-ocr page 1-
S ^J
%
DIE AMSTERDAMER BÖRSE
VOR ZWEI HUNDERT JAHREN.
EIN BEITRAG
ZUE
GESCHICHTE DER POLITIK UND DES BÖRSEN WESENS
IM MITTLEREN EUROPA.
(1672-1673).
NACH DEN AKTEN DES WIENER STÄÄTS-ÄRCHIVES
Dr. JULIUS GROSSMANN,
Geh. Archivar am Königlichen Haus-Archiv in Berlin.
HAAG.
MAETINUS NIJHOFP.
1876.
RIJKSUNIVERSITEIT UTRECHT
lllllllllll^ä\
.IIIIIHIIIIII £> !
-ocr page 2-
DRUCK VON H. P. DE SWART UND SOHN.
7!
-ocr page 3-
VORWORT.
\
Als ich im Winter von 1871 zu 1872 in Wien die Akten
des K. K. Staats-Archives zu einer Untersuchung über die
kaiserliche Politik in jener Ruhepause vom Frieden zu Breda
bis zum Ausbruch des Holländisch-Französischen Krieges durch-
forschte , wurde mein Interesse fast ausschliesslich von den Be-
richten des kaiserlichen Gesandten Franz von Lisola im Haag
in Anspruch genommen — eines Mannes, dessen hervorragende
Persönlichkeit und ausserordentliche Thätigkeit in jener Epoche
ich an andrer Stelle bereits ausführlich beleuchtet habe. 1
Man kann sich kaum vollständigere und in die innersten
Verhältnisse eines Staates eingehendere Relationen eines Ge-
1 J. Grossmann: „Der Kaiserliche Gesandte Franz von Lisola im Haag 1672—
1673" im Arch. für Osterreich. Gesch. Bd. 51. Wien 1873.
-ocr page 4-
IV                                                 VORWORT.
sandten denken, als sie von Lisola vom Haag aus dem kaiserlichen
Hofe in Wien übermittelt wurden. Alles hat für diesen Gesandten
Bedeutung; aus Allem sucht er für seine Pläne Kapital zu schlagen.
Die kaiserliche Politik hatte sich damals — im Jahre 1672 —
nicht zum wenigsten durch Lisola's eifriges Machiniren dahin
entwickelt, dass derselbe den Auftrag erhielt, ein Bündniss
zwischen dem Kaiser und der bereits dem Untergange nahe
gebrachten Republik Holland zu verhandeln, dessen Endzweck
für den Kaiser der Empfang dauernder Subsidien war: die
pecuniäre Ertragsfähigkeit Hollands trat damit in den Vorder-
grund aller politischen Combinationen.
Da zeigte sich denn sogleich, dass diese von Europa für
unerschöpflich gehaltene Geldquelle doch nicht so ganz unver-
siegbar war. Schon die gleichzeitigen Geschichtsschreiber haben
diesen Punkt: die Aufbringung des Geldes für alle die furchtbaren
Kriegsausgaben nicht ganz übersehen. Sowol Valkenier als
auch Wicquefort, Silvius und der Hollandsche Merkurius sprechen
von den Bemühungen der Holländischen Regierung zur Ent-
deckung ergiebiger Quellen für alle Ausgaben; aber sie deuten
dergleichen Absichten und Vorschläge nur an, berichten auch
wohl von dem einen oder andern Plane, dass er sich als chimärisch
oder unmöglich erwiesen habe; aber was schliesslich ausführbar
gewesen und wirklich geschehen war, darüber geben sie keine
Auskunft.
Da erhalten wir denn von Lisola, welcher im Interesse seiner
Regierung den Holländischen Staat grade von dieser Seite
genau zu untersuchen hatte, den gewünschten Ausschluss. Er
erörtert in seinen Relationen auf das Eingehendste die von der
-ocr page 5-
V
VORWORT.
Holländischen Regierung gebotenen Zahlungsmittel, macht dem
Kaiser Vorschläge darüber und betheiligt sich selbst an Finanz-
operationen. Indem er diese dem Kaiser genau beschreibt,
erhalten wir Auskunft über den Ursprung der ungeheuren
Geldmittel, über welche Holland damals Yerfügen musste,
wollte es der rohen Gewalt des Feindes nicht erliegen: der staat-
liche Credit entwickelte sich; ihm entnahm Holland
jene Summen zur Kriegführung und zur Gewinnung der
Bundesgenossen. Die von Holland ausgegebenen Staatsschuld-
scheine wurden Europäisches Zahlungsmittel. Indem man dann
diese Holländischen Staatsobligationen gegen baar Geld ver-
wechseln wollte, zeigte sich, dass sie unter so veränderten
Staatsverhältnissen den ganzen Wert nicht haben konnten, den
sie nominell haben sollten; er schwankte in der Hand des
Besitzers — fluctuirend innerhalb weniger Tage.
Während man gewöhnt ist, unser heutiges Börsenwesen für
etwas durchaus modernes zu halten, berührt es eigentümlich,
in den Gesandtschaftsberichten der zweiten Hälfte des 17.
Jahrhunderts bereits unter den wichtigsten Nachrichten Cour s-
berichtezu finden, den Stand der Course als Beweggrund politi-
schen Handelns anführen, die Ursachen für das Steigen und Fallen
derselben erörtern und die daraus zu entnehmenden Schlüsse
entwickeln zu hören: es veranlasste mich, diese Wechselbe-
ziehungen zwischen den Holländischen Geldverhältnissen und
den allgemeinen Begebenheiten in jener Epoche an der Hand
der Berichte Lisola's in der folgenden Darstellung einmal genauer
zu untersuchen. Wir werden darin die Erklärung für manchen
bisher dunklen Punkt in der Politik jener Tage finden. —
-ocr page 6-
t
VI                                                 VORWORT.
Auch diese Gelegenheit kann ich nur mit Vergnügen ergreifen,
den sämmtlichen Herren Beamten der Wiener Archive für ihre
so ausserordentlich liebenswürdige! Unterstützung meiner For-
schungen meinen herzlichsten Dank zu sagen.
Der Verfasser.
Berlin im December 1875.
-ocr page 7-
Einleitung.
Es dürfte vielleicht kaum möglich sein, den Zeitpunkt genau
zu bestimmen, in welchem der Börsenhandel im heutigen Sinne
d. h. der Handel mit Wertanweisungen mit — Wertpapieren
seinen Anfang genommen hat. Allerdings setzt ein solcher eine
bis zur Vollendung gediehene Entwicklung des Geldwesens,
und dieses wiederum einen lebhaften und weitverbreiteten
Handel voraus; aber weder die Masse von Wertpapieren noch
die weite Verbreitung des Handels genügten allein, um den
Handel mit ersteren als eine besondere Art des Handels auf-
kommen zu lassen. Man kannte die Wechselbriefe und Wert-
anweisungen schon seit Jahrhunderten; man kaufte und verkaufte
dieselben; man hatte bereits Aktiengesellschaften, Aktien und
Banken, ohne dass Wertpapiere eine andre als rein kaufmännische
Bedeutung erlangt und gehabt hatten. Ganz besondere Ver-
hältnisse gehörten dazu, diese Bedeutung über den engen
kaufmännischen Kreis hinaus zu einer allgemeineren zu erweitern:
Es versteht sich von selbst, dass sich diese Entwicklung im
nördlichen Europa zuerst in Holland vollzog. —
Durch ihre Verbindung mit Spanien waren die Niederländer
zuerst von den Schiffahrt treibenden Nationen Europas auf den
Oceanischen Handel hingewiesen worden. Sie holten die Indischen
Waaren aus Lissabon x dem Europäischen Centralpunkte des
Indischen Handels. Erst als sie zum Abfall von Spanien ge-
1 Bekanntlich war Portugal durch Philipp II mit Spanien' vereinigt worden. —
-ocr page 8-
2
EINLEITUNG.
zwungen und der Handel mit Spanien ihnen entzogen worden
war, kamen sie auf die Idee, sich die Indischen Waaren an
der Quelle zu holen. Die Ost- und die Westindische Compagnie
bildeten sich und blühten schnell empor; sie versorgten fast
das ganze Festland Europas mit den überseeischen Waaren.
Alle Seehäfen waren von den Holländischen Schiffen erfüllt;
und den Rhein, die Elbe und Weser hinauf gingen die Indischen
Producte nach den Hinterländern. Unermessliche Reichtümer
strömten in Holland zusammen: es wurde die erste Handels-
und Geldmacht Europas. Wer bedeutende Capitalien zu irgend
einer Unternehmung aufnehmen musste, bekam sie nur in
Holland. «Europa kann der Holländer Geld nicht entbehren»
— erklärte der Kaiser im Jahre 1672 *, als er auch seinerseits
daran dachte, ihre Geldmittel in Anspruch zu nehmen. —
Die Indischen Compagnien waren wohl die ersten Aktien-
Unternehmungen des modernen Europa. Da es für den Einzelnen
Schwierigkeiten haben mochte, die grossen Capitalien für jene
risquanten überseeischen Unternehmungen aufzubringen, ver-
einigte sich eine Anzahl Kaufleute dazu, von denen Jeder
eine bestimmte Summe — 3000 Gulden — beisteuerte und dafür
eine «Aktie» erhielt. Am Ende des Abrechnungsjahres erhielt
der Besitzer derselben einen Gewinnantheil, der je nach den
Erträgen des Handels der Compagnie natürlich bald grösser
bald geringer war. Er variirte vom Jahre 1615 bis 1672 von
12| bis 62| %■ Damit schwankte natürlich auch der Wert
der Aktie: ein Aktienhandel war nun von selbst gegeben.
Wer ein Steigen der Dividende erwartete, suchte Aktien zu
kaufen; wer ihr Fallen befürchtete, suchte zu verkaufen. Es
gab Börsenmakler in Amsterdam, die sich eigens hiermit
beschäftigten. 2
Es bedurfte nun keines weiteren Anstosses mehr, um dieses
Aktienwesen auch auf andere und ähnliche Verhältnisse zu über-
1 Relatio Conferentiaä des Geh. Käthes d. d. Wien, den 13 Oct. 1672. —
3 I/Bspine, Den Koophandel van Amsterdam. Amsterdam 1715. S. 416. 417.—
-ocr page 9-
3
EINLEITUNG
tragen. Ich weiss nicht, wann zuerst man in Holland «Staats-
obligationen » — obligationes, assignationes, actiones, apochse x
— ausgegeben haben mag: In der Zeit, um welche es sich hier
handelt, waren sie eine längst bekannte Sache. De^ Staat stellte
in Zahlungsfällen Staatsschuldscheine aus, zahlte dem Inhaber
4°/0 Zinsen — da er begreiflicherweise Dividenden nicht geben
konnte — und wies denselben zur endlichen Einlösung an
bestimmte Kassen. Zwar standen diese Aktien, — wenn wir
den Berichten des kaiserlichen Gesandten im Haag, Franz von
Lisola, glauben dürfen, — infolge der blühenden Finanzen
Hollands immer nahezu al pari; gleichwol aber scheint ein
lebhafter Handel mit ihnen getrieben worden zu sein: den
Kaufleuten war nichts bequemer als diese Art von Papiergeld.
Die Obligationen wurden von ihnen «wetteifernd» 2 gekauft.
Es verlohnte sich sogar, auf den Kauf derselben eine Steuer 3
zu legen — vielleicht die erste Börsensteuer der modernen Welt.
Der Wert dieser Obligationen beruhte offenbar auf dem allge-
meinen Vertrauen, dass der Staat jeden Augenblick im Stande
war, seinen Zahlungsverbindlichkeiten zu genügen. Wie stand
es aber damit, wenn infolge irgendwelcher Ereignisse ein
Zweifel an seiner Zahlungsfähigkeit entstehen konnte? — Ein
solcher Fall trat — vielleicht zum ersten Male — im Jahre
1672 ein bei dem unerwartet schnellen Ueberfalle Hollands
durch die Franzosen. Es ist eigentümlich, in welcher Weise
dieses Geldwesen sich nun mit den allgemeinen Begebenheiten
abzufinden suchte und abfinden musste — Impulse empfangend
und gebend, wie es nicht anders sein konnte.
1  So werden diese Wertanweisungen abwechselnd in den Relationen der Gesandten
genannt. —
2  Eelat. des lisola d.d. Haag d. 24 Nov. 1672: circa quod notandum est, quod
assignationes et apochse Statuum pacificis temporibus instar sunt paratee pecunise
immo certatim emuntur a negotiatoribus etc. —
3  Kel. desselben d.d. Haag; den 15 Dec. 1672. —
-ocr page 10-
4
Politische Lage Europas yor der Katastrophe Tom
Juni 1672.
Hatte der Handel der Holländer allmählich den Europäischen
Continent fast gänzlich durchdrungen, so konnte nicht fehlen,
dass im Laufe der Zeit der Neid und die Feindschaft andrer
Staaten wachgerufen wurde, welche sich durch diese Entwick-
lung des Handels Jener beeinträchtigt glaubten und ein Recht
zu haben meinten, als handeltreibende Nationen auch neben
den Holländern zu bestehen. Das waren nun yor allen andern
merkwürdigerweise gerade diejenigen beiden Mächte, welche
den Niederländern ehedem den Abfall von Spanien ermöglicht
und erleichtert hatten — Frankreich und England.
Frankreich war aus dem dreiszigj ährigen Kriege, welcher fast
alle übrigen Staaten Europas ruinirt hatte, mit bedeutendem
Gewinn an Macht und Ansehen hervorgegangen. Als die einzig
einheitlich organisirte Macht in Europa stieg es unter ausgezeich-
neter Verwaltung immer mächtiger empor. Handel und Wandel
belebten sich. Nach allen Seiten suchte es Absatz für seine
Producte und — stiess überall — zunächst am Rhein — auf die
Concurrenz seiner ehemaligen Schützlinge, der Holländer. So
entstanden sehr bald kleine Differenzen in den Beziehungen
der beiden Mächte; gegenseitige Handelsimposten oder gar Ver-
bote folgten; aber die alte Freundschaft war doch noch zu fest
begründet, als dass es bei einigem guten Willen nicht gelungen
wäre, sich noch einmal — im Jahre 1662 — in einem beson-
deren Freundschaftsvertrage zu einigen, welcher die anscheinend
widerstreitenden Interessen auszugleichen suchte und in der
That auch bis zum Hinzutritt noch andrer, den König von
-ocr page 11-
POLITISCHE LAGE EUROPAS.                              5
Prankreich tiefer als in seinem Handel verletzender, Momente —
bis zum Jahre 1672 den Frieden erhielt.
England dagegen, welches noch mehr als Frankrich zu seinem
Emporkommen auf den auswärtigen Handel angewiesen war,
geriet sehr früh in Conflict mit seinem ehemaligen Schützling,
welcher nach dem Frieden mit Spanien mächtig emporstrebend
und Ton dem bisherigen Pietätsverhältnisz sich schnell emani-
pirend sogar in siegreichen Kriegen die Ansprüche Englands
auf das dominium maris zurückwies. Auch in dem letzten
Kriege — 1667 — hatte die Holländische Flotte wieder nicht nur
die See behauptet, sondern vielmehr jenen kühnen Zug die
Themse hinauf unternommen, welcher auch diesem Kriege wieder
die entscheidende Wendung zu Gunsten Hollands gab, indem
das noch verbündete Frankreich die andern Feinde desselben
vom Reiche her niedergehalten hatte. Aber eben diese Weltlage
sollte nun auch die Veranlassung zum Bruche der alten Freund-
schaft zwischen Holland und — Frankreich geben.
Frankreich nämlich, welches auf Grund jenes Vertrages von
1662 verpflichtet war, Holland in solchen Fällen der Not zu
Hilfe zu eilen, benutzte die Gelegenheit dieser Hilfeleistung
zum gewaltsamen Erwerb des Restes der Niederlande, welcher
Spanien noch geblieben war, in jenem Devolutionskriege,
welcher die Frage der spanischen Erbschaft, die von nun
an die Europäische Politik mehr als ein halbes Jahrhundert
beschäftigen sollte, in Anregung brachte. Die schnellen und
leichten Erfolge, welche die Franzosen errangen, und die
dazu angethan waren, Frankreich zum Herren der Schelde-und
Maasmündungen und damit zum Nachbaren und gefährlichsten
Handelsrivalen der Holländer zu machen, erweckten natürlich
ein unüberwindliches Misstraun bei den Letzteren gegen ihren
mächtigen und hilfreichen Freund und bewirkten — um diesem
Bundesgenossen nicht noch mehr Anspruch auf Dankbarheit
zu geben — die Beschleunigung des Friedens mit England
zu Breda und demnächst sogar ein Bündniss — jene berühmte
-ocr page 12-
6                       POLITISCHE LAGE EUROPAS VOR DER
Tripelalliance l — mit dieser Macht und Schweden, welche der
öffentlichen Angabe nach — Spanien nötigen sollte, dem Könige
von Frankreich gewisse, Ton demselben früher bezeichnete,
Bedingungen — die sogenannte « Alternative » — zu bewilligen 2,
thatsächlich aber den Französischen Erfolgen Grenzen
setzen sollte. Aber dieses politische Schaukelsystem bekam den
Holländern schlecht. Denn jene angebliche Beeinflussung Spaniens
zu seinen Gunsten empfand König Ludwig sogleich als das,
was es war, nämlich als Hinderung der gewünschten Erweiterung
seiner Grenzen und vor allem Andern als eine ehrverletzende
Bevormundung seines souverainen Willens, welche ihm um
so kränkender war, als sie von denen kam, welche seiner
Meinung nach der eben empfangenen Wohlthaten wegen ihm
nur zur Dankbarkeit und Demut verpflichtet schienen. Sein
königliches Bewusstsein wurde verletzt durch die Einsprache
einer Republik, deren Existenz seine Vorfahren hatten mit-
gründen helfen, und die er selbst so eben noch vor dem
Verderben bewahrt hatte; der alte Groll des absoluten Monarchen
gegen diesen einzigen Freistaat des Continents — den Zufluchtsort
aller Verfolgten; die religiöse Abneigung des allerchristlichsten
Königs gegen den Hort der Reförmirten: alles vereinigte sich
uun zu einem Hass gegen diese ehemaligen Schützlinge Frank-
reichs, welcher durch keine Rücksichten auf alte Freundschaft
mehr vermindert werden konnte. Wie so häufig wurden auch
hier aus den besten Freunden die erbittertsten Feinde. Der
Rachekrieg gegen diese hochmütigen Undankbaren ward be-
schlossen , und König Ludwig ging sogleich daran ihn umfassend
einzuleiten , um mit wenigen Schlägen das nun tödtlich gehasste
Holland für alle Zukunft unschädlich zu machen.
Nichts war nun leichter, als die einzige Allianz, welche
den Holländern, wenn angegriffen, hätte Hilfe bringen können,
1  Januar 1668. —
2  König Ludwig hatte zweierlei Möglichkeiten seiner Befriedigung mit Theilen
der Spanischen Niederlande angegeben, daher: Alternative. —
-ocr page 13-
KATASTROPHE VOM JUNI 1672.
7
zu beseitigen und dieselben dadiirch von vornherein zu isoliren —
die Tripelalliance.
War König Karl von England nur mit dem äussersten
Widerwillen und von augenblicklichen Umständen gezwungen
diese Verbindung mit den hochmütigen Republikanern, seinen
Besiegern, eingegangen, so war es ihm nicht schwer dieselbe
aufzugeben, als sich eine andre bot, welche seinen Neigungen
und seinem Nutzen mehr entsprach; und keine Alliance entsprach
den katholischen und politischen Intentionen des Königs von
England mehr, als die Verbindung mit dem Könige von Frank-
reich. Zum Katholicismus neigend hasste König Karl die refor-
mirten Holländer kaum weniger, als der katholische König
von Frankreich; in seinem Königlichen Stolze verletzt durch
die letzten Siege der Holländischen Flotte und gelockt durch
die Hoffnung, mit Hilfe Frankreichs nun doch diese verhasste
Republik niederzukämpfen und aus ihren Spolien die Englische
Seemacht zur herrschenden zu machen, ging er sehr schnell
auf die Erbietungen Ludwigs ein und einigte sich schon im
Sommer 1670 mit demselben zum Kampf gegen Holland —
den gemeinsamen Schützling ihrer Vorfahren: dieerste Mili-
tairmacht Europas vereinigte sich mit der — nach
Holland — ersten Seemacht gegen die erste Handels-
und Geldmacht der damaligen Welt.
Aber während man es an allen Höfen Europas im Herbst
1670 bereits für eine ausgemachte Sache hielt, dass der Krieg
Frankreichs gegen die Holländer demnächst beginnen werde
und gegenseitige Handelschikane die Feindseligkeiten bereits
einleiteten, während die thätige Französische Politik die Hol-
länder immer mehr isolirte und im November 1671 auch die
dritte Macht der Tripelalliance — Schweden — für sich gewann,
hielt man es im Haag weder für nötig, sich um Bundesgenossen
zu bemühen, noch auch nur selbst kräftig zu rüsten. Der öffent-
liche Geist in Holland, von Parteien zerrissen, konnte sich zu
patriotischer Einigung gegen einen Landesfeind, der noch nicht
-ocr page 14-
8                       POLITISCHE LAGE EUROPAS VON DER
vor den Thoren der Städte war, nicht aufraffen. Während die
«Löwensteinsche Faction» d. h. die kaufmännische Aristokratie
mit de Wit an der Spitze nur die Behauptung ihrer augen-
blicklichen Herrschaft und die Alliance mit Frankreich unter
allen Bedingungen — mit Opfern, sogar um den Preis der
Ehre des Landes im Auge hatte, nur um Frieden und Ruhe
zum Handel zu haben, wollte die Oranische Partei kräftige
Rüstungen, Bündnisse mit dem Kaiser und den deutschen Fürsten
und energisches Auftreten gegen Frankreich — in der Hoff-
nung , bei Gelegenheit der Errichtung einer Armee den jungen
Prinzen von Oranien zum Generalkapitain und schliesslich
zum Statthalter emporzubringen. Beide Parteien bekämpften
sich heftig und hielten sich gegenseitig nieder; aber weder die
eine noch die andre glaubte recht an den Ernst der Lage; sie
konnten in ihrer angebornen kaufmännischen Anschauungsweise
nicht glauben, dass König Ludwig nur aus Rache und nicht
um Eroberungen zu machen Holland angreifen werde, und
hielten es infolgedessen für unmöglich, dass der König von
England sich dazu hergeben könnte, zu seinem eignen Schaden
sich mit Frankreich zu ihrer Niederkämpfung zu verbinden. Und
im Uebrigen theilten die Holländer selbst vor allen Andern die
Meinung Europas von der «Unüberwindlichkeit der Oerter» ,
der Masse und Festigkeit ihrer Festungen, an denen jeder
Feind sich verbluten müsse. Für alle Notfälle aber meinte
man, den Kaiser und die mächtigsten Reichsfürsten immer in
Reserve zu haben, welche, da es auch in ihrem eigensten Interesse
liege, eine Unterjochung der Niederlande nicht zuzugeben,
sich dann schon von selbst als Bundesgenossen erbieten oder
schlimmstenfalls für einige tausend Thaler zu gewinnen sein
würden. Erklärte doch der Ratspensionair de Wit selbst in
seinen « Staatsmaximen » , dass Holland aller Alliancen entbehren
könne! — Unter solchen Umständen und Verhältnissen machten
die Rüstungen der Generalstaaten der drohenden Gefahr ge-
genüber noch äusserst geringe Fortschritte, während die Fran-
-ocr page 15-
KATASTROPHE VOM JUNI 1672,
9
zösische Armee sich bereits in den Ländern des Kurfürsten von
Köln sammelte; und die Unterhandlungen Hollands mit dem
Kurfürsten von Brandenburg kamen nur durch die grosse
Nachgiebigkeit des Kurfürsten und unter dem Eindruck des
schon beginnenden Krieges — im Mai 1672 — zu Stande.
So fast wehrlos dem mächtigsten Feinde gegenüber — denn
auch der Kurfürst hatte seine Armee noch bei weitem nicht
beisammen — erfolgten jene furchtbaren Ereignisse des Juni
1672. In wenigen Tagen durchliefen die Franzosen das schlecht
vertheidigte Land; drei Provinzen waren sogleich verloren;
die übrigen konnten nur durch schnell bewirkte Ueberschwem-
mungen geschützt werden. Und war auch inzwischen die
Holländische Flotte nicht unglücklich gegen die vereinigte
Englisch-Französische, so war die Herrschaft über die See
doch auch dahin; mit Mühe nnd Not erreichte die grade auf
der Fahrt befindliche Indische Flotte der Holländer befreundete —
Spanische Häfen. —
-ocr page 16-
10
Die Zustände in Holland unmittelbar nach den
ersten Niederlagen.
So war denn dieser Handelsstaat, welcher sich durch seine
Betriebsamkeit und seinen Reichtum auch politisch so hoch
erhoben hatte, über alle Erwartung schnell und jämmerlich
zusammengebrochen. In Allem hatte man sich in Holland ge-
täuscht: Das vielgerühmte und für unüberwindlich gehaltene
Festungssystem war den Feinden ein Spott geworden; die
Armee, welche man in den letzten Monaten noch eiligst
zusammengerafft und zur Vertheidigung der festen Plätze in
diese vertheilt hatte, war mit denselben verloren gegangen;
und der König von England, dem man die Verbindung mit
Frankreich gegen Holland als gegen 'sein eigenstes Interesse
nicht zugetraut hatte, hatte noch vor seiner officiellen Kriegs-
erklärung die Staatische Flotte angegriffen! Die eine Hälfte
des Staates, der sich einst achtzig Jahre hindurch ruhmvoll
gegen die furchtbare Macht Spaniens behauptet hatte, war
nun durch einen Feldzug von wenigen Tagen in die Hände
der Feinde geraten; die andre war nur mit genauer Not durch
umfassende Unterwassersetzungen für den Augenblick noch ge-
rettet worden!
Für den Augenblick! Denn da zur Zeit noch kein Helferin
Sicht war, so konnte Niemand die Franzosen hindern, in dem
eroberten Theile des Landes bis zum Winter zu warten, um
dann durch eine Promenade übers Eis auch noch den Rest
mühelos zu erobern: Es kam darauf an, in dieser Galgenfrist
Alles an Alles zu setzen, eine neue Armee aufzustellen, die im
Stande war das Land zu vertheidigen, und Bundes genossen zu
-ocr page 17-
DIE ZUSTÄNDE IN HOLLAND.                        11
gewinnen, welche den Feind vom Römischen Reiche her zum
Abzüge zwingen konnten. 1 — Freilich begriff man diese Lage
sogleich im Haag; aber um die Forderungen der Notwendigkeit
erfüllen zu können, dazu gehörte hauptsächlich — Geld.
Man sollte nun meinen, dass grade hieran die Holländische
Regierung am wenigsten Mangel gelitten habe; allein so leicht
flüssig, wie man glauben sollte, war es doch nicht.
Petrus Valkenier, der wohl unterrichtete Verfasser des im
Jahre 1677 zu Amsterdam erschienenen «Verwirrten Europa» ,
berichtet 2, dass im Jahr 1643 das Einkommen der Staaten
von Holland (Provinz) 11 Millionen oder 110 Tonnen Goldes
betragen habe, ausser dem besonderen Einkommen der Städte
und der andern sechs Provinzen; und das Einkommen der
«Generalität» d. h. des Gesammtstaates belief sich auf 21 Mil-
lionen ausser demjenigen der «Admiralitäts-Herren.» «Wie
sollte — fragt Valkenier — diese Summa seither nicht ver-
grössert worden sein durch die Vielheit der Menschen, des
Kaxvfhandels und der Geldmittel?» Und in der That waren
beim Ausbruch des Krieges 1672 die Schatzkammern der
Generalstaaten wohl gefüllt. «Man rühmte in der Provinz
Holland, dass man ein Kapital von 70 Tonnen Goldes zum
Stichblatt im Vorrat hätte, welche in der äussersten Not
könnten angegriffen werden, ausser den ordentlichen Mitteln,
die bereits in den. Landsrentkammern waren, und aus den
alten gewöhn- und ungewöhnlichen neuen Geldmitteln, näm-
lich aus der Bezahlung und Capital-Geld-Leihung sowohl des
1    Samson: Histoire de Guülaume III. Tome II pg. 324. Die Holl. Deputirten
sagten zu den Kaiserlichen: II ne se sera pas piatot rendu maitre de la Hollande,
qu'il entrera en Allemagne. Si vous voulez prevenir ce malheur, yous n'avez pas de
temps ä perdre. Nous n'avons pas trois mois a subsister si Ton ne häte extraordinai-
rement le seeours que nous demandons. Les eaux qui nous garantissent pour un
temps de l'approche de l'ennemi ne nous sauveront pas toujours. L'hiver venu les
Francois passeront sur les glaces, pour nous attaquer et si nous n'avons pü leur
resister pendant que nos Provinces etaient florissantes, il n'y a gueres d'apparence,
que nous le puissions faire maintenant, qu'elles sont reduites aux abois. —
2    Vallcenier: Verwirrtes Europa pp. Bd. I, Tbl. II, pg. 153. —
2
-ocr page 18-
12                DIE ZUSTÄNDE IN HOLLAND UNMITTELBAR
hundertsten als zweihundertsten Pfennigs, aus der Schätzung
der unbeweglichen Güter und aller gerichtlichen und verpfändeten
Briefe und Obligationen etc. aus dem Ansatz über Kutschen
Wagen Pferde und Scheuten, von Weggeld und dergleichen
mehr, wie auch von den Rentnern, von welchen man grosse
Summen Geldes erhandelte und wegen der in Verwahrung ge-
gebenen Güter (ä deposito) aufnahm auf Kosten der Generalität,
einer jeden Provinz ins besondere und fast aller Städte. Ver-
schiedene Provinzen und Städte nahmen viel Gelds auf Leibrenten
von den Bürgern in Holland und- fürnehmlich in Amsterdam.
Die Staaten von Holland zur Erleichterung des Einkaufs der
Leibrenten gaben kraft eines Mandats den Fürstehern des
Waisenhauses die Freiheit, dass sie Leibrenten auf das Land
für der Waisen Güter kaufen möchten, welches sie sonsten
von Rechtswegen nicht thun durften. Sie befohlen gleichfalls
durch ein Mandat, dass das Land fünf für Hundert gemessen
oder einen Stüber von einem jeden Gulden der unfesten Renten
und Gefällen der Kapitalien zurück halten sollte.» 1
Mit dem rapiden Verlust der Hälfte des Landes in der ersten
Hälfte des Juni veränderten sich diese glänzenden Finanz-
verhältnisse sogleich in ihr Gegentheil. Die unermesslichen
Einkünfte, welche die Holländische Regierung aus dem Welt-
handel zog, waren nun plötzlich und gänzlich — zu Lande
durch die Franzosen, den Kurfürsten von Köln und den Bischof
von Münster, zur See durch die Englisch-Französische Flotte
brachgelegt worden. Aus dem Lande selbst kamen keine Intraden
ein, da die eine Hälfte vom Feinde und ein grosser Theil der
andern unter Wasser gesetzt war. Die Grundsteuer, welche
sonst bedeutende Erträge einbrachte, blieb gänzlich aus 2;
1  Valkenier: a. a. 0. pg. 162. —
2  Eel. des lis. u. Krampr. d. d. Haag, den 21 Juli 1672: Ula autem jam Don
terra est amplius sed in undas conrersa, ita nt ex contributionibus, qnas juxta
singula terrarum jugera priratis, qaibusque indieta faerant, ex quibus magna vis
pecunia influere poterat in aerarium, nihil amplius percipi possit. Commercium
Tero maritimum penitus interclusum. — Samson IV pg. 25. —
-ocr page 19-
NACH DEN ERSTEN NIEDERLAGEN.                        43
und die Luxussteuern fielen bei den furchtbaren Verlusten,
welche grade die Vermögenden zu erleiden hatten, von selbst
hinweg. Jedermann in Holland war vor Schrecken sprach-und
ratlos. «Die Handwerke stunden still; die Winkel-und Krämer-
Laden waren zugethan; die Gerichtsbänke geschlossen; die
Akademien und Schulen feierten.» «Ihrer Viele sandten ihre
Weiber und Kinder mit ihren besten Schätzen nach England,
Braband, Dänemark, Hamburg, Bremen, Emden, ja nach
Prankreich selbst; ihrer Viele vergruben ihre Schätze in den
Kellern, Brunnen und Gärten; Andre vermauerten sie etc.» 1
Die Land-Rente-Kammern waren schon nach den ersten Kriegs-
wochen gänzlich erschöpft. 2 Bereits Ende Juni schlug de
Groot vor, da man kein Silber mehr habe, die Truppen zu
bezahlen, Papiergeld zu einem bestimmten Course auszugeben,
wie man es einst in Nimwegen gemacht habe! 3 Zwar ver-
suchte man es zur sofortigen Deckung der dringendsten Be-
dürfnisse noch einmal mit den Leibrenten, welche man zu
bisher ungewöhnlichen Vorteilen anbot 4, und in der That
wurden grosse Summen auf diese Weise erhoben; aber auch
das sollte nichts helfen, denn man brachte nur ungeprägtes
Metall nämlich die durch den unglücklichen Krieg entwerteten
silbernen und goldnen Luxusartikel herbei. «Die Massa des
ungemünzten Silbers und Golds trug man in Amsterdam mit
grosser Menge für die gemeldte Capital-Lehnung herbei, wo-
selbst Gold und Silber so hoch über den angesetzten Wert
angenommen wurde, dass die Leute mehr als den Arbeitslohn
daran zum Vortheil hatten, um dessen Nutzen willen viele
Leute, die kein gearbeitetes Gold und Silber hatten, sotaniges
für baar Geld an sich kauften und mit Nutzen in banco
brachten.» 6 In Amsterdam selbst war keine Münze; und der
1  Valkenier pg. 341. —
2  Ebda. pg. 374. —
3  Basnage: Annales des Provinces Unies. Tom. II. pg. 249. —
* Valkenier pg. 375. — Sylvius: Historien onses tijds pg. 380. —
5 Valkenier a. a. 0. pg. 375. —
-ocr page 20-
14                 DIE ZUSTÄNDE IN HOLLAND UNMITTELBAR
Weg zu den nächsten in Dordreckt und Hoorn war theils der
Feinde, theils der rebellirenden Bürger und Bauern wegen
unsicher. Eine neue Münze musste erst gebaut werden.
Die klassificirte Einkommensteuer, welche der Ratspensionair
Ton Holland in der Versammlung der Staaten vorschlug,
erfuhr sogleich solchen allgemeinen Widerspruch, dass der
Antragsteller seinen Vorschlag nach wenigen Tagen schon selbst
zurückzog und nicht mehr davon sprach. Andre Finanzpläne
erwiesen sich als ebenso chimärisch oder unausführbar. 1
So blieb denn zur Bestreitung aller der ungeheuren Ausgaben,
welche die Vertheidigung des Landes und die Erkaufung der
Bundesgenossen augenblicklich erforderten — 10 Millionen
Florenen monatlich 2 —■ nichts als — der Credit.
Aber bei wem konnte die nun halb verlorne erste Geldmacht
Europas in ihrer äussersten Not Geld leihen? Der Londoner
Geldmarkt war durch den Krieg verschlossen; die bedeutenderen
Hansestädte im Reiche und die Italienischen Handels-Republiken
würden — wenn sie überhaupt erkleckliche Summen hätten auf-
bringen können — dieselben im Hinblick auf die verzweifelte
Lage der Schuldner nur zu unerschwinglichen Zinsen hergegeben
haben: Es war ein Glück für Holland, dass Geld im eignen
Lande noch in Masse bei Privaten vorhanden war. Ungeheure
Kapitalien mussten infolge des unmöglich gewordenen Waaren-
handels unthätig bei den grossen Kaufleuten daliegen. s Es han-
1 Nach Wicquefort: Histoire des Provinces Unies IV. pg. 456 (Ausgabe von Chais van
Buren, Amsterdam 1874) berechnete man den Ertrag dieser Steuer auf jährlich
32.850.000 * ohne die Summen, welche man von den Indischen Compaguien
ziehen zu können glaubte. Mais comme c'estoit une affaire de longue discussion ,
dont les suppositions n'estoient pas infaillibles, et que le Conseiller Pensionnaire,
qui estoit celui de toute la Province, qui entendoit le mieux ses fnances, sortit
de son employ quelques jours apres, il n'en fut plus parle cette annee non plus
que de plusieurs propositions chimeriques, que quelques visionaires firenten cetemps.—
2    Hollandsche Mercurius von 1672 pg. 2)6. —
3    Valkenier a. a. O. pg. 153: „Gesetzt, dass dieses jährliche Einkommen (der
Generalstaaten) zur Vertheidigung nicht genug sein sollte, was für grosse Geldsummen
könnte man nicht haben aus den Mitteln der besonderen Kaufleute, welche an
-ocr page 21-
45
NACH DEN ERSTEN NIEDERLAGEN
delte sich, mir darum, auf welche Weise dieselben'flüssig zu
machen waren.
Es lag wohl im Interesse nicht nur eines jeden Holländischen
Patrioten im Allgemeinen, sondern auch jedes Kaufmannes im
Besonderen, den halb verlorenen Staat wieder in eine Verfas-
sung zu bringen, in der man leben konnte. Es war klar, dass,
wenn man den Staat jetzt im Stiche liess, man sich selbst
aufgab. So war denn auch die Form für die Flüssigmachung
des Geldes sehr bald gefunden: Hatte der Staat vordem die
« Obligationen» vielleicht mehr aus Gründen der Bequemlich-
keit ausgestellt, so lag es nahe, diese Form der Geldaufnahme
nun aus Notwendigkeit anzuwenden; und andrerseits — hatte
jeder Kaufmann das Interesse, sein Geld, welches er zur Zeit
für den Handel nicht verwenden konnte, wenigstens auf massige
Zinsen anzulegen: Patriotismus und Interesse verbanden sich,
dem Staate die notwendigen Geldsummen zu verschaffen. Die
Obligationen wurden das Bindemittel zwischen Volk
und Begierung, für das Land wieder eine ge-
deihliche Zukunft herbeizuführen. —
Vorerst war es freilich überaus schwierig, den Wert der
vom Staat gebotenen Schuldscheine auch nur mit entferntester
Sicherheit zu bestimmen. „Die Obligationes, welche auf dem
Lande lagen, kamen1 —■ Anfang Juli 1672 — auf 30 pro
Cento, ja auf eine geringere Summe; die Ost-Indische Brief-
schaften, welche zuvor für 572 Gulden verkauft waren, wurden
feil geboten für 250 Gulden oder 100 Reichsthaler; das Bank-
geld, welches zuvor 5 pro Cento oft mehr galt als das Cassa-
Geld, wurde nun 4 a 5 pro Cento geringer verkauft, als das
Reichtum und Vielheit keinem Lande in der "Welt weichen ? Wann die Schätze der
Gebühr nach und fruchtbarlich angewandt würden, was sollte man nicht damit
ausrichten können zur Beschützung der Kirche Gottes und der Freiheit?" — Der
HoUandsche Mercurius von 1673 pag. 5 berichtet, dass in Holland (Provinz) allein
65500 Kapitalisten waren „in der Staten Quohieren geschat ad 3, 4, 6, 10, 20
en 80.000 Gulden." —
1 Valkenier a. a. O. pg. 341, —
-ocr page 22-
16               DIE ZUSTÄNDE IN HOLLAND UNMITTELBAR
Cassa-Geld" etc. „Auf eine fliegende Zeitung, wie nämlich der
Prinz von Orange mit einigen Tausend Mann in Utrecht gezogen
wäre 1, um die Stadt aufs äusserste zu defendiren, die Bürger
daselbst auch anzufrischen und die Ausgewichene wieder herbei-
zurufen bei Verlust ihres Bürgerrechtes und Confiscation aller
ihrer Güter, veränderte sich die Bestürzung in Holland an
einigen Orten so geschwind, dass die Land-Obligationes wieder
auf 92 bis 93, die Ost-Indischen auf 340 und das Bankgeld
auf 2 pro Cento gesetzet wurden, welches nicht länger währte,
bis die Unwahrheit des gemeldten Gerüchts zum Vorschein
kam. Denn hierauf veränderte sich die gemeine Herzhaftigkeit
wieder in einen solchen allgemeinen Schrecken, dass beinahe
Niemand davon frei blieb, als nur einige Römischgesinnte,
welche dem König von Frankreich als ihrem Heiland entgegen
sahen." 2 Wer konnte nach dem über alle Beschreibung
schimpflichen Zusammenbruche des Staates sagen, ob derselbe
überhaupt noch einmal im Stande sein werde, aus dieser tief-
sten Not aufzutauchen; und wenn das, ob er den Frieden
nicht mit so furchtbaren Bedingungen würde erkaufen müssen,
dass eine Ordnimg der Finanzen resp. die Einlösung der aus-
gegebenen Obligationen vielleicht für alle Zeiten unmöglich
gemacht wurde ? 8 Unter den Friedensbedingungen, welche der
König von Frankreich Ende Juni den Holländern zukommen
Hess, war gleich die erste eine den Indischen Handel 4 — die
Hauptquelle ihres Reichtums — beschränkende! Und dazu die
Belastung des Staates mit 30 Millionen Schulden für Kriegs-
1  Der Prinz erschien am Jrf Juni 1672 vor Utrecht. S. Sylvius. pg. 258. —
2  Valkenier : pg. 341. —
3   Sylvias: Historien onses tijds etc. pg. 310: „Andere hun gout en silver
huys-gerigt versmolten, hun . Juweelen ik weet-niet waar wech-sommelden, hun
brieven en obligatien (eijlaas! siechte versekeringen in een verlooren
staat!) verstaken , overdroegen en voor een kleijn geld verkochten" etc. —
4    In Frankreich hatte man bereits 1664 eine Französisch-Ostindische Compagnie
zur Concurrenz der Holländischen gegründet. —
-ocr page 23-
17
NACH DEN ERSTEN NIEDERLAGEN,
contributionen! — Betrachtungen welche sich einem Jeden trotz
aller patriotischen Opferwilligkeit sogleich aufdrängen mussten.
Der Wert der Staats-Obligationen hing also offenbar von dem
Vertrauen ab, welches die Käufer derselben auf die Zukunft
des Staates setzten; und da eine gedeihliche Zukunft nur durch
erfolgreiche Verteidigung des Landes und Erwerbung mächtiger
Bundesgenossen vorbereitet und erworben werden konnte, so
bestimmten den Wert der Obligationen nunmehr — die
Kriegsereignisse und die Europäische Politik. —
Hiermit verschob sich die Grundlage für die Wertbestim-
mung dieser Staatsschuldscheine durchaus. — War der Wert
derselben vordem allein auf die eigne Kraft des Staates und
auf die von allen Seiten nach Holland strömenden Reichtümer
gegründet gewesen, so war diese Grundlage jetzt nach Ver-
nichtung aller Intraden auf ganz andre ausser dem Bereiche
eigner Macht liegende unberechenbare und durchaus unsichre
Momente übergegangen: Ein Sinken und Schwanken des Wertes
der Obligationen musste die notwendige Folge hiervon sein.
Die Kaufleute konnten ihr Vertrauen auf die Zukunft des
Staates nur aus dem schöpfen, was sie hörten und sahen —
aus den Berichten vom Kriegsschauplatz und aus dem, was
über den Gang der Europäischen Politik von Mitgliedern der
Regierung selbst oder sonst gerüchtsweise zu ihren Ohren drang.
Gingen die Krisgsereignisse gut von Statten, und zeigten sich
mächtige Bundesgenossen bereit den niedergeworfenen Staat kräftig
zu unterstützen, war infolgedessen ein baldiger und günstiger
Friede zu erwarten, so schien auch die Einlösung der Staats-
schuldscheine ausser Frage gestellt zu werden, und — sie mussten
an Wert steigen. Kamen dagegen ungünstige Nachrichten vom
Kriegsschauplatze, zögerten die Mächte sich mit Holland zu ver-
binden , so erschien die Zukunft dunkel und unberechenbar,
Schulden häuften sich auf Schulden bei aussichtsloser Fortsetzung
des Krieges, und — der Wert der Obligationen musste sinken.
Falsche Gerüchte, persönliche Meinungen, und Vermutungen
-ocr page 24-
18                             DIE ZUSTÄNDE IN HOLLAND.
mussten unter solchen Umständen und in solcher Zeit allge-
meiner Aufregung dieselbe Wirkung auf den Einzelnen
ausüben, als die Thatsachen selbst; denn wer konnte sie
sogleich widerlegen? 1 Hatte der Handel mit den Aktien
der Indischen Compagnien bereits gelehrt, welche Momente
und Combinationen das Steigen und Fallen ihres Wertes be-
stimmen konnten, so brauchte man diese Erfahrungen unter
freilich ganz anderen Voraussetzungen hier nur zu verwerten,
nur dass die Momente dringender und schneller wechselnd
waren und auch schnellere Entschlüsse erheischten. Und wie
die Dinge in Holland einmal lagen, rausste grade das Schwan-
ken des Wertes der Staatsschuldscheine einen lebhaften Kauf
und Verkauf derselben erzeugen — einen Handel, welcher
in Ermangelung jedes Waarenhandels für den Augenblick
durchaus in den Vordergrund treten musste. —
1 Lisola au den Kaiser, d. d. Haag, den 26 Dec. 1672: Iste enim mundus
regitur opinionibus et facile minimus eventus eitollitur aut dejicitur. —
-ocr page 25-
19
Amsterdam, der Mittelpunkt des Europäischen
Geldmarktes.
Es machte sich nun ganz von selbst, dass Amsterdam der
ausschliessliche Sitz dieses Geldhandels wurde. Der kaiserliche
Gesandte Lisola nannte in seinen Relationen diese Stadt das
„primum mobile" der Provinz Holland, dem „Herzen" der
Vereinigten Niederlande, und er hatte nicht Unrecht; es
war die reichste Stadt des nördlichen Europa. Von den 69 %>
welche die Provinz Holland als Quote zu den Gesammtlasten
des Staates beizutragen hatte, trug Amsterdam allein fast
die Hälfte *, d. h. soviel als die übrigen drei von den
Feinden nicht besetzten Provinzen zusammengenommen. Hatte
Antwerpen im Jahre 1583 die erste Bank im nördlichen
Europa gegründet, so legte Amsterdam im Jahre 1608 den
Grundstein zur „Börse" und gründete im folgenden Jahre
eine Bank nach dem Muster der Venetianischen. Alle nur
denkbaren Geschäfte des Welthandels wurden auf der „Börse"
verhandelt und geschlossen. Easch blühte sie empor; und
obwol sehr bald verschiedene Zweige des Handels — so die
Schifferbörse und die Kornbörse — sich abtrennten, musste
sie bereits nach fünfzigjährigem Bestehen — 1669 — wieder
bedeutend erweitert werden. Im Jahre 1672 war die Börse
von Amsterdam die berühmteste und grösste der damaligen
Welt.
Es konnte ferner nicht fehlen, dass Amsterdam als mäch-
tigste und leistungsfähigste Stadt nun auch der Mittelpunkt
aller Widerstandsmassregeln gegen die Feinde wurde. Schon
1 las. in s. Bei. v. 28 Juli 1672. —
-ocr page 26-
20                   AMSTERDAM, DER MITTELPUNKT DES
Mitte Juni hatte man es für geraten gehalten, den «Stuhl des
Krieges» nach Amsterdam zu verlegen; die öffentlichen Kassen
wurden dahin gebracht und man beschloss, auch die Staaten von
Holland und West-Priesland daselbst tagen zu lassen x: Bei
dem entscheidenden Übergewicht, welches diese beiden Pro-
vinzen über alle andern hatten, war damit der Schwerpunkt
des Staates nach Amsterdam verlegt. Alle Fäden des Krieges
und der Politik kamen hier zusammen; und da Amsterdam
als erster Handelsplatz natürlich auch die besten Verbindungen
und Cominunicationen mit aller Welt hatte, so waren hier alle
Nachrichten von ausserhalb zuerst bekannt — ein Fundament
für den Handel mit Aktien, welcher auf die Entwicklung
der militärischen und politischen Vorgänge in Europa basirt
war. Bei dem ungeheuren Umsatz, welcher sich im Waaren-
handel in Amsterdam vollzog, war man gewohnt, hier die
höchsten Preise zu erzielen: das übertrug sich sogleich auch
auf den Handel mit den Obligationen; die Coursberichte des
kaiserlichen Gesandten Lisola und die aller andern Interes-
senten bezogen sich als selbstverständlich nur auf Amsterdam.
Freilich musste ein Krieg und noch dazu ein so unglück-
licher eine solche Stadt, deren Existenz und Reichtum allein
auf dem ungestörten Handel beruhte, am allerschwersten treffen;
und wie überall in Holland, gab man sich nach den Ereignissen
des Juni im ersten Augenblick auch in Amsterdam verloren.
Nach der Eroberung Utrechts durch die Franzosen hielt man
die Einnahme von Amsterdam nur noch für eine Frage der
Zeit. Die Kaufleute drängten sich zur Bank, um ihre dort
deponirten Gelder zu erheben, und zwar „in solcher Menge,
dass ihnen zugleich nicht konnte geholfen werden; unerachtet
sie Alle vor der Hand ihre Bezahlung erhielten, die sich am
ersten angaben, welches eine solche Furcht in den übrigen
erweckte, dass sie ihre Banco-Gelder lieber für 95 a 96 Cassa-
1 Valkenier pg. 236.
-ocr page 27-
21.
EUROPÄISCHEN GELDMARKTES.
Gelder pro Cento verkaufen, als der Gefahr einer gänzlichen
Veränderung und Verlustes abwarten wollten." 1 Was die
Vergangenheit gebracht und nicht in baaren Effecten bestand,
gab man verloren; denn wer konnte sagen, dass aus diesem
Chaos des staatlichen Zusammenbruchs noch je einmal wieder
geordnete Verhältnisse werden würden: Bank und Börse in
Amsterdam waren für den Augenblick gesprengt, und — die
bisher in Cours befindlichen Staatsobligationen waren
völlig entwertet; kein Mensch wollte auch nur den
geringsten Preis dafür bieten. 2 (Mitte Juli).
Aber man kam in Amsterdam auch am ersten wieder zur
Besinnung, als das Rollen des Unglücks nur einigermassen
ins Stocken kam.
Schon Ende Juni redeten die Deputirten von Amsterdam in
der Versammlung der Staaten von Holland „sehr grossmütig,
dass es nämlich eine Pflicht wäre der überwundnen Menschen
Gesetz zu empfangen von den Ueberwindern, worunter sie sich
noch nicht rechnen könnten; und sofern man dafür hielt,
dass es soweit kommen wäre, alsdann würde das Beste sein,
Alles zu übergeben, welches man nun zu thun gesinnet, wie
es schien, wozu sie keine Gewalt hätten zu resolviren, sondern
müssten es zuvor ihren Principalen hinterbringen." Anfang
Juli sprach der Bürgermeister Gilles Valkenier, „der in allem
Glück und Unglück unveränderlich ist und alle Zufälle mit
Bedacht und reiflich beherziget," in den Generalstaaten seinen
gebeugten Landsleuten in dreiviertelstündiger Rede Mut zu.
Er erinnerte sie daran, dass ihre Voreltern ihre Freiheit ver-
mittelst eines achtzigjährigen Krieges erstritten und mit ihrem
eigenen Blute versiegelt hätten. Er erinnerte daran, wie die
einzige Stadt Danzig das grosse Polnische Reich, Kopenhagen
das Königreich Dänemark und Norwegen aus der Gewalt ihrer
1  Valkenier pg. 341. •— L'Espine a. a. 0. pg. 59. ■—
2  Lis. an d. kais. Minister Hocher d. d. Haag, den 24 Nov. 1672. —
-ocr page 28-
22                 . AMSTERDAM, DER MITTELPUNKT DES
Feinde gerettet hätten, und wie Hamburg mitten unter Feinden
und Missgönnern sich selbst eine geraume Zeit geschützet und
noch nicht gesinnet sei, Gesetze von Jemand anzunehmen.
Er sprach die Erwartung aus, dass die Bürger von Amsterdam
sich lieber auf ihren Wällen sollen in Stücken hauen lassen,
„ um mit solcher Ehre nach ihrem Tod noch zu triumphiren,
als eine Dienstbarkeit anzunehmen, dergleichen ihnen vor diesem
nicht bewusst gewesen war. " * Die Deputirten von Amsterdam
protestirten gegen die Friedenssendung zu den beiden Königen
mit so kräftiger Rede, „ dass die Meisten in der Versammlung
stumm, und welche ihren Willen zu der Gesandtschaft gegeben
hatten, schamroth wurden;" sie wünschten, ,,dass eine solche
Resolution niemals den Staatsgliedern in die Gedanken möchte
kommen sein." 2 Schanzen, Mauern, Forteressen, Wallgräben
wurden in Stand gesetzt; die Wachen wurden verdoppelt; Jeder
bot seine Dienste dazu an; Jeder wollte der Erste, Keiner der
Letzte sein. Alle Franzosen wurden aus der Stadt geschafft;
Ordnung und Disciplin auf das Strengste gehandhabt. Und
inzwischen hatten die überschemmten Wege und Felder dem
Feinde Halt geboten; der schnelle Lauf der Eroberung hatte sein
Ende erreicht; und da der Feind auch trotz aller Bemühungen
nicht weiter konnte, so begann man bald in Holland sich
hinter dem Wasser sicher zu fühlen. Die Inundationen wurden
nun systematisch vollendet und damit die Möglichkeit geschaffen,
Massregeln zu energischer Vertheidigung nach allen Seiten zu
treffen. Man erhielt Zeit zum Athemholen und zur Ueberlegung;
und indem man sich wieder sammelte, kamen auch wieder
bessere Nachrichten. Man hörte, dass die Feinde durch Krank-
heiten abnahmen und ihre geschlossene Macht, mit welcher sie bis-
her die einzelnen Heerhaufen der Holländer leicht auseinander
gesprengt, durch die Besetzung so vieler eroberter Orte zersplit-
i Valkenier pg. 346, 347. —
2 Ebda pg. 347, 350.—
-ocr page 29-
23
EUROPAISCHEN GELDMARKTES.
tert und dadurch leichter angreifbar gemacht hatten; auch dass
sie trotz ihrer leichten Siege durch die Kämpfe nicht wenig
gelitten. Manche Plätze hatten sich ruhmvoll vertheidigt; von
andern — wie von Ardenburg in Flandern — waren die
Franzosen sogar blutig abgewiesen worden. Das Alles hob den
gesunkenen Mut wieder etwas, welcher durch die kleinen
militairischen Erfolge des bald zum Statthalter erwählten jungen
Prinzen Wilhelm von Oranien nicht wenig gesteigert wurde.
Eine Stadt nach der andern beschloss, dem Beispiele Amster-
dams folgend, sich bis aufs Ausserste zu vertheidigen. Schon
Ende Juni verlautete, 1 dass der Kurfürst von Brandenburg
seinen Tractat mit dem Kaiser vollzogen habe, bereits im
Anzüge auf Holland sei und sich binnen Kurzem eine Armee
von 50.000 Mann an der Holländischen Grenze sammeln
werde. Und in der That kam der Brandenburgische Oberstall-
meister Pöllnitz Mitte Juli in das Lager des Prinzen, um das
Zusammenwirken der Kriegsoperationen sicher zu stellen. Der
Statthalter der Spanischen Niederlande, Graf Monterey, besetzte
auf eigne Hand nicht nur die nächstgelegnen Plätze der Holländer
und ermöglichte ihnen damit die Verstärkung ihrer Feldarmee,
sondern überliess ihnen sogar ausserdem noch heimlicher Weise
5000 Mann ausgezeichneter Truppen.2 Und von der See kamen
noch bessere Nachrichten! Die Flotte der Holländer hatte
ruhmvollen Widerstand geleistet gegen die vereinigten Flotten
der Gegner und suchte den Feind wieder auf, während die
Englische , von Stürmen schwer geschädigt, bereits Ende Juli
nach der Heimat zurückkehren musste und von der Französischen
überhaupt nichts mehr zu sehen war. Die Indienfahrer der
Holländer mit einer Fracht von im Werte fünfzehn Millionen,
für welche man in Amsterdam schon sehr gefürchtet hatte,
waren bei Zeiten gewarnt worden und hatten vor Englischen
1    Bei. des Kais. Residenten Krampricht im Haag d, d. Haag, den 27 Juni 1672. —
2    Krampr. d. d. Haag, den 4 Juli 1672. —
-ocr page 30-
24
AMSTERDAM, DER MITTELPUNKT DES
Gelüsten Sicherung in Spanischen Häfen gefunden. Die Ge-
sandten der auswärtigen Mächte — vor Allen der kaiserliche
Gesandte Lisola x — ermutigten Regierung und Volk zum
energischen Widerstände mit dem Hinweis auf die Geneigtheit
ihrer Fürsten zur Bekämpfung der Französischen Uebermacht;
und die furchtbaren Bedingungen der beiden Könige, mit
welchen sie die Friedensanträge der Holländer beantworteten,
erweckten in Holland den Mut der Verzweiflung: Alles erklärte
sich nun gegen die Erkaufung des Friedens durch so furchtbare
Opfer. Als ächte Kaufleute berechneten die Holländer sogleich,
dass die 30 Millionen Kriegscontributionen, welche sie an die
beiden Könige zahlen sollten, wären d'autant plus onereuses,
que cette somme surpasse peut-etre tont l'argent comptant,
qui est dans l'Etat. 2 Man wies diese Forderungen nicht nur
zurück und erklärte, lieber Gut und Blut aufzusetzen, als sich
über Religion, Libertät und die Form der Regierung mit den
Feinden in Tractat einzulassen, sondern man zog nun sogar
die Mitglieder jener Friedensdeputationen und deren Urheber
zur Rechenschaft. Man rechnete ferner auf die baldige Trennung
der beiden Könige, von denen König Ludwig bisher allen
Ruhm und Vorteil, König Kar] dagegen — auch die Englischen
Landtruppen hatten Anfang August das Festland in völlig
desolatem Zustande verlassen müssen — nur Schande und
Schaden davongetragen hatte. Man meinte in Holland, da nun
die dem König Karl von England feindliche «Barnefeldsche
Faction» beseitigt, und sein Neffe, der Prinz von Oranien,
zum Statthalter der Niederlande ernannt worden war, so falle
damit auch der Vorwand zum Kriege für England hinweg,
über welchen ihrer furchtbaren Verluste wegen der Unwille der
Englischen Nation ohnehin immer lauter sich Luft machte! —
1   Siehe hierüber meine Schrift: Der Kaiserliehe Gesandte Franz yon lisola im
Haag 1672—1673 im Bd. LI des Archivs für Osterreich. Geschichte. "Wien 1873. —
2  Samson a. a. 0. III. pg. 306. —
-ocr page 31-
25
EUROPÄISCHEN GELDMARKTES.
So hatte man sich Anfang August in Holland endlich selbst
wiedergefunden, und eine moralische und zum Theil auch
materielle Grundlage für weiteres Handeln erlangt; aber war
damit auch das ganze Vertrauen und die Sicherheit wiederge-
wonnen , dass die Zukunft die Schäden der letzten Vergangenheit
nur einigermassen ersetzen werde ? —
-ocr page 32-
26
Der Credit der Holländischen Begierung. Wieder-
incourssetzung der Staats-Schuldscheine.
So tröstlich es schien, dass dem fortschreitenden Verderben
. Einhalt gethan war, so konnte sich doch Niemand in Holland
verhehlen, dass alle jene Ereignisse und Umstände, welche die
Hoffnung auf eine mögliche Herbeiführung einer besseren Zu-
kunft wiederum erweckt hatten, fast ausschliesslich mehr dem
Zufall, als der eignen Thatkraft zu danken gewesen waren.
Die Begierung, die nach den ersten Unglücksschlägen Allen
voran den Mut verloren hatte, hatte darauf nichts eiligeres zu
thun gehabt, als noch Ende Juni Deputationen an die beiden
feindlichen Könige zu schicken, um in tiefster Demut von ihnen
den Frieden zu erflehen. Dass diese Demut noch nicht notwendig
gewesen war, musste ihr nur den letzten Kest von Ansehn
rauben. Der kaiserliche Gresandte Lisola, welcher im Juli mit
der Holländischen Begierung über einen Vertrag verhandelte,
vermöge dessen der Kaiser gegen die Stellung einer Hilfsarmee
bestimmte Subsidienzahlungen erhalten sollte, sprach in den
Belationen an seine Begierung selbst die Befürchtung aus, dass
der Holländischen Begierung weniger der Wille als die Fähig-
keit fehlen werde, pecuniäre Verpflichtungen einzugehen, —
aus Mangel an Credit bei den Kaufleuten. J Dazu kam,
1 Kel. lis. V. Haag, den 21 Juli 1672: et quod pessimum est, fides
Statuum apud negotiatores pro mutuis summis emu ngendis ita
vacillat, ut nemo ipsis pecuniam eredere velit, tum quod res videant
mutantes, tum quod rempublicam credant dolose vel saltem inconsulto a nonnullis
administratam etc. etc., sed veremur, ut ne potestas magis quam voluntas deficiat.
etc. etc. —
-ocr page 33-
DER CREDIT DER HOLLÄNDISCHEN REGIERUNG.            27
dass die Erwartungen auf den Umschwung der Dinge sich nicht
so schnell erfüllten, wie man in Holland wünschte und glaubte:
England trennte sich noch keinesweges von Prankreich, sondern
verband sich im Gegentheil — am 16 Juli zu Heswick —
noch einmal und enger mit dieser Macht. Und die Hilfsarmee
vom Reiche her begann kaum sich zu sammeln! So musste
es in Holland noch immer Pessimisten genug geben, welche
jede Hilfe für zu spät und jeden Widerstand für nutzlos hielten.
Ein gewisses Vertrauen zur Regierung und die feste Absicht
sie energisch zu iznterstützen konnte also trotz aller zum Aus-
harren anreizender Umstände als notwendige Vorbedingung
für eine Wendung zum Besseren sich doch erst dann wieder-
einfinden, wann dieselbe Erfolge aufzuweisen hatte, welche
allein ihrer Energie und Umsicht zu danken waren. Denn war
die Regierung der beiden de Wit — im Juli 1672 — auch
beseitigt worden und damit ein grosser Stein des Anstosses
und des Misstrauns verschwunden, so hatte die neue Regierung
des Prinzen Wilhelm von Oranien doch vorerst auch noch
ihre Tüchtigkeit zu zeigen; und die Sympathie, welche man
dem Prinzen entgegen brachte, erleichterte diesem allerdings
seine schwierige Aufgabe, konnte aber die eben gemachten schlim-
men Erfahrungen natürlich nicht sogleich vergessen lassen.
Der Prinz fühlte dies sehr wohl und begründete in einer
Conferenz, welche er am 29. August mit den Gesandten der
befreundeten Mächte abhielt, seinen Wunsch auf kräftige Un-
terstützung seitens der Bundesgenossen vorzüglich damit, dass
die Regierung, wenn die Lage Hollands sich nicht
wenigstens um eine Kleinigkeit bessere, aus Mangel
an Kredit allein die allerseits gewünschten Verpflichtungen
nicht werde eingehen können: Geschähe nur etwas, so
werde Kredit und Geld nicht fehlen. 1
1 Rel. Dis. Ton 1 Sept. 1672: princeps subjunxit, Hollandos quidem omnino
pecunia destitutos, donec res tantisper restitueretur, tunc enim non defuturum ipsis
fidem apud negotiatores, etc. etc. —
3
-ocr page 34-
28            DER CREDIT DER HOLLÄNDISCHEN REGIERUNG.
Und es geschah in der That etwas! Mitte August tauchte
im Haag das Gerücht auf, Tureune werde mit seiner ganzen
Armee über Graef in die Klevischen Lande des Kurfürsten von
Brandenburg ziehen, um dort die aus dem Reiche herankom-
menden Hilfsvölker zu observiren. * Man klammerte sich an
diesen Strohhalm von Hoffnung und glaubte dem Gerücht,
weil man es so wünschte. Man versprach sich hiervon nicht
nur eine unmittelbare Erleichterung aller Provinzen von der
Kriegsnot, sondern man meinte auch, dieser Zug Turennes
über den Rhein sei ein so unzweifelhafter Bruch des Reichs-
friedens , dass Kaiser und Reich auch gegen ihren eignen Willen
nicht mehr würden umhin können, nun auch ihrerseits den
Krieg an Frankreich zu erklären. Man war in Holland voller
Erwartung.
Und wirklich zog Turenne seine Armee in Holland zusammen,
marschirte ab und überschritt am 9. September den Rhein, um
bei Wesel zu lagern und die vom Reiche her anziehenden Armeen
des Kurfürsten von Brandenburg und des Kaisers zu beobachten:
Diese Erleichterung des bedrängten Landes war nun freilich ein
fühlbares und unleugbares Resultat der Regierungspolitik,2 welche
es verstanden hatte, Bundesgenossen zu erwerben, bei deren erster
Bewegung die Feinde sich veranlasst fühlten, das Land zu
räumen! Und zu weiterer Anfrischung kam grade jetzt die
Zeitung, dass auch der Traktat mit den Lüneburgischen Her-
zögen abgeschlossen worden sei, laut dessen dieselben sich ver-
pflichteten, 10.000 Mann Hilfsvölker für Holland zu stellen.
Die Wendung des bisher so unglücklich geführten Krieges zum
Besseren schien nun gekommen zu sein. Man sah wieder freier
in die Zukunft; man gewann einige Zuversicht auf den weiteren
1  Rel. Kramprichts d. d. Haag den 15 Aug. 1672. —
2  Die Gewinnung des Knrf. v. Brand, war allerdings noch das Verdienst der früheren
Regierung; aber die Gewinnung des Kaisers, durch welche auch die Hilfe des
Kurfürsten erst thatkräftig wurde, war der Regierung des Prinzen zu danken
gewesen. —
-ocr page 35-
WIEDERINCOURSSETZUNG DER STAATS-SCHULDSCHEINE. 29
Erfolg der Verteidigung, und — was die Hauptsache war —
einiges Vertrauen auf die Leitung der Eegierung fand sich
wieder ein. So wagten denn unter dem Eindruck solcher Nach-
richten und Aussichten einzelne Kaufleute — Anfang September
1672 — den durch die bisherigen Ereignisse entwerteten Staats-
obligationen wieder einigen Wert beizulegen und wollten sie
zu 60% annehmen. 1 Es war dies die erste Fixirungdes
Wertes der Holländischen Staatsschuldscheine nach
dem kläglichen Zusammenbruch des Staates im Juni.
Hiermit hatte man gleichsam wieder eine Eechnungsgrundlage
gewonnen, von der aus der Staatscredit sich nun weiter entwic-
keln konnte.
Und nun besserten sich die Aussichten noch weiter! Hatte
der kaiserliche Gesandte Lisola auf Befehl seiner Eegierung
die allergrösste Heimlichkeit bei den Bündnissverhandlungen
mit Holland beobachten müssen, so mussten doch seine häufigen
Conferenzen mit dem Prinzen und dessen Eäten dem Beobachter
auffallen. Beschwerte sich doch der französische Gesandte in
Wien — Gremonville — am kaiserlichen Hofe darüber, dass
Lisola im Haag fast öffentlich mit den Feinden Frankreichs
verhandle! 2 Und da Lisola während der Verhandlungen sogar
genötigt war, einige.Kaufleute wegen der ihm von der Hollän-
dischen Eegierung statt b aar er Subsidialgelder gebotnen Wert-
papiere um Eat zu fragen, 3 so konnte nicht fehlen, dass der
Abschluss der kaiserlich-holländischen Alliance, welcher am
22. September erfolgte, grade in Kaufmannskreisen allgemein
bekannt war. Bestärkt wurde man darin durch die Thatsache,
dass sich gleichzeitig bei Halberstadt die Vereinigung der
kaiserlichen Armee mit der den Holländern bereits verbündeten
1   Lis. a. d. Kais. Mitf. Hocher d. d. Haag, den 24 jNTot. 1672: jam vero post
recessum Turennii passim emptae (obligationes) fuerunt pro sexaginta proceutum ,
id est, cum jactura quadraginta proceutum pro venditore. —
2  Votum der kais. Räte d. d. Wien, den 24 Sept. 1672. —
3  Rel. d. d. Haag, den 22 Sept. 1672. —
-ocr page 36-
30           DER CREDIT DER HOLLÄNDISCHEN REGIERUNG.
Brandenburgischen vollzog. Wie herrliche Aussichten mussten
sich hieran knüpfen! Verband sich der Kaiser mit dem mäch-
tigsten Fürsten des Reiche^ zur Unterstützung Hollands, so mus-
sten zunächst die beiden feindlichen Reichsfürsten — der Kurfürst
von Köln und der Bischof von Münster — von ihrer Feind-
schaft lassen, und schliesslich musste sich doch das ganze Reich
dem Oberhaupte anschliessen. Die Vernichtung der Feinde,
welche schon Holland zum Theil hatten verlassen müssen, und
die Rettung der Vereinigten Provinzen schienen nun unzweifel-
haft bevorzustehen. Zuversicht und Vertrauen kehrten wieder
ein: Unter dem Einfluss dieser günstigen politischen Aussichten
stieg im Laufe des September der Cours schnell auf 75%. 1
Und nun kam die Post von dem Aufbruch der alliirten
Armee von Halberstadt und dem Marsch an den Rhein auf
Coblenz zu. Man war in Holland voll freudiger Erwartung,
das deutsche Heer demnächst als Befreier empfangen zu können.
Einen nahen und ehrenvollen Frieden, Welcher bald im Stande
sein würde, die geschlagenen Wunden zu heilen und die ge-
machten Schulden zu bezahlen, hielt Jedermann in Holland
für selbstverständlich. Das alte Vertrauen auf die unerschöpflichen
Hilfsquellen des Staates begann wieder in seine Rechte zu kom-
men ; in der festen Ueberzeugung von der bevorstehenden ent-
scheidend günstigen Wendung der Affairen — wuchs der Credit
und schon glaubte man, sich den normalen Verhältnissen wieder
nähern zu dürfen: Man zahlte in den ersten Octobertagen für
die Staatsschuldscheine — 95%! 2 Aber leider erfolgte gleich-
zeitig der Umschlag.
1  Lis. an Hocher d. d. Haag den 24 Nor. 1672: Conoluso cum Sua Mte Caes.
foedere excreverunt ad septuagiuta quinque etc. etc. —
2  Bei, d. d. Haag, den 15 Dec. 1672. —
-ocr page 37-
31
Entscheidendes Sinken der Conrse. Coursschwankungen.
Statt den Uebergang über den Rhein bei Coblenz zu be-
werkstelligen, wie in Halberstadt verabredet war und man in
Holland annahm, bog die kaiserlich-brandenburgische Armee
noch in Westfalen plötzlich von der bisherigen Richtung auf
Coblenz — angeblich weil der Uebergang über den Rhein
daselbst durch die Nähe der Franzosen nunmehr unmöglich
gemacht sei — nach Süden ab, um diesen Strom nun weiter
oben — bei Mainz zu überschreiten. 1
Mann kann sich denken, welche Wirkung diese Nachricht von
der Hilfsarmee auf die erwartungsvollen Gemüter in Amster-
dam und Haag geübt haben wird: Statt des Marsches nach
Holland und gegen den Feind — Marsch an den Main und
Ausweichen vor dem Feinde! Schon während der Verhand-
lungen Hollands mit dem Kaiser hatte sich das Gerücht, dass die
kaiserlichen Waffen thatsächlich doch niemals etwas gegen die
Franzosen unternehmen würden, in unangenehmster Weise breit
gemacht. 2 Der Französische Prinz Conde selbst sollte es den
Spanischen Ministern bei seiner Durchreise durch die Spanischen
Niederlande gesagt haben. 3 Durch jene Abschwenkung nach
Süden erhielt das Gerücht anscheinend thatsächliche Bestätigung.
Alles passte hierzu: Eben deshalb hatte Turenne, als er in
A Bekanntlich war diese Abschwenkung durch die geheimen Instructionen ver-
anlasst, welche der Befehlshaber der kaiserliehen Hilfsarmee General Montecucoli
vom Kaiser persönlich erhalten hatte, laut deren er jegliches Zusammentreffen mit
den Franzosen vermeiden sollte. •—
2  Eel. Lis. d. d. Haag, den 22 Aug. 1672. —
3  Ebenda, —
-ocr page 38-
32
ENTSCHEIDENDES SINKEN DER COURSE.
Holland gegen die deutsche Armee aufbrach, seine Armee
gegen die viel stärkere feindliche nicht nur nicht nach Mög-
lichkeit verstärkt, sondern — der Unthätigkeit der Gegner
sicher — dieselbe im Gegentheil durch Verstärkung der Besat-
zung einiger wichtiger Plätze noch geschwächt, von denen aus
er dann im Winter über das Eis ziehend auch noch den Rest
des Landes besetzen werde. J Mit solcher Sicherheit traten diese
Gerüchte auf, dass der Prinz Wilhelm sogar den kaiserlichen
Gesandten Lisola in einer Conferenz darüber interpellirte und
hinzufügte: wenn es sich in der That so verhalten sollte, so
sehe er nicht, wie auf die kaiserliche Hilfe zu rechnen und
darnach zu handeln sei, und wie Holland dann dem Unter-
gange entfliehen könne. 2 Der Dänische Gesandte im Haag
wollte wissen und verbreitete, dass der Kaiser und Spanien in
heimlichen Traktaten mit Frankreich ständen;s er wollte sogar
einige Artikel davon gesehen haben. * Es nützte nichts, dass
Lisola diese Gerüchte für Kunstgriffe der Franzosen erklärte —
nur ausgedacht, um Zwistigkeiten unter den Verbündeten zu
säen. Der äussere Schein der Ereignisse strafte ihn Lügen; und
da unglücklicherweise gleichzeitig auch zwei Anschläge des
Prinzen auf die von den Franzosen besetzten Plätze Woerden
und Naarden misslangen, so war jene Zuversicht auf eine baldige
und glückliche Beendigung des Krieges in « grosse Verschlagen-
heit» umgeschlagen; s Ein Fallen der Course war die
unausbleibliche Folge des wieder erschütterten Ver-
trauens. Als der Dänische Gesandte sich Ende October in
Amsterdam nach dem Stande der Course erkundigte und, um
nur Geld zu erhalten, sich erbot, eventuell zu den 4°/0, mit
welchen die Staaten ihre Obligationen gesetzlich verzinsten,
1  Rel. Lis. d. d. Haag, den 6 Oct. 1672. —
2  Ebenda. —
3  Rel. Krampr. d. d. Haag, den 27 Oct. 1672.—
* Krampr. sendete am 7 Nov. 1672 eine Copie dieses angeblichen Tractates nach
Wien. —
5 Rel. Krampr. d. d. Haag, den 13 Oct. und 7 Nov. 1.672. —
-ocr page 39-
COURSSCHWANKUNGEN.                                   33
noch 2°/0 hinzuzulegen, erwiderten ihm die Kaufieute, «dass
bei jetzigen Conjuncturen, die sie noch nicht wüssten, ob dieser
Staat durch die Hilfe des Kaisers und Brandenburgs sich vom
Ruin erretten werde oder nicht, sie nicht gesinnt seien, gegen
6°/0 oder mehr ihre Gelder herzugehen. Wenn sie aber sehen
sollten, dass der Kaiser und der Kurfürst von Brandenburg
den Rhein passiren und für diesen Staat directe oder indirecte
wirklich agiren würden, dass die Tractaten mit Dänemark und
Lüneburg zu Stande kämen, alsdann wollten sie ihre Gelder
lieber um 4% als jetzt um 6% auf der Generalstaaten Obliga-
tionen geben.» 1 Lisola bezeichnet 830/0 als den Cours, den
man besten Falles in diesen Tagen hätte erhalten können: 2
Um 12% war der Credit der Holländischen Regierung
durch jenes Abschwenken der Verbündeten nach Süden
sogleich herabgedrückt worden!
Wäre nun dieser Marsch, wie es vom kaiserlichen Heerführer
beabsichtigt war , unbelästigt vom Feinde von Statten gegangen,
so würde der immer grösser werdenden Entfernung von Holland
das Fallen der Course in Amsterdam entsprochen haben; dieselben
würden bis zu bedenklicher Tiefe gesunken und das ganze
Steigen und Fallen der Course seit Anfang September würde
einem Phänomen gleich gewesen sein, wenn nicht — zwei
weitere Nachrichten die Baisse nicht nur aufgehalten, sondern
sogar wieder in eine Hausse verwandelt hätten: Man erfuhr
nämlich in den ersten Novembertagen im Haag, dass die
kaiserliche Ratification des Vertrages mit den Generalstaaten
vollzogen und bereits in Köln eingetroffen sei; und bald darauf
kam die Depesche von einem Gefecht bei Nassau zwischen der
alliirten Armee und den Franzosen. 3
Nun war die Verbindung Hollands mit dem Kaiser, welche
1   Bei. Krampr. d. d. Haag, den 1 Nov. 1672. —
2  Bei. Ms. d. d. Haag, den 15 Dec. 1672. —
3  Bei. Krampr. d. d. Haag, den 7 Not. 1672. —
-ocr page 40-
34                . ENTSCHEIDENDES SINKEN DER COURSE.
unter so grossen Schwierigkeiten und Wechselfällen sich entwic-
kelt hatte, also doch zur Thatsache geworden! Der vornehmste
Bundesgenosse war gewonnen, das Oberhaupt der Christenheit
war Alliirter Hollands geworden! Und wenn man bis dahin
den Gerüchten von heimlichen Tractaten des Kaisers mit Prank-
reich , vermöge deren derselbe nichts gegen diese Macht unter-
nehmen durfte, immer mehr und mehr von den Ereignissen
gedrängt hatte Glauben schenken müssen, so schienen dieselben
nun ausser durch die jetzt erfolgte kaiserliche Ratification — durch
die Thatsache des vorgefallenen Kampfes vollständig Lügen
gestraft. Es schien — so meinte man in Holland — mit der
Waffenehre des Kaisers nicht mehr verträglich, den Frieden
noch länger für ungebrochen zu halten. x
Aber freilich hatten die schlimmen Erfahrungen der letzten
Wochen gelehrt, dass man nicht schon auf die ersten und
besten Nachrichten hin das alte Vertrauen wieder in seine
Rechte setzen und die Course unbeschränkt in die Höhe gehen
lassen könne, ohne fürchten zu • müssen, dass der hinkende
Bote nachkommt. Man war durch die eben gemachten Erfah-
rungen jetzt schon vorsichtiger und reservirter geworden,
glaubte aber gleichwol jenen Nachrichten grosse Bedeutung
beilegen zu müssen, weil man der Ueberzeugung war, dass,
wenn der Kaiser sich auch ungern zum Kriege gegen Frank-
reich entschlossen habe, er durch die Gebote der Ehre und
durch die politische Notwendigkeit nun doch auch seinerseits
gezwungen sei, sein Wort zu halten und die ihm und dem
Reiche zugeworfene Französische Herausforderung zurückzuweisen.
Ueber der allgemeinen politischen Bedeutung, welche unter solchen
Umständen die Thatsache jenes Gefechtes bei Nassau in sich
enthielt, übersah man in Amsterdam als gleichgiltig, dass
die deutschen Truppen in demselben geschlagen worden waren.
Man fühlte sich durch diese neue Gestaltung der Dinge wieder
1 Auch der Kurfürst von Brandenburg fasste dieses Ereigniss so auf. Siehe Peter,
Der Krieg des Grossen Kurfürsten gegen Frankreich. Halle. 1870. pg. 80. —
-ocr page 41-
35
COURSSCHWANKUNGEN.
«angefrischt» 1 und belohnte das neugeweckte Vertrauen mit
einem Steigen der Course auf 85 und bald auf 87%. 2 Aber
leider kam der hinkende Bote auch jetzt wieder nach!
Statt den Kriegsfall gelten zu lassen, auf welchen man mit
Recht in Holland so grossen Wert gelegt hatte, und kräftig
gegen den viel schwächeren Turenne loszumarschiren, zog
die alliirte Armee vor dem schwächeren Feinde in der einmal
eingeschlagenen Richtung immer weiter nach Süden und lagerte
schliesslich unthätig am Main, während der Prinz von Oranien
sich alle erdenkliche Mühe gab, sie durch eigne Thätigkeit
zum Handeln zu veranlassen. Und ganz ebenso schien die
Hoffnung auf die endliche Auswechselung der Ratificationen des
kaiserlich-holländischen Vertrages fehlzuschlagen.
Die Holländer hatten am 22 September den Vertrag wohl
angenommen in der Fassung, welche der Kaiser demselben
gegeben hatte; sie hatten aber in einer besonderen Erklärung
den Sinn niedergelegt, welchen sie den höchst zweideutigen
Verpflichtungen des Kaisers in dem Vertrage gaben. Diese Inter-
pretation hatte der Kaiser nun seinerseits wieder interpretirt
und die so veränderte zugleich mit der Ratification des Ver-
trages im October an seine,Gesandten im Haag abgehen lassen.
An diese Aenderung des Kaisers stiessen sich nun wieder die
Holländer und sie Hessen den ganzen November vergehen,
ohne den kaiserlichen Gesandten Lisola einer Antwort auf seine
Anzeige von dem Eintreffen der Entschliessungen seiner Regierung
zn würdigen. Die öffentliche Meinung in Holland konnte sich
diesen Aufschub nicht erklären, und bald verbreitete sich das
Gerücht, dass der Kaiser die Ratificationen nicht mehr aus-
wechseln wolle. Das Benehmen der deutschen Armee konnte
auch jetzt wieder solche Befürchtungen nicht widerlegen. Man
meinte, die kaiserliche Armee habe mit ihrem ganzen Marsche
1  Bei. Krampr. d. d. Haag, den 7 u. 10 Nov. 1672. —
2  Lis. an Hocher d. d. Haag, den 24 Nov. 1672. —
-ocr page 42-
36
ENTSCHEIDENDES SINKEN DER COURSE.
nichts weiter als Winterquartiere im Reiche erlangen wollen,
um die kaiserlichen Erblande zu schonen, und die Gerüchte
von den heimlichen Tractaten machten sich aufs Neue wieder
breit. Man sah im Geiste bereits Turenne — der Unthätigkeit
seiner Gegner sicher — umkehren und über das Eis in die
Provinz Holland, das Herz der Staaten, eindringen. Missmut
nnd Niedergeschlagenheit waren wieder gross im Haag und
Amsterdam. 1
Es war ein Rückschlag imter erschwerenden Umständen!
Hatte man für das eigentümliche Benehmen der alliirten Armee
vor erfolgter Ratification des Vertrages noch Gründe der Ent-
schuldigung anhören können, welche der kaiserliche Gesandte
Lisola nicht versäumt, hatte durch Vertraute verbreiten zu
lassen, so war von den neuesten Thatsachen nichts mehr abzu-
handeln : der Kaiser liess sich weder durch seine bereits erfolgte
Zustimmung zu dem Vertrage noch durch den point d'honneur
bewegen, gegen die Feinde der Holländer vorzugehen. Die
Absichtlichkeit dieses Benehmens lag nur zu klar vor. Man
fragte sich im Haag, was denn die Franzosen noch thun
müssten, ,um den Frieden zu brechen, wenn der Kaiser nach
so vielen offenbaren Verletzungen aller Verträge den West-
fälischen Frieden noch nicht für gebrochen halte. 2 Was nützte
also die kaiserliche Allianz überhaupt! 3 Man fühlte sich in
Holland getäuscht und verlassen trotz der grossen Opfer an
Geld, welche man bringen wollte. Die grossen Hoffnungen,
welche das Erscheinen der von Natur gegebnen Bundesgenossen
begleitet hatten, waren in perfidester Weise getäuscht worden:
Nicht nur die zugesagte Hilfe war ausgeblieben und alle
darauf gegründeten Pläne und Massregeln umsonst 'gethan,
sondern — was das Empfindlichste war — das Vertrauen auf
Treu und Glauben war gänzlich untergraben worden. Man
1  Rel. Lis. d. d. Haag, den 15. Dec. 1672. —
2  Lis. an Hocher d. d. Haag, den 5. Dec. 1672. —
3  Ebenda. —
-ocr page 43-
37
COURSSCffW ANKUNGEN.
hatte sich durch die Snbsidialgelder mir die bittre Erfahrung
erkauft, dass thatkräftige Bundesgenossen nicht zu finden seien;
und nach den langen Verhandlungen zur Gewinnung yon Alli-
ancen war man nun wieder allein dem furchtbaren Feinde
gegenüber und noch allein, obwol Winter und Fröste schon
bedenklich herannahten, welche man sich selbst als Termin
für die Rettung des Staates durch auswärtige Mächte oder als
Termin — für den Untergang durch die Franzosen gesetzt
hatte. Das Sinken des Vertrauens in die Zukunft Hollands,
das Sinken des Credites und das Fallen der Course war somit
mehr als begründet; und nur die ausserordentliche Geschick-
lichkeit Lisolas im Auffinden immer neuer Entschuldigungen
für die kaiserliche Politik und das Vertrauen, weiches man in
Holland selbst auf die Person dieses Gesandten setzte, bewirkten
dass dieselben bis Anfang December nicht weiter alsauf80°/o1
herabfielen. Aber wenn die endliche Auswechselung der Ratifica-
tionen auch schliesslich am 13. December erfolgte, so konnte
man nach den gemachten Erfahrungen der formellen Besiege-
lung dieser einst mit so grossen Erwartungen eingegangenen
Alliance nicht mehr die hohe Bedeutung beilegen, welche sie
andernfalls ohne die Ereignisse der letzten Monate gehabt
haben würde; und nur der Einwendung Lisolas , dass der Kaiser,
was er bisher gethan, ja ohne die geringste Verpflichtung und
nur Holland zu Liebe gethan habe, und dass nach Unterzeich-
nung des Vertrages erst die pflichtmässige Thätigkeit der
Alliirten beginnen werde, war es zu danken, dass man dieser
Formalität doch noch einige Bedeutung beilegte und die Course —
Mitte December 1672 — auf 83 und 84°/0 steigen Hess. 2 Es
1  Rel. Krampr. d. d. Haag, den 5 Dec. 1672. —
2  Rel. Lis. d. d. Haag, den 15 Dec. 1672. — Lis. berichtet zwar in seiner
Relation vom 1. April 1673: passim enim eo tempore, quo permutavimus ratiha-
bitiones, vendebantur nonaginta procentum etc.; allein da aus jenen Decembertagen
gleichzeitige Berichte über den Stand der Course vorliegen und ein derartiges Steigen
auch gar nicht motivirt erscheint, so beruht jener Coursbericht Lisolas vom April
1673 jedenfalls auf einem Gedächtnissirrtum. —
-ocr page 44-
38                 ENTSCHEIDENDES SINKEN DER COURSE.
bedurfte indessen unter sotanen Umständen nur eines starken
Frostes und einiger Anstalten der Franzosen zu einer Prome-
nade über das Eis nach Amsterdam, um diese vertragsmässige
aber nicht vorhandene Hilfe der Bundesgenossen ganz zu ver-
gessen und in Holland eine Stimmung hervorzurufen, welche
die unmittelbar nach den Ereignissen des Juni insofern noch
übertreffen musste, als man jetzt wusste, dass keine Rettung
von ausserhalb mehr zu erwarten war.
Auch diese bittre Lection sollte dem Holländischen Volke
nicht erspart bleiben.
-ocr page 45-
39
Grösste Depression der Börse.
Schon seit Mitte November sprach man in Holland viel von
einem grossen Vorhaben des Prinzen. Kein Zeitungsschreiber
durfte etwas über den Aufenthalt desselben oder über die Stellung
seiner Armee schreiben und drucken. Allgemeine Betstunden
wurden zum guten Fortgang der Sache angeordnet. x Alles war
auf den Ausgang dieses geheimnissvollen Unternehmens, wel-
chem Jedermann eine Entscheidung über das Schicksal Hollands
beimass, aufs Höchste gespannt. Mitte December hörte man
unter der Hand, dass es der Belagerung eines Ortes gelte; aber
welches der Ort sei, war nicht zu ermitteln. Der kaiserliche
Gesandte Lisola, welcher auf Befehl seiner Regierung Hollän-
dische Staats-Obligationen, die er als Bezahlung der Subsidien
erhalten, verkaufen sollte, wartete auf den Ausgang dieses
Vorhabens — in der sicheren Hoffnung, dass das,mit so grosser
Umsicht und Eifer vom Prinzen eingeleitete glücken, und die
Course infolgedessen derartig steigen würden, dass er ohne
nennenswerten Verlust würde verkaufen können. 2
Aber Aller Erwartungen wurden wieder getäuscht.'
Statt der heissersehnten Siegesbotschaften kam am 27. December
die Hiobspost, dass der Anschlag des Prinzen auf Charleroy miss-
glückt und er unverrichteter Dinge und mit grossen
Verlusten wieder habe abziehen müssen. Und um das
Unglück voll zu machen, brach an demselben Tage der Herzog von
Luxemburg ■— die Abwesenheit des Prinzen und die strenge Kälte,
vermöge deren das unter Wasser gesetzte Land fest zugefroren war,
1  Rel. des Krampriclit, d. d. Haag, den 17 Nov. 1672. —
2   Lisola an d. Kaiser, d. d. Haag, den 26 Dee. 1672. —
-ocr page 46-
40
GROSSTE DEPRESSION DER BÖRSE.
benutzend — plötzlich von Woerden in der Provinz Holland auf,
um das nur vier Meilen entfernte Amsterdam und
damit das ganze noch übrige Holland durch einen
Handstreich zunehmen. Er avancirte zum grossen Schrecken
der Bürger von Amsterdam, welche nach alter Weise noch
einmal alle bis auf den schwächsten Greis die Waffen ergriffen
und die Wälle besetzt hatten, bis Bodegraven: da sprang der
Wind um; mit Mühe zum Theil schon im Wasser watend —
gelangten die Franzosen zurück nach Utrecht. —
Man kann sich denken, wie unter dem Eindruck solcher
Nachrichten und den siegreichen Feind in gefährlichster Nähe
die Stimmung im Haag und Amsterdam gewesen sein mag:
Man war wieder einmal am Rande der Verzweiflung.
Auch die mit so grossem Enthusiasmus nach Beseitigung der
alten eingesetzte Regierung des Prinzen hatte nur Misserfolge
und Schlappen aufzuweisen, und nur dem Zufalle der Aenderung
des Windes war es überhaupt zu danken gewesen, dass der
Staat noch bis zum nächsten Froste gerettet war; denn auf mensch-
liche Hilfe schien man nicht mehr rechnen zu dürfen. Auch
das war der Regierung nicht gelungen, kräftige Helfer in der
Not zu gewinnen: die Bundesgenossen, welche man durch
feierliche Verträge gewonnen zu haben geglaubt hatte, hatten
den Staat allen Verpflichtungen zum Trotz in grösster Not im
Stich gelassen. Nicht nur hatten sie nicht vermocht, durch
militairische Operationen das schwer bedrängte Holland in irgend-
wie nennenswerter Weise zu erleichtern, sondern im Gegen-
theil fristete die theuer erkaufte Hilfsarmee, während der Feind
in das Herz der Provinz Holland drang, fern im Süden des
Reiches ein unthätiges Dasein. Nach langem Zaudern war sie
vom Main und Rhein, über den sie so eben erst eine Brücke
geschlagen, wieder hinweggezogen, um wiederum nach Westfalen
zu marschiren, von wo sie hergekommen war! Es waren Tage
furchtbarer Aufregung und Niedergeschlagenheit.
Es galt nun in Holland für selbstverständlich und ausgemacht,
-ocr page 47-
41
GRÖSSTE DEPRESSION DER BÖRSE.
dass die Alliirten nur deshalb in so eigentümlichen Windungen
marschirt seien, um jeden Conflict mit den Franzosen zu vermeiden,
und durch den Schein von Thätigkeit dem Vertrage äusserlich
zu genügen, nur um die Subsidien zu verdienen, ohne that-
sächlich etwas dafür zu leisten: Nur zum Schein seien sie auf
den Rhein losmarschirt und nach Westfalen hätten sie schon
vor drei Monaten gelangen können. Jetzt gehe man dahin
zurück, nachdem die Jahreszeit selbst eine kräftige Aktion
gegen den Feind verbietet. Man hörte in Holland sogar von
freundschaftlichen Beziehungen der verbündeten Heerführer zu
Französischen Gesandten, welche sich in der Nähe des deutschen
Heeres aufhielten, und dass man französische Gefangne wohl
tractirt und «ohne rancion» zurückgeschickt habe. ' Die Einwen-
dungen der kaiserlichen Gesandten, welche selbst das Benehmen
ihrer Regierung nicht begriffen, könnten dagegen wenig aus-
richten. 2 Was man seit den unglücklichen Junitagen in Holland
an Kräften und Bundesgenossen mit Mühe und Not gesammelt
hatte, um Eventualitäten wie die eben geschehenen zu verhüten
hatte sich untauglich erwiesen. Das grosse Kapital, welches
man in der Erkaufung von Bundesgenossen angelegt hatte,
schien weggeworfen. Der Staat häufte nutzlos Schulden auf
Schulden; und der nächste Frost konnte ihm den gänzlichen
Untergang bringen. Die Zukunft Hollands schien nach Ausschluss
der nun erfahrungsmässig unzurechnungsfähigen Bundesgenossen
nur noch von der Witterung abzuhängen; und je nachdem
Thauwetter oder Kälte eintrat, der Wind von Westen oder
von Osten kam, wechselten Furcht und Hoffnung auf die
Zukunft einander ab. Die Möglichkeit noch längerer Fristung
der Existenz des Staates erschien nicht grösser, als die Wahr-
scheinlichkeit seines Untergangs: Genau geben die Course der
letzten Decembertage diese Stimmung der öffentlichen Meinung
wieder; man wollte für die Staatsobligationen nicht mehr als —•
1  Rel. des Krampr. d. d. Haag, den 26 Dee. 1672. —
2  Lis an Hocher, d. d. Haag, den 26 üec. 1672. —
-ocr page 48-
42
GRÖSSTE DEPRESSION DER BÖRSE.
höchstens 50 und 55% geben. x Mit diesem Gourseschloss
die Amsterdamer Börse das ereignissvolle Jahr 1672: Er war
um 10°/o niedriger als derjenige, mit welchem man nach den
ersten grossen Unglücksschlägen und fast noch an Allem ver-
zweifelnd zu rechnen angefangen hatte. —
Das war nun freilich eine unhaltbare und darum vorüberge-
hende Situation.
Wie eine aufs Höchste gespannte Stimmung dieser Art natur-
gemäss nicht lange andauert, sondern entweder in Verzweiflung
auszuarten, oder — wenn das Unglück für den Augenblick
Halt macht — wieder in allmähliche Beruhigung überzugehen
pflegt, so war es auch hier der Fall. Verschlimmerte sich die
Lage nicht weiter, trat kein Frost ein, konnte man annehmen,
dass der Höhepunkt der Gefahr überwunden war, so mussten
die geängstigten Gemüter in Holland wieder Herr ihrer selbst
werden und sich sammeln. Einige kleine wenigstens nicht
ungünstige Ereignisse, welche in Momenten dieser Art immer
eine weit über ihren wirklichen Wert hinausgehende Wirkung
zu üben pflegen, kamen der allgemeinen Beruhigung zu Hilfe.
Man hörte, dass der Prinz wieder glücklich im Lager ange-
kommen sei, um den Schutz des Landes zu übernehmen; und
das eingetretene Regenwetter machte ausserdem weitere Actionen
des Feindes vor der Hand unmöglich. 2
Dann kam sogar die Nachricht, dass der Bischof von Münster
die Festung Coeverden verloren, und der Brandenburgische General
Spaen 1800 «Münstersche» geschlagen habe. s Konnte auch
alles dies zur Rettung des Staates wenig beitragen, so mussten
solche Nachrichten doch moralisch günstige Folgen haben; die
1  Diese Daten entstammen dem „Votum über des Goes Schreiben pp. d. d. Wien
den 30 Jan. 1673." Woher man in Wien diese Nachricht hatte, ist nicht ersicht-
lich, da weder Lisola noch Krampricht in ihren (vorhandenen) Relationen von einem
derartigen Fallen der Course "berichtet hatten. Gleichwol ist die Sache sehr glaublich.—
2  Rel. des Krampr. d. i. Haag, den 2 Jan. 1672. —
3 Rel. dess. v. 9 Jan. 1673. —
-ocr page 49-
GROSSTE DEPRESSION DER BÖRSE.                        43
gänzliche Niedergeschlagenheit verlor sich ein wenig, und man
fasste wieder soviel Mut, um wenigstens in den zu Wasser
und zu Lande betriebenen Rüstungen zu weiterem energischem
Widerstände fortzufahren. Mit dem neubelebten Mute stieg aber
das Vertrauen und mit diesem — die Course: Lisola konnte
am 21 Januar 1673 bereits seiner Regierung melden, dassihm
schon wieder 76°/o geboten worden seien.1
1 Lis. an Hocher d. d. Amsterdam, den 21 Jan. 1673. —
4
-ocr page 50-
44
Gedrückte Course infolge des zweideutigen
Benehmens der Bundesgenossen.
Dieser Cours würde sich vielleicht zunächst erhalten haben,
wenn nicht die befreundete Hilfsarmee — nicht allein durch
ihre gewöhnliche Unthätigkeit, sondern durch die ganz besondre
Art derselben notwendigerweise wieder eine neue Baisse hätte
zu Wege bringen müssen.
Flösste vordem das Bewusstsein einer wenn auch fernen und
völlig unthätigen so doch wenigstens vorhandenen Hilfsarmee
der geängsteten öffentlichen Meinung in Holland doch immerhin
eine Art von Beruhigung und schwacher Hoffnung auf mög-
liche Hilfe ein, an welche man sich wie der Ertrinkende an
einen Strohhalm klammerte, gegenüber der traurigen Gewiss-
heit, dass nach dem Verschwinden auch dieser unbrauchbaren
Bundesgenossen überhaupt kein Helfer mehr vorhanden sei, so
musste die grausame Entziehung auch dieses letzten Hoffnungs-
schimmers nun umgekehrt wieder eine den inneren moralischen
Wert desselben weit übersteigende praktische Wirkung hervor-
bringen, welche in der bisherigen thatsächlichen Unterstützung
der Bundesgenossen keinerlei Begründung hatte: Die Alliirten
thaten Alles , um diesen letzten Schimmer von Hoffnung, welchen
sie durch ihren endlichen Marsch nach Norden in Holland her-
vorgerufen hatten, nun sogleich wieder in unedelster Weise
zu vernichten. Denn nicht nur blieben sie auf dem eingeschlagenen
Marsche nach Norden im Paderbornschen wieder in strafwür-
diger Trägheit liegen —■ unten allen Anzeichen, den Weiter-
marsch zur Verbindung mit den Niederlanden nun gar nicht
mehr zu wagen, sondern man musste sogar erleben, dass diese
-ocr page 51-
45
GEDRÜCKTE CGURSE.
theuer erkauften Bundesgenossen die in ihrem Machtbereiche
gelegnen Gebiete der beiden feindlichen Bischöfe von Köln und
Münster ängstlich — als befreundete Mitstände des Reiches —
schonten, die Güter des Holländischen Feldmarschalls und Reichs-
standes Grafen Georg Friedrich von Waldeck dagegen allen
Kriegschikanen unterwarfen, und dass — um das Maass dieser
eigentümlichen Art von Bundesgenossenschaft vollzumachen —
der kaiserliche General Montecuculi ausserdem zu dem wilden
Bischof von Münster sogar in die freundlichsten Beziehungen
trat! Nach dem geflissentlichen Ausweichen vor allen Feindselig-
keiten mit den Franzosen nun auch noch Schädigung der
Freunde und Liebäugeln mit dem Feinde! Das Vertrauen auf
die Ehrlichkeit der Bundesgenossen hätte ganz anders begründet
sein müssen, um nicht nach diesen neuen Erfahrungen wieder
in Holland die heftigste Bitterkeit über Bundesgenossen, die
unglückliche Begierung und die schlechte Zukunft zu erzeugen.
Das alte Gespenst der heimlichen Traktaten zwischen Osterreich
und Frankreich tauchte natürlich wieder auf und mit ihm jene
in Holland schon so oft durchgemachte Beihe von Empfindun-
gen, deren letzte die Hoffnungslosigkeit ist. Es erfolgte nun
das gewöhnliche Resultat dieser Gemütsaffectionen der öffent-
lichen Meinung in Holland: Der Depression der Gemüter
entsprach die Depression der Course. Man wollte Anfang Februar
nicht mehr als höchstens 70% zahlen: 2 Noch 6% wertgeschätzt
hatte man also in Amsterdam das Bewusstsein, eine ferne und
faule Hilfsarmee zu haben!
Da wurde den Halbverzweifelten denn diesmal vom — Feinde
die rettende Hand zur Verhütung gänzlicher Mutlosigkeit ge-
boten. In der allgemeinen Verwirrung, in welcher man sich
infolge jener Treulosigkeiten der Bundesgenossen befand, trat
grade jetzt. — Anfang Februar 1673 — von glaubwürdiger
1  Lis. an Hoclier d. d. Haag, den 20 Febr. 1673. —
2  Lis, a d. Kaiser d. d. Haag, den 20 Febr. 1673. —
-ocr page 52-
wmmmmm
46 GEDRÜCKTE COURSE INFOLGE DES ZWEIDEUTIGEN
Seite das Gerückt auf, dass die Franzosen sick durch die Ver-
mittlung der Schwedischen Gesandten im Haag aufs Neue zu
Friedensverhandlungen erboten hätten; und die Letzteren brüs-
teten sich sogar öffentlich, einen für Holland günstigen Frieden
in der Hand zu haben, wenn man sich nur zu Unterhand-
lungen verstehen wollte. *
Aber grade die Erwartungen, welche allseitig wenn auch in
verschiedenem Sinne dieses Gerücht hervorrief, Härte die depri-
mirte öffentliche Meinung wieder über sich selbst auf.
Der süsse Name des Friedens lockte freilich nicht wenige der
unter der furchtbaren Kriegslast seufzenden Bürger; und auch
manche und einflussreiche Mitglieder der Eegierung konnten sich
nach den mit den Bundesgenossen gemachten schlimmen Erfah-
rungen dem Gedanken nicht entschlagen, dass man es mit den
Unterhandlungen einmal versuchen könnte, um wenigstens jenen
glänzenden Erbietungen auf den Grund zu kommen und sich
Klarheit über die Absichten der Feinde zu verschaffen. 2 Der
besonnennere Theil des Volkes dagegen fasste grade wegen
dieses Edelmutes der Franzosen Misstrauen gegen jene Friedens-
erbietungen, indem er sich sagte, dass dieser Edelmut durch
nichts begründet offenbar nur dazu dienen solle, die Wider-
standsbemühungen der Holländer und ihrer Freunde lahm zu
legen, um ihnen dann einen den bisherigen Kriegsereignissen
entsprechenden weder ehrenvollen noch günstigen Frieden zu
dictiren. Und zeigte sich auch augenblicklich noch keine Mög-
lichkeit für Holland, dem Kriege eine günstigere Wendung zu
geben, so hatten doch auch die militairischen Erfolge der Feinde
an den Gewässern ihre Grenzen erreicht, welche sie trotz aller
Bemühungen und Versuche nicht hatten überschreiten können.
Ein weiterer Widerstand konnte die Feinde nur abmatten, aber
1  Lis. an Hocher d. d. Haag, den 13 Febr. 1673. —
2  Grossmann a. a. 0. pg. 89. — Rel. Lis. v. 6 Febr. 1673. —
-ocr page 53-
47
BENEHMENS DER BUNDESGENOSSEN.
weder einen späteren und besseren Frieden hindern, noch einen
schlechteren als den zuerst gebotenen zur Folge haben.
Während so in Holland die Ansichten sich theilten und
schwer zu sagen war, ob die Kriegs- oder die Friedenspartei
die Oberhand behalten würde, schien es dem Zufall anheim-
gegeben , durch irgend eine weitere Nachricht oder ein Ereig-
niss der einen von beiden das Uebergewicht zu verschaffen.
Der Prinz seinerseits an der Spitze des mutigeren Theiles der
Regierung fuhr inzwischen fort unbeirrt um gegentheilige An-
sichten energisch weiter zu werben nnd zu rüsten — entschlossen
sich lieber auf seine Privatgüter ins Römische Reich zurück-
zuziehen und als Privatmann weiter zu leben, als einen nicht
ehrenvollen Frieden einzugehen; und nichts konnte diese an
erster Stelle vertretne Ansicht mehr stärken und sie sogleich
zur maassgebenden machen, als irgendwelche nur nicht ungün-
stige Nachrichten vom Kriegsschauplatze.
«Wenn Gott nur ein wenig unsere Waffen segnet, so sind
uns die Beutel Aller offen» — schrieb Lisola am 13 Febr.
1673 an Hocher nach Wien jene Stimmung in Holland sehr
richtig beurteilend, nachdem er ihm auseinandergesetzt, dass
unter den augenblicklichen Verhältnissen wegen ihrer Un-
sicherheit und allgemeinen Misstrauns überhaupt kaum noch
möglich sei, Geld aufzutreiben. — Wirkliche Erfolge hatte
nun freilich die alliirte Armee auch jetzt nicht zu melden;
aber doch etwas, was die von den verschiedensten Stimmungen
bewegte, nach günstigen Nachrichten begierige und daher etwas
gereizte Phantasie der öffentlichen Meinung in Holland aus
der Ferne dafür halten konnte: Auf dem Marsche der kaiser-
lich-brandenburgischen Armee nach Soest in Westfalen hatte
es sich — mehr zufällig als absichtlich — ereignet, dass am
5 Februar bei Werle die beiden feindlichen Armeen in Schlacht-
ordnung einander gegenüber traten, aber Turenne, in dessen
Plan die Schlacht nicht lag, derselben geschickt ausgewichen
war, worauf die deutsche Armee ihren Marsch in der Richtung
-ocr page 54-
48 . GEDRÜCKTE COURSE INFOLGE DES ZWEIDEUTIGEN
nach Norden gegen den Bischof von Münster unbelästigt
fortsetzte. Die Nachrichten, welche über diese Vorgänge nach
Holland gelangten, brachten daselbst die Meinung hervor,
dass Turenne die Schlacht gefürchtet und sich retirirt habe,
und dass der Kurfürst von Brandenburg nun fest entschlossen
sei, die beiden feindlichen Bischöfe empfindlich, zu züchtigen:l
Das brachte die Kriegspartei, deren Politik unter den augen-
blicklichen Verhältnissen den Interessen der Nation mehr zu
entsprechen schien, nun sogleich aufs Oberwasser. Die Antwort
an die Schwedischen Friedensvermittler wurde nicht nur ver-
zögert , sondern sogar mit Lisola, dem grössten Gegner des
Friedens, beraten; und man machte in Holland noch einmal —
zum letzten Male — die ganze Reihe von Hoffnungen durch,
welche man noch an jeden Waffenerfolg geknüpft hatte. So
geriet denn auch die Börse in Amsterdam in eine angenehme
Aufregung und belohnte dieselbe sogleich mit einer Hausse von
8°/0: Mitte Februar hatten die Obligationen wieder einen Wert
von 78%; und Lisola hoffte in demselben Wahne befangen
binnen kürzester Zeit ein weiteres Steigen der Oourse — sogar
bis auf pari. 2
Aber diesem Freudenrausche folgte wieder wie gewöhnlich
die Ernüchterung auf dem Fusse und zwar eine Ernüchterung,
wie sie gründlicher nicht sein konnte.
• > Die alliirte Armee rückte nach jener Begegnung mit Turenne
unbelästigt vom Feinde wohl bis Hamm und zur Lippe vor;
allein die Verfehlung der Cooperation derselben mit der des
Prinzen von Oranien und die Verstärkung, welche Turenne
inzwischen erhielt, führten im deutschen Hauptquartier zu dem
nach Lage der Dinge zwar keineswegs gerechtfertigten, aber
der bisherigen Kriegführung der Alliirten entsprechenden Ent-
1  Lis. a. d Kaiser d. d. Haag, den 20 Febr. 1673: quod excreverint (obliga-
tiones) ad 78 ab eo tempore, quo intellexern n t copias nostras imper-
rexisse et Gallos detrectasse prselium, —
2  Ebenda. —
-ocr page 55-
49
BENEHMENS DER BUNDESGENOSSEN.
Schlüsse, nun —■ keine weitere Bewegung gegen den Feind
mehr zu wagen, sondern wieder — umzudrehen. Mit ungewohnter
Energie folgte dem Entschlüsse die That: Der Rückmarsch nach
Lippstadt d. h. — nach Süden grade von Holland hinweg
wurde sogleich angetreten. — Somit Avar man in Holland wieder
um eine Hoffnung ärmer und um eine bittre Erfahrung reicher
geworden. Man hatte gehofft und als selbstverständlich angesehen,
dass nach dem Verlassen des Rheines die alliirte Armee nun
wenigstens von Westfalen aus der Holländischen die Hand
reichen werde, und die letzten günstigen Nachrichten vom
Kriegsschauplatz hatten diese Meinung nur bestärkt. Und jetzt
dieser plötzliche und nach den letzten Vorgängen völlig uner-
klärliche Umschlag! * Bald erfuhr man auch im Haag von
dem bevorstehenden gänzlichen Abfall des Kurfürsten von
Brandenburg von der Alliance und seinen vertragswidrigen
einseitigen Verhandlungen mit dem Feinde. Die Brandenbur-
gischen Gesandten im Haag, Blaspiel und Romswinkel, hörten
nur Schimpf und Spott und mochten sich nicht öffentlich sehen
lassen. War aber auf den Kurfürsten nicht mehr zu rechnen,
welcher mit so grosser Opferfreudigkeit in diesen Krieg ge-
zogen war, was war dann vom Kaiser zu erwarten, dessen
General mit den Feinden der Holländer fortwährend in den
verdächtigsten Beziehungen stand! Und während noch diese Nach-
richten vom Kriegsschauplätze in Holland « grosse Oonsternation »
hervorbrachten, 2 kam von Norden noch eine weitere Rabenpost.
In Holland hatte man geglaubt, keinen besseren Freund zu
besitzen, als das Englische Volk und das Parlament, welche
beide ja in der That wegen der Verbindung ihres Königs mit
dem katholischen Frankreich und der Bekämpfung der protes-
1  Dieser Entschluss, die Armee zu theilen und den Kriegsschauplatz zu verlassen,
war selbst für den bisherigen Anführer der kaiserl. Truppen, Montecuculi, welcher
seit einigen Wochen von der Armee beurlaubt war, überraschend. S. Peter: Der
Krieg des Grossen Kurf. geg. Frankreich, pg. 131. —
2  Kel. des Krampr. d. d. Haag, den 3 März, 1673. —■
-ocr page 56-
50         GEDRÜCKTE COURSE INFOLGE DES ZWEIDEUTIGEN
tantischen Niederlande sich in dem denkbar grössten Wider-
spruche mit demselben befanden. König Ludwig, dies wohl
wissend, hatte die Berufung des Parlamentes, welche schon im
November 1672 stattfinden sollte, durch Spendung grosser
Geldsummen an König Karl zu hintertreiben gewusst, um eben
die öffentliche Missbilligung der Englischen Nation über diese
Politik ihrer Regierung nach Möglichkeit hinauszuschieben; und
schon damals hatte man das Gelingen dieser Intrigue in Holland
für ein Unglück gehalten. Jetzt musste es zum 14 Februar als
letztem durch die Verfassung Torgeschriebeneni Termin berufen
werden; und von Seiten Hollands war Alles geschehen, um
das gegen seine Regierung ohnehin schon aufsessige Parlament
noch mehr aufzustacheln. Prinz Wilhelm Hess — um Beide
noch mehr zu entzweien — grade jetzt dem König Karl den
Waffenstillstand zur See anbieten — ein Anerbieten, welches
im Hinblick auf die furchtbare Schädigung des Englischen
Handels durch die unzählichen Holländischen Kaper und das
infolgedessen immer lauter werdende Verlangen des Volkes
nach Frieden wohl dazu verleiten konnte, die Verbindung mit
Frankreich zu lösen. Die Parlamentarier wurden im Geheimen
mit Geld und guten Worten bearbeitet, ihnen jenes Waffen-
stillstandsanerbieten gleichfalls zur Pression auf ihre Regierung
angedeutet und ihnen versprochen, falls sie nur das Auslaufen
der Englischen Flotte nicht zuliessen, so wolle man den Hollän-
dischen Kapern den Augriff auf Englische Schiffe untersagen.
In besonderen Flugschriften wurde dem Englischen Volke die
Verderblichkeit der Politik seiner Regierung zu Gemüte ge-
führt. ! Und trotz alledem bewilligte das Parlament dem Könige
doch 70.000 'S Sterling zur Fortsetzung des Krieges gegen Holland;
und der Grosskanzler von England hielt dabei eine Rede, in
welcher er mit dem Hinweis auf die Niederlande sagte: Cartha-
ginem esse delendam! 2
1  Lis. an Hocher d. d. Haag, den 20 Febr. 1673. — Grossmann a. a. O. pg. 106. —
2  Rel. des Krampr. d. d. Haag, den 6 März 1673. —
-ocr page 57-
BENEHMENS DER BUNDESGENOSSEN.                    51
Abfall des Bundesgenossen, der sich einst selbst zum Kampf
gegen den allgemeinen Feind erboten hatte, und Täuschung
in denjenigen, auf deren Freundschaft man sich in aller Not
wie auf einen Rettungsanker verlassen hatte! Man sollte meinen,
dass auf diese Hiobsposten von Norden und Süden, während
der Feind nur wenige Meilen noch von Amsterdam stand, die
öffentliche Meinung in Holland — nun endlich an weiterem
Widerstände verzweifelnd — sich dem Feinde in die Arme
geworfen hätte, der den Frieden fortwährend so verlockend
darbot, um durch aussichtslose Fortsetzung des Widerstandes
nicht noch einen späteren und nicht besseren Frieden zu erwer-
ben. — Aber ganz das Gegentheil erfolgte: Unberechenbare
moralische Factoren verschafften sich Geltung. —
-ocr page 58-
52
Steigen der Course beim Abfall der Bundesgenossen.
Nachdem die allgemeine Consternation nach den furchtbaren
Schlägen im Juni in Holland vorüber war, und die Geister
sich gesammelt hatten, entwickelte sich bald jene dem Nordger-
manen eigne zähe Widerstandskraft gegen den eindringenden
Feind: Bald zwang eine Bürgerschaft nach der andern ihre
Magistrate, Gut und Blut zur Vertheidigung ihrer Mauern
und ihres Glaubens einzusetsen; eine Provinz nach der andern
erklärte, in keinen Frieden zu willigen, der dem Lande Ver-
kleinerung bringe; und die Erwerbung mächtiger Bundes-
genossen Hess sogar wieder mit einigem Vertrauen in die Zukunft
blicken. Dann zeigten sich wohl die theuer erkauften Bundes-
genossen gänzlich unverlassbar, und man ward im Laufe der
Ereignisse nicht selten der Verzweiflung nahe gebracht; aber
grade die Unfähigkeit der Alliirten und die Zufälle, welche
ein weiteres Vordringen des Feindes trotz alledem seit Monaten
verhindert hatten, hatten gezeigt, dass man dann allein ver-
loren sei, wenn man sich selbst aufgäbe: So hatte man sich
endlich selbst wiedergefunden. Der junge Prinz Wilhelm von
Oranien ging mit dem besten Beispiel von Standliaftigkeit und
Opfermut Allen voran. Auf die Nachricht von dem Abfall des
Kurfürsten erklärte er sogleich, dass er gleichwol das Ausserste
thun werde, um Holland zu defendiren. 1 Umfassend liess er —
trotz der fortgehenden Waffenstillstandsverhandlungen — an Heer
und Flotte weiterrüsten und stellte, um die Obligationen nur
im Cours zu erhalten, seine eignen Güter zum Unterpfande. —
So erfolgte denn keineswegs die grosse Baisse, welche auch
1 Ebenda,
-ocr page 59-
STEIGEN DER COURSE.                                53
die kaiserlichen Gesandten nach dem Eingang jener Raben-
posten erwartet hatten: Die Course fielen nur um jene 80/05
welche sie auf die letzten günstigen Nachrichten Tom Kriegs-
schauplatze gestiegen waren.
Dieses standhafte Ausharren, diese patriotische Entschlossen-
heit, zu welcher man sich endlich im Andenken an den acht-
zigjährigen Widerstand der Väter gegen die Spanische Welt-
macht wiederaufgerafft hatte, konnte nun durch die weiteren
Hiobsposten nicht wesentlich mehr erschüttert werden. Im Gegen-
theil: Der Abfall der Bundesgenossen, in" welche man ein so
grosses Kapital gesteckt, das nicht einmal die Zinsen eingebracht
hatte, der Bundesgenossen, deren Operationen nichts als Unsicher-
heit in die eignen Massnahmen gebracht hatten, musste unter
solchen Umständen als eine Erleichterung des Budgets und als
eine Befreiung von Rücksichten und Massregeln erscheinen,
welche sich als Hindernisse erwiesen hatten. Thatsächlich hatte
man bisher dem Feinde nur allein Widerstand geleistet, die
Bundesgenossen dagegen nur Geld in Empfang genommen.
Verwandte man dieses Geld in der Folge für eigne Rüstungen,
so konnte man um so bessere Resultate erwarten. Die Kauf-
männischen Holländer berechneten dies sogleich; und die ge-
wonnene Zuversicht auf die eigne Kraft stärkte unter solchen
Umständen das Vertrauen auf eine bessere Zukunft mehr, als
die Nachricht von den Friedensverhandlungen des Kurfürsten
von Brandenburg mit Frankreich, der Trennung der Branden-
burgischen Armee von der kaiserlichen, dem Rückzuge der ersteren
hinter die Weser, der letzteren nach Franken der Hoffnung auf
eine glücklichere Fortsetzung des Krieges schadete. Je mehr sich
nun zeigte, dass man auch allein im Stande war sich zu behaupten —
wobei die Jahreszeit mit Thauwetter und Regen zu Hilfe kam —
desto mehr wuchs das Vertrauen auf die eigne Kraft und die
Zukunft. Und dem wiederkehrenden Selbstvertrauen entsprach
naturgemäss der Selbstcredit, sodass, nachdem man sich in die
durch den Abzug der Alliirten geschaffnen neuen Verhältnisse
-ocr page 60-
54
STEIGEN DER COURSE BEIM
einmal gefunden hatte, die Course nicht nur nicht weiter
sanken, sondern auch ohne besondre auch nur kleine eigne Erfolge
allmählich wieder stiegen — Ende März 1673 auf 75%,1
und Mitte April konnten die Obligationen mit nur 20% Verlust
verkauft werden. 2 Mit diesem steigenden Course be-
gleitete die Amsterdamer Börse das Verschwinden
der alliirten Armee nach Osten und Süden. Die Am-
sterdamer Kaufleute verliessen sich mehr auf den letzten Rest
von Mut, welchen das halbverzweifelte und ruinirte Holländische
Volk noch hatte, als auf die weitere Unterstützung des Ober-
hauptes der Christenheit und des mächtigsten Reichsfürsten.
Es war die schneidigste Kritik dieses erbärmlichen kaiserlich-
brandenburgischen Feldzuges. —
Wir haben nun gesehen, welche Momente den, bisher voll-
giltigen und unbestrittenen Wert der Holländischen Staatsschuld-
scheine gleich nach dem Beginn des Krieges mit Prankreich
in Zweifel gezogen, das Steigen und Fallen der Course verursacht
hatten. Es waren in erster Linie die thatsächlichen Kriegsereig-
nisse und dann die subjective Auffassung derselben seitens der
öffentlichen Meinung in Holland, die allgemeine Europäische
Politik und Gerüchte, sogar Wärme und Kälte hatten die Börse
nicht unerheblich beeinflusst. Hoffte doch der Kaiser selbst —■
Januar 1673 — nach dem furchtbaren Sinken der Course im
verflossnen Monat ■— mit unbeabsichtigter Anerkennung, dass
seine Armee nichts dazu beitragen werde, — dass die Course
wieder steigen würden, «weil das Eis widerumb aufgangen.» 3
In den zehn Monaten vom Juni 1672 bis März 1673 war der
Cours der Staatspapiere ungeheuren Schwankungen unterworfen
1  Lis. a. d. Kaiser d. d. Brüssel , den 1 April 1673. —
2  Rel. des Krampr. d. d. Haag, den 13 April 1673. — Bis. an Hocher d. d. Haag,
den 15 April 1673. —
3  Votum des Geh. Rates d. d. Wien, den 30 Jan. 1673. —
-ocr page 61-
ABFALL DER BUNDESGENOSSEN.                        55
gewesen — von Wertlossigkeit derselben bis fast zu pari. Als
die Kaufleute im Juli' 1672 den Wert der Obligationen unter-
suchten, fixirten sie ihn zu 60%; beim Heranmarsch der Bun-
desgenossen —• im September 1672 —■ stieg er auf 95°/0, der
höchsten erreichten Höhe. Die Abschwenkung derselben nach
Süden machte den Cours bis Mitte December mit geringen
Schwankungen auf 80, die unvermutet unglücklichen Ereignisse
der zweiten Hälfte dieses Monats auf 50°/o sinken. Die Umkehr
der Alliirten vom Main nach Westfalen brachte ihn unter nicht
unbedeutenden Schwankungen bis Anfang März 1673 wieder
auf 70°/,,; dem gänzlichen Abzug der Verbündeten ging dagegen
merkwürdiger Weise eine allmähliche Hausse zur Seite. —
-ocr page 62-
56
Einwirkung der Amsterdamer Börse auf die
Europäische Politik.
Wenn nun die Europäische Politik sich in jenen Jahren fast
ausschliesslich um Holland drehte, und die allgemeinen Welt-
verhältnisse wie die Strahlen der Sonne durch ein Brennglas
auf die Holländischen Geldverhältnisse wirkten, sollte die Am-
sterdamer Börse, welche dieselben fast ausschliesslich in sich
sammelte und concentrirte, nicht umgekehrt auch auf die Euro-
päische Politik wirken? Da die Beziehungen der Holländer zu
ihren Bundesgenossen und zu denen, die es werden wollten,
vorzüglich auf den Subsidienzahlungen beruhten, so sollte
man meinen, dass der Stand des Holländischen Geldes, ohne
welches nach dem kaiserlichen Ausspruch Europa nicht leben
konnte, sehr wesentlich diese Beziehungen beeinflusst haben
musste.
Bezeichnend für die Neuheit dieses Momentes in den inter-
nationalen Beziehungen ist die Unkenntniss und das Misstraun,
mit denen die Holland befreundeten Mächte die Zumutung,
mit Obligationen statt baaren Geldes bezahlt zu werden, auf-
nahmen.
Als im April 1672 der Kurfürst von Brandenburg seinen Ver-
trag mit Holland abschloss, dachte noch Keiner der Contra-
henten daran, dass die Subsidien anders als baar gezahlt werden
könnten. Als dagegen wenige Monate später — im Juli —
der Kaiser mit den Generalstaaten über ein Bündniss verhan-
delte, erklärten die Letzteren sogleich, die Subsidien nicht in
-ocr page 63-
EINWIRKUNG DER AMSTERDAMER BÖRSE.                 57
baarem Gelde, sondern nur in « Obligationen » zahlen zu können.1
Die Holländer begründeten diese Zumutung damit, dass sie bei
ihren ungeheuren Ausgaben zur Vertheidigung des Landes,
dem Stocken aller Einnahmen und den vertragsmässigen Baarzah-
lungen an ältere Bundesgenossen — namentlich an Brandenburg —
sehr leicht einmal trotz aller Versprechungen und guten Willens
in den Fall kommen könnten, die fällige Rate am bestimmten
Termine nicht baar erlegen zu können. Sie wollten daher, um diesen
möglichen Üebelständen von vornherein vorzubeugen und um
ihre Aufrichtigkeit zu bezeugen nur Wertanweisungen — Obliga-
tionen — geben, auf welche der Kaiser dann das baare Geld
selbst und zu ihm beliebigen Zeiten erheben könne.2 — So be-
gründet erschien die Sache plausibel; aber selbst einem so welter-
fahrenen Manne, wie der kaiserliche Gesandte Lisola war, war
diese Art von Wertzeichen völlig neu; und ehe er auf diese
Vorschläge einging, erkundigte er sich erst bei einigen Amster-
damer Banquiers, ob sie auf Scheine dieser Art in der That
baar Geld geben würden. Erst als diese es bejahten, nahm
er den Antrag ad referendum; erklärte aber selbst in seiner Relation
dem Kaiser diese Art der Bezahlung als den Umständen angemessen.
In Wien dagegen, wo man von dieser Entwicklung des
Holländischen Geldwesens natürlich keine Ahnung hatte,
hielt man die Obligationen für nichts Anderes, als für
die allbekannten Wechsel, auf welche die darauf vermerkte
Summe — mit einigem Agio — an beliebigen Orten erhoben
1   Rel. Lis. u Krampr. d. d. Haag, den 28 Juli 1672: quoad summam du-
centorum millium Imperial, anticipandam maximas habuimus tricas ac molestias,
eo quod id lioo rerum statu extra ipsorum potestatem situm foret, firmiter
assererent, quod cum nulla alia ratione possemus evincere, in eo convenimus per
specialem actum etc. etc., lit nobis obligationes et assignationes darent ac plenam
satisfactionem nostram pro capitali et usura illius summae, ut ea mediante mntuam
pecuniam nobis procuremus pro rata residuae summae, quam in paratis persolvere
nequirent. — Siehe auch Beil. I. —■
2  Rel. Lis. u. Krampr. d. d. Haag, den 22 Sept. 1672 —
3  Ebenda. —
-ocr page 64-
58                   EINWIRKUNG DER AMSTERDAMER BÖRSE
werden könnte. Man kätte die Baarzaklung natürlick am lieb-
sten gekabt, allein da das unter den augenblicklicken Umständen
nickt erreickbar sckien, und die Gesandten meldeten, dass Holland
sick zwar positive und ohne einige Obligation oder Apocken
zu besagten Subsidien kätte verpflichten, kernack aber sick mit
der Unmöglickkeit davon entschuldigen können, wie es der
Gebrauck bei denen Bepubliken ist,» : so fügte man sick der
Notwendigkeit und ging merkwürdig scknell auf diese neue
Art der Zahlung ein, verlangte aber — auf die unerklärlicken
Schwankungen des Wertes dieser Art von Wecksei aufmerksam
gemackt, — dass einige Holländiscke Kaufleute sick
zur Annakme derselben zu einem bestimmten Course
natürlick zu einem möglickst koken — und zu bestimmten
Zeiten — alle zwei Monate — verpflickten sollten! 2 Es
kostete Lisola Müke, seine Vorgesetzten von diesem unsinnigen
Verlangen vertragsmässiger Pestsetzung der Course abzubringen,
okne sie von dessen Unmöglickkeit überzeugen zu können. —
Selbst der Gesandte einer so handelskundigen Nation, wie
Dänemark war, konnte sich in Geschäften dieser Art nicht
zurechtfinden. Er gestand dem kaiserlicken Gesandten Kram-
prickt einmal, dass er auf keinen Fall seinem Könige raten würde,
die Subsidien in Obligationen anzunekmen; denn — «entweder
haben die Generalstaaten Credit oder keinen. Haben sie keinen,
so seien die Obligationen umsonst. Haben sie Credit, so sollen
sie selbst das Geld aufnekmen und seinen König zaklen.» 8 Es war
vor der Hand unmöglich, ikn von dieser Ansickt zu bekekren. —
Man kann sick denken, dass bei diesem Mangel an Ver-
ständniss für eine so eigentümlicke Art der Zaklungsmoda-
litäten und einem solcken Misstraun gegen die Ausführung der
Fundamentalbestimmung aller mit Holland zu sehliessenden
Verträge die Bückwirkung dieser Geldverkältnisse auf die Politik
1  Relatio Gonferentiae pp. d. d Wien, den 13 Oct. 1672. —
2  Kais. Rescr. v. 22 Oct. 1672 an die Gesandten im Haag. —
3  Kel. des Krampr. d. d. Haag, den 13 Oct. 1672. —
-ocr page 65-
AUE DIE EUROPÄISCHE POLITIK.                        59
der mit Holland in freundlichen Beziehungen stehenden Mächte
ein mehr negativer — hemmender, als fördernder sein musste.
Und in der That ist diese Wirkung hei allen Staaten, welche
in dieser Zeit zu Holland in nahen Beziehungen standen oder
in dieselben treten wollten, wahrzunehmen — zumal in der
Politik des Wiener Hofes und der Dänemarks. —
-ocr page 66-
60
Beeinflussung der kaiserlichen Politik durch die
Amsterdamer Börse.
Der Kaiser — wie gesagt — ging > weü er die Gefahren
jener Art Bezahlung noch nicht kannte und das Geld gern
und bald haben wollte, auf den Antrag seiner eignen Gesandten
ohne Umstände auf die Annahme der Obligationen ein. x Auch
als Lisola meldete, dass die Generalstaaten ihre Schuldscheine
nur zu 4% verzinsen, die Kaufleute dagegen auf dieselben nur
zu 6°/o Zinsen Geld geben wollten, also nötig sei noch 2°/0
hinzuzulegen, hatte er gegen diesen kleinen Abzug von der zu
erhaltenden stattlichen Summe nichts einzuwenden. Lisola konnte
in seiner Relation vom 22 September 1672 dem Kaiser dieses
Opfer für die allgemeine Sache um so eher zumuten, als grade in
jenen Tagen infolge der Bewegung der alliirten Armee gegen
den Ehein der Cours in schnellen Sätzen sich dem vollen Werte
der Obligationen näherte und Jedermann in Holland mit der
anscheinend nahe bevorstehenden günstigen Wendung des Krieges
auch die Wiederkehr der normalen Geschäftsverhältnisse für
selbstverständlich hielt, von denen man sich der unerwartet
unglücklichen Kriegsereignisse wegen nur gleichsam ausnahms-
weise einmal entfernt hatte.
Das Fallen der Course infolge der Wendung der alliirten
Armee nach Süden musste somit ein hervorragendes Moment
bei den kaiserlich-holländischen Verhandlungen werden; denn
weder hatten die Holländer im Entferntesten eine solche Aen-
demng der Kriegführung der Verbündeten für möglich gehalten,
1 Belatio Conferentiae etc. d. d. Wien, den 19 Aug. 1672. —
-ocr page 67-
BEEINFLUSSUNG DER KAISERLICHEN POLITIK.             61
noch die kaiserlichen Unterhändler ein abermaliges Fallen der
Course bei ihren Berechnungen für die zu erwerbenden Subsidien
irgendwie in Betracht gezogen. Es entstand infolgedessen nach
jenem Umschlage beiderseits Verwirrung und Misstraun; —
Unwillen in Holland über die treulosen Verbündeten und
Zurückhaltung auf Seiten der kaiserlichen Gesandten, deren
Annahme der Obligationen zu ihrem Nennwerte nunmehr
zugleich die Anerkennung eines namhaften Verlustes an Subsi-
dialgelden bedeutet hätte, welchen Lisola nicht wagte für den
Kaiser zu übernehmen. 1 Je weiter die Armee nach Süden zog,
je mehr die Course fielen — Anfang December 1672 hätte
man 20% verloren —, desto mehr wich der kaiserliche Gesandte
bei den Verhandlungen der Zahlung mit Obligationen aus.
Da indessen Lisola sein ganzes persönliches Interesse dem
Zustandekommen dieses Vertrages gewidmet hatte, 2 liess er
sich keine Mühe verdriessen, für die Geldfrage gleichwol eine
erspriessliche Lösung zu suchen, indem er noch andre — vom
Cours unabhängige — Zahlungsmittel ausfindig zu machen suchte.
200.000 Reichsthaler sollten dem Kaiser sofort erlegt werden.
Da verlangte Lisola zu ihrer Liquidirung ■— angeblich um die
ersten grossen Ausgaben für die kaiserliche Armee sogleich decken
zu können — eine Anweisung auf die zwei Millionen, welche die
Indische Compagnie dem Staate geliehen hatte.3 Allein man erklärte
ihm, dass dieses Geld schon seine Bestimmung hätte. Dann
verlangte er, diese Summe in Hamburg auf Pfänder aufzu-
nehmen und diese dann mit den Obligationen einzulösen;
aber die Kaufleute, welche sich ehedem selbst hierzu erboten,
antworteten ihm jetzt — Ende November 1672 — gar nicht
auf seine Schreiben; sie wurden infolge der faulen Kriegführung
1  Lis. an Hoclier d. d. Haag, den 24 Nov. 1672 und an Dens. d. 5. Dec. 1672. —
2  Grossmann: Lisola a. a. O. —
3   Rel. Lis. u. Krampr. d. d. Haag, den 15 Dec. 1672. —
-ocr page 68-
62             BEEINFLUSSUNG DER KAISERLICHEN POLITIK
und der schlechten Aussichten auf die Zukunft «reservirt.» 2
Dagegen drängte der Kaiser in jedem Kescript — ohne zu
ahnen, welche Verluste derartige Befehle für ihn zur Folge
haben konnten, — auf Zahlung des Geldes: die Armee, welche
man schon vor Abschluss des Vertrages Holland zu Nutze habe
marschiren lassen , und welche durch Ablenkung der Feinde auf
das Eeich auch schon so grosse Erfolge erzielt habe, gehe unfehl-
bar zu Grunde, wenn nicht sofort gezahlt werde; während Lisola
wiederum bei seinem besseren Verständniss der Dinge sich
trotzdem gegen eine mit solchen Verlusten verbundne Zahlung
der Subsidien sperrte. 2 So würde denn der Cours von 83°/0
Anfang Deceniber 1672 noch fast verhängnissvoll für die end-
liche Ratification des kaiserlich-holländischen Vertrages geworden
sein, — wenn nicht Lisola einsichtsvoll genug gewesen wäre,
sich zu überzeugen, dass, wie die Dinge nun einmal lagen,
man mit der Forderung der Baarzahlung Unmögliches von den
Holländern verlangt hätte. Er gab nach, erklärte sich zur
Annahme der Obligationen bereit, — verlangte aber, dass ihm
der beim Verkauf der Obligationen entstehende Verlust durch
neue Obligationen ersetzt werde. Das wurde ihm vorläufig ver-
sprochen und so endlich ratificirt. 8
Die Bezahlung der versprochnen Subsidien an den Kaiser
erfolgte freilich auch jetzt noch nicht sogleich. Denn kaum vier-
zehn Tage nach der endlichen Ratification erfolgte jene plötzliche
Entwertung der Papiere, welche das Resultat des unglücklichen
Ausgangs der Belagerung von Charleroy und des Vorbruchs der
Franzosen über das Eis gegen Amsterdam war. Lisola hatte in der
Hoffnung auf erhebliches Steigen der Course nach dem glücklich
vollführten Unternehmen des Prinzen mit dem Verkaufe der
1  las. an Hoeneß d.d. Haag, den 5 Dec. 1672: sed eunetatio nostra et pericu-
lum, quod sibi imminere eredunt, totalis exitii reddunt eos magis strictos et reser-
vatos. —
2  Ebenda. —
3   Eelation vom 15 Dec. 1673. —
-ocr page 69-
63
DURCH DIE AMSTERDAMER BÖRSE
Obligationen gewartet: ' Statt dessen waren die Anschläge des
Prinzen missglückt, die der Feinde beinahe gelungen. Er konnte
den jammernden Kaiser natürlich wieder nicht befriedigen und
musste sich damit begnügen, ihm die Ursachen seines passiven
Verhaltens klar zu machen. Aber grade dieses furchtbare
Fallen der Course verfehlte auch in Wien seinen Eindruck
nicht; man gelangte zur Überlegung und endlich zu einigem
Verständniss für diese eigentümliche Art des Geldwesens. In
einem Plane, den man in Wien neuerdings wieder auf das Hol-
ländische Geld fundirt hatte, zeigte sich die erste Wirkung dieses
Verständnisses auf die allgemeine Politik und die Kriegführung.
Es war im letzten Feldzuge klar geworden, dass für die
notwendige Ueberschreitung des Rheins nichts so hinderlich
war, als dass man keines Passes über denselben im Voraus
versichert war. Man dachte daher im Lager der Verbündeten
daran, durch Unterhandlung mit einem am Rhein gesessnen
Fürsten zu einem solchen zu gelangen; und in der That er-
klärte sich auch sehr bald der reichspatriotische Kurfürst von
Trier bereit, den Alliirten seine Rheinbrücke zwischen Coblenz
und Ehrenbreitenstein zu überlassen, wenn man ihn in den
Stand setze, zur Sicherung dieser Brücke auf beiden Seiten des
Rheines Brückenköpfe anzulegen und diese mit einigen Truppen
zu besetzen, um sie wenigstens gegen Handstreiche französischer
Streifparteien zu decken. Dieses Verlangen des Kurfürsten
erschien billig; und man einigte sich dahin, demselben monatlich
5000 thlr. zu geben, wovon 2000 thlr. der Kurfürst von Bran-
denburg und 3000 thlr. der Kaiser selbst übernehmen sollte.
Am 31 December 1672 wurde dieser Vertrag bis auf Ratifi-
cation durch die beiderseitigen Regierungen von den Unter-
händlern unterzeichnet.
Dass nun der Kaiser die Vorteile dieses Vertrages gemessen,
das Geld aber nicht selbst zahlen wollte, war selbstverständlich;
1 lis. a, d. Kaiser, d, d. Haag, den 26. Dec. 1672, —»
-ocr page 70-
64              BEEINFLUSSUNG DER KAISERLICHEN POLITIK
Es wurde also — dem Lisola befohlen, den Holländern dar-
zuthun, dass das Misslingen des letzten Feldzuges vorzüglich
an dem Mangel eines Bheinpasses gelegen habe, wie segensreich
also dieser Vertrag mit Kurtrier auch für Holland, und dass
infolgedessen auch billig sei, dem Kaiser einen Theil der Kosten
zu vergüten. — Mit seiner gewöhnlichen Geschicklichkeit und
im richtigen Moment diese Sache in die allgemeinen Verhand-
lungen einflechtend, 1 brachte Lisola in der That die Holländer
dazu, dem Kaiser ausser den vertragsmässigen Subsidien noch
2500 thlr. monatlich für den Kurfürsten von Trier zu zahlen, 2
— von welcher Abwälzung natürlich weder der Kurfürst von
Brandenburg noch der von Trier etwas wissen sollte. Somit
war auch dieser Tractat auf die Holländischen Geldverhältnisse
fundirt und zwar um so mehr, als der Kurfürst von Trier das
Geld natürlich in baar erhalten, der Kaiser also die wahrschein-
lichen Verluste beim Verkaufe der von den Holländern zu
erhaltenden Obligationen aus eigner Tasche hätte ersetzen
müssen, — ein Ersatz, der in Anbetracht des augenblicklichen
Standes der Course höchst empfindlich hätte werde können.
So überlegte man sich denn in Wien in einer Oonferenz der
Geheimen Räte am 26 Januar 1673 noch einmal, ob man
den von den beiderseitigen Unterhändlern bereits unterzeichneten
Vertrag mit Kurtrier nun auch ratificiren solle oder nicht.
Man constatirte, dass «diese Trierschen Tractaten wegen der
versprochnen Pass und Repass, auch der Festung am Rhein
und Mosel und der ingefolgedessen möglichen Sperrung dieser
Ströme für die ■ Franzosen von einer solchen so guten und
grossen Nutzbarkeit seien, die nicht auszusprechen;» . man
wollte sie daher zwar «in Allweg» aber derzeit nicht positive,
sondern nur conditionaliter ratificiren, weil man erst vorher
wissen wolle, «ob die Spanier die 2000 Mann völlig oder ein
V Grossmann a. a. O. —■
2 Rel. v. 15 Dec. 1672. —
-ocr page 71-
DURCH DIE AMSTERDAMER BÖRSE.                        65
Theil und was sie davon hergeben, auch wie und was Mittelu
Kurbrandenburg die seinige 2000 thlr. und die Holländer die
ihrige 2500 thlr. oder die völlige 3000 thlr. hergeben wollen und
dieses um so viel mehr, weil auch Brandenburg nicht mit den
obhabenden Ausgaben völlig allezeit gefolgen kann; es auch
derzeit mit den Holländern so übel gethan, dass
man auf ihre axionen das ist aestimationen und den
Werth ihrer Obligationen jetzo bald etwas hohes
bald aber weniges zu anticipiren bekommt. Wie dann
von selbigen ein axion p. 100 von Anfang des Kriegs
nur 80 hernach noch weiters herab und zunächst
bei Verlassung Charleroy und hingegen Uebergang
Potegrave gar auf 55 herabgefallen und man also
auf ihr Obligation p. 100 fi. nur 55 oder gar 50
haben können.)) — Aus diesen Gründen hielt man eine
«positive» Ratification für nutzlos, weil, falls Spanien, Branden-
burg und Holland das Ihrige nicht leisten könnten, Kurtrier
auch zu den Gegenobligationen nicht verbunden wäre: Man
beschloss die Ratification aufzuschieben, bis man dieser drei
Stücke versichert sei. * Infolge dieser Nichtratification
der Kurtrierschen Tractaten war der Rhein bis auf
Weiteres für die deutsche Armee unüberschreitbar. —
Der Kaiser hatte — von seinem Standpunkte aus ■— in
der That alle Ursache misstrauisch zu sein; denn trotz der
beiderseitigen Ratification seines Vertrages mit Holland wollte
das heiss ersehnte Geld noch immer nicht kommen. Es waren
eben mancherlei dem Kaiser unbegreifliche Schwierigkeiten zu
überwinden.
Am 13 December 1672 war zwar ratificirt worden, nach
Lage der Dinge aber konnten die ersehnten Subsidien noch
keineswegs sogleich fliessen; denn nun mussten die Obliga-
1 Votum über des v. Goes Schreiben vom 6, 8 und 12 Januar 1673 d. d. Wien,
den 30 Januar 1673. —
-ocr page 72-
66              BEEINFLUSSUNG DER KAISERLICHEN POLITIK
tionen erst hergestellt werden, auf welche das Geld erhoben
werden konnte. Bedenkt man, dass zur Deckung der sofort
zu zahlenden 200.000 thlr. einige Hundert — ganz besonders
von Lisola verklausulirter x und daher nicht schon vor Abschluss
des Vertrages anzufertigender — Obligationen geschrieben,
von den betreffenden Staatsbeamten unterzeichnet und unter-
siegelt werden mussten, so war schon hierzu kein geringer
Aufwand von Kraft und Zeit nötig. Anfang Februar 1673
hatte Lisola erst 113.000 fl. in Obligationen d. h. ein Drittel
der stipulirten Summe erhalten; und durfte er wagen, bei
einem Course von 70—75% zu verkaufen? 2 Dem Drängen
des Führers der kaiserlichen Hilfstruppen, Montecuculi, auf
Bezahlung konnte er nur dadurch genügen, dass er eine
Anzahl Obligationen einem Banquier ad depositum übergab
und dafür 10.000 thlr. erhob. Dem Spanischen Consul in
Amsterdam — Jakob Richard — einem an der Amsterdamer
Börse bekannten und geachteten Manne 3, trug er auf, auf
die Course zu achten und bei dem nächsten Steigen derselben
jene Obligationen den Betreffenden definitiv zu verkaufen. 4
Indess wollten die Course nicht wesentlich steigen und Lisola
musste wiederholt Geld aufnehmen und dafür Obligationen
ad depositum geben. Gewonnen wurde natürlich damit nichts;
man behielt sich nur die Möglichkeit vor, eventuel einen höhern
Cours zu erzielen. 6 Als daher die Generalstaaten versprachen
— um dem Kaiser denn doch einiges Geld zu schaffen und
ihn bei gutem Mut zu erhalten — einige Güter verkaufen
zu wollen, wenn Lisola ihnen Käufer besorgen würde, erklärte
er sich sogleich bereit dazu und suspendirte vor der Hand —■
1  Ich komme auf diesen Punkt noch später zu sprechen. —
2  Lis. an Hocher, d. d. Amsterdam, den 14 Jan. 1673. —
3  Lis. an Hocher, d. d. Amsterdam, den 21 Jan. 1673: magnaeque in hac
bursa famae et fidei etc. —
4  Ebenda. —
5  Lis. an Hocher, d. d. Haag, den 20 Febr. 1673. —
-ocr page 73-
DURCH DIE AMSTERDAMER BÖRSE.                         67
Mitte Februar 1673 — die Herstellung weiterer Obligationen
überhaupt. 1
Aber weder fanden sich bei solchen Oonjuncturen Kauflustige,
noch erreichten die langsam steigenden Course eine Höhe,
bei welcher man ohne grosse Verlaste hätte verkaufen können.
So fortwährend getäuscht in der Hoffnung auf die «schönen
Subsidien», zu denen seine Minister auf die Nachricht von der
vollzogenen Ratification des Vertrages ihm gratulirt hatten,
kann man sich nicht wundern, dass der Kaiser endlich unwillig
wurde. Sechs Monate seien schon vorbeigegangen, — klagte
er in seinem Kescript vom 5 März an seine Gesandten —
hingegen wären einige Gelder versprochen und abgeredetermassen
noch nicht eingegangen; bei längerer Ausbleibung der Subsidien
gehe die Armee unfehlbar zu Grunde, und aus eignen Mitteln
könne er sie nicht länger erhalten. Lisola solle die Generalstaaten
nachdrücklich ersuchen, besagte Subsidien nunmehr ganz unver-
langt in richtigen Mitteln zu erstatten. Er trug seinen beiden
Vertretern im Haag auf, dass Jeder besonders sein Gutachten
darüber abgebe, wessen er sich eigentlich dieser Subsidien
halber zu verlassen. 2 Denn — meinte der Kaiser — was
nützen die Apochen, wenn man kein Geld darauf erhält; 3 er
wollte seine Pläne darnach fassen. 4
Es ist nun charakteristisch nicht nur für ihre Personen,
sondern für die Behandlung dieser Art von Geschäften in jenen
Tagen überhaupt, wie beide kaiserliche Gesandte im Haag —
Lisola und Krampricht — diesen Befehl ihres Kaisers ausführten.
Jeder von ihnen repräsentirte dabei — so zu sagen — eine
der beiden Richtungen, welche in politischer Sphäre damals
diesem Holländischen Geldwesen gegenüber statthatten: die des
1  Ebenda. —
2  Kais. Kescr., d. d. Wien, den 5 März 1673. —
3  Kais. Kescr., v. 23 März 1673: Neque enim dictae Apochae, si nulla ex bis
pecunia baberi poterit, nobis proderunt; neque nos belli molem, si omnia in longum
protrabuntur, sustineri valebhnus. —
* Ebenda. —
-ocr page 74-
68              BEEINFLUSSUNG BER KAISERLICHEN POLITIK
Misstrauens und der Zurückhaltung und — die der Fügung
in das Unvermeidliche.
Kramprichfc sprach offenbar ganz aus der Seele des Kaisers,
wenn er auf jenen Befehl hin dem Prinzen Wilhelm erklärte:
Die kaiserliche Armee habe schon so viel geleistet, dagegen
von den versprochnen Subsidien noch nichts genossen. Die
gegebnen Obligationen seien von keinem Efifect, da ohne grossen
Verlust kein Geld darauf zu bekommen wäre. Die kaiserliche
Armee könne nach so vielen ausgestandnen fatiguen von den
papiernen Obligationen nicht leben, und der Kaiser sei nicht
im Stande, die Kosten dafür länger zu tragen. Holland solle
daher auf andre Mittel gedenken, den Kaiser zu bezahlen.
Darauf der Prinz und Fagel: Sie hätten dem Tractat genug
gethan, indem sie Obligationen gegeben. Baar Geld zu geben
oder die Subsidien auf andre gangbare Mittel zu assigniren,
könnte nicht geschehen; das baare Geld hätten sie nicht, die
andern gangbaren Mittel müssten für Heer und Flotte verwendet
werden und würden selbige nicht einmal genug erklecklich
sein. Dass die Obligationen bis dato in keinen Credit
gekommen wären, komme daher, dass die Auxiliar-
Völker und ihre eigne Armee keinen glücklichen
Success gehabt. — Krampricht konnte indessen in seiner
Relation schliesslich nicht umhin, auch seinerseits die Ueber-
zeugung auszusprechen, dass baare Mittel unter den augenblick-
lichen Verhältnissen von der Holländischen Regierung in der
That nicht zn. beschaffen seien; und «wenn man Alles darauf
conditioniren wollte, so würde man in Holland nur kleinmüthig
werden und desto nothwendiger finden, sich zum dargebotenen
Frieden zu verstehen.» 1
Lisola dagegen, welcher sich mit den Börsengeschäften längst
vertraut gemacht hatte und als ächter Diplomat die Dinge
zu nehmen verstand, wie sie nun einmal waren, erwiederte
1 Bei. des Krampr. d. d. Haag, den 30 März 1673. —
-ocr page 75-
69
DURCH DIE AMSTERDAMER BÖRSE
ohne vorherige Rücksprache mit den Holländischen Staats-
männern dem Wiener Hofe — dasselbe, was der Prinz und
Fagel dem Krampricht auf seine Ergiessungen gesagt hatten,
aber noch viel energischer, als diese. In einem heftigen Schreiben
vom 25 März 1673 an den kaiserlichen Minister Hocher be-
schwert sich Lisola noch einmal über die Kriegführung der
kaiserlichen Armee, die weder Krieg noch Frieden bedeute:
Die Holländer würden den Krieg gern fortsetzen und die Mittel
ihnen nicht fehlen, wenn sie sich nur kräftig unterstützt sähen.
Dadurch würde den Generalstaaten der Credit bei den Kauf-
leuten wiedergestellt, der jetzt völlig geschwunden sei. 1 In
Amsterdam und den andern Städten sei Geld im Ueberfluss
vorhanden, aber nur bei Privaten, welche bei so unglücklichem
Fortgang der Dinge dasselbe zurückhalten. Man erkenne hieraus,
dass die Grundlage von Allem darin beruhe, dass die Sache
so gemacht werde, dass das Holländische Volk auf Besserung
der Dinge hoffen dürfe. 2 In seinem Schreiben vom ersten April
an den Kaiser in dieser Angelegenheit schlägt Lisola natürlich
einen weniger heftigen, aber — im Hinblick auf seine häu-
figen Auslassungen in dieser Sache — doch sehr ironisch-
schulmeisterlichen Ton an. Er setzte darin dem Kaiser unter-
tänigst auseinander, dass die Subsidien der Holländer hur in
Apochen gezahlt würden, deren Wert nach dem Fortgang der
allgemeinen Ereignisse sich vermehrt oder vermindert, so dass
ein bestimmter Wert derselben nicht anzugeben sei; und da
derselbe bei den bisherigen schlechten Erfolgen des Krieges
sehr gesunken, so habe er noch nichts von den Obligationen
verkaufen, sondern nur eine Anzahl derselben ad depositum
geben und dafür Geld aufnehmen können. Die Schadloshaltung
1   Tis. an Hocher, d. d. Brüssel, den 25 März 1673: per hoc enim resti-
tueretur creditum Statibus apud negotiatores, quod jam in totum
evanuit. —
2  Ebenda: ex qno apparet, quod fimdamentum omnium in eo positum sit,
ut ita res disponatur, ut populus Hollandicus sperare possit res deinceps melius
successuras etc. etc. —■
-ocr page 76-
70              BEEINFLUSSUNG DER KAISERLICHEN POLITIK
. für den Verlust beim Verkauf habe Fagel wohl versprochen,
aber die Zustimmung der Generalstaaten dazu sei noch nicht
erfolgt. Würden die Dinge glücklich von Statten gehen, so
werde man gleichwol beim Verkauf nichts verlieren, wenn
unglücklich, so sei ein grosser Verlust zu erwarten. Bei diesem
Mangel an Vertrauen bei den Kaufleuten würden die « Staaten »
nicht lange mehr bestehen können. Das Hauptmonient liege
also darin, den Waffenruf wiederherzustellen; sei das
geschehen, so werde das Geld reichlich füessen,was
in Amsterdam noch in grösster Menge vorhanden sei. * —
Tröstlich waren diese Berichte freilich nicht für den Kaiser.
Mitte April hatte Lisola noch nicht einmal alle Obligationen
beisammen, geschweige dass er bei den niedrigen Coursen auch
nur den geringsten Verkauf hätte unternehmen können. 2
So hatte denn der Kaiser den Zweck verfehlt, den er durch
seine Verbindung mit Holland gesucht hatte. Seine Absicht
war gewesen, im Hinblick auf die allgemeine Gestaltung der
Europäischen Politik, namentlich im Hinblick auf das TJeber-
greifen Frankreichs und die Unabwendbarkeit eines Krieges mit
dieser Macht eine Armee aufzustellen und sich — im Ermanglung
eigner Mittel — dieselbe von den Holländern bezahlen zu
lassen, zu deren Gunsten sie scheinbar agirte, um sie dann
in dem geeigneten Momente, den der Kaiser noch nicht für
gekommen hielt, zum Besten seines Hauses zu verwenden.
Nun hatte er die Armee aufgestellt; aber grade indem er
dieselbe seinen Absichten gemäss zurückhaltend die Feinde
Hollands nicht thatkräftig bekämpfen Hess, trat die für ihn
unerwartete Folge ein, dass es den Holländern unmöglich
wurde, ihren pecuniaren Verpflichtungen nachzukomen. Als
1  Lis. an d. Kaiser, d. d. Brüssel, den 1 April 1673: Nee diu subsistere
poterunt Status deficiente ipsis apud negotiatores fide ideoque praeeipuum rei
niomentum in ea consistit, ut famam armorum restituamus, quo pacto redintegrata
Statuum autoritate abunde peeunia fiuet, quae Arastelodami adhuc est in maxima
copia. —
2  Lis. an Hocher, d, d. Brüssel, den 15 April 1673. —
-ocr page 77-
mmmmm
DURCH DIE AMSTERDAMER BÖRSE.                         71
der Kaiser über die Nichtzahlung der Subsidien klagte, musste
er von seinen eignen Gesandten — sehr richtig — hören:
Die kaiserliche Armee solle nur näher herankommen und handeln,
so werde sie jede beliebige Summe erhalten können. x Eben
das wollte er nicht. Aber indem er damit einer Entwicklung
entgegenstrebte, welche natürlicher war, als seine egoistische
wenn auch fein berechnete Politik, täuschte er sich durchaus
in seinen Berechnungen, bei denen er die allgemein wirkenden
moralischen Faktoren ausser Acht gelassen hatte. Dass die
Zweideutigkeit seines Benehmens in Holland Misstrauen er-
zeugen würde, hatte der Kaiser nicht für möglich oder für
gleichgiltig gehalten; dass dieses Misstrauen aber Creditlosigkeit
seiner Bundesgenossen erzeugen, und diese wiederum, ihn selbst
um den erhofften Gewinn seiner schlau angelegten Politik bringen
könne, hatte ausser dem Bereiche seiner Erwägungen gelegen:
Die Amsterdamer Börse, in diesem Punkte die Re-
präsentantin der allgemeinen. Interessen gegenüber
den einseitigen nnd egoistischen des Kaisers, hatte
die Absichten des Letzteren zu Schanden gemacht.—
Aber grade dieses Fehlschlagen der kaiserlichen Politik in
Bezug auf die Holländischen Revenuen bezeichnet einen weiteren
Fortschrift in der Entwicklung dieses eigentümlichen Geldwesens.
War bei den Verhandlungen zwischen Holland und dem
Kurfürsten von Brandenburg im Mai 1672 die Baarzahlung
in Holländischem Gelde noch als etwas Selbstverständliches in
den Vertrag aufgenommen worden 2, so hatten die Ereignisse
des Juni bewirkt, dass bei den nun folgenden kaiserlich-
holländischen Bündnissverhandlungen die Baarzahlung der Sub-
sidien zwar nicht von vornherein negirt, aber gleichwol in
1  Lis. an Hocher, d. d. Haag, den 5 Dec. 1672 u. an denselben, d. d.
Amsterdam, den 21 Jan. 1673. —
2    § 12 des Vertrages vom 6 Mai 1672: „Ihre Hochmögenden sollen Ihre zu
vorbesagter Unterhaltung requirirte quota mit dem Anfang eines jeden Monats
prompt und in baarem Gelde in Hamburg oder Bremen zahlen etc." —
-ocr page 78-
mm
72              BEEINFLUSSUNG DER KAISERLICHEN POLITIK
den beiderseits unterzeichneten Vertrag vom 25 Juli 1672
absichlich nicht aufgenommen, vielmehr in einem Neben-
artikel x ausgemacht wurde, dass es den Holländern, «da
ihnen die Baarzahlung zu Amsterdam oder Hamburg — wie
in dem Vertrage bestimmt — unter den augenblicklichen
Umständen und zu den bestimmten Terminen sehr schwer oder
fast unmöglich fallen würde,j> freistehen solle, dem Kaiser die
fälligen Summen in Apochen oder Obligationen in gesetzlicher
Form zu zahlen. Diese Nebenbestimmung wurde in die oinciellen
Zusatzartikel vom 22 September 1672 ausdrücklich aufgenommen
und zu einem integrirenden Theile des Vertrages gemacht, —
indem die kaiserlichen Gesandten in ihrer Unerfahrenheit die
Obligationen noch zu ihrem Nominalwerte annahmen, und
die Holländer sich natürlich hüteten, ihre Contrahenten über
den Unterschied zwischen dem Nominal- und dem Realwerte
ihres Geldes zu belehren. Aber noch vor der definitiven
Ratification des Vertrages wurden den Letzteren die furchtbaren
Verluste klar, welche sie auf diese Weise an ihren Subsidien
zu erleiden gehabt hätten, und so erfolgte ihrerseits die endliche
Vollziehung des Tractates am 13 December 1672 vorsichtiger-
weise nur unter der — mündlich zwischen den Unterzeichnern
verabredeten — Bedingung, dass die beim Verkaufe der Obli-
gationen entstehenden Verluste dem Kaiser nach dem Frieden
ersetzt werden sollten. Aber wenn diese mündliche Verabredung
auch im April 1673 2 wiederum schriftlich fixirt wurde, so wog
dieser spätere Ersatz den augenblicklichen Schaden — mehr
als den vierten Theil der vertragsmässig zu zahlenden Summe
und augenblicklich um so empfindlicher, je notwendiger der
Kaiser das Geld grade jetzt zur Erhaltung der Armee brauchte —
doch keinesweg auf, und der Kaiser verfehlte den bei der
Holländischen Alliance gesuchten Zweck durchaus: Aber indem
nun die allgemeine politische Entwicklung den Kaiser trotz
1  Beil. i. —
2  Beil. III. —
-ocr page 79-
DURCH DIE AMSTERDAMER BÖRSE.                        73
alledem bei der AUiance mit Holland festhielt, hatte man
nach dem Misslingen des ersten und zur Inscenirung des
zweiten Feldzuges — im Mai und Juni 1673 — nichts
Wichtigers und Eiligeres zu thun, als über die Modalitäten
der zukünftigen Subsidienzahlung auf neuer Basis zu verhandeln,
nachdem die alte Art sich so durchaus mangelhaft erwiesen
hatte. Es war nach den gemachten Erfahrungen nun eine
naheliegende Consequenz, wenn der Kaiser — nach Lage der
Dinge nun einmal genötigt, Obligationen als Zahlungsmittel
anzunehmen —■ um die ganzen ihm zukommenden Summen
sogleich und ohne Abziig zu erhalten, die Obligationen nicht
mehr zu ihrem nominellen Werte mit dem späteren Ersätze
der Coursdifferenz nehmen wollte, sondern verlangte, « dat de
Staten in Obligation zooveel zouden voldoen, als de waarde
bedroeg van hetgeen zij baar hadden moeten betalen.» x
Mit
dieser ßeducirung der Obligationen auf ihren Oours-
wert traten die Holländischen Sta'ats-Obligationen
in die Reihe der Europäischen currenten Zahlungs-
mittel ein; der Courswert hörte auf, für eine vorüber-
gehende Abnormität gehalten zu werden, und — das
Definitivum in der Behandlung von Börsenpapieren
überhaupt war damit erreicht. —
1 Müller: Nederlands eerste betrelckingen met Oostenrijk, Amsterdam 1870.
Pg- 67. -
-ocr page 80-
74
Die Beziehungen KurbrandenMrgs zur
Amsterdamer Börse.
Und betrachten wir einmal unter demselben Gesichtspunkte
die Stellung des Kurfürsten von Brandenburg zur Amsterdamer
Börse!
Der Kurfürst war berechtigt auf Grund seines Vertrages mit
Holland, der noch vor dem Ausbruch des Krieges — im Mai
1672 •— ratificirt worden war, die Subsidien in baarem Gel de
— nicht in Obligationen — zu verlangen; und es konnte ihm
völlig gleichgiltig sein, auf welche Weise die Holländer das
baare Geld für ihn flüssig machten. Indem nun die Letzteren
infolge der unerwartet unglücklichen Kriegführung das baare
Geld nicht mehr aus ihren bisher immer vollen Kassen ent-
nehmen konnten, sondern selbst erst von Privatleuten — gegen
Obligationen -r- entleihen mussten, und indem ferner aus
denselben Gründen obenein noch ihr Credit und dem ent-
sprechend auch der Wert ihrer Schuldscheine immer tiefer und
tiefer sank, so musste ihnen bei dem niedrigen Stande der Course
die Bezahlung des Kurfürsten nunmehr ungeheuer viel grössere
Opfer auferlegen, als bei Schliessung des Vertrages von ihnen
in Betracht gezogen worden war. Lisola wusste in jeder Rela-
tion zu berichten, wie unglaublich schwer es der Holländischen
Regierung wurde, Geld zu erhalten ans Mangel an jeglichem Ver-
trauen infolge der bisher so unglücklichen Kriegführung. Er erklärte
es — wie wir sahen — für das Fundament einer besseren Entwick-
lung , derselben erst wieder Credit zu verschaffen. Und war der
Kurfürst nicht mit Schuld an der Creditlosigheit der Holländischen
-ocr page 81-
DIE BEZIEHUNGEN KURBRANDENBURGS.                     75
Regierung? Er war vertragsmäßig verpflichtet, mit seiner
Armee direct nach Holland zur Vertheidigung dieses Landes
gegen die Franzosen zu marschiren: Indem er nun aber nicht
nur nicht, wie verabredet war, den Holländern direct zu Hilfe
zog, sondern im Gregentheil — statt die Franzosen energisch
zu bekämpfen — in Gemeinschaft mit der kaiserlichen Armee
und von dieser geleitet von Holland sich entfernend den
Franzosen auswich und durch die moralischen Folgen dieser
erbärmlichen Kriegführung es der Holländischen Regierung
unglaublich erschwerte, ihren Zahlungsverbindlichkeiten nach-
zukommen, konnte man es der Letzteren verdenken, dass
sie mit den Subsidienzahlungen an den Kurfürsten einhielt?
Sollte sie den Vertragsbrüchigen Bundesgenossen nur deshalb
mit ungeheuren Opfern befriedigen, damit nur sie allein den
Vertrag nicht zu verletzen schien? — Dass die Holländische
Regierung im März 1673 dem Kurfürsten seit fünf Monaten
keine Subsidien gezahlt, * ist verständlich, wenn man daran
denkt, dass vor fünf Monaten — Anfang October 1672 —
der Cours der Holländischen Obligationen auf 95% stand, und
das Geld damals noch mit verhältnissmässig geringem Verlust
zu haben war, während seitdem der Credit beständig gesunken
und die Course nach der grossen Baisse infolge der unglück-
lichen Belagerung Ton Charleroi sich bis zum Abfall des
Kurfürsten nur mit Mühe und Not auf 76a/0 erhoben hatten. Es
ist daher die volle Wahrheit, wenri der Ratspensionair von
Holland, Caspar Fagel, am 1 April 1673 an den bei dem
Kurfürsten von Brandenburg residirenden Staatischen Gesandten
Amerongen als Antwort auf die bezüglichen Klagen des Kur-
fürsten schrieb: «Es ist wahr, dass die Subsidien nicht mit
der vertragsmässigen Pünktlichkeit bezahlt worden sind; aber
es ist auch wahr, dass der Herr Kurfürst seinerseits dem
1 Urk, u. Aktenst. zur Gesch. des Kurf. Friedr. Willi, von Brdbg. Bd. III.
S. 373: Amerongen an d. Griffier d. d. Minden, den 3 März 1673. —
6
-ocr page 82-
76                    DIE BEZIEHUNGEN KURBRANDENBURGS
Vertrage nicht nachgekommen ist, wie er verpflichtet war, und
dass diese Nichtleistung seinerseits sehr viel Ursache
zu der von ihm gerügten schlechten Bezahlung
gegeben hat, indem die Vereinigten Provinzen nicht disponirt
werden konnten, in ihrer bittersten Not Gelder zu liefern, von
denen sie, so wenig Vorteil und Frucht sahen, zudem auch
notorisch ist, dass der Geldmangel so gross gewesen
ist und noch ist, dass man kaum Mittel ausdenken
kann, um die Ausgaben zu tragen, und dasswirnicht
in solche Not geraten sein würden, wenn der Herr
Kurfürst kräftig agirt und wir dadurch einigen
Athem hätten schöpfen können; also dass darauf der
Credit sicherlich würde gestärkt worden sein.»
1 Wenn
die Holländische Regierung aber im Geheimen glaubte, durch
beständige Hinweisung auf das Sinken der Course die Bundes-
genossen zum Handeln zu treiben, so erreichte sie ihren Zweck
nur bei dem verständnissvollen kaiserlichen Gesandten Lisola,
welcher in der That in jedem Schreiben nach Wien darauf hin-
wies, dass ohne kräftige militairische Actionen das Geld nun
einmal nicht zu erhalten sei, dass dagegen die geringste
Vorwärtsbewegung der Truppen durch ein Steigen der Course
belohnt werden werde. Dagegen weder auf den Kaiser noch
auf den Kurfürsten konnten Ermahnungen dieser Art irgend-
welche Wirkung haben: Beide hatten zu geringes Verständniss
für den engen Zusammenhang des Holländischen Credites mit
ihren militairischen Diversionen oder gar für die Combination
dieser beiden Momente zu politisch-militairischen Operationen.
Der Kaiser wollte ausserdem zwar gern die Subsidien beziehen,
aber.nicht die Franzosen bekämpfen; und die letztere Absicht
hob — wie wir sahen — die Erreichung der ersteren that-
sächlieh auf: Der Kurfürst dagegen wollte zwar vor allen
Dingen die Franzosen bekämpfen und die Subsidien nur der
1 Ebenda: pg. 382—3. --
-ocr page 83-
77
ZUR AMSTERDAMER BÖRSE
Notwendigkeit halber beziehen: Indem er sich aber an den
Kaiser kettete, erreichte auch er seinen Hauptzweck nicht,
und die Nichtzahlung der Subsidien seitens der Holländer
musste freilich auch ihm höchst unangenehm sein. In dem
Schreiben vom A Mai 1673, x in welchem der Kurfürst seinem
ganzen Unwillen über die verfehlte Campagne noch einmal
Luft machte, schob er die ganze Schuld dieses Misslingens
auf die Holländische Regierung, welche ihm durch die Nicht-
zahlung der Subsidien ein kräftigeres Wirken und das Festhalten
an der Alliance unmöglich gemacht habe. Er zählt ihr darin
noch einmal alle seine Verdienste um die Vereinigten Provinzen
vor: Er sei denselben allein beigesprungen, als sie sich in
grösster Verzweiflung befanden; er habe die Feinde von ihnen
ab und in seine Länder gezogen, die dadurch ruinirt worden
seien, und obwol er gleich Anfangs die Werbegelder nicht
richtig erhalten habe, so habe er, um die Armee richtig zu
stellen, Domainen und Herrschaften versetzt und noch 6000
Mann mehr als verpflichtet gestellt. Nur allein darum könne
er nicht umhin, Ihre Hochmögenheiten zu erinnern, wie fleissig
und unablässig er sie dringender Not halben um richtige
Bezahlung der accordirten Subsidien anhalten lassen «mit so
deutlicher Vorstellung, was vor grosse Ungelegenheit Uns und
der allgemeinen Sache daraus entstünde, wie die Armee dadurch
zu Grunde gehen und alle gute Occasiones etwas vorzunehmen
versäumet werden würden, sonderlich die so höchstnötige
Magazinen dieser Misszahlung halber nicht angeschaffet werden
können, da wir indessen den zu Unterhaltung der Garnisonen
vorhandnen Vorrat mit der Armee consumiren und dadurch
unsere feste Plätze in Gefahr stellen müssen». Aber auch
darauf sei nichts erfolget als vergebliche Vertröstungen, «auch
oftermalen auf ganz nichtige unbegründete Zei-
tungen die Zahlung aufgehalten oder zum wenigsten
1 Lünig: Teutsche Reichskanzlei. TM. III. pg. 31 sq. —
-ocr page 84-
78                    DIE BEZIEHUNGEN KÜRBRANDENBURGS
der Prätext davon genommen worden», ungeachtet er
seine Westfälischen Lande darüber verloren. Alle seine Vorstel-
lungen und Vorschläge habe man nicht beachtet, sodass es
fast das Ansehn gewinnen wollen, als wann der Euin seiner
Armee, Verlust seiner Lande und der Untergang seines Staates
der gemeinen Sache sehr vorträglich sein würde. Damit ihm
nun ins Künftige nichts reprochiret werden könnte, habe er
endlich den Freiherrn von Pöllnitz abermals x an Ihre Hoch-
mögenheiten abgeschikt, Dieselben nochmals seiner Beständigkeit
zu versichern, dabei aber gar bewegliche Ansuchung thun
lassen, die versessne monatliche Subsidien alsofort zu zahlen,
(c Ob nun zwar darauf Dieselbe zur Resolution ertheilet, dass
sie von Stund an zwei Monat auszahlen und zu denen übrigen
auch Ansstalt machen wollten, so ist doch vorgedachter Freiherr
von Pöllnitz kaum abgereiset gewesen, da man eben, wie
vorhin, auf die geringste fliegende Z eitung 2 die Zahlung
gehemmet und ausserhalb eines vor fünf Monaten schon
fälligen Termins — die Ursache dessen ist bei Uns unergründlich
— nichts erfolget, noch auch einige gewisse Anzeige geschehen,
dass der Krieg hinführo mit besserm Nachdruck als wie
bishero geführet werden möge, viel weniger andere Alliirte
herbeigebracht worden.» Aus alledem habe er präsumiren müssen,
dass Ihre Hochmögenheiten ihres Friedens schon versichert
oder auch andre ihm unwissende Assistenz zu gewarten haben.
Fr habe daher, um seine Lande nicht in den äussersten Ruin
zu stürzen und das Römische Reich vor fernerer Ungelegenheit
zu schützen, ein accommodement mit Frankreich gesucht, um
auf billige Conditionen Frieden zu machen. —
Mochten diese Beschuldigungen auch mehr ein diplomatischer
Schachzug des Kurfürsten zur Bemäntelung der neuesten Wen-
1  März 1673. —
2  Hiermit sind ohne Zweifel die Ende März positiv auftretenden Gerüchte über
den völligen Abfall des Kurfürsten gemeint.—
-ocr page 85-
79
ZUR AMSTERDAMER BÖRSE.
düng seiner Politik als ernstlich gemeint sein, * so enthielt dieser
Vorwurf der Nichtzahlung der Subsidien auf die «geringsten
fliegenden Zeitungen » hin und die hierauf gerichtete Begründung
des Abfalls des Kurfürsten von der Holländischen Alliance in
unbewusster Weise gleichwol eine Anerkennung des Einflusses
der Holländischen Geldbörse auf die Brandenburgische Politik,
wie sie klarer nicht ausgesprochen werden konnte. Die alliirten
Truppen leisteten absichtlich nichts, und die Holländer zahlten
nichts, eben weil Jene nichts leisteten; und Jeder schob die
Schuld des Misslingens aller Unternehmungen auf den Andern.
Es waren dies unvereinbare Gegensätze; und der Kurfürst
konnte dieses unmögliche Verhältniss, welches für ihn darauf
hinauslief, dass sein Vertrag mit dem Kaiser, welcher ihm die
Ausführung seines Vertrages mit Holland ermöglichen oder
zum mindesten erleichtern sollte, dieselbe grade im Gegentheil
unmöglich machte, in der That nur dadurch lösen, dass er
sich von seinen beiden Contrahenten gleichzeitig trennte und
mit den Franzosen Frieden schloss. Soweit ihn die Nichtzahlung
der Subsidien von Seiten Hollands — und dies geschah wie
wir wissen in nicht geringem Grade 2 — zu diesem Schritte
veranlasste, so weit empfand auch die Brandenburgische Politik
den Einfluss der —■ Amsterdamer Börse.
1  Vergl. hierüber Peter: der Krieg des Gross. Kurf. 1672—75. pg. 135. —
2  Droysen: Preüss. Politik Bd. I1T. 3. pg. 429. —
-ocr page 86-
80
Die Dänische Politik und die Amsterdamer Börse.
Am einfältigsten dagegen benahm sich der Gesandte der-
jenigen Macht, von welcher man ihres beständigen Handels-
verkehrs mit Holland wegen am ersten ein Verständniss für
Geldverhältnisse, wie sie sich damals in Holland ausbildeten,
voraussetzen sollte, — der Dänische Gesandte.
Dänemark hatte im Jahre 1666 mit Holland, Brandenburg und
den Fürsten von Braunschweig-Lüneburg eine Quadrupelalli-
ance auf vier Jahre geschlossen. Da indessen König Friedrich III
sich sehr bald in Bezug auf Zahlung von Subsidien von
Holland benachtheiligt glaubte, so löste sich im Jahre 1670
die Alliance von selbst wieder auf; und Dänemark und Holland
blieben fortan in feindlicher Spannung gegen einander. Als
nun aber der Französisch-Holländische Krieg die Welt erschüt-
terte und zu fürchten war, dass die übergreifende Macht
Frankreichs auch auf die See sich ausdehnen könnte, und
ausserdem der alte Feind Dänemarks — Schweden — in so
auffälliger Weise sich auf Seiten Frankreichs stellte, so neigte
sich Dänemark wie immer in solchen Fällen auf die Seite
der Gegner Schwedens; eine Annäherung Hollands und Däne-
marks erschien nun wieder im Interesse Beider, und man
begann bald mit Unterhandlungen zu einem engeren Ver-
hältniss, nachdem die Holländer sich praeliminariter bereit
erklärt hatten, auch die früheren Forderungen des Dänischen
Königs zu befriedigen. Wie beim Kaiser, so war auch für
Dänemark die Erhaltung von Subsidien die Fundamentalbedin-
gung, ohne deren Erfüllung es keinen Vertrag eingehen wollte.
-ocr page 87-
81
DIE DÄNISCHE POLITIK
Der modus der Zahlung trat also auch hier sogleich in den
Vordergrund der Verhandlungen.
Der König von Dänemark sollte nach dem Wunsche der
Holländer 14.000 Mann Landtruppen stellen und wollte dafür
«proportionaliter ebensoviel» Subsidien, als der Herzog von
Braunschweig-Celle für die Lieferung seiner 9000 Mann von
den Genera]Staaten erhielt, und da dieser baar Geld bekam,
so beanspruchte auch der Dänische Gesandte baar Geld! J
Aber nun hatte jener Herzog wie der Kurfürst von Bran-
denburg seinen Vertrag mit Holland zu einer Zeit ge-
schlossen , in welcher für das Letztere die Bezahlung der
Bundesgenossen in baarem Gelde noch selbstverständlich war,
während seit Juni 1672 die Holländer nicht mehr baares Geld
genug für sich selbst geschweige für Andre hatten: Diesen
Unterschied der Zeiten wollte der Dänische Gesandte im Haag
nicht anerkennen, indem er meinte, dass die Holländische
Regierung, falls ihre Obligationen wirklich den betreffenden
Geldwert haben, ja selbst das baare Geld dafür aufnehmen
und den Bundesgenossen zahlen könnten; und er verhielt sich
durchaus unzugänglich in diesem Punkte, bis der kaiserliche
Resident Krampricht ihm auf eine derartige Äusserung einmal
klar machte, dass die Schwierigkeit der Geldaufnahme für die
Generalstaaten hauptsächlich darin läge, dass dieselben gesetz-
lich nur vier Procent Zinsen zahlen könnten,. während die
Kaufleute das Geld nicht unter sechs Procent hergeben wollten.
Wenn also der König über die vier Procent, welche er von
den Generalstaaten als Zinsen für die Obligationen erhalten
würde, noch zwei Procent zulege, so fände er mit diesem
geringen Verlust baar Geld genug in Amsterdam. Es würden
somit freilich zwei Procent von den Subsidien abgehen; aber
das sei eine geringe Sach; hingegen könne er mit der Haupt-
summe zu jetzigen Zeiten dem gemeinen Wesen und sich zum
Bei, des Krampricht d. d. Haag, d. 13 Oct. 1672. —
-ocr page 88-
82
DIE DÄNISCHE POLITIK UND
Besten grosse Sachen thun. 1 — Mit dieser Auseinandersetzung
zeigte sich der Dänische Gesandte «vergnügt» , und er begab
sich in der That — um die von Krampricht erhaltnen Andeu-
tungen sich bestätigen zu lassen und zur Einziehung weiterer
Erkundigungen — Anfang October 1672 nach Amsterdam.
Aber grade in diesem Moment erfolgte jene unmotivirte und
unheilvolle Wendung der alliirten Armee nach Süden, welche
in Holland so «schwere Gedanken» verursachte und die fast
auf pari gestiegnen Course sogleich wieder um 20% her ab-
drückte. Das Resultat dieser Informationsreise war daher ein
wenig zufriedenstellendes. Der Dänische Gesandte äusserte darüber
zum kaiserlichen Residenten: Er hätte gemeint, in Amsterdam
auf der Generalstaaten Obligationen mit Beitragung von zwei
Procent über die vier Procent Gelder erhalten zu können; er
müsse aber nunmehr das contrarium vernehmen, dass die
Kaufleute bei jetzigen Oonjunkturen, da sie noch nicht wissen,
ob dieser Staat durch die Hilfe des Kaisers und des Kurfürsten
von Brandenburg sich vom Ruin erretten werde oder nicht,
nicht gesinnt seien, gegen sechs Procent und wenn es auch
mehr wäre ihre Gelder herzugeben. Wenn sie aber sehen sollten,
dass der Kaiser und der Kurfürst den Rhein passiren und für
diesen Staat directe oder indirecte wirklich agiren würden,
und dass man die Traktaten mit Dänemark und Lüneburg schlie-
ssen sollte, dann wollten sie ihre Gelder lieber um vier Procent
als jetzt um sechs Procent auf Obligationen hergeben. — Kramp-
richt fügte diesem Berichte in seiner Relation sehr richtig
hinzu: «Es stehet also bei Ew. Kais. Maj. und Kur-
brandenburg, wie auch bei Dänemark und Lüneburg
diesen Staat in Credit zu setzen, dass er für alle seine
Alliirte Geld aufbringen könne.» 2 Somit war das
Zustandekommen des Dänisch-Holländischen Tractats auf die
1  Ebenda. —-
2  Eel. des Krampr. d. d. Haag, den 1 Nov. 1672. —
-ocr page 89-
>,
DIE AMSTERDAMER BÖRSE.                                83
Energie der kaiserlichen Politik und auf das Vertraun der
Holländischen Kaufleute in dieselbe gesetzt — Fundamente,
deren Festigkeit nicht allzu gross war. Und in der That schritten
jene Holländisch-Dänischen Unterhandlungen ungefähr in dem-
selben Maasse vorwärts, als die Operationen der verbündeten
Armeen zu Gunsten Hollands — nämlich gar nicht. Nach jenen
Erkundigungen des Dänischen Gesandten wollte man nnn in
Kopenhagen — zumal in Anbetracht jener unheimlichen Ge-
rüchte über die hinterhaltige kaiserliche Politik zunächst auf
die tatsächliche Vollziehung des Kaiserlich-Holländischen Trac-
tates warten und dann erst einmal sehen, «was man aus den
von den Generalstaaten anstatt Gelds versprochnen Obligationen
für baare Effecten für Ew. Kais. Maj. wird negociiren können.»
«Denn ohne baar Geld oder ohne Obligationen, auf die man
baar Geld mit geringem Verlust erhält, wird man in Kopen-
hagen nichts resolviren» 1 — berichtete Krampricht am 17
November seiner Regierung nach Wien. Auch Lisolas Be-
mühungen, die Dänen gefügiger zu machen, wollten wenig
helfen. 2
Als dann im November 1672. die Ratification der kaiser-
lichen Tractaten auch noch von Seiten Hollands verzögert
wurde, und die Course inzwischen immer weiter fielen, wurde
auch der Dänische Gesandte immer spröder und erklärte schliess-
lich, keine Obligationen statt baaren Geldes an-
nehmen zu wollen, «weil man auf der Generalstaaten Obliga-
tionen nicht mehr als 50—60% auf Hundert zu Amsterdam
negociiren kann.» «Es habe zwar die Provinz Holland in
specie mehren Credit, jedoch könne man auch auf ihre Obli-
gationen nicht mehr als 80—85% auf Hundert bekommen» —
äusserte er Anfang December zu Krampricht. s Er wollte
1  Rel. d. d. Haag, den 17 Nov. 1672. —
2  lis. an Hocher, d. d. Haag, den 24 Nov. 1672: eos (tractatus zw. Dan. u.
Hol.) quidem a reditu meo non parum promovi, sed isti ministri adeo duri sunt ac
tenaces in materia pecuniae, ut arduum sit illorum vincere pertinaciam. —
18 Bei. des Krampr. d. d. Haag, den 5 Dec. 1672. —
-ocr page 90-
84
DIE DÄNISCHE POLITIK UND
sehen, wie es dem Kaiser damit gehen würde. 1 Zwar wurde
dann Mitte December doch noch ratificirt; dagegen aber er-
folgte bald darauf Schlag auf Schlag der unglückliche Zug des
Prinzen gegen Charleroy, der Marsch der Franzosen übers
Eis auf Amsterdam und infolgedessen jenes furchtbare Fallen
der Course, welches auch die kaiserlichen Gesandten fast mutlos
machte. So fanden mit diesen Unglücksfällen auch die Dänischen
Verhandlungen ihre natürliche Unterbrechung, und sie kamen
erst wieder in Anregung, als nach einigen Wochen die Ver-
luste sich geringer erwiesen hatten, als man gefürchtet, und
durch das Hinzutreten neuer Momente die grosse Consternation
in Holland sich wieder gelegt hatte. Dänemark hatte nun die
Erfahrungen für sich, welche die kaiserlichen Gesandten in
der Geldfrage hatten machen müssen, und auch die Bemü-
hungen , mit welchen sie die Missstände der neuerdings von
Holland beliebten Subsidienzahlungen hatten vermeiden wollen.
Man glaubte daher in Kopenhagen bei den nun wieder auf-
zunehmenden Verhandlungen nicht Klügeres thun zu können,
als das Zahlungssystem, welches der kaiserliche Gesandte Lisola
von den Holländern für seine Regierung erlangt hatte, getreu
nachzuahmen und womöglich zu verbessern.
So erklärte denn der König endlich, dem Unabänderlichen
sich fügend, Obligationen als Zahlungsmittel annehmen zu
wollen, wenn ihm — (nach Analogie des den kaiserlichen
Gesandten gegebenen Versprechens) —derbeidem Verkauf
derselben entstehende Verlust nach dem Frieden
wieder ersetzt werde. 2 Und als die Holländer dem zuge-
stimmt , und die Verhandlungen eben wieder in Gang gebracht
waren, erklärte der König weiter — nicht früher sich in einen
Krieg zu Gunsten Hollands einlassen zu wollen, als bis er die
Garantie habe, dass seine Küsten vor den Engländern, denen
1  Ebenda. —
2  Bei. des Kranipr. d. d. Haag, 23 Jan. 1673,- -
-ocr page 91-
85
DIE AMSTERDAMER BÖRSE
er als Bandesgenosse Hollands ebenfalls den Krieg hätte erklären
müssen, gesichert seien: Er verlangte dazu, dass entweder
Holland eine besondre Flotte zum Schutze Dänemarks aufstelle,
oder — in der Voraussicht, dass dies doch nicht geschehen
könne, — man ihm die Mittel gäbe, diese Flotte selbst auf-
zustellen; er beanspruchte dazu -— wieder in getreuer Nach-
ahmung des kaiserlich-holländischen Vertrages — von den
Subsidien sogleich eine Summe von 200.000 fl. ausgezahlt und
zwar ■— in baarem Grelde. ' Das zu bewilligen war aber den
Holländern theils an und für sich theils wegen der daraus
sich ergebenden Consequenzen unmöglich; 2 und — der König
trat unter allen möglichen Ausflüchten von der Unterzeichnung
des Vertrages mit Holland wiederum zurück. s
Dieser Rücktritt war ein schwerer Schlag für Holland; denn
mit der Ablehnung Dänemarks war auch der Verlust eines
andern bereits gewonnenen Bundesgenossen verbunden — des
Herzogs von Braunschweig-Celle. Dieser Fürst hatte längst
mit Holland pactirt, sich verpflichtet gegen gewisse Subsidien
9000 Mann zu liefern und sich nachträglich sogar noch zur
Annahme von Obligationen statt baaren Geldes verstanden;
aber nicht eher sollte sein Vertrag zur Ausführung gelangen,
als bis auch Dänemark von Holland gewonnen sei. * Es ging
mit dem Rücktritte Dänemarks den Holländern somit auch die
Hoffnung auf eine andre nicht geringe Hilfsarmee verloren —
augenblicklich um so empfindlicher, als diese beiden Bundes-
genossen einen etwaigen Ersatz für den von der Sache Hollands
sich wieder zurückziehenden Kurfürsten von Brandenburg abge-
geben hätten: Mit dem Rücktritte des Herzogs quittirten —
1  Kel. des Lis. u. Krampr. d. d. Haag, den 6 Febr. 1673. —
2  Lis. an Hocher, d. d. Haag, den 20 Febr. 1673: sed ut pecuniam paratam
hie accipiat, nisi a negotiatoribus supra obligationes res est plane impossibüis. —
3  Reh des Krampr. d. d. Haag, den 16 Febr. 1673. —
4  Lis. an Hocher, d. d. Haag, den 24 Nov. 1872 u. den 20 Febr. 1673. —
-ocr page 92-
86
DIE DÄNISCHE POLITIK UND
den Kaiser ausgenommen — sämmtliche bisherige Bundes-
genossen und Freunde die Verbindung mit Holland. Es war
daher kein Wunder, dass der kaiserliche Gesandte Lisola im
Interesse der Bekämpfung des übermächtigen Frankreichs und
zu Gunsten seiner eignen Regierung sich alle erdenkliche Mühe
gab, den Dänischen Gesandten im Haag zu einer besseren
Meinung über die schwebenden Fragen zu bringen, um den
Kaiser Frankreich gegenüber wenigstens nicht ganz allein zu
wissen. Aber alle Ueberredungskünste, welche von der Lage
der Dinge so wenig secundirt wurden, fruchteten nichts:
Dänemark blieb reservirt. Es war klar, dass auch hier nur
ausserordentliche Ereignisse — unerwartet glückliche Nach-
richten vom Kriegsschauplatze einen Umschwung zum Besseren
herbeiführen konnten theils durch die Erfolge an und für sich,
durch welche zweifelhafte Freunde immer verbessert zu werden
pflegen, theils durch das Steigen der Course und die Wieder-
herstellung des Credites der Holländer.
Da brachte in der Nacht vom 3 zum 4 März eine Staffette
von dem Commandeur der kaiserlichen Besatzung zu Cöln, dem
Marquis de Grana, ein angeblich von dem Brandenburgischen
Minister Schwerin herrührendes Schreiben nach dem Haag des
Inhalts, dass die Auxiliarvölker die Stadt Münster erobert
hätten, dass 3 — 4000 Pferde des Feindes geschlagen und
der Kurkölnische General Renel gefangen worden sei, während
der Bischof selbst verfolgt würde. — Noch in derselben Nacht
theilte Krampricht diese frohe Botschaft dem Prinzen von
Oranien und den befreundeten Gesandten mit, « worauf grosses
Frohlocken allhie und folgends in andern Städten entstanden». * Auf
der Stelle wurde seitens der Holländischen Regierung ein Monat
Subsidien für den Kurfürsten von Brandenburg «angeschafft»
und weitere Zahlungen in Aussicht gestellt: Man hoffte ihn
dadurch wieder zu halten. Der Prinz traf allerseits entsprechende
1 Kel. des Krampr. d. d. Haag, den 6 März 1673. —
-ocr page 93-
DIE AMSTERDAMER BÖRSE.                                87
militärische Massregeln und mit ungewohnter Eile wurde
beschlossen, einen Expressen — nach Dänemark zu schicken
und daselbst folgende Anerbietungen zu machen: Holland wolle
dem Könige zur Werbung und Unterhalt von 10.000 Mann
proportionaliter ebensoviel Subsidien geben, wie dem Herzog
von Braunschweig-Celle für 9000 Mann; man wolle ihm
ferner zur Ausrüstung der Flotte den halben Theil erstatten
und zwar in Obligationen, ihm jedoch den Verlust beim Ver-
kaufe derselben nach Beendigung des Krieges ersetzen. Wolle
der König aber lieber neutral bleiben und einen mediatorem
abgeben, so wolle man ihm etwas weniges an Subsidien geben,
damit er desto besser auf allen Fall arniirt stehe, dass, sofern
Schweden oder sonst ein neuer Feind auftrete, er alsdann
diesem Staat wirklich mit Assistenz zu Wasser und zu Lande
beistehen sollte, dass er aber in diesem Falle den Herzog von
Braunschweig disponire, seine Völker gleichwol mit den Hollän-
dern zu vereinigen oder sonst neben den Auxiliarvölkern zu agiren.l
Das geschah — im Gegensatz zu der sonstigen Schwerfäl-
ligkeit der Holländer — Alles in den drei Tagen vom 4—6
März! Freilich kam am 6 der hinkende Bote nach, indem die
«ordinari-Post» brachte, dass jenes Schwerinsche Schreiben
«malitiose imventirt» worden; aber gleichwol waren die Ge-
müter durch diese gute Zeitung wieder einmal «angefrischt»
worden, nicht unbeträchtliche Summen Geldes erhoben, und
die Unterhandlungen mit Dänemark wieder in Gang gebracht:
Am 10/20 Mai 1673 wurde in der That in Kopenhagen ein
Vertrag mit Holland auf der angedeuteten Grundlage unter-
zeichnet. Mit Behagen erzählen die kaiserlichen Gesandten von
diesen Operationen. Obwol über den Urheber jener interes-
santen Depesche aus Köln keinerlei Notiz vorhanden ist, so
legt der Hinweis auf diejenigen, denen diese Fälschung zu
Gute kam — den Bemühungen Lisolas und der Holländischen
Regierung, — und auf den Absender der Staffette, Marquis de
1 Ebenda. —
-ocr page 94-
88                                    DIE DÄNISCHE POLITIK.
Grana den guten Freund Lisolas, — die Vermutung wohl
nahe, dass dieser Letztere und Fagel vielleicht gemeinsam den
Rum dieses politischen Börsenschwindels in Anspruch nehmen
dürften. x
Die Beziehungen der Dänischen Regierung
Holland gegenüber seit Ausbruch des Französischen
Krieges sind somit ebenfalls zum guten Theil ver-
ständlich aus dem gleichzeitigen Verhalten —. der
Amsterdamer Börse. —
1 Leider sind wir über den Stand der Course in den. Tagen vom 4—6 März
gar nicht unterrichtet, da auch Lisola sich in dieser Zeit sehr schweigsam verhält.
Auffallend ist jedenfalls, wie diese Intrigue grade Dänemark gegenüber ausge-
beutet wurde. —
-ocr page 95-
89
Verschiedenheiten der Course und Obligationen.
Es was noch ein Punkt, welcher bei diesen Geldverhältnissen
in Betracht kam, und welcher, wenn er auch nicht entscheidend
ins Gewicht fiel, so doch von den Gesandten der Subsidial-
mächte mit grosser Aufmerksamkeit behandelt wurde: Die Ver-
schiedenheit des Courses der von der Holländischen Regierung
gebotenen verschiednen Arten von Wertpapieren.
Nach den Holländischen Staatsgesetzen hatten folgende Fac-
toren das Recht Obligationen auszustellen: Die Generalstaaten als
Vertreter der sieben Vereinigten Provinzen und jede Provinz für
sich. Von den letzteren kamen infolge ihrer Besetzung durch die
Franzosen drei nicht in Betracht: Sie konnten zu den Lasten
der Landesvertheidigung unter den damaligen Verhältnissen
natürlich nicht herangezogen, ihre Quoten mussten im Ge-
gentheil den unbesetzt gebliebnen vier Provinzen auferlegt
werden. Die Provinz Holland musste fortan statt 58°/0 — 69,44
zu den Gesammtlasten des Staates beitragen; Seeland statt
9 — 11,62"/,,; Friesland statt 11% — 13,50 und Groningen
statt 5 — 5,440/o. * Entsprach diese Vertheilung der Lasten
der Leistungsfähigkeit und dem Reichtum dieser Provinzen,
so war klar, dass die Obligationen der Provinz Holland allein
durch Zahl und Wert die Börse beherrschen mussten. Durch
Reichtum und Handel überragte diese Provinz derartig die
übrigen, dass sie nach der Meinung Vieler im Stande war,
auch ohne die übrigen und für sich allein zu existiren. Niemand
1 Beil. zur Bei. d. d. Haag, d. 22 Sept. 3672. —
-ocr page 96-
90                             VERSCHIEDENHEITEN DER COURSE
zweifelte daran, dass sie nach geschlossenem Frieden binnen
kurzer Zeit wieder fähig sein werde, alle während des Krieges
eingegangnen Verpflichtungen zu erfüllen. Die Provinz Holland
zahlte z. B. ihrer Quote gemäss von den präliminariter dem
Kaiser zu erlegenden 200.000 thlr. allein 136.000 thlr.; und Lisola
schätzte ihre Obligationen immer 10—15°/o höher, 1 als die
der andern Provinzen, welche viel weniger fähig erscheinen
mussten, die furchtbar sich häufenden Schulden noch einmal
decken zu können. Denkt man aber daran, dass auch die
Obligationen der Provinz Holland nur einmal vorübergehend
in einer Zeit besondrer Vertrauensseligkeit 95% erreicht, dann
sich aber stets 15 und mehr Procent niedriger gehalten hatten
so kann man den geringen Wert der anderen Obligationen
darnach bemessen. Der Kaiser hatte also nicht unrecht, wenn
er einmal seinen Gesandten befahl, aus den Obligationen die
besten herauszusuchen und zu verkaufen. 2
Ausser diesen provinciellen Obligationen kamen wie gesagt
noch die Obligationen der Generalstaaten in Betracht. Es ist
klar, dass der Cours derselben von allen der niedrigste sein
musste. Denn wer konnte damals mit nur einiger Wahrschein-
lichkeit behaupten, dass die verlorene Hälfte des Staates je
wiedergewonnen werden würde! Der Gesammtstaat hatte am
meisten verloren und — wie die Dinge damals lagen — am
wenigsten von der Zukunft zu erwarten. War auch die Regierung,
welche diese Verluste verschuldet, beseitigt, so hatte doch auch
die neue des Prinzen von Oranien bisher nur Misserfolge auf-
zuweisen gehabt, und die theuer erkauften Bundesgenossen zeigten
nicht den ernstlichen Willen zu helfen. Und wenn der Friede,
wie es von den Feinden geplant war, mit der Hälfte des Staates
und 30 Millionen Contributionen erkauft wurde, so war der
alte Gesammtstaat der Sieben Vereinigten Provinzen vernichtet,
1   Eel. Tis. d. d. Haag, d. 6 Febr. 1673. —
2  Votum etc. d, d. Wien, den 7 Jan. 1673. —
-ocr page 97-
91
UND OBLIGATIONEN.
und wer hätte die Erbschaft antreten und die von Jenem ge-
machten Schulden bezahlen wollen! Hätte der übriggebliebene
Rest des Staates zu seinen eignen furchtbaren Verlusten auch
die Verpflichtungen der verlornen. Provinzen noch mitübernehmen
können? So war denn auch in der That das Vertrauen auf die
Möglichkeit der Einlösung der von den Generalstaaten einge-
gangnen Verpflichtungen ungefähr auf die Hälfte des früheren
reducirt worden: Der thatsächliche Wert dieser Obligationen
verhielt sich zu ihrem Nennwerte ziemlich genau so, wie der
Umfang der verlornen Provinzen zum ehemaligen Gesamrnt-
staate; er erhob sich selten über 55°/0, während gleichzeitig
die Obligationen der Provinz Holland 80—85°/0 galten! 1 Das
Vertrauen auf die Zukunft der Provinz Holland war also um
30°/o grösser, als das Vertrauen auf die Zukunft des Gesammt-
staates! Man begreift, welche Schwierigkeiten unter solchen
Umständen die Gesandten der Subsidialmächte zu überwinden
hatten, um die Summen aufzubringen, welche ihre Regierungen
verlangten. Waren sie einmal nahe daran einige 80% zu erhalten,
so galt auch dieser geringe Cours nur für einen Theil ihrer
Subsidien — die Obligationen der Provinz Holland; die der
andern Provinzen und der Generalstaaten waren unverkäuflich.
Es gab eben nur ein Mittel diese Schwierigkeiten zu heben
und den Obligationen den Wert zu geben, der ihnen zukam, —
die Vertreibung der Franzosen aus Holland. Sehr richtig erwie-
derte daher der kaiserliche Gesandte Lisola seiner Regierung
auf deren beständiges Drängen um Geld ebenso beständig: Im
Interesse des Kaisers selbst könne er unter sotanen Umständen
kein Geld gegen die Obligationen erheben; wenn aber die
alliirte Armee am unteren Rhein erscheinen würde, so werde
sie Geld im Ueberfluss finden. —
1 Krampriclit d. d. Haag, d. 5 Dec. 1672. —
7
-ocr page 98-
92
Künstliche Steigerung der Course durch den kaiserlichen
Gesandten Lisola.
Aber der Kaiser that sich — wie wir sahen — diesen Gefallen
nicht; und Lisola, welchem selbst an der Bekämpfung Frank-
reichs mehr lag als seiner eignen Regierung, musste an andre
Mittel denken, das Geld für die Armee trotzdem flüssig zu
machen: So kam er auf die originelle Idee, den Wert der
Obligationen — künstlich zu steigern. Den Anstoss dazu
erhielt er, wie es scheint, von den Holländern selbst.
Als nämlich dieselben bei den Bündnissverhandlungen mit
Lisola erklärten, die Subsidien für den Kaiser nur in Obli-
gationen zahlen zu können, erkundigte sich der vorsichtige Ge-
sandte — noch unkundig dieser Art von Bezahlung — bekannt-
lich erst bei einigen Kaufleuten, ob sie ihm auf dergleichen Wert-
scheine Geld geben würden, und sie gaben ihm darauf die
Form an, 1 welche die Obligationen zu diesem Zwecke haben
müssten. Lisola zeigte dieses Schema Fageln, welcher es
guthiess und sagte, dasserwenn nötig gern noch kräftigere
Verbindlichkeiten darin aufnehmen wolle.2 Indem der
kaiserliche Gesandte aus dieser Aeusserung erfuhr, dass die Form
jener Staatsschuldscheine nicht eine einfürallemal feststehende,
sondern je nach Gebrauch veränderliche sei, verwandte er nach
eigenem Geständniss nunmehr ein ganzes Studium auf die
Zusammensetzung der Obligationen, um sie durch Einschie-
bung gewisser Klauseln für seine Käufer ganz besonders
1   Beilage II. —
2  Lis. u. Krampr. d. d. Haag, den 22 Sept. 1672: se arctiores adhuc si opus
foret ac validiores obligationes daturum. —
-ocr page 99-
KÜNSTLICHE STEIGERUNG DER COURSE.                    93
begehrenswert zu machen. 1 Noch im December nach der Batifica-
tion des Vertrages nahmen diese Bemühungen seine ganze Zeit in
Anspruch; und er wusste es in der That dahin zu bringen
nicht nur, dass Klauseln in sie aufgenommen wurden, kraft
deren die Käufer seiner Obligationen frei sein sollten von der
Zahlung des zweihundertsten Pfennigs, 2 und andrer Lasten,
welche auf Käufe dieser Art gesetzt waren, 3 sondern auch
dass die Zahlungen in «Bankgeldes geleistet werden sollten. *
Den Vorteil des ersteren berechnete Lisola für sich allein zu
8°/0, den des letzteren zu 5%. 5
Wenn nun aber alle von den Holländern ausgestellten Obliga-
tionen diese Vergünstigungen für die Käufer enthalten hätten -—
also z. B. auch die für Braunschweig und Dänemark berech-
neten , — so würde der Wert derselben wohl kaum dadurch
erhöht worden sein, weil man die darin ansgesprochnen Privi-
legien als selbstverständlich angenommen und nicht besonders
berechnet hätte, während diese Berechnung erst dann eintrat,
sobald es Obligationen auch ohne diese vorteilhaften Klauseln
gab. Wenn also die für den Kaiser ausgestellten, Obliga-
tionen allein jene Privilegien enthielten, so wurden sie aller-
dings dadurch besonders begehrenswert und mussten wegen der
nur ihren Käufern gebotnen unmittelbaren Vergünstigungen
1  Lis. a. d. Kaiser d. d. Haag, den 26 Dec 1672: ab eo tempore totum tempus
consumpsimus in compilanda forma obiigationum, qu£e nobis a Statibus extradi
debent pro solutione subsidiorum, ac ut eo facilius a negotiatoribus pecuniam elicere
valeremus etc. etc. —
2    Eine ausserordentliche Steuer, welche damals in Holland von Zeit zu Zeit
von allen Eigentümern beweglicher u. unbeweglicher Habe, unter welchen die
Besitzer von Obligationen und von Aktien der Indischen Compagnien ausdrücklich
genannt werden, erhoben wurde. So z. B. laut der Edicte vom |-J Juli 1672 u.
vom {% Febr. 1673. Siehe Silvius a. a. 0. pg. 537 ff. —
3   Kel. Lis. vom 15 Dec. 1672: quod ii, cum qnibus de hac summa conveniemus,
immunes futuri sint a solutione ducentesimi nummi aliorumque onerum, quae super
hujusmodi emtionibus imposita sunt, quod importabit ad minimum octo pro centum. —
4  Ebenda. —
5  Ebenda. —
-ocr page 100-
94             KÜNSTLICHE STEIGERUNG DER COURSE DURCH
auch höher im Course stehen, als die den andern Bundesgenossen
gegebenen. Und in der That scheint Lisola diese Zugeständnisse
nur für die kaiserlichen Subsidien und mit Ausschluss der
andern Bundesgenossen erworben zu haben, denn er berichtet
einmal mit besondrer Genugthuung: Seine Obligationen seien
so eingerichtet, wie sie noch keiner der Bundesgenossen bisher
gehabt habe oder haben werde 1 und wiederholt, dass sie
bedeutend höher ständen, als alle übrigen. 2
Aber auch hierbei beruhigte sich Lisola noch nicht; seine
genaue Kenntniss aller Holländischen Verhältnisse zeigte ihm
noch eine weitere Möglichkeit, das Aufnehmen des Geldes auf
die Obligationen zu erleichtern.
Wie nämlich die Ausstellung der Obligationen für allgemeine
Staatszwecke unter die verschiednen Provinzen vertheilt wurde,
so wurde die betreffende Bäte jeder Provinz innerhalb derselben
wiederum nach einem gewissen Verhältniss unter die einzelnen
Städte und Comnmnen vertheilt resp. von deren Quaesturen
acceptirt. Wie nun die Obligationen der Provinz Holland ge-
genüber denen der andern Provinzen das meiste Vertrauen bei
den Kaufleuten genossen und im Course am höchsten standen,
so hatte in Holland natürlicherweise — Amsterdam als reichste
und grösste Stadt den meisten Credit. Sie musste zu den Staats-
lasten ihrer Provinz allein die Hälfte beitragen; die von ihr
acceptirten Obligationen waren von allen im Cours befindlichen
die bei weitem gesuchtesten. Lisola dachte daher sofort daran,
zum mindesten alle von der Provinz Holland auszustellenden
Obligationen von dem Quästorat der Stadt acceptiren zu lassen. 3
1  las. an Hocher •  d. d. Haag, den 20 Febr. 1673: quod attinet obligationes,
quas nobis dederunt
   tales sunt, quales nullus foederatorum hactenus babuit aut
babiturus est; multa
   enim in üs inserta sunt privilegia pro iis, qui illas emturi
sunt. —
2  Lis. an Hocher d. d. Brüssel, den 15 April 1673. —
8 Bei. d. d. Haag, den 15 Dec. 1672: ad serariuni Amstelodamense, quod vulgo
Contoir vocant. —
-ocr page 101-
DEN KAISERLICHEN GESANDTEN LISOLA.                  95
Als Lisola sich, dieserhalb an den Ratspensionair der Provinz
Holland — Fagel — wandte und die Anweisung der ganzen auf
diese Provinz entfallenden 136.000 thlr. von der dem Kaiser
vertragsmässig sogleich zu zahlenden Summe auf das Aerar
von Amsterdam verlangte, erklärte sich dieser patriotische
Beamte ohne alle Umstände dazu bereit; und der kaiserliche
Gesandte freute sich bereits sehr über alle diese glücklichen
Speculationen und Operationen, als ihm unerwartet von einer
Seite ein Widerstand geleistet wurde, welchen er nicht erwartet
hatte. Als er nämlich seine wohlverklausulirten und an das
Quaestorat von Amsterdam gewiesnen Obligationen dem Quästor
dieser Stadt ■— Uytenbogaert — zur Acceptation vorlegte,
verweigerte derselbe — Januar 1673 — deren Annahme rund-
weg aus folgenden Gründen: Die von Lisola präsentirten Apochen
seien nicht in gewohnter Form abgefasst; und übrigens könne
er über die Summe hinaus, welche der Stadt Amsterdam ge-
setzmässig zukäme, nichts acceptiren. 1
Durch diese Einwendungen waren alle Bemühungen Lisolas um
die Wertsteigerung seiner Obligationen in Frage gestellt, die
Resultate wochenlanger Studien vergeblich; denn ohne die Accep-
tation des Quaestorates, welches diese Schuldscheine später einzu-
lösen hatte, wären dieselben natürlich völlig wertlos gewesen.
Lisola gestand selbst ein, dass die Weigerung des Quästors durch-
aus berechtigt war, aber auch dass ohne Ueberwindung derselben
seine Obligationen auch nicht einen Pfifferling wert seien.2 Indessen
nur das Interesse des Kaisers im Auge und nach der Berech-
tigung der Einwände des Quästors nicht viel fragend wandte
sich der kaiserliche Gesandte sogleich mit heftigen Beschwerden
über diesen pflichttreuen Beamten an den Ratspensionair von
Holland, Fagel, welcher — grösseren Wert legend auf die
1   Rel. von 30 Jan. und 6 Febr. 1673. —• Einige andre weniger bedeutende
Einwendungen des Quaestors übergehe ich hier. —
2  Lis. an Hocher, d. d. Haag, den 6 Febr. 1673: sine qua (acceptatione) ne
vel oholum recipere potuissemus. —
-ocr page 102-
96            KÜNSTLICHE STEIGERUNG DER COTJRSE DURCH
Befriedigung des kaiserlichen Gesandten als auf die strenge
Geschäftsführung des Uytenbogaert, welche in gewöhnlichen
Zeiten am Platze sein mochte, — diesen sogleich unter heftigen
Vorwürfen nach dem Haag citirte, um ihn wegen der von ihm
dem Lisola bereiteten Schwierigkeiten zur Verantwortung zu
ziehen. Demütig bat dieser darauf den kaiserlichen Gesandten,
ihn wegen seiner doch berechtigten anfänglichen Weigerung
nicht weiter bei seinen Vorgesetzten zu verklagen und erbot
sich nunmehr zu der gewünschten Acceptation. Lisola ertheilte
ihm gnädigst Absolution — gegen das Versprechen, die bereits
in Obligationen fertiggestellte Summe Ton 113.000 fl. sogleich
zu acceptiren und in Zukunft keine Schwierigkeiten mehr machen
zu wollen. l
Nun schritt Lisola in dieser Richtung noch weiter. Es war
ihm längst klar, dass die ausser Holland vom Feinde befreit
gebliebnen drei Provinzen der Brachlegung aller Intraden wegen
ihre Beiträge zu den Subsidien auf dem gewöhnlichen Wege
schwerlich so schnell und regelmässig, wie zu wünschen und
ausgemacht war, würden aufbringen können; denn wenn die
Obligationen auch leicht anzufertigen waren, so war das Geld
auf sie um so schwerer zu erhalten. Lisola wollte daher das
Manoeuvre, welches er soeben mit Amsterdam und der Provinz
Holland erfolgreich versucht hatte, nun mit Holland und den
übrigen Provinzen wiederholen, indem er von Fageln verlangte,
dass — wie Amsterdam die Quote der Provinz Holland über-
nommen habe — diese letztere die Quoten der andern Provinzen
zu den Subsidienzahlungen an den Kaiser auf deren spätere
Wiedererstattung nach dem Frieden übernehme. Allein auf
diesen Antrag erwiderte Fagel treffend: Man würde die andern
Provinzen leichter dazu bringen ihren Theil dem Kaiser, als
später der Provinz Holland zurückzuzahlen; und sie eventuell
dazu zu zwingen, habe man weder das Recht noch Gewalt. 2
1  Lis. an d. Kaiser, d. d. Haag, den 20 Febr. 1673 u. an Hocher eod. d. —
2  Rel. d. d. Haag, den 22 Sept. 1672. —
-ocr page 103-
DEN KAISERLICHEN GESANDTEN LISOLA.                   97
Lisola wollte dann eine Anweisung auf die liquidesten Einnahmen
jener drei Provinzen: ' Aber auch das scheint man abgeschlagen
zu haben; denn der Gesandte musste sich schliesslich damit
begnügen, die auf dieselben entfallenden Obligationen in seiner
Weise mit möglichst verlockenden Klauseln zu versehen und
zu versuchen, das Geld dafür in den betreffenden Provinzen
selbst zu erheben, weil sie dort seiner Meinung nach einen
etwas höheren Cours haben mochten als etwa in Amsterdam. -
Am allerwenigsten Lisola selbst täuschte sich über den Wert
dieser künstlichen Steigerung der Course. Denn konnte er auch
von Zeit zu Zeit mit Genugthuung nach Wien berichten , dass
seine Obligationen sich immer um einige Procent höher hielten,
als die der andern Bundesgenossen, so waren doch die allge-
meinen Gesetze für das Steigen und Fallen der Course dieselben
geblieben und trotz aller Yerklausulirungen hatten die Obliga-
tionen Lisolas sich doch schliesslich nur mit Mühe und Not
auf 80 Procent erhoben. Es hatte auch keine unmittelbare
Wirkung, sondern stellte nur späteren Ersatz für den augen-
blicklichen Verlust beim Verkauf der Papiere in Aussicht, wenn
Lisola von den Holländern das Versprechen verlangte und erhielt,
diesen Verlust nach geschlossnem Frieden durch andre Obliga-
tionen ersetzt zu sehen: 3 Augenblicklich verlor man, und that-
sächlich erhielt man die Summen nicht, welche man vertrags-
mässig erwartet hatte. Man kann sich daher nicht wundern,
dass Lisola neben diesen — so zu sagen — legitimen Plänen zur
Erreichung der, notwendigen Geldsummen zur kräftigen Führung
des Krieges nach damaliger Sitte auch einige abenteuerliche
nicht von der Hand wies, sondern sie im Gegentheil sehr
warm befürwortete. So schlug er einen Vertrag zwischen dem
Kaiser und der Indischen Compagnie in Amsterdam, vor,nach
' Eel. d. d. Haag, den 15 Dec. 1672. —.
2  Lis. an d. Kaiser d. d. Haag, den 20 Febr. 1673; und ders. an dens. den
1 Apr. 1673 u. an Hocher, d. d. Brüssel, den 15 Apr. 1673. —
3   Eel. d. d. Haag, den 15 Dec. 1672. —
-ocr page 104-
98            KÜNSTLICHE STEIGERUNG DER COURSE DURCH
welchem der Erstere sich zu einer jährlichen bestimmten Liefe-
rung von Quecksilber aus seinen Gruben in Oesterreich ver-
pflichten und die Compagnie natürlich sogleich baar Geld dafür
geben sollte. Lisola versprach sich goldne Berge hiervon und
bat seinen Freund Hocher auf das dringendste, diese Sache
mit dem Kaiser allein abzumachen und möglichst geheim zu
halten, damit nicht politische Gegner dieses schöne Unternehmen
vor seiner Geburt schon unmöglich machen könnten. Ebensowenig
verschmähte er in besonderen Relationen, dem Kaiser einen
Goldmacher sehr warm zu empfehlen, der mit einer Maschine
Gold aus dem Sande absondern wollte. Allein weder der Kaiser
noch die Indische Compagnie hatten Unternehmungsgeist genug,
um in solchen Zeiten so umfassende Handelsofferten zu berück-
sichtigen ; und den Goldmacher auch nur zu gewinnen, erklärte
sich der Kaiser ausser Stande.
So ergriff denn Lisola mit beiden Händen ein Anerbieten
der Staaten der Provinz Holland, welches — reeller als alle
jene vorgenannten zusammengenommen — dahin abzielte, dem
kaiserlichen Gesandten die gewünschten Gelder zu beschaffen
und die Verluste, welche durch den Verkauf der Obligationen
für Holland selbst entstanden, nach Möglichkeit zu verhüten:
Die Staaten erboten sich, einen Theil ihrer Domainen zu ver-
kaufen, falls Lisola ihnen geeignete Käufer besorgen wollte. l
Indessen auch hiermit scheint der kaiserliche Gesandte kein
Glück gehabt zu haben. Zwar fand er bald einen anscheinend
zahlungsfähigen Kauflustigen, mit welchem er zu unterhandeln
begann; aber zu einem erfolgreichen Resultate mag er gleich -
wol nicht gelangt sein, denn er berichtet in seinen Relationen
darüber nichts, — was er andernfalls wohl nicht unterlassen haben
würde.
Um für alle diese Wünsche, Abmachungen und Verspre-
chungen, von denen in dem kaiserlich-holländischen Haupt-
tis. a, d. Kaiser und an Hocher, d. d. Haag, den 20 Febr. 1673. —
-ocr page 105-
DEN KAISERLICHEN GESANDTEN LISOLA.                   99
vertrage natürlich kein Wort enthalten war, wenigstens eine
rechtliche Grundlage zu erhalten, verfasste Lisola noch einmal
ein Schriftstück von sechs Punkten, welches er Anfang April
1673 dem Prinzen von Oranien zur Unterzeichnung vorlegte,
und welches ein klares Bild von dem damaligen Zustande der
pekuniären Beziehungen der beiden contrahirenden Mächte
liefert, — vier Monate nach der beiderseitigen Ratification des
Bündnissvertrages. Lisola verlangte darin, dass die Provinz
Holland und die andern Provinzen ihre Quoten zu der Summe
von 200.000 thlr. nun endlich hergeben und zwar in Obli-
gationen «mit allen möglichen exceptionen clausuliret»; dass
der halbe Theil derselben fortan in Obligationen zu je 5000 ,
der andre zu. 2000,fl. ausgestellt werde; dass ferner die Provinzen
entscheidende Beschlüsse fassen zum Verkauf von Domainen
zur Bezahlung des Kaisers; dass die Herren Staaten « eine Recom-
penz für diejenigen versprechen, welche obgenannte Obligationen
kaufen., damit man desto eilender Geld dafür bekommen könne —
zum Exempel, dass diejenige, welche dergleichen Obligationen
haben werden, in allen politischen und militairischen Aemtern
sollen vorgezogen werden, wenn sie nur sonst capabel dazu
sind;» « dass sie die Indemnität für alles dasjenige geben, wel-
ches Ihre Kais. Maj. bei Negociation des Geldes auf die Obliga-
tionen verlieren werden, und dass selbiges nach dem Frieden
gezahlt werde.» — Der Prinz von Oranien schrieb bei den
einzelnen Punkten seine Zustimmung an den Rand, und unter-
schrieb das Ganze am 12 April 1673. 1 Es war dies ein
treffendes Bild der Lage Hollands nach dem Schlüsse der ersten
Campagne. Mehr konnte sich ein halb rninirter Staat kaum
noch bieten lassen. Während noch kurz vor dem Kriege die
Kaufleute sich um die Holländischen Staatsschuldscheine als das
bequemste Zahlungsmittel 2 für grosse Summen fast gerissen
hatten, mussten jetzt den Käufern derselben von Staats wegen
1  Beilage zur Relation des Ki-ampr. d. d. Haag, den 13 April 1673. — Beil. III. —
2   In Ermanglung anderen currenten Papiergeldes. —
-ocr page 106-
100              KÜNSTLICHE STEIGERUNG DER COURSE.
I
unerhörte Versprechungen gemacht werden, damit sie sie nur
nähmen. Dahin hatte dieser kurze Krieg den bisher unerschöpf-
flich geglaubten Credit dieser reichen Handelsmacht gebracht,
nachdem sich die natürliche Basis desselben gänzlich verschoben.
Denn nicht mehr auf den gewinnbringenden Welthandel d. h.
auf die eigne Thätigkeit und Energie als die einzig wahre
Quelle des Reichtums und der politischen Macht Hollands basirte
sich der Credit, sondern auf die allgemeinen weltbewe-
genden Ereignisse — auf Momente, welche ausserhalb des
eignen Einflusses und aller Berechnung lagen. Dieser Epheme-
rität aller Berechnungen, Aussichten und Hoffnungen entsprach
der Credit — die Course und umgekehrt: Die Beziehungen der
Holländischen Börse zur allgemeinen Politik haben sich hieraus
entwickelt. —
-ocr page 107-
101
Ergebnisse.
Fassen wir nun die Hauptergebnisse dieser Darstellung noch
einmal zusammen.
Die Vereinigten Niederländischen Provinzen waren durch
ihren Handel nicht nur Europäische Grossmacht, sondern auch
Europa derartig theuer geworden, dass nach des Kaisers eignem
Ausspruch Europa nicht ohne sie mehr leben konnte, und dass ,
als zwei Grossmächte beabsichtigten diese Handelsmacht zu
vernichten, zwei andre theils um ihrer selbst und theils um
Europas willen sich gedrungen fühlten, für Holland einzutreten.
Indem nun ein Hauptmoment aller mit Holland eingegangnen
und einzugehenden Verträge die Subsidienzahlung Seitens der
Holländer war, erhielten die eigentümlichen Geld- und Credits-
Verhältnisse Hollands eine weitere Entwicklung, welche ihren
Impuls nicht wie bisher dem Welthandel, sondern den Welt-
begebenheiten entnahm. Der Credit Hollands wuchs und
schwand in dem Maasse, als das Vertrauen der Amsterdamer
Kaufleute stieg und fiel, durch Unterstützung Europas einen
baldigen und ehrenhaften Frieden zu erhalten: die Welt-
begebenheiten wurden maassgebend für den reellen
Geldwert der von Holland ausgegebenen Wertzeichen.
Aber indem nun die Bundesgenossen die Schuldscheine,
welche sie statt baaren Geldes als Subsidienzahlung erhielten,
in Holland verwechseln wollten, wollten ihnen die Käufer dafür,
nicht mehr geben, als ihr Beistand denselben zur Erhaltung
eines günstigen Friedens wert zu sein schien. Diese Taxirung
des Wertes der Europäischen Unterstützung durch die Amster-
damer Kaufleute und-die moralischen und praktischen Folgen,
-ocr page 108-
102
ERGEBNISSE.
welche diese Taxirung wiederum bei den Bundesgenossen hervor-
brachten , waren die — Rückwirkung der (Amsterdamer) Börse
auf die Europäische Politik. Wir sahen, wie bedeutend diese
Rückwirkung nach allen Seiten hin sich äusserte: Die kaiserlich-
holländischen Verhandlungen wurden durch die Geldfrage noch
im letzten Momente nicht unerheblich beeinflusst; die kaiser-
liche Armee, welche mit dem Gelde der Holländer erhalten
werden sollte, ging infolge des Ausbleibens der erhofften Sub-
sidien zu Grunde; die kaiserliche Politik wurde — in dem Falle
mit Kurtrier — sogar nicht unerheblich in ihrer Entfaltung
verhindert; der Kaiser verfehlte den Zweck der mit Holland
im Jahre 1672 eingegangenen Alliance überhaupt. — Aehnlich,
wenn auch nicht ganz so schlimm, war das Resultat dieses
Einflusses beim Kurfürsten von Brandenburg. Dagegen Hess
sich der König von Dänemark ohne Zweifel nicht wenig durch
diese eigentümlichen Geldverhältnisse von der Alliance mit
Holland abschrecken. —
War in gewöhnlichen Zeiten dieser Handel mit Wertpapieren
auf Holland beschränkt und nur in Holland bekannt gewesen,
so verbreitete sich infolge der durch den Krieg zwischen Holland
und den Europäischen Mächten erzeugten engen politischen
Beziehungen die Kunde desselben nunmehr über ganz Mittel-
Europa. Hatte der vielerfahrene Lisola, der an allen bedeutenden
Höfen von Madrid bis Stockholm und Warschau gelebt hatte,
bei den Bündnissverhandlungen mit Holland im Juli 1672 sich
erst über dieses eigentümliche Geldwesen — als ihm bisher
unbekannt — informiren müssen, so war wenige Monate nach
dem Ausbruch des Französisch-Holländischen Krieges die Kennt-
niss davon bereits bis Kopenhagen und Wien gedrungen.
Aber überall — so gar in Holland selbst — zeigte sich noch
das Anfängliche dieser Entwicklung.
Hatte man sich . dort nach dem unglücklichen Beginn des
Krieges in Bezug auf das Sinken des Wertes der Staatsschuld-
Scheine sehr schnell in diese durch den Krieg hervorgerufenen
-ocr page 109-
•103
ERGEBNISSE
veränderten Geldverhältnisse gefunden, so zeigte das rapide
Steigen der Course Anfang Juli nach den frischen Unglücks-
schlägen auf ein blosses Gerücht hin und dann im September
infolge des Vormarsches der Alliirten auf Cobleuz zu noch eine
Geneigtheit, die Werte wieder auf pari zu bringen, welche
Uebereilung war und die Unerfahrenheit der Holländischen
Börse in der Veranschlagung allgemeiner politischer Vorgänge
noch sehr deutlich zeigte. Das erfolglose Hinschleppen des Krieges
durch die faule Kriegführung der alliirten Armee — die Stim-
mungsnuancen, welche dadurch in Holland hervorgerufen wurden,
waren erst die eigentliche Lehrzeit für die Amsterdamer Börse.
Man lernte durch diese schlimmen Erfahrungen erst die Ereig-
nisse taxiren. Und wenn dann die Course auch je nach den
Ereignissen schwanken mussten, so wich doch die anfängliche
Vertrauensseligkeit in der Wertschätzung günstiger Nachrichten
und die Mutlosigkeit beim Eintreffen der häufigen Hiobsposten
immer mehr einer nur die allgemeinen und wesentlichen
Momente und Factoren in Betracht ziehenden Beurteilung
der Conjuncturen. Schon die Hausse nach dem unglücklichen
Gefecht der Alliirten gegen die Franzosen Anfang November
1672 und noch mehr das Steigen der Course nach dem uner-
warteten Abfall des Kurfürsten von Brandenburg von der
allgemeinen Sache zeigten eine Leidenschaftslosigkeit der Auf-
fassimg und eine Klarheit und Sicherheit in der Beurteilung
der bei diesen Vorgängen in Betracht kommenden wesentlichen
Momente, welche nichts mehr zu wünschen übrig Hess.
Man kann auch keineswegs behaupten, dass die Amsterdamer
Börsenmänner den Handel mit ihren Staatsschuldscheinen in
Ermangelung oder als Ersatz für den unterdrückten Waarenhandel
etwa mit Begierde ergriffen und betrieben hätten: Im Gegentheil
suchten sie erst in übergrosser Vertrauensseligkeit schnell
wieder die alten Pari-Verhältnisse herzustellen, erklärten —
als diese durchaus nicht zu behaupten waren — den fremden
Gesandten wiederholt, dass sie bei kräftiger Kriegführung der
-ocr page 110-
104
ERGEBNISSE.
Bundesgenossen ihr Geld lieber zu billigeren Bedingungen, als
bei so fauler Unterstützung zu hoher Agiotage geben wollten
und belohnten den ungebrochnen Mut ihrer Regierung und
des Holländischen Volkes nach dem schimpflichen Abzug der
Bundesgenossen in März 1673 mit allmählicher Hausse.
Als der gelehrigste Schüler der Holländer zeigte sich offenbar
der kaiserliche Gesandte Lisola. Musste auch er sich Anfangs
erst über dieses eigentümliche Geldwesen belehren lassen, so
fand er sich darin so bald zurecht, dass er nicht nur nach
wenigen Wochen schon seiner Regierung über alle bezüglichen
Fragen unmittelbare Auskunft geben konnte, sondern dass man
ihn sogar jenes interessanten politiscliea Börsenschwindels von
Anfang März 1673 nicht ohne Grund bezichtigen kann.
Auch das sonst so schwerfällige kaiserliche Ministerium in
Wien konnte nicht umhin, einige Kenntniss von diesen Geld-
geschäften nicht von der Hand zu weisen. Man war bei den
Bündnissverhandlungen in das Holländische Börsenwesen hinein-
gekommen ohne recht zu wissen wie. Nur auf ein ziemlich
unbestimmtes Gefühl von Notwendigkeit hin und ohne die
Folgen dieser Entschliessung im Entferntesten zu almen, hatte
man die bezüglichen Ratschläge Lisolas acceptirt: Wenige
Monate nachher — bei Gelegenheit der Ratification der Tractaten
mit Kurtrier — zog man auch in Wien für das Steigen und
Fallen der Course die Witterung in Holland in Betracht und
richtete darnach seine Pläne. Nur von der Dänischen Regierung
ist schwer zu sagen, ob ihr ablehnendes Verhalten gegen die
Annahme Holländischer Obligationen mehr auf unbelehrbare
TJnkenntniss oder auf bösen Willen zurückzuführen ist. —
Nicht die folgeweise Entwicklung eines friedlichen Handels,
sondern ein plötzlich hereingebrochner Krieg und der infolge-
dessen unterdrückte Waarenhandel haben diesen Handel mit
Wertpapieren — in tmtergeordnerte Weise in Holland bereits
bekannt — binnen wenigen Monaten zu einer Vollendung ge-
führt und ihm einen Charakter gegeben, welcher im Wesent-
-ocr page 111-
105
ERGEBNISSE.
liehen seitdem derselbe geblieben ist. Hatten vordem die
Obligationen beim Verkauf nur den Besitzer, nicht ihren Wert
verändert, so schwankte nachher der Letztere — in der Hand
desselben Besitzers: Die Holländischen Staatsschuldscheine
wurden nunmehr ein Handelsartikel, welcher wie jeder andre
den Conjunkturen unterworfen war.
Das entscheidende Moment für diese Entwicklung war
jene unglückselige and unerwartete Wendung der kaiserlich-
brandenburgischen Armee nach Süden; — denn es ist klar,
dass bei so energischer Portsetzung der militairischen Opera-
tionen seitens der Verbündeten, wie es Anfangs schien, der
Cours von Anfang October 1672 vollends auf pari gestiegen
und in der Aussicht des baldigen und ehrenvollen Friedens sich
auf dieser Höhe erhalten haben würde: Die Art der Be-
zahlung der Bundesgenossen würde infolgedessen bei den
Verhandlungen Hollands mit den Mächten gar nicht mehr in
Frage gekommen sein. Indem nun aber die Kriegführung der
Verbündeten die traurige Lage, in welche Holland durch die
Ereignisse des Juni geraten war, nur wenig zu bessern ver-
mochten , behielten auch die Holländischen Staatsschuldscheine
den entsprechenden geringen Wert; und die Schwierigkeit der
Bezahlung der Bundesgenossen und alle daraus resultirenden
politischen Schwierigkeiten waren hierdurch erst geschaffen:
Jene veränderte Marschrichtung der alliirten Armee
war somit der eigentliche Ursprung der Wechselbe-
ziehungen der Amsterdamer Börse zu den allgemeinen
und politischen Weltbegebenheiten. —
Mit dieser Entwicklung des Holländischen Geldwesens war
ein neues Moment als wirkende Kraft in die allgemeine Politik
eingetreten, die trotz des Misstrauens und der Unkenntniss,
welche grade die leitenden Kreise der Europäischen Höfe
dieser neuen Erscheinung entgegenbrachten, ödere bendeswegen
sogleich sehr wesentliche Wirkungen aufzuweisen hatte. Es musste
und konnte wohl nur eine Handelsmacht wie Holland sein,
-ocr page 112-
106                                       ERGEBNISSE.
deren ausgebildete Geldverhältnisse diese Art von Handel schon
in der damaligen Welt erzeugen tonnten; aber wie die Bezie-
hungen der Europäischen Staaten sich damals entwickelt hatten,
musste dieses Geldwesen seine Wirkungen über den ganzen
Gontinent äussern.
Diese Entwicklung der Börse im modernen Sinne, die Ver-
breitung der Kenntniss des Handels mit Wertpapieren und die
Beziehungen der Börse zur allgemeinen Politik — die Ent-
wicklung des staatlichen Credites sind vielleicht das
interessanteste kulturhistorische Resultat dieses
Französisch-Holländischen Krieges. • Die Börse ist
seitdem ein Hauptfaktor der Weltpolitik geblieben. —
-ocr page 113-
BEILAGEN.
I.
EEVEBSALES. 1
Nos infrascripti Caesarea Suse Maj. Ministri declaramus, quod,
quamvis foedere defensivo hodie inter Nos ex una et Deputatos
Ordinum Generalium Poederati Belgii ex altera parte concluso expres-
sum sit, foederatos Ordines ad rationem et deductionem pecuniae
ibidem promissse in sublevationem auxiliorum militis a Cassarea Sua Mte
submittendi numeraturos Ambstelodami aut Hamburgi summam ducen-
torum millium thalerorum Imperialium vel proportionaliter ad numerum
prsedieti auxilii militis: Cum tarnen habita moderni temporis ratione
id ipsis difficillimum ac pene impossibile fore deprehendamus, hisce
declaramus intentionem contrahentium hanc fuisse, quod easu quo
Ordines Generales huic obligationi prsefixo tempore minime possent
satisfacere, liberum erit Cass. Mti praefatam summam in ipsorum onus
mutuo aocipere, ad quam facilius acquirendum dabunt apochas et con-
gruas assignationes tarn communi nomine, quam in particulari scilioet
Ordinum Hollandise Zelandiae Prisies Groningse et Umblindia? sub pro-
missione usurarum hoc tempore solum solitarum in optima forma ad
integram Sua? Caes. Mtis aut eorum, qui mutuam pecuniam dabunt, satis-
factionem, qua accepta prasfati Ordines liberi erunt ab obligatione
hujus summse erga Suam Majestatem.
1 Beil. F zur Kelation des Lisolaund Krampricht, d. d. Haag, den 28 Juli 1672. —■
-ocr page 114-
108                                        BEILAGEN.
IL
CONCEPT VAN OBLIGATIE. l
Wij Ondergesehr., de Ed. Mögende Heeren gecommitteerde Baden
van de Ed. Grootmogende heeren Staten van Hollandt ende West-
vriesland, bekennen bij desen, wel ende deugdelijck schuldig te wesen
aen......ofte den thoonder van desen de somme van
.....te xl grooten t. pondt ten sake van contanten en ge-
reede gelden, bij de voors.......ofte den thoonder
van desen ten dienste deser landen verstreekt, voort of bij het passeeren
deser, tot behoeven, ende betalinge van eenige Äuxiliaire Hoogduijtse
troupen, volgens speciale Eesolutie voor 't passeeren deser, bij haar Ed.
groot Mog. Voorn4. ende sijne Hoogheijt den Heere Prince van Orangie
& als Stadthouder, en Capiteijn en Admiral en General te water ende
te Lande, over Hollandt, Zeelandt ende Westvrislandt &a opge-
nomen, Belovende d'voorst. Somme, precijselijck, ende vooren onver-
maent, sonder eenigerhande Exceptien ter werelt ofte eeniger-
hande cortinge geene uijfc en gesondert, cost schadeloos ende com-
mercij buijten eenige reohtpleginge op te lossen en te betalen metten
Interesse van dien, tegens den penning twintig int Jaer, ofte vijf guldens
vant hondert totte effeetuele aflossinge deser toe, de welcke teffens
ende gelijekel., alsdan in eender somme sal moeten geschieden sonder
onder pretex van Interesse te betalen de penningen langer te onder-
houden, ten bij believen van den Eentheffer ofte den thoonder van
desen, welcke voorst. capitale hooftsomme mette Interesse van dien,
wij bij desen special, en wel expresseil. ordonneren dat de Heer Mr.
Märten Pauw ontfanger Generael over Hollandt en Westvrislandt ofte
wel den ontvanger indertijt over Hollandt & ten vervaldage precysel.
in maniere voorst. sal hebben te voldoen en te betalen sonder daer
toe eenige naerder ofte speciaelder Acte ofte eenige ordre dan dese
toe van nooden te hebben. En sal hem ontfanger over Hollandt inder
tijt dese met quittantie overbrengende int doen sijner Eeeckeninge
special, over de Provintie van Hollandt voor goede betaling valideren.
Tot meerder versekerheijt van de betalinge van de vorst. somme
metten interesse van dien totte effeetuele aflossinge toe verbunden
1 Beilage zur Relation des Lisola an den Kaiser, d. d. Haag, den 22 Sept. 1672. —
\
-ocr page 115-
109
BEILAGEN.
hebben, ende verbinden wij bij desen ten behoeven van de voornoemde
ofte den thoonder van desen alle des gemeene Landts
incomen ende goederen en geene uijtgesondert waer en op wat plaatse
dat deselve teeniger tijden bevonden sullen werden, alles ter goeder
trouwe sonder eenige fraude, soo hebben wij dese nevens sijne Hoog-
gemelte Hoogheit ondertekent gedaen in 's graven Hage den
III.
EINIGE PUNCTEN , WELCHE DER PBINZ TON OEANIEN AUFF ANHALTEN
DES KBAMPBICHTS ZU MEHßEE BEFÜBDEBUNG DEB. VERFLOSSENEN
UNDT KÜNFFTIGEN, ASSISTENZ FÜE DIE KAIS. AEMEE IN MAEGINE
BEANTWOET UND UNTEESCHEIEBEN HAT. x
1°. loh will procuriren dass 1°. Dass die Provinz Hollandt die übrige
dieses ohne Zeitverliehrung ge- Obligationen wegen ihrer quote, so sie in
denen 200 m. Eeichsthalern schuldig hergebe.
"Dass die Zahlung obgenauter Obliga-
tionen auch auff dass comtoir dess Hr.
Uytenbogaert ahngewiesen werde, undt dass
die interesse davon zu einen halben Jahre
zu dem anderen zahlt werden.
Dass der halbe theil der Obligationen
gericht werde auff die summa von 5 m. und
die andere auff 2 m. fl.
2°. Ich will procuriren dass 2°. Dass die Herren Staaden von Hol-
diese Domainen verkauft! und landt eine resolution nehmen, umb einen
oppignorirt werden.                   TheU y^. I)omainen oder Cammergütter
für einen billigen preyss nach der Zeit zu
verkauften, damit man sich des einen oder
anderen mittel bedienen, undt desto leichter
dass Gelt negocijren könnte.
8°. Die Obligationen sollen ex- 30. Dass die andere Provinzen auch ihre
pedijrt werden ohne auffschub. Obligationen, so viell ihre quote betrifft,
geben, undt zwar mit allen mögliehen excep-
tionen clausulirt, damit man desto eilen-
der Kauffleuth finden möge.
Beilage zur Relation Kramprichts, d. d. Haag, den 13 April 1673.—
-ocr page 116-
110
BEILAGEN.
4°. Dass Sie auch eine resolution geben,
umb ihre Domainen undt Cammergütter
umb einen billigen preiss zu verkauften.
5°. Dass die Herrn Staadten eine recom-
penz für diejenige versprechen, welche
obgenannte Obligationen kauften, damit
man desto ehender gelt darfür bekomen
könne, zum Exempel, dass diejenige, welche
dergleichen Obligationen haben werden, in
allen politischen undt Militärischen Emb-
teren sollen vorgezogen werden, wann Sie
nur sonst capabel darzu seint.
6°. Dass sie die indemnitet für alles das-
jenige geben, welches Ihre Kais. Maj. bey
negooiation dess gelts auff die Obligationen
verlieren werden, undt dass selbiges nach
dem Frieden zahlt werde.
Welches nit allein auff die verflossne
Subsidien, sondern auch auff die Künftige
zu verstehen, für welche man auch Obli-
gationen auff obgedachte weiss geben soll,
alles zu dem endt, damit Ihre Kais. Maj.
desto besser ihre armee unterhalten und auf
24.000 man verstärken könne, zum besten der
gemeinen sach massen es im Traetat, welcher
zwischen Ihrer Kais. Maj. und diesem Staadt
gemacht ist, zu sehen.
Undt Wan Ihre Maj. die 24.000 man biss
auf 30.000 man vermehren wolte, so will Ich
auch procuriren, dass man deroselben die
subsidien undt assistenz proportionaliter
gebe, massen im Traetat verglichen.
4°. Ich will mein äusserst thun
umb diesen verkauft zu procuriren.
5°. Ich nehme auff mich die
Hrn. Staadten zu disponiren, dass
Sie die alhie benente praerogativen
zustehen.
6°. Ich nehme auch auff mich,
dass die Hr. Staaden die indem-
nitet undt alhie gemelte obli-
gationes geben werden.
Geschehen im Haag, den 12 April 1673.
G. Prinz von Oranjen.
-ocr page 117-
BEILAGEN.                                         111
IV.
COUESE DEE OBLIGATIONEN DEE PROVINZ HOLLAND AN DER AMSTER-
DAMER BÖRSE VOM MAI 1672 BIS APEIL 1673.
Vor Ausbruch des Krieges im Mai 1672......        100°/o
Nach den Ereignissen der ersten Hälfte des Juni—Mitte Juni.           30°/„
Auf das Gerücht Ton des Prinzen Wilhelm Absicht Utrecht
zu defendiren — Ende Juni.........92—93°/0
Beim Eintreffen der Nachricht von der Unwahrheit desselben.             0°/„
Nach der Vorbereitung Turennes zum Abmarsch aus Hol-
land zur Observirung der sich zusammenziehenden kaiser-
lich-brandenburgischen Armee — Anfang September. .
          60%
Wirkliche Vereinigung der kaiserlichen mit der Branden-
burgischen Armee bei Halberstadt und Abschluss des
kaiserlich-holländischen Vertrages (22 Sept. 1672) . .
          75%
Heranmarsch der Alliirten von Halberstadt in der Eichtung
auf Coblenz — Anfg. October........          95°/,,
Plötzliches Abschwenken derselben nach Süden zu — Ende
October.................          83%
Nachricht vom Eintreffen der kaiserlichen Eatification des
Holländischen Vertrages und Gefecht der Brandenburger
mit den Franzosen bei Nassau — Anfg. November . . 85—870/0.
Weiteres Ausweichen der Alliirten vor dem Feinde, Aufent-
halt am Main, Verzögerung der Auswechslung der Bati-
ficationen — Anfang December.........
          80°/,,
Endliche Auswechslung der Batificationen am 13 Deo. 1672 83—84°/o
Misslingen der Unternehmung des Prinzen gegen Charleroy
und gleichzeitiger Vorbruch der Franzosen über das Eis
gegen Amsterdam — Ende December......50—55°/0
Eingetretenes Thauwetter und anhaltender Südwestwind —
Mitte Januar 1673............           76°/„
Stilllager der Alliirten im Paderbornschen, Nichtaction der-
selben gegen die feindlichen Bischöfe von Köln und
Münster — Anfang Februar.........
          70°/,,
Scheinbares Zurückweichen Turennes vor den Alliirten am
-ocr page 118-
112
BEILAGEN.
5 Febr. bei Werle, Portsetzung des Marsches der Letz-
teren nach Norden — Mitte Februar......
Verfehlung der Cooperation der AUiirten mit dem Prinzen
von Oranien, Einstellung der Bewegung der Ersteren
gegen den Feind und sohliesslioher Eückmarsch derselben
nach Lippstadt, bevorstehender gänzlicher Abfall des
Kurfürsten von Brandenburg von der Verbindung mit
Holland, Bewilligung von 70,000 S Sterling von Seiten
des Englischen Parlamentes an den König zum Kriege
gegen Holland — Anfang März........
Friedensverhandlungen des Kurfürsten von Brandenburg mit
Frankreich, Eückmarsch der Brandenburger hinter die
Weser und der Kaiserlichen nach Franken — Ende März
Unter denselben Umständen — Mitte, April 1673 .
-ocr page 119-
INHALT.
Seite
I. Vorwort..............III—VI
II. Einleitung...............1
III.   Politische Lage Europas vor der Katastrophe vom Juni
1672.................4
IV.   Die Zustände in Holland unmittelbar nach den ersten
Niederlagen...............10
V. Amsterdam, der Mittelpunkt des Europäischen Geldmarktes. 19
VI. Der Credit der Holländischen Eegierung, Wiederincours-
setzung der Staats-Schuldscheine.........26
VII. Entscheidendes Sinken der Course. Coursschwankungen. . 31
VIII. Grösste Depression der Börse. .........39
IX. Gedrückte Course infolge des zweideutigen Benehmens der
Bundesgenossen..............44
X. Steigen der Course beim Abfall der Bundesgenossen . . 52
XI. Einwirkung der Amsterdamer Börse auf die Europäische
Politik.................56
-ocr page 120-
Seite
XII. Beeinflussung der kaiserlichen Politik durch die Amster-
damer Börse..............
       60
XIII.   Die Beziehungen Kurbrandenburgs zur Amsterdamer
Börse................
       74
XIV.  Die Dänische Politik und die Amsterdamer Börse. . .       80
XV.  Verschiedenheiten der Course und Obligationen ...       89
XVI.  Künstliche Steigerung der Course durch den kaiserlichen
Gesandten Lisola............
       92
XVII. Ergebnisse...............     101
XVIII. Beilagen...............     107
/