. got. brahta, ags. brokte, afries. bröchte, as. ahd. brahta\ zu got. briggan „bringen“, ags. ahd. bringan, afries. bringa', danebennbsp;steht eine Bildung 'brangian in ags. brengan, afries. brenga (branga),

as. brcngian.

Part. Prat. ahd. braht, afries. brokt, ags. brokt', daneben ags. brtm-gcn und ahd. brungan (viel haufiger als bröht).

Die Etymologie des Verbs bringan scheint unsicher. Die meisten Forscher vergleichen kymr. he-brwng „deducere“, corn, kem-bronk „de-ducet“, usw., und in diesem *brenk : *bronk sieht man eine Kontamina-tion der Wurzel *bher „tragenquot; (got. bairan, \amp;i. ferö usw.) und *(e)neknbsp;in got. ganah, gr. ève'/xèiv „tragenquot; usw. (s. pben). Wie es sich nunnbsp;auch damit verhalt, ist das Prateritum brahta jedenfalls sehr interessantnbsp;und charakteristisch für die Entstehung der mittelvokallosen Dental-praterita. Wir batten namlich bringan, *brang erwarten sollen, undnbsp;brang (PI. brungun) findet sich auch z. B. bei Otfrid, ist aber gewifenbsp;eine Neubildung; dagegen scheint das Part. ags. brungcn, ahd. brungannbsp;alt zu sein, ohne jedoch die Existenz eines alten *brang zu verbürgen.nbsp;Nun hat aber R. Gauthiot (Mélanges Saussure, S. 115 ff.) nachgewiesen,nbsp;dafe das Verb bringan ursprünglich wohl ein Prasens, aber keinennbsp;Aorist und kein Perfekt bildete, gleich wie auch beran, weshalb barnbsp;als eine germanische Neubildung zu betrachten ist, vgl. lat. tuit nebennbsp;Pras./rrö. In diesem Verhaltnis liegt die Voraussetzung für die Entstehung eines Dentalprateritums brahta zu bringan. Dieses brahta istnbsp;dann nach Gauthiot die regelrechte Prateritalform zu |germ. *brangiannbsp;(as. brcngian usw.), die als Suppletivform zu bringan Verwendung fand,nbsp;weil bringan selbst kein altes Prateritum hatte. „Le couple got. brig-gan : brahta peut done s’expliquer sans faire intervenir aucune consi-dération analogique; l’anomalie qu’il présente a pour cause l’absencenbsp;de parfait et d’aoriste qui, dés l’indo-européen, caractérisait la racinenbsp;qui fournit le présent de „porterquot;.“

21. Prat. got. wilda „wolltequot;, an. vilda, afries. welde, ags. wolde (angl. walde), as. welda und wolda (besonders in C), walda (2 mal in C;nbsp;s. übrigens Holthausen, As. Eb. § 497, Gallée, As. Gr.^ § 426), ahd.nbsp;welta in Ra, M und Cass., sonst wolta', zu got. Pras. wiljan, ahd.nbsp;willu usw.

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88 JAKOB SVERDRUP

Part. Prat. an. vildr „beliebt, angenehmquot;.

Bei diesem Verb sind bekanntlich im Westgermanischen zwei verschiedene, aber verwandte Verba zusammengeflossen; got. wiljaunbsp;„ich willquot;, usw. und got. waljan „wahlenquot;, ahd. wellen „wollenquot;, usw.nbsp;Die Vokalverhaltnisse des westgerm. Prateritums beurteile ich dannnbsp;folgendermafaen: Ursprüngliches e findet sich in afries. welde, as. welda,nbsp;ahd. welta] urspr. a wohl in angl. walde und as. walda-, das o in ahd.nbsp;wolta, as. wolda, ags. wolde ist eine Rundung von a oder e, die durchnbsp;zwei zusammenwirkende Faktoren hervorgerufen ist, namlich den Ein-flufe des vorhergehenden w und die Assoziation mit ahd. scolta, as.nbsp;skolda, ags. scolde. Got. wilda und an. vilda haben i durch Assoziation mit den übrigen /-Formen, wo i durch /-Umlaut aus e entstandennbsp;ist (vgl. NTS I, S. 199 ff.). — Vgl. laX. veile, asl. volj(i usw.

Auch einige Dentalpraterita der Verba pura können sehr wohl alt sein. Collitz verzeichnet Formen wie ahd. sdta, knata (an kndda),nbsp;krata, drata, gluota, spuota (vgl. oben S. 70). Für dié Beurteilung dernbsp;Natur des Dentals der oben angeführten Dentalpraterita spielen dochnbsp;diese Praterita keine Rolle.

Sonst gibt es kaum viele andere Dentalpraterita, die schon von alters her mittelvokallos waren. Die Anzahl dieser Bildungen ist alsonbsp;ziemlich beschrankt. Das ahd. forhta „fürchtetequot; zu furhten (got.nbsp;faurhtjan, ags. fyrhteri) ist kaum ein altes mittelvokalloses Prateritumnbsp;zu einem *forhan, wie Collitz vermutet (S. 34), sondern das gewöhn-liche synkopierte Prateritum zu furhten; das o in forhta ist leicht ver-standlich wegen forahta, forahten, forhta f. „Furchtquot;,forhtagnbsp;usw. (vgl. auch as,, forhlon nohen forhtian, ags. forhtian). Das an. ollanbsp;zu valda „waltenquot; ist aller Wahrscheinlichkeit nach eine Neubildungnbsp;des Altnordischen (s. v. Friesen, Det svaga pret., S. 24). Auffallendnbsp;ist dagegen ags. rohte (mit langem Vokal?) zu reccean „sich kiimmernquot;,nbsp;das wie ein altes mittelvokalloses Dentalprateritum aussieht; wir hattennbsp;*recte oder *rêhte zu * recan (wie sëcan', vgl. rece we in JE\fr. Coll., nenbsp;reces du Ru^, Li, rêcelêas „unbekümmertquot;) = ahd. röhhen, ruochen, Prat.nbsp;ruohta erwarten sollen. Uber ahd. as. gionsta, ahd. bigunsta, bigonda,nbsp;as. konsta, farmonsta s. Collitz, Schw. Prat., S. 48 f., 49 ff., 55, 56; sienbsp;sind alle als Neubildungen zu betrachten. — Das got. kaupatjan „ohr-

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DAS GERMANISCHE DENTALPRATERITUM 89

feigen“, Prat. kaupasta, ist ein völlig unerklartes Wort, und es ist un-gereimt init kaupasta als eine „urgermanischequot; Bildung zu rechnen-

Weiter gibt es in den westgermanischen Sprachen eine Reihe mittelvokalloser Dentalpraterita zu Verben mit kurzer Stammsilbe.nbsp;Aus verschiedenen Gründen (s. Paul, P B B 7, 136 fF.), besonders wegennbsp;des Fehlens des Umlauts, werden auch diese Forrnen öfters als ur-sprünglich mittelvokallose Bildungen betrachtet. In den alteren Textennbsp;handelt es sich nur um Verba mit kurzer Stammsilbe, die auf germ.nbsp;p, t, k, d, l endigt. Spater kommen auch andere Praterita ohne Mittel-vokal vor, bei denen j edoch die Synkope des Mittelvokals leicht er-kennbar ist. Ich gebe deshalb nur ein Verzeichnis der Praterita, dienbsp;scheinbar urspr. mittelvokallos und mehreren westgerm. Sprachen ge-meinsam sind, ohne jedoch auf Vollstandigkeit des Materials hinzu-zielen. Ubrigens verweise ich auf die verschiedenen Flandbücher undnbsp;besonders auf Schatz, Ahd. Gr., S. 302 ff. und Krüer, Der Bindevokalnbsp;und seine Fuge im schwachen deutschen Praeteritum bis 1150, Palaestra 125.

1. nbsp;nbsp;nbsp;Nach Verbalstamm auf p-.

ahd. scafta zu scephen „schaffenquot; (sonst starke Flexion); ahd. stafta zu stepfen „schreitenquot; (sonst stark), usw. (Krüer, S. 211 ff.).

2. nbsp;nbsp;nbsp;Nach Verbalstamm auf t:

ahd. sazta, as. satta. setta, ags. sette zu ahd. sezzen „setzenquot;, usw'.; as. latta, letta, ahd. lazta zu as. lettian „hindernquot;, usw.; ahd. nazta, wazta,nbsp;ginuzta usw., s. Krüer, S. 222 ff.

3. nbsp;nbsp;nbsp;Nach Verbalstamm auf k:

ahd. wahta, as. uuahte, ags. weahte zu ahd. wecken „weckenquot;, usw.; ahd. dahta, ags. fieahte zu ahd. decken „deckenquot;; ags. streahte, ahd. strahtanbsp;(stracta) zu ags. streccean „streckenquot;; ags. cweahte zu cweccean „schüt-telnquot;; ags. dreahte zu dreccean „qualenquot;; ags. leahte (ahd. lacta) zunbsp;leccean „benetzenquot;; ags. reahte, ahd. mhta {racta) zu ags. reccean „er-klarenquot;; s. Krüer, S. 215 ff., Schatz, Ahd. Gr. § 472 und 480.

4. nbsp;nbsp;nbsp;Nach Verbalstamm auf d:

as. quadda [quedda), ahd. quatta zu as. queddian „grüfaenquot;, usw.; as. skudda, ahd. scutta {scutita) zu as. skuddian „schüttelnquot;, usw.; ahd.nbsp;ratta [retita], zatta (zetita) usw; s. Krüer, S. 222, Schatz, § 470.

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90 JAKOB SVERDRUP

5. Nach Verbalstamm auf 1:

ahd. salta (selita), as. salda, ags. sealde (vgl. an. selda) zu ahd. sellen „überliefernquot;, usw.; ahd. zalta {zelitd), as. talda, d.gs. tealde zu zeilennbsp;„zahlen“, usw.; ahd. stalta, ags. stealde zu ahd. stellen usw.; ahd. twaltanbsp;[dualtd), ags. dwealde zu ahd. twellen „hindern“, usw.; ahd. qiialta [que-lita), ags. cwealde zu ahd. quellen „qualen“, usw.; s. Kriier, S. 200 fl'.,nbsp;Schatz, § 470.

Kein einziges dieser Dentalpraterita ist m. E. urprunglich ohne Mittelvokal gebildet worden; sie sind alle als früh synkoplerte For-men zu betrachten. Dafür spricht im allgemeinen die Tatsache, dafenbsp;wir es hier überall mit y-Verben, meistens Kausativa und Denomina-tiva, zu tun haben, deren Praterita dem germanischen System gemafsnbsp;von Haus aus mit Mittelvokal gebildet wurden. Das Altnordische undnbsp;das Westgermanische zeigen eine Starke Tendenz zur Synkope desnbsp;Mittelvokals. Im Altnordischen ist diese Tendenz überall, sowohl beinbsp;den kurzstammigen als bei den langstammigen Verben, durchgedrun-gen, im Westgermanischen nur bei den langstammigen. Wenn wirnbsp;nun aber im Altnordischen synkopierte Formen finden wie z. B. skapta,nbsp;sella, latta,vakjgt;a, pakta, rakta, kvadda, talda, selda, kvalda, dann erscheintnbsp;es doch wenig natürlich, in den entsprechenden westgerm. Formen,nbsp;ahd. scafta, as. salta, latta, ags. weahte, peahte, reahte, as. quadda, ahd.nbsp;zalta, salta, ags. cwealde, ursprünglich mittelvokallose Praterita zu sehen.nbsp;Das Verhaltnis ist vielmehr folgendermaften zu beurteilen: Auch imnbsp;Westgermanischen sind die kurzstammigen Verba von der Tendenznbsp;zur Synkope des Mittelvokals nicht unberührt geblieben, obwohl dienbsp;Synkope nicht überall in der altesten Überlieferung durchgedrungennbsp;ist. Besonders die Stellung des Mittelvokals nach bestimmten Konso-nanten, germ, p, t, k, d, I (vgl. an. setta), scheint dieser Synkope gün-stig gewesen zu sein; und allmahlich breitet sich dann die Synkopenbsp;immer weiter. Für das Althochdeutsche ist weiter zu beachten, dafanbsp;die Affrikaten und Spiranten, die durch die hochdeutsche Lautverschie-bung entstanden sind, stets Position bilden, weshalb die kurzstammigennbsp;Verba auf germ, p, t, k wie die Verba mit langer Stammsilbe behandelt werden; Formen wie ahd. scafta, stafta, sazta, lazta, wahta, dahlanbsp;usw. brauchen deshalb keine alten Bildungen ohne Mittelvokal zu sein

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DAS GERMANISCHE DENTALPRATERITUM 91

{s. Wilmanns, Deutsche Gramm. Ill, S. 78). Endlich mussen wir auch damit rechnen, dafe in einigen Fallen die Schwachtonigkeit des Verbsnbsp;die Synkope des Mittelvokals hat fördern können, z. B. bei Prateritanbsp;wie as. satta, latta, ags. peahte, ahd. zalta, stalta, salta (vgl. an. seldd) usw.

Noch finden wir im Westgermanischen fünf Dentalpraterita, die von vielen Forschern als ursprüngliche Bildungen ohne Mittelvokalnbsp;aufgefaüit werden:

as. lagda, legda, ags. legde, afries. lelde] dagegen got. lagida, an. lag()a, ahd. legita] zu got. lagian „legenquot;, usw.

as. sagda, ags. ssegde, westfries. seide] aber an. sagda, ahd. sagêta, sa gala (besonders bei Otfrid); zu as. seggian „sagenquot;, ags. secgan,nbsp;afries. sedza, an. segja, ahd. sagen.

as. hogda, hugda, ags. hogde, ahd. hogta] dagegen got. hugida, an. hugda, ahd. hogêta, hogata, hugita (ags. hogode zu Itogian)] zu got.nbsp;hug jan „denken, meinen, gesinnt seinquot;, an. hyggja, ags, hycgan, as.nbsp;huggian, ahd. huggen.

as. HMa, lebda, afries. lifde, ags. lifde] dagegen got. libaida (an. Hf da), ahd. lebëta (Opt. Prat. libiti, s. Gerrnanica, S. 364); zu got. libannbsp;„lebenquot;, an. Ufa, afries. libba, ags. libban, as. libbian, ahd. lebén.

as. habda, ahd. hapta (nur Is. und M), afries. hede, ags. heef de] dagegen got. habaida (an. hafda), ahd. habêta (obd. Pras. hebis, hebit. Prat. hebita, s. Gerrnanica, S. 363); zu got. haban „habenquot;, an hafa, afries.nbsp;hebba, ags. habban, as. hebbian, ahd. habên.

Nachdem nun die oben behandelten Praterita sich als synkopierte Formen erwiesen haben, ist es auch bei den letzteren fünf Verbennbsp;doch das wahrscheinlichste, dafs die Praterita ohne Mittelvokal alsnbsp;früh synkopierte Bildungen aufzufassen sind; das Nebeneinander vonnbsp;sjmkopierten und unsynkopierten Formen von einer Sprache zu dernbsp;anderen spricht doch dafür, dafe die unsynkopierten Formen die alte-ren sind., Das Verb lagjan gehort in allen germ. Sprachen zu dennbsp;y'aw-Verben. Die übrigen vier Verba zeigen eine Mischung der jan-und der aussterbenden r«-Klasse. Darin liegt vielleicht die Voraus-setzung für die Synkope. Nun ist es aber sehr bezeichnend, dafe wirnbsp;es eben hier mit Verben zu tun haben, die im Satzgefüge besondersnbsp;haufig schwachtonig stehen; das braucht nicht naher nachgewiesen zu

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werden (vgl. oben S. 64 fF.). In dieser Schwachtonigkeit sehe ich den Hauptgrund der frühen Synkope. Sehr bezeichnend ist bei Otfridnbsp;das Nebeneiander der Formen hogêta, hogata und hogta\ wir sehennbsp;hier, wie die Schwachtonigkeit sowohl zur Schwachung als zumnbsp;völligen Schwund des Mittelvokals geführt hat. Aber auch diesernbsp;Schwund mufs selbstverstandlich im Zusammenhang mit der ganzennbsp;Tendenz zur Synkope des Mittelvokals bei den Dentalpraterita betrach-tet werden.

Wir kehren zurück zu den 21 Dentalpraterita, die augenschein-lich schon im altesten Germanischen mittelvokallos waren. Wie sind diese Bildungen zu erklaren? Es ist einleuchtend, dafe eine plausiblenbsp;Erklarung nur im Einklang mit dem germanischen System gesuchtnbsp;werden darf. Dann fragt es sich aber, ob es überhaupt möglich ist,nbsp;eine solche Erklarung durch Anknüpfung an irgendeinen idg. Verbal-stamm oder Flexionsausgang zu finden.

Die Erklarung Brugmanns habe ich schon oben S. 12 IF. be-sprochen und habe sie im Ganzen unannehmbar geFunden. Neulich hat aber A. Sommerfelt (Symbolae Grammaticae in honorem Johannisnbsp;Rozwadowski 1927, S. 255 if.) nachzuweisen gesucht, daft das alt-irische FPrateritum (z. B. 3. Sing, birt zu her- „tragenquot;, ni-chelt zu cel-„hehlenquot;, ro-da-acht zu ag- „Führen, treibenquot;, anacht zu anag- „vertei-digenquot;, do-r-or-macht zu mag- „vermehrenquot;, i. Sg. con-ait-echt zu saig-„bitten, suchenquot;, usw.), wie auch das oskische PerFekt auF -tt- (z. B.nbsp;pnifatted „probavitquot;), auF die mit -te : -to- Formans gebildeten idg.nbsp;Prasentia zurückzuFühren sind, und er sucht auch den Ausgangspunktnbsp;und das semantische Verhaltnis dieser air. Formation darzulegen. Viel-leicht könnte man hier eine Stütze der Theorie Brugmanns findennbsp;wollen, und es könnte verlockend erscheinen, germ, söhta mit con-ait-echt, mahta mit do-r-or-macht (etymologisch sehr unsicher) zu ver-gleichen. Aber derartige Falie stehen doch ganz isoliert, und sie kön-nen unmöglich den Ausgangspunkt des germ. Dentalprateritums bilden.nbsp;Somit bleibt Brugmanns Erklarung noch immer ohne Anhalt, und sienbsp;findet überhaupt keine Anknüpfung an das germanische System.

Besser ist auch nicht die Hypothese Behaghels (s. oben S. 32 f.). Eine Gleichung germ. *wuldls : aind. vrthdh existiert überhaupt nicht.

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DAS GERMANISCHE DENTALPRATEKITUM

wie hartnackig sie auch wiederholt wird (vgl. oben Nr. 21). Es bleibt nur die Gleichung got. mundês : aind. mathak. Darin kann man dochnbsp;nicht den Ausgangspunkt des ganzen germ. Dentalprateritums sehen;nbsp;das würde die weitere Ausbildung und Flexion dieser Formation ganznbsp;unbegreiflich machen. Und ist es wirklich eine vernünftige Annahme,nbsp;dafe sich eine solche isolierte Medialform in ein Prateritalsystem ein-genistet habe, wenn es sich zeigt, daft dieses System einen ganznbsp;anderen Ursprung hat, ja sogar nichts mit dem idg. Flexionssystemnbsp;zu tun hat? So wie das germ. Dentalprateritum sich entwickelt hat,nbsp;mufste die Form mundês kommen; deshalb ist die lautliche Überein-stimmung mit mathak zufallig und völlig belanglos.

lm Germanischen finden wir zwei Prateritalsysteme: ein Ablaut-prateritum und ein Dentalprateritum. Das Dentalprateritum war ursprüng-lich eine periphrastische Konstruktion, die aus einem Verbalnomen und verschiedenen Flexionsformen der Wurzel *dhê bestand. Wie alt diesenbsp;periphrastische Konstruktion ist, wissen wir nicht. Auch wissen wirnbsp;nicht, wie das Verbalnomen, das der eine Bestandteil der periphrasti-schen Konstruktion bildete, genau aussah. Es scheint mir aber nichtnbsp;ausgeschlossen, dafe dieser Bestandteil ursprünglich das war, was vonnbsp;den Redenden als „Stammquot; oder „Grundformquot; gefühlt wurde: mannbsp;hat gesagt etwa *sodio dhöm, *doma dhöm (vgl. lat. domabam), *takinbsp;dhöm (vgl. lat. tacêham)) eine solche Ausdrucksweise ist doch nicht sonbsp;grundverschieden von der jetzigen: setzen tat, zahmen tat, schweigennbsp;tat (ahd. dagêta). Man hat dann einfach diesen „Stammquot; als Verbalnomen in der periphrastischen Bildung gebraucht. In diesem Sinnenbsp;könnte man vielleicht mit Hirt von einem „Kasus indefinitusquot; (s. obennbsp;S. 43) reden, der in der periphrastischen Bildung gebraucht wurde zunbsp;einer Zeit, wo der Infinitiv noch nicht dem Verbalsystem einverleibtnbsp;worden war. Wenn dies richtig ist, dann versteht man um so leichter,nbsp;warum wir auch Dentalpraterita ohne Mittelvokal finden. Hiermit magnbsp;es sich nun verhaken wie es will; als die periphrastische Konstruktion zur Komposition wurde, mufste jedenfalls die ganze Formationnbsp;den Prinzipien unterworfen sein, die im System der Komposition herr-schend waren. Aber auch dann ist es recht wohl möglich, dafs dienbsp;Kompositionsfuge ohne Mittelvokal sein könnte.

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A priori war die Verwendung der periphrastischen Konstruktion überall möglich. Sie mufate aber Verwendung finden bei den Verben, die aus verschiedenen Gründen kein Ablautprateritum bildennbsp;konnten, also auch bei primaren Verben. Als nun die periphrastischenbsp;Konstruktion durch Zusamnienschmelzung zu einer einheitlichen Ver-balform, zum Dentalprateritum wurde, dann war gewifa bei diesemnbsp;Vorgang die Assoziation mit dem Dentalpartizip ein sehr wichtigernbsp;Faktor. Diese Assoziation mulate dazu führen, dala Dentalprateritumnbsp;und Dentalpartizip ein System bildeten, so dafa sich sowohl ira Stammnbsp;als im Dental eine völlige Ubereinstimmung einstellte. Es scheint mirnbsp;dies eine Tatsache, die man auch bei der Beurteilung der mittelvokal-losen Dentalpraterita im Auge haben mufa. Auch diese Praterita müs-sen wohl deshalb am Ende auf eine periphrastische Konstruktion mitnbsp;einem Verbalnomen und Formen der Wurzel *dhi zurückgehen, beinbsp;den Praterito-prasentia, weil ihr Ablautprateritum prasentische Bedeu-tung bekommen hatte, bei den übrigen Verben, weil sie kein Ablautprateritum bilden konnten. Aber überall hat die Assoziation mit demnbsp;Dentalpartizip dazu geführt, daft diese Dentalpraterita bei der Zusam-menschmelzung der periphrastischen Konstruktion von Haus aus mit-telvokallos wurden, gleichviel ob das Verbalnomen in der ursprüng-lichen periphrastischen Konstruktion auf Vokal endigte oder nicht.nbsp;Denn darüber können wir nichts wissen; nach dem oben Ausgefuhrtennbsp;ware eine Ausdrucksweise wie etwa *vid dhöm auch denkbar. Imnbsp;Folgenden beabsichtige ich deshalb nicht den tatsachlichen Vorgangnbsp;festzustellen, sondern nur ein Bild der lautlichen Entwicklung durchnbsp;Assoziation mit dem Dentalpartizip zu geben;

Vorform.

*trp-dhöm

*dhrs-dhöm

*mn-dhöm

*skl-dhöm

*nk-dhöm

‘‘oik-dhöm

*tong-dhöm

Dentalprat.

gt; nbsp;nbsp;nbsp;got. paurfta

gt; nbsp;nbsp;nbsp;got. daursta

gt; nbsp;nbsp;nbsp;got. munda

gt; nbsp;nbsp;nbsp;got. skulda

gt; nbsp;nbsp;nbsp;ags. nokte

gt; nbsp;nbsp;nbsp;got. aihta

gt; nbsp;nbsp;nbsp;got. pahta

Partizip.

got. paurfts got. *daurstsnbsp;got. mundsnbsp;got. skuldsnbsp;got. nauhtsnbsp;an. dttrnbsp;got. jgt;ahts


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DAS GERMANISCHE DENTALPRATERITUM 95

DAS GERMANISCHE DENTALPRATERITUM 95

Dentalprat.

gt; nbsp;nbsp;nbsp;got. fnihta

gt; nbsp;nbsp;nbsp;got. brühta

gt; nbsp;nbsp;nbsp;got. waurhta

gt; nbsp;nbsp;nbsp;got. söhta

gt; nbsp;nbsp;nbsp;got. brahta

gt; nbsp;nbsp;nbsp;got. wilda

Vorform.

*tng-dhöm * bhrug-dhömnbsp;*vrg-dhom

* nbsp;nbsp;nbsp;sag-dhöm

* nbsp;nbsp;nbsp;bhronk-dhömnbsp;*vel-dhöm

Partizip.

got. j)ühts got. *brühtsnbsp;got. waurhtsnbsp;as. söhtnbsp;ahd. brahtnbsp;an. vildr


Für die Lautgestalt der übrigen Dentalpraterita, got. wissa (aus *vid-dhOin?), ahd. tohta, got. kunpa, ahd. onda, ahd. niuosa (aus *möd-dhöm?], got. öhta, mahta, bauhta, mufa die Assoziation mit den zuge-horigen Dentalpartizipia und nominalen (“-Bildungen restlos mafegebendnbsp;gewesen sein. Es ist dies gar keine kühne Annahme; denn es mufstenbsp;so werden, das fordert das System.

Einige der mittelvokallosen Dentalpraterita mogen als Musterfor-men gedient haben, andere erst nachtraglich gebildet worden sein, wie man ja auch nasida als Typus betrachten mufs. Wenn wir abernbsp;diese Bildungen ohne Mittelvokal im Einklang mit dem ganzen Systemnbsp;betrachten, dann scheinen sie mir kein Problem mehr zu bieten. Wirnbsp;können zwar nichts Bestimmtes mehr über die genaue Form undnbsp;Gestalt des ersten Bestandteils der ursprünglich periphrastischen Kon-struktion sagen. Es mogen alte Wurzelnomina (s. Brugmann, Grundr.^nbsp;II, I, S. 130 ff.) oder o-Abstrakta (vgl. an. vit), die einst im Germa-nischen sehr produktiv waren (s. E. Olson, De appellativa substanti-vens bildning i fornsvenskan, S. 341 flf., Wilmanns, Deutsche Gramm.^nbsp;II, S. 184 fF.) oder f-Abstrakta (vgl. got. muns), die auch einst ziem-lich produktiv waren (s. Wilmanns, S. 184 ff. und 209 ff., Olson,nbsp;S. 531 ff.) zugrunde liegen. Vielleicht ware es sogar denkbar, dafsnbsp;z. B. ein germ. *mtimööni ¦ (vgl. got. mtms, an. munr usw.) wegennbsp;Schwachtonigkeit schon im Gotischen zu mttnda geworden sei, undnbsp;so auch bei anderen Hilfsverben, obgleich mir diese Annahme nichtnbsp;ohne Bedenken erscheint. Aber wie es sich nun auch mit diesennbsp;Spekulationen verhalt, so mufste doch die Assoziation _ mit den Dentalpartizipia sehr früh zur Mittelvokallogigkeit führen, eben weil dasnbsp;Entstehen des Dentalprateritums und die Assoziation mit dem Dental-

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partizip Hand in Hand gingen. Wir dürfen deshalb mit den oben aufgestellten Entwicklungeii i^trp-dhoni gt; jgt;aurfta usw.) recbnen, undnbsp;sie scbeinen mir in lautlicber Hinsicbt ganz einwandfrei zu sein. —nbsp;Auf der anderen Seite ist es auffallend, daft die Dentalpraterita dernbsp;Praterito-prasentia alle zum Perfektstamm gebildet worden sind. Esnbsp;hat den Anschein; als ob Praterita wie wissa, kunpa usw. verhaltnis-mafaig junge Bildungen sein könnten. Ich w'eife, daft dies vielen For-schern als eine überkühne Behauptung erscheinen mag, well sie es ge-wohnt sind, in wissa, kunpa etwas recht Uraltes zu sehen. Aber waitnbsp;und kann müssen doch so alt sein wie das Perfekt selbst, und nasidanbsp;mufa als Typus so alt sein wie das Dentalprateritum selbst. Dagegennbsp;ist es wenigstens eine Möglichkeit, dafa wissa, kunjgt;a u. a. erst entstan-den sind, nachdem das Dentalprateritum schon fertig ausgebildet war.

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