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ANATOMIE

MENSCHLICHER EMBRYONEN

VON

WILHELM ms,
I.

EMBRYONEN DES EESTEN MOMTS,

MIT 17 HOLZSCHNITTEN UND ATLAS.

LEIPZIG,
VERLAG VON F. C. W. VOGEL.
1880.

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DER

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MBDICmiSCHBN GESELLSCHAFT

IN

BASEL

GEWIDMET.

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EINLEITUNG.

Das entwickelungsgeschiclitliche Yerständniss der menschlichen
Anatomie bedarf zu seiner Unterlage einer eingehenden Durchfor-
schung menschlicher Embryonen. So werthvoll die A^on der ver-
gleichenden Entwickelungsgeschichte gesammelten Ergebnisse sind,
so reichen sie doch zur Lösung derjenigen Fragen, welche die
menschhche Anatomie stellt, nur in beschränktem Maasse aus, und
beim Yersuche, die vorhandenen Lücken durch schematisirende Ueber-
tragung auszufüllen, läuft man, wie die Erfahrung hinreichend dar-
gethan hat, nur allzuleicht G-efahr, von der Wahrheit seitab zu
kommen.

Für die menschliche Embryologie liegt nun bekanntlich die
Hauptschwierigkeit in der Beschaffung des erforderlichen Materiales.
Nach Ort und nach Zeit zerstreut bietet sich dem einen oder an-
deren Beobachter ein brauchbares Object dar, und der Kreis von
Erfahrungen, über welche die Wissenschaft zur Zeit gebietet, besteht
aus Fragmenten, welche zu sehr verschiedenen Zeiten, von sehr ver-
schiedenen und vor allem von sehr verschieden qualificirten Beob-
achtern gesammelt worden sind. Um solch ungleichartiges Material
zu einem Ganzen zusammenzufügen, bedarf es vor allem einer sorg-
fältigen Kritik und diese hinwiederum kann nur an der Hand ein-
gehender Beobachtung durchgeführt werden.

Bei Beginn der vorliegenden Arbeit hatte ich den Plan, mit der
Untersuchung da einzusetzen, wo das Material verhältnissmässig
leicht erreichbar ist, bei Embryonen von 2—21/2 cm. Ich rechnete
darauf, dass durch Sicherung der hier erreichbaren Kenntnisse und
durch Beseitigung der vielen noch bestehenden Unklarheiten feste

His, MenseM. Embryonen. 1

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and für die fernere Eorschung wichtige Ausgangspunkte sich würden
gewinnen lassen. Während der Zeit, da ich mit der oben präcisirten
Arbeit beschäftigt war, wurde mir durch die Güte verschiedener
Collegen und binnen kurzer Frist ein sehr erfreulicher Bestand jün-
gerer menschlicher Embryonen zugänglich, und es ergab sich damit
die Möglichkeit, die Gränzen des Arbeitsgebietes sofort erhebhch.
nach rückwärts hin auszudehnen. Das vorliegende Heft enthält die
Bearbeitung dieser jüngeren Enibr^yonen, deren früheste Repräsentan-
ten etwas über 2 mm, die ältesten gegen 8 mm lang sind. Die Dar-
stellung etwas vorgerückterer Stufen bis zu 2 und 2 ^ii cm beabsich-
tige ich in einem späteren Heft folgen zu lassen. Darüber hinaus
gedenke ich vorerst nicht zu gehen, weil von da ab die Ausdehnung
des Gebietes zu gross wird, und eine monographische Bearbeitung
der einzelnen Organentwicklungen erfordert.

Ich habe dies Heft der medicinischen Gesellschaft in Basel ge-
widmet. Ausser der besonderen Hochachtung, welche ich für das
wissenschaftliche Streben dieser ärzthchen Köi^Derschaft empfinde,
hat mich das Gefühl der Dankbarkeit geleitet, die ich einem grossen
Theil ihrer Mitgheder schulde. Nicht allein stammen die kostbarsten
unter den nachbeschriebenen Objecten von Basler Collegen, sondern
es sind mir überhaupt während meiner 15jährigen Thätigkeit an
der Basler Anatomie so zahlreiche Materialien von den dortigen
Aerzten zugeführt worden, dass ich diesem Umstände allein eine
gewisse Breite der Erfahrung verdanke. Es giebt Aufgaben in der
Wissenschaft, zu deren Lösung der Fleiss und die Energie eines
Einzelnen nicht ausreichen, denen gegenüber auch die finanziellen
Hülfsmittel einer wohldotirten Staatsanstalt sich machtlos erweisen,
und die nur dann erfolgreich in Angriff zu nehmen sind, wenn ein
weiterer Factor kräftig mit eingreift, der Factor wissenschaftlichen
Gemeinsinnes. Dieser findet sich da, wo in weiten Kreisen jeder
Einzelne den guten Willen und die Aufopferungsfähigkeit besitzt,
um an seinem Orte und bei der sich ihm darbietenden Gelegenheit
an der Förderung bestimmter Aufgaben mitzuhelfen. Die wissen-
schaftlichen Anstalten meiner Vaterstadt wissen dem, der ihre Ge-
schichte verfolgt, gar manches Wort davon zu erzählen, was sich
bei anscheinend beschränkten äusseren Mitteln unter Zuhülfenahme
jenes Sinnes erreichen lässt.

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Wenn es der Aufmerksamkeit und dem guten Willen einer ver-
irältnissniässig kleinen Zahl von Aerzten gelungen ist, in nicht all-
zulanger Zeitperiode eine Eeihe wichtiger emhryologischer Ohjecte
zu sammeln und der wissenschaftüchen Bearbeitung zugänglich zu
machen, so ist zu hoffen, dass bei weiterer Ausbreitung und Kräfti-
gung des Interesses an diesem Forschungsgebiete auch der Material-
zufluss ergiebiger werden wird. An den ärztlichen Collegen wird es
liegen, ob wir auf dem G-ebiete menschlicher Embrj-ologie langsamere
oder raschere Fortschritte machen werden, denn sie allein sind im
Stande, uns das sonst unerreichbare Material zu ..beschaffen.

Um jegliches Missverständniss auszuschliessen, trete ich hier
noch in Einzelnheiten ein. Unter den Frühgeburten, die einem be-
schäftigten Arzte im Laufe seiner Praxis vorkommen, wird stets
ein grosser Theil sein, deren Inhalt nicht der gehegten Erwartung
entspricht, weil der Embryo vor der Zeit abgestorben oder patholo-
gisch entartet, oder weil in andern Fällen das Ei zerrissen oder
diu\'ch Blutergüsse verdorben ist. Die Reichlichkeit solcher Vorkomm-
nisse darf im Sammeln nicht entmuthigen, und für das unter allen
LT"mständen Richtigste halte ich es, wenn die Aerzte, welche luis
Embryologen zu Hülfe kommen wollen, überhaupt Alles ohne Unter-
schied einliefern, was ihnen an Frühgeburten durch die Hände geht.
Ausdräcklich hebe ich hervor, dass die Sammlung der verkümmerten
und im Wachsthum hinter dem Ei zurückgebliebenen Embryonen
eine sehr ausgiebige Quelle ist für teratologische Raritäten.

Am meisten hat man Orund, die Erlangung sehr junger Ent-
wicklungsstadien anzustreben: diese werden nun aber zu Zeiten
ausgestossen, da die Fi\'auen Icauni ihrer Schwangerschaft bewusst
sind. Hier kann nur grosse Aufmerksamkeit dem Ziele näher führen.
Wird in einem jeden Falle, in welchem bei einer Frau die Periode
über die Zeit hinaus sich verzögert hat, eine nacliträgiich auftretende
Blutung auf ihren Charakter gehörig geprüft und dabei sorgfältig
auf die Ausstossung allfälliger Blutklumpen gefahndet, so steigert
sich jedenfalls die Aussicht auf Mehrung des bis dahin noch so
sparsamen Materiales an sehr jungen Eiern.

Für die Behandlung atisgestossener Früchte bleibt, sofern die
sofortige Ablieferung

an einem Fachmann nicht möglich ist, die
Aufhebimg des Präparates in mässig verdünntem (ca. GOprocentigem)

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Alkohol immer noch das Beste. Das Auswaschen desselben in Wasser
ist unter allen Umständen abzurathen, ebenso die Behandlung mit
Chromsäure oder mit chromsauren Salzen. So vortheilhaft letztere
Reagentien unter gewissen Bedingungen auf die Conservirung der
Form wirken, so verlangen sie doch eine sehr subtile Handhabung,
falls die Präparate nicht brüchig gemacht werden sollen. Eine sehr
zuverlässige und für die Zwecke äusserer Formbetrachtung, wie für
die Mikrotomie gleich brauchbare Härtungsmethode ergiebt sich in
der Anwendung der Salpetersäure. Der Embrj\'-o bezw. das eröffnete
Ei wird mit der 1.0 procentigen Säure Übergossen, wobei augenblick-
lich intensive Trübung erfolgt. Nach etwa viertelstündiger Einwirkung
der Säure wird das Präparat in Alkohol verbracht und in diesem
aufbewahrt.

Die Gynäkologen verzeihen mir wohl noch eine speciell an ihre
Adresse gerichtete Bitte. Ihnen ist vor allen die Möglichkeit der
Materialsammlung geboten und sie bethätigen wohl ganz allgemein
ein lebhaftes und höchst erfreuhches Interesse an der Förderung
der menschlichen Embryologie. Manche suchen der Sache dadurch
zu nützen, dass sie ihre Schätze öffentlichen Sammlungen oder em-
bryologischen Spezialforschern überantworten, Andere dagegen glau-
ben ihrem guten Willen durch selbstständige Bearbeitung der auf-
gefundenen Kostbarkeiten Ausdruck geben zu sollen. Nun stellt das
Studium junger menschlicher Früchte an den üntersucher schwere
Anforderungen. Je seltener das Object, um so mehr darf man ver-
langen, dass dasselbe wirkhch erschöpfend ausgenützt werde; bei
manchen von den Materialien, die in den Fachschriften der letzten
Jahrzehnte beschrieben worden sind, ist dies entschieden nicht der
Fall geAvesen, einzelne Kostbarkeiten sind geradezu in bedauerlicher
Weise verdorben worden. Den Anforderungen der Jetztzeit entspricht
eine blosse Beschreibung der äusseren Gestaltung nicht mehr, es
werden sichere Maassangaben verlangt und, wo immer möglich, eine
mit Hülfe des Mikrotoms durchgeführte Bearbeitung der inneren
Organe. Sowohl die Untersuchungstechnik als die richtige Frage-
stellung stehen nur demjenigen gehörig zu Gebote, der sich durch
anhaltende Beschäftigung mit derartigen Arbeiten die nöthige Uebung
erworben hat. Für den Fortschritt der Wissenschaft wird daher sicher-
lich ein viel grösserer Nutzen entstehen, wenn sich die gynäkologi-

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seilen Collegen allgemeiner, als dies bis dahin der 1\'all. gewesen ist,
entschliessen, ihre seltenen Funde einem der embryologischen Fach-
männer zur Bearbeitung anzuvertrauen. Es ist mir allzugut bewusst,
dass es für manchen Gynäkologen ein schweres persönhches Opfer
ist, wenn er ein werthvolles Präparat, nach dem er vielleicht Jahre
lang gestrebt hat, aus den Händen geben oder gar der G-uillotine
des Mikrotoms auslieferen soll. Diejenigen Collegen aber, welche
genug Gemeinsinn besitzen, solche Opfer zu bringen, werden es
schliesslich doch nicht bereuen, ihre persönlichen Interessen einem
höheren Ziele untergeordnet zu haben.

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Methoden der Bearbeitung.

Je seltener und je kleiner ein Untersuclaungsobject, um so
sorgfältiger mrd man natürlicherweise bemüht sein, dasselbe er-
schöpfend auszunützen. Am liebsten möchte man allen denkbaren
Anforderungen zugleich gerecht werden, das Object unverletzt als
Dokument bewahren und hinwiederum dasselbe so zerlegen, dass
sämmthche Einzelnheiten des inneren Baues zur Anschauung gelangen.
AVill man entscheidende Fortschritte machen, so muss man, das ist
imerlässlich, mit der Tradition der sog. Cabinetsstücke brechen, und
man darf sich nicht scheuen, auch die seltensten Enihrj^onen dem
Mikrotom zu überantu\'orten. Damit ist aber noch nicht der Ver-
zicht auf jegliches Dokument ausgesprochen. Eine erste Keihe von
Dokumenten liegt in den bei bestimmter Yergrösserung aufgenom-
menen Zeichnungen, die man sich von den imverletzten Präparaten
entwirft, eine zweite nicht minder wichtige in deren Photographie.

Zeichnung und Photographie ergänzen sich gegenseitig,
ohne sich zu ersetzen. Vortheile und Nachtheile jeder Zeichnung
gegenüber der Photographie liegen in dem subjectiven Elemente,
das bei ihrem Zustandekommen mitwirkt. In einer jeden verstän-
digen Zeichnung ist mit Bewusstsein das Wesentliche vom Unwe-
sentlichen geschieden und der Zusammenhang der dargestellten
Eormgebilde ist in das nach der Auffassung des Zeichners richtige
Licht gesetzt. Die Zeichnung ist somit mehr oder weniger eine
Deutung des Objectes, sie wird für den Zeichnenden zur geistigen
Arbeit und verkörpert diese dem Beschauer, wogegen die Photogra-
phie den Gegenstand mit allen seinen Einzelnheiten, auch den zu-
fällig vorhandenen wiedergiebt, gev^dssermassen als Rohstoff, dafür
aber die absolute Treue garantirt.

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Für kleinere Objecte ist es rathsam, sich anstatt der verhält-
nissmässig groben\' Papierbilder Glascopien anfertigen zu lassen, am
besten gleich auf mikroskopischen Objectträgern, und sie mit einem
Deckglase zu überkitten. Solche Glasphotographien geben das De-
tail des Objectes mit einem Reichthum und einer Feinheit der Man-
cirung wieder, welche keine Zeichnung nachzuahmen vermag, und
sie ersetzen nicht allein in vieler Hinsicht das Original, sondern sie
ni)ertreffen dasselbe geradezu in Hinsicht ihrer immittelbaren Brauch-
barkeit. Die Zartheit sehr kleiner Embryonen nämlich setzt der
allzuhäufigen Besichtigung von vornherein gewisse Schranken, man
hütet sich, ein solches Object mehr denn durchaus nöthig aus seinem
Behälter herauszunehmen und es den Gefahren des Transportes unter
Loupe und Mikroskop auszusetzen. Diese Bedenken fallen der Pho-
tographie gegenüber weg, und so ist man im Stande, sich in diese
ohne jegliche Hintergedanken zu vertiefen. Nach meinen Erfahrungen
ist eine aus verschiedenen Aufnahmen bestehende Reihenfolge von
Glasphotographien für das Verständniss der äusseren Form eines
Embryo von unersetzhchem Werthe. Die Photographien werden am
besten bei nur schwacher (2 oder 4mahger) VergTösserung angefer-
tigt, sie lassen sich mit Hülfe des Zeichnungsprismas leicht weiter
vergrössern und die so gewonnenen Zeichnungen gewähren der gün-
stigeren Beleuchtung halber ein noch reicheres Detail als die direct
nach dem Object aufgenommenen.

Gute Färb- und Mikrotomirmethoden sind Gemeingxit
und es liegt kein Grund vor, mich darüber auszulassen; nur darauf
möchte ich hier nochmals hinweisen, dass es behufs einer klaren
topographischen Orientirung darauf ankommt, nicht allein fortlaufende
Schnittreihen anzulegen, sondern Reihen mit bekannten Schnitt-
dicken, derart, dass die Stellung jedes Schnittes zum Ganzen genatf
bestimmt ist.O

lieber die blosse Schnittbetrachtung hinaus hat man sich weiter-
hin zu einer plastischen Synthese des zerlegten Gebildes zu
erheben und es sind die zahlreichen Flächenbilder, welche die ein-
zelnen Schnitte gewähren, wieder umzusetzen in einfachere Anschau-
ungen körperlicher Art. Der ganze Umweg durch die Durchschnitts-

1) Vergl. Arch. f. Anat. u. Physiol., anat. Abth. 1877. S. 121.

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bilder hindurch ist ja nur deshalb nöthig, weil die Ohjecte ihrer
Kleinheit halber einer directen körperlichen Präparation sich ent-
ziehen. Die Forderung der Synthese erscheint selbstverständlich
genug, allein es wird ihr im Allgemeinen doch nur sehr ungenügend
Rechnung getragen und so sehe ich mich veranlasst, die von mir
eingeschlagenen Methoden, deren Grundzüge ich übrigens schon vor
12 Jahren entwickelt habe, etwas ausführiicher mitzutheilen.

Die\'Grundlage jeglicher genaueren Durcharbeitung bilden exacte
Zeichnungen der ganzen Embryonen sowohl, als der aus ihnen
gewonnenen Durchschnitte. Wofern bei stärkerer Vergrösserang
gezeichnet werden soll, bedient man sich mit Yortheil des Sonnen-
mikroskopes oder auch eines der bekannten, zum mikroskopischen

Zeichnen construirten Prismen.
Nun ist es aber gerade für ent-

wickelungsgeschichthche Zwecke

vielfach wünschbar bei geringen,
willkürlich zu bestimmenden
YergrÖsserungen von 5, 10 oder
20 zu zeichnen. Hierfür pflegen
selbst die schwächsten mikro-
skopischen Systeme sowie über-
haupt die ganze Mikroskopein-
richtung ungeeignet zu sein,
wogegen das Yertauschen der
mikroskopischen Objective mit
photographischen und die Er-
setzung des Mikroskopstatives
durch eine Zahnstange zum ge-
wünschten Ziele führt.

Folgende Apparatenzu-
sanimenstellung leistet mir
seit Jahren vortreffliche Dienste.
Auf festem Fusse steht eine 60 cm lange prismatische und mit
Zahnleiste versehene Messingstange. Nah über dem Fuss ist mittelst
eines 7,5 cm langen Armes ein Mikroskopspiegel angebracht; ausser-
dem aber laufen an der Stange drei durch Trieb bewegliche Hülsen
deren unterste den durchbohrten Objecttisch, die zweite das Objectiv\'

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die dritte eine Obeiiiäuser\'sclie Camera lucida trägt. Als Objectiv
benütze ich einen sogen. Stereoskopenkopf (von Dallmej^er) oder
ein kleines Steinheirsches xVplanat (N"r. 1). Letzteres insbesondere
hat sich sowohl hinsichtlich der Bildschärfe, als der Grösse des Ge-
sichtsfeldes nnd der Breite der Verwendbarkeit sehr leistungsfähig
erwiesen. — Als Zeichnungstläche dient ein kleiner neben dem Ap-
parat aufgestellter Tisch bez. eine auf einem Rahmen ruhende dicke
Glasplatte. Die Höhe dieser Projectionsiläche pflege ich nicht zu
variren und ebenso nehme ich die Normalstellung des Objecttisches
als fest an. Den wechselnden Abständen des Objectives von letzterem
wird unter diesen Umständen auch eine wechselnde Stellung der
Camera und eine wechselnde Vergrösserung des projicirten Bildes
entsprechen. An dem mit dem Aplanat bewaffneten Apparate lässt
sich die Vergrössenmg von 4 bis 40 variren. Dabei ist die feste
Stellung der Zeichnungstläche 5 cm über der N\'ormalstellung des
Objecttisches. Giebt man die aus\'^\'anderen Gründen empfehlens-
werthe feste Normirung dieses Abstandes auf, so lässt sich die Breite
des Vergrösserungswechsels noch etwas weiter treiben. — Die Grösse
des Gesichtsfeldes wächst natürlich entgegengesetzt der Vergrösse-
rung; bei 4 fâcher Vergr. erlaubt das Steinheirsche Aplanat ein
brauchbares Gesichtsfeld von 14 mm, bei 10fâcher Vergr. beträgt
letzteres noch 9 mm, bei 20facher 6 und bei 40 fâcher 3 7-2 mm.

Zur Einstellung auf eine bestimmte Vergrösserung legt man
einen Maassstab auf den Objecttisch und verschiebt die Hülsen 2
und 3 so lange, bis das auf die Zeichnungsfläche projicirte Bild
scharf und genau von der gewünschten Vergrösserung ist. Mittels
einer auf der Stange eingravirten Millimeterskala kann man die
einer jeden Vergrösserung correspondirenden Abstände ein für alle-
mal bestimmen und so die Zeit sehr verkürzen, die zur Regulirung
derselben erforderlich ist. Wird nun ein Object an die Stelle des
Maassstabes gebracht, so ist zu beachten, dass dessen abzubildende
Fläche in dieselbe Ebene gebracht werden muss, in der A^orher der
Maassstab lag. Zu dem Zwecke ist bei unveränderter Stellung von
Objectiv und von Camera lucida der Objecttisch so lange zu ver-
schieben, bis das Bild des Gegenstandes völlig scharf erscheint.

Die ganze Einrichtung wird durch einen vor dem Apparat an-
gebrachten verschiebbaren Schirm vervollständigt, der einerseits be-.

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Stimmt ist, das auf die obere Linsenfläolie auffallende Licht abzu-
fangen und so die störenden Spiegelungen zu beseitigen, und der
anderseits dazu dient, die Zeichnungsfläche in einem dem Bedürf-
niss entsprechenden Maasse zu beschatten. Es ist kaum nöthig zu
bemerken, dass opake Gregenstände einer intensiven Beleuchtung
durch die Sonne oder durch das Licht einer mit Sammellinse vei^
sehenen Lampe bedürfen. Anfertigung verschiedener Zeichnungen
desselben Objectes bei wechselnder Beleuchtungsrichtung gewährt
für die Deutung der Einzelnheiten wichtige Controlen. Eine Controle
anderer Art gewährt die Zeichnungsmethode, wenn sie zur Prüfung
des Einflusses von Erhärtungsmitteln verwendet wird.

Nachdem das Object bei einer bestimmten Vergrösserung als
Ganzes gezeichnet, dann in Schnitte von bekannter Dicke zerlegt
worden ist, und nachdem man auch diese letzteren bei derselben
^"ergrösserung gezeichnet hat, sind die Unterlagen zu einer zuver-
lässigen Eeconstruction beisammen. Die Ausführung dieser
letzteren beruht auf sehr einfachen Grundsätzen. Ein Papierblatt
wird in parallele Zonen eingetheilt, derart, dass jede Zone gemäss
der angewandten Yergrösserung einer Schnittdicke entspricht.!) Bei
Construction von Sagittalprojectionen dient das in richtiger Neigung
aufgetragene.Eückenprofil als Grundhnie, bei Frontalprojectionen ein
medianer Vertikalstrich. Die Distanzen der einzuzeichnenden Theil(>
von diesen Grundhnien werden für jeden einzelnen Schnitt ausge-
messen und an entsprechender Stelle in die Projectionszeichnung
eingetragen.

Man beginnt zunächst mit Verificirung der Schnittrichtnng und
des äusseren Profiles. Folgende Bedingungen sind dabei maass-

1) Obige Reconstructionsmethode habe ich vor 12 Jahren in meiner Mo-
nographie des Hühnchens (S. 182) auseinandergesetzt. Eine an der hiesigen
Anstalt nach derselben ausgeführte Arbeit über die Entwicklung des Vorder-
darms hat Herr Ä.
Seessel publicirt (Arch. f. Anat. u. PhysioL, anat. Abth. 1877.
S. 449). Im Uebrigen hat die Methode bei der grossen Menge der Schnitt-
techniker bis dahin wenig Beachtung gefunden; nur
Rosenbekg hat sich der-
selben zur Construction von Frontalansichten des Kreuzbeines bedient (Morphol.
Jahrb. I. S.
108) und in neuester Zeit hat Kbiegee, der gleichfalls selbstständiff
auf die Methode gekommen ist, sie als eine neue empfohlen und mit Recht
auf ihren hohen Werth hingewiesen (
Caeus, Zool. Anzeiger 1878. S. 369).

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gebend: die anzulegende Zeichnung muss die Höhe haben, welche
der Zahl und der Dicke der Schnitte entspricht und es müssen an
der Profildarstellung die durch die Urzeichnung controlirbaren äusse-
ren Theile, Auge, Herz, Leber, Extremitäten u. s. w. in die richtige
Höhe und in die richtigen gegenseitigen Abstände gelangen. Ist
dieser Bedingung Genüge geleistet und sind auch im Uebrigen alle
Operationen mit ausreichender Genauigkeit vollzogen worden, so wdrd
das durch Construction gewonnene Vorderprolil dem ursprünglich
aufgenommenen gleich sein und beide Zeichnungen müssen sich
decken. Wo dies nicht zutrifft, da ist der Grund der mangelnden
Congruenz aufzusuchen. Derselbe braucht nicht nothwendig in feh-
lerhafter Abmessung der Schnittdicken zu liegen, vielmehr kann er
in Verbiegungen hegen oder in Schrumpfungen, welche das Präparat
z-wischen der ersten Zeichnungsaufnahme und der Zerlegung erfahren
hat. Darnach können eventuelle Correctionen des Constructionsbildes
vorgenommen werden. Eine unschwer zu beurtheilende Fehlerquelle
liegt meistentheils in der unsicheren Dickenbestimmung der beiden
Endschnitte einer Eeihe. Von den auf den Tafeln dieser Arbeit
mitgetheilten Constructionen sind vor allen diejenige des Embryo A.
durch ihre Uebereinstimmung mit der Urzeichnung bemerkenswerth,
auch die Constructionen von
m und von M sind befriedigend, wogegen
bei B. eine Correction angebracht werden musste, über welche w^eiter
unten das Einzelne mitgetheilt werden soll.

Je intensiver man sich mit solchen Roconstructionen beschäftigt,
und je
allseitiger man ein und dasselbe Object durcharbeitet, um so
sicherer lernt man den Gegenstand beherrschen und in der gegen-
seitigen Controle der verschiedenen Constructionen findet man bald
den scharfen Maassstab für die Zuverlässigkeit des ganzen Verfahrens.

Mit Hülfe der für die verschiedenen Organsysteme durchgeführ-
ten Projectionszeichnungen kann man an den plastischen Aufbau
des Objectes, an dessen N achm ode Iiirun g gehn. Der wissen-
schaftliche Nutzen einer derartigen Bearbeitung embryologischer und
feiner anatomischer Aufgaben wdrd noch viel zu sehr unterschätzt,
\\md doch ist er sehr bedeutend, und es würde sich an der Hand
empirischer Beispiele unschwer nachweisen lassen, dass für einen
guten Theil von vorhandenen literarischen Unklarheiten der Grund
im Mangel an plastischer Durcharbeitung liegt. Die ausführlichsten

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Beschreibungen von DurchschnittsbiMern sind nun einmal nicht im
Stande, eine klare Körperanschauung zu gewähren und auf eine
solche haben wir bei embryologischen Untersuchungen nicht minder
als bei anatomischen hinzustreben. Wie aber bereits das Zeichnen
eines Gegenstandes unser Auge für dessen Auffassung schärft, in-
dem es zur Aufstellung und zur Beantwortung mannigfacher Fragen
drängt,, so thut dies in noch viel höherem Grade die plastische
Reproduction. Jeder Theil des Objectes will in seiner richtigen Form
und Grösse und an seinem richtigen Orte dargestellt sein, wenn da-
durch nicht hinwiederum alle Nachbartheile gestört und\' aus ihrer
Lage gebracht werden sollen. Jedes Stück controlirt also seine Nach-
barstücke sowohl, als das Ganze. Es duldet die plastische Be-
arbeitung keinerlei Unklarheit, denn wofern man den Gegenstand
nicht völlig beherrscht, bleibt nur die Alternative übrig, zwischen
der Arbeitsunterbrechung oder der bewussten Pfuscherei. Die Be-
handlung von Modellirmaterial, von Wachs und von Thon, ist dabei
so leicht zu erlernen, der ganze Apparat ein so einfacher, dass man
gegenüber den maasslos überwuchernden Schnittbeschreibungen mit
vollem Rechte verlangen darf, dass embryologische Forscher, wie mit
dem Bleistifte, so auch mit dem Modellirspatel sich zu behelfen,
ihren Vorstellungen vom räumhchen Zusammenhang der dargestellten
Theile plastische Gestalt zu geben und darnach auch ihre Beschrei-
bungen einzurichten wissen.

Ueber die zur Orientirung dienende Bezeichnungen

ist es wegen der stark zusammengekrümmten Form der Embryonen
nöthig, sich ausdrücklich zu verständigen. Bei der Beschreibung
der Gesammtform nehme ich als Längsaxe die längste durch den
Körper führbare Gerade an, welche bei Embryonen von 7 bis 8 mm
den Nackenhöcker mit dem Lendentheile des Stammes verbindet.
Der Mundeingang sieht hierbei nach rückwärts, die Hirnbasis nach
aufwärts, der Rautengrubeneingang nach vorn u. s. w. Für die Ein-
zelnbeschreibung, speciell für diejenige des Kopfes erscheint es weder
nothwendig noch zweckmässig, diese temporären Lagerungsbezeich-
mmgen durchzuführen und es ist da passender, jene Orientirung der
Theile anzunehmen, an die wir als an die bleibende gewohnt sind,
die Mundhöhle z. B. über den Pharynx zu setzen und die Gesichts-
fläche des Kopfes die vordere zu nennen. Wir werden zu dem

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Zwecke in der Eegel die Bezeichnungsweise so wählen, als^ ob der
Embryo künstiich gestreckt worden wäre, nnd bei der Einzelnbe-
schreibung nur da von dieser Eegel abweichen, wo die besonderen
Umstände es verlangen.

Die einzelnen Embryonen, welche im Nachfolgenden beschrieben
werden, habe ich mit Buchstaben bezeichnet (nach den Namen der-
jenigen Herren, denen ich dieselben verdanke); es scheint mir dies
für junge menschliche Embryonen beim gegenwärtigen Zustande
unserer Kenntnisse die imverfänglichste Bezeichnungsweise, indem
Maassbestimmungen, Altersbestimmungen oder Stadienbestimmungen
in der einen oder anderen Weise discutirbar bleiben.

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Embryonen A. und B.

(Körperlänge 7.5 und 7 mm.)

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gelegt, um den Bauohstie

Mit Absicht stelle ich nicht die allerjüngsten von mir bearbei-
teten Embryonen voraus, weil das Studium dieser letzteren mit
Nutzen an das von etwas vorgerückteren Stufen anknüpft.

Fig. 3. Embryo B. (7fach vergrössert). Die Natelblase ist zur Seite
in ganzer Ausäehnmig sichtbar zu machen.

Die Stufe, welcher die zwei Embryonen A. und B. angehören
imd deren Altersbestimmung auf ca. 4 Wochen zu veranschlagen
ist, zeigt den Körper sehr stark zusammengekrümmt, vom Amnion
dicht umschlossen, mit bereits gestielter Nabelblase versehen und
durch, einen kurzen, dicken Strang dem etwas üb(?r haselnussgrossen

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Cliorion angeheftet; die Extremitäten sind als fiaclie Platten angelegt,
noch ungegliedert, die Schlundbogen scharf ausgeprägt und durch
tiefe Furchen von einander geschieden. Die Litteratur enthält meh-
rere gute Beschreibungen und Abbildungen dieser Entwicklungsstufe,
so von JOH.
Müller \'), von Coste -) und von Waldeyek ■ ).

Den Embryo B. verdanke ich der Güte des Herrn Prof. J. J.
ßisoHOFF in Basel, und zwar erhielt ich das Ei uneröffnet, in Al-
kohol aufbewahrt. Den Embryo A. ist Herr Prof.
Ahlfeld so
freundlich gewesen, mir zu überlassen, nachdem er das Präparat
«chon seit längerer Zeit in seiner Privatsammlung aufgestellt und
bewahrt hatte. Auch dieser Embryo lag in Alkohol, das Amnion
war s. Z. gespalten und der Nabelstrang präparirt worden. Während
an diesem Präparate in Folge der Wegnahme des Amnion und wohl
auch der Alkoholwirkung die äusseren Formverhältnisse in grösster
Schärfe hervorgetreten sind, ist der unverletzte Embryo B. besonders
geeignet gewesen, um das Verhältniss zu den Hüllen gehörig fest-
zustellen. Embryo A. ist uni weniges entwickelter als B., im Uebrigen
stimmen, sowohl was die äussere Form als was den inneren Bau
betrifft, die beiden unter einander bis auf untergeordnete Punkte
völhg überein.

Den durch Hämatoxylin etwas überfärbten Embryo B. habe ich in
Schnitte von je 0.1 mm zerlegt, welche mit Ausnahme einiger un-

1) JoH. Müller, vierwöchentlicber Embryo in Meckel\'s Archiv 1830. Taf. XI,
copirt bei R.
Wagner, Icônes Taf. VII. 12 und Taf. VIII. 4.

2) CosTE, Devel. des êtres organisés Esp. hum. Taf. III. 25 bis 28 Tage
alter Embryo.

3) Waldetee in Heidenhain\'s Studien des Breslauer physiol. Instituts.
3-Heft. Leipzig 1865. S. 55.

Diese Abbildungen stimmen in den Hauptpunkten unter sich und mit
tien meinigen gut überein. In der
waldeyer\'schen stockt jedoch ein Irrthum
bezüglich der Bezeichnung der Sinnesorgane. Der Fleck, den W. Auge nennt,
kann unmöglich dies Organ sein, denn er liegt in der Höhe des Mittelhirns;
das richtige Auge möchte wohl da liegen, wo W. die Riechgrube zeichnet.

Etwas älter als meine zwei Embryonen ist der von A. Eokee gezeichnete
in den Icones physiol. Taf. XVIII. Fig. 11, der sich unter Zugrundelegung der
Angaben über die letzte stattgehabte Periode auf 4V2 Wochen berechnet. Von
den bei
Kölukee, Entwicklungsgeschichte 2. Aufl. S. 311 u. 313 abgebildeten,
von
Allen Thomson stammenden Embryonen ist der eine jünger {4\'/2 mm), der
andere älter (11 mm) als die meinigen.

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i:; \' ; wichtiger auf den Tafeln II. und III. abgebildet sind. Die Härtung war

\'! im Allgemeinen gut und nur für das Gehirn unzureichend. Bei Einzeich-

I \' nung des letzteren in die Figuren I. 3 und VII. habe ich daher die äusser-

: lieh erkennbaren Formen (I. 1) mit den bei A. gewonnenen Ergebnissen

lillu , combinirt und es beansprucht diese Gehirnzeichnung nicht denselben Werth

;„ ■ wie diejenige von A. Nach der Urzeichnung waren bei B. 63 bis 64

Schnitte zu erwarten und es ist sonach ein Defect von 0.4 bis 0.5 mm
>11 " vorhanden. Zum Theil lässt sich diese Differenz aus einer stärkeren Ein-

rollung des unteren Eörperendes ableiten, allein auch wenn man einer
solchen Eechnung trägt, bleibt ein Defect übrig von ca. 0.3 mm, der mög-
■ : licherweise von einem Verzählen der Schraubengänge des Mikrotoms her-

rührt. Aus dem Abzählen der Segmente und aus dem Vergleichen der
von unten nach oben mit den von oben nach unten durchgefühi\'ten Con-
^ , structionen bin ich zum Ergebniss gekommen, dass der Fehler in die obere

ti"\', : Herzgegend fällt und ich glaube denselben möglichst compensirt zu haben,

indem ich den drei Schnitten 38 bis 40 bei den Constructionen die doppelte
\' \' 1 Dicke (0.2 statt 0.1mm) zugemessen habe.

iii Auch den Embryo A. habe ich mikrotomirt und die wichtigeren Schnitte

auf den Tafeln IV. und V. zusammengestellt. Derselbe besass von der
früheren Präparation her einige kleine Verwundungen, einen Einschnitt
, am Nacken und einen Riss an der Insertionsstelle des Bauchstieles. Vor

U\\ • der Mikrotdmirung trennte ich in der Verlängerung des vorhandenen Ein-

\' \' schnittes den Kopf vom Eumpf und zerlegte dann jenen in 48, diesen in

68 Schnitte von je 0.1 mm. Die Härtung war gut, die Schnitte zeigen
tilll I nur solche Defecte, welche durch die frühere Verwundung veranlasst waren;

\' am mangelhaftesten sind die Schnitte des unteren Bauchgebietes ausge-

fallen (90 bis 100), an welchen durchweg der Mitteldarm fehlt. Hiervon
abgesehen stimmen die Constractionen bei diesem Embryo auf das erfreu-
\' I ■ liebste mit den TJrzeichnungen überein und besonders hat die Constraction

des Kopfes sehr präcise Ergebnisse geliefert.

Aeussere Grliederung der Embryonen A. und B.

(Taf. I. Fig. 1 und 3.)

Auf Taf. I. ist der nackte Embryo A. 20 fach vergrössert von
der linken Seite her, der von seinem Amnion umhüllte Embryo B.
in der rechtsseitigen Profilansicht dargestellt, die Zeichnungen sind
nach den Grlasphotographien der Originalpräparate ausgeführt. Beide
Embryonen sind in gleicher Weise zusammengekrümmt, der Kopf
und die Stammtheile des Rumpfes bilden eine durch gegenseitige
Annäherung der Enden beinahe geschlossene Spange, welche, schon
äusserlich erkennbar, das Herz und die Leber nebst den vom irnterleib

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abgehenden Stielgebilden nmgreift. Die Wölbung der Spange ist
keine gieichmässige; in einem beinahe rechten Winkel biegt sich
der Kopftheil vom Nackenhöcker aus nach vorn über; einen zweiten
weit stumpferen Winkel bildet der Rücken des Embrj^o etwas unter-
halb der xibgangsstelle der oberen Extremitäten in der Höhe vom
9- bis 10. IJrwirbel; von da nach abwärts bleibt derselbe nur mässig
gekrümmt, dagegen biegt sich das Beckenende des Körpers stark
nach vorn empor und die Steissspitze kommt in geringen Abstand
vom Stirnende des Kopfes zu stehen.

Die Regioneneintheilung des Rumpfes lässt sich mit Hülfe der
Urwirbel gut durchführen. An der von links her aufgenommenen
Photographie von A. lassen sich vom Nackenhöcker bis zur Steiss-
spitze 35 Segmente abzählen. Diese repräsentiren die intervertebrale
Muskulatur nebst den Gangiienanlagen, sie sind daher nach Art der
Nerven zu zählen, d. h. es kommen 8 auf den Hals, 12 auf den
Rücken, je 5 auf Lenden- und Sakraltheil und der Rest auf den
Steisstheil. Auch bei B. ist ein grosser Theil der IJrwirbel äusser-
lich sichtbar, allein es ist hier keine durchgreifende Zählung möglich;
ich habe es nämlich verabsäumt, Zeichnungen oder Photographien
von der linken .Seite her aufzunehmen; in der Ansicht von rechts
aber ist das Steissende verdeckt und der sichtbare Theil des Becken-
abschnitts erscheint in der Verkürzung. Die längste durch den
Körper legbare Linie geht bei beiden Embryonen von der Mitte des
Nackenhöckers durch das 4. Lumbalsegnient; Alles, was dem späte-
i\'en Becken angehört, ist somit im vorderen Schenkel der Rumpf-
spange zu suchen.

Nach einwärts von dem in Segmente zerlegten Stammtheile des
Rumpfes folgt die Wolff\'sche Leiste, aus welcher die obere und die
untere Extremität als flache Platten hervortreten. Bei B. steht die
Anlage der oberen Extremität noch rechtwinklig zur Rückenlinie,
I>ei A. hat sich deren Spitze bereits gesenkt, und die Wurzel der
Extremität ist entsprechend eingeknickt.

Der vom Kopf und von der Rumpfspange umschlossene centrale
Kern zeigt in seiner oberen Hälfte drei wulstige Vorsprünge; die
zwei vorderen sind durch den Vorhof und durch den Ventrikeltheil
des Herzens gebildet, der dritte, mehr nach hinten und unten he-
gende durch die Leber. Unterhalb der letzteren ist die Bauchwand
His, MenseW. Embryonen. 2

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tu "I

, m;

\'I etAvas eingesunken und sie verlängert sich in einen dicken, schräg"

■i!"^ nach abwärtsjaufenden Stiel, den Bauch stiel, Avelcher rechts vom

\'! Beckenende des Körpers vorbeigeht und nach kurzem Verlauf das

il\' Chorion erreicht. Das neben dem Bauchstiel emporsteigende Becken-

stück hegt demselben unmittelbar an und es ist, wie die Durch-
schnitte zeigen, mit ihm fast in ganzer Ausdehnung verwachsen;
nur die äusserste Steissspitze ist ringsherum frei, ein Verhältnisse
\' \' auf das ich unten bei Discussion der Schwanzfrage zurückkommen

werde. Der Stiel der Nabelblase verlässt den Körper auf der rech-
ten Seite des von der Bauchwand abgehenden Stieles,
i\'iiij il Mit Rücksicht auf die bleibende Innervation ist es von Interesse,

\' die Beziehung der Segmente zu den davor liegenden Theilen

I ins Auge zu fassen. Verlängert man die Linie, welche Herz und

: Leber äusserhch von einander trennt, so schneidet sie den Stamm

! im 4. bis 5. Segment und bezeichnet so die Herkunft des N. phre-

nicus. Die Abgangsstelle der oberen Extremität fällt etwas unterhalb
des 5. Halssegments, vor das 6. bis 8., und vor die obersten zwei
!! Brustsegmente. Die schon jetzt hohe Lage des 5. und der obreren

Hälfte des 6. Segmentes erklären den vor der Extremität vorbeifüh-
i; renden Weg des N. thoracicus longus. Die Aussentläche der Extre-

mität ist deren Streckseite, die Innenfläche deren Beugeseite, der
obere Eand entspricht dem späteren radialen, der untere dem ul-
" naren Eande der Extremität. Die Entstehung des N. musculo-cuta-

,, neus aus den oberen, die des K ulnaris und der Nu. cutanei medius

und internus aus den unteren Bündeln des Brachialgefiechtes sind
damit vorgezeichnet, und ebenso findet das Herantreten der vom 2,
und 3. Brustnerven herstammenden Intercosto-humeralzweige an den
II Oberarm schon durch die Aussenbesichtigung seine genügende Er-

läuterung.

M Die untere Extremität liegt gegenüber der unteren Biegung der

Eumpfspange; in ihren Wurzelbereich fallen 1 bis 2 untere Lenden-
:: und 3 bis 4 obere Sakralsegmente. Das Gebiet des eigenthchen

i. Plexus lumbalis befindet sich sonach über der Stelle, wo die Extre-

:i mität frei wird. Dagegen ist es leicht verständlich, wie die von

II jenem Geflecht herkommenden Extremitätenstämme Cutaneus exter-

nus, Obturatorius und Cruralis ihren Weg zur Vorderfläche des
Schenkels zu nehmen haben, während dem Plexus ischiadicus die

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Rückseite oifen steht; auch hei der Anlage der imteren Extremität
entspricht nämlich die mediale Fläche der späteren Beugeseite und
der obere Rand dem Grosszehenrande. An der ausgebildeten Ex-
tremität sind die Verhältnisse wesentlich verschoben und nicht
ohne Weiteres verständlich. Der Schlüssel ergiebt sich aber aus
der Besichtigung unterer Extremitäten bei Embryonen von 2 bis
3 cni Länge. Bei diesen nämhch sind die Sohlenfläche des Fusses
und die Vorderfläche des Unterschenkels medianwärts, die Knie
lateralwärts gerichtet, und es wird daraus ersichtlich, dass der Weg,
den späterhin die grossen Arterienstämme, die Aa. cruralis, poplitaea,
tibialis und plantares nehmen, solche Theile verbindet die ursprüng-
lich gleichgerichtet und der medialen Flache der Extremität zuge-
hörig waren. Dieser medialen Fläche der Extremitätenanlage ent-
sprechen sonach die vordere Innenseite des Oberschenkels, die Rück-
fläche des Unterschenkels und die Sohlenfläche des Fusses; der
lateralen Fläche der Anlage die hintere und Aussenseite des Ober-
schenkels, die Vorderfläche des Unterschenkels und die Dorsalfläche
des Fusses.

Die radiär zusammenstrahlende Innervation der Damm- und
Schamgegend erklärt sich, wie ich dies schon bei einem früheren
Anlasse gezeigt habe, aus der Zusammenbiegung des lumbosa-
l\'^ralen Körperabschnittes und aus der Lage der Regio pudendo-peri-
nealis im Mittelpunkte des Bogens. Dabei stellt sich heraus, dass
die Extremität für die ihrem näheren Bezirke angehörigen Nerven
den Weg zur Perinealgegend verlegt, denn die Zweige der oberen
Lendennerven die Nn. ileo-hypogastricus, ileo-inguinalis und genito-
cruralis begegnen unmittelbar den aus unteren Bezirken stammen-
den Zweigen des N. pudendus communis und des Ramus perin.
eut. post. Ein ähnliches Verhältniss kehrt im Bereich der oberen
Extremität wieder. Die obere Brustgegend erhält ihre Hautnerven
von den Nn. supraclaviculares des 4. Cervikalnerven und an diese
sehliessen sich nicht etwa Zweige unterer Cervikalnerven an, sondern
sofort die Ex. perforantes der intercostalen Brustnerven.

ßer Kopf wird in seiner äusseren Conformation wesentlich
durch die Gliederung des Gehirns bestimmt, dessen Formen durch

1) Monogr. des Hühnchens S. 155.

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die dünne Decke liindurcli deutjicli hervortreten. Bei beiden Em-
brj^onen sind die fünf hintereinanderhegenden Abtheilungen erkenn-
bar, bei A. um weniges weiter fortgeschritten als bei B. Am Grund
des Hemisphärenhirns zeigt sich die Eiechgxube, in geringer Ent-
fernung davon das Auge mit der noch hohlen Linse. Characteristisch
für den menschlichen Embryo ist, wie schon anderwärts gezeigt
wurde 1), die starke Entwickelung\' des Vorderhirns und die geringe
Grösse des Auges. Bei den beiden Embryonen misst der äusserlich
hervortretende Vorsprung des Auges nicht mehr denn 0.3 mm; vom
vorderen Kopfende ist er bei A. um 1.15, bei B. um 0.95 mm ent-
i:ii!| ||, fernt; der von ihm eingenommene Elächenraum beträgt etwa den

II\'\'\', \'\'\' 9. bis 12. Theil von dem, welchen die davor liegende Hemisphären-

anlage beansprucht.

Eine hinter dem Augapfel hervortretende Ausbauchung bezeich-
net den Ort des Trigeminusganglions, dasselbe liegt im Winkel
zwischen Mittel- und Hinterhirn. Jenseits des Hinterhirns, in der
Höhe des 2. Schlundbogens, bildet die Gehörblase nebst dem vor
ihr befindlichen Ganglion acusticum eine leichte Anschwellung.
Oberkiefer, Unterkieferfortsatz und zweiter Schlundbogen bilden
;;; eine Reihenfolge von kräftigen Wülsten, welche durch winldige

Iii!\' Ii\' VXrUBStJ UKKÜUg\'

II I

Eurchen von einander geschieden sind, alle drei zusammengenommen
besitzen eine Höhe von 1.45 bis 1.55 mm, wovon auf den 2. Schlund-
bogen allein 0.6 mm kommen. Dorsalwärts sind diese oberen Vis-
ceralfortsätze durch eine zwischen ihnen und dem Gehirn herab-
ziehende Einsenkung scharf umgränzt. Unterkieferfortsatz und 2.
Schlundbogen zeigen überdies eine Ghederung in je einen hinteren
und einen vorderen Höcker.\'^) Der vordere Rand der letzteren berührt
fast unmittelbar die vordere Herzfläche und er liegt in einer Linie
deren Verlängerung das Hemisphärenhirn in der Gegend der Riech-
grube schneidet. Der 3. Schlundbogen ist weit niedriger als seine
beiden Vorgänger, er verschmälert sich an seinem vorderen Ende
und auch an ihm ist noch eine Trennung in zwei Abtheilungen er-
kennbar. Der 4. Bogen, senkrecht unter dem Nackenhöcker und im
einspringenden Winkel zwischen Rumpf und Kopf liegend, ist nur

1) Unsere Körperform S. 194 u. f.

2) Colliculus branchialis ant. und post. von Moldenhauee. Morpbol. Jahrb.

III. 118.

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an seiner Wurzel frei, seine weitere Fortsetzung wird vom 3. Bogen
völlig überdeckt, wie dies aus den Durchschnitten und aus den
Constructionsbildern sich ergiebt (Taf. II. Fig. 43^44, Taf. VII. B. 3
^md B. 4 und Taf. V. 65—68).

Von den zwischen den Schlundbogen gelegenen Furchen ist die
ei\'ste bei weitem die längste, die zweite ist erheblich kürzer. Die
dritte und die vierte Furche sind von Aussen her nicht ohne weite-
A\'es sichtbar, sie liegen im Grund der dreieckigen Grube, innerhalb
deren der vierte Schlundbogen sich versteckt. Von sämmtlichen
I\'urchen sind, wie die Schnitte lehren, nur die dritte und vierte
wirklich durchgängig \'), die beiden vorderen sind verschlossen.

Das Amnion umhüllt den Embryo B. in knapper Weise und
es umfasst auch die Ursprungsstelle des Bauchstieles. Sein Um-
schlagsrand ist mit diesem, da wo er sich zwischen Vorderkopf und
Beckentheil (links von jenem, rechts von\' diesem) hervordrängt, in
grösserer Ausdehnung verwachsen. Der Bauchstiel trägt an seiner
i\'echten Seite eine Einne zur Aufnahme des Darmstieles; hier ent-
fernt sich das Amnion von ihm und bildet, indem es sich vom
Vorder- zum Hinterleib direct hinüber spannt, mit seinem Umschlags-
rande eine straffe Brücke.

Der Darmstiel oder Stiel der N"abelblase besitzt bei seinem
Austritte einen Durchmesser von ca. 0.2 mm, wogegen der Bauch-
stiel als ein Strang von 1.1 bis 1.2 mm Höhe den Körper verlässt;
seine Insertion in das Chorion erfolgt schon nach einem Verlauf
von kaum 2 mm. Der Bauchstiel umfasst alle die Gebilde, welche
späterhin Bestandtheile des ^fabelstranges sind, mit Ausnahme des
zur Zeit noch frei daneben liegenden Darmstieles und der epider-
ßioidalen Hülle. Wenn sich später das Amnion vom Embryo abhebt
lind dem Chorion nähert, wird sein Umschlagstheil zu einem länge-
ren Rohre ausgezogen, w^elches den mittlerweile gleichfalls verlänger-
ten Bauchstiel mitsammt dem ihn anliegenden Darmstiele umscheidet.
Da der Bauchstiel eine wichtige Eolle spielt, lauge bevor man von
einem eigentlichen IsTabelstrange reden darf, so erscheint die Ein-
führung einer besonderen Bezeichnung für denselben hinreichend

gerechtfertigt.

1) Damit stimmt auch Duksy, Entwickelungsgesch. des Kopfes S. 114.

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Centrainervensystem.

Die Alllage von Gehirn und Eückenmark erstreckt sich als ge-
schlossenes Eohr vom Vorderkopf bis zur Steissspitze. Die Gesammt-
länge beträgt bei Embiyo A. 19.5 mm. Mnimt man das erste Eumpf-
segment als Gehirngränze an, so beträgt die Länge des Gehirns bei
A. 6.6 mm oder rund ein Drittel. Bei B. ist dieser Werth nahezu
gleich gross, 6.1 mm.

Aeussere Form des Gehirns.

Die Hauptformen des Gehirns treten schon durch die äussere
Bekleidung hindurch kennthch hervor (Taf. L).- Dasselbe besteht
aus zwei ungleich langen Schenkeln, welche sich fast bis zur Be-
rührung entgegengerückt sind. Den vorderen kurzen Schenkel bilden
das Hemisphärenhirn (Vorderhirn) und das Zwischenhirn,
den hinteren längeren das Hinterhirn und Nachhirn. Beide
Schenkel treffen im Mittelhirn zusammen und zwischen ihnen
dringt eine schmale Furche, die Sattelfurche, wie wir sie mit
Eücksicht auf ihre spätere Bedeutung nennen können, bis zu dessen
Basis vor.

Bei A. misst bis zur Gränze des Mittelhirns

der hintere Eöhrenschenkel........3.5 mm.

„ vordere „ ........1-6 „

die Länge des Mittelhirns beträgt......1-5 „

Die vorderen Gehirntheile sind sonach weit davon entfernt, jenes
Uebergewicht zu besitzen, das ihnen später zukommt, die Hemisphä-
ren sind zur Zeit noch sehr unbedeutende, das Zwischenhirn nur in
schmaler Zone überdeckende Gebilde, und die hinteren Gehirnab-
schnitte^ sind in jeder Hinsicht mächtiger als die vorderen.

Die zwischen Hinterhirn und Nachhirn vorhandene Brücken-
krümmung ist von mässiger Ausbildung. Bei Bmbiyo A. be-
trägt auf eine Bogenlänge von 3 mm die Erhebung über die
Grundlinie nur 0.3 mm. Die stärkste Ausbiegung liegt etwas tiefer
als der Eingang in die Sattelspalte. Hier erreicht das Gehinirohr
seine maximale Breite von mehr denn 2 mm und es bildet zwei

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Biegimgsohren welche als starke seitliche Ausladungen den hinteren
Abschluss des Cerebellumgehietes ■ darstellen (Taf. IV. 18—21 und
Taf. VII. A. 3).

Fast in der ganzen Ausdehnung des G-ehirnrohres ist der Schluss
der beiden Seitenhälften durch eine dünne Platte vermittelt, neben
welcher die Ränder als steile Leisten hervorstehen. Grossentheils
ist diese Schlussplatte sehr schmal; im gebogenen und ausge-
weiteten Abschnitte des hinteren Gehirnschenkels ist sie aber von
liedeutender Breite und, indem sie an den Weingeistpräparaten et-
was unter die Oberfläche einsinkt, entsteht eine auch äusserlich
wahrnehmbare Vertiefung, das Feld der Rauten grübe bezeich-
nend (Taf. VII. A. 3). Von den vier Bändern dieser Stelle sind die
vorderen beiden kürzer als die hinteren und wie diese sehr bestimmt
ausgeprägt. Die jederseits an den vorderen Rand des Rautengruben-
feldes angränzenden Theile der Hirndecke sind die Anlagen der
t»eiden Kleinhirnhemisphären; ihre längsten Durchmesser ste-
llen schräg und convergiren nach vorn, ihre Oberfläche ist dorsal-
wärts convex (Taf. IV. 14—23). Nach oben gränzen sich die Hemi-
sphären scharf gegen ein bedeutend verengtes Stück des Himrohres
ab, welches den Anschluss an das Mittelhirn vermittelt; ich nenne
dieses den Isthmus des Hinterhirns. Es ist der Isthmus nur
0.85—0.9 mm breit und aus ihm gehen die Theile hervor, welche
die Umgebung des vorderen Endes der Rautengrube bilden (Velum
niedullare anterius, Pedunculi ad Corp. quadrigemina u. s. w.). Die
Wintere Hälfte des Rautengrubenfeldes wird vom Gebiete der Cor-
pora restiformia eingefasst. An Durchschnitten characterisirt
sich dasselbe durch eine beinahe vertikale Stellung der seitüchen
Röhrenwand (Taf. IV. 24—42) und durch eine im oberen Abschnitte
vorhandene Einfaltung derselben. Unmittelbar unterhalb der grössten
Rautengrubenbreite liegen der Medulla oblongata die beiden Gehör-
l)lasen an.

Weit minder deutlich als in der dorsalen Ansicht ist die obere
Gränze der Medulla oblongata in der ventralen. Der Ort der späte-
teren Brücke ist zwar insofern bestimmt, als er das Gebiet der
grössten Breite des Hirnrohres umfasst, allein die obere und die

1) Vergl. Körperform S. 96.

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untere Grenze einer Brücke sind nicht gegeben, weil überhaupt die
die Brücke characterisirenden mächtigen Züge von Querfasern noch
nicht vorhanden sind.

Dünne Schichten weisser Substanz sind dem primären, aus
Zellen gebildeten Medullär röhre äusserlich angelagert, sie ver-
wischen etwas die Formeigenthümlichkeiten des letzteren. Da nun
aber dessen Gestalt in den verschiedenen Höhen characteristisch
und für die, Folgeentwickelung bedeutsam ist, so wird es nöthig,
sie noch besonders zu erörtern.

Von unten ab bis zur Stelle der grösseren Breite , ist das pri-
märe Hirnrohr prismatisch geformt, von da ab mehr cjdindrisch.
Die Querschnitte des unteren Theiles der Medulla oblongata (Taf. IV.
42 — 28) zeigen ein fünfseitiges Prisma mit einer vorderen, zwei
seitlichen und zwei hinteren Kanten. Letztere fassen die Schluss-
platte zwischen sich und rücken in eben dem Maasse auseinander,
als diese an Breite gewinnt. Mit dem Auseinanderrücken der hin-
teren Kanten ändert sich auch die Schärfe der Seitenkanten; der
Winkel, unter welchem jederseits die etwas concave Vorderfläche
mit der gleichfalls eingebogenen Seitenfläche zusammentriff\'t, nimmt
von unten nach oben stätig zu, bis er sich schhesshch bei der An-
näherung an den Ort grösster Breite beinahe völlig ausgleicht. Die
Gestalt des fünfkantigen Prismas nähert sich daher derjenigen eines
dreikantigen (Taf. IV. 27 — 23), zugleich aber bildet sich an der
früheren Seitenwand des Rohres, dem nunmehrigen Gebiete des C.
restiforme die obenerwähnte Einfaltung aus, welche sich erst mit
dem üebergang ins Gerebeilumgebiet verhert. Von hier ab tritt
wieder eine scharfe Seitenkante auf und bei IV. 21—19 ist der
fünfseitige prismatische Charakter des Rohres neuerdings sehr aus-
gesprochen, dann aber verhert er sich schon bei 17 durch die zu-
nehmende Auswärtswölbung der Wandung. Das Rohr besteht von
da ab aus zwei Halbcylindern, welche je an ihrem vorderen und
hinteren Vereinigungssaum in eine vorspringende Leiste auslaufen.
Diesen Charakter behält dasselbe auch längs des Isthmus und bis
zum Mittelhirn hin.

Das Mittelhirn ist nach vorn wie nach rückwärts gleich
scharf abgesetzt. Das Scheitelstück des Hirnrohres bildend, ist es
breit und niedrig, wie dies der starken Zusammenbiegung des letzte-

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i\'en entspricht. Seine Seitenwandungen sind stark ausgehaucht, die
obere und die untere Fläche je mit einer medianen Leiste besetzt.

Der vordere Schenkel des Gehirnrohres besitzt eine
^^ereits ziemhch ausgebildete Gliederung. Ein tieferer Einschnitt
scheidet die steil aufsteigenden Hemisphären vom Zwischen-
hirn, am letzteren hängen beiderseits mittelst breiter hohler Stiele
die Augenblasen. An seiner unteren Fläche trägt das Zwischen-
lürn die selbstständig abgegränzten Riechlappeii, an seiner der
Sattelspalte zugekehrten Rückwand das cerebrale Hypophj^sen-
säckchen. Eine von der Mitte dieses Säckchens zur Hemisphären-
mitte gezogene Linie hat die Richtung von vorn nach rückwärts
und die längsten Durchmesser des Zwischenhirns und der beiden
Hemisphären stehen annähernd rechtwinklig auf derselben.

Das Zwischenhirn ist in seiner unteren Hälfte durch eine Furche
(Sulcus intermedius) in einen vorderen und einen hinteren
wulstartig hervortretenden Schenkel (Crus ant. und post.) zerlegt.
Beide gehen mittelst ihrer oberen Enden bogenförmig in einander
ül3er (Taf. VH. A. 1). Der hintere Schenkel (IV. 14—11) ist der
Sattelspalte zugewendet, etwas schmaler als der vordere und von
seiner Rückfläche schnürt sich das Hypophj^sensäckchen ab. Der
vordere Schenkel ist der Träger des noch offenen Augenblasenstieles
(IV. 14 und 13), er steigt aber höher hinauf denn dieser (IV. 12
nnd 11) tind macht sich auch nach Ausgleichung der Intermediär-
furchen noch als scharfe, den Hemisphärenrand berührende Kante
bemerkbar (IV. 10 und 9).

An den Hemisphären ist der medianwärts freie Mantel vom
Wurzel gebiet zu unterscheiden. Die Hemisphärenwurzel hängt
in ihrer vorderen Hälfte mit der der anderen Seite zusammen, in
ibrer hinteren Hälfte mit dem Zwischenhirn, ihre Basis stösst an
den Riechlappen. Jede Hemisphäre ist in ihrem oberen Theile am
breitesten und kuglig aufgetrieben, gegen die Basis verschmälert
sie sich und als erste Andeutung der Fossa Sj^lvii erscheint eine
am TJebergang des breiten Theiles in den schmalen vorhandene
Einziehung (VII. A. 2). Das Zwischenhirn ist mit seiner oberen
Hälfte zwischen die Hemisphären eingekeilt (IV. 6—9), seine untere
Hälfte liegt hinter diesen imd berührt mit ihrem Crus anterius
deren schmale Rückwand (IV. 10—12). — Der vordere Rand der

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seitlichen Zwischenhirnwand, oder deren LTmschlagssaum in die me-
diale Hemisphärenwand bildet einen nach vorn und nach abwärts
oifenen Bogen, wie dies die punktirte Linie bei A. 1. VIL angiebt.
Hinten durch das Zwischenhirn geschieden, convergiren die Hemi-
sphären nach vorn und bleiben hier nur durch eine schmale Spalte
getrennt. Die mediale Wand des Hemisphärenmantels steht daher
schräg zur Mittelebene des Kopfes. Vorn ist sie am tiefsten (0.5 mm)
und wie der Schnitt A. 10 zeigt, so trägt sie hier bereits eine cha-
racteristische Furche, die Randfurche. Bei den Schnitten 9 u.nd
8 ist das jenseits von der Furche hegende Randstück losgerissen
und die Präparate erlauben keine bestimmte Auskunft über die
Endigung der letzteren u:nd über die Beschaffenheit der medialen
Wand im oberen Uebergangsstück.

Als ßiechlappen ist der Hirnabschnitt aufzufassen, welcher
der Mundhöhlendecke unmittelbar aufruht (IV. 15—16). Durch eine
Spalte ist er in zwei Seitenhälften geschieden. Er ist kürzer und
schmaler als die überhegenden Theile (VH. A. 2) und seine Höhlung
steht mit der übrigen Hirnhöhle in offener Verbindung.

Ich lasse eine Zusammenstellung der wichtigsten Maasse (in mm)
folgen, wobei ich die Längenmaasse auch für B. angebe, soweit die-
selben durch die äussere Umhülhmg hindurch bestimmbar waren.

Grösste Länge

Grösste Tiefe

Grösste Breite

(axialer Dm.)

(dorso-ventraler

(Quer-Dm.)

Dm.)

A.

B.

A.

A.

Hemisphären......

0.9

0.9

1.2

1.7

Unbedecktes Z>vischenhirn .

0.7

0.65

1.25 J

0.85Cruspost.

1

0.12 „ ant.

Bedecktes Zwischenhirn . .

0.45

0.6

1.0

Augenblasen......

0.5

0.5

0.5

1.8

Bieehlappen......

0.5

0.2

0.4

MittelMrn.......

1.5

1.5

0.7

1.4

Isthmus........

0.3

0.35

0.9

0.9

Hinterhirn (Cerebellumgebiet)

1.3

1.2

1.3

2.0

Eingang zur ßautengrube

2.8

1.4

Medulla oblongata ....

1.9

1.8

0.9-1.3

1.0-1.5

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Aeussere Form des Rückenmarkes.

In der Hölie der beiden obersten Halssegmente besitzt das
Rückenmark nocli die prismatische Gestalt der anstossenden Me-
dulla oblongata (IV. 40—43), dann aber flacht es sich rasch ab,
indem gleichzeitig sein Tiefendurchmesser sich verlängert. Es er-
scheint in seinem weiteren Verlaufe bis in die Nähe des Steissendes
als abgeplatteter, jederseits mit einer Längsrinne versehener Strang;
nur das unterste Ende wird durch dorsales Auseinanderweichen der
Seitenwandung noch einmal prismatisch (IV. 108—103 und III. 14
bis 18). Vom mittleren Halstheile ab bis zum Beginn des Lenden-
theiles verjüngt sich das Rückenmark nur unerheblich, etwas mehr
noch nach der Breite als nach der Tiefe; dagegen nehmen im Len-
den- und Beckentheile die beiden Durchmesser erheblich ab. Hals-
nnd Lendenansohwellung sind noch nicht vorhanden.

Die Maasse bei A. sind folgende:

Tiefe des Em.

(senkreelit zur Äxe
gemessen)

Grosste Breite
des Em.

Halstheil.

Höhe des 1. Segmentes

0.9 mm

0.9 mm

« 2.

. 0.7

„ 3.

0.6

„ 1-

0.6

,0.42

Rückentheil.

„ „ 3.

0.6

0.40

„ „ 10.

0.58

0.37

Lendentheil.

. „ 2.

0.57

0.33

„ 4.-5. „

0.45

0.33

Beckentheil.

„1. Steisssegm.

0.36

0.20

„ „ 4.

0.25

0.22

System der Höhleji.

Die plattenförmig gestalteten zwei Seitenhälften des Rücken-
marks verbinden sich vom und hinten mittelst eines je nur etwa
0.04 mm dicken Streifens, im Uebrigen sind sie durch einen Zwi-
schenraum geschieden, welcher im Querschnitt die Form einer Pfeil-

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spitze trägt. Derselbe ist nämlich von vier einspringenden Wand-
fläehen umgeben und läuft in vier Längs rinnen aus, von denen die
vordere und die hintere zu engen Spalten zugeschärft, die zwei
seitliehen stumpf sind. Die beiden Seitenrinnen liegen dem hin-
teren Rückenmarksrande näher als dem vorderen; vordere und hin-
tere Hälfte der Seitenwand sind somit von ungleicher Tiefe, jene
gegen zweimal tiefer als diese. Die grösste Breite der Rücken-
marksspalte am Orte der Seitenrinnen beträgt im Hals- und im
Eückentheile 0.1 bis 0.15 mm.

Mit der Annäherung an die Medulla oblongata und nach dem
Üebergang in diese verbreitert sich die Lichtung des Medullarrohres;
noch unterhalb des obersten Halsmarkes treten die hinteren Ränder
beider Seitenwandungen auseinander und zwischen ihnen erscheint
die dünne Schlussplatte. Dabei erhalten sich die vordere
Medianfurche und die beiden Seitenfurchen, jede Wand-
hälfte zeigt somit zwei parallele Längsleisten, von denen die
hintere mehr und mehr lateralwärts rückt. Noch in der Höhe der
Acusticusganglien (IV. 25) sind alle Leisten kennthch und die hin-
teren beiden, welche mit den schon oben erwähnten, im Oebiete der
Corpora restiformia vorhandenen Wandfalten identisch sind, sind
nunmehr 0.8 mm von einander entfernt.

Im Rückenmarke bilden die vier Längsleisten die Oesammtwand
des Centralkanales, beim Üebergang in die Medulla oblongata tritt
als neuer Wandbestandtheil die Schlussplatte hinzu. Sie beginnt
jenseits der hinteren Längsleiste und ist von dieser durch eine be-
sondere Eurche, die hintere Seiten fur che, abgesetzt. Die dicke
Seitenwand des Rohres und die dünne Schlussplatte begegnen sich
hier anfangs direct (IV. 41 — 32), dann aber tritt zwischen beiden
ein die Dickenabnahme vermittelndes Schalt stück auf. Dieses ist
bis zum unteren Rande des Hinterhirns unbedeutend (IV. 31—24),
jenseits davon verbreitert es sieh rasch und bildet die Anlage der
Kleinhimhemisphären (IV. 23—17). Der Boden der vom Cerebellum
überdachten Hinterhirnhöhle wird von der Fortsetzung der aus Me-
dulla spinalis und oblongata emporgestiegenen vier Längsleisten ge-
bildet. Auch die früheren Hinterleisten sind nunmehr in die Vor-
derwand des Rohres übergegangen und die hintere Seitenfurche
bildet die Gränze von dessen Decke und Boden.

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Wie dies frülier gezeigt wurde, so wird nacli oben hin der
Querschnitt des Hinterhirnrohres ein mehr kreisförmiger, es ver-
wischen sich demnach die Leisten und Furchen der inneren Wand-
fläche zum grossen Theil; immerhin bleiben jederseits zwei winldige
Ausbiegungen übrig, durch welche die eigenthche Seitenwand vom
Boden und von der Decke der Höhlung geschieden wird. Boden
und Decke sind ihrerseits von einer tiefen Längsfurche durchschnitten
(IV. 16—9). Im Isthmus steht die Seitenwand ziemhch vertikal,
weiter oben im Mittelhirn baucht sie sich von neuem aus (IV. 9—3)
und der Querdurchmesser der Lichtung steigt auf das Doppelte.
Beim Uebergang zum Zwischenhirn erfährt das Hohr eine aber-
mahge starke Verengerung (IV. 6—3). Dagegen erscheint der vom
Wischenhirn umschlossene dritte Ventrikel im Gegensatze zu
später als eine breite geräumige Höhle, die in eine Anzahl mehr
oder minder selbstständiger Buchten ausläuft (IV. 14^3). Nach
rückwärts communicirt derselb e mit dem H y p o p h y s e n s ä c k c h e n
(IV. 13—9), seitlich von ihm liegen die Buchten des Grus po-
sterius und a n t e r i u s (IV. 14—11), deren letztere in die Höh-
lung des Augenblasenstieles sich fortsetzt, nach abwärts
folgen die auch mit den Seitenventrikeln verbundenen Höhlungen
der Riechlappen (IV. 14, 15) und nach vorn schlii^ssen sich die
Seitenventrikel selbst an (IV. 14 — 5). Die Verbindung der
l^eiden Hemisphärenhöhlen untereinander und mit dem dritten Ven-
trikel, das spätere Foramen Monroi, ist noch verhältnissmässig
^^\'eit; es existirtnoch ein gemeinsamer Vorderhirnventrikel,
als dessen besondere Ausbuchtung die Seitenventrikel erscheinen.\')

Es mögen einige Maassangaben folgen:
grösster Durchmesser des Centralkanals im Hals- und

im Rückentheile des Markes 0.1—0.15 mm,
„ „ 4. Ventrikels im Bereich der

Medulla oblongata . . . 0.6—0.9 „

" „ „ 4. Ventrikels im unteren Ce-

rebellumgebiet .... 1.5—1.7 „

1) Ueber diese mittlere Vorderhirnhöhle und über die Abtrennung der
Seitenveutrikel von ihr vergl. „Körperform" S. 110.

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grösster Diirclimesser des 4. Ventrikels im oberen Ce-

rebellnmgebiet.....1.3—0.8 „

„ „ „ 4. Ventrikels im Istlimns . 0.55—0.6mm,

der Mittelhirnhöhle .... 0.9—1.2 „

„ „ des Einganges zum 3. Ventrikel 0.6

„ „ „ 3. Ventrikels obere Hälfte 0.9—1.05

„ „ „ Hypopbysensäckcliens . . 0.15

„ „ der Buchten des Tub. post. ■. . 0.5—0.7

» „ „ „ „ „ ant. (ohne

Augenblasenstiel .... 1.0—1.05
„ „ des Ventriculus olfactorius . . 0.3—0.4
„ „ derVorderhirnhöhle an der Basis 0.45—0.6
„ „ „ VorderMrnhöhle in der obe-
ren Hälfte......1.0—1.45

grösste Länge der Seitenventrikel (schräg gemessen) 0.65—1.0

„ „ des Foramen Monroi (schräg gemessen) 0.3—0.35

Graue und weisse Substansanlagen.

Den überwiegenden Hauptbestandtheil des G-ehirns und des
Rückenmarkes bildet das aus Zellen gebildete primäre Medullar-
rohr, ihm sind die weissen Substanzanlagen nur in dünnen, an
verschiedenen Stellen ungleich mächtigen Schichten aufgelagert. ïsur
die Aussenfläche des primären Rohres trägt Auflagerungen weisser
Substanz, seine Innenfläche ist unbekleidet und sie begränzt unmit-
telbar das System der Höhlen. Die Dicke des primären Rohres
schwankt, wenn wir von einigen besonderen Localitäten (der Schluss-
platte des 4. Ventrikels, dem (xrund der Vorderhirnspalte u. a. m.)
absehen, in ziemlich engen Gränzen. An den verschiedenen Ab-
schnitten des Gehirns beträgt sie im Mittel 0.12—0.15 mm und in
denselben Gränzen schwanken die Werthe, welche man für die
Seitenwand des Rückenmarkes erhält.

Rückenmark. Bekanntlich besteht bei jüngeren Embryonen
die Wand des Medullarrohres aus conischen oder spindelförmig ge-
streckten Zellen, welche radiär angeordnet, eine epithelartige compacte
Platte, bilden. Diesen epithelartigen Character hat das primäre Medul-

J?

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laiTohr beiden Embryonen A. und B. nur noch zum Theil beibehalten.
Die innere, an den Centraikanal anstossende Schichte besteht näm-
lich noch aus radiär angeordneten Zellen, weiter nach aussen haben
die Zellen andere Eorm und Anordnung angenommen und sie sind
theilweise untermengt mit Zügen feiner Fasern. Die radiärstreifige
Wandschicht schliesst sich gegen den Centraikanal mit glatter
Grränze ab. Ein äusserer\' glatter Abschluss findet sich nur an der
vorderen und an der hinteren Rückenmarkslläche. Hier, im Com-
mig Suren stück, ist die
Abspaltung einer Aussen-
schicht unterblieben, und die
"^Vand behält ihr radiärstrei-
figes Gefüge bis zur Ober-
fläche des Markes. Soweit
dagegen nach den beiden
Seiten hin eine nicht ge-
streifte Aassenschicht vor-
handen ist, lässt sich eine
auf die Formunterschiede der
bellen zurückführbare scharfe
Abgränzung nicht auffinden.
An die Spindelzellen innerer
Lagen sehliessen sich Ueber-
gangsformen an, als ob die
Oberfläche des Innenrohres
s-ufgebrochen wäre und die
hervortretenden Zellen, der
Grewölbsspannug ledig, all-
nrälig freiere Formen ange-
nommen hätten.

Weit mehr als die Form der Zellen gewährt das Verhalten der
Easerzüge ein Motiv der Schichtenscheidung. Da nämlich, wo die
Zellen mit Fasern reichlicher untermengt sind, erscheint, besonders
an gefärbten Präparaten, das Gewebe etwas heller. Wie die Fig. 3
zeigt, so ist das dunkler erscheinende Innenrohr zunächst von einem
hellen Streifen eingefasst, in welchem bogenförmige, von hinten nach
vorn gehende Fasern enthalten sind. Ich bezeichne diese Schicht

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als Bogenscliiclit (Formatio arciiata). Nach aussen von ihr liegen
eine vordere stärkere und eine hintere schwächere Zellen-
säule, mit welchen das primäre Medullarrohr seinen Ahschluss er-
reicht. Beide Säulen sind am Bande zugeschärft und stehen unter-
einander in keiner Verbindung; sie sind etwas dunkler als die Bogen-
schicht und die vordere wird in ihrer ganzen Höhe von AVurzel-
fasern durchzogen. Letztere strahlen gegen die Oberfläche und noch
über diese hinaus zusammen und vereinigen sich so zu einem Bün-
del, dessen Durchmesser kaum ein Viertel des dem Ursprungsgebiete
zukommenden beträgt. Die Zellenkerne der Vordersäulen sind oval
und im Allgemeinen der Richtung der Fasern gemäss orientirt. So
deutlich diese vorderen Wurzelfasern zu sehen sind, so wenig ist
von hinteren wahrzunehmen und meine Erfahrungen über das spätere
Auftreten dieser letzteren stimmen mit den älteren Erfahrungen
Biddbe und Kupfpee\'s \') und mit denjenigen von Kölliker vöUig
überein.

Als Anlage der weissen Substanz zieht sich um die gesammte
Seitenfläche des primären Medullarrohres eine zellenfreie dünne Be-
legschicht. Ihre Aussenfläche entspricht zwar im Allgemeinen der-
jenigen des primären Rohres, allein sie giebt die innere Modellirung
nur abgeschwächt wieder;, die Belegschicht ist etwas dicker, da wo
die Oberfläche des inneren Rohres einspringt, und etwas dünner da,
wo diese sich ausbaucht; an den beiden Commissurenstücken fehlt
sie ganz und gar. Die w^eisse Substanzschicht besteht -aus dicht
gedrängten radiärstehenden Fäserchen, welche am Rande der Schicht
frei enden. Die Oberfläche der Schicht hat daher den Character
einer Bürstenoberfläche und entbehrt gleich einer solchen einer
scharfen Oränzcontour. Die Dicke dieser Belegschicht übersteigt
nicht 20 bis 25 a.

Fassen wir die Sache nochmals zusammen, so stellt sich her-
aus, dass von den späteren Bestandtheilen des Rückenmarkquer-
schnittes einige bereits vorhanden und gesondert sind, während
andere der scharfen Abgränzung entbehren oder überhaupt noch
fehlen. Die Epithelschicht ist noch nicht umgränzt, ebensowenig

1) Bidder und Kupfeee, Untersucbimgen über die Textur des Rücken-
marks. Leipzig 1857. S, 107.

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die Substaiitia Rolandi, wogegen die Zellensäulen der späteren Vor-
derhörner als compacte Massen vorliegen. Von Faserzügen sind zur
Zeit drei Systeme vorhanden, das allgemeine ßadiärfasersystem der
Stränge, das System der vorderen Wurzeln, an welchem die grosse
Ausdehnung des TJrsprungsgehietes besonders beachtenswerth ist, und
das System der Bogenfasern. Dies letztgenannte System tritt später
ßiit Bildungen verschiedener Art in Verbindung, mit denVordersträngen
ttnd der vorderen weissen Commissur einerseits, mit den Seiten- und
Hintersträngen und mit den hinteren Zellensäulen andererseits. Vor-
erst sind die meisten dieser Bildungen nicht angelegt, es fehlt noch
die vordere Commissur vollständig, und auch von weissen Strängen
kann man kaum reden, denn die dünnen als Vorläufer weisser Sub-
stanz zu deutenden Belegschichten des Rückenmarks entbehren noch
jeder wahrnehmbaren Spur von Längsfasern.

Für die Maasse des Rückenmarkquerschnitts und seiner einzel-
nen Theile verweise ich auf obige Figur, welche die Theile genau
100 fach vergrössert wiedergiebt. Der Schnitt (A. 95) entstammt der
unteren Dorsalgegend, deren Verhältniss für das gesammte mittlere
Markgebiet von der mittleren Halsgegend bis zur oberen Lenden-
gegend als typisch angesehen werden kann.

Die Wand der Medulla oblongata und die des Hinterhirnes
sind in ihrer vorderen Hälfte ähnlich geschichtet, wie die Seiten-
wand des Rückenmarkes. Die Höhlung ist zunächst glatt umgränzt
von einer radiärstreifigen compacten Schicht von Zellen; weiter nach
auswärts lockert sich der Zusammenhang der Elemente, und auf die
^einzellige Innenschicht folgt eine aus Fasern und aus Zellen ge-
mischte Formatio arcuata, jenseits von dieser aber eine dünne
zellenfreie Belegschicht. An einigen Stellen finden sich Zellenmassen,
welche ähnlich den Vordersäulen des Rückenmarkes durch die For-
matio arcuata nach Aussen gedrängt erscheinen. Eine solche Zellen-
masse ist der später noch zu besprechende Hypoglossuskern (IV. 35
bis 40), eine ähnhche als Faciahskern anzusprechende Masse hegt
im Brückengebiete (IV. 23—24).

Die zellenfreie Belegschicht, besteht in ihrer äusseren Hälfte
ebenso wie beim Rückenmark aus frei auslaufenden Radiärfäserchen,
weiter innen hat sie bereits ein mehr netzförmiges Gepräge und sie
zeigt sich von zahlreichen Pünktchen durchsät, deren Deutung als

His, Menschl. Erabryonen. 3

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raserquersclinitte selir naheliegend ist. Der Character der Schicht
ist in einer der schönen HsNSEN\'schen Zeichnungen des embrj^onalen
Kaninchen-Eückenmarkes treffend wiedergegeben. 0

Als neue Bildung erscheint in der Medulla oblongata eine dünne
Schicht von Querfasern, welche unter Kreuzung der vorderen
Hirnkante von einer Seite zur andern verlaufen. Es ist bemerkens-
werth, dass in der Medulla oblongata ein solches Commissurensystem
früher auftritt als im Kückenmark, in welchem es doch später in
ähnlicher Weise sich entwickelt. Ich vermag aus meinen Präparaten
nicht zu entscheiden, ob dasselbe genau mit der Kopfgränze oder
ob es erst etwas weiter unten aufhört. In der Höhe des 4. Seg-
mentes (Schnitt A. 40) ist es jedenfalls nicht mehr vorhanden. ISFach
aufwärts erstrecken sich die Commissurenfasern bis in das obere
Brückengebiet (lY. 6—15). Letzteres ist in Betreff der Commissuren-
schicht nicht bevorzugt; die an und für sich ziemlich dünne Lage
(20—25 ƒ<) ist in dessen Bereich noch schwächer als Aveiter unten
und läuft überhaupt nach oben hin zugeschärft aus. — Die Fasern
der Commissurenschicht biegen jederseits nach hinten um, und sie
treten früher oder später in die Formatio arcuata ein: der Hj^po-
glossuskem wird von denselben schleuderförmig umfasst.

Die Formatio arcuata besteht aus Zellen und aus Fasern.
Die Zellen sind grossentheils in der Eiclitung der Fasern gestreckt
und hängen, wie sich vermuthen lässt, vielfach mit letzteren zu-
sammen. Ein Theil der Fasern geht, wie schon oben erwähnt wurde,
in die Commissurenbahn über, andere schliessen sich unter spitzem
Winkel den Zellenmassen des Innenrohres an. Am auffälligsten ist
dies an den beiden Endpunkten der Schicht, in der Is^ähe der vor-
deren Hirnkante und in derjenigen des Schlussplattenursprunges.
Allein auch in austretende jSTervenwurzeln, speciell in diejenigen des
Facialis der Portio minor Trigemini treten Fasern der Formatio ar-
cuata. Demnach ist diese, ähnlich manchen anderen Fasercomplexen,
als eine gemeinsame Strasse für Fasern verschiedenen Characters und
Ursprunges anzusehen.

Die eben besprochene Schichtengiiederung erstreckt sich nicht

1) Hensbn, Zeitschrift für Anat. und Entwickehingsgesch. Bd. I. Taf. XI.
Fig. 56.

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Centralnervensystem. Rückenmark. 85

Über das ganze Hirnrolir. An der Medulla oblongata und am Hin-
terliirn beschränkt sie sich auf Vorder- und SeitenAvand, greift aber
nicht auf die Eückwand über. Das Ursprungsgebiet der Schluss-
Platte und die gesammte Cerebellumanlage besitzen Aveder Eorma-
tio arcuata noch weisse Belegschicht. Weiter oben nimmt die Bo-
genausdehnung der äusseren Schichten wiederum zu. Der Isthmus
sowohl, als das Mittelhirn sind, mit Ausnahme der beiden medianen
Leisten, von einer Belegschicht rings umkleidet. Diese erstreckt
sieh auch auf die Seitenwand und die Decke des Zwischenhirnes,
lässt aber dessen Basis frei. Das Hemisphärenhirn ist von keiner
Belegschicht umgeben und es bewahrt, gleich den Augenblasen, noch
die Natur des ursprünglichen Zellenrohres.

Der Character der Fomiatio arcuata ändert sich oberhalb des
Brtickengebietes. Auf grössere Strecken verhert die Schicht ihre
eigenthümliche Streifung, es erscheint die Aussenschicht des primären
Hirnrohres zwar aufgelockert, deren Zellen indess (bez. deren Kerne)
sind vorwiegend rundhch von Form und die dazwischen liegende
Substanz schliesst sich ohne scharfe Glränzen der radiärfaserigen
weissen Belegschicht an. Allerdings kommen dann wieder Stellen,
wo die Bogenfaserung mehr in den Vordergrund tritt. Eine solche
Stelle findet sich im dorsalen Eandstücke des Isthmus (IV.
9—10).
Hier wird durch die Bogenfasem ein Zellenstreifen abgetrennt, von
dem ausgehend die Faserung zur dorsalen Längskante hinläuft. Der
Lage nach könnten diese Fasern
auf den N. trochlearis bezogen
werden; immerhin habe ich keine Kreuzung derselben und keine
Austrittsstelle auffinden können.

Ehe ich das Centralnervensystem verlasse, habe ich noch die
\'^\'on anderen Beobachtern über unseren Gegenstand gesammelten
Erfahrungen zu besprechen. Die Grundlage unserer Kenntnisse von
der histologischen Entwicklung der nervösen Centraiorgane führen
sich einestheils zurück auf
Remari (1853), anderentheils auf Bidder
nnd Kuppper (1857) zurück, später haben Kölliker (1861) und
Hensen (1876) den Gegenstand wieder aufgenommen und die älte-
ren Erfahrungen theils bestätigt, theils ergänzt.

Remak verdanken wir bekannthch den Nachweis der Abstam-

1) Remak, Unters, über Entw. S. 89.

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mung des Medullarrohres aus dem oberen Keimblatt. Vom 5. Tage
ab unterscheidet E. in der Rüekenmarkswand des Hühnchens zwei
beinahe gleich starke Schichten, eine innere weiche, aus radiären
Zellen bestehende und eine äussere feste Querfaserschicht. Erstere
ist die Anlage der gesammten grauen Substanz und später, etwa
am 10. Tage, treten auch in ihr zarte Zirkelfasern auf, welche ohne
scharfe Gränze in die Schicht der Querfasern übergehen. Letztere
verwachsen in der Folge mit den ausserhalb der IJrwirbel entstan-
denen Ganglien und Nervenstämmen, sie hefern somit den intrame-
dullaren Abschnitt der Nervenwurzeln, ausserdem aber Bogenfasern
zur Verbindung der Nervenwurzeln untereinander und zur Bildung
der Commissuren. Später als diese und an ihrer Aussenseite ent-
stehen die Stränge von Längsfasern. In derselben Eeihenfolge, in
der die Faserzüge entstehen, entwickeln sich späterhin auch deren
Markhüllen. Auf die Frage von der Abstammung der Nervenfaser-
züge tritt
Remak nicht näher ein und nur in Betreff seiner Quer-
fasern spricht er die Möglichkeit aus, dass die Zellen der inneren
Wandschicht in sie übergehen könnten.

Biddek und Kuppfer\'s 0 Untersuchungen wurden in der bestimm-
ten Absicht angestellt, den Paserverlauf im Eückenmark aufzuklären,
als Material diente theils das Hühnchen, theils junge Schafembryonen.
Als zuerst auftretende Fasergebilde erkennen jene Beobachter die
feinen, blassen Fäden der vorderen Wurzeln, die sie im Gegensatz
zu
Remak sofort im Zusammenhange entstehen lassen. Ihr Hervor-
treten aus vorderen Zellengruppen und ihre Convergenz gegen die
Austrittsstelle hin wird gut beschrieben. Nach den vorderen Wur-
zelfasern tritt die vordere Commissur auf, dann erst folgen die Sub-
stanz der Längsstränge und die Züge der hinteren Wurzeln. Das
Auftreten der vorderen Wurzeln vor den Längssträngen beweist, wie
B. und
K. hervorheben, dass dieselben aus der grauen Substanz des
Rückenmarkes und nicht, wie dies damals noch vielfach angenommen
wurde, direct aus dem Gehirn stammen; bei den hinteren Wur-
zeln aber, die gleichzeitig mit den hinteren Längssträngen entstehen,

1) Biddbe und Kupffbe, Unters, über die Textur des Rückenmarks und
die Entwickelung seiner Formelemente. Leipzig 1857.

2) 1. c. S. 101.

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ist die Möglichkeit einer directen Verbindung mit dem Gehirn ent-
wickelungsgeschichtlich wohl zulässig. Auch wird darauf aufmerk-
sam gemacht, dass die motorischen Nervenfasern vorhanden sind,
eile es quergestreifte Muskelfasern giebt. Die weisse Substanz des
Rückenmarkes wird bei ihrem ersten Auftreten als hyalin und an-
scheinend structurlos beschrieben, bald aber ist die weiche Gallerte
von dunklen Pünktchen besetzt, dem Ausdruck quer durchschnittener
discreter Fasern. Somit denken sich B. und K. die weisse Substanz
als aus getrennten Längsfasern gebildet, welche durch eine weiche
Zwischensubstanz zusammengehalten werden. 0 Jedenfalls ist die
^\'eisse Substanz von Anfang ab zellenfrei und daraus erschhesst
sich dann weiter, dass die bis zu jener Zeit herrschende Voraus-
setzung von der Bildung der Nervenfasern aus verschmolzenen
Zellenreihen nicht zulässig ist. Dafür aber gewinnt die Annahme
eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass die Nervenfasern aus den Ner-
venzellen hervorwachsen, dass
sie „colossale Ausläufer" dieser letzte-
ren sind. Allerdings treten in einer späteren Zeit zwischen den
^^ervenfasern Zellen auf, aber diese sind nur zur Bildung des Neuri-
lemms und der sog. Primitivscheiden bestimmt. Für die motorischen
Wurzeln ist die Richtung des Hervorwachsens unzweifelhaft die cen-
trifugale, für die zwischen Ganglien und Rückenmark gelegenen sen-
sibeln Wurzeln aber muss die Entstehungsrichtung offen gelassen

werden.

Der theoretische Fortschritt, den die Arbeit von Bidder und
Kupffer gebracht hat, ist unstreitig ein sehr bedèutender und über
die meisten von jenen Beobachtern gezogenen Folgerungen kommen
^^\'ir auch jetzt nicht hinaus. Hinsichtlich der Beobachtimgen selbst
ist hervorzuheben, dass B. und
K. die schon von Remak gesehene
radiäre Streifung der zuerst auftretenden weissen Belegschicht, und
ebenso das Auftreten von Bogenfasern an
der Gränze der grauen
Substanz übersehen haben. Auch sind mir die Angaben über das
frohe Auftreten der äusseren vorderen Commissur auffallend. Beim
Schafembryo müssen da andere Verhältnisse obwalten, als beim
Menschen, wenn jene Angaben richtig sind.

In der ersten Auflage seiner Entwickelungsgeschichte (1861)

1) 1. c. S. III.

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BT

theilt Köllikee Besehreibung und Abbildung von Eückenmarks-
querschnitten eines vier- und eines sechswöchentlichen menschlichen
Embryo mit ixnd dieselben sind auch in die neuerdings erschienene
2. Auflage des Werkes mit aufgenommen worden. Das jüngere von
den beiden KöLLiKER\'schen Präparaten hat mit den meinigen nahezu
auf derselben Entwickelungsstufe gestanden, nach den Maassangaben
kann es um ein kleines weiter fortgeschritten gewesen sein. Unsere
\' beiderseitigen Erfahrungen decken sich indess nicht vollständig. Wir

; r:; stimmen überein in den Angaben über die allgemeine Vertheilung

■ \' , der Zellen sowie in denjenigen über das Nichtvorhandensein von

; jl,,;; hinteren Wurzeln und von einer vorderen w^eissen Commissur.

Dagegen fehlen bei Kölliker Angaben über die Bogenfasern der

. ............grauen Substanz, die er doch nach Remak\'s Vorgang beim Hühn-

,,,\' chen gesehen hatte; auch nennt er die Anlage der weissen Substanz

iij;-^ fein punktirt, während ich dieselbe radiärstreifig finde, und endlich

" lässt er die Anlage der weissen Substanz jederseits in zwei getrenn-

;N||iil ten Streifen (einem Vorder- und Hinterstrang) auftreten, während

\'lii|j.jj[| ich für jede Seitenhälfte eine durchgehende Belegschicht wahniehme.

In allen diesen Punkten sind Köllikee\'s Erfahrungen am embryo-
li!,;\'^ nalen Kaninchenrückenmark vielmehr den meinigen am Menschen

^ conform. Beim Kaninchenembryo erkennt derselbe die Belegschicht

i auch an der Seitenfläche des Markes, hier sieht er deren Radiär-

iiiiip fäserchen und endlich beschreibt und zeichnet er auch die die graue

.iil|,„, Substanz durchsetzenden Bogenfasern.

"\'Hensen\'s Arbeit!) zeichnet sich vor allem durch ihre Abbildungen
aus, die hinsichtlich der Sorgfalt und Zartheit der Ausführung ganz
y\'\' unübertrefflich erscheinen.
Hensen legt grosses Grewicht auf den

ursprünglichen Epithelt}^us der Medullarwand, in dem Sinne, dass
; jede Zelle anfangs bis zu beiden Endflächen hinreichen soll. Schon

iiiiiiiii frühzeitig findet er ein System von Radiärfasern auf, welche die

Dicke des Markes durchsetzen, und er weist nach, dass auch später-
hin für die frei über die Oberfläche vortretenden radiären Fasern
y\'!; ein directer Zusammenhang besteht mit Zellen in der Umgebung

des Centralkanales."^) Mehrfach vergleicht er diese Fasern mit den

1) Zeitschr. f. Anat. u. Entwickehingsgesch. Bd. I. S. 372—396.

2) Yergi. besonders HENSEff\'s Fig. 60.

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Radiärfasern der Retina und er spricht auch von verbreiterten der
Membrana prima anliegenden äusseren Enden derselben.

Von Hensek\'s Zeichnungen des embryonalen Kaninchenrücken-
markes steht meinen Durchschnittsbildern des menschlichen Markes
die Fig. 55 am nächsten, und auch seine Beschreibung stimmt in
den meisten Punkten genau mit dem was ich gesehen habe überein.
^on den Zellen der inneren epithelartigen Schicht gehen Radiär-
fasem durch das ganze Mark und inseriren sich mit verbreiterter
Basis (die wie in der Retina später complicirtere Form annimmt)
an der Membrana prima. Nach aussen von jener Schicht sind überall
Zellen „entstanden", die unregelmässig .gelagert sind, und von denen
eine innere Gruppe kreisförmige Fasern entsendet, während zwei
äussere Gruppen um die vordere und hintere "Wurzel gelagert sind.
Die mit erstgenannten Zellen zusammenhängende Bogenfaserschicht
bezeichnet H. als „halbkreisförmiges Stratum". Zu äusserst liegt ein
schmaler Saum weisser Substanz. Der Unterschied unserer Beob-
achtungen liegt, wie man sieht, darin, dass ich von einer äusseren
Insertion der Eadiärfasern nichts gesehen habe und dass an meinen
Präparaten die hinteren Wurzeln noch fehlten.

Für die frühe Structur der weissen Substanz ist besonders
Hensen\'s Fig. 56 nebst dem darauf bezüglichen Textabschnitt wichtig.
An jener Figiu- zeigt die weisse Substanz zwei Schichten, eine äussere,
nnr aus Radiärfäserchen gebildete, und eine innere reticuläre. Dies
^^erhalten habe ich bei den Embryonen A. und B. am Kückenmark
noch nicht, wohl aber an der Medulla oblongata wiedergefunden,
nnd ich muss demnach annehmen, dass die Entwickelung der reti-
enlären Schicht der Bildung einer Radiärfaserschicht nachfolgt.
Hensen giebt an, dass das Reticulum durch Seitenzweige der Ra-
diärfasern gebildet wird und dass die als Faserquerschnitte zu deu-
tenden Punkte desselben sämmtlich in Knotenpunkten des freien
^^etzwerkes liegen. Die Zunahme des fraglichen Netzwerkes glaubt
derselbe zum Theil auf Rareficirung und Schwund von Zellen der
grauen Substanz zurückführen zu müssen.

Für Hensen\'s Auffassung von der Entstehung und Zunahme
der weissen Substanz ist vor allem die Idee maassgebend, welche
er sich von der Bildungsweise der Nervenfasern macht. Indem er
nämlich ein Auswachsen der Nerven vom Centrum aus an ihren

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richtigen Endpunkt hin für unverständüch hält, hat er hekannthoh
die Ansicht formulirt, dass alle Nerven nur aus gestreckten Ver-
hindungsfäden unvollkommen getheilter Zellen entstehen. Alle seine
Beobachtungen sind daher mit dieser Voraussetzung in Einklang zu
bringen. HENSEN\'sche Nervenbildungstheorie muss selbstverständhch
von dem Augenbhcke an fallen, da für eine einzige Easerbahn der
Nachweis späterer Entstehung geliefert wird. Nun giebt es aber eine
Zeit, da aus dem Rückenmark keinerlei Wurzelfasern hervortreten,
eine andere, in der es nur vordere W^irzelfasern entsendet, und da-
mit halte ich jene Theorie für gerichtet. Mit dem Gegeneinwand
von Beobachtungsfehlern kommt
Hensen m. E. nicht aus. Die
Wurzelfasern, sowie sie überhaupt da sind, haben recht characteri-
stische Eigenschaften und ihre Bündel sind selbst da, wo sie zwischen
anderen Geweben verlaufen, kaum zu übersehen.

Die BiDDEE-KuPFPER\'sche Auswachsungstheorie ist nach meinem
Dafürhalten diejenige, welche mit den verschiedenen Thatbeständen
einzig in Uebereinstimmung zu bringen ist, welche ihnen aber auch
durchweg gerecht zu werden vermag. Das Auseinanderrücken der
Zellen der grauen Substanz und das Auftreten von Easern zwischen
denselben, die allmälige Entwickelung und langsame Zunahme der
weissen Substanz, das späte und zu ungleichen Zeitpunkten erfolgende
Hervortreten der vorderen und der hinteren Wurzelbündel, das
stumpfe Auslaufen der Nervenstämme in der Leibeswand und in
den Extremitätenanlagen, das sind lauter Erscheinungen, welche ihre
naturgemässe Erklärung finden, wenn man die Easerzüge des Nei-ven-
systems als die secundär entstandenen Productionen der zuvor vor-
handenen Zellen anerkennt. Wie die Fasern an ihre richtigen End-
punkte gelangen, das ist eine Frage für sich, die uns in der Be-
urtheilung factisch vorhegender Verhältnisse in keiner Weise irre
leiten darf.

Ich werde unten Gelegenheit haben, noch frühere Entwickelungs-
stufen des menschhchen Gehirns und Rückenmarks zu beschreiben,
fasse indess schon hier die Ansichten zusammen, welche ich mir
unter Abwägung fremder u.nd eigener Beobachtungen in Betreff der
Vorgeschichte jener Theile gebildet habe.

1) Die Umbildung des primitiven Zellenrohres beginnt mit einer
Lockerung seiner äusseren Schichten. Hand in Hand mit dieser Locke-

.iijii...

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rang lind in cansalem Connexe mit ihr steht das Auftreten von
Taserzügen.

2) Die zuerst auftretenden Fasern sind radiäre, auf diese folgen
Bogenfaserzüge und Wurzelfasern.

3) Ausgangspunkt der eigentlichen Eadiärfasern sind die radiär
gestellten Zellen des Innenrohres. Es bleibt innerhalb der Schicht
kein Raum für
weitere Entfaltung der Zellenausläufer, diese dringen
durch die äusseren Schichten bis zur Oberfläche des Markes und
ihre freien Enden sind die ersten Anfänge einer zellenlosen weissen
Belegschicht.

4) Indem von den Zellen der zweiten Schicht ein Theil in vor-
wiegend sagittaler Richtung sich streckt und auswächst, entsteht
die Formatio arcuata oder
Hensen\'s halbkreisförmiges Stratum.
Die Fasern dieser Schicht überschreiten deren vordere und hintere
Oränze anfangs noch nicht; später bilden sie, indem sie sich ver-
längern, die vordere Commissur, und sie betheiligen sich an der
Bildung der Stränge. In der Medulla oblongata enthält die Formatio
arcuata zum Theil Fasern motorischer Natur (Trigeminus, Facialis,
Grlossopharjmgeus und Vagus) und sie leitet sie nach rückwärts den
Anlagernngsstätten von Ganglien zu.

5) Die motorischen Wurzeln erscheinen der Zeit nach vor den
sensibeln, und sie kommen zunächst aus der vorderen äusseren
Zellensäule, die durch die Formatio arcuata vom Innenrohr ge-
schieden ist. Ein Theil derselben scheint diese Zellensäule nach
einwärts zu überschreiten. Das Ursprungsgebiet der vorderen Wur-
zelfasern nimmt die halbe Tiefe des Markes ein. Die Fasern bilden
zuerst einen Fächer mit gleichmässig vertheilten Strahlen, und ihre
bündelweise Zusammenfassung erfolgt erst später, wenn die Menge
der weissen Substanz zugenommen hat.

6) Das erste Stadium weisser Substanzbildung besteht in dem
Hervortreten zahlloser feiner Radiärfäserchen über die Oberfläche
des primären Markrohres. Im zweiten Stadium tritt eine feine re-
ticuläre Substanz zwischen der zellführenden Schicht und der Ra-
diärfaserschicht auf, dieselbe nimmt in der Folge mehr rmd mehr
an Breite zu und sie ist das Vorgebilde der späteren Längsstränge.

7) Es erscheint nicht gerechtfertigt, die ersten Anlagen weisser
Substanz sofort als Stränge zu bezeichnen. So lange nur Radiär-

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K fäserclaen da sind, fehlt jede Spur von Längsfaseni, später, wenn

das Eeticulum zur Ausbildung gekommen ist, zeigen sich innerhalb
desselben und zwar in dessen Knotenpunkten (
Hbnsen) zahlreiche
Punkte. Die Deutung dieser Punkte als durchschnittener Axencylinder
entbehrt bis jetzt noch der Controle durch gute Längsschnitte und
sie erscheint zur Zeit nichts weniger als unanfechtbar. Es ist die
Möglichkeit im Auge zu behalten, dass das Reticulum der weissen
Substanz, gleich der entsprechenden Bildung der grauen, nur die
Anlage für die spätere Neuroglia ist und dass auch nach seinem
Auftreten eine gewisse Zeit existirt, während der eine weisse Sub-
stanzschicht ohne Längsfasern vorhanden ist.

Peripherisches T^erveiisystein.

Bei den Embryonen A. und B. ist die Anlage des peripherischen
Nervensystems ebenso unfertig als die des centralen. Die G-anglien
sämmtlicher Eückenmarksnerven sind vorhanden, auch die vorderen
Wurzeln derselben und ein Theil ihrer Stämme, dagegen fehlen die
hinteren Wurzeln. Von den Kopfnerven sind die Gangiien des Tri-
geminus, des Facialis und Acusticus, des Glossopharyngeus und des
Yagus angelegt, sowie die Wurzeln der Portio minor Trigemini, des
Facialis-Acusticus, des Hypoglossus und tlieilweise des Glossopha-
ryngeus und des Vagus. Von den beiden vorderen Sinnesnerven,
von den Augenmuskelnerven und vom N. accessorius habe ich Nichts
gesehen und es fehlt mir auch jegliche Spur des sympathischen
Systems.

Rückenmarksnerüen.

Die Ganglien erscheinen durchweg als ovale bez. als spindel-
förmige, zwischen das Eückenmark und die Muskeltafeln eingescho-
bene Zellenhaufen; jenem liegen sie mit ihrem dorsalen Pole an,
ohne sich durch Fasern mit ihm zu verbinden. Der vordere Gan-
glienpol pflegt je die zugehörige vordere Wurzel zu erreichen, allein
noch gehen keine Faserbündel aus jenem zu dieser hin, die in die\'
Leibeswand tretenden Nervenstämme sind auch jenseits des Ganghons
vorerst , noch rein motorisch.

T

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Bei allem Fehlen von eigentlichen sensiblen Wurzeln sind die
Ganglien von längsstreifigem Bau. Ein Theil der Streifung kommt
auf Rechnung der dem Ganglion um- und eingelagerten spindel-
förmigen Bindegevvebszellen. Allein es hegt kein Grund vor, jene
Längsstreifung der Ganglien ausschliesslich auf deren Bindegewebs-
elemente zurückzuführen. Beim Hühnchen haben die Nervenzellen
noch vor der Durchwachsung des Ganglions mit Bindegewebe ge-
streckte Formen — sie besitzen feine fadenförmige Ausläufer. Wenn
die Ganglien, wie ich dies an anderem Orte wahrscheinlich zu machen
gesucht habe i), der primäre Ausgangspunkt der sensibeln Wurzel-
fas.ern sind, so müssen die letzteren innerhalb des Ganglions vor-
handen sein, ehe sie den einen und anderen Pol überschreiten, um
ins Rückenmark und in die Leibeswand zu gelangen.

Die vorhandenen Nervenstämme sind verhältnissmässig dick, sie
bestehen aus feinen kernlosen Fasern, zwischen welche hier und da
bereits einzelne bindegewebige Spindelzellen eingelagert sind. Es treten
.die Stämme der Innenfläche den Muskeltafeln entlang bis zum Be-
ginn der parietalen Leibeswand und hören dann rasch, aber ohne
genau bestimmbare Gränze auf. An .einer Stelle streifen sie die
Muskeltafeln unmittelbar, allein noch vermag ich keinen in die
letztere eintretenden Rami dorsales wahrzunehmen. Im Gebiete der
oberen Extremität theilen sich die Nervenstämme in je einen stär-
keren für die
Extremität und einen schwächeren für die Leibeswand
bestimmten Ast, von denen der eine wie der andere kurz ist. An
der unteren Extremität mögen sich die Dinge ähnlich verhalten, in-
dess sind meine Präparate wegen ungünstiger Schnittriclitung nicht
entscheidend.

Ko-pfnervenJ^

Wie in der entsprechenden Entwickelungsstufe beim Hühnchen3),
so lassen sich auch bei den menschlichen Embrj^onen A. und B.

1) In dem Aufsatze über die Anfänge des peripherischen Nervensystems.
Arch. f. Anat. u. Physiol., anat. Abth. 1879. S. 477.

2) Ausser den Abbildungen der Taf. lY. vergleiche man auch die noch
einmal so stark vergrösserten Figuren im Arch. f. Anat. u. Physiol., anat. Abth.
1879. Taf. XIX.

3) Monographie des Hühnchens S. 106.

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vier Grangiienanlageii untersclieideii, wovon zwei vor der Geliörlblase,
zwei liinter derselben gelegen sind. Jene sind als Ganglienanlagen
des Trigeminus und des Pacialis-Acusticus zu deuten, diese als solche
des Glossopharyngeus und des Vagus. Die Reconstruction derselben
aus den Schnitten finden sich Taf. VII. Ai, A3 und Bi zusammen-
gestellt.

Weitaus am mächtigsten ist das Trigeminusganglion,
dasselbe erstreckt sich bei A. (Taf. IV.) über die Schnitte 13—21
und bedeckt mit seiner Hauptmasse das Gebiet der Brückenkrüm-
mung. Es besitzt, wie sich aus den Reconstructionen mit genügen-
der Sicherheit entnehmen lässt, im Wesentlichen die Grundform des
späteren Ganglion Gasseri. Von seinem vorderen Ende erstreckt
sich ein verjüngter Eortsatz bis hinter die Augenblase, als Anlage
des G. ciliare. Selbstständig abgelöste Massen für die übrigen

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Trigemmusganglien sind niclit walirzunelimen, dieselben sind wolil
nocb mit dem Hanptcomplexe verbunden.

Unmittelbar unter dem G. trigemini, etwas mehr dorsalwärts
liegend, folgt der Gangliencomplex, den ich s. Z. als G. acusticum
zusammengefasst und 0 für die Anlage des G. spirale N. cochleae
und des G. Scarpae gehalten habe. Theoretische Gründe haben mich
damals zur Vermuthung geführt, dass das G. genicuh als sj^mpathi-
sches Ganglion einen anderen Ursprung besitze als die Acusticus-
ganglien, indess kann ich an jenen Voraussetzungen nicht mehr fest-
halten, und ich glaube nunmehr, dass das G. acusticum die sämmt-
lichen Ganghen des Acusticus, einschhesslich der beiden an der
Austrittsstelle aus dem Gehirn hegenden sog. lateralen Kerne, und
auch das G. genicuh umfasst. Ich finde nämhch an den Durch-
schnitten 24 und 25, dass die Zellenmasse dieser Anlage durch
die in sie eintretenden Wurzelfasern in verschiedene Gruppen ge-
schieden wird, von denen zwei kleinere über und unter der Austritts-
stelle der Fasern aus dem Gehirn hegen, drei grössere unter sich
noch zusammenhängende in der Tiefe der Kopfwand. Jene beiden
halte ich für die sog. lateralen Acusticuskerne, diese in der Rei-
henfolge von aussen nach innen für G. genicuh, G. Scarpae und
G. spirale.

Das Acusticusganghon schiebt sich bis dicht an den oberen
Rand der Gehörblase heran. Unterhalb dieser und etwas mehr
ventralwärts folgt das
Glossopharyngeusganglion, das nur
in wenig Schnitten auftritt (IV. 30 und 31), und unter diesem der
Strang der Vagus gangliën (IV. 33 — 35). Die Masse, welche
diese Anlage bildet, erscheint in die Länge gestreckt und sie besteht
aus einem hinteren und einem vorderen Abschnitte. Jener liegt der
Seitenwand der Medulla oblongata an, dieser erstreckt sich bis in
den Bereich der Vorderdarmwand. Jener entspricht dem späteren
Ganglion jugulare, dieser dem Plexus ganglioformis oder
G. nodos um.

Die Nerven, für welche die ebengenannten Ganghen bestimmt
sind, sind erst mit einem Bruchtheile ihrer Wurzeln angelegt. Zu
dem Trigeminusganghon tritt ein an nur wenigen Schnitten (IV. 18

1) 1. c. S. 107.

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und 19) sichtbares Paserbündel, das der Innenfläche des Ganghon
sich anlegt, ohne niit dessen Substanz zu verschmelzen. Es ist dies
die Portio minor trigemini. Die Fasern des Bündels kommen
aus dem ventralen Abschnitte der Formatio arcuata, erfahren also
beim Austritte aus dem Hirn eine scharfe Hmbiegung. Von der
Existenz sensibler Wurzelfasern habe ich mich nicht zu überzeugen
vermocht und trotz des streifigen Ansehens der Ganghenanlage glaube
ich dieselben in Abrede stellen zu müssen. Die Entscheidung ist
deshalb nicht einfach, weil an der Stelle, wo die Portio minor aus-
tritt, das Gehirnrohr dicht an die Wand des Kanals und an das
Ganglion heranreicht. Grössere Wurzelmassen sind unmöglich zu
übersehen und so könnte es sich höchstens um die ersten Anfänge
einer Wurzelverbindung handeln. Von dem peripherischen Theil
der Portio major fehlt jegliche Spur.

In das Ganglion acustico-faciale treten sehr zahlreiche
und deuthche Wurzelfasern ein (IV. 24 und 25), deren Bündel sich
fächerförmig ausbreiten und das Ganglion in der oben erwähnten
Weise zerklüften. Ein Theil der Fasern stammt aus dem ventralen,
ein anderer aus dem dorsalen Abschnitte der Formatio arcuata.
Beide Portionen durchkreuzen sich, nachdem sie das Mark verlassen
haben, die aus dem ventralen Abschnitte stammenden Fasern treten
in den dorsalen Theil des Gangliencomplexes ein, die aus dem dor-
salen Markgebiete stammenden Bündel begeben sich in den tiefer
gelegenen Theil des Gangiions. Jene Bündel sind demnach als
Wurzelfasern des K facialis, diese als Acusticusbündel an-
zusprechen. Innerhalb des Markes lässt sich das Faciahsbündel bis
in die Nähe der vorderen Hirnkante verfolgen, hier legt es sich
einem an seiner Aussenseite befindlichen detachirten Zellenstreifen
an, dem Facialiskern.

Gegenüber den Ganglien des Glossopharyngeus sowohl als
des Vagus finde ich Faserbündel, welche aus der ventralen Hälfte
der Formatio arcuata stammend, durch die Belegschicht hindurch
zur Oberfläche des Markes treten. Diese Fasern gehen in die Gan-
glien über und vermischen sich mit deren spindelförmig gestreckten
Zellen. Jedenfalls handelt es sich auch hier nur um einen Bruch-
theil der Wurzelfasern, denn die Menge dieser nachweislich über-
tretenden Fasern ist eine verhältnissmässig recht geringe und steht

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in keinem Verhältniss zixr Stärke der Ganglien. Am walirschein-
lichsten ist es mir, dass dies die Fasern sind, welche den motorischen
Antheil der betreffenden Wnrzeln bilden.

Der N. hypoglossns tritt mit sehr scharf gezeichneten Wnr-
zelfasern als geschlossener Strang und unter einem nahezu rechten
Winkel aus der Vorderlläche der Medulla oblongata hervor (IV. 35
bis 38) , dann biegt er sich in der Kopfwand nach vom und hört,
wie die E,ückenmarksnery^en, plötzhch auf. Der centrale Ursprung
der Hypoglossuswurzeln erfolgt aus einem separaten, unweit von der
vorderen Hirnkante gelegenen Zellenhaufen, dem Hypoglossus-
kern.

Fassen wir die über die Wurzeln gewonnenen Erfahrungen noch-
mals zusammen, so sind ausser den motorischen Wurzeln der Eücken-
marksnerven angelegt: der N. hypogiossus, der N. faciahs, die Portio
minor trigemini und wahrscheinhch die motorischen Wurzeln von
Glossopharyngeus und Vagus. Alle diese Wurzeln einschliesshch
der vorderen Wurzeln der ßückenmarksnerven haben das unter sich
gemein, dass sie aus der ventralen Hälfte des Markrohres, aus mehr
oder minder sslbstständig gewordenen Bestandtheilen seiner zelhgen
Aussenschicht entspringen. Während nun aber die motorischen
ßückenmarkswurzeln und der N. hypogiossus auf dem kürzesten
Wege die Belegschicht durchsetzen, verlaufen die motorischen Fasern
des Trigeminus, des Facialis, des Glossopharyngeus und des Vagus
innerhalb der Formatio arcuata des Markes nach rückwärts und
durchbrechen die Belegschicht an mehr dorsalwärts liegenden Stellen
der Seitenwand. Sie treffen an diesen Stellen auf Ganglien, die sie
nach ihrem Austritte streifen oder durchsetzen. Nahe an ihrer Durch-
trittsstelle erfolgt später auch der Durchtritt sensibler Wurzeln.
Von den übrigen motorischen Nerven ist keiner nachweisbar, blos
von Trochlearis sind vielleicht die intramedullären Anfänge vor-
handen. Von allen centripetal leitenden Nerven aber ist nur der
N. acusticus mit Sicherheit angelegt. Bei aller morphologischen
Homologie, die zwischen diesem Nerven und einer sensibeln Wurzel
bestehen mag, beansprucht somit derselbe durch sein frühes und
eigenartiges Auftreten eine selbstständige entwickelungsgeschichtliche
Stellung.

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Die Zeit, in welcher die ersten Wurzeln aus dem Markrohr
hervortreten, ist auch die, in welcher Gefässanlagen in dessen Wand
hereinwachsen. Diese sind mit Nervenwurzeln nicht zu verwechseln.
Sie erscheinen anfangs ziemlich sparsam als conische, aus Spindel-
zellen gebildete Fortsätze, welche zwischen dem Markrohre und der
Aussenwand gelegen sind. Ihre Basis sitzt der AusseuM^and auf,
ihre Spitze ragt mehr oder minder tief in die Hirnwand bez. in die
Rückenmarkswand herein. Zur Zeit scheinen diese Gefässsprossen
noch nirgends hohl und blutführend zu sein.\')

Chorda dorsalis.

Die Chorda dorsalis menschlicher Embryonen erscheint im Ver-
gleiche mit dem mächtigen Organ niedriger Wirbelthierklassen als
ein sehr schwaches Gebilde. Sie ist etwas abgeplattet, an dünnen
Durchschnitten deutlich mit einer Lichtung versehen, und ihr Durch-
messer beträgt bei den Embryonen A. und B. in sagittaler Richtung
nur 30—35, in querer 60—80 //, einschliessüch des sie umgebenden,
als Retractionserscheinung zu deutenden hellen Hofes.

Der Abstand der Chorda vom Medullarrohre bleibt sich im
Rumpfgebiet überall ziemlich gleich und beträgt zwischen 50—80 p.
Beim Uebergang zum Kopf innerhalb des Winkels der Nackenbeuge
nimmt derselbe zu, um weiter kopfwärts neuerdings sich zu ver-
ringern. Von da ab bis zu ihrem oberen Ende hin hegt die Chorda
nicht allein dem Gehirn, sondern auch dem Vorderdarm nahe an.
Ihr oberes Ende verliert sich hinter der Rathke\'schen Tasche (IV. 16
und 17).

Nach abwärts konnte ich die Chorda bis in die Nähe des Steiss-
endes verfolgen, allein die später zu besprechenden Erfahrungen
Eckee\'s über einen ^chwanzanhang beim menschlichen Embryo
weisen darauf hin, dass die Chorda das eigentliche Steissende noch
überschreiten, und dass sie möglicherweise selbst auf den Bauch-
stiel übergreifen kann.

1) lieber diese Sprossen vergl. man „die Häute und Höhlen". Basel
1865. S. 15.

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Sinnesorgane.

Auge.

Die Anlage des Auges besteht aus der Augenblase und aus der
Linsenanlage (IV. 15 — 10). Die Augenblase ist von schalen-
förmiger (Gestalt (secundäre Augenblase
Eemak), an ihrem. Eingang
bereits etwas eingeengt. Ihre innere (primäre) Höhle klafft indess
noch und die beiden Blätter, von denen das retinale sich etwas
emporwölbt, berühren sich im Allgemeinen nicht. Der grösste
äussere Durchmesser der Augenblase beträgt 0.5 mm, derjenige der
Schalenlichtung 0.34 mm, der des Schaleneinganges 0.22 mm. Das
äussere Blatt ist noch verhältnissmässig dick und es entbehrt des
Pigmentes; seine Dicke beträgt 25 -30, die des inneren retinalen
Blattes 35—40 Der Stiel tritt an die untere Hälfte der Augen-
blase heran, die obere Hälfte der letzteren ist medialwärts frei. Mit
der Zwischenhirnhöhle steht die Höhle des Augenblasenstieles noch
in weiter Verbindung und ihre Wand zeigt einige Krümmungen
und Ausbauchungen, von denen mir zweifelhaft ist, ob sie nicht,
gleich der Hebung des Augenblasenbodens, von secundären Quellun-
gen herrühren.

Die Linse ist mit dem Hornblatt durch einen eingeschnürten
Stiel verbunden und der Zugang zu ihrer Höhlung scheint noch
nicht vollständig geschlossen zu sein. Dir äquatorialer Durchmesser
beträgt 0.18 mm, die Wanddicke 40—45 ^i. Die Tiefe der Linse
ist auffallend gross, sie beträgt an den Schnitten seitwärts vom
Stiele noch 0.15 mm, im Stielbereich selbst aber, einschliesslich
dieses letzteren und des überdeckenden Hornblattes 0.19 mm. Hier
ist die Form des
Durchschnittsbildes eine umgekehrt birnförmige,
ausserhalb des Stieles dagegen erscheint die Linse als biconvexer
Körper mit fast flacher vorderer und parabolisch stark gewölbter
hinterer Fläche.

Das Kopfplattengewebe zeigt in der Umgebung der Augenanlage
kaum die ersten Spuren einer Verdichtung und keinerlei Gefässan-
häufung. Das Gewebe schiebt sich zwischen das Hornblatt und den
vorderen Rand der Augenschale ein, hört aber am Linsenrande als
stumpf abgeschnittene Platte auf. Von da ab zieht sich eine von

Hl 8, Menaehl. EmTjryonen. ^

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zwei sehr scharfen und feinen Contouren eingefasste glashelle Schicht
^uni die Linse herum. Die vordere Begränzungslinie dieser Schicht
berührt die Linsenrückfläche, die hintere dagegen steht von der
Augenblase etwas ab. Diese Schicht und ihre membranähnlichen
Gränzcontouren sind wohl mit Linsenkapsel und Glaskörper in Be-
ziehung zu setzen.

Vor kurzem hat v. Bambecke Augendurchschnitte eines vier-
wöchentlichen menschlichen Embryo beschrieben und abgebildet,\')
und obwohl er in anderer (frontaler) Richtung geschnitten hat, sind
doch einige seiner Bilder mit dem, was ich gesehen habe, in vollster
Uebereinstimmung, besonders gilt dies von seiner Eig. 5. Dieselbe
zeigt gleichfalls die primäre Augenhöhle noch klaffend, die Linse
gestielt und in axialer Richtung gestreckt. Auch bei v.
Bambecke
reichen ferner die Kopfplatten bis zur Linse und sie entsenden eine
helle, die letztere umgebende Zone. Letztere hält er für die Glas-
körperanlage, ihre vordere Gränzhnie für die Linsenkapsel.

Geruchsorgan.

Als äussere Anlage des Geruchsorganes erscheinen jederseits
die Area nasalis oder das Nasenfeld und die Riechgrube.
Nasenfeld nenne ich einen mit wulstigem Rande, beinahe rüssel-
artig über die Hemisphärenbasis hervortretenden Bezirk von ovaler
Umgränzung und von 0.8 mm Länge und etwas über 0.5 mm Höhe.
Das Linere des Nasenfeldes ist muschelartig vertieft und der Boden
der Vertiefung von einer verdickten Epithelplatte gebildet (IV. 14
bis 10). Die Riechgrube liegt als besondere Bucht im hinteren
unteren Winkel des Nasenfeldes (IV. 14).2)

ùehôrorçjcm.

Das Ganglion acusticum und seine Wurzelfasern sind beim pe-
ripherischen Nervensystem zur Sprache gekommen. Die Gehör-

1) Contributions à l\'histoire du développement de l\'oeil humain. Gand 1879.

2) In Betreff des Nasenfeldes verweise ich auf Taf. VII. A. 4, B. 2 und
B. 3. Die Figuren der Taf. I. stellen dasselbe nicht oder wie I. 1 in unge-
nügender Grösse dar.

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blase liegt dem Nacbbim etwas binter der grössten Ausweitmig
der Eautengrube an (Taf. VII. A. 3). Sie besitzt eine im Ganzen
und Grossen birnförmige Gestalt; ihr oberer Theil ist verjüngt, der
untere bauchig aufgetrieben. Die mediale Wand der Blase, obwohl
dem Gehirnrohr nicht unmittelbar anhegend, ist concav gebogen, die
laterale zeigt eine Modellirung, welche die ersten Anfänge der späte-
ren Ghederung enthält (IV. 26—29). Unter dem oberen verschmäch-
tigten Ende, das
als Recessus labyrinthicus oder als Anlage
des Aquaeductus vestibuh anzusprechen ist, hegt eine erste und
weiterhin eine weit schwächere zweite Ausbauchung. Unter Zu-
grundelegung der
BöTTCHER\'schen Ermittelungen und seiner Figuren i)
CTgiebt sich, dass jene den Anfang der vertikalen Gänge, diese
den der horizontalen darstellt. Die untere Hälfte der Gehörblase
ist die Anlage des Schneckenganges. Noch ist das Ganglion
acusticum über der Gehörblase gelegen, seine Einschiebung zwischen
diese und das Gehirn hat noch nicht begonnen.

Eingeweiderolir.

Gliederung des Eingeweiderohres.

Das Eingeweiderohr ist vollständig angelegt und zeigt alle Grund-
züge der späteren Ghederung. Es sind unterscheidbar (Taf. I. 3 und
4, VII. A. 2 und B. 2): die Mundhöhle, der Pharynx, der Oesopha-
gus, der Magen, das Duodenum, der Mesenterialdarm und der End-
darm nebst Cloake und Urachus. Von dem Haupttractus abgezweigt
finden wir die Anlage der Schilddrüse und diejenigen von Kehlkopf,
Luftröhre und Lungen. Selbstständig ausgebildet ist ferner die An-
lage der Leber, dagegen habe ich das Pankreas nicht erkennen
können. Die Milz ist erst als Falte des Mesogastriums vorgebildet.
Als Thymusanlagen möchten die Epithelbuchten anzusprechen sein,
welche lateralwärts vom 4. und vom 5. Aortenbogen sich finden. (II.
42—43.)

1) Böttcheb, Entwickelung und Bau des Gehörlabyrinthes. Leipzig 1871.
Taf. I. Fig. 8 und 9.

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Die primitiA^e Mundhöhle und das vordere Ende des Vorder-
darmes sind in olfener Verbindung; von der früheren Epithelwand
!il\' zwischen beiden ist keine Spur mehr vorhanden. Die Decke der

primitiven Mundhöhle wird von einer dünnen Epithelplatte gebildet,
welche zunächst die untere Fläche der Riechlappen bekleidet. Hinter
der Basis des Zwischenhirnes steigt die
rathke\'sche Tasche als
flachgedrückter Epithelschlauch in die Höhe und erreicht das untere
Ende des cerebralen Hypophysensäckchens (Taf. 17. A. 16 —14).
Nach den von
Mihalkovics und von Seessel gegebenen Aufklä-
rungen ist auch sie als Theil der primitiven Mundhöhle aufzufassen.

Den Boden der primitiven Mundbucht bildet die obere Fläche
des Unterkieferfortsatzes, welche durch eine tiefe Furche in zAvei
Seitenhälften zerfällt. Die definitive Mundhöhle aber erreicht nicht
nur die Rückfläche des Unterkieferfortsatzes, sondern auch diejenige
des zweiten Schlundbogens, sie umfasst somit ausser der primären
Mundbucht einen Theil des ursprünglichen Vorderdarmes. Beide
Abschnitte sind zur Zeit noch ziemlich scharf auseinanderzuhalten
und ich werde sie als Vorhöhle und als G-rund bezeichnen.
Dieselben stossen unter einem nahezu rechten Winkel aufeinander.
Der Eingang zur Vorhöhle ist ein breiter Querschlitz, welcher oben
von den drei Stirnfortsätzen, seitlich von den Oberkiefer-, unten von
den in der Mittellinie verschmolzenen Unterkieferfortsätzen eingefasst
wird. Von diesen sind die beiden seitlichen Stirnfortsätze nur schmal,
der mittlere dagegen von erhebficher Breite; die Gränze fällt in
das Nasenfeld (Taf. VH. B. 3). Wie schon
DüesyO betont hat,
so sind an der sehr breiten Mundspalte eine geräumigere mittlere
und zwei niedrige Seitenabtheilungen zu unterscheiden, jene unter
dem mittleren, diese unter den seitlichen Stirnfortsätzen liegend.
Die hinter der Vorhöhle des Mundes liegende Querwand, genetisch
bereits zum Vorderdarm gehörig, deckt das Gebiet der Brücken-
krümmung und die untere Hälfte der Trigeminusganglien. (Tarf. I. 4.
VII B. 1.)

Der Mundhöhlengrund und der Anfangstheil des Pharynx gehen
noch ohne scharfe Gränzen ineinander über. Auf dem Querschnitte
erscheint die Lichtung beider als breite Querspalte, in der wir

1) Duesy, Entwickelungsgesch. des Kopfes. Tübingen 1869. S. 98.

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ausser der Vorder- und Rückwand zwei niedrige Seitenwandungen
zu untersclieiden haben. Die letzteren sind von drei Schlundfurchen
durchsetzt, von denen indess hlos die dritte und die vierte (Taf. II.
44 und 45) ein Stück weit durchgängig zu sein scheinen. Das Vor-
handensein der Schlundfurchen bedingt selbstverständhch einen mehr-
fachen Wechsel in der Breite der Lichtung; abgesehen davon aber
nimmt der Querdurchmesser der Pharynxspalte von oben nach ab-
wärts ab; die Abnahme erfolgt langsam bis zum unteren Rand des
2. Schlundbogens, dann aber rasch und in drei Absätzen zwischen
dem dritten, dem vierten und unterhalb des vierten Schlundbogen-
paares (Taf. VII. A. 2 und B. 2). Der Pharynx bildet sonach in
seiner unteren Hälfte einen Trichter mit treppenförmigen Stufen;
die letzte, unterhalb des 4. Schlundbogens befindliche Stufe liegt am
Uebergang vom Kopf zum Rumpf und sie führt in das enge An-
satzrohr des Oesophagus herab.

Die Rückwand des Mundrachenraumes gliedert sich im Allge-
meinen in drei Längsleisten. Die mittlere derselben entspricht, wie
sich aus den Durchschnitten (IV. 17—33) ergiebt, der medianen
Kante der Medulla oblongata und der vor ihr hegenden Chorda dor-
sahs, die beiden Seitenleisten umschhessen die inneren Carotiden,
welche, unter Umkehr der Stromrichtung, aus den absteigenden Kopf-
aorten\'einer früheren Bntwickelungsstufe hervorgegangen sind. Die
Carotiden behaupten ihre Lage hinter dem Pharynx bis in die Höhe
des 3. Schlundbogens (bei A. bis zu Schnitt 30), dann treten sie
an die Seitenfläche des sich verjüngenden Pharynx und hier finden
wir sie bis nach ihrer Verbindung mit dem 3. Aortenbogen (IV. 31
bis 34).

Auch in der Vorderwand des Mundrachenraumes lassen sich
naturgemässerweise drei Längszonen unterscheiden, deren mittlere
die Anlagen für die Zunge und für die Epiglottis nebst dem Zu-
gang zum Kehlkopf enthält. Ich habe Taf. VH. B. 4 die vordere
Mundrachenwand dargestellt, wie sie sich aus der Construction der
Schnitte des Embryo B. ergiebt. Hiemach sind die beiden Unter-
kieferfortsätze in der Mittellinie durch eine anfangs enge, dann aber
sich verbreiternde Eurche von einander geschieden. Hinter der Ver-
einigungsstelle des 2. und 3. Schlundbogenpaares erhebt sich in der
Mittellinie ein langgestreckter niedriger Wulst von etwa 0.4 mm

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Breite. (Bei B. Taf. II. Fig. 38 — 42 und in der unvollständigen
Eeihe von A. Taf. IV. Fig. 23 — 29.) Dieser AVulst ist die An-
lage der Zunge, er überragt das 2. Schlundbogenpaar nur mit
seiner obersten Spitze und bedeckt damit noch das (xrenzgebiet
zwischen jenem und dem ersten Paare. Im Grebiete des 4. Schlund-
bogens wölbt sich die Vorderwand des Schlundrohres zu einer weit
ausgeprägteren Mittelleiste empor, welche an verschiedenen Stellen
ungleich breit ist und nach beiden Seiten scharf abfällt. Innerhalb
dieser Leiste liegt der spaltförmige Zugang zum Kehlkopf. Die
Leiste selbst enthält die Anlage der Epiglottis und der Plicae
aryepiglotticae.

In Betreff der Zungenanlage ist hervorzuheben, dass sie sich
an derjenigen Stelle der vorderen Rachenwand nach innen hin her-
vorwölbt, an welcher von Aussen her der Aortenbulbus anhegt. Die
hierin hervortretende Beziehung zwischen Aortenbulbus und Zungen-
anlage werden wir später Grelegenheit finden, noch bestimmter zu
präcisiren.

Nach obiger Darstellung entsteht die Zunge hinter der Ver-
einigungsstelle vom 2. und 3. Schlundbogenpaar. Das oberste Paar
ist an ihrer Bildung nicht oder höchstens mit seinem unteren Gränz-
abschnitte betheihgt. Durch letztere Angabe trete ich mit der herr-
schenden Anschauung in Widerstreit und es ist nöthig, mit einigen
Worten auf den bisherigen Stand der Frage einzugehen. Vielfach
nahm man früher an, dass die Zunge als eine mediane AVucherung
des ersten Schltmdbogenpaares sich entwickelt, eine Ansicht, die z. B.
Kölliker in der ersten Auflage seiner Entwickelungsgeschichte ver-
treten hat.i)
Kölliker beruft sich dabei auf die Angaben von
Reichert, ich finde indess, dass dieser Anatom in seinem in
Müller\'s Archiv2) abgedruckten, hierauf bezüglichen Aufsatze eine
Darstellung giebt,
welche mit der meinigen weit mehr als mit
Kölliker\'s Referat übereinstimmt. Reichert spricht nämlich von
einer
wenig erhabenen länglichen Vorragung, welche mit ihrem
breiten hinteren Ende vorzüghch
zwischen dem zweiten und dritten

1) Köllikbe, 1. c. S. 354.

jljjjii 2) Jahrg. 1837. S. 156. Man vergl. besonders auch Reichert\'s Fig. 10

|sl die mit meiner Fig. B. 4 von Taf. VII wesentlich übereinstimmt.

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Visceralbogeii\') liegt und mit der vorderen Meinen Spitze in den
hinteren Rand dés Vereinigungspunktes der ersten Visceralfortsätze
hereinragt. Ihre hintere Begränzung machen zwei etwas mehr er-
habene, schon von
Rathke gesehene rmd als Cartilagines arytae-
noideae gedeutete Hügelchen. Später sollen dann die beiden End-
abschnitte dieser Vorragung selbstständiger sich entwickeln, der
vordere zu einem -dreieckigen, nach vorn sich beugenden Kegel, der
hintere zu einem mehr scheibenförmigen Gebilde; aus jenem wird
die Zunge, aus diesem die Epiglottis. Demzufolge verlegt
Reichert
die Anlage der Zunge nicht in den ersten, sondern in den zweiten
Visceralbogenbezirk und in das Gränzgebiet zwischen beiden. Inso-
weit befinde ich mich mit ihm in voller Uebereinstimmung. Nur
scheint
Reichert das hinter seinem Zungendreieck liegende Eeld
für unwesentlich zu halten, während ich dasselbe als die Anlage der
Zungenwurzel betrachte. Die Epiglottisanlage setzt
Reichert in das
3., ich in das 4. Schlundbogengebiet, indess liegt diese Differenz
mehr im Wortlaut des Ausdruckes als in der Sache. Der 4. Schlund-
bogen wird, wie dies auch in Fig. B. 4 dargestellt ist, vom 3. grossen-
theils überlagert; was in seinem Bereich liegt, liegt somit auch im
Bereich des letzteren, äusserlich ist er gar nicht wahrnehmbar und
Reichert geht bei seiner Darstellung überhaupt von der Annahme
nur dreier Visceralbogen aus.2)

In neuerer Zeit hat Dursy ») die Frage vom Ort der Zungen-
bildung wieder aufgenommen. Nach ihm entsteht dieselbe an der
, inneren Oberfläche der drei oberen Schlundbogen und zwar soll
ihr vorderer, hinter dem Unterkiefer liegender Theil paarig angelegt
sein, der hintere Theil dagegen unpaar.
Dursy\'s jüngstes Material
ist hierfür ein 11.5 mm. langer Rindsembryo gewesen und die Zeich-
nung zeigt allerdings den vorderen Theil der Zunge als breiten,

1) Reicheet sagt zwischen den „beiden letzten Visceralbogen«, er nimmt

überhaupt nur 3 Bogen an.

2) In dem Aufsatze von Roth „Der Kehldeckel und die Stimmritze im
Embryo in
Schenk\'s Mitth. aus dem Wiener embryol. Institut. Heft II. S. 148
wird die Abstammung des Kehldeckels aus dem 3 Schlundbogen nur vermuthungs-
weise ausgesprochen.

3) Dübsy, 1. c. S. 121 und Taf. I. 18.

4) 1. 0. S. 815.

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in der Mittellinie getlieilten Lappen, der sich bis zum oberen Rande
des UnterMeferbogens erstreckt. In der 2. Auflage seiner Entwicke-
lungsgeschicbte schliesst sich
Kölliker, laut seinen Erfahrungen bei
Kaninchenembryonen
Durst darin an, dass er die Zunge an der
Innenfläche der ersten drei Bogen und zwar vorzugsweise des ober-
sten entstehen lässt, dagegen bestreitet er das Yorhandensein einer
paarigen Anlage, für welche ihm die von
Dursy gesehene Längs-
furche kein genügender BeM\'eis ist. Ich werde unten Gelegenheit
haben zu zeigen, dass die Zunge nicht allein in ihrem vorderen Ab-
schnitt, sondern überhaupt ihrer ganzen Länge nach aus zwei Seiten-
hälften verwächst. Dies geschieht indess in einer früheren Zeit als
die uns hier beschäftigt. Im Stadium von A. und B. ist von Ver-
wachsungsspuren nichts mehr wahrzunehmen, die von
Duesy her-
vorgehobene Längsfurche aber tritt erst später auf, wie denn über-
haupt
Kölliker\'s und Dursy\'s Beobachtungen sich auf weiter
entwickelte Stufen der Zungenbildung beziehen.

Das Seitengebiet der vorderen Mundrachenwand wird von den
"wulstigen Erhebungen der in sie eintretenden Schlundbogen gebildet.

Noch im Bereich des 2. Schlundbogenpaares liegt vor der Zunge,
zwischen ihr und dem Aortenbulbus, die Anlage der Schilddrüse
als ein bereits zweitheiliges epitheliales Bläschen, das einen unpaaren
Stiel bis in die Nähe der Zungenoberfläche entsendet (Taf. II. 41).
Etwas weiter unten finde ich bei Embryo B. in den Durchschnitten
42 und 43 geschlossene Epithelringe, die wahrscheinlicherweise zur
Bildung der Thymus in Beziehung stehen.\') Der obere dieser
Ringe (II. 42) liegt im Winkel zwischen 3.— 4. Aortenbogen, der
untere (II. 43) liegt nach auswärts vom 5. Aortenbogen. Diese auf
dem Durchschnitte geschlossen aussehenden Epithelfiguren scheinen
übrigens die blinden Endbuchten der dritten und vierten Schlund-
spalte zu sein.

1) Man vergl. Köllikek, Entwickelnngsgescli. 2. Aufl. p. 875. Kölliker\'s
Angabe über eine epitheliale Anlage der Thymus stimmen überein mit einer
Yermuthung, die ich seit längerer Zeit gehegt habe. Es wird dadurch der
einer acinösen Drüse so ähnliche Habitus jenes Organes erklärt. Ich halte
für selbstverständlich, dass das adenoide Gewebe nicht aus der Epithelanlage,
sondern aus deren Umgebung entsteht, als Reste von jener sind die concen-
trischen Körper anzusehen.

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Der Eingang in den Kehlkopf ist ein gestreckter Schlitz
mit kreuzförmiger Ausweitung. Der obere Theil des Schhtzes (II.
44—46) fällt noch in die Höhe des 4. Schlundbogens, das untere
Ende desselben in den Beginn des Kumpfes. Letzterer Theil ist\'in
querer Eichtung erweitert. Der Schnitt 47 vom Embryo B. zeigt
eine eigenthümhche, in der Zeichnung auf Taf. II. wiedergegebene
Epithelfalte, welche nach Ort und Gestalt den unteren Eandgebilden
des Kehlkopfeinganges, den Cartilagines arytaenoideae und
der Incisura interarytaenoidea entspricht. Die Construc-
tionsfigur B. 4. Taf. A^II. lässt ziemhch klar die Hauptformen der
Umgebung des Kehlkopfeinganges erkennen: neben der Anlage von
Epiglottis und Phcae aryepiglotticae, zwischen ihr und dem Seiten-
theil des 4. Schlundbogens hegt jederseits eine Einne, der spätere
Sinus pyriformis. Der 4. Schlundbogen selbst muss die Anlage
des Schildknorpels enthalten, welche ihrerseits von der im 3.
Schlundbogen enthaltenen Zungenbeinanlage umfasst wird. Die
Cartilagines arytaenoideae und der Eingknorpel können nicht mehr
vom System der Schlundbogen abstammen, sie müssen bereits von
der Eumpfwandung geliefert werden.

Der Kehlkopfraum hat laut den Schnittbildern im Allgemeinen
die Form einer schmalen, gegen die Epiglottis hin blindsackartig
abschliessenden Spalte (Taf. I. Eig. 2). Seine vordere Wand nimmt
das Ende des Aortenbulbus auf (Taf. VII. B. 1 und A. 1); die aus
diesem hen^orgehenden untersten beiden Aortenbogen, der 4. und 5.
umfassen die Seitenwand des Kehlkopfes. Für eine Beurtheilung
weiterer Einzelnheiten der Kehlkopfhöhle ist die Schnittrichtung
beider Embryonen A. und B. ungünstig.

Eine nach oben hin sich zuschärfende Wand trennt die Lich-
tungen von Trachea und Oesophagus. Beide Köhren verlaufen
auf kurze Strecke parallel, dann aber biegen sich beim Uebergang
in die Lungen die beiden Endzweige der Trachea nach rückwärts,
und die Lungenanlagen selbst umgreifen als abgeflachte Bhndsäcke
von beiden Seiten her das Speiserohr (H. 42—40 und V. 69—72).

Gleich unterhalb der Lungenanlage weitet sich das Speiserohr
zum Magen aus. Derselbe charakterisirt sich im Durchschnitt so-
fort durch seine linksseitige Ausbiegung und durch sein im Winkel
geknicktes Gekröse. Seine Lichtung ist weiter als diejenige des

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Speiserohres und in schräger Eichtung abgeplattet (II. und III. 39
bis 32, Y. 72—81); nach abwärts verjüngt sie sich bis zum Ueber-
gang ins Duodenum hin.

Das Duodenum liegt rechts von der Mittelliäche, von ihm aus
geht der Gallengang nach vorn ab; es zeigt ferner eine höchst cha-
rakteristische Ausbiegung gegen die Axengebilde hin und es wird
von der später zu besprechenden V.ena portae umkreist. Sein Ge-
kröse ist im Allgemeinen sehr kurz (III. 30—26, V. 84—87). Auf
das Duodenum folgt die scharf nach vorn sich ausbiegende Schleife
des Mesenterialdarmes, von deren vorderem Ende der den Kör-
per verlassende Darm stiel oder Ductus entericus abgeht. Der
obere Schenkel der Schleife liegt rechts, der untere links von der
Medianfläche des Körpers, für die später eintretende Torsion der
Schleife ist damit bereits die Eichtung angebahnt.

Von den aufgezählten Gebilden beginnen Trachea und Oesopha-
gus in der Mitte des Halsgebietes (bei A. in der Höhe des 4. Seg-
mentes). Die Lungenanlagen fallen in das unterste Hals-, die Ma-
genanlage in das oberste Eückengebiet. Jene liegen beim Embryo
A. vor dem 7. und 8. Cervikalsegmente, diese vor dem 2. bis 5.
Eückensegment. Das Duodenum liegt vor den mittleren Eückenseg-
menten (6.—8.), die Mesenterialdarmschleife vor dem unteren Dritt-
theil derselben.

Der Bauchtheil des Darmes ist mit einem an Höhe abnehmen-
den Gekröse versehen und er beschreibt beim Uebergang in das
Beckenstück einen nach vorn hin offenen Bogen. Den Charakter
als cylindrisches, von selbstständiger Wandung umgebenes Rohr
bewahrt der Darm noch bis in das Gebiet der oberen Sakralsegmente,
dann aber verschmilzt seine Wand mit der Bauchbeckenwand und
seine bis dahin enge Lichtung erweitert sich zu einem geräumigen,
die Höhe des 4. Steisssegmentes erreichenden Sack. Hier dringt
die von der Fortsetzung des Darmepithels ausgekleidete Höhle bis
zur Oberfläche empor und ist wahrscheinhch bereits geöffnet. Dieser
erweiterte Endabschnitt des Darmes ist als Cloake zu bezeichnen,
seine Seitenwand nimmt die Enden der Wölfl\'sehen Gänge auf (H.
15, 16 und V. 105); von seiner Eückwand geht über der Einmün-
dungsstelle des Bauchdarmes der A llantoisgang ab. Dieser steigt
mit nach rückwärts convexem Bogen in die Höhe, biegt sich dann

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Eingeweiderohr. Biegungen der Darmaxe. 59

nach vorn und- gelit in Begleitung der beiden neben ihm herlaufen-
den Arteriae umbilicales in den Bauchstiel über. Vor dem Eintritt
in den Bauchstiel zeigt derselbe bei B. eine nachweishche Erweiterung,
die erste Andeutung einer Harnblase (L 2 und HL 20, 21).

Bauchdarm, Cloake und Allantoisgang bilden, in ihrer Gesammt-
heit betrachtet, ein II förmiges Eohr, dessen absteigender Schenkel
der Darm, dessen Febergangsstück die Cloake und dessen aufsteigen-
der Schenkel der Allantoisgang ist.\') Ein ähnhches System Uför-
mig verbundener Röhren haben wir in der Bauchaorta und den aus
ihr hervorgehenden Arteriae umbihcales. Beide Systeme sind sich
im Allgemeinen gleichläufig, indess hegt die TJmbiegungsstelle der
Arterienbahn tiefer und weiter hinten als diejenige der Darmallan-
toisbahn; die aufsteigenden Schenkel jener Bahn kreuzen daher noch
den absteigenden Darmschenkel der letzteren.

Biegungen der Darmaxe.

Im Granzen und Grossen beschreibt das Intestinalrohr denselben
dorsalwärts convexen Bfigen, den auch die Stammgebilde des Körpers
beschreiben, im Einzelnen aber zeigt es eine Reihe selbstständiger
Ein- und Ausbiegungen, die, wie ich an anderem Orte bereits nach-
gewiesen habe^), zu dessen definitiver Ghederung in genauester Be-
ziehung stehen.

In der Sagittalproj ection treten drei ventralwärts gerich-
tete grössere Eigenbiegungen auf, deren oberste dem Halstheil, deren
zwei untere dem Rückentheile angehören. Nachdem das Rohr im
Kopftheil der ventralen Hirnkante gefolgt und von ihm nur durch
einen geringen Abstand geschieden war, biegt es sich unterhalb des
Nackenhöckers stark vom Medullarrohr ab, so dass der Abstand der
zuvor nur 0.15—0.25 mm betrug, auf 0.65—0.75 mm ansteigt. Der
am meisten abstehende Theil umfasst die untere Pharynx- und die
Kehlkopfanlage. Weiterhin nähert sich das Rohr wieder den Axen-
gebilden, bildet aber unterhalb der Mitte des Halstheils einen zweiten

1) Man vergl. damit auch meine Monographie der Hühnchenentw. S. 159
sowie den 2. Brief über unsere Körperform S. 26.

2) Monographie S. 143—148 und Körperform 6. Brief.

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langgestreckten Bogen, welchem die nntere Hälfte des Speiserohres,
die Magenanlage und der Anfangstheil des Duodenums angehören.
Der Gekrösentwickelung nach könnte zwar dieser Bogen eine aus-
giebige ventrale Excursion beschreiben, allem infolge der Eaumein-
engung durch die Leber kommt das Gekröse des mittleren Bogen-
stückes nicht zu freier Entfaltung,\' es knickt sich in eine nach links
gerichtete Kante und die Knickungsstelle des Magengekröses wird
zur Anlage der Milz. Im Duodenaltheil des Eohres tritt eine
scharfe Eückwärtsbiegung ein und auf diese folgt die stärkste der
drei ventralen Eigenbiegungen, diejenige des Mesenterialdarmes,
welche schon oben besprochen Avorden ist.

Auf eine Erontalebene projicirt (Taf. YII. Fig. A. 2 und B. 2)
zeigt sich das Eingeweiderohr im Kopf- und im Halstheile syme-
trisch; beim Uebergang in den Eückentheil wendet sich der Oeso-
phagus nach links (II. 41—40). Der Magen liegt mit seiner Lich-
tung vollständig, mit seiner Faserwand grossentheils auf der linken
Seite (IL und III. 39—32). Das Duodenum überschreitet (III. 30)
die Mittellinie und der Mesenterialdarm liegt grossentheils nach
rechts von dieser. Die stärkste Abweichung zeigt die Abgangsstelle
des Darmstieles (HI. 24). Der untere Theil des Darmes kehrt nach
der linken Seite zui-ück, auch die Cloake ist links gelegen, wogegen
der Allantoisgang bei seinem Eintritt in den Bauchstiel sich wieder
nach rechts wendet.

Wand des Eingeweiderohres.

Das gesammte Eingeweiderohr ist von einem einschichtigen
Epithel ausgekleidet, dessen Mächtigkeit in verschiedenen Strecken
in nur geringem Maasse wechselt (35 — 42
fx). Die übrige Wand
enthält, ausser den Blutgefässen, Bindegewebs- und Muskelelemente.
Es sind aber zur Zeit weder diese histologisch verschiedenen Be-
standtheile, noch die späteren Schichten optisch scharf zu scheiden,
und ich benütze daher die von
Eemak eingeführte Bezeichnung
Faser wand in dem neutralen Sinne, dass damit die vermengten
Muskeln und bindegewebigen Theile verstanden sein sollen.

Erst innerhalb der eigentlichen Leibeshöhle, d. h. also erst nach
dem Uebergang in das Eumpfgebiet bekommen das Verdauungsrohr

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Eingeweiderohr. Wand des Eingeweiderohres. Leber. 61

und die mit ihm in Verbindung stehenden Luftröhren- und Lungen-
anlage eine selbstständige Faserwand. Bis dahin bildet die allge-
gemeine Kopfwand zugleich die äussere Umgränzung von Mund-
Pharjmx- und Kehlkopfraum. Die Faserwand der Luftröhre und der
Lungenanlage ist mit derjenigen des Oesophagus noch verbunden,
indess bezeichnet eine äussere Furche bereits den Ort der zukünftigen
Trennung.

Die Stärke der eigentlichen Darmfaserwand beträgt zwischen 0.09
bis 0.14 mm; die höchsten Werthe kommen der Magenwand zu.
Ein dickes Gekröse verbindet Oesophagus, Magen und Darm mit der
Rückenwand der Leibeshöhle. Das Gekröse hat seine Abgangs-
stelle vor der Aorta descendens, und es wird hier beiderseits von
den Urnierenleisten eingefasst. Dasselbe ist kurz hinter dem Oeso-
phagus, lang und im Winkel gebrochen hinter dem Magen; es ver-
kürzt sich wiederum beim Uebergange zum Duodenum und erreicht
seine maximale Entwickelung hinter der Schleife des Mesenterial-
darmes. Es erhält sich unter allmählicher Höhenabnahme bis zum
Anschluss des Bauchdarms an die Cloake. Hier verschmilzt, wie
schon oben erwähnt wurde, die Darmfaserwand mit der animalen Lei-
beswand und auch der aus der Cloake emporsteigende Allantoisgang
besitzt ausser der Epithelauskleidung keine gesonderte Wandschicht.

Nach rückwärts schliesst sich die Darmfaserwand mittelst des
Gekröses der animalen Leibeswand an, nach oben und nach unten
hin geht sie mittelst ihres Kopf- und ihres Beckenendes in diese
über. Eine weiter nach vorn hin stattfindende Verbindung zwischen
Darm und Leibeswand findet sich in der Höhe des Herzens und sie
ist dadurch vermittelt, dass die vordere Wand des Verdauungsrohres
mit dem primären Zwerchfell und mit der aus letzterem hervor-
tretenden Leber verbunden ist. In Betreff dieser Verbindungen weise
ich auf den besonderen bei Embryo M. eingereihten Abschnitt hin,
in welchem die Geschichte der Körperhöhlen und des Zwerchfells
im Zusammenhange behandelt ist.

Leber.

Die Leber ist bereits genügend voluminös, um auch äusserlich
ihre Lage und Form bemerkbar zu machen. Sie liegt unterhalb der

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Lungenanlage, hinter dem Herzen nnd vor dem Magen und Duo-
denum. Bei A. entspricht ihre Höhe dem 2. Ms 7. Rückensegment;
rechts reicht sie etwas höher herauf als links, ein Unterschied, der
bei Embryo B. viel auffälhger hervortritt als bei A. Die dem Herzen
zugewendete Vorderfläche des Organs ist abgeplattet und sie sitzt
in ihrer vollen Breite einer quer ausgespannten Scheidewand auf,
dem primären Zwerchfell oder Septum transversum. Die
beiden Seitenflächen des Organes sind im grössten Theil ihrer Aus-
dehnung frei, durch eine enge Spalte von der Rumpfwand getrennt
und sie treiben diese bauchig vor sich her. Das untere und das
obere Ende der Leber sind mit der Wand inniger verbunden. Das
untere Ende erscheint (HI. 27 und 28) dem an dieser Stelle sehr
abreiten Septum transversum eingelagert; das obere Ende (II. 38—40)
ist mit der rechten Seitenwand verwachsen. Die Rückfläche der
Leber (Taf. VII. B. 5) passt sich im Allgemeinen den dahinter he-
genden Organen an und ihre Gestalt ist demgemäss eine etwas
comphcirtere. Infolge der linksseitigen Lage des Magens und des
Mesogastriums ist für den hnken Lappen weniger Raum als für den
rechten. Dieser ist, soweit die Leber vor dem Magen hegt, etwas
schmaler als jener, und er endet nach rückwärts in eine scharfe
Kante, während jener abgeflacht der rechten Urnierenleiste sich\' an-
legt. Im unteren, vor dem Duodenum hegenden Leberabschnitte
ist der rechte Lappen nicht mehr bevorzugt, ja er bleibt hinter dem
hnken zurück und reicht weniger weit herab als dieser. Die Rück-
fläche der Leber trägt zur Aufnahme des Magens und des Duodenums
eine Längsrinne. Durch einen kurzen Verbindungsstreifen, die An-
lage des Omentum minus, hängt sie mit den genannten Theilen
zusammen; in dem unteren, vom Duodenum abgehenden Theil dieses
Gebildes (HI. 29, V. 84) tritt der kurze Gallengang in die Leber ein.

Die Leber erhält durch drei Venen ihren Zufluss, durch zwei
Venae umbihcales und durch die Vena portae oder omphalo-mesen-
terica. Die beiden Umbilical-
oder Earietalvenen haben vom Bauch-
stiel her ihren Weg durch die seithche Bauchwand genommen. Die
eine, hnke, ist sehr viel mächtiger als die rechte, letztere (bei B.)
doppelt angelegt. Dieselben erreichen die Leber an ihrer unteren
Eläche (HI. 27 und 29) und wenden sich von da aus nach rückwärts.
Die starke hnke Umbihcahs kommt in die das Omentum minus

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Eingeweiderolir. Leber. 63

aufnehmende Einne und verläuft unmittelbar vor dem Duodenum
und dem Magen nach oben (lH. und II. 30—36); dann im oberen
Eeberdrittel wendet sie sich nach rechts und vorn, nimmt aus
dem hinteren Theil der Leber herkommende Venae hepaticae auf
(IL 37—38) und schliesslich mündet sie als Vena cava inferior
in den rechten Vorhof ein (II. 39). Einen weiteren Zufluss als die
Umbilicalis und die aus der Leber herkommenden Zweige besitzt
die Cava inferior noch nicht; insbesondere sind keine von der hin-
teren Eauchwand herkommenden (jefässe wahrzunehmen. Ihr oberes
Endstück tritt der oberen Leberfläche entlang und durch das primäre
Zwerchfell hindurch zum Herzen. Die doppelt vorhandene rechte
Parietalvene erreicht die Leber etwas höher als die linke (III. 29\'
und 30), sie verläuft, auch nachdem sie die Eückfläche erreicht hat,
ein Stück weit von jener getrennt; die Vereinigung erfolgt erst,
nachdem auch die Vena portae in die rechte Umbilicahs sich er-
gossen hat (III. 31 und 32).

Mit dem Darmstiel ist die Vena omphalo-mesenterica
in das Innere der Bauchhöhle gelangt (III. 25 und 26), und dies
Gefäss tritt nun an die rechte Seite des Duodenums, wendet sich,
in der Easerwand selbst liegend, um das Duodenum herum, gelangt
auf diesem bogenförmigen Umwege zur Eückfläche des rechten Le-
berlappens und stösst hier auf die Umbilicalis dextra, in welche sie
einmündet (III. 31 und 32). Demnach ist man berechtigt, dieses
Endstück der V. omphalo-mesenterica kurzweg als Vena portae zu
bezeichnen.

Mit Rücksicht auf die spätere Oberflächengiiederung der Leber
lassen sich an der jetzigen Entwickelungsstufe folgende Verhältnisse
erkennen: die dem Septum anliegende Fläche nebst einem grossen
Theil der beiden convexen Seitenflächen werden zu der vom Zwerch-
fell überlagerten oberen Leberfläche. Die zur Zeit noch sehr breite
Verbindung mit dem Septum transversum engt sich späterhin ein,
und das Ligamentum suspensorium nebst den hinter dem letzteren
befindlichen Bindegewebsmassen erhalten sich als deren Eeste. Die
nach unten und nach hinten sehende Oberfläche der Leber wird,
wie die nach den Schnitten von B. construirte Fig. B. 5, Taf. VII.
zeigt, in schräger Richtung von der Vena umbilicalis sinistra ge-
kreuzt. Wir können an diesem Verlaufe drei Abschnitte auseinander-

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halten. Im ersten Abschnitte läuft die Vene nach rückwärts und
gegen die Mittellinie hin und sie unterhält noch keine Beziehungen
zum Omentum minus (II. 27—29). Dann beim Uebertritt in den
zweiten Abschnitt geht sie ziemlich vertikal in die Höhe, eher etwas
nach hnks abweichend. In diesem Abschnitte tritt von der rechten
Seite her die Umbilicalis dextra mit der Vena portae an sie heran.
Ferner ist sie hier vom Omentum minus eingefasst, das die Leber
rechts von der Mittellinie
erreicht ^ hatte und dessen Richtung mit
deijenigen der Umhihcalis sinistra anfangs convergent gewesen war.
Das oberste Drittel der Vena umhihcalis wendet sich in einem starken
Bogen über der Mittellinie weg nach rechts, um dann endlich nach
vom umzubiegen.^ Dieser Venenabschnitt verlässt das Gebiet des
Omentum minus und lässt dasselbe links liegen. Noch innerhalb
seines Bndbereiches tritt an die hintere Leberwand eine dem Omen-
tum minus parallele, aber weit kürzere Platte, die an den Durch-
schnitten II. 37—39 sichtbar ist. Eine vom Omentum minus sich
abzweigende Seitenfalte begleitet ferner das oberflächlich gelegene
Stück der V. umbilicalis dextra (II. 30 und 31).

Nach Feststellung dieser Verhältnisse ist es leicht, die Ober-
flächengliederung zu verstehen. Links von der Vena umbilicalis si-
nistra liegt der linke Leberlappen, rechts von ihr der Lobus
dexter mit Lobus quadratus und Lobus Spigelii. Das
erste Drittel der 1. Umbilicalisvene bezeichnet den Ort der Fossa
longit sinistra anterior, das zweite Drittel den der entsprechen-
den Fossa posterior. Der dritte Abschnitt geht über dem Lo-
bus Spigelii weg zur Vena cava. Der Ort der Fossa trans-
versa wird durch die Falte bezeichnet, welche die rechte Umbili-
calvene nebst der V. portae aufnimmt. Der nach abwärts gerichtete
Anfangstheil des Omentum minus, in welchem der Gallengang ein-
geschlossen ist, liegt da, wo später die Gallenblase sich entwickelt,
über der Fossa longitudinalis dextra anterior. Das Omen-
tum minus, als Ganzes betrachtet,
beschreibt einen Bogen und läuft
in seiner unteren Hälfte in zwei Schenkel aus. Es beginnt als Lig.
hepato-gastricum im oberen Theil der Fossa long, sinistra und
setzt sich als Lig.
hepato-duodenale\'über die Fossa transversa
fort, an deren Ende es mit scharfem Rande aufhört. Auch der
den Lobus quadratus begränzende untere Schenkel läuft mit freiem

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Rande aus. Dieser Faltenzweig kann sich später mehr ausgleichen;
geschieht dies nicht, so begegnen uns seine Reste in dem oberen
Abschnitte des Ligamentum hepato-colicum.

Lobus dexter und Lobus Spigehi, welche an der ausgebildeten
Leber nur durch das schmale Tuberculum caudatum zusammen-
hängen, stehen zur Zeit noch in breiter Verbindung, da der sie
trennende Theil der Vena caya noch nicht vorhanden ist. Im
Uebrigen sind die untere, die linke und die obere Gränze des Lo-
bus Spigelii bereits vorhanden, und so ist das Gebiet dieses Leber-
abschnittes leicht zu erkennen. Bemerkenswerth ist die Falte, welche
rechts vom Omentum minus selbstständig vom Magengekröse bezw.
von der hinteren Bauchwand aus an den SpiEUEL\'schen Lappen her-
antritt. Diese Falte ist offenbar bestimmt, späterhin die Vena cava
aufzunehmen; in Verbindung mit dem oberen Ende des Omentum
minus begränzt sie den Eecessus superior des Saccus omentalis und
ihr unterer Rand ist die Gränze des Foramen Winslowi.

Die Leber besteht aus einem Netzwerk anscheinend solider
Zellenbalken, zwischen denen weite Blutgefässe liegen. Die Durch-
messer der einzelnen Zellenbalken betragen 25—35 die der dazwi-
schenliegenden Gefässe sind im Allgemeinen bedeutender, meist um
40 bis 60 herum; die Durchschnitte des Organes zeigen demnach
ein ziemlich grobmaschiges Gefüge. In die Zeichnungen der Ta-
feln II., III. imd V. sind nur die grossen Stämme eingetragen und
sie geben von dem wirklichen Bilde des Leberdurchschnitts eine
ungenügende Vorstellung. Die freie Oberfläche der Leber ist bereits
von einer Bindegewebskapsel umgeben. Der von dem Duodenum
sich abzweigende Gallengang ist einfach, scheint sich indess bei
seinem Eintritt in die Leber gabhg zu spalten (V. 84). Ueber
seine Beziehungen zu den Leberzellnetzen und über die Anlage
einer Gallenblase vermochte ich an meinen Schnitten Nichts zu er-
kennen.

Vom Pankreas habe ich weder bei den Embryonen A. noch bei
B. etwas wahrgenommen. Dasselbe müsste an den Schnitten 27—30
von B., oder an den Schnitten 84—87 von A. zu finden gewesen
sein. Ob die Anlage in der That noch nicht vorhanden war, oder
ob sie mir wegen der Ungunst meiner Schnitte unsichtbar geblieben
ist, lasse ich vorerst unentschieden. »

His, MensoU. Emtryoiien. 5

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Urnierensystem.

Das Umierensystem besteht aus dem WoLPr\'schen Grang, aus
den in ihn einmündenden Querkanälen und aus den mit letzteren
verbundenen Grefässknäueln. Diese Theile sind in eine 0.3—0.4 mm
breite, gerundete Leiste, die Urnierenleiste, eingeschlossen,
welche jederseits neben der Abgangsstelle des Magen- und Darm-
gekröses der hinteren Eumpfwand entlang läuft. Dieselbe ist von
einem einschichtigen Epithel bekleidet und ausser den Gebilden der
Umiere selbst enthält sie die hinter ihnen hegende Cardinalvene.
Das untere Ende der Urnierenleiste tritt in einem nach abwärts con-
vexen Bogen zur vorderen Bauchwand, es leitet den WöLFP\'schen
Gang zur Cloake und verhert sich neben dieser letzteren. Nach
oben hin steigt die Urnierenleiste höher hinauf als die Urniere selbst,
sie eiTeicht die Decke der Eumpfhöhle, mit der von ihr umschlos-
senen Cardinalvene tritt sie nach vorn und trifft auf den gieichfalls
in einer besonderen Leiste eingeschlossenen, der Seitenwand des
Rumpfes folgenden CuviER\'schen Gang. Taf. VII. A. 1 und B. 1.

Der WoLFP\'sche Gang hegt innerhalb der Urnierenleiste am
meisten lateralwärts, dicht imter der Epitheldecke. Sein Gesammt-
durchmesser beträgt in den mittleren Abschnitten des Organes gegen
60, die Lichtung gegen 40 Seine mediale Wand nimmt die nur
etwa 20 im Durchmesser fassenden Enden der Querkanäle auf,
deren spaltförmige Lichtung ohne vorherige Ausweitung direct in
jenen ausmündet.

Jedes Urnierenkanälchen Taf. VIII. B. 9 besteht aus drei
quergestellten und in scharfem Zickzack zusammengebogenen Schen-
keln, einem hinteren, mittleren und vorderen. Der hintere, cylin-
drisch von Gestalt, vermittelt die Verbindung mit dem
Wolff\'-
schen Gang; der mittlere ist etwas spindelförmig aufgetrieben, sein
verjüngtes äusseres Ende biegt in den vorderen Schenkel um, der
als enges Rohr beginnt, dann aber zu einer geräumigen, den Glo-
merulus umschhessenden Kapsel sich ausweitet. Die Zellen, welche
die Kapsel bilden, sind dünner, als die des übrigen Rohres; die in
den Kapselraum hervortretende Oberfläche des Gefässknäuels ist

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ti

li

Urnierensystem. 67 j\' il

von einer besonderen Epithelschicht bekleidet. Es liegen die Ge- \' \'.ri

fässknänel in der medialen Hälfte der Nierenleiste: sie werden durch

kleine, direct aus der Aorta kommende Arterienzweige gespeist imd

bogenförmige Yenenzweige führen das Blut nach der Cardinalvene

zurück. Unter meinen Schnitten sind mehrere, welche die Yerhält- -p^

nisse in der schematischen Reinheit der auf Tafl YIH. abgebildeten \'

Eigur zeigen, an anderen ist der Zusammenhang der Theile derart

xmterbrochen, dass blos die einen oder die anderen in ihrer natür-

liehen Yerbindung geblieben sind.

Die geschilderten Yerhältnisse finden sich bis in die Nähe des ^

oberen Endes derUrnieren, d.h. bis in die Höhe des unteren Lun-
genrandes. In diesem oberen Abschnitte sind die Kanäle kürzer,
die Knäuel und die Kapseln kleiner als im Mittelstück der Drüse. ^i^ij

Das untere Ende der letzteren ist an beiden Schnittreihen schräg,
bez. frontal getroffen und es lässt sich nicht erkennen, ob die in ihm |C

befindlichen Röhrchen sehon ihre volle Ausbildung erhalten haben. fl

Im Uebrigen ist der WoLFF\'sche Gang bis in die Nähe\' seines \'i

vorderen Endes mit Urnierenkanälchen besetzt. Dies vordere Ende Ijjl

des WoLPF\'schen Ganges biegt steil in die Höhe und verläuft ein
kleines Stück weit neben der Cloake, bevor die Einmündung erfolgt. Iiid

An der Stelle der letzteren zeigt sich die Cloake mit zwei seitlichen ||

Ausbuchtungen versehen (III. 9—11 und Y. 106—104).

Yor der Einmündungsstelle des WoLFP\'schen Ganges in die
Cloake zweigt sich ein vor dem ersteren liegender selbstständiger
Blind sack ab. Derselbe besitzt ein grösseres Caliber, als der
WoLFF\'sche Gang und hat, da er in 3 —4 Schnitten sichtbar ist,
eine Länge von nur 0.3 —0.4 mm. (HI 11 — 14. Y. 106 — 109.)
Diesen Blindsack muss man für die Anlage des Nieren gang es
halten, der nach den, neuerdings durch
Köllikek bestätigten An-
gaben
Kupffek\'s aus dem unteren Ende des wolff\'schen Ganges
sich entwickelt. \') Dabei -bleibt allerdings noch der Nachweis zu
führen, wie es kommt, dass dieser Gang, der noch weit entfernt von
der Blasenanlage in die Cloake ausmündet, späterhin mit der Blase
in Beziehung tritt.

]) Man vergi. mit raeinen Figuren der Tafel I. n. VII. Köllikbk\'s Sagit-
talschnitt eines Kaninchenembrj\'o S. 946.

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Der MüLLER\'sclie Grang ist an den Embryonen A. nnd B. noch
nicht vorhanden. In der Einne, lateralwärts von der Urnierenleiste,
ist das Epithel um beinahe das Doppelte (bis auf c. 20 verdickt
und so zeichnet sich jetzt schon die Stelle aus, an welcher später
der
MüLLER\'sche Gang sich bilden wird.

Der Allantoisgang tritt, nachdem er den Bauchstiel erreicht
hat, inmitten des letzteren zum Chorion (Taf. III. 21) und scheint,
an letzterem angelangt, bhnd zu enden.

Von W. Krause ist vor kurzem das Auftreten einer frei aus
dem Bauch tretenden, blasenförmigen Allantois beim Menschen
behauptet worden i) und es ist hier der Ort, auf die von
Krause
mitgetheilten Zeichnungen und auf deren Deutung einzugehen.
Krause stellte in drei verschieden vergrösserten Profilzeichnungen
einen Embryo dar, dessen Länge nach seinen Angaben 8 mm be-
trägt
und dessen Alter er auf 31/2—4 Wochen schätzt. Nach Grösse
und Alter entspricht dies meinen Embryonen A. und B. und die
Vergleichung muss jedenfalls bis in die Einzelnheiten durchführbar
sein. Nun zeigen
Krause\'s Abbildungen, dass aus dem hinteren
Leibesende des noch von seinem Amnion umhüllten Embryo eine
gestielte, als Allantois gedeutete Blase hervortritt, vor welcher ein
faltiger Strang, nach
Krause, die geplatzte Nabelblase befindlich ist.

Krause\'s Mittheilung ist in Kreisen entwickelungsgeschicht-
licher Liebhaber mit grossem Beifall aufgenommen worden. In sei-
ner Anthropogenie hatte nämlich HaeckeP) bereits Zeichnungen
menschlicher Embryonen veröffentlicht, welche mit einer gestielten
blasenförmigen Allantois ausgestattet waren. lieber diese Zeich-
nungen hatte ich als über willkürliche Erfindungen den Stab ge-
brochen
3), und nun wurde ihnen durch Krause\'s Entdeckung eine
anscheinend höchst glänzende Eechtfertigung zu Theil.4) Bei den

1) W. Kbause, Archiv für Anat. und Physiologie 1875. S. 213 und Taf.
VI. ibid. 1876. S. 204.

2) Anthropogenie. 1. Aufl. S. 271.

3) Unsere Körperform S. 170.

4) üeber die Aufnahmen von W. Krause\'s Entdeckung vergl. man Haeokel
selbst in seinem Aufsatze über Ziele und Wege der heutigen Entwickelungs-
geschichte S. 37. Jena\'sche Zeitschr. f. Naturwiss. Bd. X. Supplementheft und
E.
Krause in der Zeitschr. Kosmos. Bd. I. S. 276. Letzterer Autor schildert,

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embryologisclien Faclimännem hat Krause\'s Deutung weniger will-
fäliige Aufnahme gefunden und einige derselben, wie
Kölliker
Hense
??2), v. Ebner 3), haben sich bereits öffenthch dagegen aus-
gesprochen. Da es nun absolut feststeht, dass menschhche Embryo-
nen weit jüngerer Entwickelungsstufen (bis zu 2 mm herab) mit
dem Chorion durch einen festen Stiel verbunden sind, so erscheint
es mit dem Stande unseres Wissens völhg unvereinbar, wenn uns
auf eine einfache Profilzeichnung hin zugemuthet wird, an das freie
Hervorsprossen einer blasenförmigen Allantois bei dem 8 mm langen
Embryo zu glauben. Die Allantois- und Bauchstielfrage wird unten
bei Besprechung jüngster Embryonen ihre Erörterung finden; hier
kann es sich nur daram handeln, zu untersuchen, wodurch
Krause

sich hat täuschen lassen.

Kölliker hält die krause\'sche Allantois für die Nabelblase,
den
kfiaüse\'schen Dottersack für den Nabelstrang (Bauchstiel) mit
Eetzen des Amnion. In einer ziemlich erregt geschriebenen Er-
widerung bezeichnet
Krause diese Deutung als eine unanatomische,
da sich doch die Nabelblase vor der Allantois inserirte, nicht um-
gekehrt. Die Besichtigung meiner eigenen Präparate und Zeichnimg
zeigen, dass
Kölliker\'s Deutungsversuch den berechtigten Kreis
vorhandener Möghchkeiten keineswegs überschreitet. Der Bauch-
stiel ist mindestens 5mal höher, als der Darmstiel, und er reicht
dem entsprechend weiter herauf als dieser. Denkt man sich den
Darmstiel etwas zurückgelegt, so kann unschwer eine Lagerung zu
Stande kommen, die derjenigen von
Krause\'s Abbildung entspricht.
Die Berechtigung zu seiner lebhaften Erwiderung hätte
Krause
nur dann gehabt, wenn er durch Zerlegung seines Präparates die

wie Häeckel eine „hoclinothpeinliclie Anklage vor heiliger Vehme" erdulden
musste, weil er sich „das Megesehene im Spiegel der Wissenschaft hatte
zeigen lassen«. „Aber, so fährt er fort, Fortuna verlässt die Muthigen nicht.
Sie sendet zur Zeit der höchsten Bedrängniss das Megesehene dem Prrf.
Krause in Göttingen zur Prüfung, und siehe da, die Erscheinungsform ist
genau so, wie sie
Haeckel entworfen hatte."

1) Köllikek, Entwickelungsgesch. 2. Aufl. S. 306.

2) Hensen, Archiv f. Anat. und Entwickelungsgesch. 1877. S. 2.

3) v. Ebner, Ueber die erste Anlage der Allantois beim Menschen.
Separatabdr. aus den Mitth. des Ver. der Aerzte in Steiermark. Mai 1877.

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tiefere Darminsertioii der von ihm als Allantois gedeuteten Blase
nachgewiesen hätte.

Ausser der von Köllikp::r angegebenen Möghchkeit einer Ver-
wechselung besteht aber noch eine andere, welche hervorzuheben
ich nicht unterlassen darf. Wenn man die unter sich übereinstim-
menden Figuren
Krause\'s mit guten Abbildungen menschhcher
Embryonen derselben Entwickelungsstufe vergleicht, so tritt einem
sofort eine Reihe recht erhebhcher Unterschiede entgegen. Fürs

erste die Conformation des
Kopfes: schon das Mit-
telhirn erscheint bei je-
nen sehr gross, vor allem
aber zeigt das Auge einen
Umfang, wie er nicht ent-
fernt demjenigen mensch-
licher Embryonen ent-
spricht. Bei der 3 mal ver-
grösserten Figur
Krause\'s
beträgt der Durchmesser
des Auges 3, bei der 7 mal
vergrösserten 7 mm, was
übereinstimmend einen na-
türlichen Durchmesser von
1 mm ergiebt, anstatt der
0.3 mm, welche, wie wir
oben sahen, in der Zeit
der vorspringende Theil menschlicher Augen misst. In der Hinsicht
gleichen die Figuren
Krause\'s vielmehr einem Vogelembryo, denn
einem menschlichen. Allein auch in anderen Eigenthümhchkeiten
nähern sich
Krause\'s Zeichnungen sehr viel mehr den ersteren als
den letzteren Originahen. Wie wir oben (S. 20) gesehen haben und
wie dies auch die Darstellungen von Jon.
Müller, von Coste und
von Waldeyer übereinstimmend bestätigen, so sind beim mensch-
lichen Embryo dieser Entwickelungsstufe die Schlundbogen kräftig
angelegt und die vorderen beiden erstrecken sich unter der Zone
des Auges durch bis unter das Vorderhirn.
Krause\'s Zeichnungen
zeigen eine Reihenfolge kurzer schmaler Schlundbogen, deren Spitzen

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kaum bis in die Verlängerung des hinteren Augenrandes reichen.
An menschlichen Embryonen ist zwischen oberer und unterer Ex-
tremität der Eücken ziemlich stark gewölbt, bei
KkaüSe\'s Zeichnung
yerläuft dieser nahezu gestreckt. Darf man auf diesen letzten Punkt
Yielleicht kein allzugrosses Gewicht legen, so scheinen wiederum
andere Unterschiede von erheblicher Bedeutung. Beim menschhchen
Embryo von 7—8 mm findet
sich, unterhalb des Herzens eine bereite
recht ansehnliche Leberanschwellung, von welcher an
Krause\'s

Zeichmmg keine Spur zu sehen ist. Ferner ist beim menschlichen
Embryo der nach vorn umgeschlagene Theil des hinteren Leibes-
endes von beträchtlicher Länge, bei
Krause\'s Zeichnung erscheint
dies Stück nur als kurzer Stummel. Ich habe, um d
-giti Xi6S6 (Ig
Vergleich zu ermöglichen, beistehend in 7 fach vergrösserten Zeich-
nungen neben einandergestellt: Fig. 5 den menschlichen Embryo B.,
Fig. 6 das
krause\'sche Präparat, Fig. 7 einen mit letzterem gleich
grossen Hühnerembryo. Dabei ist allerdings hervorzuheben, dass
beim jungen Hühnchen, so lange man dasselbe nicht künstfich
streckt, der Kopf stark vornübergebogen zu sein pflegt, ein Ver-
hältniss, das ich an der Zeichnung um den Betrag des am Hals
bezeichneten Dreiecks abgeändert habe.

Dazu kommt nun, dass wir über die Vorgeschichte des Krause\'-
schen Präparates absolut Nichts erfahren. Prof. Krause hat, wie
ich aus der Erwiderung einer brieflichen Anfrage weiss, das Prä-

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parat Yon einem befreundeten Arzt erhalten. Vielleicht fehlten die
Hüllen bereits zur Zeit der Einsendung, in dem Ealle muss aber
der betreffende Arzt, der das Ei eröffnet und den Embrj^o heraus-
genommen hat, im Stande gewesen sein, so vielen Aufschluss über
die Grewinnung des Präparates und über die Embryonalhüllen mit-
zutheilen, dass dadurch jede Möglichkeit einer Täuschung ausge-
schlossen blieb.

Da die drei Zeichnungen Keause\'s in allen Hauptpunkten unter
sich übereinstimmen und da an eine dreimahge Wiederkehr der-
selben gröblichen Verzeichnungen nicht wohl gedacht werden darf,
so komme ich zum Schluss, dass jene Zeichnungen ihr Original
getreu wiedergeben. Damit begründete sich aber die weitere Folge-
rung, dass der angebliche Menschenembryo Keause\'s
ein V0ge 1 embry0 gewesen ist. Der Irrthum kann durch irgend
eine zufällige Verwechselung veranlasst Avorden sein, er kann aber
auch auf einer eigentlichen Mystilication beruhen. Darüber vermag
natürlicherweise nur Keause selbst Licht zu verbreiten, nachdem er
zuvor mit seinem Gewährsmann sich wird auseinandergesetzt haben.

Gefässsysteni.

Herz.

Es ist schwer, vollständige Reihen von Herzdurchschnitten mit
unverändertem Situs herzustellen. Man wird nämlich selten ver-
meiden können, dass nicht lose Stücke aus ihrer Lage rücken oder
dass an den dünnwandigen Vorhöfen durch die Präparation hier und
da Eormveränderungen hervorgerufen werden. Die Herzdurehschnitte,
die ich von den Embryonen A. und B. erhalten habe, bilden zwar
keine absolut lückenlosen Reihen, allein sie sind vollständig genug,
um für einen jeden der beiden Eälle eine sichere Reconstraction zu
gestatten.

Wie schon die äussere Besichtigung ergiebt, so ist zu der Zeit
das Herz eingekeilt zwischen die Gesichtsfläche des Kopfes und die
Leber; der seiner Rückfläche angehörige obere Abschnitt der Vor-
höfe berührt auch noch die Vorderfläche der Lungen und der Tra-

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diea. Die Anlegung an das (resicht gescMeM der Art, dass der !\'j:|

Ventrikeltlieil an das Heniisphärenliim anstösst, während der Bulbus
hinter dem Unterldeferfortsatze, dem zweiten und dem dritten Schlund-
bogen steil in die Höhe steigt u^nd in dem Winkel sich inserirt,
welchen der Kopf mit dem Rumpfe bildet. Das Herz ist in eine
besondere Tasche der Leibeswand eingeschlossen, deren vordere, dem
Gesicht zugewendete Wand die vordere Rumpfwand ist, deren hintere
zur Zwerchfellanlage gehört (primäres Zwerchfell oder Septum trans-
versum).

Im Ganzen erscheint das Herz noch von gedrungener Form,
es ist kurz und breit, die ursprüngliche Grundform des hufeisen-
förmig gebogenen Schlauches ist noch deutlich ausgesprochen und
deren schematische Reinheit wird nur durch die mächtig hervor-
tretenden Herzohren einigermaassen beeinträchtigt. Der hintere ab-
steigende Schenkel des Hufeisens umfasst den Vorhof mit dem Ohr-
kanal, der vordere aufsteigende besteht aus dem Conus arteriosus
mit dem Aortenbulbus und der quere Schenkel enthält die Anlage
des linken und rechten Ventrikels. Taf. VIII. B. 6—8.

Die beiden Oeffnungen, welche das Mittelstück des Herzens mit
Vorhof und Bulbus verbinden, liegen hinter einander, etwas nach
links von der Mittellinie (II. 36. V. 78),
demnach müssen absteigende u.nd aufstei-
gende Herzschenkel wie bei einer torquirten
Schleife sich kreuzen. Der hintere Schen-
kel\' geht von oben und rechts nach unten
und links, der vordere von unten und rechts
nach oben und links. Diesem verschränk-
ten Verlaufe der beiden Herzschenkel ent-
sprechen auch die an der Aussenfläche des ;
Querstückes befindlichen Längsfurchen: die-
selben divergiren nach abwärts, die vordere rss- sehematisoho Ansieht

. des HerzscMauclies um die Stel-

kommt nach rechts, die hintere nach hnks i^ng des arterienen und venösen
zu liegen. Sie sind in ihrem oberen Theile ^n"
naturgemäss am tiefsten und sie verflachen anschaulichen,

sich mit der Annäherung an den unteren

Herzrand. Hier findet sich ein breiter flacher Ausschnitt (aus II.
27—28 ersichtlich), der eine schräge Verbindung der beiden Für-

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chen herstellt\'); diese sind in ihren Ursprnngstheilen Faltungen der
Gesammtwand des Herzschlauches (V. 80—82. HI. 32 und 33). Den
äusseren Furchen entsprechen innere Leisten, welche im unteren
Theil des Ventrikelstückes schräg aufeinander treffen. Sie sind die
Anlage des Septum ventriculorum. Dieses erstreckt sich so-
mit als windschiefe, mit tiefem Ausschnitte versehene Platte von
der medialen Seite des hinteren Herzschenkels zur medialen Seite
des vorderen. Auf Querschnitten sind im untersten Ventrikelgehiete
beide Kammern getrennt (IL 28—30), im allerobersten zeigt sich
die Trennung von Ostium arteriosum und Ostium venosum (II. 34
bis 36), und im dazwischenliegenden Gebiete besteht eine gemein-
same Höhle mit rechts- und mit linksseitigem Recessus (JII. 32 bis
33). Der rechte Recessus führt nach aufwärts zu dem Ostium arte-
riosum, nach abwärts zum rechten Ventrikelbhndsack, der linke
Recessus communicirt nach oben mit dem Ostium venosum, nach
abwärts mit dem linken Ventrikelblindsack. Dächte man sich daher
den Ausschnitt des Ventrikelseptum kurzweg ausgefüllt, so würde
det linke Ventrikel mit dem Ostium venosum, der rechte mit dem
Ostium arteriosum in Verbindung bleiben (IH. 33). Bekannthch
macht sich in der Folge die Trennung anders und in Folge eines
Vorrückens des Septum in die beiden Ostien zerfällt von, diesen
ein jedes in eine rechte und eine linke Hälfte.

Die Wand des Ventriltels ist dicker, als die Wand der übrigen
Herzabtheilungen. Sie besitzt den oft beschriebenen spongiösen
Character. Zahlreiche Balken erheben sich nach der Lichtung hin
imd treten unter einander in netzförmige Verbindung. In der Mitte
bleibt ein Raum von Balken frei, derselbe wird von queren Ver-
bindungen der letzteren kranzförmig umgeben (III. 31—33) und
bildet den mit den Seitenbuchten verbundenen Hauptraum des Ven-
trikels. Haupt- und Nebenräume sind von einer Endothelialhaut
ausgekleidet, welche die Muskelbälkchen als lose Röhren umhüllt.

Der Herzvorhof ist unverhältnissmässig weit und er erfüllt
oberhalb des Ventrikels den gesammten, innerhalb der Rumpfhöhle
freigelassenen Raum. Wir unterscheiden an ihm den Sinus als

1) Die Abhängigkeit dieser verschiedenen Formeigenthümlichkeiten von
einander lässt sich experimentell leicht nachweisen.

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Mittelstück und die beiden Herzohren. Der Sinus hängt nach ab-
wärts mit dem Ohrkanal zusammen, der als cylindrischer Schlauch
scharf sich umgränzt. Die Rückwand ist durch ein kurzes Mesocar-
dium mit dem Diaphragma yerbunden (II. 37—39. V. 76—73) und
nimmt hier die untere Hohlvene und die zwei
Ductus Cuvier!
auf. Während der Sinus in sagittaler Richtung etwas abgeplattet
ist, treten die beiden Herzohren als mächtige Ausbauchungen nach
vorn vor und unter TJmgreifung des Aortenbulbus erreichen sie die
vordere Rumpfwand. Nach oben erheben sie sich mit getrennten
Spitzen bis zur Kehlkopfanlage und nach abwärts legen sie sich mit
zugeschärftem Rande um den Ohrkanal herum. Der Bedingung
ihrer ersten Entstehung nach sind diese Gebilde Knickungsohren
gewesen, die an dem Herzschlauche da aufgetreten waren, wo der-
selbe die Längsrichtung verliess und nach abwärts sich umbog.\') jj|
Weiterhin aber sind bei Dehnung der Seitenabschnitte des Vorhofes \'"\'
die Gränzen der Elasticität überschritten worden, dieselben haben
ihren Character als elastische Schläuche grossentheils eingebüsst
und verhalten sich nun wie dünnwandige, ausdehnbare Säcke, welche
unter dem Druck ihres flüssigen Inhaltes allenthalben den umgeben-
den Wandungen sich anschhessen. So ist die Umgreifung des Aor-
tenbulbus und des Ohrkanales zu verstehen, sowie die innige An-
legung der Herzohren an die dahinter und darüber liegenden Theile;
von diesem Gesichtspunkte aus erklären sich auch die verschiedenen
Randzuschärfungen und die, infolge ungleichen Widerstandes der
Wand eintretenden Kerbungen der Oberfläche; ferner steht mit
diesem Verhältnisse in inniger Beziehung die im Vorhofe dichte
Anlegung des Endocardialschlauches an die Muskelwand, die um
so bmerkenswerther ist, als ja im Ohrkanal der innere Schlauch

vom äusseren weit absteht.

Die Theilung der Vorhöfe hat in der oberen Hälfte ihren
Anfang genommen. Eine als halbmondförmige Falte angelegte
Scheidewand zieht sich dicht an der Mittellinie und parallel mit
dieser von hinten nach vorn; ihr hinterer Schenkel
erstreckt sich
bis zum Ohrkanal, an dessen mediale Wand er sich anschliesst: der
vordere Schenkel geht in die stumpfe Einbiegung über, weiche die

1) Monogr. des Hühnchens S. 140.

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, vordere Vorliofswand hinter dem Aortenbulbns zeigt (V. 7(3—76. II.
41—37).

Von einmündenden Gefässen sind zur Zeit die beiden Cuvier\'-
schen Gänge und die untere Hohlvene vorhanden, welche sämmt-
hch an die rechte Vorhofhälfte treten (Taf. II. 38 — 40 und Taf.
VIII. B. 7 und 8). Die Einmündungssteilen folgen sich in einer
schräg von oben und rechts nach unten und medialwärts ziehenden
Linie, zu oberst der rechte, zu unterst der hnke Ductus Cuvieri
imd dazwischen die Hohlvene. Die CuviEE\'schen Gänge hegen,
bevor sie das Herz erreichen, der Innenfläche der Eumpfwand an,
durch eine Art von Gekröse mit diesem verbunden (II. 43 — 41. V.
67 — 70). Sie treten sodann hinter den Herzvorhof und vor das
Zwerchfell; -ihr Gekröse haftet an dem letzteren (V. 71. IL 46—39).
Der rechte Stamm, oder die obere Hohlvene, ist bedeutend mäch-
tiger, als der linke; nachdem er sich der Eückwand des Vorhofes
angelagert hat, verwächst er schon ziemhch hoch oben mit diesem
und mündet sodann mit spaltförmiger Oeffnung in ihn ein, ohne
dabei sofort seine Selbstständigkeit als Eohr aufzugeben (II. 42—40,
V. 70—71). Auf Querschnitten nimmt sich daher der untere Theil des
Hohlvenenstammes wie ein abgeschnürter Anhang des Vorhofes aus
und seine Mündung erscheint von zwei scharfrandigen Ealten ein-
gefasst.

Der linke Ductus Cuvieri tritt zwar auch schon hoch oben hinter
das Herz, dann aber verläuft er auf längere Strecken dessen Wand
entlang, anfangs senkrecht, dann schräg herabsteigend (II. 42—38.
V. 68—74. VIII. B. 8). Die Verbindung mit der Herzwand und die
Einmündung erfolgt dicht über dem Ohrkanal und neben dem hin-
teren Schenkel des Septum atriorum (II. 37. V. 76 und 77).

Die untere Hohlvenö tritt aus dem obersten Ende der Leber
in der Eichtung von hinten nach vorn diu-ch das Zwerchfell hin-
durch in den Vorhof ein, auch ihre Einmündung ist von zwei scharf-
randigen Ealten eingefasst, deren mediale unter dem hinteren Schen-
kel des Septum atriorum liegt, deren laterale die Valvula Eustachi
ist. Letztere geht nach oben u.nmittelbar in die Falte über, welche

1) F. Schmidt, Nordiskt Mediciniskt Arkiv Bd. II. No. 23. Deutsch
referirt von
Panxjm in Yirchow-Hirsch\'s Jahresbericht f. 1870 S. 65.

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die Mündung der Cava superior begränzt und bildet die Valvula

decrescens von F. Schmidt.

Der Ohrkanal ist ein kurzes cylindrisclies Rolir, das steil aus
dem Vorliofe in den Ventrikel hinabsteigt (V. 76—79. 11.36—34).
Der Endothelialschlaueh steht in ihm vom Muskelschlauch weit ab
und bildet eine schmale quergestellte Spalte mit zwei seitlichen
Ausweitungen. Der Raum zwischen dem Endothelial- und dem Mus-
kelrohr ist von einer lockeren Bindesubstanz ausgefüllt. Zwischen
Vorhof und Ventrikel findet sich demnach eine enge, dem Ohrkanal
angehörige Verbindungsspalte, welche von zwei wulstigen Lippen
einer vorderen und einer hinteren begränzt ist (den Endothelialkissen
von E.
Schmidt). Dieser Apparat stellt, wie dies von E. Schmidt
in vortrefflicher Weise geschildert worden ist, die Anlage der noch
ungeschiedenen Atrioventrikularklappen dar.

Der arterielle Herzschenkel biegt sich, wie wir oben
sahen, scharf von links nach der Mitte zu und zugleich etwas von
hinten nach vorn (II. 35. V. 79—82), er geht sodann unter schwacher
Schlängelung steil in die Höhe bis in den Winkel zwischen Gesicht
und Rumpf, d. h. bis unter die Kehlkopfanlage; hier verschmilzt die
Aussenwand mit der Wand des Gesichts und des Vorderdarmes und
das innere Rohr theilt sich in seine verschiedenen Endzweige (II.

42—43. V. 67—69).

Der querverlaufende Anfangstheil des arteriellen Herzschenkels
hat noch den Character der Ventrikelwand, dann aber verdünnt sich
die Muskelwand und das Rohr flacht sich etwas ab. Es geschieht
dies da, wo derselbe aufzusteigen und in den Truncus arteriosus
überzugehen beginnt (am Eretum Halleri); zugleich hebt sich der
EndotheMalschlauch von der Muskelwand ab und umschliesst nun-
mehr nur noch eine schmale quergestellte Spalte. Der Zwischen-
raum zwischen innerem und äusserem Schlauch wird hier, wie im
Ohrkanal, von einer lockeren Bindesubstanz ausgefüllt. Die Wülste
aber, welche die Lichtung umfassen, sind von weit grösserer Länge,
als in jenem, denn sie erstrecken sich durch die ganze Höhe des
Bulbus bis zur Theilung des Rohres. Die Lichtung lässt den spä-
ter vorhandenen zweigetheilten Character noch nicht erkennen, und
auch von einer spiraligen Drehung derselben nehme ich Nichts
wahr.

i\'ij

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Arteriemy Stern.

Der Aortenbullbiis liegt hinter den Schlundbogen in der Weise,
dass er zuerst den UnterMeferfortsatz, dann den zweiten und
zuletzt den dritten und vierten Bogen erreicht. Denkt man sich
daher den Kopf aufgerichtet (eine Stellung, die ich bei der nach-
folgenden Beschreibung als normale ansehen werde), so verläuft
jener vom Gesicht aus in absteigender Richtung (Vn. B. 3). Die
Vorderwand der das Herz umschhessenden Parietalhöhle ist in der
Höhe des Unterkiefers frei, vom Unterkiefer wie vom Bulbus durch
eine Spalte geschieden (II. 34—37). Mit dem zweiten Bogen aber
ist sie durch eine mediane Brücke verbunden, die von oben nach
abwärts an Breite zunimmt (II. 38 — 40). Noch im Gebiete des
zweiten Bogens legt sich der Aortenbulbus an die Wand an (II. 48).
Das blutführende Innenrohr des letzteren zertheilt sich in der Höhe
des dritten Bogenpaares in seine Endäste (II. 42) und seine Wand
verschmilzt mit derjenigen des Halses und des Kehlkopfes.

Das eben geschilderte Verhalten giebt wichtige Anhaltspunkte
für das Verständniss der Halsbildung und der Dislokation des Her-
zens. Durch die starke Vornüberbiegung des Kopfes ist das ur-
sprünglich dem Kopfe angehörige Herz mehr und mehr zurückge-
schoben und als spitzwinkhge Schleife gegen den Rumpf angedrängt
worden. Sein Aortentheil hat dabei eine Richtungsänderung von
nahezu 180" erfahren. Währenddem nun das Herz in dieser secun-
där erlangten Stellung sich befindet, schliesst sich die Wand zwischen
Schlundbogen und Bulbus, dieser wird von seinem ursprünglichen
Entstehungsgebiete bleibend geschieden und nebst dem übrigen Her-
zen dem Complex der Rumpfeingeweide angefügt.

Während das Endstück des Aortenbulbus der späteren Hals-
wand sich anlegt und mit dieser verschmilzt, geht aus seinem
Innenrohr durch rasche Theilung eine Anzahl von Stämmen herv^or,
von denen einige als Aortenbogen den Vorderdarm umfassen und
an dessen Rückenfläche in ein System von Längsgefässen einmünden
(Taf. VII. A. 1, B. 1 \'und B. 3). Die Aortenbogen sowohl, als alle
übrigen Arterien sind einfache endotheliale Röhren, um welche sich

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aus dem umgebenden Gewebe noch keine anderweitigen Wandschichten .jj

abgesondert haben. Dasselbe güt auch von der Mehrzahl der Venen
und der histologische Character aller dieser Gefässe ist noch der- \'\'f.|

jenige von Capillaren.

Es sind jederseits drei vollständige Aortenbogen vorhanden,
den Ordnungszahlen nach die dritten, vierten und fünften,
hiervon treten die ersteren beiden in den betreffenden Schhmdbogen ]

ein und gelangen neben der Kehlkopfanlage vorbei zur Aorta descen- !!l,:

dens. Von dem Anfangsstücke des vierten Bogens geht ein Aest-
chen in die Rumpfwand (II. 41. V. 69). Der Gedanke, dass es der
Anfang einer Arteria subclavia sein möchte, lässt sich deshalb nicht %

festhalten, weil dies Gefäss nach Rathke\'s Beobachtungen aus dem ^

Endstücke des vierten Aortenbogens entsteht.

Nach Abzweigung des dritten und vierten Bogens geht eine
unpaare Fortsetzung des Aortenstammes rückwärts (II. 42. V. 69).
Sie ist die gemeinsame Wurzel der beiden fünften Bogen, letz-
tere wenden sich, nachdem sie sich von einander getrennt haben
(II. 43. V. 68), gegen die Trachea und den Oesophagus hin und
treten an diesen Theilen vorbei zur absteigenden Aorta. Ihre Lage
ist demnach eine viel tiefere, als die der übrigen Aortenbogen;
auch hat mir ihre Verfolgung in beiden Fällen Mühe gemacht, weil
die Verbindungsstücke ziemhch eng und von den Schnitten schräg
getroffen sind. Die Einmündung der beiden Bogen geschieht noch
in den getrennten Theil der absteigenden Aorten (II. 46. V. 66).
Indem jene Gefässe an der Trachea vorbeigehen, entsendet jedes
von ihnen einen Zweig, welcher herabtritt und als A. pulmonalis
zur Lungenanlage geht (Taf. VII. A. 1, B. 1 und V. 68-69).

Von dem Aortenstamm gehen Aeste auch in den zweiten und
in den ersten Schlundbogen. Diese, als die durchgängig gebliebenen
Anfangsstücke des zweiten und des ersten Aorten-
bogens verlaufen erst auf kurze Strecken mit gemeinsamem An-
fangsstück in der vor dem zweiten Schlundbogen befindhchen Sub-
stanzbrücke, dann biegt das eine Gefäss in die Tiefe des letzteren
ein; seine Fortsetzung geht am Boden der Mundhöhle nach auf-
wärts (IL 40—35) und zerfällt schhesslich in mehrere Endzweige.
Der für den Unterkiefer bestimmte Aortenast steigt in der Verlän-
gerung des gemeinsamen Anfangsstückes nach aufwärts, er verbleibt

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im Unterkiefer nahe an der Oberfläche und spaltet sich unterhalb
der Mundöffnung gleichfalls in mehrere divergirende Zvv-eige.

Von den oben beschriebenen Gefässen entspricht das in den
zweiten Schlundbogen eintretende nach seiner tiefen Lagerung dem
System der späteren A. lingua Iis, das in den Unterldefer eintre-
tende dem System der A. maxillaris externa; das gemeinsame
Anfangsstück ist als A. carotis externa zu bezeichnen. Eine
Deutung der kleinen Endzweige zu geben, halte ich noch nicht für
angemessen, dagegen ist darauf aufmerksam zu machen, dass das
Anfangsstück der Carotis externa neben der Schilddrüsenanlage liegt
(IL 41) und dass damit schon die Abgangsstelle der späteren A.
thyreoidea superior bestimmt ist.

Als Carotis interna ist jederseits der Stamm ,zu bezeichnen,
welcher vom dritten Aortenbogen ab hinter dem Pharjmx in die
Höhe steigt und dessen oberes Ende bis hinter die Augenblasen zu
verfolgen ist (VH. A. 1. IV. 30—11). Es sind die inneren Caro-
tiden, wie leicht ersiehthch ist, unter Umkehr der Stromrichtung
aus den Aortae descendentes der Bogengebiete eins bis drei hervor-
gegangenen; ihr Anfangsstück ist der im dritten Schlundbogen ver-
laufende Aortenzweig. Eine Carotis communis besteht kaum
in ihren ersten Anfängen.

Die weiteren Fortsetzungen der beiden absteigenden Aorten ver-
laufen getrennt nach abwärts bis ungefähr in die Höhe der Lungen-
anlagen (II. 42. V. 71), dann vereinigen sie sich zu einem gemein-
samen Stamm von querelliptischem und weiterhin von cylindrischem
Querschnitt. Ich habe weder bei A. noch bei ß. einen Weitenunter-
schied zwischen der rechten und der linken Aorta\' descendens wahr-
genommen, und es erscheint dies um so bemerkenswerther, als in
einem weit früheren Stadium (bei dem nachher zu beschreibenden
Embryo M) die linke Aorta sehr viel weiter gewesen ist, als die
rechte.

Die unpaare Aorta descendens folgt der Mittellinie des
Körpers und verläuft in geringem Abstände vor der Chorda dorsahs
mit sanft geschwungenem Bogen nach abwärts, weiterhin tritt sie
in den nach vorn umgeschlagenen Beckentheil des Rumpfes. Hier
erfolgt, nahe vor Beginn der Cloake die Theilung in die beiden
Arteriae umbilicales. Letztere verlassen den Raum zwischen

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Chorda nnd Darmrolir, sie steigen nnter anfängiiclier Ventralbie-
gung neben dem
WoLFF\'sclien G-ang und dem Darmrohr vorbei in
die Höhe (HI. 10 — 13), erreichen jederseits vom Allantoisstiel die
vordere Bauchwand und gehen aus dieser in den Bauchstiel über.
Mit letzterem wenden sie sich unter starker Biegung nach links
herüber zur Insertion in das Chorion (III. 19 —17).

Aus der absteigenden Aorta entspringen ausser einer Eeihe von
kleineren, für die WoLFF\'schen Körper bestimmten Zweigen auch
einige in das Magen- und Darmgekröse eintretende Gefässe, die
als A. coeliaca und als A. mesenterica superior zu deuten
sind (HI 28 und 26 — 24. V. 79 und 86 — 87); die Mesent. sup.
theilt sich gabiig und verlässt den Körper mit dem Darmstiele (III.
23 — 22).

Unmittelbar vor der vorderen Gehirnkante verlaufen bei Em-
bryo A. (IV. 41—21) zweiLängsgefässe, welche stellenweise bis zur
Berührung aneinander rücken und von welchen auch bogenförmig
das Gehirn umfassende Seitenäste abgehen. Dieselben sind bis in
die Höhe der Brückenkrümmung verfolgbar, allwo sie den inneren
Carotiden sehr nahe gerückt sind. Ich habe den Ursprung dieser
Gefässe nicht constatiren können. Ihrer Lage nach könnten sie die
Aa. vertebrales sein. Ausserdem wäre nur daran zu denken, dass
sie ein System von Längsvenen darstellen, welches in der Weise
später nicht mehr vorhanden ist.\')

Meine Ergebnisse in Betreff des Aortenbogensystems der Em-
bryonen A. und B. sehliessen sich völlig den Angaben an, welche
schon vor 37 Jahren R
athke über dasjenige junger Säugethier-
embryonen veröffentlicht hat 2); und nur in einem Punkte bin ich
um ein kleines über
Rathke hinausgelangt, in der Auffindung des
tiefen, aus dem zweiten Aortenbogen hervorgehenden Astes der Ca-
rotis externa. Der jüngste von
Rathke abgebildete Embryo (Schaf)
war in der Entwickelung etwas weiter fortgeschritten als die Em-
bryonen A. und B., bei ihm ist der zweite Schlundbogen bereits frei

1) Die betreffenden Gefässe sind auf der Tafel IV. ihres zweifelhaften
Charakters wegen uncolorirt gelassen.

2) Eathkb, Ueber die Entwickelung der Arterien, welche bei den Säuge-
thieren von dem Bogen der Aorta ausgehen.
Müllee\'s Archiv 1843. S. 276.

His, MenscH. Embryonen. 6

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gwesen, das hintere Verbindungsstück aber des dritten und vierten
Bogens obhterirt.

In seiner Entwickehingsgeschichte theilt Kölliker vier sehr
anschauhche Schemata zur Darstellung der Arterienentwickelung
mit.i) Die letzte der vier Figuren ist die Copie einer von
Eathke
mitgetheilten schematischen Abbildung 2) und indem sie die Ver-
hältnisse im fertigen Zustande, mit Rücksicht auf die genetische
Ableitung darstellt, giebt sie ihren Gegenstand vöUig correct Avieder.
Dagegen gewähren die Anfangsfiguren jener Reihe keine genaue
Vorstellung von den thatsächhchen Verhältnissen. Dieselben setzen
ein für allemal den gemeinsamen Aortenstamm unter die sämmt-
lichen Bogen und sie lassen denselben in zwei Schenkel zerfallen,
ans denen 5 parallele Bogen je in gleichen Abständen entspringen.
Nun sind aber Richtung und Insertionsstelle des Aortentruncus wech-
selnd. Wenn nur ein oder zwei Bogen da sind, liegt jener unter
dem Unterkieferfortsatze (Taf. VI. Fig. I. C.); haben sich mehrere
Bogen ausgebildet, so tritt er von vorn her an die Bogenwurzeln
heran und diese treten divergirend auseinander (Taf. VII. M4). Auf
der Entwickelungsstufe der Embryonen A. und B. inserirt sich der
Aortentruncus vor dem dritten Bogen, und wie die Figuren Ai, Bi
und B;! der Taf. VII. zeigen, ist die Divergenz seiner Zweige eine
sehr bedeutende. Erst mit zunehmender Streckung des Halses und
gleichzeitige Rückwärtsschiebung des Herzens gestaltet sich das Ver-
hältniss so, dass der Anfangsstamm tiefer als alle aus ihnen ent-
springenden Zweige zu liegen kommt.

In der mehrmaligen Richtungsänderung, welche der Aorten-
truncus erfährt, liegt unzweifelhaft ein Hauptmotiv für die verschie-
denen Umwandlungen der Aortenbogen. Anfangs hegt derselbe so,
dass er den Strom direct nach dem ersten und zweiten Bogen hin-
führt. Durch die Vorwärtsneigung des Kopfes kehrt sich die gegen-
seitige Stellung der Theile, wie schon oben gezeigt wurde, völhg
um, der erste und zweite Bogen werden zu rückläufigen Zweigen
des Hauptstammes und bleiben in ihrer Entwickelung zurück, wäh-
rend nunmehr der dritte und weiterhin der vierte Bogen den directen

1) Köllikee, Entwickelungsgescb. 2. Aufl. S. 916. Fig. 560.

2) Rathke , üeber die Aortenwurzeln der Saurier. Denkscbr. d. Wiener
Akad. Bd. XIII.
1857. Taf. VI. Fig. 10.

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Anprall des Blutstronies erhalten, und dem entsprechend sich er-
weitern. Für den fünften Bogen sind die Verhältnisse vorerst un-
günstiger, insofern als er unter einem heinahe rechten Winkel vom
Hauptstamm, abgeht, allein auch für ihn treten in späteren Ent-
wickelungsperioden günstigere Zuflusshedingungen ein.

Venensystem.

Schon hei Beschreibung des Herzens wurde der drei in den
rechten Vorhof einmündenden Gefässe gedacht, der beiden
Cuvier-
schen Gänge und der unteren Hohlvene. Erstere sammeln
das Blut der Jugular-
und der Cardinalvenen, die untere bringt das-
jenige der Lebervenen, der beiden Nabelvenen und mittelbar das-
jenige der Vena omphalomesenterica oder Vena portae (Taf. VII. A. 1).

Die Cardinalvenen laufen in bekannter Weise parallel der
Aorta, seitlich von dieser und hinter den Turnieren in der Höhe,
wobei ihr Caliber von unten nach oben allmählich zunimmt. Heber
dem ^oberen Ende der Hrniere angelangt, trifft jede derselben auf
die vom Hals herabsteigende Jugularvene, welche das Blut der
Cerebralvenen und ausserdem einiger Intersegmentalvenen dem Herz
zuleitet. Die Cardinalvene liegt an der Stelle des Zusammentreffens
mehr medial-, die Jugularvene mehr lateralwärts (II. 43 u. 44, V. 66
u. 67), beide Gefässe vereinigen sich zum Ductus Cuvieri oder zur
oberen Hohlvene. Rechts ist dieser Stamm erheblich stärker
als links , derselbe tritt der Innenfläche der Brustwand entlang zum
Herzen herab, dabei ist er mit einer dicken selbstständigen Wand
umgeben und springt beiderseits gegen die Leibeshöhle vor. Mit
der Rumpfwand ist er durch eine Art von Gekröse verbunden (II.
43—39. V. 65—72), an welchem überdies eine nach hinten gekehrte
kleinere und gefässlose Längsleiste festhaftet.

Die Jugularvene entspringt aus einer Anzahl neben dem
Vorder- und dem Mittelhirn liegenden Wurzeln (IV. 6 —12). Ihr
Stamm liegt zuerst medialwärts vom Trigeminusganglion (IV. 13—22),
dann wendet er sich unterhalb des letzteren lateralwärts, und tritt
an die Aussenseite des Acusticusganghon und der Gehörblase (IV.
23—30). In der Höhe des Glossopharyngeusgangiion ändert er seine
Richtung, gelangt weiter nach vorn und neuerdings mehr medial-

6*

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wärts. Der Halstheil der Jugularis tritt in einem seitlich und vor
der Aorta descendens gelegenen Bogen bis zu der Stelle hin, wo er
der Cardinalvene begegnet.

Die Nab elvenen treten als zwei Stämme von sehr ungleicher
Mächtigkeit aus dem Bauchstiel in die Bauchwand ein (III. 17—18)
und verlaufen, indem sie, ähnlich den CuviEß\'schen Grängen, wenn
auch in schwächerem Maasse gegen die Rumpfhöhle vorspringen,
jederseits gestreckt in die Höhe (III. 19—26). Oberhalb der Aus-
trittsstelle des Darmstieles aus dem Körper nähert sich anfangs
die stärkere linke, bald darauf auch die schwächere rechte Nabel-
vene der Mittellinie, und es tritt nun zunächst jene unter der Leber
hindurch nach deren Rückfläche hin (IIL 27 — 28). Etwas höher
oben erreicht auch der rechtseitige, bei B. doppelt vorhandene Stamm
die Leber, er durchsetzt dieselbe (III. 29—31), gelangt dann gleich-
falls zur Rückfläche und verbindet sich nunmehr mit der linken
Umbilicalis. Zuvor nimmt er die um das Duodenum getretene Vena
portae auf (IIL 31—32).

Der Hauptstamm der V. umbilicalis steigt nunmehr, dicht vor
dem Magen in die Höhe (IH. 33. II. 34—36), überschreitet weiter-
hin die Mittellinie, indem er sich nach rechts wendet (II. 37—38)
und geht schliesslich über der Leber weg nach vorn; sein Endstück
tritt unter Durchbohrung des primären Zwerchfells als Vena cava
inferior in den Herzvorhof ein (II. 39).

Ausser den zwei Nabelvenen zeigt die Leber in ihren verschie-
denen Durchschnitten zahlreiche anderweitige G-efässlumina, deren
Zahl und Weite in verschiedener Höhe varürt. Es sind dies die
eigenthchen Lebergefässe, theils zuführende, theils ausführende oder
L e b e r V e n e n.

Mit dem Darmstiel tritt ein Oefäss in den Körper ein, das
nach seiner Herkunft als Vena omphalomesenteria, nach sei-
nem späteren Schicksale als Vena mesent. sup. und V. porta-
rum zu bezeichnen ist. Laut den Durchschnitten zeigt dies G-efäss
einen höchst characteristischen Verlauf. Es erscheint zuerst (
ITT, 24)
auf der rechten Seite des Darmganges und in einer gewissen Un-
abhängigkeit von diesem, dann kxeuzen sich beide. Die Vene liegt
der Mittellinie näher und tritt von der linken Seite her in die
eigentliche Darmwand ein (III. 25, 26, 27); in einem gestreckten

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Bogen umkreist sie nunmehr das epithehale Darmrohr (III. 28, 29,
30 und V. 87—85), erreicht, hinter diesem durchtretend, die rechte
Leherhälfte, in welche sie eintritt, um hier mit der rechten Nahel-
vene sich zu verbinden (in. 31 und 32. V. 84). Das Darmstück
aber, hinter welchem die Vene in der angegebenen Weise sich
durchzieht, ist das Duodenum und zwar dessen am meisten zurück-
gebogenes Stück, aus dem in der Folge auch das Pankreas sich
entwickelt. Es sind somit schon jetzt jene topographischen Bezie-
hungen zu Duodenum
und Pankreasanlage innegehalten, welche für
die Vena mesenterica sup. als die bleibenden sich erweisen, die
Stellung vor dem unteren und hinter dem oberen Theile des Duo-
denums und Pankreas.

An die obige empirische Beschreibung der vorhandenen grös-
seren Venenstämme sind noch einige allgemeiner morphologische Be-
merkungen anzuknüpfen. Bekanntlich entwickeln sich die grossen
Arterienstämme zunächst im vegetativen Theile der Körperanlage,
<iie ersten Venenstämme in der animalen Leibeswand. Für die Ar-
terien kommt es zur Bildimg eines einzigen Systems von Längs-
gefässen, der absteigenden Aorten, wogegen die Rumpfvenen schon
in früher Zeit jederseits in zwei Längsreihen auftreten, zu denen
wir als dritte, bereits ausserhalb des Körpers liegende Parallelreihe
die auf- und absteigenden Stämme des Dotterkreislaufes hinzuzählen
können. Das innere, dem Stamm angehörige System von Längs-
venen bilden die Cardinalvenen und die Jugularvenen. Die Stämme
dieses Venensystemes sind gleich den primitiven Aorten, aber ober-
flächlicher als diese liegend, zuerst zwischen Stamm- und Parietal-
zone, d. h. zwischen den Urwirbeln und den Seitenplatten aufge-
treten, dann aber sind sie nach Einwärtsrückung der Aorten zugleich
mit dem Urnierengang in die Tiefe getreten.

Das zweite System der Läng Svenen liegt in der seitlichen
Rumpfwand und kann im Gegensatz zum vorigen als parietales
bezeichnet werden. Die Stämme dieses parietalen Systems sind in
der unteren Körperhälfte die beiden Umbilicalvenen, in der oberen
die CuviER\'schen Gänge. Umbihcalvenen und CuviEE\'sche Gänge
zeigen in Hinsicht ihrer Lagerung und ihrer Beziehung zur Rumpf-
wand sehr übereinstimmende Verhältnisse. Auch darin besteht Ueber-
einstimmung, dass beim oberen und beim unteren Parietalvenen-

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system die Stämme im Anfange der Wand enger verbunden sind,
dann mit der Annäherung an das Herz von dieser sich entfernen
und unter Mitnahme des Gekröses der Mittelhnie zustreben. Die
unteren Parietalvenen kommen vor Erreichung des Herzens zur Ver-
einigung und vor ihnen bildet sich die Anlage der Leber; die
oberen treten getrennt in das Herz ein. Die Stämme des Parietal-
venensystems sind die einzigen welche überhaupt zum Herzen ge-
langen. Die Stammvenen müssen durch einen queren Verbindungs-
ast erst in das Parietalsystem übergeleitet werden und ebenso mündet
die dem -dritten Parallelsystem entstammende Vena omphalomesen-
terica in das Parietalsystem ein.

Von einem Lymphsystem habe ich weder bei A. noch bei
B. Andeutungen wahrgenommen.

Regionen des Körpers und Situs Yiscerum.

Es ist bereits bei Beschreibung der äusseren Eorm die Eegionen-
eintheilung des embryonalen Körpers zur Sprache gekommen. So-
bald die Urwirbelghederung nachweisbar ist, hat jene Eintheilung
für den hinteren oder Stammtheil des Körpers keine Schwierigkeiten,
sie verlangt ein einfaches Abzählen der Segmente. Um so schwie-
riger gestaltet sich dagegen die Aufgabe im seitlichen und im vor-
deren Körperbereich zu sagen, was z. B. dem Halse, was der Brust
zuzutheilen sei; die Gränze sind hier noch unvollkommen gezogen
und jedenfalls lässt sich nur unter sorgfältiger Abwägung der inneren
Organstellungen der Versuch machen, zu scheiden was dem späteren
Hals, was der Brust, oder was dem Bauch und was dem Becken zu-
gehört.

Kopf, Hals und Rumpf.

Die Gränze des embryonalen Kopfes fällt bei den Embryonen
A. und B. etwas vor den Nackenhöcker und sie schneidet in gerader
Linie hinter dem vierten Schlundbogen durch, sie trifft somit auf
den einspringenden Winkel zwischen dem vornübergeneigten und dem
aufrechten Theile des Körpers. Das Herz, welches bei jüngeren
Embryonen ein Theil des Kopfes gewesen war, ist dies zur Zeit nicht

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mehr, es ist bereits völhg dem Rumpfe zugetheilt. Beim Erwach-
senen lässt sich bekanntlich der Kopf nicht mehr durch eine ebene,
sondern nur durch eine im Winkel gebrochene Fläche abgränzen.
Versucht man etwa an einem der
BEAUNE\'schen Durchschnittsbilder
eine Gränze zu ziehen, so wird man in der Verlängerung des un-
teren Kinnrandes nach rückwärts bis zur Wirbelsäule durchschneiden
und von hier aus nach aufwärts bis zur Schädelbasis. Also durch-
geführt entspricht die Kopfgränze beinahe genau derjenigen des em-
bryonalen Kopfes. Es wird dem Kopf das gesammte Unterzungen-
gebiet mit Einschluss des Zungenbeines und des Kehldeckels zuge-
theilt, soAvie der Pharjmx mit einziger Ausnahme seines untersten
retrolaryngealen Endstückes. Es wurde oben wahrscheinlich gemacht,
dass da- Schildknorpel des Kehlkopfes dem vierten Schlundbogen
entstammt, und so ist im Grunde nur dieser Theil mit seiner näch-
sten Umgebung aus dem früheren Kopfgebiet herausgei-ückt. Die
gegenseitige Lagerung der im Gränzgebiet liegenden Theile verschiebt
sich für einige in sehr geringem, für andere dagegen in recht be-
deutendem Maasse. So liegt der beim Erwachsenen in die Höhe
des oberen Schildknorpelrandes fallende Theilungswinkel von Carotis
interna und externa schon jetzt an der entsprechenden Stelle über
den vierten Schlundbogen, wogegen eine Carotis communis noch so
gut wie gar nicht vorhanden ist. Die Schilddrüse liegt noch ober-
halb des Kehlkopfes im Bereiche der Zungenwurzel; der Pharynx,
dessen allgemeine Grundform der späteren entspricht, zieht sich vor
dem Gebiete der Brücke und Medulla oblongata herab, das er später
nur noch mit seinem obersten Ende erreicht.

An den embryonalen Kopf schliesst sich vom sofort der embryo-
nale Rumpf an, von einem Hals im eigentlichen Sinne des Wortes
kann erst gesprochen werden, nachdem der Kopf sich wieder auf-
gerichtet hat. Bei dieser Wiederaufrichtung erfähi-t die Vorderwand
des Rumpfes eine entsprechende Dehnung, die umschlossenen Gebilde
aber werden zum Theil auch ihrerseits gedehnt, zum Theil gegen
einander verschoben. Gedehnt wird z.B. die Carotis communis, ver-
schoben vor Allem das Herz und die Aortenbogen. Mit ziemlicher
Annäherung lässt sich bei den Embryonen A. und B. das, was dem
späteren Halsgebiete zugehört umgränzen, und man hat dabei von
der Thatsache auszugehen, dass der Hals keine Binnenhöhlen um-

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schliesst. Zieht man nämhch (Taf. VH. Fig. A. 1) eine Linie vom
unteren Eande des achten Halssegmentes zur Spitze des vierten bez.
des dritten Schlundbogens, so umschhesst diese im Verein mit der
früher gezogenen unteren Kopfgränze ein keilförmiges Feld, in wel-
;. ches die Eumpfhöhle nicht heraufreicht und in dem die Kehlkopf-

i" anlage nebst dem oberen Theile der Trachea und des Oesophagus,

V,, so^vie die Vena jugularis hegen. Noch reichen der vierte und fünfte

f"- Aortenbogen in dasselbe hinauf, die später ihren Eückzug nach der

Brust anzutreten haben, wogegen Lungenanlagen und Herz bereits
in der letzteren hegen. Eine vordere Halswand giebt es noch nicht,
da die beiden Gränzflächen des Halskeiles auf der Gränze vom Kopf-
nnd vom Brustrand sich begegnen.

^^"ach Abzug des oben umgränzten Halskeiles bleibt der Eumpf
i,,. im engeren Sinne des Wortes übrig, welcher seiner Länge nach von

einem Höhlensystem durchzogen ist. Als Eumpfhöhle in engerem
Sinne des Wortes (Pleuroperitonealhöhle der Autoren) kann der Eaum
ÜÄ bezeichnet werden, in dessen Eückwand die IJrnieren liegen und der

die Anlage der Lungen, der unteren Oesophagushälfte, des Magens,
JJ des Darmes und der Leber enthält; den Eaum in welchem das Herz

liegt bezeichne ich als Parle talhöhle.

Die Parietalhöhle ist am besten als eine in der vorderen
Brustwand gelegene Tasche zu definiren. Ihren vorderen Abschluss
tiildet die Aussenwand der Brust (
Eathke\'s M. reuniens inferior);
ihre Eückwand das primäre Zwerchfell oder Septum transversum.
Letzteres lliesst nach abwärts mit der vorderen Wand zusammen
"\' (Taf. Vn. A. 1 bis B. 1), mit seinen lateralen Eändern inserirt es sich

der Seitenwand der Brust, nach aufwärts verbindet es sich mit den
Jji\';: Wandungen und mit dem Gekröse der in das Herz eintretenden

jj, I Venenstämme. Es entspricht das Septum transversum dessen Eück-

Ull I fläche, wie früher gezeigt wurde, mit der Leber verbunden ist, nicht

dem vollen Diaphragma, sondern nur seiner vorderen Hälfte: auch
ist der Abschluss der Parietalhöhle zur Zeit noch unvollkommen.
t* Das obere Ende der Parietalhöhle hängt nach rückwärts mit dem

der Eumpfhöhle zusammen, und die betreffenden Schnitte (II. 40—42,
y V. 70—68) zeigen den Herzvorhof, die;^Lungen- und die Oesophagus-

{■ anlage, sowie das obere Ende der Umierenleiste von einem System

j.; nnter sich communicirender Spalten umgeben.

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Regionen des Körpers nnd Situs Viscerum. 89

Die Rumpfhöhle bildet zwar ein von oben bis abwärts zu-
sammenhängendes Eaumsystem, allein die Verbindung der oberen
oder Brust-, und der unteren oder Bauchabtheilung wird erhebhch
eingeengt durch die Leber, welche vom Septum transversum aus
nach rückwärts gegen die Rumpf höhle sich vordrängt, und nur eine
schmale von unten nach oben hinführende Verbindungsspalte frei
lässt. Nach aufwärts reicht die Leber bis in die Nähe der Lungen-
anlage, nach rückwärts deckt sie den Magen und das Duodenum
(Taf. VIT. A. 2 u. B. 2), Beziehungen, die bei allen späteren Ver-
schiebungen der Theile doch festgehalten werden.

Sollte man zur Zeit eine äussere Grränzlinie zwischen Bauch-
und Brustgebiet ziehen, so würde man diese, einer zwischen Herz und
Leber gelegenen, durch das Septum transversum bedingten Einziehung
entlang, und dann über der Leberwölbung und unter den Extremi-
täten weg nach dem Stammgebilde hin zu verzeichnen haben. Eine
solche Linie fällt sehr nel höher als die spätere Insertionslinie des
Diaphragma und es wird in der Eolge zu untersuchen sein, in wel-
cher Weise das primäre Diaphragma sich ergänzt und wie es seine
Ränder verschiebt.

Als Beckentheil des Rumpfes ist der nach vorn in die Höhe
geschlagene Körperabschnitt zu bezeichnen; eine vorläufige Ab-
zweigung dieses Gebietes lässt sich durch eine Linie gewinnen,
welche man vom imteren Rande des fünften Lendensegmentes in
den einspringenden Winkel untej der Abgangsstelle des Bauchstieles
hinleitet. Es enthält dies Stück den Bnddarm mit der Cloake und
dem Beginn des Allantoisganges, die Enden der Urnieren und der
WoLFF\'schen Gänge nebst dem vor letzteren abgehenden Blindsacke,
und das untere Ende der unpaaren Aorta nebst dem Ursprungs-
gebiete der Aa. umbilicales. In seinen Bereich fällt auch die nach
aufwärts gerichtete Cloakenöffnnng. Nur in geringer Ausdehnung
erstreckt sich von oben her die Rumpfhöhle in den Beckentheil
herein. Die Wand des Cloakensackes ist mit der animalen Leibes-
wand verbunden.

Besitzt der menschliche Embryo einen Schwanz^

Es wird von guten Beobachtern angegeben dass dem mensch-
lichen Embryo in früheren Entwickelungsstufen ein als Schwanz

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I\'C:;;.,..
„.■■iü

¥

ii- 90 Embryonen A. und B.

oder als soliwanzförmig zu bezeichnender Körperanhang zukomme,
der später verkümmere und zurückgebildet werde. In einer an inter-
^ essanten Beobachtungen reichen Arbeit\') ist vor Kurzem A.
Ecker

];• auf das bestimmteste für diesen schwanzförmigen Anhang und für

die Annahme seiner Rückbildung eingetreten. Ecker versteht dar-
unter einen nach vorn und aufwärts gekrümmten, völlig freien und
etwas conisch zugespitzten Körpertheil, der bei Embryonen von 9
bis 12 mm Länge eine Länge von^l—i^imm besitzt."-) Als Rück-
bildungsrest ist der bei zwei- bis dreimonathchen Embrj^onen leicht
nachweisbare Steisshöcker anzusehen. Den Ausdruck „schwanzför-
miger Anhang" gebraucht
Ecker, um den tendenziösen Eolgerungen
vorzubeugen, die sich an die Behauptung knüpfen möchten, als hätte
der Mensch zu einer Zeit seines Lebens einen ächten Schwanz. Ob
und welche tendenziösen Polgerungen an die Entscheidung der Erage
sich knüpfen lassen, das scheint mir vorerst weniger bedeutsam, als
die möglichst klare Verständigung in Betreff des Sachverhaltes, und
dazu gehört nun vor Allem die Verständigung über dasjenige, was
! man Schwanz nennen soll. Wie alle Eegionenscheidungen so ist

t auch diese nur auf conventionellem Wege scharf zu präcisiren und

es ist vielleicht kaum möglich eine nach allen Richtungen befriedi-
\' gende OränzbeStimmung aufzustellen. Dem üblichen Wortgebrauch

entspricht es, wenn man unter Schwanz einen gegliederten, von der
I Fortsetzung der Wirbelsäule durchzogenen und nur aus Bestand-

theilen der animalen Leibeswand bestehenden Körperanhang ver-
steht, der den After überragt. Im Allgemeinen wird also der After
unmittelbar unter der Schwanzwurzel liegen und in den Ausnahme-
fällen, wo dies nicht der Fall ist, werden wir den Schwanz erst da
anfangen lassen, wo die Rumpfhöhle und die

in ihr enthaltenen vege-
tativen Organe ihr Ende erreichen. Solche axiale Körperanhänge,
welche der Wirbelsäule entbehren, wird man passender Weise mit

t) Al. Ecker, üeber gewisse Ueberbleibsel embryonaler Formen in der
Steissbeingegend beim ungeborenen, neugeborenen und erwachsenen Menschen
und der „Steisshaarwirbel, die Steissbeinglaze und das Steissbeingrübchen als
wahrscheinliche Ueberbleibsel" u. s. w. Archiv f. Anthropologie. Bd. XI. S. 281
und Bd. XII. S. 129.

2) 1. c. S. 143; S. 141 wird die Länge bei einem 9 mm langen Embryo
sogar auf 2V2mm angegeben.

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besonderer Bezeichnung als Hautschwanz, als Schwanzfaden oder
dergl. unterscheiden.

Einigt man sich über die eben gegebenen Definition, so wird
man bei einem Embryo einen frei nach vorn sich erhebenden Körper-
fortsatz nur insoweit als Schwanz ansprechen, als er den After oder
die Cloakenöfftiung überragt. Hinsichtlich der Rückbildung aber
wird man sich darüber zu vergewissern haben, ob zu einer Zeit des
embryonalen Lebens die Wirbel- bez. die Urwirbelsäule mehr Ghe- }"

der besitzt, als dem bleibenden Zustande entspricht. ■!

Unter den von mir in dieser Schrift henützten Embryonen sind J»

A, B und a für die Frage des embryonalen Schwanzes zu benützen. [!

Bei Embryo B besitze ich zwar keine von der hnken Seite her auf- Ii

genommene, das freie Körperende zeigende Zeichnung, wohl aber die i

entscheidenden Durchschnitte. Für die Beurtheilung aber des nach
vorn umgeschlagenen und theilweise frei auslaufenden Stückes sind j:

vor Allem zwei Punkte von Bedeutung: 1. die Feststellung der seg- \'I

mentalen Gliederung und 2. diejenige des inneren Baues und des p\'

Ortes der Afteröflfnung.

Es wurde oben gezeigt, dass bei Embryo A. die Zahl der sehr [■:

deutlich heiwortretenden Segmente, von der unteren Kopfgränze ab j\'i

bis zur Steissspitze 35 beträgt. Beim Embryo A. sind, wie dies unten f\'

noch im Einzelnen angegeben werden soll, einige unsicher segmen-
tirte Strecken, deren Segmentzahl bei der Kürze der Strecke leicht gl

zu interpoliren ist, und unter Ausführung dieser Literpolation komme |ijt

ich auch da auf 35 Segmente. Es entspricht dies 34 Wirbeln. An |

den sehr günstig geführten Medianschnitten zweier Embryonen von
16 und von 21.5 mm Körperlänge, deren Zeichnung ich bei einem
späteren Anlasse mitzutheilen gedenke, finde ich in der That
34 knorpfige Wirbel und zu demselben Zählungsergebniss ist auch
Rosenbeeg in seiner, der Entwicklung der menschlichen Wirbel-
säule gewidmeten Arbeit gekommen. \') In einigen Fällen fand er
noch einen sehr rudimentären
35. Wirbel. Rosenberg schliesst j-\'i

hieraus, dass die von zahlreichen Autoren statuirte Rückbildung eines
wirbelreichen Schwanzabschnittes des Körpers beim Menschen nicht

1) Rosenbeeg, Ueber die Entwickelung der Wirbelsäule und des Cen-
trale \'Carpi beim Menschen. Morphol. Jahrb. Bei. I, S. 120.

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vorkomme. Nach meiner eigenen Erfahrung habe ich diesen Satz
nicht nur zu bestätigen, sondern ich habe ihn noch dahin zu er-
weitem, dass schon vor Beginn der Wirbelverknorpelung der Stamm-
theil des Körpers nicht mehr Segmente enthält, als der späteren
Wirbelgliederung entsprechen. Es werden demnach beim
menschlichen Embryo keine überzähligen, zur Rück-
bildung bestimmten Segmente angelegt. Dass das Steiss-
bein im ausgebildeten Zustand weit häufiger aus 4 als aus 5 Stücken
besteht, ist jedenfalls nicht im Sinne einer Rückbildung, vielmehr
im Sinne einer Verwachsung der rudimentären unteren Wirbel zu
verstehen.

Aus den Durchschnitten von A. und B. ergiebt sich, dass von
dem nach vorn hinauf geschlagenen Beckenstücke des Körpers nur
das oberste Ende in der Ausdehnung von 11/2—2 Segmenten völlig
frei ist. Was darunter liegt, ist zwar ventralwärts durch eine Furche
abgegränzt, im Uebrigen aber mit der Bauchwand, oder zu oberst
mit dem Bauchstiele unmittelbar verbunden (Taf. ELL 15—17, V.
103—105). Bei B. finden sich oberhalb des ventralwärts verwach-
senen Beckenabschnittes nur noch zwei Schnitte mit ringsherum
freiem Steiss (III 18). i) Diese enthalten Rückenmark, Chorda dor-
salis und Urwirbel, aber keine Fortsetzung des Darmrohres. Bei den
beiden Embryonen A. und B. erreicht die Cloake die Oberfläche des
Körpers in dem einspringenden Winkel zwischen dem Bauchstiele
und dem frei werdenden Steissende und hier haben wir den Ort
ihrer Oeffnung zu suchen (Taf. IH. 15—17, V. 103—105, Taf. I. 3
u, 4). Die Embryonen A. und B. haben sonach eine ächte Schwanz-
anlage, die aber ausserordentlich kurz ist und jedenfalls nicht über
zwei Segmentlängen umfasst.

Bei Embryo a liegen dem äusseren Anscheine nach die Dinge
nicht unwesentlich anders. Hier ist von dem nach vorn umgeschla-
genen Körperabschnitte eine Strecke von über 1/2 mm (Schnitte

10_14 und 15, Taf. VIII) frei. Diese Strecke ist ihrer ganzen

>11 -

Länge nach vom Rückenmark und von der Chorda dorsalis durch-
zogen, überdies aber enthält sie den grösseren Theil der Cloake:
die endständige Oeffnung der letzteren fällt, soweit sich überhaupt

1) Das zu 19 gehörige Stück ist in der Zeichnung ausgelassen worden.

-ocr page 101-

Frage des embryonalen Schwanzes. 93

beurtheilen lässt, auch hier kurz unterhalb des Steissendes des Kör-
pers (Taf. VIII. a 3). In den Bereich der freien Körperstrecke fallen
ungefähr 8 Segmente, oder es ist mit anderen Worten nicht nur die .

gesammte Steiss-, sondern noch der grössere Theil der Sakralregion
des Körpers ventralwärts frei. Im Sinne
Bcker\'s würde nun bei . ^

diesem Embryo das ganze frei hervortretende Stück als Schwanz, "

oder als schwanzartiger Anhang zu bezeichnen sein. Allein wenn
man das festhalten will, so kommt man zu einer Ausdehnung des
Begriffes, welche, wo nicht zu Widersprüchen, so doch jedenfalls zu
bedeutenden Verwickelungen führt. Nach der oben aufgestellten
Definition aber ist auch bei diesem Embryo als Schwanz nur die
kurze Strecke zu bezeichnen, welche das Cloakenende überragt. Der r;;;

Unterschied zwischen den Verhältnissen von a. und denen von A. «i;

und von B. ist übrigens nur in unwesenthchen Punkten vorhanden. Ii!

Denkt man sich an dem Bauchstiele von a. einen mässigen Zug
wirkend, so wird sich die Hautinsertion desselben nothwendiger Weise fllj

in der Eichtung gegen das Steissende hin verschieben. !\'\';

Bei den zwei Embryonen mit bereits verknorpelter Wirbelsäule, «!|t

deren ich oben gedachte, befindet sich die Afteröffnung in der Höhe -i

des vorletzten Steisswirbels, und es führen diese verschiedenen Er- ,

fahrungen in übereinstimmender Weise zum Schluss, dass der mensch- f

liehe Embryo allerdings einen ächten Schwanz stummel be- S

sitzt; derselbe ist aber sehr kurz und umfasst höchstens zwei Wirbel- \'6

längen, auch ist er nicht zur Eückbildung bestimmt, sondern er geht lii,

unreducirt in den bekannten Steisshöcker über. Bei der Kürze des- jJ

selben wird wohl auch der Ausdruck „Steisshöcker" vollständig |

genügen, um denselben zu bezeichnen. L!

Der kurze, höchstens V^ mm lange Schwanz, den ich an ij

menschlichen Embryonen finde, bleibt weit hinter dem zurück, was J"

Ecicer dem genannten Körperanhang zutheilt und es bleibt zu unter- i^!

suchen übrig, worin die Differenz mit diesem umsichtigen Forscher
begründet sein kann.
Ecker hat eine Abbildung von Coste zu
seinen Gunsten und ausserdem mehrere Präparate, an denen der |

vordere Körperanhang eine in der That bedeutende, die Afteröffnung
erhebhch überragende Länge besitzt.
Coste zeichnet auf seiner i!

Tafel in. a einen menschhchen Embryo von 25—28 Tagen, der in t

der Entwickelung den Embryonen A. und B. nahe steht, vielleicht

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um weniges jünger ist. Dieser Embryo wird gestreckt dargestellt,
Y. der Kopf und das Becken sind aufgeklappt und an der Wurzel des

letzteren sieht man einen als Cloakenölfnung bezeichneten Schlitz.
Letzterer wird nach abwärts von 6—7 scharf markirten Segmenten
f überragt und er liegt etwas höher als das untere Ende der beiden

r Extremitäten. Nehmen wir an, der Embryo habe im Ganzen 35 Seg-

mente, so fällt die Oeffnung in die Höhe des 28.-29. Körper-
segments, oder in diejenige des 3.—4. Sacralsegmentes. Das ist eine
I,;;; so abnorm hohe Lage, dass sie unmöglich für richtig angenommen

Vj,:: werden kann. Wenn man die Figuren 3 und 4 meiner Tafel I. ver-

gleicht, so wird klar, dass die Geradestreckung des hinteren Körper-
■^js:. endes nur mit bedeutender Verzerrung der diesem Theil zugehörigen

Vorderwand erreichbar ist. Die Oeffnung in Coste\'s Abbildung ist
^-r«! entweder völhg aus ihrer Lage gezerrt, oder sie ist überhaupt nicht

^iii^ir die ächte Cloakenöffnung, sondern ein künstlicher Einriss.

Auch Eckbr\'s freie Körperenden trifft vielleicht theilweise der
V\' Vorwurf künstlicher Verlängerung; er sagt nämlich dass „der nach

vorn und aufwärts gekrümmte Anhang mit der Vorderfläche seiner
n-ii Basis an der Hnterbauchgegend gemeiniglich fest anliegt und nur

bei frischen, noch weichen Embryonen davon abgehoben und einiger-
yi; maassen gestreckt werden kann." Ich weise auf meine Figuren III.

.. 16 u. 17 hin; hier würde durch Streckung im weichen Zustande sicher-

V»! hch das Beckenstück vom Rumpfstücke sich haben abheben lassen,

•^j; , und auch die Lage des Afters würde dadurch voraussichtlich eine

Sit , andere geworden sein.

Eckeb\'s Zeichnungen zeigen nun aber ein Gebilde das der be-
sonderen Besprechung bedarf und auf das auch die Bezeichnung zu
3t: passen scheint, dass es ein zur Rückbildung bestimmter schwanz-

ii;|| artiger Anhang sei. Während alle die Embryonen unter 16 mm

die mir bis jetzt durch die Hände gegangen sind, ein stumpf aus-

jh..........laufendes Steissende des Körpers gezeigt haben, ist Ecker meder-

if holt einem sehr fein und spitz auslaufenden Körperanhang begegnet.-)

1) Copirfc in Köllikbe\'s Entwickelungsgeschichte. 2. Aufl. S. 314 und in
Eckbr\'s zweitem Aufsatze S. 143.

2) Man vergl. auch eine hiera.uf bezügliche Beobachtung bei Rosenberg
l. c. 125. Taf. III. Fig. 3 u. Fig. 15.

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In seiner Beobaclitung 28 (S. 141) giebt Ecker ausdrücklich an,
dass dieses Endstück ausser der Chorda dorsahs und dem Hornblatt
keine Organanlagen erkennen liess. Wir haben es also da mit einem
Fortsatze zu thun, welcher das Gebiet des Rückenmarks und der
Urwirbel überragt und der später in der That nicht mehr nachweis-
bar ist. Ich werde diese Fortsetzung als EcKER\'schen Schwanz-
faden oder kurzweg als Schwanzfaden bezeichnen. Ich kenne
denselben nur aus
Ecker\'s Zeichnung und Präparaten und da ich i,..

selber ihm nicht begegnet bin, so muss ich ihn für eine inconstante
Bildung halten. lieber die Entstehung desselben müssen spätere
Untersuchungen Aufschluss geben. Ich bin geneigt ihn für ein Ge-
bilde zu halten, das auf Kosten des Bauchstieles entstanden, bez. von i;;;;

diesem abgespalten ist. \' ..ij

In die Kategorie persistirender Schwanzfaden möchten wohl Ii\'

einige der Anhänge gehören, die als menschliche Schwanzbildung
beschrieben worden sind, so der von
Greve abgebildete und von ijjj

virchow untersuchte Oldenburger Fall\') und die beiden von Ecker
selbst mitgetheilten Fälle aus Cincinnati und aus Erlangen.-) Will d

man als ächte Schwanzbildung nur diejenige gelten lassen, bei wel-
cher überzählige Wirbel in einem axialen Körperfortsatz enthalten "\'

1) virchow\'s Archiv Bd. 72. Taf. III. und Bd. 79. S. 178.

2) Während des Druckes meiner Schrift ist die durch Ecker\'s Wunsch
provocirte Untersuchung des Erlanger Präparates durch
Leo Gerlach er-
schienen. Die thatsächlichen Ergebnisse sind interessant genug: das Vor-
kommen eines axialen, Chorda führenden Stranges im hinteren Schwanzende
und dasjenige eines ventralgelegenen Längsmuskels, sowie das Fehlen jeglicher
Knorpeleinlagerung sind für die Beurtheilung des Gebildes wichtige Verhält-
nisse ; nicht minder wichtig ist die Constatirung, dass die knorpelige Wirbel-
säule des geschwänzten Fötus 34 Glieder gezählt hat. Die Schlussfolgerungen
von L.
Gerlach halte ich für sehr gewagt. Aus dem Vorhandensein eines
ventralgelegenen Muskels schliesst er auf früher vorhandene Urwirbel, aus
diesen auf ein früher vorhandenes Medullarrohr und so nimmt er an, dass
der fragliche, den Körper um ein Sechstel seiner Länge überragende Fortsatz
ursprünglich der ganzen Länge nach vom Rückenmark durchzogen und iui
Urwirbel gegliedert gewesen sei. Weshalb die Natur, wenn sie denn doch
einmal so weit über das Maass hinausgegriffen, sich auf die 34 normalen
Wirbel beschränkt hat, das bleibt bei Annahme der
GERLAcn\'schen Hypo-
these schwer verständlich.

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sind, so sind jene pexsistirenden Schwanzfaden (weiche Schwänze)
als eine erste Form „schwanzähnlicher Bildungen" zu bezeichnen;
eine zweite Form würde in den von
Yibchow\'s sogenannten Sacral-
trichosen gegeben sein und eine dritte denkbare Form könnte ihren
Ausgang von fötalen Luxationen des Steissbeins nehmen. Wie die
Betrachtung guter Medianschnitte zeigt, so muss nämhch bei einer
nach rückwärts statt nach vorn gerichteten Biegung des Steissbeins
ein ganz ansehnhcher mit Knocheneinlage versehener Körperanhang
zu Stande kommen.

Albsolute und relative Längenmaasse der Eegionen

des Stammes.

Im Bogen und längs der äusserlich sichtbaren Segmente ge-
messen betragen bei Embryo A. die Höhen

der 8 Halssegmente.....3.15 mm oder 26.50/o

„ 12 Brustsegmente.....4 „ „ 33.60/0

„ 5 Lendensegmente .... 1.85 „ „ 15.5®/o
„ 5 Kreuzsegmente .... 1.85 „ „ 15.5ö/o
„ 5 Steisssegmente .... 1.05 „ „ U.CI /U
Bei dem nachher zu beschreibenden Embryo a, dessen Gesammt-
länge in gerader Linie gemessen 4 mm betrug, bestimmte ich fol-
gende Maasse:

Halssegmente.....2.25 mm oder 28.5 o/o

Brustsegmente .
Lendensegmente
Kreuzsegmente
Steisssegmente

. . 3.05 „ „ 38.60/0
. . 1.10 „ „ 13.90/0
. . 0.8 „ „ 10.10/0
. . 0.7 „ „ 8.90/0
In Betreff dieser letzten Maasse ist zu bemerken, dass sie für
den Bauch und Beckentheil vielleicht zu knapp sind, da diese Theile
in der Profilansicht etwas verkürzt erscheinen.

Es ist von Interesse diese Zahlen gleich mit denjenigen von
etwas vorgerückteren Stadien zu vergleichen. Ich benutze dazu einen
Embryo von 13 mm Länge, an welchem die Segmentirung äusser-
lich sehr scharf hervortrat ferner die zwei schon oben erwähnten

1) Abgebildet in der Körperform S. 194.

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Absolute und relative Längenmaasse der Eegionen des Stammes. 97

Mediandurchschnitte zweier EmTbryonen von 16 und 21.5 mm und
für spätere Stadien einen Fötus von 143 mm, einen Neugeborenen
und den
beaune\'sohen Durclisclmitt eines Erwachsenen.\')

Fötus
143

Embryonen von
7.5 13 16

21.5

Maasse in mm

Wirbelsäulenlänge im
Bogen gemessen

Halstheil
Brusttheil
Bauchtheil
Kreuztheil
Steisstheil

21.8

35.7

17.8
15.8

8.9

26.5

33.6
15,5
15.5

Halstheil

Brusttheil

Bauchtheil

Kreuztheil

Steisstheil

770

134
294
178
126
38

o/o
17.4
38.2
23.1
16.4
4.9

16.7

3.9
6.3
3.1
2.3

1.1

>

23.4

37.7

18.5

13.8
6.6

227

42
90
46
35

14

>

18.5

39.6

20.3

15.4
6.2

12.55
3

4.61
2.21
1.75

0.9
>

23.9
37.1
17.9
13.9
7.2

101

22
36
18
16
9

12.0
3

4.6
2.25
1.35
0.8

7o
25.0
38.3
18.7
11.3

6.7

11.9

3.15
4

1.85
1.85
1.0

7.9

2.25
3.05

1.10
0.8

0.7

>

28.5

38.6
13.9
10.1

8.9

Da die Zahlen der ersten drei Verticalcolumnen an der Aussen-
fläohe nach den Segmenten gemessen sind, so sind sie nicht ohne
Weiteres mit den nach der Wirbelsäule gemessenen der fünf folgen-
den Columnen vergleichbar, insbesondere werden die Zahlen des Hals-
theiles wegen der Berechnung von 8 Segmenten etwas zu gross sein.
Das Schwanken der Werthe des untersten Abschnitts darf bei der
geringen absoluten Länge und der immerhin unsichern Grränzbestim-
mung nicht verwundern. Im Uebrigen ergiebt sich als allgemeines
Resultat, dass der Halstheil anfangs im Yorsprung befindhch ist,
dann aber im Laufe der Entwickelung etwas zurückbleibt. Der
Brusttheil erhält sich ziemhch stationär, wogegen der Bauchtheil in
späteren Entwickelungsstufen grössere Prozentzahlen zeigt, als in den
früheren, wenig sicherer erscheint dies für den Kreuztheil. Der
Steisstheil bleibt jedenfalls eher zurück, als dass er voraneilt.

1) Ausführliche Wachsthumstabellen der Wirbelsäule vergl. man bei Aeby
im Archiv f. A. u. Ph. 1879. An. Abth. S. 77.

HI s, MenseH. Embryonen. 7

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Die eben ausgesprochenen Verhältnisse äussern sich auch in
den mittleren Wirbelhöhen der verschiedenen G-ebiete.
Dieselben betragen:

Embryonen

von

Fötus

<1>
g

n
o

R

o
m

o
50

o

CS
^

Maasse in mm . .

4

7.5

13

16

21.5

143

<13

Iz;

M

Halstheil ....

0 32

0.45

0.43

0.43

0.56

3.1

6

19.1

Brusttheil ....

n,25

0.33

0.38

0.39

0.52

3

7.5

24.5

Bauchtheil ....

ft,14(?)

0.37

045

0.45

0.62

3.6

9.2

35

Bei dieser Meinen Tabelle sind auch für die ersten drei Em-
bryonen die mittleren Wirbelgebiethöhen durch Division der Gesammt-
halshöhe mit 7 erhalten. Anfangs sind die Höhen der Bauchwirbel
geringer, als die der Halswirbel, dann werden sie ihnen gleich und
endlich überschreiten sie diese in immer zunehmendem Maasse.

Leibeswand und Extremitäten.

Die innere Ghederung der Leibeswand bietet wenig bemerkens-
werthes. Am Eumpf bildet der Stammtheil im Allgemeinen ein drei-
seitiges Prisma mit abgerundeten Seitenflächen und Kanten. In der
dorsalen Kante hegt das Medullarrohr, das nur durch eine dünne
Membran (M. reuniens sup.) überdeckt ist, und das in einem glatt
umgränzten Wirbelkanal liegt. Neben ihm befinden sich die Ganglien
und diese werden nur theilweise überlagert von den Stammmuskel-
tafeln (Rückentafeln von Remak). Letztere reichen mit ihrem vorde-
ren Rand noch auf kurze Strecke in den Parietaltheil der Leibeswand
herein. Heber die Nervenstämme, die Chorda dorsalis, die Aorta und
über die Urnierenleisten ist früher das Nöthige mitgetheilt worden.
An den durch den Halstheil geführten Schnitten (H. 47—52, IV.
59_64) zeigen sich die Anfänge der eigentlichen Wirbel als dunklere,
den Körper der Quere nach durchsetzende Streifen, die jederseits mit
zugeschärftem Rande zwischen die aus den Urwirbeln hervorgegan-
genen Rückentafeln eindringen. Im Uebrigen sind die histologischen

r\'

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Differenzen innerhalb des allgemeinen Grrundgewebes noch sehr wenig
scharf ausgeprägt. Auch im Parietaltheil der Leibeswand und in
den Extremitäten sind die Unterschiede verschiedener Schichten zwar
vorhanden, aber keineswegs sehr deutlich hervortretend. In den Ex-
tremitäten finden sich Grefässdurchschnitte bis zum freien Rande.
Die eintretenden, sehr breiten Nervenstämme dagegen hören schon
im Wurzelgebiete der Extremitäten auf. Der Hornblattüberzug ist
am freien Rande der letzteren nicht unerheblich verdickt.

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Embryo ce.

(Körperlänge 4 mm.)

fcC;\'!!

m

Das Ei welches diesen Embryo umschloss habe ich durch Ver-
mittelung einer hiesigen Hebamme uneröffnet erhalten, es mass
21/2--3 cm im Durchmesser und entleerte beim Aufschneiden eine
klare Elüssigkeit. Der Embryo zeigte sich mit seiner linken Seite
dem Chorion dicht anliegend, durch einen sehr kurzen Strang mit
ihm verbunden; die Nabelblase war kurz gestielt, ihre Durchmesser
betrugen 2.7 und 3 mm ; das Amnion scheint den Embryo dicht um-
hüllt zu haben, ich habe dasselbe bei der ersten, unter etwas un-
günstigen Bedingungen vorgenommenen Untersuchung verletzt und
daher nicht als Ganzes beobachtet. Der Embryo war noch ziemlich
durchsichtig, Auge, Gehörblase und Herz zeichneten sich klar; all-
ein da mir das Präparat an einem dunklen Novembernachmittage,
wenige Minuten vor Beginn meiner Vorlesung eingegangen war,
musste ich im Interesse guter Conservirung auf die Durchforschung
und Zeichnung des frischen Präparates verzichten.

Ich übergoss den Embryo mit 10 0/0 Salpetersäure und brachte ihn
nach kurzer Einwirkung der letzteren in Alkohol. Bei dieser Behandlungs-
weise sind seine äusseren Formen sehr scharf hervorgetreten, und auch
die Schnitthärtung hat Nichts zu wünschen übrig gelassen. Nach Auf-
nahme der nöthigen Zeichnungen und Photographien versuchte ich, nicht
mit besonderem Glücke, den Embryo durch Pikrokarmin zu färben, dann
wurde derselbe mikrotomirt. Ich erhielt 27 Querschnitte je zu 0.1 mm;
vom Schnitt 25 ab begann sich das Stück in der Eingussmasse zu lockern,
die Schnitte 25 und 26 sind verschränkt keilförmig, an dem einen Ende
dicker, am andern dünner als die Norm. Ich habe sie auf Tafel VIII.
und bei den Gonstructionen als Doppelschnitt zusammengefasst. Das jen-
seits von 27 liegende Stück wurde zum Zweck der Maasscontrolle sagittal
geschnitten, seine Höhe betrug 0.75 mm. Ich habe Taf. YIII. bei 20facher
Vergrösserung die Schnitte 2—26 und die darnach entworfenen Construc-

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tionsbilder zusammengestellt. Letztere stimmen im Allgemeinen gut mit
den Frzeichnungen überein, indess zeigen sich die Schnitte 18—24 minder
tief als nach der Urzeichnung zu erwarten war. Ich habe bei den Con-
structionsfiguren (Fig. 3—4) die Eückenlinie entsprechend eingezogen. Das
iu der Profilzeichnung verkürzt gesehene Beckenende habe ich bei der
Construction (Taf. VIII. ct. 3) unverkürzt dargestellt.

Aeussere Gliederung. ;;

Der Embryo a. (VIII. a. 1 n. 2) ist noch stärker gekrümmt als die
Embryonen A. und B., seine Rückenfinie beschreibt mehr denn einen
vollen Kreis. Die Länge von der Stirn bis zum Steissende beträgt
im Bogen gemessen 13.7 mm, der gestreckte Durchmesser vom Nacken- .|i

höcker zum 12. Rückensegment 4 mm; behufs übereinstimmender Be- j»

Schreibung nahm ich diesen Durchmesser wiederum als Verticalaxe
an. Damach zeigt sich die untere Körperhälfte vom 8. Segmente ij

ab stark nach vorn gebogen, derart dass der Rückentheil der Stamm- \'S

gebilde schräg nach abwärts sieht; der Beckentheil des Rumpfes (i

aber ist nach rückwärts umgeschlagen und sein Steissende reicht
bis in die Höhe des Herzventrikels, dessen linker Seite es anfiegt.
In der Bogenlinie, welche den Embryo vom Stirn- bis zum Steiss-
ende umschreibt, sind vier Stellen stärkerer Ausbiegung vorhanden,
1. der Ort des Mittelhirns, 2. der Nackenhöcker, 3. die Gränze vom j|

Hals- rrnd Rückengebiete und 4. diejenige vom Bauch- und Becken-
gebiete. Dieselben Stellen zeichnen sich auch bei A. und bei B. aus. ji.

Die Nackenkrümmung ist bei diesen beiden Embryonen noch aus-
gesprochener als bei a., wogegen die Biegung 3 und in geringerem
Maasse die Biegung 4 bei ihnen erheblich stumpfer geworden sind. |j|

Es hängt letztere Eormveränderung zusammen mit der zunehmenden
Entwickelung der Leber und mit der Dislocation des Bauchstieles. "j

Die Symmetriefläche des Embryos ist windschief und so ge-
dreht, dass der Kopf nach rechts, das Beckenende nach links sieht. j

Diese Drehung ist in geringerem Maasse auch bei A. und B. vor- ,

handen und alle drei Embryonen stimmen darin überein, dass ihr
Beckenende bei der rechten Seitenansicht nur unvollkommen sieht- ;;i

bar ist. Während nun aber bei A. und B. der Bauchstiel rechts
vom Beckenstumpf vorbeitritt, ist er bei a. mehr nach Ihiks von ^

Ii

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diesem; dort ist er nach abwärts, hier, wie bei dem nachher zu be-
sprechenden Embryo M. nach aufwärts gerichtet. Es muss also in
der zwischenliegenden Zeit zugleich mit der Oeffnung des Bauch-
winkels eine Streckung und Verlängerung des Bauchstieles einge-
treten sein, wobei derselbe an der Steissspitze vorbeizugehen hatte.

Die Urwirbelgliederung ist an dem Embryo cei deuthch ausge-
sprochen, nur über wenig Gebiete bleiben Zweifel möghch. Tinsicher
nämlich war die vordere Gränze des ersten Segmentes, ferner war
am Uebergang vom Rücken zum Bauchtheile eine Strecke von etwa
4 Urwirbellängen undeutlich, die ich, da ein Fehler kaum möglich
ist, in der Zeichnung interpolirt habe, und endhch vermochte ich die
letzten paar Segmente nicht zu unterscheiden. Die Zahl dieser un-
sichtbaren Schlusssegmente lässt sich aus der Länge des betreffen-
den Abschnittes und aus den Dimensionen der Nachbarsegmente ziem-
lich sicher auf 5 bestimmen. Demnach beträgt die GesammtzaM der
Segmente 35 wie bei A. Die Bezifferung habe ich in Eig. 1 (Taf. "VTH.)
nach denselben Grundsätzen wie bei A. eingetragen, d. ich zähle
8 Hals-, 12 Brust-, 5 Bauch- und 5 Kreuzsegmente.

Beide Extremitäten sind angelegt, die obere erscheint in der
Höhe der drei unteren Hals- und des obersten Brustsegmentes, als
niedriger Auswuchs der WoLFF\'schen Leiste. Ihre Basis ist im
Vergleich zur Höhe sehr breit und yon vorn her mündet eine schräge
Leiste in sie ein. Die der Brustwand zugekehrte Fläche der Extre-
mität ist concav, die Aussenfläche convex. Die untere Extremität,
gedrungener von Gestalt als die obere, tritt im einspringenden "Winkel
der untersten Rumpfbeuge aus der WoLFF\'schen Leiste hervor, ihre
concave Fläche nach oben, die convexe nach unten kehrend.

Am Kopfe sind Hemisphärenhirn, Zwischenhirn, Mittel-, Hinter-
und Nachhirn in ihren Formen deuthch erkennbar, auch die Gränzen
der Rautengmbe scharf ausgesprochen. Bei der Ansicht vom Rücken
her fällt an der Seitenwand der letzteren eine regelmässige und bei-
derseits symmetrische Querfaltung auf. Die Augenblasen bilden jeder-
seits eine kreisförmig umgränzte Vortreibung von 0.35 mm Durch-
messer. Sehr deutlich zeichnet sich die Gehörblase als ein im
Niveau der zweiten Schlundspalte liegendes Oval. Bei seithcher
Durchleuchtung werden femer vier dunkle Flecke sichtbar, die Gan-
glien des Trigeminus, des Acustico-facialis, des Glossopharyngeus

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\'Ii

und des Vagus. Jedes derselben liegt z. Z. über einem der vier
ScMundbogen. (Taf. VIH. 2.)

Ausser dem massig angelegten Ober- und Unterkieferfortsatz
zeigt die Seitenwand des Kopfes jederseits drei ScMundbogen, von
denen (im Gegensätze zu A. und zu B.) auch der vierte frei zu Tage
liegt. Der Abstand vom oberen Rande des Oberkieferfortgatzes bis
zur vierten Schlundspalte beträgt 1.4 mm; eine durch das vordere
Ende sämmtlicher vier Bogen gezogene Linie verläuft ziemhch ge-
streckt und schneidet das Vorderhirn weit vor der Augenblase. Der
vordere Rand dieser letzteren hegt um 0.55 mm von dem vorderen ,

Hirnrand entfernt und es macht sich somit auch hier die für alle
Entwickelungsstufen menschlicher Embryonen charakteristische Be- r

vorzugung der Vorderhirnanlage geltend.

Dicht hinter den Enden der Schlundbogen hegt das Herz, an i»

dem in beiden Seitenansichten die drei Abtheilungen unterscheidbar :ii

sind, mit dem Unterschiede allerdings, dass auf der linken Seite der ^ [|i

Vorhofswulst, auf der rechten der Wulst des Aortenbulbus prägnanter
hervortritt. Noch scheidet keine durchgreifende Spalte den letzteren
von der Gesichtsfläche des Kopfes. Das hinter dem Herzen hegende
Innenfeld des Leibes zeigt auf der rechten Seite eine deuthche Ur-
nierenleiste und den Umschlagsrand in das Amnion, links erkenne
ich an demselben keine charakteristische Niveaumghederung. 13

Nervensystem, Chorda und Sinnesorgane.

Gehirn und Rückenmark.

Die Ghederung des Gehirns in seine fünf Hauptabtheilungen
ist schon durch die Hautdecke hindurch wahrnehmbar. In Betreff\'
der Einzelnheiten lässt sich aus den Schnittbildern folgendes ent-
nehmen :

Das vor den Augenblasen liegende Hemisphärenhirn ent-
behrt noch jeghcher Theilung (Taf. VIII. 3—9), es umschhesst so-
nach einen unpaaren Ventrikel, der sich nach rückwärts breit in die
Zwischenhirnhöhle öffnet. Seine Seitenwand setzt sich in die vordere
Wand des Augenblasenstieles fort, oberhalb des letzteren schliesst

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sie mit einer scharfen hervortretenden Kante ah (3, 4 und 5). Die
Basis des Hemisphärenhirnes, unmittelbar über der Mundbucht
liegend, zeigt bereits eine deutlich sich abgränzende mittlere Ab-
theilung als Anlage des Riechlappens (9), dieselbe ist noch nicht in
zwei Seitenhälften getheilt.

Die Augenblasen stehen in weiter Communication mit der
Hirnhöhle (7 und 8), ihre Aussenfläche hat sich noch nicht zur
Grabe vertieft, und es ist der obere, frei sich erhebende Theil der
Blasen convex (5 und 6) der unteren flach abgeplattet.

Das Zwischenhirn höher als lang, besitzt auf dem Durch-
schnitte eine viereckige Gestalt, demnach sind an ihm zwei vordere
und zwei hintere Seitenkanten zu unterscheiden (4—6). Die vor-
deren Kanten treten mit ihrer oberen Hälfte selbstständig hinter
der Hemisphärenkante hervor, mit ihrer unteren gehen sie in den
Augenblasenstiel über. Die hinteren Kanten, nahezu rechtwinklig,
setzen sich oben von einem schmalen, die Verbindung mit dem Mittel-
him herstellenden Zwischenstücke ab; in dem an die Sattelspalte
stossenden unteren Theile sind sie durch eine breite Querfläche ver-
bunden, aus welcher die cerebrale Hypophysenanlage noch nicht her-
vortritt (6—8). Die vorderen und die hinteren Seitenkanten des
Zwischenhims entsprechen den Bildungen, welche ich auf der Stufe
von A. und B. als vorderen und hinteren Schenkel bezeichnet habe
(s.
0. S. 25).

Das Mittelhirn ist in seinem oberen Theile ausgeweitet; seinen
basilaren Abschnitt bildet eine schmale Leiste, und dieselbe Grund-
form kehrt bei den sämmtlichen Abschnitten der hinteren Hirnhälfte
wieder. Der Hemisphärentheil des Hinterhirns ist vom Mittelhirn
durch einen schmalen Isthmus geschieden. Auch in der sonstigen
Conflguration schliesst sich die hintere Himhälfte der bereits be-
schriebenen Stufe von A. und B. an. Um Wiederholungen zu ver-
meiden verweise ich daher einfach auf das S. 22 und 23 Gesagte und
auf die Abbildungen der Tafel VIII.

In der Ausdehnung der Rautengrube ist die Decke verdünnt;
an den Schnitten 6—24 ist der verdünnte Theil nach der Höhle hin
eingesunken. Diese Einsenkung ist indess nachträglich entstanden,
am intacten Präparate wölbte sich die Decke der Rautengrube nach
Aussen hervor und sie hob sich infolge ihrer Durchsichtigkeit von

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Nervensystem. Gehirn und Rückenmark. 105 \'

ii

deren Seitenwand deutlich ab (VIU. 1 und 2). Beim Einblick in ,,

die Eautengrube von hinten her nahm ich an der Seitenwand eine j
sehr regelmässige Querfaltung wahr.

Das Eückenmark zeigt in seinem Hals- u,nd Eückentheile die ,
Gestalt eines abgeflachten, dorsalwärts etwas verbreiterten Cylinders,

i\'

seine Höhlung die einer Kreuzspälte. Im Beckentheile des Eücken- «

markes bleiben die sagittalen Durchmesser hinter denen der höher ,,
gelegenen Abschnitte weit zurück, und die Grundform des Quer-
schnittes ist ein Dreieck mit etwas einspringenden Seitenrändern

(Vni. 5—13). Die Ansicht des unzerschnittenen Präparates lässt i

eine kurz vor dem Steissende gelegene rautenförmige Yerbreiterung "

des Eohres erkennen. Ü

Graue und weisse Substanz. Das Centralnervensystem

besteht zur Zeit aus nicht viel mehr denn aus dem primären Zellen- ::
rohr; nur in beschränkter Ausdehnung erscheinen an des letzteren

Aussenfläche die ersten Spuren weisser Substanz. Das Eückenmark ii

ist in seinem unteren Dorsaltheile ausschliessüch aus radiär gestellten "

Zellen gebildet; im oberen Dorsaltheile sind die äussersten Lagen i
des Zellenrohres aufgelockert und bestehen aus Elementen von mehr
gerundeten Eormen. In den obersten überhaupt benutzbaren Schnitten

(ungefähr von 20 ab) erkenne ich feine, die zellige Aussenschicht ^
durchsetzende Eadiärfäserchen, die indess die Oberfläche noch kaum

genugsam überschreiten, um eine selbstständige zellenfreie Beleg- ji

scliicht zu bilden. „

Eine ausgeprägte wenn auch dünne Belegschicht findet sich im \\

Bereiche der Medulla oblongata und des Hinterhirns; sie besteht |

ausschliesslich aus feinen, frei auslaufenden Eadiärfäserchen, welche ;;

aus der Innenschicht des Zellenrohres herstammen. Die Wand dieser j;

Gehirnabschnitte besteht demnach 1. aus der inneren Eadiärzellen- "
Schicht, 2. aus der Schicht aufgelockerter rundlicher Zellen und

3. aus der zellenfreien Schicht der Eadiärfäserchen. Eine Formatio ^

arcuata ist noch nicht zur Ausbildung gelangt. Die Abscheidung j
einer rundzeUigen Aus\'senschicht und einer zellenfreien Belegschicht

sind in der einspringenden Einne, welche die Seitenwand von Medulla il

oblongata und von Hinterhirn bildet, am weitesten fortgeschritten, s|

an der vorderen Längsleiste und an den beiden dorsalwärts liegenden j

Seitenleisten des Eohres verlieren sich jene Schichten. Auch wechselt J

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ihre Entwickelung in den verschiedenen Höhen des Gehirnrohres.
Verhältnissmässig am erheblichsten zeigen sie sich in dem hinter
der Gehörblase hegenden Abschnitte der Medulla oblongata. Nach
aufwärts nimmt die weisse Belegschicht an Dicke ab und sie scheint
an der Basis d«s Mittelhims auszulaufen.

Das peripherische Nervensystem.

Das peripherische Nervensystem ist erst in seinen Ganghen-
anlagen vorhanden und noch fehlt jegliche Spur von Wurzelfaseni.
Der Kopf zeigt die bekannten 4 Ganglienanlagen für Trigeminus,
für Eacialis-acusticus, für Glos sopharyngeus und für Vagus.
Die Hauptmasse des Trigeminusganghons erscheint als scharf um-
gränzter ovaler Zellenhaufen neben der Brückenkrümmung des Hinter-
hirns (8, 9 und 10). Der Gehimwand hegt er nur an einer Stelle
(9) an, im Uebrigen befindet er sich dicht unter der Oberfläche und
wölbt diese merkhch empor. Die obere Ecke des Ganglions ver-
längert sich in einen Strang welcher an die Augenblase herantritt,
das vorderste Ende desselben kommt als Anlage des G. ciliare
über den Stiel der Augenblase zu hegen (7, 6, 5).
Ilij^ Das Ganglion acustico-faciale ist in den Schnitten 12 und

13 zu sehen, unmittelbar vor der Gehörblase und neben dem Rande
der Rautengrube. Das G. glossopharyngeum zeigt sich nur am
Schnitte 17 dicht hinter der Gehörblase, während das schräg ge-
stellte G. vagi sich durch mehrere Schnitte (18—21) hindurchzieht,
- derart dass es von den Schnitten 18—19 in seiner hinteren und von

den Schnitten 20—21 in seiner vorderen Hälfte getroffen wird.

Das Ganglion des Trigeminus hegt nach Aussen von der Haupt-
vene des Kopfes, das Ganglion acustico-faciale, die Gehörblase und
das G. glossopharyngeum berühren deren Innenseite; das G. vagi
steht im Allgemeinen dorsalwärts vom Hauptstamm der Vene und
in seinem oberen Theile auch mehr medialwärts, bei Schnitt 20 rückt
indess die Kopfvene mehr in die Tiefe und kreuzt dabei das Vagus-
ganglion.

ri

Von den Spinalganglien des Rumpfes fallen nur die dor-
salen, etwa vom 2. bis zum 11., in das Querschnittgebiet. Sie er-
scheinen als scharf umgränzte spindelförmige Massen, welche mit

0
V

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Nervensystem. Das peripherische Nervensystem. Chorda dorsalis. 107

ihrer Längsaxe annähernd sagittal stehen und mit ihrem dorsalen
Pole die Rüekenmarkswand berühren. Sie sind längsgestreift und
auf beiden Seiten von Blutgefässen umfasst.

Im Beokentheile des Körpers sind die Ganglienanlagen noch
nicht umgränzt; soweit ich an den, ihrer dicken und ihrer theilweise
schrägen Schnittrichtung halber ziemlich ungünstigen Präparaten
ersehe, so bilden sie lose Zellenhaufen im «Winkel zwischen Horn-
blatt, Medullarrohr und Urwirbeln.

Die Chorda dorsalis

folgt als dünner Faden im Bereiche des Kopfes der Rückwand des
Vorderdarmes und ist vom Grehirn durch einen schmalen Abstand
geschieden, dann verlässt sie beim Üebergang in den Rumpf das
Darmrohr, und wir finden sie weiterhin unmittelbar vor dem Rücken-
mark zwischen diesem und der Aorta descendens liegend. Das obere
Ende der Chorda dorsalis erstreckt sich bis zur Rückwand der
rathke\'schen Tasche; nach abwärts habe ich die Chorda bis zur ^

Steissspitze verfolgt, über eine weitere, Fortsetzung derselben besitze
ich keine Erfahrung. \'

y

Sinnesorgane.

Wie oben gezeigt wurde, ist das Auge in einfachster Anlage ■

vorhanden. Die Augenblase steht noch auf der Stufe der primären, k

d. h. sie ist in weiter Verbindung mit der Hirnhöhle und nicht zur |j

Schale vertieft. Nur an der Basis macht sich als Beginn der Um- ^

bildung zur secundären Blase eine Abflachung der Aussenwand be- <

merkbar (VIII. 7 und 8). Das Hornblatt überzieht die Augenblase •

glatt und ist da, wo es deren Basis anliegt, etwas verdickt. Eine *

morphologisch getrennte Linsenanlage existirt demnach noch nicht. |

Die Gehörblase ist von regelmässig eiförmiger Gestalt, in |
ihrer ventralen Hälfte von etwas grösserem Durchmesser als in der

dorsalen (VIH. 14—16 und a 1 und 2). Ihre Höhe beträgt 0.4 mm, i;

der Durchmesser des grösseren Querschnittes 0.3 mm, die Dicke der j

Wand 20—45 Als erster Anfang der Riechgrube und des j

Nasenfeldes ist eine flache Vertiefung aufzufassen, welche seitlich )

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vom Hemisphärenhirn und von der Wurzel der Augenhlase gelegen
ist (Vin. 8—5). In ihrem Bereiche ist das Hornblatt verdickt.

Eingeweiderohr.

Sämmtliche bei den Embryonen A. und B. vorhandenen Ab-
schnitte des Eingeweiderohres sind ihrer Lage nach zwar erkennbar,
aber noch in unvollkommenem Maasse von einander geschieden. •

m

Mundhöhle, Fharynx, Kehlkopf und Lungenanlage.

Der Mundraum besteht aus dem über dem IJnterkieferfortsatze
liegenden Vorraum und dem hinter dem ersten und zweiten Schlund-
bogen gelegenen Mundhöhlengrund. Beide treffen unter einem
rechten Winkel auf einander und von ihrer Verbindungsstelle aus
tritt, noch gering an Tiefe, die
EATHKE\'sche Tasche hinter die
Basis des Zwischenhirns (VIII. 9). Nach abwärts geht der Mund-
höhlengrund ohne scharfe Gränze in den Pharjmx über. Der durch
das Gebiet der vier Schlundbogen nach • abwärts sich erstreckende
Mundrachenraum erscheint als breite Querspalte und er verjüngt
sich bis zum Uebergang in den Halstheil nur massig. Die Rück-
wand zeigt die von A. und B. her bekannten drei Längsleisten,
deren mittlere der vorderen Gehirnkante, deren seitliche den inneren
Carotiden (Aortae descendentes) entsprechen (VIII.
a. 5).

Bemerkenswerth sind die Verhältnisse der Vorderwand des
Mundrachenraumes. Auf den durch einen medianen Einschnitt cha-
rakterisirten Unterkieferbogen (VIII. 13) und auf ein an diesen sich
anschliessendes kurzes Zwischengebiet (VHI. 14) folgt in der Mittel-
linie ein unpaarer Wulst, die Anlage der Zunge, neben der zwei
Längsleisten mit eingeschlossenen Arterien (den 2. Aortenbogen) ver-
laufen (15 und 16). Vor der unpaaren Lungenanlage und noch im
Gebiete des zweiten Schlundbogens liegt ein epitheliales Hohlgebilde,
die Anlage der Schilddrüse (VHI. 16). Von da an, nach abwärts
erscheint der mediane Längswulst der Vorderwand durch eine tiefe
Furche in zwei Längshälften geschieden (17—20) und die Furche
läuft schliesslich aus in die zur Luftröhre und Lungenanlage füh-

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rende Spalte (21—23). Die ConstmotionsMlder a. 3 und a. 6 zeigen
die fragliche G-egend in der Profil- und in der Frontalansicht und
es ergiebt sich ohne Weiteres, dass die Anlage der Zunge und die-
jenige des Kehldeckels durch longitudinale Verwachsung zweier Hälf-
ten sich bildet, welche ursprünglich durch eine von Epithel ausge-
kleidete Furche geschieden waren. Des Weiteren ist aus den Schnitten
18—20 zu ersehen, dass die beiden zur Zungen- und Epiglottisbildung
verwendeten Leisten die Träger von Aortenbogen sind. Die Ver-
wachsung der paarigen Leisten rückt von oben nach abwärts vor.
Es wird zuerst das obere Ende der Furche vom Mundraum abge-
schlossen und persistirt nun als epitheliale Schilddrüsenanlage. Die
ursprüngfich so hohe Lage dieser letzteren macht die Entstehung
der neuerdings mehrfach discutirten Glandulae thyreoideae supra-
hyoideae wohl verständlich.

Da wo die Längsverwachsung der beiden Mittelleisten ihr Ende
erreicht, nimmt der Kehlkopfraum seinen Anfang. Schilddrüse, Kehl-
kopfanlage, Luftröhre und Lunge sind sonach aus derselben medianen
Längsfurche der Vorderdarmwand hervorgegangen. Auf diese Furche
war ich s. Z. schon bei meiner Arbeit über die Entwickelung des
Hühnchens aufmerksam geworden >), allein ich hatte das obere Ende
derselben für die Kehlkopfanlage gehalten, ein Irrthum der dann
durch die Arbeit von A.
Seessel berichtigt worden ist. 2)

Die Kehlkopfanlage fällt zum Theil noch in den Bereich des
4. Schlundbogens, zum Theil aber schon in das eigentliche Hals-
gebiet. Die Lungenanlagen sind paarig und liegen hinter dem Vor-
hofstheil des Herzens (VIII. 22, 23 und a. 3—6). Dorsalwärts stehen
sie mit der Oesophagusanlage noch in freier Verbindung. Dicht
unterhalb derselben treten die beiden Ductus Cuvieri zum Herzen.

Magen, Darm, Cloake und Allantoisgarig.

Der Magen ist von den Schnitten 24—22 in stark schräger
Richtung getroffen, was für Beurtheilung seiner Gestalt und Lage

1) Monogr. d. Hühnchens S. 144. Taf. XI, I. 7—14 u. II. 3 u. 4 u. Körper-
form S. 74 u. 75. Man vergl. auch die Wachsmodelle Serie II. Nr. 11 u. 13\'und
III. Nr. 22 u. 23.

2) Seessel, 1. c. S. 453.

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nicht g-ünstig ist. Indess ist zu ersehen, dass er als Erweiterung
des Eingeweiderohres bereits vorhanden ist und dass er von der
symmetrischen Stellung noch wenig abweicht. Damach fehlt auch
noch die Mesogastriumfalte, aus welcher später die Milz hervorgeht.
Wäre eine solche vorhanden, so müsste sie in der unteren Hälfte
vom Schnitt 24 sichtbar sein.

Das Duodenum charakterisirt sich durch die Abgabe des un-
paarigen Leberganges (VHI. 20,19) und durch die etwas grössere
Annäherung an die Axengebilde. Die Figuren 21—22 zeigen einen
ringförmig diesen Darmabschnitt umgebenden Venenkanal ein Vor-
gebilde der Vena portae, auf das ich später nochmals zurückkommen
werde. Der Mesenterialdarm bildet bereits seinen Bogen nach
der Abgangsstelle des Darmstieles hin und verhält sich im Uebrigen
ähnhch wie später.

Die Cloake ist absolut länger als bei den Embryonen A. und
B. und zugleich enger (Taf. VIII. a. 3). Während sie bei jenen
über dem Grebiete des vierten Sakralsegmentes ihren Anfang nimmt,
beginnt sie hier schon im Bereiche des ersten Sakralsegmentes und
somit repräsentirt sie zur Zeit noch den gesammten Beckendarm.
Die beiden in der Cloake zusammentreffenden Eöhrenschenkel von
Darm und Allantoisgang trennen sich später von einander in zu-
nehmendem Maasse und verlängern sich auf Kosten der kürzer wer-
denden Cloake.

Schon früher bei Discussion der Schwanzfrage (S. 92) wurde
hervorgehoben, dass im Gregensatz zu A, und B. der Embryo a.
ein freies, von der Cloakenfortsetzung durchsetztes Körperende be-
sitzt. Wer die bauchwärts freie Umgränzung als Criterium eines
ächten Schwanzes aufstellt, der kommt consequenter Weise dazu an
Embryo a beinahe den ganzen Beckentheil so zu nennen und zu-
gleich die Cloake als Schwanzdarm zu bezeichnen. Für die Klärung
der Verhältnisse wird dadurch sicherlich Mchts gewonnen.

In Betreff einer Cloakenöffnung ergaben die Schnitte Mchts
absolut endgültiges. Zwei ziemlich weit auseinander stehende Stellen
fallen dafür in Betracht, der Umschlagsmnkel des Beckenstückes
(VIII. 9) und das Steissende des letzteren (VEH. 14). An ersterer
Stelle tritt der Grränztheil von Cloake und Allantoisgang nahe zur

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Oberfläche heran. Ana Endstück dagegen, das in einem schrägen
Profil sich darstellt, finde ich unter dem Ende des Rückenmarkes
eine vom verdickten Hornblatt ausgekleidete Bucht, von der es den
Anschein hat, als ob sie das Cloakenende aufnehme. Da dies letz-
tere nicht klafft und da das Innere des betreffenden Schnittstückes
nicht die präcisen Contourabgränzungen zeigt, welche zur Entschei-
dung einer solchen Frage erforderlich sind, so kann ich meine Ueber-
zeugung, dass hier die eigenthche Cloakenöffnung bez. der für sie
vorbestimmte Ort vorliege, nur als Vermuthung aussprechen. Es
ist diese nahe am Steissende des Körpers befindhche Stelle diejenige,
an der wir später den After finden, und sollte die Oeffnung in dieser
frühen Zeit in den Beginn des Beckens an die Abgangsstelle des
Urachus fallen, so bliebe jedenfalls die nachträgliche Verschiebung
derselben schwer verständlich.

Leber.

Von einer Leberanlage im vollen Sinne des Wortes kann noch
kaum gesprochen werden, insofern als jenes combinirte Doppelgerüst
von Blutgefässen und von Leberzellen, das später die Anlage cha-
racterisirt, noch nicht besteht. Zwischen dem Venensinus des Her-
zens und dem Magen liegt eine die beiden Seitenwandungen des
Rumpfes verbindende Substanzbrücke, die sowohl mit der Wand
des Venensinus als mit derjenigen von Magen und Duodenum ver-
bunden ist (Vni. 22—18). Der vordere Theil dieser Substanzbrücke
zeigt quere Faserung und er ist als primäres Zwerchfell oder als
Septum transversum zu bezeichnen. Der hintere Abschnitt da-
gegen, der sich mehr oder weniger selbstständig gegen die Rumpf-
höhle vortreibt, ist die Voranlage der Leber oder Vorleber. In
ihren unteren Theil tritt vom Duodenum her der epitheliale Leber-
gang ein (VIII. 19—20). Ich finde in der Vorleber noch kein Netz
von Drüsenzellen, wohl aber ein solches von Blutgefässen. Letztere
vermitteln die Verbindung des das Duodenum umfassenden Gefäss-
ringes oder der Vena portarum mit dem unteren Ende des Herz-
sinus; wenigstens vermag ich von jenem die Venae omphalomesen-
tericae aufnehmenden Ringgefässe keine anderweitig ableitenden
Gefässe zu erkennen. Die beiden Parietal- oder später Ilmbihcal-

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venen gehen an der Vorleher vorbei zum Herzvorhof und treten mit
ihr in keine Beziehung.

Das oben beschriebene Stadium der Leberanlage erinnert in
mehreren Hauptpunkten an dasjenige, was kürzlich
Kölliker in
zwei Durchschnittsbildern von 4 mm langen Kaninchenembryonen
dargestellt hat. 0 Auch
Kölliker hat eine der Parenchymzellen ent-
behrende, mit der Eumpfwand verbundene Leberanlage gesehen, in
welche ein anfangs einfacher Lebergang eintritt. Er nennt jene
Anlage „Leberwulst", ein Ausdruck, den ich lieber für die an der
Aussenfläche bemerkbare Hervortreibung der embryonalen Leber
reservire.
Kölliker hebt auch hervor, dass zwar die Yv. omphalo-
mesentericae, nicht aber die Nabelvenen mit der Yorleber in Bezie-
hung stehen. Das Ringgefäss, in das die ersteren eingehen, hat er
nicht gesehen.\'

Yon einer Pankreasanlage vermag ich bei dem Embryo a.
keine Spur wahrzunehmen.

Urnierensystem.

Die Urniere ist in ihrer ganzen Länge angelegt und sie be-
findet sich bereits in einer gegen den Bauchraum vorspringenden
gerundeten Längsleiste. Der obere Theil zeigt S förmige gebogene
Kanäle (YHI. a. 8), an denen indess das Kapselstück noch nicht
i» v\' von G-efässknäueln eingestülpt erscheint. Letztere sind überhaupt

erst insoweit angelegt, als an der medialen Hälfte der TJrnieren-
leiste dichtere Zellenanhäufungen liegen, in welche man kleine Zweige
der Aorta eintreten sieht.

Die untere Hälfte der ürnierenleiste umschliesst anstatt der

gebogenen Röhrchen einen sehr weiten und dickwandigen Kanal
(Yni. a. 9), der den Raum der Leiste zum grösseren Theil ausfüllt.
Die Wanddicke desselben beträgt fast das Doppelte von derjenigen
des späteren WoLFF\'schen Ganges. Auch bei dem noch jüngeren
Embryo
M fällt der primitive Urnierengang durch seine bedeutende

1) Entwlckelungsgesch. S. 884 u. 886. Man vergL besonders Köllikeb\'s
Fig. 540 mit meiner Figur VIII. 20.

J^

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Mächtigkeit auf. Wäre die Frage der Entstehung der TJrnierenkanäl-
chen noch ungelöst, so würde ich aus obigem Befunde schliessen,
dass die Kanälchen aus dem primitiven Gang durch Verdünnung
und Faltung seiner Wand entstehen. Bei dem gegenwärtigen Stand
der Frage ist indess der Schluss nicht mehr berechtigt, denn wenn
für die sämmtlichen Wirbelthierklassen bis zu den Säugethieren
herauf die Abstammung der Kanalanlagen aus dem Epithel der Ur-
nierenleiste nachgewiesen ist, so kann nicht für den Menschen ein
abweichender Bildungsmodus angenommen werden. Bis jetzt bin
ich bei keinem meiner menschlichen Embryonen auf Bilder gestossen,
welche selbstständige Entstehung der Urnierenkanälchen zu zeigen
vermochten.

Der WoLFF\'sche Gang tritt unterhalb des Darms in geschwun-
genem Bogen in den Beckentheil des Körpers und er mündet hier
in die Seitenwand der Cloake ein (VIII. 8 u. 03). Von einem neben
der Einmündungsstelle abgehenden Blindsack habe ich keine An-
deutung gesehen.

Gefässsystem.

Hers.

Von der Entwickelungsstufe des Herzens giebt die äussere An-
sicht (Vni. 1 u. 2) die beste Vorstellung. Auf eine vollständige
Wiedergabe der Schnitte habe ich verzichtet, weil mir bei einigen
die Orientirung zweifelhaft blieb. Die Grundform des Herzens ist
die bekannte des schleifenförmig gebogenen Rohres. [Der Vorhofstheil
beginnt mit einem dem Septum transversum anhaftenden flachen
Sinus (19—21), in den von unten her die beiden Nabelvenen ein-
münden. Dann erweitert er sich und zeigt zwei starke Herzohren
(20—17); seine Verbindung mit dem Ventrikeltheil wird durch einen
Ohrkanal vermittelt, dessen Lichtung durch zwei Endocardialkissen
zu einem schmalen Querspalte verengt ist (17, 18). Auch im
Bulbustheil steht das innere Rohr weit von der Aussenwand ab,
und der Zwischenraum ist von einer losen Bindesubstanzschicht
erfüllt.

Hls, Mensohl. Embryonen. 8

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A rteriensy Stern.

Vom unteren Rand des Unterkieferfortsatzes ab, bis zum vier-
ten ScMundbogen hin, hängen die Seitenwandungen der Parietal-
höhle noch mit der Kopfwand zusammen (VTTT. 14—20). Denken
wir uns den Kopf aufgerichtet, so tritt der Aortenbulbus in schräg
geneigter Richtung vor den zweiten und dritten Schlundbogen herab.
Er zerfällt hier in fünf Stämme, die divergirend auseinander treten
(VIII. a. 4 und a. 7). Der oberste, die A. maxillaris externa ver-
läuft längs des zweiten und ersten Schlundbogens und endet in
letzterem, ohne die Aorta descendens zu erreichen (16—13). Der
zweite Stamm tritt in die Tiefe und geht dem Boden der Mund-
höhle entlang nach aufwärts (A. hnguahs); er entsendet (VIII. 14)
ein Bogengefäss zur Aorta cephalica descendens oder Carotis in-
terna. Der dritte und der vierte Stamm, Anfang der Carotis in-
terna und Arcus Aortae, treten nach kurzem Verlauf um die Seiten-
wand des Pharj^nx herum in die absteigende Aorta (VIII. 17,18, 21).
Der fünfte dagegen tritt neben der Kehlkopfrinne herab und ist bis
in die Nähe der Lungenanlage zu verfolgen (VIII. 20 — 23). Eine
bogenförmige Verbindung desselben mit der Aorta descendens habe
ich nicht gefunden, ohne deshalb ihr Vorhandensein leugnen zu
wollen. Das fünfte Aortenpaar besitzt noch nicht, wie bei A. und
B., ein unpaares Anfangsstück.

Die beiden absteigenden Aorten treten dorsalwärts vom Pha-
rynx und vom Oesophagus herab und gelangen wenig oberhalb der
Magenhöhe zur Vereinigung in der Mittelhnie (VIII. 25, 26). Eine
nachweisbare Ungleichheit zwischen rechtem und linkem Stamme
besteht nicht. — Die AViedertrennung der Aorta descendens in die
beiden Nabelarterien erfolgt unterhalb des Anfangstheiles der Cloake,
(VIII. 6), und dieselben treten nun mit S förmiger Biegung neben
der Cloake empor und gehen in Begleitung des Urachus in den
Bauchstiel über.

Venensystem.

Die Jugularvenen und ihr Wurzelgebiet, sowie die Cardinal-
venen verhalten sich wie bei A. und B.; ein ihre beiden Zuflüsse

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sammelnder Ductus Cuvieri führt in den Sinustheil des Herzvor-
hofes. Von unten her treten in den letzteren die beiden Umbilical-
venen, welche, vom Bauchstiel kommend, in der Seitenwand empor-
gestiegen und an der Vorleber vorbeigetreten sind, ohne mit ihm
sich zu verbinden (20—22).

Längs des oberen Schenkels des Mesenterialdarmes treten zwei
Venae omphalomesentericae in den Körper ein. Am Duodenum
münden sie in ein diesen Darmabschnitt ringförmig umgebendes
Gefäss, den Eingsinus ein, dessen vordere und hintere Hälfte an
den Schnitten
21 und 22 zu sehen sind. Von diesem Einggefäss
aus sieht man Gefässe in die Vorleber treten, und erst auf dem Um-
wege durch dieses Organ gelangt das Blut zum Herzsinus, der nach
vorn davon die Umbilicalvene aufnimmt. Die Existenz des duode-
nalen Venenringes erklärt den so eigenthümlichen Weg, den später-
hin die Vena portae um das Duodenum herum beschreibt. Von dem
symmetrisch angelegten System erhalten sich die linke V. omphalo-
mesenterica und die rechte Einghälfte. Der in die Leber tretende
Theil der letzteren tritt secundär mit der Umbilicalis dextra in Ver-
bindung.

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Embryo M.

(Körperlänge 2.6 mm.)

Das werthvolle Präparat, das der nachfolgenden Beschreibung
zu Grrande liegt, ist mir vor längeren Jahren (so weit ich mich
entsinnen kann
1863) durch Herrn Prof. Mieschee Vater über-
geben worden. Es war ein völhg frischer Abortus. Die ausgestossene
IJtemsschleimhaut war von nur mässiger Dicke und bildete einen
schlaffen Sack, in dessen Wand schon äusserlich eine Anschwellung
bemerkbar war. Diese Anschwellung eröffnete ich von der Aussen-
seite her und fand darin das rings von Zotten umkleidete, etwa
erbsengrosse Ei, dessen Durchmesser (am Spirituspräparate) 71/2 bis
8 mm betrug. Der im letzteren eingeschlossene Embryo zeigte sich
vom Amnion dicht umschlossen, der Nabelblase noch unmittelbar
anhegend und durch einen aus der hinteren Körperhälfte hervor-
tretenden kurzen Stiel mit dem Chorion verbunden. Ich habe da-
mals das Präparat als Sammlungsstück aufgestellt und es alljährlich
zur Demonstration bei den Vorlesungen benutzt. Anlässlich einer
dieser Demonstrationen wurde der vom Embryo zum Chorion hin-
gehende Stiel zerrissen. Bei meiner IJebersiedelung nach Leipzig
ist das Präparat (Catalognummer H. h. 1) in der Basler Sammlung
zurückgeblieben, und wenn ich gleichwohl im Stande gewesen bin,
dasselbe erschöpfend zu bearbeiten, so verdanke ich dies der grossen
Gefälligkeit und Liberalität des Herrn Collegen
Kollmann, der mir
dasselbe zur unbeschränkten Benutzung überlassen hat i). — Alle
meine Zeichnungen und Photographien sind in neuerer Zeit aufge-
nommen und beziehen sich auf ein Präparat, das seit etwa 15 Jahren

1) lieber die Decidua des Eies vergl. man Kollmann menschl. Eier von
6 mm Grösse. Arch. f. Anat. u. Phys. anat. Abth. 1879 S. 275 u. f.

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in Alkohol gelegen hat, was für die Vergleichung mit frischen, oder
mit anders behandelten Präparaten wohl zu beachten ist.

Taf. I. Fig. 5 stellt den Embryo bei 40 facher Vergrösserung
von der rechten, Fig. 6 von der linken Seite dar. Die Zeichnungen
sind mit dem Prisma theils direct nach dem Präparate, theils nach
den bei 2 und bei 4 facher Vergrösserung aufgenommenen Glas-
photographien entworfen. Der Körper des Embryo ist nach vorn
etwas zusammengekrümmt und zugleich schwach um seine Axe ge-
dreht, derart, dass das Kopfende nach links, das Beckenende nach
rechts sich wendet. Die Rückenwölbung ist sehr gleichmässig, noch
ohne besondere Ausprägung eines Nackenhöckers. Der Vorderkopf
ist nach vorn übergebogen, derart dass sein Scheitelende bereits vom
Mittelhim gebildet wird. Unter dem Vorderkopf befindet sich ein
tiefer Einschnitt der den Eingang zur Mundbucht bezeichnet und
der nach rückwärts in die Augennasenrinne ausläuft. Unterhalb
der Mundspalte folgt ein breiter Unterkieferfortsatz, durch eine Furche
vom zweiten Schlundbogen abgetrennt, und auch die hintere Gränze
dieses letzteren ist noch wahrzunehmen. Dagegen ergiebt die Aus-
senbesichtigung über den dritten und vierten Bogen keine scharfen
Anschauungen, obwohl deren Existenz durch die nachher zu bespre-
chenden Durchschnittsbilder festzustellen ist. Es ist eben zu beachten,
dass die Beobachtung dieser äusseren Formen nicht direct, sondern
durch das Amnion und durch die an dessen Innenfläche vorhandenen
leichten Gerinnsel hindurch stattfinden musste. Die Anlage des
Herzens tritt als breiter quergelagerter Wulst aus der vorderen Leibes-
fläche hervor; ihre rechtsseitige Fortsetzung geht als Aortenbulbus
nach oben und erreicht noch den Rand des Unterkieferfortsatzes.
Dem Vorhofstheile des Herzens gehört eine Auftreibung an, welche
tiefer als der Hinterkopf an der seitlichen Wand bemerkbar ist.
Gleich unterhalb des Herzens tritt aus dem eine Längsspalte bilden-
den Leibesnabel die Nabelblase hervor, welche etwas eingesunken
und bimförmig von Gestalt ist. Das Beckenende des Körpers
ist hackenförmig nach vorn umgeschlagen, und wegen der Axen-
drehung von der linken Seite her gar nicht zu sehen.

In der unteren Hälfte des Rumpfes erkennt man vier neben
einander liegende Längsleisten, von denen zwei, die Med ullar-
und die Urwirbel leiste der Stammzone, die beiden übrigen, die

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WoLFFsche und die Eandleiste der Parietalzone angehören. Von
Extremitätenanlagen ist Nichts sichtbar. Die ürwirbelgliederung ver-
mag ich zwar nur längs einer kurzen Strecke in der linken Körper-
ansicht wahrzunehmen, indessen treten hierfür die Durchschnittsbilder
ergänzend ein, und sie zeigen dass die Segmentation in der ganzen
Ausdehnung des Rumpfes durchgeführt ist. Um wenigstens eine
annähernde Regionenbestimmung zu erhalten, habe ich (Taf. VII. M.4)
unter Zugrundelegung der aus Schnitten und Aussenbesichtigung er-
mittelten Urwirbellängen den Rumpf in 35 Segmente eingetheilt.
Daraus ergiebt sich jedenfalls soviel, dass der Bauchtheil in das Ge-
biet der unteren Biegung fällt und dass das nach vom umgeschlagene
Stück mehr denn den ganzen Beckentheil umfasst.

Unter der Austrittsstelle der Nabelblase und über der Spitze
des Steissendes durch tritt eine Fortsetzung der Bauchwand und
sammelt sich nach rechts von jenen Theilen zu dem dicken Bauch-
stiel, auf dessen Querschnitt man von der rechten Seite her direct
hinsieht (Fig.5). Das Amnion, welches den Embryo ziemlich knapp
umkleidet und das auch das Herz überspannt, inserirt sich an der
"Wurzel des Bauchstieles.

Die Maasse sind folgende:

Grösste Länge in gerader Richtung gemessen .... 2.6 mm

Vom Scheitel bis hinter dem Unterkieferfortsatz ... 0.7 „

Vom Scheitel bis hinter das Herz..........1.4?,

Höhe der Nabelblase hei ihrem Austritt aus dem Leibesnabel 0.6 „

Maximale Höhe derselben.....................1.7 „

Länge derselben...............2.6 „

Länge des Hinterleibes von der Austritts stelle der Nabel-
blase ab gemessen...........0.6 ,,

Ich habe den Embryo nach vorangegangener Färbung mikrotomirt,
und bei etwas stark genei^er Schnittrichtung daraus im Ganzen 24 Schnitte
erhalten, von welchen die beiden Endschnitte 1 und 2 ziemlich dick, ca.
0.2 mm, ausgefallen sind. Die Schnitte 1—15 haben die Dicke von 0.1,
die Schnitte 16—23 die von 0.066 mm. Mit Ausnahme von zwei un-
wesentlichen (18 und 24) sind die 40 fach vergrösserten Schnitte auf
Taf. VI. zusammengestellt, und ich habe mich bei der Wichtigkeit und
Seltenheit des Objectes bemüht, dasselbe möglichst auszunutzen und in
den Zeichnungen alles das mit anzugeben, was die Controlle mit stärkerem
System bestanden hat. Ungünstig für manche Einzelnheiten hat sich der

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Umstand erwiesen, dass das Präparat von zahlreichen Krystallen durch-
setzt war. Auch zeigten sich die Wandungen des Medullarrohres gefaltet
und in ihren histologischen Elementen unzweifelhaft verändert.

Nervensystem.

Das Medullarrohr ist in seiner ganzen Länge geschlossen
und erstreckt sich als ein im Granzen ahgeflachter Strang vom Stim-
his zum Steissende hin, in einer Länge von ca. 5 mm, wovon ca. 1.8 mm
oder rund 1/3 auf das Gehirn kommt. Schnitt 1 (Taf. VH, iii) zeigt
drei hinter einander liegende Anschwellungen des Gehirns, welche als
Hinterhirn, Mittelhirn und Zwischenhirn zu verstehen sind. Die
grosse Breite des oberen Endes entspricht der Rautengrubenanschwel-
Inng des Hinterhirns, die mit ihrem abnehmenden Theil auch in
Eig. 2 noch einmal wiederkehrt, hier von den beiden geschlossenen
Gehörblasen eingefasst. Der Hemisphärentheil des Vorderhirns
erscheint an den Schnitten 3 und 4, durch seine grössere Breite vom
Zwischenhirn unterschieden; noch fehlt die mediane Theilung seiner
beiden Seitenhälften. Die vom Hirn durch tiefe Eurchen abgesetzten
Augenblasen sind an ihrer Aussenfläche convex und von einer Linsen-
anlage ist Mchts zu erkennen. Breite und Tiefe des Medullarrohres
nehmen beim Uebergang aus dem Gehirn in den Eückenmarkstheil
erheblich ab. Im Rückenmarkstheile selbst ist die Caliberabnahme
eine sehr allmählige.

Vom peripherischen Nervensystem lassen die Schnitte
höchstens Andeutungen der Ganghenanlagen erkennen in Form von
Zellenanhäufungen neben der oberen Kante des Medullarrohres. —
Peripherische Nervenstämme sind ebenso wenig zu sehen, als eine
weisse Substanz von Gehirn und Eückenmark.

Die Chorda reicht mit ihrem oberen Ende bis an die Rück-
fläche des Zwischenhirns (Fig. 2), ihr unterer Theil geht in das
nach vorn umgebogene Beckenstück über (Fig. 22 und 19); ihr Ende
vermag ich wegen der ungünstigen Schnittrichtung nicht zu ver-
folgen. Die Eückfläche der Chorda hegt noch allenthalben der vor-
deren Kante von Gehirn und Rückenmark an, dagegen ist die Ver-
bindung mit der Darmwand aufgehoben, imd es besteht ein Zwischen-
raum von wechselnder Breite zwischen beiden Bildungen. Das

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Minimum dieses Zwischenraumes fäUt auf den Kopf, das Maximum
in die Höhe der Nahelhlase.

Eingeweiderohr.

Den Zugang zum Eingeweiderohr bildet die vom Stimtheil des
Kopfes, sowie von den Ober- und IJnterkieferfortsätzen umgebene
Mundbucht. Dieser Zugang führt direct in den als breite Querspalte
angelegten Vorderdarm oder Mundrachenraum. Die Eückwand des
letzteren wird von drei Längsleisten, der medianen Chordaleiste und
zwei lateralen Aortenleisten gebildet. Nach beiden Seiten hin buchtet
sich die Höhlung zu den 4 Schlundspalten aus, von denen die 1. an
Schnitt 3, die 2. an Schnitt 4, die 3. an Schnitt 5 imd die 4. an
Schnitt 6 sichtbar ist. Aeussere Eurchen treten den inneren ent-
gegen, eine Oeffnung beider in einander scheint nur bei der vierten
(Schnitt 6) vorhanden zu sein.

Die Vorderwand des Mundrachenraumes zeigt eine mediane
Längsrinne (Schnitt 4—8). Nach abwärts verjüngt sich die Lich-
tung und wandelt sich hinter dem Herzvorhof in einen Sagittalspalt
um (9—11), der dann weiterhin (12) in die Nabelblase sich öffnet.
Es ist nicht leicht die einzelnen Anlagen des Vorderdarmes scharf
aus einander zu halten. Die Zungenanlage, welche nach den früher
gemachten Erfahrungen hinter dem Aortenbulbus, in der Höhe vom
zweiten und dritten Schlundbogen liegt, muss in Schnitt 4 und 5
enthalten sein (vergl. auch Taf. VH. M. 4). Die Anlagen von Kehl-
kopf, Trachea und Lungen sind in den Schnitten 6—9 oder 10 zu
suchen. In letzteren Schnitt fällt wohl auch der Bereich des Magens.
Als Lebergang glaube ich den epithelialen Kanal ansehen zu müssen,
der in Schnitt 11 zur vorderen Rumpfwand tritt. Ist diese Inter-
pretation richtig, dann muss der zu 11 gehörige Darmabschnitt schon
Duodenum sein. Von 12 ab öffnet sich das Rohr in die Nabelblase
und wir gelangen nunmehr in das Gebiet des Mesenterialdarms.
Entsprechend der Seitwärtsbiegung der Nabelblase zeigt dieser Darm-
abschnitt eine Verschiebung nach links (VII. M. 3). Die weitere
Fortsetzung des Darmes erscheint wiederum geschlossen und mit
cylindrischer Lichtung versehen (16—20). Die Umbiegung des Rohres
und der Üebergang in das nach vorn umgeschlagene Beckenstück

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muss auf Schnitt 21 kommen, der allerdings etwas defect ausgefallen
ist. Bei 22 nämlich hegt schon der Chordaübergang, bei 20 sind
vorderer und hinterer Röhrenschenkel durch die Bauchhöhle von ein-
ander geschieden.

Die Fortsetzung des vorderen Röhrenschenkels führt einerseits
zur Cloake, andererseits zum Allantoisgang. Bei 19 beginnt
die Abzweigung des Allantoisganges, er tritt hier zwischen die beiden
Aortenfortsetzungen, die Aa. umbilicales und steigt, von diesen be-
gleitet an der vorderen Bauchwand empor bis zu den Schnitten 15
und 14, in welchen er nach rechts abbiegt und zugleich mit den
Arterien in den Bauchstiel übertritt. Die Cloake geht als Becken-
abschnitt des Darmes nach vorn in die Höhe und erstreckt sich bis
in die Nähe des Steissendes. Wegen der schrägen Schnittrichtung
und der etwas unscharfen Organcontouren ist das genauere Detail
der hier in Betracht kommenden Schnitte 16—-18 schwer zu deuten,
allein ich finde durchweg ein inneres Rohr und besonders deutlich
tritt dasselbe am Endschnitte 16 zu Tage.

Biegungen der Darmaxe. Die Rückwand des Darmes liegt,
wie schon oben erwähnt, stellenweise der Chorda nahe an, stellen-
weise entfernt sie sich von ihr. Im Bereich des Kopfes folgt sie
ihr, ziemhch dicht anliegend bis in die Höhe der unteren Schlund-
bogen, dann biegt sie von ihr ab und erreicht einen Abstand von
ca. 0.13 mm. In den Zwischenraum rücken von beiden Seiten her
die absteigenden Aorten, die dann in der Höhe der Nabelblase zu-
sammentreffen. Hinter der Nabelblase entfernt sich auf kurze Strecke
die Darmrinne von der Chorda bis auf einen Abstand von 0.4 mm
und hier ist auch bereits ein eigentliches Mesenterium zur Ausbil-
dung gelangt; dann aber rückt das Rohr wieder der Chorda zu und
es hält sich bis zur Umbiegungsstelle in einem Abstände von etwas
über 0.1 mm von dieser.

Von seitlichen Ausbiegungen der Darmaxe sind zur Zeit nur die
nach links gerichtete in der Höhe der Nabelblase und die nach
rechts gerichtete des Beckendarmes vorhanden.

Darm wand. Die epitheliale Auskleidung des Eingeweiderohres
ist in der ganzen Ausdehnung erhalten, an den Schnitten 11—14
hat sie sich etwas von der Easerwand abgelöst. Eine ringsherum
selbstständige Easerwand besitzt das Eingeweiderohr erst nach sei-

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nem Uebergang in den Eumpf vom Schnitte 9 ab; weiter oben ist
dieselbe von der Körperwand ungesondert. Auch der Allantoisgang
besitzt keine selbstständige Faserwand, und ebenso scheint das
Cloakenrohr einfach in die umgebende Substanz eingelassen.

Urnierensystem.

Zwischen der seithchen Leibeswand und der z. Z. noch sehr
breiten Wurzel des Gekröses bildet die Eiickwand der Bauchhöhle
eine niedrige Längsleiste, die mit einer epithelartigen Zellenschicht
bekleidet ist. Der untere Theil der Leiste enthält die Urnieren-
anlage, die sich als Zellencylinder von verhältnissmässig bedeutender
Dicke (25—35 /«) darstellt. Nach hinten und lateralwärts davon liegt
die noch sehr enge Cardinalvene. Das untere in den Beckentheil
übergehende Ende der Umierenanlage entzieht sich an meinen Schnit-
ten der Beobachtung, das obere Ende des Zellenrohres reicht nicht
soweit als die Urnierenleiste, es verjüngt sich etwas und oberhalb
des Schnittes 13 ist es nicht mehr zu sehen. Die Fortsetzung der
Leiste aber reicht bis zur Decke der Eumpfhöhle herauf.

Gefässsystem.

Herz. Die vordere Wand des Vorderdarmes bildet eine con-
cave Einbiegung, in welche sich das Herz derart einlagert, dass ihr
oberer Theil etwa im Drittheil der Biegung den Aortenbulbus auf-
nimmt, während der Vorhof und die zu ihm hintretenden grossen
Venenstämme den grösseren unteren Abschnitt derselben ausfüllen.
Der quer gelagerte Ventrikel besitzt keinerlei Gekröse mehr und ist
durch den Vorhof von der Darmwand abgedrängt.

Das obere Ende des Bulbus zeigt Schnitt 5 im Querschnitt;
auf diesen und auf den darüb erliegenden Schnitt 4 fallen die Ab-
gangsstellen der drei obersten Aortenbogen. Bei Schnitt 6 erscheint
der Bulbus mit starker Winkelbiegung, imd er überschreitet nicht
unbeträchtlich die Mittellinie nach rechts, ein Verhalten, das zum
Theil vielleicht auf eine Verschiebung des Herzschnittes zu beziehen
ist. Bei Schnitt 7 ist das Herz grossentheils verloren, dagegen ist
l)ei Schnitt 8 die Abgangsstelle des Bulbusrohres zugleich mit einem

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Stück Ventrikel und Vorliof getroffen. Die untere Wand des Ven-
trikels mit ihren netzförmigen Wandvorsprüngen zeigen die Schnitte
10 und 11.

Das ohere Ende des Vorhofes erscheint schon am Schnitte 1,
in derselben Höhe wie der 5. Aortenbogen, hier liegt es noch bei-
nahe frei der Wand des Vorderdarmes an. Bei Schnitt 8 besitzt
der Vorhof sein von der Vorderdarmwand abgehendes Gekröse, der
hintere Theil der Vorhofshöhle bildet eine schmale Querspalte. Die
folgenden beiden Schnitte zeigen die Bildung der Ductus Cuvieri
und deren Uebergang in den Vorhof, somit auch den Anschluss der
Herzwand an die Leibeswand, und bei 11 erscheinen die beiden der
Nabelblase entstammenden Dottervenen.

Arterien. Der Endothelialschlauch des Herzens entsendet aus
seinem oberen Ende jederseits 5 Stämme, die, soweit ich entnehmen
kann, bereits alle angelegt und noch alle durchgängig sind. Man ist
zur Beurtheilung dieser Verhältnisse natürlich auf Combination der
verschiedenen Schnittbilder angewiesen. Die vorderen drei Schlund-
bogen werden von den Schnitten quer getroffen und ihre Aorten-
stämme erscheinen demnach im Durchschnitt. Der erste Bogen bei
5, 4, 3 und 2, der zweite bei 4 und 3, der dritte bei 4. Die Ueber-
gänge dieser Bogen in die absteigenden Aorten können, da die Ge-
fässdurchmesser nur etwa der halben Schnittdicke gleichkommen,
nicht in freier Durchsicht zur Anschauung kommen, sondern blos
als helle Streifen, und in eben der Weise werden auch die unteren
beiden Bogen sich characterisiren. Es fallen die Uebergänge
der ersten Bogen auf Schnitt ...... 2

„ zweiten „ „ „ ......3

„ dritten „ „ „ ......5

„ vierten „ „ „ ......6

„ fünften „ „ „ ......7

Die absteigenden Aorten sind bis zu Schnitt 5 beiderseits gleich
weit; vom 6. Schnitt, d. h. vom Uebergang des 4. Bogens ab ist ein
sehr auffälliger Caliberunterschied; der etwas flachgedrückte
linke Stamm ist mehr denn noch einmal so breit als der rechte;
daraus ist zu schliessen, dass auch der linke 4. Bogen schon jetzt
an Durchmesser dem rechten sehr überlegen ist. Das Verhalten er-
scheint unschwer verständhch, wenn man bei Schnitt 6 beachtet,

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dass der 4. linke Bogen in der geraden Verlängerung des Aorten-
bulbus, der 4. rechte dagegen fast senkrecht von diesem abgehen
muss. Wie aus dem Verhalten der Embryonen A., B. und a. sich
ergiebt, so verwischt sich der Caliberunterschied der beiderseitigen
Aorten später wieder.

Bei Schnitt 12, d. h. in der Höhe der Nabelblasenöffnung,
treffen die beiden absteigenden Aorten in der Mittelhnie zusam-
men, verlaufen aber noch ein Stück weit neben einander, ohne mit
ihrer Lichtung zu verschmelzen. Das wirklich gemeinsame Stück
ist nur kurz, von 14 bis 16 reichend, dann theilt sich der Stamm
wieder in zwei gleiche Aeste, welche vor der Chorda herabgehen,
bei Schnitt 21 nach vorn umbiegen und nun längs der vorderen
Bauchwand als Aa. umbilicales neben dem Allantoisgang empor-
steigen und bei 14 in den Bauchstiel abbiegen. Eür die Nabelblase
ist die doppelte A. omphalomesenterica bestimmt, welche von
Schnitt 15 in grösserer Ausdehnung getroffen worden ist. Von
eigentlichen Körperarterien habe ich ausser den Aorten und ihren
Zuflüssen Nichts zu sehen vermocht.

Venen. Das Venensystem ist in seinen Grrundzügen vollstän-
dig angelegt. An den Durchschnitten des Kopfes erkennt man als
Wurzeln der Jugularvenen kleine Stämme, welche neben dem Ge-
hirn herabsteigen und andere, welche mehr im seitlichen Theile der
Kopfwand gelegen sind. Erstere gehen mit ihren unteren Enden in
letztere über. An den Eumpfdurchschnitten treten allgemein zwei
Längssysteme in Erscheinung; das innere schwächere ist das System
der Jugular- und Cardinalveneu, deren Lage ursprünglich auf
die Gränze von Stammzone und Parietalzone fällt. Das zweite oder
Parietalvenensystem (Ductus Cuvieri und Vv. umbihcales) liegt
in der Seitenwand des Rumpfes, nahe an der TJmbiegungsstelle der
letzteren in das Amnion. Ductus Cuvieri und Vv. umbihcales errei-
chen nahe beisammen den unteren Theil des Vorhofssinus (VI. 10).
In den Ductus Cuvieri ist zuvor der vereinigte Stamm der Jugu-
larvene und Cardinalvene eingetreten, welcher in der Seitenwand
des Körpers nach vorn gelangt war (VI. 9).

Die unteren Parietalvenen haben doppelten Ursprung. Ein
starker Stamm (ob einfach oder doppelt ist zweifelhaft) kommt
aus dem Bauchstiele (VI. 16, 15 u. 14) und speist die beiden auf-

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steigenden Parietalvenen. Ausserdem aber treten aus dem unterhalb
des Bauchstieles gelegenen Körperabschnitte zwei Yenenstämme her-
auf (VI. 17—20), welche wahrscheinlich bis in den umgeschlagenen
Beckentheil des Körpers sich erstrecken.

Für die Vv. omphalomesentericae halte ich zwei in der Nabel-
blase (YI. 13 u. 12) sichtbare Gefässstämme, welche bei ihrem M^ei-
teren Aufsteigen das Septum transversum erreichen und diesem
folgend zum Yorhofssinus sich hinbegeben. Indem die fraglichen
Yenen an das Septum transversum treten, gelangen sie hinter die
vom Darm abgehende Epithelspalte (YI. 11), welche oben als An-
lage des Leberganges gedeutet wurde. Bemerkenswerth ist ferner
der bogenförmige Gefässraum, welcher bei YI. 10 die Wand des
Yorderdarmes umfasst und von dem auch bei Schnitt 11 noch Eeste
sichtbar sind. Es war mir dieser Kaum erst sehr räthselhaft; nach
Durcharbeitung des Embryo a ist mir indess verständhch geworden,
dass er den Anfang des ringförmigen Sinus darstellt, der bei jenem
Embryo das Duodenum umkreist, und in den von unten her die Yv.
omphalomesentericae einmünden (Ringsinus). Es stehen bei Em-
bryo a die letztgenannten Yenen nicht mehr in directer Yerbindung
mit dem Herzvorhof, sie sind durch die Yorleber davon abgedrängt
(man vergl. mit YI. 10 die Eigur YIII. 21). Ein Theil dieser letz-
teren Anlage muss in dem Gewebe enthalten sein, welches bei
Schnitt 10 den vorderen Rand des Ringsinus bildet.

Ton den Höhlen des Körpers und von der Anlage
des Zwerchfells.

Der Embryo M. zeigt im Bereich des Hinterkopfes und des
oberen Eumpfabschnittes eine Höhle, in welcher das Herz gelegen
ist, und die ich als Parle talhöhle bezeichne (Taf. VL iii. 5,6,
8, 10—11). Der Rumpf dagegen ist seiner Länge nach von zwei
durch den Darm getrennten Längsspalten, den beiden Runipf-
höhlen, durchzogen, i) Dieselben enden nach oben hin blind, an
ihrer Rückenwand verlaufen die Urnierenleisten, nach vorn sind sie

1) Ich vermeide gern die übliche Bezeichnung einer Pleuroperitoneäl-
höhle; es werden mit Hereinziehung der serösen Häute Bildungen
anticipirt.

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bei der noch bedeutenden Weite des Nabels offen (VI. iii. 12—15).
Unterhalb des Nabelgebietes treffen die beiden Spalten vor dem
geschlossenen Darmrohr zusammen und communiciren mit einander
auf kurze Strecke (VI. m. 17—20).

Die Parietalhöhle stösst nach oben an den Unterkieferfortsatz
und an den zweiten und dritten Schlundbogen (VI. iii. 5 u. 6), nach
vorn ist sie durch die Membrana reuniens bereits geschlossen (VI.
III. 6. 8 u. 10); ihre untere Wand ruht auf dem Wurzelstück der
Nabelblase (VI. ni. 11). Die Rückwand der Parietalhöhle besteht ^
aus einer Substanzplatte, welche in frontaler Richtung von einer
Seite des Rumpfes zur anderen sich erstreckt, und an der von hinten
her die Darmwand, von vom her der Herzvorhof anhaftet. Ich be-
zeichne diese Substanzplatte als primäres Zwerchfell oder als
Septum transversum (VI. in. 9—11). Innerhalb des Septum
transversum treten die beiden CuviEE\'schen Gänge zum Vorhofs-
sinus. Soweit das Septum transversum reicht, scheidet dasselbe die
Parietalhöhle von den beiden Rumpfhöhlen. Ob die Rumpfhöhlen
zu
Oberst mit der Parietalhöhle zusammentreffen, oder ob die drei
Höhlen von einander abgeschlossen sind, das ist aus den Quer-
schnitten allein nicht leicht zu entscheiden. Ich habe früher die
letztere Annahme für die unbedingt richtige gehalten, bin aber daran
zweifelhaft geworden. Es handelt sich um die Vergleichung der
Schnitte 8 und 9. Bei 9 sind die drei Höhlen durch das Septum
transversum von einander getrennt, bei 8 ist nun noch eine Höhle
vorhanden, welche aus einer vor dem Herzvorhof liegenden Abthei-
lung und einer retrocardialen Spalte besteht. Erweist sich letztere
Spalte als die Fortsetzung der beiden Rumpf höhlen, dann hängen
diese durch ihr oberes Ende mit der Parietalhöhle zusammen. Wenn
man die Pausen der Schnitte 8 und 9 übereinanderlegt, so decken
sich die Rumpfhöhlen von 9 und die Retrocardialspalte von 8 theil-
weise, aber auch nur theilweise. Jene sind vorwiegend sagittal ge-
richtet und sie kreuzen die inneren Enden der quer gerichteten
Retrocardialspalte. Die Hauptausdehnung der letzteren fällt somit
lateralwärts vom oberen Ende der Rumpfhöhle. Die Rumpfhöhle

von -welclien in diesen frühen Entwickelungsstadien noch gar nicht gesprochen
werden kann.

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liegt seitlich vom Eingeweiderohr\', die Parietalhöhle vor demselben.
Gegen die Deutung der fraglichen Spalte als unmittelbare Verlän-
gerung der Rumpfhöhle spricht auch die Lage der Venen. Bei den
Embrj^onen A. und B. vereinigen sich Jugular- und Cardinalvene
über dem oberen Ende der Rumpf höhle und treten von da zum
Ductus Cuvieri hin. Bei Embrj
\'O M. fällt der IJebergang von Cardi-
nal- und lugularvene in den Ductus Cuvieri auf Schnitt" 9. Die
Möghchkeit, dass die oberen Enden der Rumpfhöhle mit der Parie-
talhöhle jetzt schon communiziren, will ich \'nicht in Abrede stellen,
allein es scheint mir doch angemessen, die beiden Höhlensysteme
scharf auseinander zu halten, da sie von völlig verschiedener Be-
deutung sind, und da ihre Verbindung, falls überhaupt zur Zeit vor-
handen, nur eine sehr enge sein kann.

Mit Rücksicht auf die umschlossenen Höhlen lassen sich nach
Obigem bei Embryo M. folgende Bezirke unterscheiden:

Bezirk 1: Es ist keinerlei Körperhöhle vorhanden. Die animale
Leibeswand bildet die unmittelbare L^mgränzung des Eingeweide-
rohres (Schnitte 1—4). Dieser Bezirk umfasst den Vorderkopf mit
Einschluss des Unterkiefergebietes.

Bezirk 2: Es findet sich eine vom Herzen eingenommene Parie-
talhöhle. Der Vorderdarm (Mundhöhlengrund und Pharjmx) ist seit-
lich von der animalen Leibeswand umschlossen, und seine Vorder-
fläche ist der Parietalhöhle und dem Herzen zugekehrt (Schnitte
5—8). Dieser Bezirk umfasst das Gebiet des Hinterkopfes, und er
überschreitet dessen Gränze nur in geringer Ausdehnung.

Bezirk 3: Ausser der Parietalhöhle sind zwei Rumpfspalten vor-
handen, dieselben liegen hinter der Parietalhöhle und sind von
dieser durch das Septum transversum getrennt. Ihre Scheidung von
einander ist dadurch bedingt, dass die Vorderdarm wand mit dem
Septum transversum verbiuiden ist; die beiden Spalten fassen somit
das Vorderdarmrohr seitlich ein (Schnitte 9—11). Ihre grösseren
Durchmesser verlaufen sagittal, und da sie von einspringenden\' Wan-
dungen umgeben sind, erscheint ihr Durchschnitt buchtig; an ihrer
Rückwand liegt das obere Ende der Umierenleiste, welches die Car-
dinalvene aber keinen Urnierengang enthält; die mediale Wand
wird durch die Faserwand des Vorderdarms, die laterale durch die
seitiiche Leibeswand gebildet. Die beiden hinter dem primären

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Zwerchfell getrennt in die Höhe steigenden Höhlen repräsentiren
den späteren Brnstantheil der Eumpfhöhle, und sie können als
die Brustfortsätze der letzteren bezeichnet werden. Ihr Ge-
biet erstreckt sich z. Z. von der unteren Kopfgränze ab bis zum
oberen Eande der Nabelöffnung, und\'die dahinter hegenden Urwirbel
gehören wohl noch alle der Halsregion an.

Bezirk 4: Es sind zwei durch die Nabelblase von einander ge-
trennte Bauchhöhlenspalten vorhanden (Schnitte 12—15). Sie sind
verhältnissmässig breit und nach vorne hin offen; ihre Rückwand
ist von der Urnierenleiste gebildet, die nunmehr ausser der Cardinal-
vene einen Urnierengang umschliesst. In der Seitenwand der Spalte
und zwar längs der UmbiegTingskante in das Amnion verläuft die
Parietal- oder Umbilicalvene.

Bezirk 5. E\'nterhalb der Nabelöffnung fliessen die beiden Bauch-
höhlenspalten vor dem cylindrisch abgeschlossenen Darmrohr zu einer
gemeinsamen Höhle zusammen; sie werden nach vorne von der in
den Bauchstiel sich fortsetzenden vorderen Bauchwand umgränzt,
innerhalb welcher, etwas nach rechts liegend, der Allantoisgang und
die beiden Nabelarterien in die Höhe steigen (Schnitte 16—20).

Der 6. Bezirk wird durch das nach,vorn umgeschlagene Becken-
ende des Körpers gebildet; wie weit sich innerhalb desselben die
Bauchhöhle erstreckt, ist an den vorhandenen Schnitten nicht genau
zu bestimmen.

Fassen wir die beschriebenen Verhältnisse nochmals zusammen,
so hegt, wie sich dies am einfachsten ausdrücken lässt, das Herz
in einer Spalte der animalen Leibeswand; das Eingeweiderohr da-
gegen, anfangs in die animale Leibeswand ringsherum eingelassen,
tritt in der Strecke, da es selbstständiger zu werden beginnt, zwi-
schen die Brustfortsätze der Rumpfhöhle und bildet eine mediane
Scheidewand zwischen ihnen. Nach vorn ist es noch mit dem Sep-
tum transversum verbunden, dann folgt unterhalb des Herzens der
Üebergang in die Nabelblase und nun erst wird das Rohr auch an
seiner vorderen Fläche frei.

Sämmtliche zum Herzen tretende Venenstämme müssen den
Weg zur Parietalhöhle nehmen und sie treten sämmtlich in das i
Septum transversum ein. Die von der Nabelblase kommenden Venae
omphalomesentericae (Schnitte 13—11) erreichen den zwischen Vor-

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derdarm und Septum liegenden Ringsinus (Schnitt 10). Die oberen
und die unteren Parietalvenen oder die Ductus Cuvieri und die Vv.
umbilicales treffen jederseits an der Wurzel des Septum transversum
und kurz vor dem Eintritt in den Vorhofssinus zusammen (Schnitte
10—11 und Taf. VII M. 4 und 5).

Wir vergleichen die bei Embryo M. beschriebenen Verhält-
nisse mit denjenigen von A. und von B. und finden die folgenden
Unterschiede:

1. Indem sich der Kopf stark vornüber gebogen hat, ist der
Ventrikeltheil des Herzens nach rückwärts gegen die Brust hin und
zugleich nach abwärts gedrängt werden, wie dies aus der Vergleichung
der Eig. M. 4, Taf. VII. mit den Eiguren A. 1. und B. 1. ohne Weiteres
ersichtlich ist. Das Septum transversum hat dabei an Höhe ge-
wonnen, und die Höhenzunahme kommt zunächst auf Rechnung der
früheren unteren Wand der Parietalhöhle, welche nunmehr nach
rückwärts sieht. Die aus der ventralen Vereinigung der Membrana
reuniens des Kopfes hervorgegangene, vor dem Aortenbulbus lie-
gende Wand wird nunmehr zur vorderen Brustwand und wie die
Folge zeigt, so sehliessen sich auch die dorsalen Bänder der Mem-
brana reuniens des Kopfes. Letzterer trennt sich von seiner Mem-
brana reuniens und tritt dieselbe mitsammt der von ihr umschlos-
senen Höhle und dem Aortenbulbus an die Brust ab. (Man vergl.
die Durchschnitte Taf. IH. 36—40 mit VI n. 10 und 11.) In Folge
dieser eigenthümlichen Schlussweise wird die Parietalhöhle aus einer
Höhle des Hinterkopfes unmittelbar zu einem Theile der Brusthöhle.
Aus dem Grunde halte ich es auch nicht für zweckmässig, wenn
Kölliker die Parietalhöhle als „"Halshöhle" bezeichnet. In früheren
Entwickelungsstadien lässt sich von einem Hals des Embrj^o über-
haupt nicht reden, und wenn einmal diese Region unterscheidbar
ist, characterisirt sie sich eben durch das Fehlen einer Binnenhöhle.

2. Bei A. und bei B. steht die Rumpfhöhle mit dem oberen
Theil der Parietalhöhle in offener Verbindung. Die Durchschnitte
(Taf. II. 42—40 und V. 68—70) zeigen eine Höhlung, in deren hinterer
Hälfte Oesophagus und Lungenanlage, in deren vorderer Hälfte der
obere Theil des Herzvorhofes liegt. Auf der Gränze beider Abthei-
lungen der Höhle tritt jederseits eine breite Leiste hervor, welche
den Ductus
Cuvieri enthält. Nicht minder auffällig als dieser Zu-

HI s, Mensehl. Embryonen. 9

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sammenhang der Höhlen ist der XJmstand, dass die Wand des Ein-
geweiderohres nach vorn hin frei ist. Dies war auf früheren Stufen
nicht der Fall, indem die Vorderdarmwand mit dem Septum trans-
versum verbunden erschien und dadurch auch die beiden Seiten-
hälften des Brustraumes von einander trennte. Weiter nach abwärts
hin, im Bereich vom Magen und vom Duodenum, hat sich auch bei
A. und hei B. der Zusammenhang noch erhalten (Taf. II.
39—34,
in. 33—27,
V. 72—86); im Lungenbereich dagegen ist es zu einer
Trennung gekommen. Sowohl bei A. als bei B. zeigen die der Brust-
wand anhaftenden, den CuviEE\'schen Gang umschliessenden Leisten,
die Parietalleisten einen hinteren gefässlosen Lappen (II. 41
und
40, V. 69—72), der wie mir scheint, am ungezwungensten als
der vom Vorderdarm abgelöste Rest des Septum transversum zu
deuten ist.

3. Aus der Rückfläche des Septum transversum tritt bei A. und
bei B. die Leber hervor und ragt als mächtiger Auswuchs in den
Bauchraum herein. Das untere und das obere Ende dieses Organes
sind in das Septum transversum und in die seithche Bauchwand
völlig eingeschlossen (Taf. III. 27—29 und IL 38—40). Die Leber
entsteht innerhalb der Bauchwand bez. innerhalb des
Septum transversum, und sie wird in eben dem Maasse selbst-
ständig, als sie an Volumen gewinnt und über ihre urspmnghche
Bildungsstätte hervortritt. Der Vorgang ist nach meinem Dafür-
halten folgender: Die Leber entsteht, wie alle ächten Drüsen, aus
zwei ursprünglich getrennten Anlagen, einer epithelialen und einer
parablastischen (mesodermatischen). Jene wird vom Darmsystem
geliefert, diese von der Bauchwand. In der Höhe des unteren Herz-
endes erfolgt der mediane Schluss der Bauchwand derart, dass ein
Streifen des Eingeweiderohres mit eingeschlossen wird, der nun als
Lebergang persistirt und von dem aus die Bildung der Leberzellen
vor sich zu gehen scheint. Der betreff\'ende Durchschnitt des Em-
bryo M (Taf. VI
iii. 11) zeigt innerhalb der Bauchwand eine epi-
theliale, vom Darmrohr abgehende Rinne, welche unmittelbar über
der Nabelblase liegt und mit dieser auch unzweifelhaft noch in offener
Verbindung steht (Construction M. 2, Taf. VII.). Diese Epithelial-
rinne tritt bis vor die Venae omphalomesentericae und vor den An-
fange des Vorhofssinus. Eine folgende Entwickelungsstufe gewährt

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Embrj\'O a; Ibei ihm besteht die Leberanlage oder die Vorleber, wie
sie oben genannt wurde, aus einer gefässreichen, zum Theil schon
selbstständig prominirenden Anschwellung des Septum transversum,
in welche von hinten und unten her der Lebergang eindringt. Ein
Leberzellennetz, wie bei den Embryonen A. und B., ist noch nicht
zur Entwickelung gelangt.

Aus den Beziehungen des Septum transversum zur Leber und
zum Herzen ist mit voller Sicherheit zu erschliessen, dass aus dem-
selben die vordere, zwischen Herz und Leber liegende Hälfte des
Zwerchfells hervorgeht. Zweifelhaft muss es dagegen bleiben, wie
sich der Eest des Zwerchfells bildet, wel9her die, Pleurahöhlen vom
Bauchraum zu trennen hat. Es ist die Untersuchung hierüber bei
späterer Gelegenheit und bei der Betrachtung etwas vorgerückterer
Embryonen aufzunehmen. Hier mag nur noch einmal auf die eigen-
thümlichen Verhältnisse hingewiesen werden, welche bei A. und bei
B. bestehen. Betrachtet man die Schnitte 40 und 41 auf Taf. H.,
oder 69 und 70 Taf. V., so findet man in ihnen Theile, die der spä-
teren Bauchhöhle angehören, mit solchen beisammen, die der Brust-
höhle zukommen. So zeigt z. B. Schnitt II. 40 das obere Ende der
Urniere und dasjenige der Leber, zugleich aber den Oesophagus, die
Lungen und das Herz. Versucht man sich an diesen Schnitten in
Gedanken das Zwerchfell zu vervollständigen, so kommt man zum
Ergebnisse 1. dass sein Lendentheil hinter denUrnieren herabzutreten
hat, 2. dass es, da Cardinalvene und Bauchaorta dasselbe durch-
setzen, oben vor, unten hinter diesen Gefässen hegen und, 3. dass
es nach aussen und oben von der Leber, aber unter der Lunge weg-
gehen muss. Man denke sich, dass vom vorderen Insertionswinkel
des Septum transversum aus in der Eumpfwand eine Spalte sich
bilde, Avelche bis zur Eückwand der Höhle sich erstreckt, und man
erhält als Portsetzung des Septums eine innere Wandschicht, welche
hinter dem oberen Theil der Urnieren durch bis zur Mittellinie sich
erstrecken kann. Zu einer vollständigen Trennung von Brust- und
von Bauchhöhle ist noch erforderhch, dass die abgespaltene Wand-
schicht mit der der gegenüberhegenden Seite convergirt und mit
ihrem Eande dem Speiserohr sich anlegt. Als letzter Eest der ur-
sprünglichen Verbindung- von Brust und Bauchhöhle wird sich dann

der Hiatus oesophageus erhalten. Sind die Höhlen von einander ge-

9*

/

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schieden, so bietet die Trennung der serösen Säcke dem Verständ-
niss keine Schwierigkeiten. Es sind die serösen Membranen an und
für sich secundär auftretende Bildungen, die zur Zeit der Höhlen-
scheidung noch kaum angelegt zu sein scheinen. Sollten sie indess
schon vorhanden sein, so wissen wir aus dem Beispiele der T. vaginahs
propria, dass Trennungen seröser Höhlen von einander in einfachster
"Weise vor sich gehen können.

Bevor ich den Abschnitt der Zwerchfellbildung verlasse, habe
ich noch der Bemühungen zu gedenken, welche in neuerer Zeit im
Interesse dieser Erage gemacht worden sind, die mit Eecht als eine
der schwierigsten der Embrj^ologie gilt. Schon
v.-Baee besass die
wichtige Kenntniss von der ursprünghch hohen Stellung des Dia-
phragma, auch machte er darauf aufmerksam, dass dessen dorsale
Insertion anfangs weit höher steht, als die ventrale; aus der ur-
sprünghch hohen Stellung erklärte er die Innervation des Zwerchfells
durch Halsnerven, im Uebrigen stellte er das Problem von der
ersten Bildung der Membran als ein durchaus offenes und schwer
zu lösendes hin. Spätere Forscher haben dasselbe nicht aufgenom-
men und ich glaube der erste gewesen zu sein, welcher den Ver-
such gemacht hat, der Vorgeschichte des Diaphragma beizukommen.

Nach der Darstellung in meiner Monographie der Hühnchen-
entwickelung erfolgt im Kopftheil des Embrjo eine andere Schichten-
spaltung als im Rumpftheile. Während hier eine Trennung zwischen
animaler und vegetativer Muskelplatte eintritt, spaltet sich im pa-
rietalen Theile des Hinterkopfes die animale Muskelplatte in eine
dünne obere und in eine dicke untere Schicht. 2) Die zwischen
beiden auftretende Spalte ist die Parietalhöhle; die obere Schicht
tritt an die Aussenwand; aus der unteren Schicht entwickeln sich
das Herz und die Muskelwand des Pharynx, d. h. lauter aus quer-
gestreifter Muskulatur gebildete Theile. Ein fundamentaler Unter-
schied zwischen Parietalhöhle und Rumpfhöhle liegt sonach darin,
dass jene eine Spalte ist, deren beide Wandschichten aus animaler

1) v. Baes, EntwickelungsgescbicMe II. 226 u. f.

2) Beim Hühnchen im 3. Entwickelungsstadium. Monogr. S. 73. Man
vergl. ferner S. 85,120 u. 149, sowie die Briefe über ü. Körperform S. 69 u. 219.
Für die Bildung der Parietalhöhle sind ausser den Abbildungen der Mono-
graphie diejenigen von S. 70 der Körperform zu vergleichen.

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Muskulatur bestehen, diese dagegen eine Spalte zwischen animaler
und vegetativer Muskelplatte. Hinter dem Herzen legt sich die
untere animale Muskelplatte an die obere an und bildet so einen
Abschluss zwischen Parietal- und Eumpfhöhle. Diese TJebergangs-
platte ist die Anlage des Diaphragma. Man findet dieselbe schon
zu der Zeit, da der Embryo noch flach und der Körper weit offen
ist.O Später wenn der Schluss des Körpers sich einleitet, bildet
sie eine hinter dem unteren Herzende liegende Querwand. Es ist
dies eben das Septum transversum meiner obigen Darstellung; inner-
halb desselben gelangen die Venen aus der Leibeswand zum Herz-
vorhof.-) Ueber die weitere Geschichte dieses Gebildes hat meine
ältere Arbeit keine Beobachtungen enthalten, sondern nur Vermuthun-
gen von mehr oder minder unbestimmter Natur, auf welche hier zu-
rückzukommen kein Interesse gewährt. Hatte ich damals angenom-
men, dass das primäre Diaphragma Brust- und Bauchraum in ihrer
ganzen Ausdehnung scheidet, so ist mir zunächst durch die unter
meinen Augen ausgeführten Untersuchungen des Herrn A.
Seessel
und weiterhin durch meine eigenen klar geworden, dass die Parie-
talhöhle nur den vorderen Theil des Brustraums umfassen kann, und
dass dessen hintere Hälfte anfangs noch mit dem Bauchraume com-
municirt.

Das von mir als Zwerchfellanlage beschriebene Gebilde hat in
der Eolge auch
Köllikek gesehen und mit dem Namen eines Me-
socardium laterale belegt. Er betrachtet dasselbe als eine ursprüng-
liche Bildung und betont auch, dass in ihm die Körpervenen zum
Herzen übertreten. Dagegen hat
Kölliker die Bedeutung seines
Mesocardium laterale für die Bildung des Diaphragma nicht erkannt,
wie denn überhaupt letzteres Organ bei ihm sehr kurz wegkommt.3)

t) Monogr. Taf. IX. Fig. 4 und Körperform Fig. 58. S. 71. Hier ist die
medialwärts liegende Höhle die Rumpfhöhle, die lateralwärts liegende die Pa-
rietalhöhle.

2) Körperform Fig. 64 und 65. S. 75. Es sind hier die Bezeichnungen
Br und Bh zu vertauschen, die hintere Höhle ist die Rumpfhöhle, die vor-
dere die Parietalhöhle. Eine Darstellung des primären Zwerchfells findet man
an den Nummern 4, 8, 10, 11, 12 und 13 der bei Dr. A.
Zieglbk erhältlichen
Wachsmodelle von Hühnerembryonen.

3) Köllikbb, Entwickelungsgesch. 2. Aufl. S. 295. Köllikek scheint nicht
beachtet zu haben, dass sein Mesocardium laterale und meine Zwerchfellanlage

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Neuerdings hat Cakdiat die hinter dem Herzen vorhandene
Scheidewand unter dem Namen einer Cloison mesodermique he-
schriehen und in verschiedenen, zum Theil schematischen Figmren
gut abgebildet. Ihre Rolle als Anlage des Zwerchfells hat
Caediat
richtig aufgefasst, und er macht auch über ihre weitere Umbildung
bemerkenswerthe Angaben. Nach ihm ist das primäre Zwerchfell
nicht eine ursprüngliche Bildung, sondern es entsteht durch secun-
däre Yerwachsung; die das Herz umgebende Höhle ist demnach
ursprünglich ein Theil der allgemeinen Körperhöhle.
Caediat
stimmt darin mit Köllikee überein, der die Parietalhöhle gleich-
falls mit der allgemeinen Leibeshöhle zusammenhängen lässt. Da
weder der eine noch der andere dieser Forscher seine hierauf be-
zügliche Angabe genauer begründet, vermag ich nicht zu entscheideri,
ob dieselbe blos auf vorgefasster Meinung beruht. Ich habe meine
Durchschnittsreihen von Hühnerembryonen nochmals genau durch-
geprüft und kann mich von einem ursprünglichen Zusammenhang
von Parietalhöhle und Rumpfhöhle nicht überzeugen. Jene erscheint
geraume Zeit vor dieser, wenn aber letztere auftritt, ist bereits ein
Septum vorhanden; auch zeigen die durch das Parietalgebiet ge-
führten Sagittalschnitte von Embryonen des VI. und VII. Stadiums
deutlich, dass die Parietalhöhle an ihrem distalen Ende blind ab-
schliesst, indem ihre untere Wand der oberen sich anlegt.

1| identisch sind. Seine nach Kaninchendurchschnitten gezeichneten Bilder finden

in den meinigen vom Hühnerembryo vollständige Parallelen. Meiner Fig. 58
S. 71 der Körperform (Durchschnitt durch die noch offene Gegend hinter der
lii! vorderen Darmpforte) entspricht Köllikeb\'s Fig. 215 S. 297. Die an letzter

II Figur erkennbare Verbindung von Darmwand und Leibeswand nennt K. einen

Rest des Mesocardium laterale. Mit meiner Fig. 64 u. 65 desselben Werkes
stimmen
Köllikee\'s Fig. 214—216 überein.
,ii! Mit dem oberen Theil meines Septum transversum glaubte ich anfangs

;![ auch die F. ScHMiDi\'sche Pleuropericardialplatte in Beziehung bringen zu

müssen; indess stimmen doch die Verhältnisse nicht zusammen. Schmidt be-
\'" schreibt seine Platte an Schafembryonen von 9 mm als eine vom Vorderdarm-

gekröse zum Diaphragma ausgespannte und den N. phrenicus einschliessende
i;; Platte, welche die bereits vorhandene Pleurahöhle vom Herzraum trennt

jf\' (Viechow-Hiesch\'s Jahresber. f. 1870 I. 66).

1) Caediat, du développement de la portion cephalo-thoracique de l\'Em-
ï\' bryon. Robin\'s Journal de l\'Anatomie 1878. p. 630.

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Embryo L,.

(Körperlänge 2.4 mm.

Der Güte des Herrn Collegen Leuckakt verdanke ich ein er-
öffnetes Ei von 8 bis 9 mm Durchmesser, mit
2 mm langen Zotten
besetzt, das derselbe seit längerer Zeit als Sammlungspräparat in
Alkohol aufbewahrt hatte. Dasselbe enthielt einen noch sehr jugend-
lichen Embryo von 2.4 mm Länge, der durch einen kurzen Stiel dem
Chorion anhaftete. Nabelblase und Amnion waren bei der früheren
Präparation entfernt worden, und ebenso fehlte, mit Ausnahme eines
kurzen Stumpfes, das Herz. Taf. VI. Eig. i. A zeigt den Embryo in
der rechten Profil-, Eig. C in der Vorderansicht, und es ist sofort
zu entnehmen, dass derselbe in seiner Entwickelung mehr denn ein
anderer unter den bis jetzt bekannt gewordenen dem CosTE\'schen
Präparate entspricht. Der dorsale Schluss des Embryo ist mit Aus-
nahme einer kurzen Strecke vollzogen, der ventrale dagegen hat
noch kaum begonnen, und der Leibesnabel nimmt als breiter Schlitz
den grösseren Theil der Gesammtlänge ein. Nach oben wird er
vom Vorderkopf, nach unten von einem zapfenartig hervortretenden
Stumpf überragt. Die Länge des Leibesnabels beträgt 1.3, die der
überliegenden Strecke 0.8, die des unteren Stumpfes 0.3 mm. Wie
aus den Schnitten (VI. ii. 10 und 7) zu erschliessen ist, so erstreckt
sich der Umschlag der Körperwand in das Amnion vom unteren
Eande des Unterkiefers ab bis zum Beginn des Endstumpfes. Beim
CoSTE\'schen Embr3ro ist das Herz vom Amnion bereits umkleidet
und auch bei meinem noch jüngeren Embryo SE. (Taf. I. 7), sieht
man letzteres vor dem Herzen vorbei bis zum Rande der Nabelblase
reichen. Dies ist ein anscheinender Widerspruch, der sich vielleicht
dadurch löst, dass in den beiden letzten Eällen das Amnion nur

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scheinbar geschlossen war. Bei Embryo Et waren sich, wie die
Iv Durchschnitte 10 und 11 zeigen, die beiden Parietalfalten nahe ge-

rückt, und im unverletzten Zustande mochte auch hier der Anschein
entstehen, als ob das Herz vom Amnion umgeben sei.

Der Rückentheil des Embryo ist schwach eingezogen, schwächer
als bei dem Präparat von
Coste. Vielleicht hat die Zerstörung
des Amnion eine Aenderung in der Biegung herbeigeführt.
Von der Gesammtlänge des Embryo

kommen auf den Kopf......0.9 mm oder 3.75 o/o

davon auf den Stimtheil......0-3 „

"I Gesichtstheil.....0.2 „

Hinterkopf.....0.4 „

- Der Kopf entbehrt noch der Scheitelkrümmung, und seine drei
\' Abtheüungen folgen sich in der Eichtung von oben nach abwärts.
!!:. Die Mundbucht ist nach vom weit offen; oben wird sie vom breiten
Stirnwulst, seithch von hohen Oberkieferwülsten, nach abwärts von
einem stark hervortretenden, in der Mittelhnie eingeschnittenen
!i;;; UnterMeferwulste eingefasst. Ein bei der Vorderansicht sichtbarer
..... heller Längsstreifen im Grunde der Mundbucht entspricht der durch-
schimmernden vorderen Kante des Gehirns. Von Schlundspalten
sind die erste und die zweite vorhanden, beide nur kurz, aber klaffend
und schräg nach vorn abfallend. Auffallend mächtig wulsten sich
Ii die Schlundbogen über die Seitenfläche des Hinterkopfes hervor, und
die dahinter hegende cerebrale Strecke erscheint demgemäss tief
eingesunken, ein Verhältniss, das, etwas modiflcirt, auch in
Coste\'s
Abbildung wiederkehrt.

Da die Nabelblase fehlt, so sieht man von vorn direct in den
Darmschlitz herein, dessen 0.6 bis 0.7 mm langer offener Tlieil nach
auf- und nach abwärts minder weit reicht als der Leibesnabel. Die
Rückenansicht des Rumpfes zeigt das weiss durchschimmernde Me-
dullarrohr, an welchem noch eine kurze Strecke klafft. Für die ge-
nauere Peststellung der Urwirbelghederung ist die Conservirung des
Präparates ungünstig. — Das untere Leibesende bildet einen dorsal-
wärts und etwas nach links abgebogenen sanft gerundeten Stumpf.
Wie aus dem Endschnitte 34 sich ergiebt, so biegt sich hier das
Rückenmark nach vorn um. Wie weit sein vorderer Schenkel nach
oben hinreicht, konnte ich nicht mit Bestimmtheit verfolgen.

1

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Nach vorangegangener Nachhärtung in Osmiumsäure habe ich den
Embryo in Scheiben von 0.066 mittlerer Dicke (3 Schnitte auf 0.2 mm)
zerlegt. Die fortlaufende Eeihe von 34 Präparaten erlaubt für den Kopf
und für den Mittelkörper eine genügende Eeconstruction. Für das hintere
Körperende sind, schon der ungünstigen Schnittrichtung halber, die Er-
gebnisse weniger befriedigend ausgefallen, und ich vermag vorerst über
diesen wichtigen Abschnitt nur fragmentarische Notiz zu geben. Die wich-
tigeren Schnitte der Eeihe habe ich Tafel VI. ii. zusammengestellt, und die
Figuren i. C. D. E. derselben Tafel geben die bezüglichen Gonstructionen,
sämmtlich bei 40 facher Vergrösserung.

Das Medullarrohr erscheint im Allgemeinen als ein seitlich
stark abgeflachtes Eohr, das den weitaus grösseren Theil der Körper-
tiefe einnimmt. Von oben nach abwärts nimmt sein Caliber stätig
ab, langsam im Eückenmarkstheile, rasch im hinteren Kopftheil und
beim Uebergang aus diesem in den Eückenmarkstheil.

Von den Anschwellungen des Gehirns ist die durch die Augen-
blasen bedingte weitaus die stärkste. Die Augenblasen selbst sind
durch eine tiefe Furche vom eigentlichen Hirnrohr geschieden
(Schnitt 3), übrigens noch in offener Verbindung mit diesem und
ohne Grube an ihrer Aussenfläche. Vor ihnen liegt die Auftreibung
des Hemisphärenhirns (Schnitt 1). Ueber die vordere Gränze des
Mittelhims vermag ich wenig Bestimmtes anzugeben, wogegen das
von letzterem durch eine Einschnürung abgesetzte Hinterhirn mit
seiner breiten Rautengrubenanschwellung auffällig hervortritt (Schnitt
7 bis 9). Unmittelbar hinter der Rautengrubenanschwellung folgt
die noch offene Gehörgrube (10 und 11). An der ventralen Gehirn-
fläche bemerkt man einen die Basis des Vorderhims begränzenden
starken Absatz\' (zwischen 4 und 5), sowie das Hervortreten einer
Brückenkrümmung (bei 8).

Die Chorda dorsalis erstreckt sich bis in die Nähe der Vor-
derhirnbasis ; sie liegt dem Medullarrohr überall dicht an und bildet
ein Rohr mit offener, wenn auch enger Lichtung (Durchmesser der
Chorda 20 der Lichtung 8 f.i).

Der Vorderdarm scheint mit der Mundbucht schon in offener
Verbindung zu stehen; von der verschliessenden Rachenhaut finde
ich Nichts mehr. Derselbe erscheint im Bereiche des Kopfes als
breite Querspalte, an welcher ausser der vorderen und der Rück-
wand noch zwei niedrige Seitenwandungen zu unterscheiden sind
(9 bis 13); letztere treten mit convexer Ausbauchung gegen die

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if

Iiiii)

Lichtung vor. Die Rückwand zeigt zwei den absteigenden Aorten
entsprechende Seitenleisten und eine der Chorda entsprechende,
- nur schwach angedeutete mittlere. Der Q.uerdurchmesser bleibt sich

erst ein Stück weit ziemhch gleich (0.3 bis 0.35 mm); von der
Höhe des zweiten Schlundbogens ab nach abwärts verringert er sich,
und der Pharynx zeigt demnach bereits die trichterförmige Verjüng-
ung, die seine untere Hälfte auch in der Folge noch characterisirt.
Die Tiefe des Rohres nimmt von oben nach abwärts gleichfalls ab,
;!|ii dann aber, mit der Annäherung an die Darmpforte wächst der me-

diane Durchmesser rasch, und der Vorderdarm erscheint nunmehr
bei Schnitt 18 als tiefe Spalte mit vorderer und hinterer Ausweitung
und verengtem Mittelstück. Die vordere Wand des Vorderdarmes
bildet demzufolge im Profil gesehen einen concaven Bogen zur Auf-
j-;: nähme des Herzens (Taf. VL i. A und C).

" Der Mitteldarm ist eine offene Rinne mit convex vorspringen-

Iii

ic:

der Rückwand (20); indem ein Theil desselben von der Chorda ab-
rückt, entsteht die noch etwas unbestimmte erste Umgränzung des
Mesenterialdarmgebietes.
I™" lieber den Enddarm sind meine Präparate leider nur unvoll-

ständig. Fig. 27 zeigt einen Durchschnitt etwas unterhalb der hin-
teren Darmpforte. Der Darm erscheint hier wiederum als eine tiefe,
mit vorderer und hinterer Ausweitung versehene Spalte, die fibröse
Darmwand aber legt sich seitlich an die Leibeswand an und ver-
ij;; schmilzt mit dieser zu einer gefässreichen Platte, die wohl als An-

fangsstück des Bauchstieles anzusehen ist. Der weiter hinten he-
il, gende defecte Schnitt 29 zeigt ein geschlossenes cylindrisches Darm-
j"" rohr. Bei der Unvollständigkeit des Materials widerstehe ich der
Versuchung, die Schnitte eingehend zu interpretiren, und bei dem
Anlass auch die Frage von der Abgränzung und der ersten (restalt
der Allantois zu discutiren. Sollte das Glück in nächster Zeit einem
Forscher einen Embryo dieser frühen Entwiekelungsstufe zuführen,
so würde es sich empfehlen, das Hauptaugenmerk vor allem auf
entscheidende Durchschnitte des unteren Leibesendes zu richten.

Vom Ilrnierensystem ist ein cylindrischer Gang angelegt,
den ich wenigstens an einigen der Schnitte habe constatiren können.

Vom Herzen ist am Embryo Li nur ein Stück Bulbus er-
halten, das durch eine mediane Rinne zweigetheilt erscheint (Fig.

HIIII

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10 u. 11). Fig. 10 zeigt den durchsclinittenen ersten Aortenbogen,
Fig. 11 den vom Schnitt gestreiften zweiten. Die absteigende
Aorta nimmt im Allgemeinen von oben nach abwärts an Caliber
ab, schon bei Schnitt 20 scheint sie nur noch ein solider Strang zu
sein. Von Venen zeigen die Schnitte des Kopfes solche, die dem
Gehirn folgen und solche, die mehr seitwärts in der Kopfwand ge-
legen sind. Beide Systeme rücken sich im Bereich des Hinterkopfes
näher und scheinen sich zu vereinigen, über den weiteren Weg der-
selben sagen meine Schnitte Nichts aus.

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Embryo S. E.

(Körperlänge 2.2mm.)

31;

Vom Herrn Collegen M. Eoth in Basel ist mir ein Embrj-o
:|i überlassen worden, der erheblich jünger, als der eben beschriebene,

■den beiden von Thomson offenbar am nächsten zu steht.\') Das
betreffende Präparat stammt aus der Praxis des Herrn Dr.
Suey-
Bienz, und es war von letzterem während einiger Tage in schwachem
ll!ii Spiritus aufbewahrt worden, ehe er es Professor
Roth übergab.

Die Altersbestimmung bleibt auch hier, wie in so vielen ähnlichen
Fällen, misslich. Nach dem Aeusseren und unter Zugrundelegung
der Angaben anderer Beobachter wird man das Ei auf 12—14 Tage
i;;:;; schätzen. Die gynäkologischen Daten, die Herr Dr. Suey mitzu-

theilen die Güte hatte, ergeben zwar keinen festen Anhaltspunkt,
stehen aber mit einer solchen Schätzung jedenfalls nicht in Wider-
spruch :

Die 25jährige Frau hatte 29. Januar 1878 zuletzt geboren und
;;. bis Ende Juni gesäugt, zu welcher Zeit die Periode wieder eintrat.

Wiederholung der letzteren erfolgte Mitte August, von da ab zeig-
lii ten sich leichte metritische Erscheinungen. Am 14. Oct. Eintritt

von Blutungen und in der Nacht des 15./16. Abgang des Abortus.
Geht man behufs einer Berechnung von dem öwöchenthchen Inter-
iji;;;; vall aus, das zwischen den zwei vorangegangenen Perioden bestand,

so hätte Ende September die Periode wiederkehren müssen, was
mit dem Alter des Eies von ca. 14 Tagen in Uebereinstimmung zu
bringen wäre.

1) Genaueres Gitat von Thomson s. später. Im 2. thomson\'schen Falle
ist das Chorion schon verhältnissmässig gross (13 mm), grösser als bei meinem
S. R. und als beim M. Embryo.

jilll

"Ill

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lieber die Untersuchung des Abortus schreibt Herr College
Eotii folgendes:

„Die Decidua bildet einen länglichen, am unteren Ende offenen, mit
fetzigen Rändern versehenen Sack und ist mit unbedeutenden Coagulis
umgeben.

Die weitere Untersuchung geschah unter zur Hälfte mit Wasser ver-
dünnter müllbe\'scher Flüssigkeit.

Die Innenfläche der Decidua vera ist etwas ungleich wulstig, die
Oeffnungen der Uterindrüsen besonders nach oben sehr deutlich, in dieser
Gegend auch zwei Stecknadelkopf- und hanfkorngrosse gestielte polypöse
Excrescenzen (Endometritis).

Im oberen Umfang der breit aufsitzende intacte Sack der Decidua
reflexa, 14 mm breit, 15 mm lang, seine Aussenfläche glatt, nicht punktirt.
Nach Eröffnung dieser dünnen Haut findet sich zunächst eine 1—11/2 mm
dicke Schicht Blutcoagula, durch welche die Chorionzotten zur Eeüexa
laufen. Letztere sind über das ganze Ei verbreitet, am reichlichsten gegen
den oberen Umfang hin, und verästelt.

(Microsc. röthlich imbibirt, sonst gut erhalten, mit fibrillärem, hie und
da netzförmig angeordnetem Grundstock, in welchem auch Blutgefässe vor-
handen zu sein scheinen, jedoch nirgends Füllung der Blutgefässe; ver-
einzelte rein epitheliale Auswüchse. Ueberall Epithel sehr opak (dunkel-
körnig) undeutlich in würfelförmige ZeUen abgetheilt.)

Das Ei selbst vollständig unversehrt, stellt ein 9 resp. 8 mm Durch-
messer haltendes Bläschen dar.

Seine Höhle enthält eine wasserklare fadenziehende Masse (microsc.
zartes fädiges Netzwerk — wohl durch Spirituswirkung — und einzelne
grosse 1—3 kernige ZeUen — Gallertgewebe?) und im unteren (also in
dem der Uterinhöhle zugekehrten Theil der Reflexa) einen kleinen Embryo.

Auf der Innenfläche des Chorion, entsprechend der Insertion der
Zotten, sind mit der Loupe kleine Löcher wahrnehmbar.

Embryo schon fast undurchsichtig, weisslich trüb, misst in gerader
Linie genau 2 mm, ist aber bauchwärts stark geknickt. Amnion eng.
In der Eückengegend, besonders am Kopftheil, haben die erwähnten galler-
tigen Massen etwas grössere Zähigkeit, und es scheint dadurch eine Art
Adhärenz zwischen Chorion und Embryo hergestellt zu sein, doch lässt sich
der Embryo ohne Verletzung trennen. Der Embryo liegt dem Dotter-
bläsclien breit auf, letzteres röthlich durchscheinend, rundlich viereckig,
2 mm hoch und am freien (breiten) Ende etwas weniger breit. Seine
rechte Seite punktirt.

Hinter dem Dotterbläschen ein kurzer dicker Nabelstrang. Das vor-
dere Ende des Embryo von der Nabelblase abgehoben, lässt zwei bis zur
Knickungsstelle reichende hemisphärenartige Wülste erkennen; das Rücken-
mark scheint eine flache breite Einne zu bilden und etwas zu flottiren.

Das Nabelbläschen platzte beim Ueberbringen des Präparates in Spi-
ritus (Spiritus und Wasser zu gleichen Theilen)."

Nachdem ich von dem Embryo eine directe Prismenzeichnung

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1;:: aufgenommen hatte, habe ich ihn, 4mal vergrössert, bei verschie-

denen Beleuchtungsrichtungen und Lagerungen photographiren las-
sen. Dann wurde derselbe gefärbt und mikrotomirt. Leider erwies
er sich als ungenügend gehärtet und meine Schnittreihe besteht
grösstentheils aus Fragmenten, die nur für einige wenige Special-
fragen befriedigenden Aufschluss gewähren.
\'«;; Der Embryo (Taf. I. Fig. 7) misst in seiner grössten Länge

;<iiii: 2.2 mm und hängt durch einen in der Verlängerung des Körpers

"" verlaufenden dicken Stiel mit dem Chorion zusammen. Der grösste

Durchmesser der etwas collabirten Nabelblase misst 1.9 mm und
der Embryo sitzt derselben mit dem grösseren Theil seiner Längen-
ausdehnung auf, derart, dass nach oben nur das Kopfende, nach
unten das Beckenende, jenes in einer Länge von 0.4, dieses in
ji\'i\' einer solchen von 0.5 mm, die 1.3 mm lange Nabelspalte überragen.

,11 Eine schräge, nach rückwärts ansteigende Linie fasst die letztere

ilj: ein und bezeichnet die Umschlagsstelle der Leibeswand in das

Amnion. Dieses erstreckt sich, indem es den Embryo knapp um-
hüllt, vom vorderen Herzrand bis zur hinteren Fläche des Bauch-
stieles, in den es sich inserirt.

Der Eücken des Embryo zeigt in seinem Profil drei Erhebun-
gen und zwei Einziehungen. Eine ähnliche Wellenlinie beschreibt
das Rückenprofil auch beim Hühnerembryo derselben Entwickelungs-
stufe und ich habe s. Z. für die einzelnen Strecken die Ausdrücke
■f\' Kopfschwelle, Halsbeuge, Rückenschwelle, Lendenbeuge und Sakral-

■ schwelle vorgeschlagen. 2) Ich wage es nicht, ohne Weiteres diese
Ausdrücke auf den menschlichen Embryo zu übertragen, weil mir
[ die Zonenscheidung besonders am hinteren Ende noch zu unsicher

erscheint. Ich werde mich also damit begnügen von einer vorderen,
l; mittleren und hinteren Schwelle, sowie von einer vorderen und hin-

teren Rumpfbeuge zu sprechen. Die so prägnant hervortretenden
% Axenbiegungen sind um so bemerkenswerther, als ja späterhin ihre

äusseren Spuren sich verwischen und einer durchgehend convexen

3

1) Die 0.2 mm betragende Differenz dieser Angabe mit der RoTH\'sclien
beruht vielleicht darauf, dass ich an den vergrösserten Zeichnungen, Herr
Roth direct am Präparate gemessen hat, vielleicht haben wir auch nicht den-
selben hintern Endpunkt benützt.

2) Monographie S. 86 u. 114.

<

Sil

3;:

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Biegimg des Rückenprofiles weichen. Vom vorderen Kopfende ah ge-
messen, betragen die Abstände:

bis zum Gipfel der vorderen Schwelle . . 0.4 mm
„ „ Grund „ „ Beuge ... 1.0 „
„ „ Gipfel „ mittleren Schwelle . . 1.4 „
„ „ Grund „ hinteren Beuge ... 1.9 „

Die Ränder der Medullarplatte weichen nach beiden Seiten
auseinander, dieselbe ist somit noch nicht zum Rohr geschlossen;
indess zeigen doch die Durchschnitte, sowohl des Gehirn- als des
Rückenmarktheiles eine grössere Vertiefung der Rinne, als sie äus-
serlich zu erwarten war und ein kleeblattfSrmiges Profil. Im Be-
reiche der mittleren Schwelle weichen die Ränder der Medullarplatte
spindelförmig auseinander, im übrigen lassen sie sich als scharfe
Linien bis gegen das untere Körperende hin verfolgen.

An einigen Stellen sind Spuren der Rumpfsegmentirung zu er-
kennen; aus den Schnitten ergiebt sich, dass sich dieselbe bereits
weit nach rückwärts erstreckt. Die TJrwirbel erscheinen an einem
der Fläche nach gesehenen Schnittstücke als kleine Quadrate von
70 — 80 Durchmesser, die vom Medullarplattenrande noch über-
deckt sind.

Das Kopfende des Embryo ist im Vergleich zum übrigen Körper
sehr tief; dorsalwärts überragt es die Nabelblase um volle 1.1 mm,
während der Abstand des Rückens vom unteren Ende der Nabel-
blase höchstens 0.25 mm beträgt. Am oberen und vorderen Profile
zeichnen sich die Contouren vom Vorderhim, vom Gesichtstheil des
Kopfes, und der Ort des Herzens. Letzteres Organ ist, wie aus
den Durchschnitten sich ergiebt, noch ungeschlossen als doppel-
seitige Halbrinne angelegt. Es tritt steil vom oberen Nabelrande
aus zum Hinterkopf, diesem breit sich anfügend. — Eine Abghede-
rung von Schlundbogen besteht noch nicht, wie denn auch die
übrige Modellirung der parietalen Körperwand keine scharfen Cha-
ractere darbietet.

Die dem Embryo dicht ansitzende Nabelblase scheidet sich
durch einen am unteren Rande befindlichen Einschnitt in einen
keilförmigen hinteren und einen elhpsoiden vorderen Theil, jener
schiebt sich sockelartig zwischen die untere Rumpfhälfte und den
Haupttheil der Nabelblase ein. Die Oberfläche der letzteren ist

-ocr page 152-

T

it:

iii,,.,

höckerig, mit zahlreichen warzigen Vorsprüngen besetzt, wie solche
übrigens schon von früheren Beobachtern wahrgenommen worden
sind.\') Das die Nabelblase nach rückwärts überragende Körperende
verjüngt sich allmählich und läuft schliesslich in einen den Stiel
überragenden kurzen Stummel aus. Von der ventralen Fläche dieses
hinteren Körperendes geht der dicke Bauchstiel ab, der bei einer
Höhe von ca. 0.2 mm eine grösste Länge von kaum 0.8 mm be-
sitzt. Heber die Eandinsertion des Bauchstieles geben meine Zeich-
36; nungen und Photographien keinen ganz klaren Aufschluss, weil

dieselbe durch flockenartige Anhänge verdeckt ist. Auch haben mir
die Durchschnitte desselben wenig befriedigende Ergebnisse geliefert,
nur soviel kann ich mit Sicherheit angeben, dass derselbe bereits
gefässhaltig ist.

S(1
t

1) Dieser Character ist in der Lithographie verwischt worden.

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Embryo E.

(Länge (incl. Bauchstiel) 2.6 mm.)

k

Unter meinen älteren Zeiclmnngen finden sich die nach frischem
Präparate aufgenommenen eines sehr kleinen Eies, das ich 1869
Yon Herrn Dr.
Ecklin in Basel erhalten hatte. Decidua und Ei
befinden sich noch in der Baseler anatomischen Sammlung. 0 Den

in letzterem befindlichen Embryo habe ich damals, ohne glücklichen
Erfolg zu mikrotomiren gesucht. Das frische Ei war, von ellipsoider
G-estalt, hatte einen Durchmesser von 8V\'2 auf 5\'/2 mm und war

1) Mit der Catalogbezeichnung H. d. 2 von Prof. Kollmann in seiner
Arbeit mit benutzt. 1. c. S. 278.

His, Mensohl. Embryonen. 10

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f

rings von Zotten umgeben. Der einen Breitseite anhängend, fand
l\'\'\' sich im Innern ein kleiner Embryo, dessen Länge mit Einschluss

des Stieles 2.6 mm, bis zur Erhebungsstelle des letzteren 2.1 mm
betrug. Die] Nabelblase war etwas abgeplattet u,nd mass 2.3 auf
1.6 mm. Der Embryo sass ihr in einer Länge von 2 mm auf und
war im Uebrigen von einem Amnion umhüllt, das auch die obere

............Fläche des Stieles mit umfasste. Der Embryo, obwohl an Länge

i<ii,:;. hinter dem vorhin beschriebenen S. E. nicht zurückstehend, war

""\'1\' noch entschieden jünger als jener, dafür sprach nicht allein die et-

was geringere Grösse des Eies, sondern vor allem die äussere Con-
ll;;; figuration des Embryo und sein Verhältniss zur Nabelblase.

Nach meinen anderweitigen Erfahrungen zweifle ich nicht, dass
„::;, man mit Hülfe gviter Glasphotographien noch mehr Detail zu finden

iji^- vermocht hätte, als meine damals mit Syst. I. Hartnack aufge-

nommenen Zeichnungen darbieten, besonders gewähren die letzteren
über die genaueren Form Verhältnisse des hinteren Körperendes
\'!i„>il| ungenügenden Aufschluss. In Betreff des vorderen Endes dagegen

besagen sie in sehr bestimmter Weise, dass dasselbe an seiner dor-
salen Fläche zwei durch eine Längsfurche geschiedene plumpe Wülste
• zeigte, und dass seine ventrale Fläche noch sehr viel breiter als bei
,S. R. der Nabelblase aufsass. Noch sind Nabelblase und Vorder-
köpf nicht durch eine hohe Herzanlage geschieden, und das Einzige,
""(!;; was auf letztere scheint bezogen werden zu müssen, ist ein unter

1" dem Seitentheil der Kopfanlage gelegener Längswulst (Hz. Fig. 9),

der wohl als die parietale Muskelfalte aufzufassen ist, die laut Hen-
sen\'s am Kaninchen gemachter Entdeckung bei Säugethieren sehr
)v frühzeitig die Herzbildung einleitet. Vor diesem Wulst sieht man

zwei vom Kopf her gegen die Nabelblase ausstrahlende Gefäss-
Stämme.

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Yergleicliiiiig

jüngerer menscMiclier Embryonen unter einander;
Yersucli einer Stadieneintlieiliing.

Für die Formungsperiode des Hühnchenembrj\'^o hat es sich als
bequem erwiesen, bestimmte Stadien auseinander zu halten und mit
Ziffern zu bezeichnen. Indem ich im nachfolgenden versuche, auch
für die Bildung menschhcher Embryonen eine solche Stadienschei-
dung durchzuführen, schhesse ich mich hinsichtlich der Ziffern an
die s. Z. für die Hühnchenentwickhmg gewählten Bezeichnungen an \')
und ich werde da, wo noch Unsicherheit besteht, oder wo die dor-
tigen Stadien etwas zu dicht beisammen hegen, je zwei derselben
zusammenziehen, ohne die Ziffern zu ändern. Ein genauer Paral-
lelismus der Entwickelung besteht übrigens, wie die embryologische
Erfahrung genügend bewiesen hat, bei Repräsentanten verschiedener
Klassen und Ordnungen des Wirbelthierreiches nicht. Veränderungen,
die bei dem einen Entwickelungsgang zusammentreffen, können bei
einem anderen zeitlich auseinander fallen. Beim menschlichen Em-
bryo z. B. fällt der Schluss des Amnion vor denjenigen der Medullar-
röhre und vor die Bildung einer äusserhch sichtbaren Herzanlage,
während bei manchen Säugethieren, sowie beim Vogel der Amnion-
schluss erst in einer viel späteren Zeit vor sich geht. Für andere
Entwickelungen verhält sich\'s umgekehrt, so^ tritt z. B. die Linsen-
anlage beim Menschen weit später auf als beim Hühnchen, das-
selbe gilt von den peripherischen Nerven. Nichtsdestoweniger wird
es keine Schwierigkeiten machen, nach dem Gesammthabitus der
Entwickelung die Stufen aufzustellen, welche sich in verschiedenen
Thierklassen entsprechen.

1) Monographie S. 56.

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f

;.........

i;;:::\' , 1. Stadium.

Für die rornieiitwickelung des Vogelleibes bildet der scheiben-
förmige Keim des noch unbebrüteten Hühnereies den gegebenen
Ausgangspunkt der Betrachtung. Als eine entsprechende Stufe der

......- Säügethierentwickelung kann die Keimblase angesehen werden zu

,„,,,,, der Zeit, da an ihr ein scheibenförmiger Embryonalfleck mit einem

.............an dessen Innenfläche sich vorwölbenden Zellenreste (Keimhügel

nach Hensen 0) sichtbar ist. Menschliche Früchte dieser Stuffe
kennen wir bis jetzt durch Mittheilungen von
Wharton-Jones, von
Eeichert und von Beeuss. Einige fernere unter den beschriebenen
Präparaten, die vielleicht hierher gezählt werden müssten, sind zu
sehr misshandelt worden, um für die Frage von der Embryobildung
wissenschafthche brauchbare Ergebnisse zu
gewähren.2)

Das für unsere Kenntniss frühester menschhcher Entwickelung
so wichtig gewordene Ei von
Eeichert hatte abgeflachte Gestalt,
es mass im äquatorialen Durchmesser 5.5 mm, im kurzen 3.3; es
besass zwei zottenfreie Stellen an den beiden Flachseiten, während
seine Randzone mit Zotten besetzt war. An der der Uteruswand
zugekehrten Fläche, deren zottenfreier E\'mkreis 2.5 mm betrug, lag
der kreisrunde Embryonalfleck. Sein Durchmesser wird von
Rei-
chert
zu V» der Basilarfiäche angegeben; dies ist unbestimmt, weil
aus den Angaben nicht klar hervorgeht, ob ein Drittheil von 5.5 oder
von 2.5 mm zu nehmen ist; aus der Zeichnung ergiebt sich jener
Durchmesser zu 1.6 mm, dies ist vielleicht noch etwas zu wenig,
denn die angeblich 4 fach vergTÖsserte Zeichnung bleibt in ihren
Maassen unter den laut dem Text zu erwartenden. Im Bereiche des
Embryonalflecks zeigte dies Ei zwei nach ihren Elementen verschie-

■........

1) Hbxsen, Zeitschrift f. Anat. u. Entwickelungsgesch. I. S. 262.

2) Dahin gehört wohl u. A. das von Beigel u. Löwe beschriebene Ei (Arch.
f. Gynäkologie 1877 XII. S. 421, 4—5 mm lang, 272—3 mm hoch. Dasselbe
war frisch mit Brunnenwasser von anhaftenden Blutgerinnseln gereinigt und
dann Jahre lang in Glycerin aufgehoben worden. Von älteren Beobachtungen
ist diejenige von
Volkmam über ein Ei von 4 mm (13/4"\' Par.) zu citiren. Das
Ei war mit Zotten bedeckt,
Vol-kmann fand in ihm keinen Embryo, sondern
eine gallertartige, anscheinend von einer dünnen Haut umgebene Masse (
Mül-
lee\'s
Archiv 1839. S. 248).

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flene Zellenschicliten: die übrigen Theile der Blase, sowohl die kahlen,,
als der zottentragende, waren einschichtig. Die Höhlung des Eies
zeigte sich von einem Filz feiner Fäden durchzogen, die den ganzen
Hohlraum erfüllten, überall der Hülle anhafteten und mit einem
kugligen Körper zusammenhingen, welcher sich an der basilaren
Wand befand.

Schon im Jahre 1837 hat Wharton-Jones ein Ei beschrieben
und abgebildet, das, obwohl in der Literatur wenig beachtet, doch
beanspruchen darf, dem
eeicheet\'schen zur Seite gestellt zu wer-
den.\') Das Ei stammte von Dr.
Mackenzie ; derselbe hatte es dem
Abortus einer Frau entnommen, bei welcher die Periode einmal aus-
geblieben war, und schätzte dasselbe, offenbar zu hoch, auf
3 bis
4 Wochen. Seine Grösse im frischen Zustande wird gleich derjenigen
einer grösseren Erbse angegeben. An der nach dem Alkoholpräparate
aufgenommenen Zeichnung beträgt der längste Durchmesser 6.2, der
darauf senkrechte kürzeste
4.7 mm. Demnach war dies Ei nur um
weniges grösser als das von
Eeicheet. Auch hier war die eine,
und zwar die der Uterushöhle zugewendete Fläche kahl, das übrige
Ei von Zotten bedeckt.
Wharton-Jones umschnitt die glatte Wand
und fand die Eihöhle von gallertiger Masse erfüllt; in dieser ein-
gebettet lag ein kleiner kugliger Körper, dessen Durchmesser laut
der Zeichnung ca. l^\'o mm betragen hat. Auffallend erscheint es,
dass der letzterwähnte Körper an der Peripherie des Eies gefunden
wurde, und nicht, wie bei
Eeicheet, der glatten Wand anliegend;
vielleicht darf man dabei an eine durch die Präparation herbei-
geführte Verschiebung denken, dadurch entstanden, dass die der
Füllungsmasse anhaftende Kugel bei der Abhebung der glatten Wand
von dieser sich losgetrennt hat.
Wharton-Jones selbst hielt den
kugligen Körper für die Keimblase 3), richtiger ist er als bioser Endo-
dermkörper aufzufassen. Ueber einen äusserlich wahrnehmbaren

1) Philos. Transactions 1837. p. 339.

2) Die hohe Schätzung erklärt sich hier, wie in mehreren ähnlichen
Fällen dadurch, dass nicht von der ausbleibenden Periode ab, sondern von
der muthmaasslichen letzten Begattung ab gerechnet wurde.

3) It was evidently the vesicular blastoderma; on being taken out and
examined under the microscope it presented the same friable globular struc-
ture found in the vesicular blastoderma of the Rabbit. 1. c. 342.

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?

Embrj^onallleck macht Whaeton-Jones keine Angahe, wobei indess
wohl zn beachten ist, dass er das Präparat nicht frisch, sondern
nach vorausgegangener Alkoholbehandlung gesehen hat.

Das dritte hier aufzuführende Ei ist das von K. Beeuss be-
schriebene. Bei einer 28jähr. Erau war 10 Tage nach Ausbleiben
=-Ii der Menses, anlässhch einer lebhaften Bewegung Blutung und Aus-

stossung eines dünnwandigen Abortus eingetreten. Das Präparat ist
von Dr.
Standhaetnee in ziemlich starken Alkohol gesetzt und
dem Wiener pathol. Institut übergeben worden. Auch hier bezieht
sich sonach die Beschreibung auf ein durch den Alkohol bereits
mehr oder weniger verändertes Präparat. Das Ei war ein kughges
zartes Bläschen, von durchscheinender Beschaffenheit; es war noch

.......t

völhg unverletzt, mass aber einschhesshch der 1 mm langen Zotten

Ii:;; nur 5 mm im Durchmesser, ohne diese somit nur 3 mm. Eine 2 mm

"l im Durchmesser fassende kreisrunde Stelle war zottenfrei, der Eest

des Eies mit Zotten besetzt. Von einem äusserhch sichtbaren Em-
bryonalfleck wird Mchts erwähnt, dagegen fand sich auch hier, wie
\'»ir in den Eällen von Reichert und von Whaeton-Jones ein gegen

.....i die Höhlung vorspringendes Knötchen, das 1 mm lang, 0,5 mm breit

war und das aus kernhaltigen Zellen bestand. Beeuss glaubt, es
sei dies der zurückgebildete und unkennthch gewordene Embiyo ge-
wesen, eine, wie mir scheint, völlig unbegründete Vermuthung, auf
die
Beeuss auch keineswegs durch die Structur des Gebildes selbst,
sondern durch die Structur des Chorions geleitet worden ist. Die
Innenfläche des letzteren nämlich war mit einer Schicht unreifen
Bindegewebes nebst beginnenden Gefässanlagen bekleidet, und Fort-
setzungen dieser Schicht zogen sich bis in das Innere der epitheha-
len Zotten. Nun setzt aber das von der Schule gelehrte Dogma
voraus, dass Gefässe und Bindegewebe des Chorion diesem mittelst
der Allantois vom Embryo aus müssen zugeführt worden sein. Ein
Vorhandensein derselben vor Vorhandensein des Embryo ist nach
der herrschenden Lehre unverständüch und
Beeuss musste daher,
um seine Beobachtung mit dieser nicht in Widerstreit zu bringen,
auf den Ausweg eines zu Grunde gegangenen Embryos verfallen.

1) K. Beeuss, Ueber ein Ei aus der 2. Woche der Gravidität, Wiener
med. Wochenschr. 1877. S. 502.

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In gleicher Weise meint auch Ahlfeld dass die an jungen Eiern
heohachtete bindegewebige Innenschicht von der Allantois producirt
werde, und dass wohl, mit Ausnahme des Eies von
Eeichert, in
allen übrigen bisher beschriebenen Eällen frühzeitiger menschlicher
Eier der bereits gebildete Fötus wieder zu Grunde gegangen sei.
Wir werden späterhin die Berechtigung der herrschenden Allantois-
lehre beim menschhchen Bi besonders zu prüfen haben.

2. Stadium.

Im zweiten Entwickelungsstadium. streckt sich, nach den ver-
schiedenen an Säugethiereiern angestellten Beobachtungen, der Em-
bryonalfleck etwas in die Länge, nimmt birnförmige Gestalt an und
in seiner Mittelhnie entsteht die Primitivrinne.2) Dies Stadium, das
wir der Kürze halber als Stadium der Primitivrinnenbildung bezeich-
nen können, ist bis dahin an keinem menschlichen Ei beobachtet
worden.

3. Stadium.

Das dritte Entwickelungsstadium zeigt als wesenthchsten Vor-
gang die Erhebung der Rückenwülste und die scharfe Ausprägung
einer vorderen Keimfalte.3) Diesem Stadium gehört das oben be-
sprochene Ei E. an. Noch ist keine scharfe Scheidung der Medullar-
platten und keine Spur einer Segmentirung vorhanden; in groben
Zügen nur zeichnen sich die ersten Zonen des Körpers. Durchaus
eigenthümhch für das menschhche Ei erweist es sich, dass dasselbe
schon in dieser so frühen Periode ein geschlossenes Amnion, ein
vollständiges Chorion und einen dicken, den Embryo mit dem letzte-
ren verbindenden Stiel besitzt. 4)

1) Ahlfbld, Archiv f. Gynäcologie Bd. XIII. Heft 2. Beschreibung eines
sehr kleinen menschlichen Eies.

2) Bischoef, Kaninchenei Fig. 48 u. 49. Hundeei Taf. V. Fig. 31. E. F.
Hessen 1. c. Taf. IX. 21—24.

3) Bischoff Hundeei 33. Kaninchenei 51 u. 52. Bensen 1. c. IX. 25—27.

4) Vielleicht gehört in das 3. Stadium auch die von Schwabe beobachtete
Frucht. „Beschreibung einer sehr frühzeitigen menschl. Frucht im bläschen-

-ocr page 160-

if\'?\'

152 Vergleichung jüngerer menschlicher Embryonen unter einander u. s.
i. will 5. Stadium.

Beim Uebergang zum vierten Stadium legt sich die vordere
Keimfalte um; es bildet sich hierdurch ein freier Vorderkopf mit
ventralwärts gerichteter Gesichtsfläche und mit kurzem blindsack-
förmigen Vorderdarm. Gleichzeitig tritt eine schärfere Abgränzung
der Medullarplatte ein, die Eänder der letzteren wölben sich empor,
rücken sich stellenweise entgegen, und es treten auch die ersten
Andeutungen einer ürwirbelgliederung auf. Im Verlaufe des fünften
Stadiums nehmen diese Veränderungen ihren weiteren Fortgang; das
Medullarrohr schliesst sich grossentheils, die scharfe Abgränzung
i\'^i-: und die Zahl der Urwirbel nimmt zu und äusserlich wahrnehmbar

macht sich unterhalb des Gesichtstheiles die Form des Herzens
geltend.

Der eben characterisirten Entwickelungsstufe gehören\' unter den
bis dahin bekannten Fällen die Embryonen
1 und 2 von Allen
Thomson
an und der oben beschriebene Embryo SR Die beiden
thomson\'schen Fälle sind durch das ausführliche Referat in Köl-
liker\'s
Entwickelungsgeschichte allgemein bekannt. Nr. 1 war das
kleinere der beiden Eier, 9/40 Zoll oder 5.7 mm im Durchmesser

förmigen Bildungszustande." Diss, inaug. Berlin 1879. Aus der ohne Ab-
bildungen herausgegebenen Beschreibung lässt sich indess wenig präcises ent-
nehmen. Ferner scheint diesem oder dem nächstfolgenden Stadium das Ei
von Bruch angehört zu haben\'(Unters, über die Entwickelung der Gewebe
bei warmblütigen Thieren. Abh. d. Senkb. Ges. Bd. IV. u. VI. S. 201), für
das allerdings keine Maasse angegeben werden, das aber laut der Zeichnung
mit den Zotten etwa 8 mm gemessen hat. Es enthielt im Innern ein „hirse-
kerngrosses" Bläschen an einem kurzen Stiele aufsitzend, aber keine Spur
eines Embryo." Bemerkenswerth ist auch hier die Existenz des Stieles, im
Uebrigen lässt sich aus der Beschreibung wenig erschliessen.

1) Allen Thomson, Contributions to the History of the structure of the
human Ovum and Embryo before the third week after Conception with a
Description of some early ova Edinburgh, Med. and Surg. Journal
1839. Bd.
LII. p.
119. Mit sehr unwesentlichen Auslassungen im Text und mit sämmt-
lichen Abbildungen wiedergegeben in
Feoeiep\'s Neuen Notizen vom Jahr 1840.
Bd. XHI. S.
193. Einen Theil der Abbildungen hat Köllikee copirt 2 Ent-
wickelungsgeschichte.
2. Aufl. S. 305. Fig. 225-227, ebenso Ecker in s
Icônes Taf. XXXIV. Fig.
2-3.

|h.....hill

.............

iîii,:;;

Hi : ■■

5:

«V

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fassend, es war 6 Wochen nach der letzten Periode abgegangen,
somit nur 14 Tage nach der zuerst ausgebhebenen. Seiner Grösse
nach schätzt es A. T. auf höchstens 12—14 Tage. Das Chorion
war auf der einen Seite mit stärkeren Zotten besetzt als auf der
anderen. Die Nabelblase und der rudimentäre Em.br3ro füllten die
Höhle des Chorion nicht aus, der Durchmesser der Nabelblase be-
trug wenig mehr als die Hälfte des Eidurchniessers (an der Zeich-
nung etwas über 21/2 mm). Der Embryo war 1 Linie = 2.11 mm
lang. Zwischen Amnion und Nabelblase fand sich ein filamentöses,
zähes Gewebe, das A. T. für ein Gerinnungsproduct hält. Gegen
den Rücken des Embryo und gegenüber der Nabelblase war dies
Gewebe dichter und verband den Embryo und die Nabelblase mit
dem Chorion. Der Embryo lag fast glatt auf der Nabelblase und
hatte eine nur seichte, der Höhlung der letzteren zugewendete Darm-
rinne; sein Rücken war zusammengerunzelt, wahrscheinlich durch
den Alkohol. Das Kopfende war rundhch verdickt, und eine zwischen
ihm und der Nabelblase liegende Anschwellung schien das rudimen-
täre Herz zu sein. In Betreff der Rückenwülste glaubt A.
Thomson
sie hätten sich wohl schon vereinigt gehabt, was mir Angesichts der
übrigen Entwickelung unwahrscheinhch vorkommt. Nicht unwichtig
ist die Bemerkung, dass jener Beobachter das Ei nur am dritten
Orte, in schlechtem Lichte und ohne Berührung des Embryo durch
ein Instrument untersuchen durfte. Dasselbe war von Prof.
Cumin
in Glasgow in Essigsäure und schwachem Alkohol aufbewahrt worden.
Ohne diese Umstände müsste wohl
Allen Thomson den Bauchstiel,
dessen Vorhandensein mir aus seiner Eig. I, 4 sicher hervorzugehen
scheint, als Verbindungsglied mit dem Chorion erkannt haben. Er
hat zwar das Vorhandensein einer Verbindung von Embryo und
Nabelblase mit dem Chorion wahrgenommen, von ihr aber nur als
von einer einfachen Verklebung gesprochen.

Auch das zweite von Allen Thomson untersuchte Ei war nicht
in dessen eigenem Besitze, sondern in dem von D.
J. Reid. Es
stammte von einer 20jährigen Frau, welche 14 Tage vor ihrem
Tode unwohl gewesen war. Die letzte Periode hatte am 24. Mai
aufgehört. Der Tod erfolgte am 1. Juli. Unter der Voraussetzung,
dass die Periode bei der Erau regelmässig nach 4 Wochen wieder-
kehrte und je 5 Tage andauerte, war der Termin der Wiederkehr

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der 17. Juni, und das Alter der Frucht von diesem Termine ah be-
rechnet sich zu 14 Tagen. Auf diese Schätzung kommt auch A.
\\ Thomson mit Eücksicht auf die Grösse des Eies. Immerhin muss

i,: der Embryo früher abgestorben, bez. in seiner Entwickelung still-

gestellt worden sein als das Chorion; denn der Durchmesser des
letzteren betrug ß/io Zoll oder 15 mm in der einen, ^/lo Zoll oder
10 mm in der anderen Richtung. Die Zotten waren in der einen
Hälfte des Eies reichhcher und verästelter als in der anderen. Das
Ei wurde nach vorherigem Aufenthalt in Alkohol eröffnet, es zeigte
in der Nähe des einen Poles den Embryo nebst der Nabelblase.
Eer übrige Eiraum war von einem feinflockigen Gewebe durchsetzt.
Wie im ersten Falle so waren der Eücken des Embryo und das
\' hintere Ende des Dottersackes der Innenfläche des Chorion durch

festes Gewebe angeheftet, wobei Allen Thomson auch wiederum
\'i\'i;!!.\' mehr an eine Verklebung durch verdichtetes Zwischengewebe, denn

\' ■\'«<<1 an eine organische Verbindung durch einen Stiel zu denken scheint.

Ueber das ganze Verhältniss geben die Abbildungen keinen Auf^
i^vl schluss; in den beiden Figuren 3 und 4 wird, wohl etwas schema-

tisirt, das hintere Körperende abgerundet gezeichnet. Auch ein ge-
schlossenes Amnion wird nicht dargestellt, sondern nur Rudimente
eines solchen. Ich erkläre mir dies dadurch, dass bei Herausnahme
des Embryo aus dem Chorion ein vorhandener Stiel zerstört und
auch das Amnion verletzt werden musste, wogegen allerdings die
Nothwendigkeit nicht vorliegt, dass das letztere bis auf seine vor-
derste Insertion sich lostrennte. Abgesehen von diesem Punkte, in
welchem die Beschreibung und die Abbildung von
Allen Thom-
son\'s
Fall 2 von meinem Falle S. R. abweichen, besteht zwischen
beiden eine sehr grosse Uebereinstimmung. Die Maasse sind an-
nähernd dieselben, die Länge nämüch des TnoMSON\'schen Embryo
wird auf nahezu Vio Zoll oder gegen 21/2 mm, die des Dottersackes
auf etwa Vi
2 Zoll oder ca. 2 mm angegeben. Der Embryo sass der
Nabelblase beinahe flach auf, die Medullarrinne war noch klaffend,
unterhalb des Kopfendes trat, zwischen diesem und der Dotterblase,
die Herzanlage als unregelmässig umgränzte Masse hervor. An der
Profilzeichnung bemerke ich ferner einen Einschnitt am hinteren
Rande der Nabelblase, der bei S. R. in ähnlicher Weise wiederkehrt;
ebenso stimmt das allmähliche Niedrigerwerden des Körpers von

■,

-ocr page 163-

vom nach rückAvärts und das Vorhandensein von zwei mit der mitt-
leren Medullarrinne parallel laufenden seitlichen Rinnen.

Ich stelle nochmals die Maasse der his dahin hekannten 4 Fälle
des dritten his fünften Stadiums zusammen. Es betrugen

beiPräp. A.Tu S. R. A.Ti.
die Durchmesser des Chorion . 8.5 auf 5.5 mm 5.7 mm 9 auf 8 mm 15 mm
die Länge des Embryo (ohne

Stiel).......2.1 2.1 2.2 2.5

die Länge der Nabelblase . . . 2.3 2.6 1.9 2.1

(collabirt)

Nach den Maassen scheint der Embryo S. R. noch etwas unter
den zweiten Fall von
Allen Thomson gestellt werden zu müssen,
der erste Fall des letzteren Beobachters nähert sich in der Hinsicht
meinem Fall E., das Vorhandensein einer sichtbaren Herzanlage
stellt ihn aber über diesen und zu den beiden anderen. Die Längen-
bestimmung von E. ist wegen der (wenigstens an meiner Zeichnung)
unsicheren Abgränzung des hinteren KÖrperendes nur als approxima-
tive anzusehen, eher etwas zu klein als zu gross.

6. und 7. Stadium.

Die Bildung des embryonalen Leibes hat während dieser Sta-
dien einen gewissen vorläufigen Abschluss erreicht. Gehirn und
Rückenmark sind geschlossen, ersteres in seine primitiven Abthei-
lungen gegliedert, das Herz ist als Schlauch angelegt und, laut den
Erfahrungen an Thierembryonen bereits thätig; Chorda dorsahs und
Urwirbel erscheinen scharf umgränzt, der Urnierengang bereits in
Bildung. Bei alledem ist aber der Leib noch weit offen, der Mittel-
darm eine mit der Nabelblase in langgestreckter weiter Verbindung
stehende Rinne. Der Kopf ist noch nicht vorn übergebogen, ^del-
niehr bildet das Vorderhirn seinen obersten Abschnitt, und die Sym-
metriefläche, wenigstens für den Vorderkörper ist eine Ebene und
nicht, wie späterhin nach eingetretener Drehung, eine windschiefe
Fläche. Einzig das Herz mit seiner nach rechts gekehrten Aus-
biegung weicht von der allgemeinen Symmetrie ab. Dicht über dem
Eingang in den Vorderdarm hegend, erstreckt es sich mit seinem
Bulbustheile bis zu dem mit dem Unterkieferfortsatz abschhessen-

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den Gesichtstheile des Vorderkopfes hin. Stirntheil, Gesichtstheil
und Hinterkopf liegen in klarer Gliederung untereinander, und im
seitliehen Absehnitte der beiden letzteren sind die Paltungen auf-
getreten, welche die Bildung der ersten beiden Schlundspalten ein-
zuleiten hatten. Die Mundbucht ist eine offene Grube. Das untere
Ende des Körpers überragt bei dem menschlichen Embryo dieser
Periode als kurzer Stumpf den Bauchstiel.

|h.....st|i

........... :

Im.......tll

iÎL...... .

iHlIC-il

Die bekannte, von Gerbe gezeichnete Abbildung Coste\'s zeigt
uns diese Entwickelungsstufe in schönster Ausführung und ein Ver-
gleich derselben mit Abbildungen des entsprechenden Stadiums der
Hühnchenentwickelung (Monogr. Taf. XH. Fig. 20 und Körperform
Fig. 12 und 17) oder mit den zugehörigen Waehsmodellen lässt über
die übereinstimmende Bildung keinen Zweifel bestehen. Der Em-
bryo
El, den ich oben beschrieben habe, bildet, obwohl derselbe
unvollständig erhalten war, eine wichtige Bestätigung und Ergänzung

Vï,,

ISlIh;;

S.......■

............

1) Hist. du Dével. etc. espèce humaine Taf. II. Copirt bei Köllikek,
Entwickelungsgesch. 2. Aufl. S. 308. Fig. 228-229 und bei Ecker. Icones\'
physiol. XXX. 1. \'

-ocr page 165-

zu den durch Coste gewonnenen Anschauungen. Auch bei diesem
erscheint der Körper insofern noch ziemhch gestreckt, als weder
das Kopf- noch das Beckenende vorn übergebogen sind. Die beim
CosTE\'schen Embryo sehr stark ausgesprochene Einbiegung des
Rückens ist bei Li in geringerem Maasse vorhanden. In einem
wichtigen Punkte differirt der
CosTE\'sche Embryo nicht allein von Li,
sondern auch von einer Anzahl sonstiger Embryonen aus früheren Ent-
wickelungsstufen, er ist nämlich bedeutend länger. Die grösste Länge

des Embryo Li beträgt......2.45 mm,

M..........2.7 „

„ „ L2 (s. unten) ......2.9 „

„ „ von Allen Thomson Nr. 3 3.0 „
„ „ von
Steümpell (s. unten) 3.2 „

Die Länge des CosTE\'schen Embryo beträgt ohne Berücksich-
tigung der Biegung 41/2 bis 5 mm. Eine genaue Messung theilt
Coste in seinem Werke nicht mit, und in Betreff der Vergrösse-
rung findet sich bei ihm nur die Angabe, sie sei ungefähr 15fach.
Unter letzterer Voraussetzung ist die beistehende Figur auf ^/s, d. h.
auf 10 fache Vergrösserung umgezeichnet. An der unvergrösserten
Zeichnung misst der Embryo gegen 5 mm, an der 15fach ver-
grösserten gegen 8 cm.i) Der Unterschied ist für den Kopfantheil
des Körpers unbedeutend und ebenso für den Hinterleib, dagegen
sehr gross für den Mitteltheil des Körpers. Unter der Annahme,
dass in
Coste\'s Zeichnung die Vergrösserung genau 15 betrug,
komme ich zu folgenden Maassen:

Embryo von Coste Li

a) Abstand vom Scheitel bis zum hinte-
ren Rande des zweiten Schlundbogens 0.9 mm, 0.8 mm,

b) Abstand vom Scheitel bis zum Rand

der vorderen Darmpforte.....1-6 „ 1-15 „

c) Länge des freien Hinterendes . . . 0.35 „ 0.3 „

d) Abstand vom hinteren Endpunkte zur

hinteren Darmpforte ...... 0.8 „ 0.8 „

e) Länge des Darmnabels.....2.9 „ 0.65 „

1) Bei Köllikee finden sich die Maassangaben für das Ei 13.2 mm (wo-
bei die Zotten unzweifelhaft mitgerechnet sind) für den Embryo 4.4, für die
Nabelblase
2.75 mm.

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Einen gewissen Antheil an dieser Differenz wird man dem Um-
stände zuschreiben dürfen, dass
Coste\'s Abbildung wahrscheinhch
nach dem frischen, vielleicht künsthch gestreckten Objecte gezeich-
net ist, die meinige nach einem Alkoholpräparate; auch ist es mög-
hcherweise zu weit gegangen, wenn die
geebe\'sche Zeichnung, die
ja ihren VergrÖsserungsmaassstab nur ungefähr angiebt, der Zirkel-
messung unterworfen wird; indess darf man an der so vorzüghchen
Darstellung
Gerbe\'s gröbere Verzeichnungen kaum annehmen und
so bleibt der starke, Unterschied in der Entwickelung des Mittel-
leibes der beiden sich so nahestehenden Embryonen befremdend.

FigAd.

RgM

Ich stelle im Obigen die auf 10 fache Vergrösserung gebrachten
Zeichnungen der wichtigsten jüngeren Embrj^onen, des Embryo E.
(Eig. 11), des Embryo S. R. (Fig. 12), des Embryo
Allen ThOMSONl.
(Fig. 13), des Embryo Li (Eig. 14) und des Embryo M. (Fig. 15) zu-
sammen. Die Uebereinstimmung bez. der regelmässige Fortschritt in
den Dimensionen dieser 5 Embryonen bietet eine Gewähr dafür, dass
wir es :bei ihnen mit normalen Verhältnissen zu thun haben, und
dass die in ihnen repräsentirte Grössenscala als Ausgangspunkt zur
Beurtheilung anderweitiger Früchte benutzt werden kann.

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8. Stadium.

Beim Üebergang vom 7. zum 8. Stadium biegt sich der Kopf
nach vorn über, so dass nun das Mittelhirn am höchsten zu stehen
kommt, und er erfährt eine Drehung zur Seite. Auch das Herz
verschiebt sich; die zuvor einfach lateralwärts gewendete Schleife
wendet nunmehr ihre Convexität nach abwärts, der Bulbustheil des
Herzens erfährt eine Streckung, der Vorhofstheil eine Knickung, und
entsprechend der letzteren bilden sich die beiden Herzohren aus.
Die Schlundbogen und Schlundspalten sind sämmtlich vorhanden.
Der Schluss des Darms ist weiter fortgeschritten, die Yerbindung
jedoch mit der Nabelblase noch ziemlich weit. Das Beckenende
des Leibes ist nach vorn heraufgeschlagen, und der Bauchstiel er-
scheint nunmehr zwischen dieses und die Wurzel der Nabelblase
eingeklemmt.

Dem 8. Stadium gehört der Embryo M. an; seine anatomischen
Einzelnheiten sind oben so einlässlich beschrieben worden, dass es
nicht nöthig ist, hier nochmals auf dieselben zurückzukommen. Unter
den in der Literatur beschriebenen Embryonen passen mehrere in
dies Stadium, oder überschreiten dasselbe nur um Weniges. So ist
zunächst der 3. Fall von
Allen Thomson meinem Embrj^o M. in
Dimensionen und in Betreff der Gestaltung nur um Weniges voraus,
das Ei mass 25 mm (1 Zoll engl.), der Embryo 3 mm. Das Amnion
muss zerrissen gewesen sein, da
Allen Thomson angiebt, der Kör-
per sei ohne Bedeckung, gewesen und das Herz wäre frei aus dem
Körper herausgetreten. Auge und Ohr waren äusserhch nicht sicht-
bar, von Extremitäten keine Spur; die Nabelblase war mit dem
Darm noch in weitem Zusammenhang. Mit dem hinteren Ende
des letzteren war ein dicker zum Chorion führender Strang (Allantois-
strang von
Allen Thomson) verbunden. Das hintere Körperende
erscheint in der Abbildung gestreckt und nicht wie bei M. n\'äch
vorn heraufgeschlagen.

Dieser Embryo war wohl einige Zeit vor der Ausstossung in
seiner Entwickelung aufgehalten worden, da das Chorion unverhält-
nissmässig weit gewesen ist. Einen im gleichen Fall befindhchen
Embryo hatte im verflossenen Frühjahr Herr Dr.
Strümpell die
Güte mir einzuhändigen. Derselbe war von einem weit abstehenden

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Amnion umgeben. Er war im frischen Zustande 3.2 mm lang und
zeigte bei stark vornübergebeugtem Kopfe einen gestreckten Hinter-
leib. Letzteres Yerhältniss halte ich -bei diesem wie beim vorigen
Embryo für postmortal entstanden, und ich glaube, dass das Becken-
stück bereits nach vorn aufgeklappt war, dann aber sich weder zu-
rückgebogen hat, weil der innerhalb der Mutter abgestorbene Em-
bryo sich allmählich erweichte.

Aehnlichkeit mit diesen Embryonen besitzt auch der von v. Bae«
abgebildete.\') Derselbe zeigte einen durchweg gekrümmten Eücken
und war kaum 1 Linie oder ca. 2 mm lang; er war von einem
Amnion von ca. 4.5 mm Durchmesser umgeben, mit dem er durch
einen kurzen Stiel zusammenhing. Die Gestalt des Kopfes stimmt
sehr mit der vouM.; v.
Baek konnte daran 4 offene Schlundspalten
unterscheiden. Der Hinterleib war verkümmert und das Präparat
wurde deshalb von v.
Baee als Monstrum angesehen. Uebrigens
bleiben an der v.
baee\'schen Zeichnung auch in Betreff des Herzens
und der Nabelblase verschiedene Dinge unklar und einer nachträg-
lichen Deutung unzugänglich.

Auch der Embryo, den Scheoedee v. d. Kolk 2) abgebildet
hat, scheint dem VIII Stadium anzugehören; seine Länge wird
allerdings nur zu 18 mm, die der Nabelblase zu 3.3 mm angegeben.
Die Abbildungen sind ungünstig aufgenommen und die eine Fig. 14
ist fast unverständlich.

Eine von A. Ecker mitgetheilte Zeichnung ») zeigt einen Em-
bryo von 2 mm Länge von der Bauchseite her, so dass man in den
Nabelspalt hineinsieht. Die Nabelblase war mit dem Chorion ver-
wachsen, das Ei somit wohl kaum normal.

Ein von Hecker4) abgebildeter, vom Amnion dicht umschlos-
sener Embryo zeigt hinwiederum eine dem Embrj^o M. ähnliche

1) Entwickelungsgesch. Bd. 2. Taf. VI. Fig. 15—16 u. v. Siebold Jour-
nal für Geburtshülfe. 1834. Bd. XIV.
S. 409.

2) Verh. des Königl. Niederl. Instituts. 3. Reihe. 4. Theil. Amsterdam 1851.
Das von Henning gegebene und leicht missdeutbare Citat III 3 findet sich bei
Beigel-Lobwe und bei Bbeuss wieder.

3) Hecker, geburtshülfl. Klinik. II. S. 15. Taf. I.

4) A. Ecker, kleine embryol. Mitth. in den Verh. d. Freiburger naturf.
Ges. 1873. Bd. VI. S. 116.

T

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Kopfconformation ; im Uebrigen ist mit der Beschreibung wie mit
der Abbildung wenig anzufangen und beide enthalten sicherlich viel\'
Missverständliches. Massangaben sind nur für das Chorion gegeben,
dessen Durchmesser 17 auf 14 mm betrugen. Der angeblich 40 mal
vergrösserte Embryo misst nur 52 mm ; demnach ist unzweifelhaft
die Vergrösserung überschätzt; ein hinter dem 2. Schlundbogen lie-
gender Höcker wird als Extremitätenanlage gedeutet, ist aber wohl
eher als Gehörbläschenvorsprung zu verstehen. Das, was als Nabel-
blase bezeichnet wird, halte ich für das Herz. Es ist zu bedauern,
dass
Heckek dies Präparat nicht seinem Collegen Th. Bischopf
übergeben hat, dessen Untersuchung sicherlich weit fruchtvollere
Ergebnisse würde geliefert haben.

Fast noch unsicherer als Heckee\'s Darstellung erscheint die-
jenige, welche vor Kurzèm
Beigel von dem angeblich drittjüngsten
menschlichen Embryo gegeben hat. Die Länge desselben wdrd zu
4 mm angegeben, und da die Zeichnung 48 mm lang ist, so muss
sie bei 12facher Vergrösserung aufgenommen worden sein. Die
Zeichnung ist nur zu verstehen, wenn man annimmt, dass das hin-
tere Körperende verstümmelt worden ist; denn der Kopf macht weit
mehr als die Hälfte der ganzen Länge aus und besitzt eine Länge
und Tiefe, welche derjenigen der 7 mm langen Embryonen gleich-
kommt. Die Länge desselben beträgt nämlich vom Scheitel bis
hinter den 3. Schlundbogen 2.25 mm, die Tiefe in der Vorderhirn-
gegend 2 mm. Ein vor den Schlundbogen liegender Körper, den
Beigel Nabelblase nennt, scheint mir, seiner Grösse und Lage nach
zu schliessen, das Herz zu sein;
Beigel bezeichnet seinerseits als
Herz eine im unteren Körperdrittel und unterhalb der angeblichen
Nabelblase gelegene kleine Kugel.

Endlich führe ich noch den von Beuch (Taf. X Fig. 4 u. 5 S. 264
seiner oben citirten Abh.) abgebildeten Embryo an, der in bemerkens-
werther Weise die Drehung des Körpers, Kopf nach links, Steissende
nach rechts zeigt. Statt des Bauchstieles wird eine angeblich freie
blasenförmige Allantois beschrieben und abgebildet.

1) Beigel, Archiv f. Gynaecol. 1878. S. XIII. 437 das Ei ging 14 Tage
nach Ausbleiben der Menstruation ab, sein Durchmesser betrug unversehrt
7 u. 9 mm., die Untersuchung geschah unter Assistenz von S. Schenk.

His, MenscM. Embryonen. 11

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9. Stadium.

Das 9. Stadium möchte ich heim menschhchen Embryo dadurch
characterisiren, dass die allgemeine Körperkrümmung zunimmt und
in Folge davon Nacken- und Scheitelkrümmung als ausspringende
Winkel scharf hervortreten. Ebenso schreitet die Ghederung des
Gehirns weiter fort, das Hemisphärenhirn scheidet sich äusserhch
wahrnehmbar vom Zwischenhim, der Zugang zur Nabelblase verengt
sich, von einem Leberwulst treten oberhalb des Nabels die ersten
Andeutungen auf, wogegen die Extremitätenanlagen noch kaum sicht-
bar sind.

Diesem Stadium gehört ein Embryo an, den ich wie den früher
beschriebenen
Li der Güte des Herrn Collegen Leuckart verdanke.
Der in seiner Entwickelung hinter den Häuten zurückgebliebene Em-
bryo mass in längster Eichtung 3 mm. Das, behufs Aufstellung in
der Sammlung, künsthch ausgedehnte Chorion hatte einen Durch-
messer von 16 mm; das Amnion umgab den Embryo als weiter
loser Sack; die Nabelblase besass eine durchscheinende dünnwandige
Beschaffenheit, und auch der Bauchstiel zeigte ein ähnliches Gepräge.
Der Kopf des Embrj^o fiel durch seine bedeutende Tiefe auf und
erinnerte in der Hinsicht an einen der von
Coste (Taf. II a) abge-
bildeten Embryonen. Der starke Unterkiefer hing schlaff herab, die
Schlundspalten waren nicht deutlich und auch die Herzgränzen er-
laubten keine feste Bestimmung. Der Hinterleib trat frei in die
Höhe und bog sich sehr stark nach der hnken Seite ab. Die weiche
Beschaffenheit des Präparates erlaubte keine eingehendere Durch-
arbeitung.

In das 9. Stadium reihe ich auch den Embryo, von welchem
JoH.
Müller eine zwar schwach vergrösserte aber sehr gute Ab-
bildung gegeben hat, die ich, auf 10 fache Yergrösserung umgezeich-
net, beifolgend reproducire.\') Der Embryo hatte eine Länge von ca.
51/2 mm 2), war vom Amnion umhüllt und mit der Nabelblase noch

1) JoH. Müllee, Physiol. 4. Aufl. Ed. II. Taf., der Text dazu findet sich
S.
713 u. im Archiv 1834 S. 8 u. 1836 CLXVII.

2) J. Mülleh giebt die Länge des Embryo zu 272"\' an, er sagt aber nicht
welches Maass; auf rheinisch Maass giebt dies
5.45 auf Par. Maass 5.67 mm.

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in nnniittellbarer Beziehung; der aus dem Körper hervortretende
Darm setzte sich nur durch eine Einschnürung von letzterer ab. Es
ist nicht überflüssig zu bemerken, dass
J. Müller ein Hauptgewicht
auf den Nachweis dieses Zusammenhanges gelegt hat. Der Embrj^^o
zeigt nämlich andere Eigenthümhchkeiten, die vielleicht als Folgen
einer im Interesse jenes Nachweises ausgeführten Präparation zu
deuten sind. Der Rücken des Embryo ist auf das stärkste einge-
knickt und das Beckenende sieht nach unten, statt nach oben hin.
Sehr schön tritt unter diesen Umständen das Verhältniss der Bauch-

wand zum Bauchstiel hervor und die Insertion des Amnion an
letzterem. Denkt man sich das untere Körperende von der Ein-
knickungsstelle ab nach vorn in die Höhe geschlagen, so wird der
Bauchstiel zwischen das Beckenende und die Nabelblase in ähnlicher
Weise eingeklemmt werden, wie dies z. B. bei meinem Embryo M.
der Fall ist.

Eine ähnliche Verbiegung des hinteren Körperendes zeigt der
von
E. Wagner abgebildete Embryo i), dessen Länge auf 2oder
4.5 mm angegeben wird. Auch da halte ich die Einknickung des

1) R. Wageee\'s Icones physiolog. VIII. 2 und 3, und Eckbr\'s Icones
XXV. 5.

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Eüokens und die Abwärtsrichtung\' des Beckenendes für anormal,
mag nun die Entwickelung abnorm vor sich gegangen, oder mag
an dem Embryo in Eolge von intrauteriner Erweichung die Rück-
biegung eingetreten sein.
Wagner zeichnet an seinem Embryo
einen Leberwulst und Extremitätenstummel, am MüLLER\'schen Em-
bryo ist der Leberwulst gleichfalls vorhanden, von Extremitäten aber
Nichts wahrzunehmen.

10. Stadium.

Als zehntes habe ich beim Hühnchen das Stadium bezeichnet,
welches durch Sichtbarwerden der Extremitätenanlage sich charac-
terisirt. Der menschliche Embryo erreicht diese Stufe zugleich mit
einer Körperlänge von ca. 4 mm und einem Alter von ca. 3 Wochen.
Den Uebergang in dieses Stadium bildet der vorhin schon citirte
Embryo
II a von Coste, ferner gehören dahin der schöne von Hen-
sen
beschriebene und abgebildete Embryo, mein Embryo a und eine
der Beobachtungen von
Allen Thomson.

Coste\'s Embryo wurde direct dem Uterus einer Selbstmörderin
entnommen\'); er ist an der ca. 15fach vergrösserten Zeichnung 60mm
lang, was eine natürliche Länge von 4 mm ergeben würde. Er ist
in der Zeichnung von der rechten Seite her dargestellt und das
Steissende ist demnach verdeckt. Ob es sich soweit nach rückwärts
gebogen hat, wie bei meinem Embryo a, ist aus der Zeichnung
nicht zu ersehen. Letztere sieht so aus, als ob das, was man unter
den Bauchstiel treten sieht, wirklich das letzte Ende darstellen sollte.
Die Zahl der gezeichneten Segmente beträgt bis dahin 31. Da der
Embryo mit meinem Embryo a im Uebrigen so vielfache Ueber-
einstimmung zeigt, so glaube ich annehmen zu dürfen, dass
Coste
das verdeckte Steissende seines Präparates übersehen und der Zeich-
nung einen vorzeitigen Abschluss gegeben hat. Das Amnion liegt
dem Embryo dicht an, die Nabelblasenverbindung ist stark ein-
geengt, obwohl es noch nicht zur eigentlichen Stielbildung gekom-
men ist; ein kurzer Bauchstiel führt zwei Arterien und Venen zum
Chorion. Die Extremitäten sind als niedrige Wülste eben sichtbar

1) Im Text auf 20 bis 21, auf der Tafel auf 20 bis 25 Tage geschätzt.

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geworden, nnd auch die Leheranlage ist noch verhältnissmässig sehr
unbedeutend. Am Kopf sind alle vier Schlundbogen sichtbar, der
Aortenbulbus inserirt sich vor dem zweiten bis vierten, in Verlän-
gerung ihrer Eichtung an sie herantretend.

Auch der Embryo von Mensen i) ist in der rechten Seitenansicht
abgebildet und sein Steissende ist durch den Bauchstiel verdeckt
Die Länge des Embryo betrug
4.5 mm, auch sind die Extremitäten
weiter hervorgetreten als am
CosTE\'schen und an meinem Präparate.
Der Embryo ist mehr gestreckt, vielleicht in Folge der Eröffnung
des Amnion. Letzteres hatte denselben knapp umschlossen. Es sind
alle
4 Schlundbogen sichtbar, von denen mir indess in der Profil-
ansicht der erste durch seine Kürze auffällt. Li Fig. 2 wird er so-
gar vom zweiten Bogen überragt. Dass dieser Embryo etwas weiter
entwickelt war als mein a geht aus der bereits eingeleiteten Thei-
lung\'der Hirnhemisphären hervor.

Bensen vergleicht seinen Embryo demjenigen von Allen Thom-
son,
den Kölliker in der Entwickelungsgeschichte Fig. 231 abge-
bildet hat, und dessen Länge zu
4.5 mm angegeben wird. Auffallend
bei letzterer Zeichnung ist es mir, dass an dem von der linken Seite
her gezeichneten Embryo das untere Körperende verdeckt ist. Der
Embryo liegt hier mit\' der rechten Seite dem Chorion an. Es w^äre
von Interesse, zu wissen, ob dies beim Präparate in der That der
Fall war oder ob vielleicht die Umkehr nur Sache des Holzschnittes
ist. Im Uebrigen wird man zwischen jener Zeichnung imd meiner
Figur VIII. a eine bedeutende Uebereinstimmung finden, die sich
nicht nur auf die äusserlich sichtbaren Theile, sondern vor allem
auch auf den Grad der Zusammenkrümmung erstreckt.

Coste\'s Embryo von Taf. III. und Allen Thomson\'s Nr. 5
(Fig. 232 von Kölliker) sind älter als die bis dahin betrachteten
und schliessen sich schon mehr dem Stadium meiner Embryonen
A. und B. an. Die Nabelblase ist gestielt und es ist die Linsen-
grube sichtbar, die bei den vorhin aufgeführten Embryonen des 10.
Stadiums noch nicht vorhanden war.

Es hat vorerst kein Interesse, mit Stadiennummern weiter zu

1) Archiv f. An. u. Physiol. Anat. Abth. 1877. S. 1. Taf. I.

2) 2. Aufl. S. 311.

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gehen als his hierher. Mit dem Auftreten der Extremitätenanlagen
hat die eigentliche Formungsperiode ihren Ahschluss erreicht und
zur Auseinanderhaltung folgender Entwickelungsstufen genügen die
Angaben der bezüglichen Körperlängen.

Die Altersbestimmung sehr junger Früchte.

Ziemlich allgemein hatte man früher bei Altersbestimmungen
junger Früchte den Termin der muthmasshch entscheidenden Co-
habitation als Ausgangspunkt der Berechnung gewählt, in concreten
Fällen suchte man demnach auch diesen Termin möglichst genau
zu bestimmen. Nachdem einmal durch die Arbeiten verschiedener
Forscher, vor allem durch diejenigen
Th. Bischoff\'s festgestellt
war, dass der Austritt von Eiern aus dem Ovarium beim mensch-
lichen Weib zur Zeit der Periode, oder kurz vor dieser geschieht,
formuhrte man zunächst die Annahme, dass das Ei, welches zur Zeit
der Periode das Ovarium verlassen hat, während seines ganzen
Weges durch die Tuben, ja selbst noch im Uterus befruchtungs-
fähig sei. Die Dauer des Verweilens des Eies in den Leitungswegen
bestimmte demnach die Zeit, während welcher dieses Ei durch den
später eingetretenen Samen zur Entwickelung gebracht werden konnte.
Die für wissenschaftliche Zwecke schwer zu sammelnden Erfahrun-
gen des täglichen Lebens schienen mit dieser Voraussetzung häufigen
Widerspruch zu bieten. Jedenfalls war dieselbe nicht in Ueberein-
stimmung mit demjenigen, was wir über die Befruchtung thieri-
scher Eier wissen. Vom Huhn ist seit ältester Zeit bekannt, dass
das Treten durch den Hahn auf 8 — 10 Tage hinaus wirksam sich
erweist, und es ist du.rch
Coste 0, sowie durch mich selbst^) und durch
Oellacher\'^) nachgewiesen, dass der Keim eines den Eileiter unbe-
fruchtet durchwandernden Eies erheblich sich verändert.
Coste hat
ausdrückhch gezeigt, dass das Ei nach Verlassen der obersten Ab-

1) Coste, Hist. gen. etc. Bd. II. p. 76 u. f.

2) Monogr., Entw. d. Hühnchens. S. 14.

3) Obllachbk, Zeitschrift f. wissenschaftl. Zool. XXII. die Veränderungen
des unbefruchteten Keimes des Hühnereies im Eileiter.

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schnitte des Eileiters nicht mehr befmchtungsfähig ist. Eernef
wissen wir durch die Arbeiten von
Th. Bisohofp und von Bensen,
dass bei Säugethieren die Eurchung im Eileiter abläuft, und dass
je einem bestimmten Abschnitte des letzteren eine bestimmte Ent-
wickelungsstufe entspricht. Darnach erscheint es auch für den Men-
schen in hohem Grade unwahrscheinhch, dass das Ei wochenlang
nach seinem Austritt aus dem Ovarium befruchtungs- und entwicke-
lungsfähig bleiben soll, während aus der Erfahrung keinerlei Ein-
wand gegen die wochenlange Lebensfähigkeit der in den Falten der
Tubenampulle weilenden Spermatozoon sich erheben lässt.

Nachdem nun Reichert in überzeugendster Weise dargethan
hat, dass der Eintritt der periodischen Blutung nur den aufräumen-
den Schlussact einer Reihe von Vorgängen darstellt, welche dem be-
fruchteten Ei die Stätte der Entwickelung zu schaffen hatten, und
nachdem die anatomischen Arbeiten von
Leopold bestätigt haben,
dass die TJterusschleimhaut lange vor Eintritt der Periode stetig
schwillt, steht die richtige Reihenfolge der Vorgänge wohl für jeden,
der unbefangen urtheilt, ausser Zweifel. Nachdem in irgend einem
Zeitpunkt der intermenstruellen Periode der Samen in die weiblichen
Leitungswege gelangt und hier mit einem Theile seiner Elemente
bis zur Ampulle vorgedrungen ist, wird von demselben das Ei er-
wartet, das vor dem Eintritt der zunächst zu erwartenden Periode
das Ovarium verlässt. Im obersten Theile der Tuba erfolgt sonach
die Befruchtung und ist diese erfolgt, so wird nun auch der Gang
der Veränderung im Uterus ein anderer, indem progressive an Stelle
der regressiven treten, und die den letzteren entsprechende Blutung
ausbleibt. Wie das Säugethier- und wie das Vogelei, so durchläuft
sicherhch auch das menschhche seine Furchung während des Durch-
ganges durch den Eileiter, und man wird kaum erwarten dürfen ein
viel früheres Stadium als das von
Reichert gesehene im Uterus
aufzufinden.

Ist die obige Darstellung richtig, dann ist die sicherste Be-
rechnung der Altersdauer junger menschhcher Embryonen die nach
dem Eintrittstermin der zuletzt ausgebliebenen Periode. Der Zeit-

1) V. Leopold , Studien über die Uterusschleimhaut im Archiv f. Gynä-
kologie. Bd. XL

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zwar

piinkt, in welchem Ei und Samen sich begegnet sind, fällt
vor jenen Termin, aber so lange wir den zwischen dem Platzen
der Follikel des Ovariums und dem Eintritt der Uterusblutung vor-
handenen zeithchen Zwischenraum nicht genau kennen, werden wir
uns am besten an den Zeitpunkt halten, den wir überhaupt be-
stimmen können. Das wirMiche Alter der Embryonen, d. h. die
Zeit, die zwischen der Eibefruchtung und der Ausstossung bez. dem
Absterben verflossen ist, ist gleich zu setzen dem Zeitraum seit
der ausgebliebenen Periode und einem unsicheren Zuschlage von
vielleicht zwei bis drei Tagen.

Von den jüngsten bekannten Eiern ist das EEiCHERx\'sche 14 Tage,
das von
Beeuss 10 Tage, das 1. von Allen Thomson 14 Tage, d\'ls
SuRY
-EoTH\'sche wahrscheinlich auch 14 Tage nach Ausbleiben der
Menses ausgestossen, bez. aus dem Uterus entnommen worden.
Daraus wäre zu entnehmen, dass die ersten 4—5 Stadien auf die
Zeit von
12 — 16 Tagen fallen und wahrscheinhch ziemlich rasch
durchlaufen werden. VL bis VIII. Stadium würde dann wohl auf
die Tage
16—18 oder auf 21/2 Wochen, IX. und X. Stadium auf das
Ende der dritten Woche und den Beginn der AÜerten zu setzen sein.

Dass es auch Beobachtungen giebt, die mit obiger Voraussetzung
nicht stimmen, zeigt u. A. der Fall von
Hensen, in dem die Frau,
welche den 3 — 31/2 wöchentlichen Embryo ausstiess, drei Wochen
vorher ihre Periode gehabt hatte. Es wird Sache der Gynäkologen
sein an-der.Hand ihrer breiten Erfahrung zu prüfen, ob man bei
Beurtheilung dieser Dinge mit der von
Eeicheet angebahnten Auf-
fassung ausreicht, oder ob Erweiterungen derselben nach der einen
oder anderen Richtung nöthig sein werden.

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Hypothesen zur Ausfüllung nocli bestehender
Beobachtungslücken.

Die grösste Lücke, welche in unserem Wissen von der Bil-
dung des menschlichen Embryo derzeit noch besteht, fällt in das
zeithch offenbar ziemlich kurze Intervall, das die Entwickelungsstufe
des
EEiCHERT\'schen bez. des wharxon-JoNES\'schen Eies von der-
jenigen meines Embryo E trennt. Das Gesammtvolum des Eies ist
von der einen Stufe ziir andern kaum verdoppelt worden. Dagegen
ist die Anlage des Embryo von der Oberfläche in das Innere des
Eies gerückt, es haben sich die Nabelblase und das Amnion ge-
bildet, und weiter hat sich jener Verbindungsstrang des Embryo mit
dem Chorion hergestellt, w^elchen wir durch alle nachfolgenden Sta-
dien hindurch, nur in Nebenpunkten verändert, wiederfinden.

Für die Versuche einer Ableitung der letztgenannten Vorgänge
ist es wichtig, die Endpunkte genau festzustellen, zwischen welchen
die Hypothese ihre Brücke zu schlagen hat. — In Betreff der Nabel-
blase wissen wir, 1) dass in
Reichert\'s Ei ein Endoderm blos im
Bereich des Embryonalfleckes vorhanden gewesen ist und 2) dass
die Nabelblase unmittelbar nach ihrer Bildung laut den überein-
stimmenden Ergebnissen beiden
tnomson\'sche nund meiner E. und
S.
R. Beobachtungen ein Volum besitzt, das weit unter demjenigen
des
reichert\'schen Gesammteies hegt. Demnach kann die Bildung
der Nabelblase in keinem Fall auf eine Umwachsung der gesammten
Eihöhle durch das Endoderm zurückgeführt werden. Der Bildungs-
vorgang muss ein anderer sein; wahrscheinlich bildet sich zunächst
aus einer noch compakten Anhäufung von Endodermzellen die Blase
direct hervor und dehnt sich secundär aus. Hierfür lassen sich die

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in der Hauptsache übereinstimmenden Angaben von Reichert i),
Wharton-Jones
und BreüSS anführen, dass an der Innenwand
ihrer Eier ein kugliger Vorsprung sich vorgefunden habe. Allerdings
steht damit
Reichert\'s weitere Notiz in einem gewissen Gegen-
satze, wonach die tieferhegende Zellenschicht im Bereiche des Em-
bryonalflecks nur dünn gewesen ist. 2)

Am meisten discutirt in der gesammten menschlichen Embrj^o-
logie ist die Geschichte der Allantois und des sogen. Allan-
toisstieles. Immer und immer wieder hat man sich bemüht, eine
blasenförmige Allantois aufzufinden und über den Zeitpunkt in\'s
Klare zu kommen, in welchem jenes Gebilde den Körper verlässt
und zum Chorion hintritt. Nach Analogie thierischer Entwickelun-
gen setzt man nämhch voraus, dass eine Zeit besteht, in welcher
der vom Amnion umhüllte Embryo frei in der Höhle des Chorion
enthalten ist, und dass erst mit dem Hervortreten der Allantois und
mit deren Anlegung an das Chorion die Brücke geschlagen wird,
durch welche fortan dem Embryo sein Nahrungsmaterial zugeführt
werden kann. Nun wird der Zeitraum, in welchem ein solcher
Vorgang stattfinden kann, du.rch die oben erörterten Beobachtungen
auf ein Minimum reducirt und zugleich auch in eine Periode ge-
rückt, in der bei anderen Embryonen an die Bildung der Allantois
noch nicht entfernt zu denken ist. Wenn wir auch absehen von
den Beobachtungen von
Wharton-Jones und von Breuss, so bleibt
nur der Zwischenraum zwischen dem
reichert\'schen Ei und mei-
nem Ei E. Nach den vorhandenen Beobachtungen war im
Eei-
chert
\'schen Eall die noch u^ngeformte scheibenförmige Embryonal-
anlage in unmittelbarer Continuität mit dem durch seinen Zottenbe-
satz als Chorion characterisirten Abschnitte der Eiblase (Keimblase),
bei meinem Embryo E. aber ist der in sehr plumpen Eormen an-
gelegte Embryo nicht allein von einem Amnion umgeben, sondern
bereits durch einen dicken Stiel dem Chorion angeheftet, das ihn
mitsammt seinen Adnexen rings umgiebt. \' Nach der herrschenden
Meinung muss in der kurzen Zwischenzeit, welche die eine Stufe

1) Reichert, 1. c. S. 26.

2) Reichert, 1. c. S. 28.

3) Man vergl. u. A. Baeb, Entwickelungsgesch. H. 275 u. f Müllee\'i
Physiol. H. 711.

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von der anderen trennt, der Em-
bryo vom Chorion (oder der serö-
sen Hnlle) sieb gelöst haben, dann
muss aus seinem noch offenen
Darm die Allantois als Epithel-
blase hervorgesprosst und neuer-
dings zum Chorion hingetreten
sein, und endhch muss an Stelle
jener Blase ein compakter Strang
getreten sein, der seinem ganzen
Grepräge nach als Fortsetzung der
vorderen Bauchwand sich aus-
weist.

Gegenüber den thatsächhchen
Befunden halte ich die Annahme,
dass der menschhche Embryo erst
von dem zum Chorion verwende-
ten Theil der Eiblase sich trenne,
um nachträghch wieder mit ihm
zusammen zu treten, für eine un-
gerechtfertigte Eetitio principü,
und ich glaube, dass sich mit de-
ren Abweisung die Verhältnisse in
sehr einfacher, den Thatbe ständen
entsprechender V^eise ordnen las-
sen. So wie ich die Sache ver-
stehe, findet eine Trenung der
Embryonalanlage vom Cho-
rion gar nie statt, und der
Bauchstiel ist das niemals
unterbrochene Uebergangs-
stück des embryonalen zum
Chorion antheil der ur-
sprünglichen Keimblase.\')

1) Eine der obigen verwandte Anschauung scheint in seinem S. 69 citirten
Vortrage v.
Ebner ausgesprochen zu haben. Das publicirte Referat ist aller-

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In Betreff der Art, wie die ßEiCHERT\'sche Stufe in die Stufe E.
oder S. R. übergeführt wird, erscheinen mir folgende, durch die bei-
stehenden Schemata erläuterten Annahmen als die naturgemässesten.

1) Nachdem der Embryonalfleck der Fläche nach sich etwas
ausgedehnt und in die Länge gestreckt hat, sinkt zunächst sein Yor-
deres Ende in die Eiblase ein und wird nunmehr von einer bogen-
förmigen Falte der anstossenden Blasenwand eingefasst.

2) Die den Embryo mehr und mehr umschliessende Falte führt
zur Bildung des Amnion und zur Vervollständigung des Chorion.
Die beiden Seitenschenkel derselben vereinigen sich nämlich über
der Rückseite der Embryonalanlage und verwachsen in longitudinaler
Richtung. Das untere Blatt hefert in bekannter Weise das Amnion,
das obere Blatt den fehlenden Theil des Chorion. Letzteres besteht
demnach aus einem primär vorhandenen und einem secundär
hinzugebildeten Abschnitte. Das primäre Chorion umfasst den Boden
und die Peripherie der Blase, das secundäre Chorion deren Decke.

3) Währenddem obige Vorgänge eintreten, bildet sich aus den
Endodermzellen die Nabelblase, ferner erhebt sich das Kopfende
der Embryonalanlage und bildet die vordere Keimfalte.\') Später bil-
det sich auch eine schwächere hintere Erhebung, welche das Becken-
ende demarkirt. Was über dieselbe herausragt und zum Chorion her-
auftritt, kann nunmehr als Bauchstiel des Embryo bezeichnet werden.
Zwischen den beiden Erhebungen bilden sich dorsale Einsenlmngen,
von denen die vordere, die Halsbßuge, zuerst auftritt.

4) Die Eänder der Amnionfalten gehen von der seitlichen Bauch-
wand aus auf die Seitenränder des Bauchstieles über und ihre mitt-
lere Schlusslinie trifft auf dessen dorsale Fläche. Hier liegen nahe
beisammen das hintere Ende des Amnion u,nd die Insertionsstelle
ins Chorion.

5) Die Allantois hat beim menschhchen Embryo mit der Bil-
dung des Bauchstieles Nichts zu thun. Das feine Epithelialrohr,
das man in letzterem als Allantoisgang eingelagert findet und das

dings ziemlich kurz und von keinen Abbildungen begleitet, so dass ich nicht
daraus entnehmen kann, ob unsere Uebereinstimmung auch auf die Einzeln-
heiten des Vorganges sich erstreckt.
1) Körperform S. 20.

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als ventralwärts umgebogener Darmsclienkel aufzufassen ist 0, scliliesst
sict wahrsclieinlicli kaum früher als der übrige Darm und in der-
selben Weise wie dieser durch medianes Zusammentreffen zweier
Nahtfalten.

6) Von wo aus beim menschhchen Embryo die Gefässe sich
entwickeln, ist beim gegenwärtigen Stand der Dinge nicht zu ent-
scheiden; es ist keineswegs undenkbar, dass die ersten Anlagen durch
den Bauchstiel in den Körper hereinwachsen. Ich halte es nicht
für angemessen, die Erage von der Herkunft des Bindegewebskeimes
im Säugethierei hier so nebenher zu behandeln, sie bedarf einmal
einer ernsten Bearbeitung; allein auf die wichtige Erfahrung ist
denn doch hinzuweisen, dass schon an den jüngst bekannten mensch-
lichen Eiern das Chorion ausser der Epithelhaut aus einer Schicht
von Gallertgewebe besteht 2), deren Ableitung aus einem angeblich
zu Grunde gegangenen und resorbirten Embryo zum mindesten et-
was sehr gezwungenes hat.

1) Körperform S. 26. Monographie S. 159.

2) Kollmann, 1. c. S. 293. Ahlfeld, Archiv f. Gyn. XHI. Heft 2.

-ocr page 182-

Erklärung der TaMn.

Die auf den 8 Tafeln enthaltenen Zeichnungen sind für die
jüngeren Embryonen S.E., M. und L. bei 40 facher, für die Em-
bryonen a, A. und B. bei 20 facher Vergrösserung aufgenommen.
Die Eiguren sind von dreierlei Art. 1) Darstellungen der äusseren Form,
direct nach den Originalien und nach deren Photographien entworfen.
2) Durchschnittsbilder. 3) Synthetische Eeconstructionen innerer ana-
tomischer Verhältnisse. Letztere sind nach der im Texte (p. 10)
beschriebenen Methode hergestellt. Bei diesen Eeconstructionsbildern
sind seitlich von den Figuren die Schnittrichtung und die Schnitt-
nummern verzeichnet. Nur bei einigen Meineren Figuren der Tafeln
VII und VIII sind letztere als überflüssig weggeblieben. Die Durch-
schnittsbilder der Tafeln sind nicht fortlaufend, sondern nach ihren
Ordnungsziffern nunierirt. Wünscht der Leser behufs der Controle
einen Schnitt mit der zugehörigen Constructionsfigur zu vergleichen,
so wird er am zweckmässigsten an der betreffenden Stelle der letzten
und in der angegebenen Schnittrichtung ein Lineal anlegen und längs
desselben die Maasse abstecken.

Gemeinsame Bezeichnungen alphabetisch geordnet.

Am. Amnion.
A.m. Art. mesent. sup.
A.moc. Art. maxilL ext.
An. Anus.
Ao. x4orta.
Aob. Aortenbulbus.
Ao.d. Aorta descendens.

Ab. Augenblase.
Ab. Aortenbulbus.
A.c. Art. coeliaca.
A.d. Aorta descendens.
Af. Amnionfalte.
Ag. Augenblase.
All. Allantoisgang.

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Ast. Augenblasenstiel.

A.u. Art. umbilicalis.

B.Ao. Bifurcatio Aortae.
Be. Beckenende.

Eh. Baucbhohle.

Bl. Blindsack (Merenanlage).

Br. Brustwand.

Br. Bauchraum.

Br. Brückenkrümniung.

Bs. Bauchstiel.

C.I. K cervic. T,

C.a. Cartilage arytaenoidea.

Cb. Cerebellum.

C.e. Carotis externa.

Ch.. Chorda dorsalis.

Ch. Chorion.

C.i. Carotis interna.

C.i. Cava inferior.

Cl. Cloake. .

Coe. Cloakenöffnung.

Cv. Cardinalvenen.

d.Az. ductus Aranzi.

d. B. ductus Botalli.

d.C.d. ductus Cuvieri dexter.

d.G.s. ductus Cuvieri sin.

Dd. Duodenum.

Dr. Darm.

Ds. Darmstiel.

Ep. Epiglottis.

G. Gehörblase.

G.ac. Ganglion acusticum.

G.c. Ganghon ciliare.

G.G. Ganglion Gasseri.

Gg. Gallengang.

G.gl. Ganglion glossophar.

Gh. Gehörblase.

Gs. Gesicht

G.s. Ganglion spinale.
G. V. Vagusganglion.
G.Vg. Vagusganglion.
Hb. Harnblase.
Hb, Halsbeuge (erste Eumpf-

beuge).
Hd. Hinterdarm.
Hh. Hinterhirn.
Ho. Herzohr.
Hp. Hypophysensäckchen.
Hp. N. hypogiossus.
Hs. Hemisphärenhirn.
Hz. Herz.

Is. Isthmus des Hinterhirns.
Kk. Kehlkopf.

KlHs. Kleinhirnhemisphäre.

Kps. Malp. Kapsel.

L. Leber.

Lb. Leber.

I^b. Leibeshöhle.

Lb. Lendenbeuge (zweite

Rumpfbeuge).
L.d. Lobus dexter.
Lg. Lungenanlage.
Lbg. Lebergang.
Lgg. Lebergang.
l.Ho. linkes Herzohr.
L.q. Lobus quadratus.
L.s. Lobus sinister.
Ls. Linse.
L.Sp. Lobus Spigeli,
M. Mundbucht.
Mb. Mundbucht.
Aid. Mundraum.
Mg. Magen.

m.Mr. mittlere Medullarrinne.
M.Kji. Malp. Knäuel.

-ocr page 184-

Ml. Medullarleiste.
Ms. Mesenterium.
Mz. Milz.
Na. Nabelarterie.
Nb. Nabelblase,
Nf. Nasenfeld.
Nv. Nabelvenen.
0. Oberkieferfortsatz.
Oe. Oesophagus.

Oe. Oeffnung des Rückenmarks

(Taf. VI iiE).
O.II. Obere Hohlvene.
Ok. Oberkieferfortsatz.
Ok. Ohrkanal.
0kl. Ohrkanal.
P.ae. Plica aryepiglottica.
Ph. Pharynx.
PV. Parietalvenen.
R. Künstlicher Riss (Taf. I Fig. 2).
Rg. Riechgrube.
Rg. Eautengrube.
Rl. Riechlappen.
Rin. Rückenmark.
r.Nv. rechte Nabelvene.
Rs. Rückenschwelle (oder erste

Rumpfschwelle I. 7).
Rs. Ringsinus (Taf. VIII).
Rt. Eautengrube.
R.2\\ Rathke\'sche Tasche.
S.a. Septum atriorum.
Sb. Schlimdbogen,
Sd. Schilddrüse.
S.Mt\\ seitliche Medullarrinne.
Sr. Speiseröhre.

Ss. Sacralschwelle (zweite Rumpf-
schwelle).

V \'

St. Steissende des Körpers.
S.t. Septum transversum.
S.v. Septum ventriculorum.
Stw. Stirnwulst.
Tk. Thymusanlage.
Tj\\ Trachea.
U. Unterkieferfortsatz.
U.E. Untere Extremitäten.
U.H. Untere Hohlvene.
Uk. Unterkieferfortsatz.
ün. Urniere.

Us. Umschlagsrand des Amnion.

Uw. Urwirbel.

Url. Urwirbelleiste.

V. Ventrikel. ,

V.c.i. Vena cava inf.

Vd. Vorderdarm.

Vdh. Vorderhirn.

Vg. Vagus.

Vh. Vorhof.

Vhs. Vorhofssinus.

Vj. Vena jugularis.

VI Vorleber.

V.o.vi. Vena omphalomesent.
V.P. Vena Portae.
Vt. Ventrikel.
V.u.d. Vena umbil. dextra.
V.u.s. Vena umbil. sinistra,
V. W. vordere Wurzel,
Wb. Vi^rbelanlage.
TU.Ö.Wolff\'scher Gang.
W.K. WolfiTscher Körper.
W.L. Wolff\'sche Leiste.
Z. Zunge.
Zg. Zunge.
Zh. Zwischenhirn.

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Die Schlundbogen sowohl als die Aortenbogen, ebenso die Ur-
wirbel sind mit den betreffenden Ordnungsziffern versehen.

Corrigenda. Taf. I Fig. 7 ist bei der innerhalb der Nabel-
blase liegenden Bezeichnung
Ur. der Hinweisungsstrich zum Um-
schlagsrand des Amnion einzuzeichnen.

Taf. V Fig. 67 ist die Thjmusanlage mit Sd. statt mit Th. be-
zeichnet; ebendaselbst Fig. 80 muss der Strich von
Mz. Milzanlage
bis zur linksseitigen Kante des Mesogastrium verlängert werden.
Fig. 85 trägt der Ventrikel die beiden Bezeichnungen
Vd. und Vh.
statt V. d. und V. s. Ventriculus dexter und sinister.

Tafel I.

Fig. 1—4 20 fach, Fig. 5—7 40 fach vergrössert. Fig. 1. Em-
bryo B. von der rechten Seite her. Das Amnion ist unverletzt und
bildet an mehreren Stellen Falten
{Af.) an der oberön Extremität,
zwischen Leber und Vorderhirn und an der Stelle, wo der Bauch-
stiel das Beckenende kreuzt
{Af".). Eine scharfrandige ümschlags-
falte
{Af.) erstreckt sich auch, rechts vom Darmstiele vorbeigehend
vom Stirntheil des Kopfes zum Beckenende. Für die sonstige Form-
beschreibung dieser und der nachfolgenden Figuren verweise ich auf
den Text S. 16.

Fig. 2. Linksseitige Profilansicht des Embryo A. Die Lücke
über dem 3. Halssegment und der Riss R oberhalb der unteren Ex-
tremität sind Verletzungen, die das Präparat besass, als es in meine
Hände kam.

Fig. 3. Construction des Embryo B. Eingeweide, ürniere, Herz,
Aorta und Centralnervensystem.

Fig. 4. Dieselbe Construction für Embryo A. Kopf und Rumpf
sind unabhängig von einander construirt und in richtiger Stellung
zusammengefügt.

Fig. 5 und 6. Embryo M. von der rechten und von der linken
Seite her gesehen s. Text S. 116. Von der Nabelblase ist nur der
•Anfangstheil dargestellt. Das Amnion ist intact.

Fig. 7. Embryo S. R. in der rechtseitigen Profilansicht (Text
S. 140).

His, Mensehl. Em\'brj\'onen. 12

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Tafel II und III.

Querschnitte des Embryo B. 20 fach vergrössert. Behufs Orien-
tirung wird auf die Constructionsfiguren der Tafeln I und VII und
auf die zahlreichen im Text enthaltenen Hinweise verwiesen.

Tafel IV.

Querschnitte durch den Kopf des Embryo A. 20 fach ver-
grössert.

Tafel V.

Querschnitte durch den Rumpf desselben Embryo.

Tafel yi.

I. Embryo Li 40 fach vergrössert.

A. Profilansicht. B. Vorderansicht nach der Natur aufge-
nommen.

C: Profilconstruction des Centrainervensystems und der oberen
zwei Darmdrittel. Das untere Körperende war in den Schnitten
defect.

I). Prontalconstruction. Vorderhirn nebst Augenblaseu, Vorder-
und Mitteldarm, Leibeshöhle.

E. Dorsalconstruction. Gehirn- und Rückenmark, Augen-
blasen und Gehörgrube.

IL Querschnitte desselben Embryo 40 fach vergrössert.

in. Querschnitte des Embryo M., 40fach vergrössert; zu vergl.
Taf. I und VH. Eig. 2 enthält die Decke der Mundbucht mid das
obere Ende der Chorda, das betreffende Feld ist aus Versehen un-
gedeckt geblieben, es bietet am Präparate keine freie Durchsicht.

Tafel TU.

M. 1. Construction des Embryo M. von vorn her. Gehirn.
Schlundbogen, Herz, Leibes- und Darmnabel, Bauchstiel und Becken-
ende des Körpers.

M. 2. Profilconstruction des Centrainervensystems des Einge-
weiderohres und des Herzens.

x.

J

-ocr page 187-

M. 3. Construirter Frontalschiiitt. Eingeweiderohr und Leibes-
höhle.

M. 4. Construction des Gefässsystems. Profilansicht.

M. 5. Dasselbe. Erontalansicht,

A. 1. Profilconstruction des Gehirn, der Kopfganglien und Ner-
ven, sowie des Gefässsystems. Die punktirte Linie innerhalb der
Hemisphäre bezeichnet den Eand des Zwischenhirns. Das Herz ist
eröffnet, man sieht die Einmündung der Venen in den Vorhof und
den Ursprung des Aortenbulbus aus dem Ventrikel, sowie das Sep-
tum atriorum und ventriculorum. Die vordere Hälfte des rechten
Vorhofs ist weggelassen, um den Bulbus frei darzustellen. Drei in
die Figur eingezeichnete gerade Linien bezeichnen die Eegiongränzen
von Kopf, Hals und Brust, sowie von Bauch und Becken.

A, 2. Frontalconstruction des Embryo A. Vorderansicht von
Gehirn und Augenanlage, Pharynx, Oesophagus, Magen und Duode-
num, Lunge, Leber, Milz, Vena Portae und Eumpfhöhle nebst Ur-
niere. Die Figur ist aus zwei Hälften zusammengesetzt; die durch
einen Querstrich auseinander gehalten sind. Die Darstellung ist
nämlich so, als ob der Kopf aufgerichtet und mit dem Rumpf in
eine Ebene gebracht worden wäre.

A. 3. Dorsale Construction des Gehirns zur Demonstration des
Eautengrubenfeldes, der Kleinhirnhemisphären, des Isthmus und der \'
Lage der Kopfganglien.

A. 4, Augen- und Nasengegend des Embryo A. Nasenfeld und
Riechgrube. Ich habe diese Figur zur Ergänzung von Taf. I 2 bei-
gefügt, auf welcher das Nasenfeld ungenügend dargestellt ist.

B. 1, Profilconstruction von Embryo B., ähnliche Darstellung
wie bei A. 1. Der Darm ist unterbrochen dargestellt, um die Fort-
setzung der Vena parietalis sinistra zu zeigen.

B. 2. Frontalconstruction desselben Embryo. Gesicht, mittlerer
Stirnfortsatz mit den zwei Nasenfeldern, Eingeweiderohr mit Cloake
und Allantoisgang, Leber, Milz, Pfortader. Für die Gesichtscon-
struction sind bei dieser und bei der folgenden Figur die Durch-
schnitte von Embryo A. (Taf. IV) benutzt.

B. 3. Frontalconstruction des Gefässsystems. Die Zweige des
Aortenbulbus sind rechts mit den Ordnungsziffern, links mit den de-
finitiven Bezeichnungen versehen.

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Die beiden Figuren B. 2 und B. 3 sind in der Höhe des Quer-
striches zusammengesetzt, als ob der Kopf künstlich aufgerichtet und
gestreckt wäre.

B. 4. Prontalconstruction der vorderen Gesichtswand von Münd-
und Eachenhöhle; Schlundbogen, Zunge, Kehlkopf und Lungenan-
lage. Die Figur ist beim Querstrich zusammengesetzt.

B. 5. Construction der Leberrückfläche von B. Die punktirten
Linien bezeichnen die Stellen, an welchen das Omentum minus und
die zur Aufnahme der V. cava inf. bestimmte Falte gelegen sind.

Tafel YIII.

J\'\' Die Bilder der oberen Hälfte dieser Tafel sind die 20 flieh ver-

grösserten Durchschnitte des Embryo a. Sie sind in der Reihen-
folge von unten nach oben nummerirt, aber so gelegt, dass man vom
Kopfende her darauf hinsieht. Jeder Schnitt besteht aus einer vor-
deren und einer hinteren Hälfte, jene in der Tafel nach oben, diese
nach abwärts sehend. Bei beiden Schnitthälften liegt rechts, was
der rechten Körperhälfte angehört und umgekehrt, was für die Ver-
gleichung dieser Figuren mit den Durchschnittsbildern anderer Tafeln
wohl zu beachten ist. Die Eumpfhälften der Schnitte 2—4 habe
ich, da sie, schräg getroffen, ein ziemlich complicirtes Bild gaben,
nur in Contouren angedeutet. Die Schnitte 25—26, welche keilförmig
und ungefähr von doppelter Dicke waren, sind zu einem vereinigt.
Das Steissende bei Schnitt 14 zeigt sich nicht im Durchschnitte,
sondern es ist umgelegt und im Profll gesehen. Von den Herzdurch-
schnitten habe ich 13—15 als zu unsicher orientirbar weggelassen.

ai und «2 zeigen den Embryo in der Ansicht von rechts und
von links (Text S. 101) Bei Ch. ist noch ein kleines Stück Chorion
am Bauchstiele haften geblieben.

as. Profllconstruction des Centrainervensystems, des Eingeweide-
rohres, der Urniere, der Vorleber, des Herzbulbus und des Herzvor-
hofes.

«4. Profllconstruction des Gefässsystems und der Kopfganglien,
ors. Prontalconstruction des Kopfes; Gehirn mit Augenblasen,
Pharynx, Trachea, Lungen und Oesophagus. Letztere Theile sind ge-
mäss der Schnittrichtung stark verkürzt.

i* \'

-ocr page 189-

ße. Construction der vorderen Eachenwand; Schilddrüse, Zunge,
Kehlkopf und Lunge.

ai. Frontale Construction der Aortenzweige.
öS. Urnierenleiste des Schnittes 20. Bs sind bereits gebogene
Querkanäle mit erweitertem vorderen Ende da, aber noch kein in
die Kapsel eingestülper Glomerulus. Vergr. 100.

«9. Urnierenleiste des Schnittes 9. Keine Querkanäle, aber
ein sehr weiter und dickwandiger TJrnierengang. Vergr. 100.

B, 6. Frontalconstruction des Herzens von Embryo B. Die
rechte Ventrikelhälfte und ihr Uebergang in den Bulbus sind er-
öffnet dargestellt. Das helle Innenstück bezeichnet das Endocardial-
polster.

B. 7. Frontalconstruction eines Herzdurchschnittes von Em-
bryo B. Ventrikel mit Septum. Ohrkanal, Vorhof mit Septum,
ductus Cuvieri und Einmündmigen der drei Venenstämme in die
rechte Vorhofhälfte.

B. 8. Frontalconstruction der Rückfläche desselben Herzens.
Ohrkanal und Einmündungen der drei Hohlvenen, schräge Rinne zwi-
schen beiden Ventrikelhälften.

B. 9. Urnierenleiste des Schnittes 84 des Embryo A. Wolff\'scher
Gang mit einmündendem Querkanal. An diesem sind drei Abthei-
lungen unterscheidbar, deren vorderste als Malpighische Kapsel den
Glomerulus umfasst. Letzterer ist nur unvollständig umschlossen, er
erhält einen Zufluss aus der Aorta und giebt ein bogenförmiges Aest-
chen an die Cardinalvene ab. Vergr. 100.

-ocr page 190-

Si

InhaltsYerzeidiniss.

Einleituns

Methoden der Bearbeitung

Zeiclinimg und Photographie.

Färbung und Mikrotomie . .

Zeichnungsapparat . . . .

Reconstructionsmethode . .

Plastische Darstellung . . .

Orieritirende Bezeichnungen .

Embryonen A. und B. (Körperlänge 7.5 und 7 mm)

Aeussere Gliederung...........

Krümmung.............

Rumpfsegmente und Innervationsgebiete ...

Kopf................

Amnion, Darmstiel und Bauchstiel......

Centralnervensystem............

Aeussere Form des Gehirns.........

Aeussere Form des Rückenmarks......

System der Höhlen.............

Graue und weisse Substanzanlagen......

Schichtung der Rückenmarkswand........

Schichtung der Gehirnwand..........

Litter arische Anmerkungen..........

Recapitulation in Betreff weisser Substanzentwickelung

Peripherisches Nervensystem...........

Rückenmarksnerven............

Seite
1

6

6

7

8
10
11
12

14
16
16
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22
22
27
27

30
30
33
35
40

42

42

43

Kopfnerven................

Chorda dorsalis................

-ocr page 191-

Sinnesorgane.....................

^\'■^ge......................50

Geriichsorgan.....................

Gehöroi\'gan......................

Eingeweiderohr........................g^

Gliederung desselben.................

Mundraum (Vorhöhle und Grund)..............

Zunge, Epiglottis und Plicae aryepiglotticae........54

Schilddrüse, Thymus...................

Kehlkopf, Trachea, Oesophagus, Magen..........57

Darm, Cloake, Allantoisgang................

Biegungen der Darmaxe................

Wand des Eingeweiderohrs...............

Leber.....................

Pankreas....................................gg

Vrnierensgstem......................................gg

Urnierengang und Kanälchen..............gg

Merengang......................67

Allantois.............................gg

Kritik der Beobachtungen von W. Krause .........68

Gefässsgstem ...................

Herz....................

Allgemeine Form.................

Vorhof.......................74

Einmündende Venenstämme......................7 g

Arterieller Herzschenkel............................-yy

Arteriensystem...............................jg

Venensystem................................g^

Regionen des Körpers und Sitiis Viscerum..........86

Gränzen von Kopf, Hals, Rumpf und Becken.....gg

Besitzt der menschliche Embryo einen Schwanz? ... 89

Absolute und relative Längenmaasse der Regionen des Stammes ... 96

Leiheswand und Extremitäten...............gg

Emlbryo « (Körperlänge 4 mm)..................

Aeussere Gliederung......................jq^

Nervensgstem.......................^q^

Gehirn und Rückenmark...............103

Peripherisches Nervensystem........... . 106

Chorda dórsalis................ . 107

Sinnesorgane ......................................lOY

Eingeweiderohr.......................

Mundhöhle, Pharynx, Kehlkopf und Lungenanlage . . 108

Magen, Darm, Cloake und Allantoisgang......109

Leber..................... I^j

i

-ocr page 192-

Seite

Urnierensystem....................112

Gefässsystem........................

Herz..........................

Arteriensystem und Venensystem..........114

Embryo M. (Körperlänge 2.6 mm)..............116

Aeussere Gliederung............................117

Nervensystem und Chorda.............119

Eingeweiderohr.................12o

Urnierensystem..................122

Gefässsystem......................

Von den Höhlen des Körpers und von der Anlage des Zwerchfells . 125

Parietalhöhle und Rumpf höhlen ............125

Septum transversum.................126

Verschiebung der Parietalhöhle und des Septum transversum . .129

Verbindung von Parietalhöhle und Rumpfhöhle.......129

Beziehungen der Leber zur Leibeswand und zum Septum transversum 130

Literarische Notizen.................132

Embryo Li (Körperlänge 2.4 mm)..............135

Aeussere Form...................135

Innere Theile desselben..................

Embryo S. K. (Körperlänge 2.2 mm)................

Embryo E. (Körperlänge incl. Bauchstiel 2.6 mm) •.....,. 145

Vergleichung\' jüngerer menschlicher Embryonen unter einander,

Versuch einer Stadieneintheihing..........147

1. Stadium. Früchte von Reicheet, Wharton-Jones und Beeuss 148

2. Stadium....................151

3. Stadium. Embryo E. (Embryonen von Schwabe und Beuch) . 151

4. und 5. Stadium. Embryonen Allen Thomson 1 u. 2 und S. R. 153
6. und 7. Stadium. Embryonen von Coste und Li.....155

8. Stadium. Embryo M., Embryonen Allen Thomson 3, Strüm-
pell
, v. Baee, Scheoedee, v. d. Kolk, Ecker, Hecker, Beigel
und Beuch....................15g

9. Stadium. Embryo Lj, Embryonen von Joh. Müllee u. R. Wagnee 162

10. Stadium. Embryo «, Embryonen von Coste (IIa), Hensen, Allen
Thomson 4.......................

Altersbestimmung sehr junger Früchte............166

^ \' Hypothesen zur AusfüUung noch bestehender Beobachtungslücken 169

Erklärung der Tafeln..................174

II \'

. __

Drnck von J. B. Hirschfeld in Leipzig.

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W. HIS

MENSCHLICHE EMBRYONEN.

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ANATOMIE

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MENSCHLICHER EMBRYO™

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Ii:

VON

WILHELM HIS.

II.

GESTALT- UND GRÖSSEMNTWICKLÜNG
BIS ZUM SCHLUSS DES 2. MOKATS.

LEIPZIG,
VEELAG VON F. C.W.VOGEL.
1882.

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GESTALT- üND 6RÖSSENENTWICKLÜNG

MENSCHLICHER EMBRYONEN

BIS ZUM SCHLUSS DES 2. MOMTS

VON

WILHELM HIS.

MIT 67 FIGUREN IM TEXT.

LEIPZIG,
VERLAG VON F. C.W. VOGEL.
1882.

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Das TJebersetzungsreclit ist vorbehalten.

Die l^achbildung der Figuren bedarf der Genehmigung
des Verlegers.

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DEß MEDICINISCHEN FAOÜLTÄT

DER,

UNIVEESITÄT WÜRZBURG

ZUR FEIER

IHRES 300JÄHRIGEN SEGENSVOLLEN WIRKENS

IHK

DANKBAR ERGEBENER SCHÜLER.

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Iniialtsverzeiclmiss.

Einleitung-.....................

Benütztes Material .... .

................

Art der Messung, Nackenlinie............................4

Tabelle normaler Fälle........................^

Ueber das Vorkommen missbildeter Formen.........12

Tabelle der Missbildungen..............................13

Ueber das Verhältniss der normalen zu den missbildeten Fällen... 14

Ursachen der Missbildung..............

Ueber die bei der Kritik des beobachteten Materials in Betracht

kommenden Gesichtspunkte..........................lg

Der Erhaltungszustand ............

Das Verhalten der Häute............................2i

üeberein Stimmung der Embryonen unter sich.........22

Aufstellung Ton Entwickelungsnormen...........23

Erster Monat................................23

Embryonen von 7—8 mm....................4,3

Embryonen von 4—5 mm..............................27

Jüngere Formen vor Eintritt der Nackenkrümmung.....^31

Ueber die Embryonen von Jon. Müller, von R. WAemR und von Coste 41

Zweiter Monat..............

Embryonen von 8—10 mm....................4g

Embryonen von 10—12 mm............................47

Embryonen von 12—14 mm..........................51

Entwickelungsstufen von 14—16 mm......................57

Entwickelungsstufen von 16 mm bis zum Ende des zweiten Monats 59

-ocr page 200-

Seite

Rückblick auf einige G-rundvorgänge der äusseren Formentrvickelung 63

Kopfgliederung und Längszonen..............64

Axenkrümmung...................65

Wachsthumsverhältnisse des Profils ............67

Zur Frage der AltersH» estimmun g und des Befruchtungstermins . . 72

Allgemeine Gesichtspunkte................72

Schwierigkeiten der Zeitbestimmung.............75

Discussion der verschiedenen Möglichkeiten..........76

Endergebniss.....................85

Anhang........................87

Notizen über die wichtigeren Präparate der Tabelie I (normale Fälle) 87

Notizen über die beobachteten Missbildungen..........98

iî:

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EINLEITUNŒ

Dem früher gegebenen Versprechen gemäss lasse ich eine Fort-
setzung des vor 2 Jahren begonnenen Embryonenwerkes erscheinen.
Wollte ich genau da fortfahren, wo ich aufgehört habe, so hätte
ich unmittelbar bei Beginn des zweiten Monats einzusetzen; allein
bei Durchführung einer Aufgabe, welche, wie die vorliegende, den
Arbeitenden vom Zufall des Materialzuflusses abhängig macht, ist
es kaum möghch, den Anforderungen consequenter Stoffanordnung
streng Genüge zu leisten. Seit Ahschluss des ersten Theiles sind
mir mehrere werthvolle, den früheren Entwickelungsstufen angehörige
Stücke übersandt worden und aus rein formellen Gründen durfte
ich dieselben nicht zurücklegen. Die Gesichtspunkte aber, die sich
bei Bearbeitung des neuen Materiales ergaben, mussten einestheils
mit den früher gewonnenen Ergebnissen in Zusammenhang gebracht
werden, anderntheils waren sie an das anzuschhessen, was die Be-
trachtung nachfolgender Stufen lehrte. Damit bin ich denn auch
zu einer anderen Methode der Stoffbehandlung geführt worden.

Im ersten Theil habe ich zunächst den Weg casuistischer Be-
schreibung eingeschlagen und damit den Boden für eine allgemeiner
gehaltene Behandlungsweise des Gegenstandes vorzubereiten gesucht.
Jetzt, wo das Material sich etwas reichhcher angehäuft hat, würde
ein conséquentes Festhalten an der casuistischen Beschreibung für
den Leser und für den Autor ermüdend sein, und weit angemessener
erschien es daher, sowohl die Entwickelung der äusseren Gestalt,
als diejenige der Organe in mehr zusammenhängender Weise dar-

His, MenscM. Embryonen. H. 1

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zustellen. Selbstverständlich bleiben auch so noch genaue Durch-
arbeitungen der einzelnen Fälle die eigenthche Unterlage des Ganzen.

Die Organentwickelung auf ein späteres Heft versparend, habe
ich im vorliegenden den Versuch gemacht, den vorhandenen Stoff
durch kritische Vergleichung eigener und fremder Beobachtungen
zunächst einmal äusserlich zu ordnen. Mein Streben ist darauf
gerichtet gewesen, die Normen menschhoher Embryonalentwickelung
festzustellen, derart, dass für eine jede Stufe die zugehörigen Form-
und Grössenverhältnisse bestimmt werden. Die Aufgabe hat sich
im Allgemeinen nicht als unlösbar erwiesen; nur an wenigen Stellen
bleiben Lücken oder Unsicherheiten übrig, deren Beseitigung späterer
Forschung vorbehalten bleibt. Ein vortreffliches Hülfsmittel bei der
Materialvergleichung gewähren Zeichnungen, die auf gleichen Maass-
stab gebracht sind. Ich habe für die verschiedenen Stufen, von den
jüngsten an bis zu den ausgebildeteren vom Schluss des 2. Monats
die fünffache Vergrösserung angewandt, und ich denke, dass die bei-
gegebenen Eiguren dem Beschauer eine rasche und sichere Orienti-
rung gewähren werden. Feineres Detail sollen diese Figuren nicht
darstellen; dafür muss auf die grösseren Tafeln verwiesen werden,
welche mit dem nächsten Hefte erscheinen werden.

Es würde mir sehr zur Befriedigung gereichen, wenn das vor-
liegende, in sich abgeschlossene Heft auch in ärztlichen Kreisen
Beachtung zu finden vermöchte. Wie dies schon im ersten Theil
dieser Arbeit ausgesprochen wurde, so hege ich nämlich die Ueber-
zeugung, dass die Fortschritte auf unserem Gebiete vor Allem von
der werkthätigen Theilnahme abhängig sind, welche die Aerzte der
Sache schenken. Wofern sie das ihnen eingehende Material sammeln,
wird es nicht an Forschern fehlen, die dasselbe wissenschaftlich ver-
werthen. Wie viel da die Aufmerksamkeit und der gute Wille des
Einzelnen ausrichten können, ergiebt sich aus folgendem numerischen
Beispiele: Von jüngsten Formen von Embryonen vor Eintritt der
Nackenkrümmung sind mit Hinzurechnung des
CoSTE\'schen und des
J.
MüLLER\'schen 15 gute Fälle beobachtet. Davon hat A. Thomson
drei publicirt, mir selbst sind zehn durch die Hände gegangen und
von den zehn habe ich sechs aus Basel bekommen. Würden die
Aerzte auch nur in einem Theil der grösseren Städte dieser Sache
gleiche Aufmerksamkeit schenken, wie dies einige Collegen meiner

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Vaterstadt thun, so würden die Schwierigkeiten, die sich aus der
Seltenheit des Materials ergehen, wohl bald überwunden sein.

Ich komme noch einmal auf das Detail der Aufhebung und
Versendung von Embryonen zurück, weil die wissenschafthche
Brauchbarkeit des Materials wesenthch dadurch mit bestimmt wird.
Aerzte, denen Embryonen oder junge Früchte vorkommen, thun im
Allgemeinen am besten, dieselben in Alkohol von ca. 60—70 Proc.
aufzuheben und zwar ohne sie vorher mit Wasser zugammenge-
bracht zu haben. Im Uebrigen ist die Härtung mit Salpetersäure
zu empfehlen, über die ich mich schon im ersten Theil ausgesprochen
habe\'), und deren Vorzüge, speciell für histologische Zwecke, Herr
Dr.
Altmann seitdem eingehend erörtert hat. 2) Von Chromsäure und
Chromsäurepräparaten rathe ich im Allgemeinen ab. Die Versendung
von Embryonen und von jungen Früchten geschieht in einem mit
Alkohol bis zum Rand gefüllten Glasgefäss zwischen zwei sehr locker
eingesetzten Baumwollpfröpfen. In einem unvollkommen gefüllten
Glas oder ohne Watte werden die Präparate beim Transport zer-
stossen. Werden anderntheils die Wattenkissen zu dicht gemacht,
so quetschen sie bei ihrem nachträghchen Aufquellen das Präparat
und bringen es aus seiner Form. Ohne Flüssigkeit, nur mit an-
gefeuchteter Watte umhüllt, dürfen die Präparate nicht versandt
werden, weil sie sonst durch Verdunstung leiden.

1) S.4.

2) Zur Mstol. Technik. Arch. f. Anat. u. Physiol., anat. Abth. 1881. S. 219.

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Benutztes Material.

Seit Veröffentlichung der ersten Abtheilung dieser Schrift habe
ich die Genugthuung gehabt, reichhche Unterstützung bei meiner
Arbeit zu finden, denn, wie beistehende Tabelle zeigt, so haben mir
in den Jahren 1880—1882 mehr denn 30 verschiedene Collegen
Untersuchungsmaterial zukommen lassen. Einige meiner wissen-
schaftlichen Freunde haben mir besonders ausgezeichnete Stücke,
ja selbst ganze, zur eigenen Bearbeitung gesammelte Präparaten-
reihen zur Verfügung gestellt; andere haben mit erfreulicher Eegel-
mässigkeit mir Alles eingesandt, was ihnen an Material einging,
verschiedene Sendungen erhielt ich von persönhch unbekannten
Collegen und zum Theil aus weiter Ferne. Ich fühle mich durch
diese Vertrauensbeweise in hohem Grade verpflichtet und glaube
allen den Herren, die mir so freundhch zu Hülfe gekommen sind,
meinen Dank dadurch am besten abzustatten, dass ich das anver-
traute Gut nach Kräften ausnütze.

Ich stelle zunächst tabellarisch die von mir benützten Stücke
zusammen, wobei der Vollständigkeit halber auch die im ersten Theil
beschriebenen Embryonen nochmals mit aufgeführt sind. Mein an-
fänghches Princip der Buchstabenbezeichnung hat sich bei Zunahme
des Materials etwas unbequem erwiesen und ich habe daher Ord-
nungsziffern eingeführt, zugleich aber bei den wichtigeren Stücken
noch die Buchstabenbezeichnung nebenher gehen lassen. Die Em-
bryonen sind nach der Grösse geordnet. Nach einmal eingetrete-
ner Nackenbeuge ist die Länge vom Nackenhöcker zur
unteren Körperrundung gemessen, ein Maass, das sich mir

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durch die Praxis als das brauchbarste ergeben hat. Ich werde dies
Maass als Nackenlinie bezeichnen. Bs mag auf den ersten Blick
irrationell erscheinen, den zusammengeltrümmten Körper durch ein ge-
strecktes Längenmaass auszumessen, wie denn auch mehrere Autoren
vorgeschlagen haben, die Länge des Embryo im Bogen zu bestimmen.
Diese Messungsweise hat für bestimmte Zwecke ihre volle Berech-
tigung, allein sie ist schwer correct zu handhaben und jedenfalls
nicht so rasch und einfach auszuführen, wie die gestreckte Messung.
Die Berechtigung zur Anwendung der gestreckten Maasse liegt darin,
dass jeder Entwickelungsstufe ein bestimmter typischer Grad der
Zusammenbiegung zukommt, von dem die einzelnen Eepräsentanten,
falls sie überhaupt in gutem Zustande zur Beobachtung kommen,
nicht sehr erheblich abweichen. Wofern dies nicht zuträfe, so müsste
es sich darin äussern, dass die nach dem Längenmaass aufgestellten
Reihen zahlreiche Unregelmässigkeiten und Widersprüche bieten,
was wenigstens im Ganzen und Grossen nicht der Fall ist. Bei
erweichten Embryonen allerdings erweist sich auch die Rücken-
krümmung als nicht constant und es führt dies zu Unsicherheiten
in der Messung; der Umfang der möglichen Fehler ist indessen
nicht allzugross. Eine gute Controle gewähren die Kopfmaasse und
besonders giebt die Vergleichung der auf dieselbe Vergrösserung
gebrachten Zeichnung völlig zuverlässige Handhaben zur Einreibung
der einzelnen Stücke. Vor Eintritt der Nackenkrümmung sind die
absoluten Längenmaasse ein ungenügendes Bestimmungsmittel der
Entwickelungsstufe, sie können nur annähernd die Stellung eines
Embryo in der Reihe jüngerer Formen bezeichnen, weil in dieser f|

Zeit die Axenbiegungen des Körpers einem ziemlichen Wechsel unter-
liegen.

Bei den jüngsten zusammengekrümmten Embryonen beträgt die
Länge des Körpers 4 mm. Von da ab bis zu ca. U mm ist die
Nackenlinie die längste durch den Körper legbare Gerade; dann aber
beginnt die Wiederaufrichtung des Kopfes und nunmehr trifft die
längste Gerade einen Punkt des Hinterhauptes oder des Scheitels.
Wollte man, anstatt der Nackenlinie, die Linie grösster Länge als
Unterscheidungsmaass, wählen, so würden sich keine scharf gesetz-
mässigen Reihen ergeben; denn geringe Unterschiede im Grade der
Hebung des Kopfes bedingen ziemlich bedeutende Unterschiede der

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grössten Länge. Auch würde man mit allen jenen Stücken sehr in
Verlegenheit kommen, bei denen in Folge vorangegangener Erwei-
chung der Kopf beweglich ist. Dasselbe Präparat würde bei ver-
schiedener Kopfstellung Differenzen von mehreren Millimetern er-
geben.

Ich habe in der Tabelle die Stufen klein gewählt, weil hin-
sichthch der Organentwickelung eine getrennte Behandlung nahe-
stehender Stufen sich häufig wünschbar erweist. Wo ich Maasse
über die ISTabelblase und das Chorion besitze, habe ich sie beigefügt.
In der Columne für die Nabelblase bezeichnet die erste Zahl die
Tiefe (vom Nabel oder, nach erfolgter Abschnürung, von der Inser-
tion des Darmstieles aus zur gegenüberhegenden Wölbung gemessen),
die zweite Zahl giebt den dazu senkrechten Durchmesser. Die
Werthe für das Chorion sind nur als approximative zu betrachten,
meistens sind ja die Früchte collabirt oder schon eröffnet in meine
Hände gelangt. Bei den übrigen Zahlen bedeutet eine Klammer, dass
der Werth nicht genau zu messen war. Nach ihrem Erhaltungs-
zustande sind die aufgezählten Stücke von ungleichem Werthe ge-
wesen, worüber Columne 3 eine vorläufige Auskunft giebt, etwas
eingehendere Notizen über die wichtigeren Stücke folgen im Anhang.

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TABELLE I.
Normale menschlielie Embryonen.

No.

und sonstige
Bezeichnung

Ig,

03 SH

50-5

Erhaltungs-
zustand

Durch:

der
Natelblase
mm

messer
des
Chorion
cm

Herkunft des Präparates

Jüngere Stadien vor Bildung der Nackenbeuge. i)

XLIV (Bff)

s. Anhang

0.9 : 0.7

Prf. J. J. Bischoit, Basel,
1881.

VII (E)

2.1

s. L S. 145

1.6: 2.3

0.85:0.55

Dr. Eoklin, Basel, 1869.

VI (SR)

2.2

s. L S. 140

1.5:1.9

0.9 : 0.8

Prf. Eoth, Basel, 1879.

LXVIII (Lg)

2.15

s. Anhang

1.6: 1.2

1.5 : 1.25

Prf. Langhans, Bern,
1881.

V(L 1)

2.4

s. L S. 135

0.9:0.8

Prf. Letjckart, Leipzig,
1879.

LXVI (Seh 1)

2.2

s. Anhang

1.7:2.1

Dr. ScHtJTZ, Hamburg,
1881.

IV (M)

2.6

s. I. S. 116

2.6:1.7

0.8 : 0.75

Prf. Mibschbu Vater,
Basel, 1863.

LXV (BB)

3.2

s. Anhang

2:3

1.4: 1.1

Prf. J. J. Bischopf, Basel,
1881.

LXVII (Lr)

4.2

s. Anhang

2.8: 2.3

(1.5)

Dr. Lomer, Leipzig,
1881.

LX (Kln)

4.3

Kopf innerhalb d.
Chorion abge-
rissen

Prf. Kolimann, Basel,
1881.

Embryonen nach Eintritt der Nackenbeuge.

Embryonen von 4—6 mm.

III («)

4

s. L S. 100

3:2.7

3.0 : 2.5

Leipz. Hebamme, 1879.

LVI (W)

(5)

Eingeweide her-
ausgerissen

2.5 : 2.0

Dr. Wünsche, Obercun-
nersdorf, 188L

XXVI (D2)

5

weich und etwas
plattgedrückt

2.0: 1.5

Prf. Dohbn, Marburg,
1880.

LVII (R)

5

vorzüglich, s, An-
hang

2..2

unbekannt, russ. College,
188L

1) Nicht aufgenommen in die Tabelle ist der Fall XXX (eine von Dr. Witzel
in Berlin erhaltene Frucht von 2.7 auf 2 cm; der Embryo lag in einem wandständigen
dunklen Gerinnsel und scheint 2.4 mm lang gewesen zu sein); ebenso die Fälle Str
und L 2, die im I. Theil S. 160 und 162 erwähnt sind.

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No.
und sonstige
Bezeichnung

Erhaltungs-
zustand

Durchmesser

OJ h

fcc.^

Herkunft des Präparates

Chorion
cm

der
NalielWase

I (B)
LXI (Eck 1)

II (A)
XL (Stt)

LXXIII (Hn)

XLII (D 4)

LXII (Eck 2)

LXIII (Eck 3)
XXXII (Jen 2)

XVII (^\'j
XXXIX

(7)
7.5
7.75

8.5

8.5
8.5

8.5

Embryonen von

4

s. L S. 14

theilw. präparirt

s. L S. 14

weich, aber gut
gebildet

2.1 : 1.7

Embryonen von 8—9 mm.

etwas weich, aber
in der Form gut

weich und abge-
plattet

s. Anhang

weich und einge-
rissen

etwas weich, sonst
gut

2.0 : 1.2

Embryonen von 9—10 mm.

weich und etwas
verletzt

7—8 mm.
2.5:2.2

Prf. J. J. Bischofp, Basel.

1878.

Prf. A. Ecker, Freiburg,
1881.

Prf. Ahlfeld , Leipzig,

1879.

Dr. Schott, Frank-
furt a. M..

Prf.hensen, Kiel, 1882.

Prf. Dohen, Marburg,
1880.

Prf. A. Ecker, Freibura-
1881.

do.

Prf. Schwalbe, Jena,
1880.

Leipz. Hebamme, 1876.

Dr. A. Budge, Greifswald,
1880.

LIV (t;)
XCVIII
X (Mch)

XXIX (Br 1)

XVIII (i)
XXII (g)

XCVII if)

10.3
10.3
10.5

11

11

11

11

Embryonen von 10-
weich und trüb
etwas w., sonst gut
s. Anhang

Embryonen von Ii-

5.5:4.5

vorzüglich

etwas weich

weich, mit einge-
rissenem Halse

11 mm.

3.5 : 2.5

12 mm.
3.0:2.7

3.0:2.5

Leipz. Hebamme, 1881.
do- 1882.

Dr. Münch, Basel, 1870.

Dr. Brenneckb, Suden-
burg-Magdeburg, 1880.

Leipz. Hebamme, 1880.

do. 1878.

do.

1878.

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Durchmesser

der des

Nabelblase Chorion

No.

und sonstige
Bezeichnung

Erhaltungs-
zustand

Herkunft des Präparates

i

Fortsetzung.

11

11.2
11.5

12
12

12.5

12.5

weich u. mit her-
ausgeriss. Ein-
geweiden

am Kopfe etwas
verletzt

vorzüglich

Dr. Geyl, Dordrecht,
1880.

XXVIII (G)

LXIV (Eck 4)
LXXIV (Eg)

Prf. A. Ecker, Frei-
burg i. B., 1881.

Dr. C. Exjge, Berlin,
1832.

5.5:4.5

3.0:2.7

Embryonen von 12—13 mm.
Form gut\')

ZwilL, etw. einger.
sonst gut, s.Anh.

vorzüglich

Leipz. Hebamme, 1881.

Prf. Bischoit, Base],
1880.

Prf. F. Schmidt, Kopen-
hagen, 1880.

Dr. A. Budge, Greifswald,
1880.

Leipz. Hebamme, 1881.

6:5

3.0:2.7

Prf. Miescheb. Vater,
Basel, 1881.

Leipz. Hebamme, 1878.

do. 1881.

do. 1879.

Dr. Bbennecke, Suden-
burg-Magdeb., 1880.

Dr. Schütz, Hamburs:,
1881.

gelegen und wurde dann in Salpeter-

LIII (tt)

XXIII (JJB)
XXXV (S 1)
XXXVIII (Bge)

gut

XIX (x)

12.8

weich

5:4.5

4.0 : 3.2

Embryonen

von 13-

■14 mm.

LXXII (M 2)

13

weich und ge-

quetscht

XIV

13

weich und difform

_

XLIX (ff)

13

weich und trüb

_

_

XXIII (o)

13.5

gut

_

XLV (Br2)

13.6

vorzüglich

6:4.5

3.5:2.8

XL VI (Sch 2)

13.8

vorzüglich

Embryonen

von 14—

15 mm.

XII

14

etwas weich

_

__

XIII (y)

14

desgl.

_

_

XXIV (TT)

14.2

gut

_

_

XXVII D 3)

14,4

weich, sonst gut

Leipz. Hebamme, 1876

do. 1876

de. 1881

Prf. Dohrn, Marburg,
1880.

1) Hatte vor der Einlieferung in "Wasser
säure und in Alkohol nachgehärtet.

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No.
und sonstige
Bezeiclinung

OQ

® o

a S

:o3 K]

Erhaltungs-
zustand

Durch
der
Nabelblase
mm

messer
des
Cborlon
cm

Herkunft des Präparates.

Embryonen von 15—

-16 mm.

XXXVI (S 2)

15

Ectopia cordis,
sonst gut

5.5 : 4.5

3.5 : 2.8

Prf. F. Schmidt, Kopen-
hagen, 1880.

XXXIV (Dr 1)

15

innerhalb des Ute-
rus befindlich,
sehr gut

6.0: 5.5

4.5:4

anat. Samml. des Instit.,
stammt aus Dresden.

LI (St)

15

gut

•—

Dr. Schmidt, Lindenau,
1881.

XXI (v)

15.4

weich

Leipz. Hebamme, 1878.

XLI (Fr)

15.5

in der Form gut,
am Kopf verletzt

Embryonen

von 16—

20 mm.

Dr.fhiedläkdeu,Berlin,
1881.

XXV

16.5

ziemlich weich

Leipz. Hebamme, 1878.

LVIII (Mr)

17

gut

Dr. Meyeb, Hoyerswerda,
1881.

XX if.)

17

S. gut

Leipz. Hebamme, 1875.

XI (Gr)

17.5

gut

Dr. Gseppin, Basel, 1870.

Embryonen von 20—

25 mm.

XVI (z)

22

s. gut

Leipz. Hebamme, 1877.

LXXVII (Wt)

23

aus einer Extrau-
terin - Schwan-
gerschaft, gut

5.5:5

Prf. Weigert, Leipzig,
1882.

LXXVIII (Lp)

25

gut

5.5:5

Dr. Leopold, Leipzig,
1881.

XCVI (Dr2)

25

gut

4.5:4

anat. Samml. des Instit.,
aus Dresden stammend.

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Laut dieser Zusammenstellung habe ich Ms dahin zu beob-
achten Gelegenheit gehabt:

Embryonen früherer Stufen bis zum Eintritt der Naokenbeuge 10
Embryonen von 4—6 mm....................4

7—8

8—9

9—10 ............1

10—11 ^ ............3

4

11 — 12
12—13

13—14 ^ .............

14—15

15—16

16—20 << .......... . . I

20—25 ^ ............4

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Ueber das Vorkommen missl)ildeter Formen.

In die Tabelle des vorigen Abschnittes sind nnr diejenigen
Präparate mit aufgenommen, welche ich für normal gebildet halten
musste, die missbildeten Formen stelle ich in einer besonderen
Tabelle zusammen. Die Art der Missbildung ist in dieser letzteren
nur summarisch angegeben, einige weitere Notizen nebst Zeichnun-
gen findet man im Anhang. IJebrigens werde ich mich auch da
kurz halten, es kommt mir zur Zeit nur darauf an, anzudeuten,
auf was für Verbildungen man zu stossen pflegt. Nach meiner Ueber-
zeugung wird es, nachdem einmal die normalen Entwicklungsver-
hältnisse menschlicher Embryonen festgestellt sind, eine besondere
Aufgabe sein, die Missbildungen der früheren Lebensperioden ein-
gehend zu bearbeiten, und ich werde meinerseits gern bereit sein,
einem Forscher, der sich der Sache mit der nöthigen Hingabe wid-
men wird, das bei mir liegende Material zur Verfügung zu stellen.

In den beiden Tabellen ist nahezu alles Material mitgetheilt,
worüber ich brauchbare Aufzeichnungen besitze, nur wenige, in der
Vergrösserungsangabe unsichere ältere Zeichnungen habe ich unbe-
rücksichtigt gelassen und ebenso einige allzu defecte Präparate. In
vielleicht zwei oder drei Fällen war bei überbrachten Fehlgeburten
die Fruchthöhle von festen Blutgerinnseln erfüllt und dadurch die
Auffindung eines Embryo unmöghch gemacht. Im Uebrigen aber
sind mir leere Früchte niemals vorgekommen.

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Tabelle II. Missbildungen.i)

Verhalten
des Amnion
zum
Chorion

4a TS

iS^a

Durciin.

des
Chorion

No.

Art der Missbildung

Herkunft des Präparates

Knötchenförmige Miasbildung.

mm
1.2
1.5

XGII
XLIII

XCI

Wandständ. Knötchen
Dgl. mit kl. Endknopf

3 : 2.5 cm

Doppelkugel m. kl. Knöt-
chen besetzt

Leipz. Hebamme, 1876.
Prf.
Dohkn, Marburg,
1881.

Leipz. Hebamme, 1877.

Atrophische Formen.

xcv

LXXI
LXIX

LXXXVIII

XCIII
XLVII

LXXVI

L

2.3

3.2

4

4.8

4.8

5

6.3
7.7

Atrophischer Embryo,
zusammengekrümmt
Dgl. im Winkel geknickt
Dgl. im Winkel geknickt

Dgl. im Winkel geknickt

Dgl. mit Stirnquaste
Dgl. im Winkel geknickt

4.0 : 3.5

4.2:3.7

5.0:4.0
4.0:3.5
4.5:4.0

Dgl. mit deutl. Schlund-

Dgl. mit deutl. Schlund-
bogen
anliegend

anliegend
anliegend

Leipz. Hebamme, 1877.

do. 1881.

Dr. Landsbebgek, Posen,
1881.

Dr. Schott, Frankf.a. M.,
1881.

Leipz. Hebamme, 1875.
Dr.
Eissmann, Suden-
burg-Magdeburg, 1881.
Prf.
Fiemming, Kiel,
1882.

Leipz. Hebamme, 1881.

Jüngere Embryonen mit vorwiegender Verbildung des Kopfes.

Quervorlagerung d. Her- 1.7 nicht

zens, Verbild. d. Kie- anliegend

ferf. Fehlen d. Stirn
Vorderhirn eine dünn- 2.3 anliegend
wandige Blase

Cylinderformen.

Cylindergestalt, OefFnun- 5.4 : 5.2

gen d. Kopfes verwischt
Dgl., Stirnquasten 8.0 : 6.0

Dgl., etwas gekrümmt
Dgl., gestreckt

Sonstige Missbildungen.

Spina bifida
Dorsale Einknickung u,

Microcephalie
Äneneephalus u. Ectopia
cordis

Doppelte Lippen- und

Gaumenspalte
Vorfall der Leber in den
Nabelstrang

XXXVII

4.6

XXXI

8.2

XLVIII
XO

LXXXIX
LXXXVI

11.3

11.4
12.6
13.7

XCIV
LIX

LXXXV

LH

LXXXVII

11.7
13.6

21.5

anliegend
anliegend

5.0 : 4.0

40

Prf. F. Schmidt, Kopen-
hagen, 1880.

Prf. Ahlfeld, Leipzig,
1880.

Dr. Kibmeh., Leipzig,
1881.

Leipz. Hebamme, 1881.
do. 1880.

do. 1881.

Leipz. Hebamme, 1878.
Dr.
Leopold, Leipzig,
1881.

Prf. Thibksch, Leipzig,
1880.

Leipz. Hebamme, 1881,

do.

1) Die Mehrzahl obiger Missbildungen finden sich im Anhang abgebildet.

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Auf 63 oder unter Weglassung von S 2 auf 62 normale Em-
bryonen, welche die erste Tabelle aufzählt, repräsentiren die 22
Missbildungen eine unverhältnissmässig grosse Zahl. Sieht man ab
von der Gaumenspalte LH und vielleicht noch von XXXVn, so
sind die übrigen 20 Embryonen so verbildet gewesen, dass eine
Lebensfähigkeit auch nur bis in die späteren Fötalperioden hinein
scheint ausgeschlossen gewesen zu sein. Diese Missbildungen haben
auch sämmtlich in ihrer Entwickelung still gestanden und sind im
Uterus abgestorben, mehr oder minder lange, bevor ihre Ausstossung
erfolgt war. Es ergiebt sich dies aus dem Missverhältniss in der
Grössenentwickelung der Embryonen und ihrer Häute. So zeigte
z. B. XLIII in einem Chorion, das einem Embryo von ca. 18 mm
entspricht, ein Knötchen von nur 1,5 mm, LXXI in einem Chorion,
das für einen 16—20 mm langen Embryo bestimmt erscheint, einen
solchen von nur 3 mm u. dergl. mehr. Characteristisch für das Miss-
verhältniss in der Entwickelung erweist sich insbesondere das Ver-
halten des Amnion. Noch bei Embryonen von 15 mm umhüllt diese
Haut normalerweise den Körper so, dass nur ein schmaler Zwischen-
raum übrig bleibt, und erst in einer relativ späten Zeit rückt sie vom
Körper ab und legt sich der Innenfläche des Chorion an. Bei den
oben zusammengestellten Missbildungen aber zeigt sich, laut meinen
Aufzeichnungen, schon bei Embryonen von 5 und 6 mm das Am-
nion dem Chorion anliegend. Leider sind meine Notizen über
diesen Punkt unvollständig, ich vermuthe, dass ein ähnliches Ver-
halten wenigstens bis zu den Formen von 3 mm herab sich wieder-
findet. In allen den Fällen gelangt man bei Eröffnung der Frucht
unmittelbar in die Amnionhöhle und es ist nöthig, um das Verhalten
des Amnion zum Chorion festzustellen, seine Ablösbarkeit von letz-
terem zu constatiren.

Einer von den in der Tabelle aufgeführten Embryonen XXXVH
zeigte ein knapp am Körper anliegendes Amnion; sein Chorion
war in richtigem Verhältniss zur Grösse des Embryo und dieser
letztere war auch erst bei der Ausstossung der Missbildung ab-
gestorben, denn er war in seinem histologischem Detail vorzüglich
erhalten.

Rechne ich von den Missbildungen der Tabelle die beiden grös-
seren über 25 mm ab, dazu noch den nicht unbedingt lebensun-

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fälligen Fall von Gaumenspalte und den Fall S3, so bleiben auf 62
normale Fälle 18 lebensunfähige Missbildungen, über 22 Proc. der
Gesammtzahl der in Betracht gezogenen Fälle. So gross diese Ver-
hältnisszahl ist, so scheint sie doch noch unter dem wirklichen Ver-
hältniss zu stehen. Von auswärts sind mir natürlich mit Vorliebe
normale und wohlerhaltene Stücke eingesandt worden, was die Pro-
centzahl zu Gunsten der letzteren verschiebt. Beschränke ich die
Zählung auf die Fehlgeburten, welche mir hiesige Hebammen während
der letzten paar Jahre eingeliefert haben, so stellt sich das Ver-
hältniss von 12 Missbildungen auf 19 gesunde Früchte
heraus, gegen 40 Proc. der eingelieferten Fälle. Die Zahl der
Fälle ist noch sehr klein und es ist nöthig, in Zukunft derartige
Zählungen noch consequenter und in grösserem Maassstabe auszu-
führen. Jedenfalls aber ergiebt sich die für die Zeu-
gungstheorie, wie für die Praxis höchst bedeutsame
Thatsache, dass ein nicht geringer Bruchtheil der er-
zeugten Geschöpfe schon in ihrer ersten Anlage ver-
fehlt ist und damit unfähig, das Entwickelungsziel zu
erreichen.

Bs steht das eben betonte Ergebniss in Uebereinstimmung mit
den Erfahrungen über die Häufigkeit von Missbildungen in Fisch-
eiem und in den bebrüteten Eiern des Huhnes. Bekanntlich hat
schon vor längerer Zeit
Panumi) gezeigt, dass die während der Be-
brütung abgestorbenen Eier zum grössten Theil missbildete Embryo-
nen enthalten. Auch bei Säugethieren sind abgestorbene Embryonen
keine Seltenheit, so habe ich kürzlich bei einem seit 14 Tagen be-
fruchteten Kaninchen auf zwei normal entwickelte Embryonen von
10 mm Länge zwei in der Entwickelung zurückgebliebene und ab-
gestorbene von nur 4.8 mm Länge vorgefunden.

Gewisse Formen von Verbildung müssen schon in der aller-
ersten Lehenszeit die Entwickelungsfähigkeit des Keimes sistiren,
andere werden ein mehr oder weniger kümmerhches Weitervegetiren
auf 2, 3 und noch mehr Wochen hinaus erlauben, bis dann schliess-
lich die Entwickelung auch still steht, und dem werden verschiedene
Formen der Schlussgestaltung entsprechen. Die mehrfache Wieder-

1) Panum, üeber die Entstehung von Missbildungen. Berlin 1860.

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kehr sehr ähnhcher Misshildungsformen, Knötchenform, geknickte
Form, Walzenform n. s. w., weist offenbar darauf hin, dass es gewisse
Hauptkhppen geben muss, an denen die Entwickelung leicht fehl
gehen kann. Eine sorgfältige Bearbeitung der yorkommenden For-
men in dem Sinn, wie sie ja schon durch P
anum angebahnt worden
ist, wird wohl mit der Zeit darüber Licht verbreiten können, worin
denn eigenthch die Hauptgefahren der Entwickelung liegen.

Theoretisch von grosser Wichtigkeit ist natürhch die Frage
nach den Ursachen der vorkommenden Missbildungen. Eines-
theils kann die primäre Zeugung incorrect erfolgt sein,
es kann fehlerhafte Beschaffenheit der Spermatozoon, oder der Eier
vorhanden gewesen oder es kann die Einwirkung der Spermatozoon
auf das Ei unrichtig vor sich gegangen sein. Für letztere Mög-
hchkeit gewähren die bekannten Erfahrungen von
Fol bei Seestem-
eiern Anhaltspunkte. Anderntheils muss man aber die Möglich-
keit im Auge behalten, dass ein Theil der Missbildungen
durch Störung der Entwicklungsbedingungen veran-
lasst ist, durch ungenügende Ernährung, ungenügende Kespira-
tionsbedingungen, durch mechanische Beeinflussung bei falscher Ute-
ruslage u. dgl.
Panum war bei seinen Untersuchungen zum Schluss
gekommen, dass die Missbildungen in Vogeleiern grösstentheils durch
unregelmässige Temperaturschwankungen bedingt sind. Auf das reiche
Feld der hier sich öffnenden Discussionspunkte trete ich nicht ein,
weil meine Arbeit dies nicht nothwendig verlangt. Es sind bei
weiterer Materialsammlung Seitens der Gynäkologen besonders auch
jene Fälle genau durchzubeobachten, wo dieselbe Frau hinter ein-
ander ganze Reihen von Fehlgeburten macht. Sind in solchen Eäl-
len die verschiedenen Fehlgeburten mit normalen oder mit miss-
bildeten Embryonen ausgestattet? und in letzterem Falle: sind die
Formen der Missbildung stets dieselben? Ueberhaupt verspreche
ich mir sehr viel für das Verständniss der Ursachen der Missbil-
dung aus einer sorgfältigen Combination der teratologischen mit der
gynäkologischen Beobachtung und ich möchte den jüngeren Gynä-
kologen dies Gebiet warm ans Herz legen.

Der zweite und wohl noch ein Theil vom dritten Monat der
Schwangerschaft scheint den Zeitraum zu umfassen, während dessen
der Uterus sich alles dessen entledigt, was nicht entwicklungsfähig

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ist. Aus späteren Fötalperioden sind mir schlecht genährte, hier
und da auch angefaulte Fötus durch die Hände gegangen, aber
keine Producte, von denen man nicht hätte annehmen dürfen, bei
günstiger Ernährung hätten sie auch bis zum Geburtstermin ihr
Leben weiter führen können. Wollte man übrigens feststellen, wie
gross das Verhältniss der vermöge ihrer ersten Anlage lebens-
unfähigen zu den lebensfähigen Zeugungsproducten ist, so wäre zu-
nächst eine Statistik der Fehlgeburten zu liefern und dann die
procentische Menge der in letzterer enthaltenen Missbildungen noch
schärfer, als dies oben geschehen ist, festzustellen.!)

1) Hegae, Monatsschr. f. Geburtskunde. Bd. 21. (1863.) Suppl.-Heft. S. 34,
schätzt, dass auf 8—10 rechtzeitige Geburten eine Fehlgeburt der ersten Mo-
nate kommt. Auch
Hegab unterscheidet die Ursachen des Abortus als solche,
die vom Fötus und solche, die von der Mutter ausgehen. In Betreff der erste-
ren sagt er (S. 40): „Der Zeitpunkt, in welchem die Fehlgeburt zu Stande
kommt, ist ein ziemlich bestimmter, es ist das Ende des zweiten und der An-
fang des dritten Monats, also der Termin, in welchem die Placenta in einem
raschen Entwickelungsprocess begriffen ist".

His, Mensehl. Embryonen. H.

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Ueber die bei der Kritik des
beobachteten Materials in Betracht kommenden
Gesiclitspnnkte.\')

Das so häufige Vorkommen von Misshildungen in Fehlgeburten
der ersten zwei Monate zeigt, dass die letzteren aus zM^ei Haupt-
nrsachen erfolgen können:

1. infolge fehlerhafter Bntwickelnng des Embryo,

2. infolge von Ursachen, die an der Mutter liegen;

in letzterem Falle handelt es sich entweder:

um plötzliche Schädlichkeiten, die die Mutter getroffen

haben, Schreck, Fall, acute Erkrankung u. dgi. oder
um krankhafte Dispositionen des Uterus.

Bei Beurtheilung einer Frucht werden in vielen Fällen schon
die anamnestischen Daten von Werth sein. Den Uterusinhalt einer
plötzlich verstorbenen Frau werden wir mit Wahrscheinlichkeit für
normal halten dürfen, und auch vom Inhalt solcher Fehlgeburten
werden wir dieselbe Voraussetzung hegen können, welche nachweis-
lich durch zufällige Schädlichkeiten (worunter acute Krankheiten
mitzurechnen sind) veranlasst waren. Das Contingent derartiger
Fälle ist indessen ein unbedeutendes, und es ist nöthig, sich über
die Anhaltspunkte zu verständigen, welche uns erlauben, unabhängig

1) Die oben besprochenen Verhältnisse finden sich auch erörtert in dem
Aufsatze zur Kritik jüngerer menschhcher Embryonen. Arch. f. Anat. n. Physiol.
1880, anat Abth. S. 414 u. f.

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von der Anamnese, aus der Beschaffenheit der Frucht seihst zu er-
schliessen, inwieweit dieselbe normal sei.

1. Der Erhaltungszustand. Wenn ein Embryo in noch
durchsichtigem oder in stark durchschimmerndem Zustande in unsere
Hände kommt, so dass man durch die äussere Bekleidung hindurch
die Gefässe und sonstigen inneren Theile erkennen kann, so beweist
dies, dass derselbe vor Kurzem abgestorben, bez. dass er durch den
Act des Abortirens in seinem Leben unterbrochen worden ist. Ein
solcher Embryo ist mit Wahrscheinlichkeit als normal zu betrachten.
Spirituspräparate solcher frisch eingelegter Embryonen geben die
volle Schärfe der äusseren Formen wieder und die von denselben
gewonnenen feinen Durchschnitte gewähren die scharfe Zeichnung
der Organgrenzen und des histologischen Details.

Der gute Erhaltungszustand spricht zwar mit grosser Wahr-
scheinhchkeit für die normale Beschaffenheit einer Frucht, aber er
gewährt keine unbedingte Sicherheit. Der Zufall vermag es zu brin-
gen, dass auch einmal eine Missbildung noch lebend oder doch un-
mittelbar nach ihrem Absterben durch Fehlgeburt ausgestossen wird.
In der Weise erkläre ich mir den Fall XXXVII
(S3), dessen schon
im vorigen Abschnitte gedacht worden ist. Hier sprechen der Er-
haltungszustand nicht minder als das Verhalten der Häute für nor-
male Beschaffenheit, und doch ist die Gestalt des Embryo verbildet.

Ungenügender Erhaltungszustand beweist natürlich nur, dass

ein Embryo nicht frisch in die Hände des Beobachters gelangt ist.

Ob derselbe schon intrauterin abgestorben ist, wird man in einem

Theil der Fälle aus dem Verhalten der Häute erscMiessen können,

dagegen möchte es schwer sein, in jedem einzelnen Falle dies sicher

auszusprechen. Wenn nun aber auch lebensunfähige Embryonen

intrauterin abzusterben pflegen, so ist doch nicht jeder intrauterin

abgestorbene Embryo als missbildet anzusehen. Es können abnorme

Vorgänge im Uterus einen normal gebildeten Embryo tödten, ohne

dass er deshalb gleich braucht ausgestossen zu werden. Es pflegt

sogar sehr häufig der Fall zu sein, dass die mit der Fehlgeburt

endenden Vorgänge im Uterus durch eine Reihe von Tagen sich

hinziehen, wobei dann der gleich im Beginn abgestorbene Embryo

in mehr oder minder erweichtem Zustande zur Welt kommt. Nicht

jeghches unvollkommen erhaltenes Material ist demnach ohne Wei-

2*

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teres zu verwerfen, es können solche Stücke, insbesondere auch hin-
sichtlich der Dimensionen zur Controlle mithelfen.
Iii Vorzeitig abgestorbene Embryonen sind trüb, die Grenzen innerer

t:!; Organe, die man bei frisch conservirten Stücken durch die Haut hin-

durch erkennt, sind mehr oder Aveniger verwischt, jedenfalls erman-
geln sie der gehörigen Schärfe ; die Zeichnung oberflächlicher Blut-
gefässe fehlt vollständig. Ferner sind die Abgrenzungen der Schlund-
t bogen, die Zeichnung der Gehöröffnung, diejenige der Urwirbel, sowie

die ersten Andeutungen von Finger- und von Zehengliederung un-
\' ; deutlich, um so mehr, wenn auch noch Abschilferungen der Epidermis

eingetreten sind. Auch die ursprüngliche Körperkrümmung kommt
abhanden: Bei erweichten Embryonen von ca. 10 mm ab findet
yjj man häufig den Kopf aufgeklappt, sehr beweglich und den Hals-

..........Winkel eingerissen. Auch das untere Ende kann sich postmortal

V;,, Öffnen. Die Form- und Continuitätsstörungen können noch weiter

if\'- gehen, so kann noch innerhalb der uneröffneten Häute der Kopf

nI^ abreissen, ferner kann bei Embryonen des 2. Monats die Bauch-

wand durch den Zug des Nabelstranges eingerissen werden; ja in
einem Falle (XXVIII) fand ich an der durch die Eisenbahn zuge-
sandten Frucht den Eingeweidekern nebst einem Stück Bauchwand
Y aus dem übrigen Leibe herausgerissen. Dieser Embryo war 7 Wo-

Jk chen nach dem Termin der ersten ausgebliebenen Periode ausge-

stossen worden, seiner Entwickelung nach konnte er aber höchstens
5 Wochen alt sein, er mochte somit wohl an die 14 Tage intra-
uterin todt gewesen sein.

Sehr bemerkenswerth erscheint es mir, dass ich niemals leeren
Früchten begegnet bin. Man sollte a priori erwarten, dass ein
Embryo, wenn er einmal intrauterin abgestorben ist, innerhalb der
Flüssigkeit, in der er sich befindet und bei der Körpertemperatur
völlig zerfällt, wie dies extra uterum sicherlich bald eintreten würde.
•y Die Tabelle der Missbildung zeigt mehrere Embryonen von 3—5 mm,

ihrer Entwicklung nach kaum 3 Wochen alt, in Hüllen, die auf ein
" Alter von 5 und 6 Wochen schliessen lassen. Diese Embryonen

waren trüb und weich, aber sie hatten ihren Zusammenhang be-
hj wahrt. So lange das Chorion bez. dessen Elementartheile lebend

IJ sind, scheint es den Inhalt vor Fäulniss und selbst vor Macerations-

zerfall zu bewahren.

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2. Das Verhalten der Häute. Der Durchmesser einer Frucht
kann in der Regel nur approximativ angegeben werden. Abgesehen
von der Unsicherheit, die in der Ausmessung der Zotten liegt und
die sich vielleicht in Zukunft durch Ausmessen der eigentlichen
Kapsel vermeiden lässt, liegt eine Hauptschwierigkeit darin, dass
die Früchte, selbst im uneröffneten Zustande, zu collabiren pflegen;
vollends aber lässt die Ausmessung eröffneter Früchte immer eine
ziemhche Fehlerbreite. Gleichwohl kann man der Maasse, auch als
blosser Annäherungswerthe nicht entbehren.

Bei den jüngsten Früchten meiner Tabelle bis zu einer Länge
des Embryo von 3 ä 4 mm, d. h. also bei Früchten unter 3 Wochen,
beträgt der Durchmesser (einschhesshch der Zotten) meistens unter
10 mm, im Maximum (bei BB und Lr) erreicht er 15 mm. Bei
Embryonen der 4. Woche, von 4—8 mm Länge, schwanken die Werthe
der Fruchtkapsel meist um 2 cm herum, etwas weniger oder etwas
mehr, nur bei III (o) habe ich die Angabe von 3 : 2V2 cm. Bei den
gut erhaltenen Embryonen von 11—12 mm beträgt der Durchmesser
des Chorion 2V2—3 cm. Für die nachfolgenden Stufen habe ich etwas
sparsamere Messungen, indessen finden sich für Embryonen zwischen
12—16 mm Fruchtdurchmesser zwischen 3—4 cm verzeichnet. Bei
dem bereits ziemhch grossen Fötus LXXVIII (Lp), dessen Länge
25 mm beträgt, mass das Chorion 5.5 auf 5 cm, bei XCVI sogar
nur 4.5 auf 4 cm.

Sonach würden sich nach der Grösse der Chorion geordnet un-
gefähr folgende Normen aufstellen lassen:

Chorion unter 1.5 cm Embryo zwischen 2— 4 mm
^ von IV2—3 ^ f 4—10

^ 21/2—4 ^^ ^ 10—15

^ 31/2—5 ^ ^ 15—20 ^

4—6 - ^ 20—25 ^

Grössere Abweichungen von diesen Normen sind jedenfalls
immer nur mit Vorsicht aufzunehmen. Eine Frucht von 3 cm mit
einem Embryo von nur 2 ä 3 mm, oder eine solche von 4 cm mit
einem Embryo von nur 4 ä 6 mm zeigen von vornherein ein Miss-
verhältniss, das zwar nicht unbedingt einen missbildeten Embryo vor-
aussetzt, das aber doch verlangt, dass das Stück mit besonderer
Kritik geprüft werden muss, ehe man Schlüsse daraus zieht.

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In Betreff des Amnion sind schon ohen die nöthigen Be-
merkungen gemacht. Bis zu ca. 10 mm Länge sind die Embryonen
vom Amnion knapp umhüllt, dann hebt es sich, erst nur um sehr
weniges vom Körper ab, so findet man es bei Embryonen von
mm um 1—3 mm abstehend. Erst wenn der Eötus eine
Länge von ca. 21/2 cm erreicht hat, liegt das Amnion dem Chorion
mehr oder minder dicht an, auch erfüllte ja von da ab der heran-
wachsende Eötus in zunehmendem Maasse den Raum der Erucht-
höhle. Schlaffe, weite Amnionsäcke bei kleinen Embryonen oder
gar ein Anliegen des Amnion am Chorion sind als Missverhältniss
zu bezeichnen.

Bei mehreren von den Embryonen, bei denen ein Missverhält-
niss zwischen Häuten und Embryo bestanden hat, ist mir auch auf-
gefallen, dass Amnion und Chorion unverhältnissmässig dünn und
durchscheinend waren. Ich besitze indess keine genauen Maass-
bestimmungen, um diese Wahrnehmung in Zahlen zu belegen.

3. Die Uebereinstimmung der Embryonen unter
einander. Die wichtigste Controlle ergiebt sich aus der Verglei-
chung der verschiedenen, im Uebrigen gut accreditirten Embryonen
unter einander. Je mehr sich die Beobachtungen häufen, um so
mehr wird es möglich, für eine jede besondere Entwickelungsstufe
eine Anzahl guter Stücke zusammenzubringen, und falls diese unter
sich übereinstimmen, für die betreffende Stufe eine Norm aufzu-
stellen. Die Normen verschiedener Stufen aber müssen, falls sie
ihren Namen verdienen sollen, in ungezwungener Weise zu Reihen
sich ordnen lassen, innerhalb deren die einzelnen Glieder nach ihren
absoluten und relativen Grössenmaassen und nach ihren Eorm-
eigenthümlichkeiten an einander sich anschliessen.

Wir besitzen meines Erachtens nunmehr eine genügende Anzahl
guter Einzelnbeobachtungen, um das bisherige System rein casuisti-
scher Betrachtungsweise zu verlassen und zur Aufstellung bestimmter
Entwickelungsnormen überzugehen. Nur an wenigen Stellen sind die
bisherigen Beobachtungen zu sparsam oder unter sich nicht genügend
in Uebereinstimmung zu bringen und für diese besonderen Stufen
lässt sich demnach noch kein nach allen Seiten abgerundetes Bild
entwerfen.

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Aufstellung von Entwickelungsnormen.

Erster Monat.

Die brauchbaren Beobachtungen von Embryonen des ersten
Monats habe ich im ersten Theil bereits zusammengestellt und
kritisch gesichtet. Hier, wo es darauf ankommt, die Stufencharak-
tere möglichst scharf zu bestimmen, führe ich nur die Stücke noch
einmal auf, die ich für beweiskräftig halte. Die Textfiguren, die
diesem Abschnitte beigegeben sind, sind alle fünffach vergrössert.
Dies gilt nicht allein von meinen eigenen Eiguren, sondern, soweit
dies die vorhandenen Unterlagen ermöglicht haben, habe ich mit
Hülfe einer photographischen Kammer auch die Zeichnungen anderer
Beobachter auf dieselbe Yergrösserung gebracht. Erst so gewinnt
man ein sicheres Urtheil über die Beziehungen der einzelnen Be-
obachtungen zu einander. Ohne gehörige Berücksichtigung der
Maassverhältnisse halte ich es nicht für möghch, zuverlässige Unter-
scheidungen über die Zusammengehörigkeit oder Nichtzusammenge-
hörigkeit der Stücke zu geben.

Embryonen von 7—8 mm.

Meine eigenen Beobachtungen umfassen die beiden Embryonen
I (B) und II(A), die im ersten Theil (I, 14) beschrieben worden
sind, ausserdem die beiden Stücke LXI (Eck 1) und XL (Stt), von
denen ersteres schon etwas präparirt und in Carmin gefärbt, das
zweite erweicht in meine Hände gelangt ist. Beide, besonders aber

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Flg. 1-6.

Di« mit römiselieiL Ziffern Ijezeichneten Figuren sind Prismenzeiehnnngen meiner eigenen, in
der Tabelle
Ton S. 8 angeführten Präparate I (B), II (A) nnd XL (Stt). Die drei anderen Zeich-
nungen sind Copien nach
Coste CHI, nach Allen Thomson (bei Kölmker) AT 5 und nach
Waldbtbr W d. letztere sind unter Zugrundelegung der vorhandenen Maassangaben auf fünf-
fache Vergrösserung umgezeichnet.

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XL, sind als Controllstücke noch mit verwerthhar gewesen und letz-
teres habe ich auch mit ahgehildet. Von fremden Beobachtungen
gehören hierher die Fälle von
Coste III\'), Allen Thomson^) und
Waldeyer.3) Alle sieben Fälle stammen aus Fehlgeburten, dabei
zeigen sie aber so ausgeprägte und unter sich so übereinstimmende
Charaktere, dass sich aus ihnen ein durchaus typisches Bild der
betreffenden Entwickelungsstufe ergiebt.

Der Embryo ist in dieser Zeit stark zusammengekrümmt, seine
Stammgebilde stellen eine Spange dar, deren Mittelstück durch den
Hals- und den Eückentheil des Rumpfes, deren Endstücke durch den
Kopf- und den Beckentheil gebildet sind. Kopf- und Steissende
sind sich beinahe bis zur Berührung entgegengerückt. Jenes bildet
mit dem Halstheil einen Winkel von nahezu einem Rechten. Durch
diesen Winkel, den Nackenhöcker, geht die längste durch den
Körper zu legende Gerade. Auch der Rücken des Embryo ist ge-
wölbt, aber derart, dass auch an ihm eine Stelle rascherer Aus-
biegung hervortritt, welche ungefähr in der Höhe der oberen Ex-
tremitäten liegt (D 0 r s a 1 h ö ck e r). Der Beckentheil seinerseits steigt
steil in die Höhe und wendet seine Dorsalfläche nach vom. Die
Uebergangsstelle (die man vielleicht am ehesten als Kreuzhöcker
bezeichnen kann) fällt in den Bereich der unteren Bauchwirbelsäale.

Der Kopf lässt sämmtliche Gehirnabtheilungen erkennen, am
meisten nach vorn sieht das starke Mittelhirn, über welchem die
Einsenkung der Rautengrube, unter dem das Zwischenhim und die

1) Coste, Taf. III des grossen Atlas.

2) Allen Thomson in Köllikeb\'s Entwickelungsgesch. 2. Aufl. Fig. 282.

3) Waldeyer in Heidenhain\'s Physiol. Studien. Leipzig 1865. III. S. 55.
Zur Grössenbeurtbeilung dienen folgende Unterlagen:
Coste zeichnet seinen
Embryo in natürlicher Grösse ca. 8 mm lang. Bei der Figur von
Allen
Thomson
giebt Köllikee die Länge nach der Krümmung = 11 mm an, aus
dem Durchmesser der Nabelblase lässt sich der Vergrösserungsmaassstab\' und
mit dessen Hülfe die gestreckte Länge bestimmen.
Waldeyer bestimmt die
Länge seines Embryo zu 8 mm. Früher glaubte ich, auch den Fall von Jon.
Müller (Meckel\'s Arch. 1830. S. 411) hierher zählen zu sollen, weil die Zeich-
nung in natürlicher Grösse einen Embryo von ca. 8 mm zeigt, aus der Aus-
bildung der Extremitäten und aus der bereits verminderten Zusammenkrüm-
mung des Körpers muss ich indessen schliessen, dass der Embryo wohl zwi-
schen 9—10 mm lang gewesen sein mag.

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bereits selbstständig hervortretenden Hemisphären sichtbar sind. Das
Auge ist verhältnissmässig Mein, die Linse eben im Schluss be-
ii\'i\' griffen. Das Eiechorgan stellt sich als ausgedehntes und von

\' wulstigen Eändem umgebenes ovales Feld dar (Nasenfeld). Die

\'\'!: Schhmdbogen sind breite, bis in die Flucht des Hemisphärenhnns

hervortretende Streifen, drei derselben sind in ihrer ganzen Aus-
\' dehnung, der vierte nur in seinem Wurzelstück zu erkennen. Die

geschlossene Gehörblase liegt dorsalwärts vom zweiten Bogen. Eine

iü; deutlich hervortretende Leiste (die Wolff\'sche oder Extremitäten-

leiste) führt vom untersten Schlundbogen aus zur Wurzel der oberen
If- Extremität und von da weiter zur unteren Extremität hin. Beide

.........Extremitäten bilden breite Lappen, die an ihrer Abgangsstelle

schwach eingeschnürt und ohne deutliche Gliedei-ung sind. Die
\' Ausdehnung ihrer Basis kommt ihrer Länge nahezu gleich. Die

untere Extremität geht von der Wolff\'schen Leiste im Winkel
zwischen Bauch- und Beckentheil ab, die obere fällt in den Bereich

des Dorsalhöckers.

In dem von der Körperspange umfassten Eaum liegen, äusser-
IjSlI lieh erkennbar, das Herz, die Leber und die Abgangsstelle des

dicken, kurzen Bauchstieles. Bulbus nnd Yorhof des Herzens liegen
dicht hinter den Schlundbogen. Die Rundung der Leber macht sich
im Zwischenraum zwischen dem Yentrikel und der oberen Extremität
bemerkbar. Eine schräg vor der Leber ansteigende eingezogene
\'J: Linie bezeichnet den Ort des primären Zwerchfells. Die Nabelblase

I ist bereits gestielt, der Stiel tritt rechts vom Bauchstiel aus dem

1 Leibe hervor, während das stumpf auslaufende Schwanzende des

Körpers links von jenem zu hegen pflegt.

Die Vergleichung der sechs auf S. 24 mitgetheilten Figuren
unter einander zeigt, dass dieselben in den eben besprochenen Punk-
ten unter einander übereinstimmen; höchstens das möchte zu be-
if merken sein, dass an der
CosTE\'schen Figur auch der vierte Schlund-

bogen deutlich hervortritt, der sonst auf dieser Stufe bereits verdeckt
zu sein pflegt. Auch die relativen Maasse der Theile stimmen im
^ Ganzen und Grossen für die verschiedenen Figuren überein; am

\' meisten abweichend in der Hinsicht ist nach der einen Seite hin

die CoSTE\'sche, nach der anderen die waldeyer\'sche Figur. Bei
jener erscheint der Kopf verhältnissmässig plumper, bei dieser

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schmäclitiger angelegt als in den übrigen Fallen. Die Messung
an den Figuren ergiebt folgende Zahlen:

Sagittale Kopftiefe Länge des Kopfes

von der Stirn bis Hnter vom Scheitel (Mittelhirn)
das Mittelhirn zum Nackenhöcker

I (B).....2.9 mm 5.1 mm

II (A).....2.9 5.3 ==

XL (Stt). ... 3.0 ^ 5.4 ^

A. Thomson (5) . 2.9 ^ 5.2

Coste (III) . . 3.4 ^ 5.0 ^

Waldeyek ... 2.8 5.3 ^

Mittel.....3.0 mm 5.2 mm

Bei Beurtheilung der vorhandenen Differenzen ist vor Allem
im Auge zu behalten, dass während meine drei Figuren mit dem
Zeichnungsapparat entworfen, die drei übrigen von freier Hand ge-
zeichnet sind. In Betracht kommt wohl ferner, dass die
CosTE\'sche
Figur nicht nach einem Alkoholpräparat, sondern nach einem frischen
aufgenommen zu sein scheint, und endlich geben sowohl A.
Thom-
son\'s
als Waldeyek\'s Figur keine ganz reinen Profile, erstere zeigt
eine leichte Vorschiebung des Eückens, diese des Bauches. Als ein
Versehen des Lithographen oder Zeichners sehe ich es an, dass in
Waldeyee\'s Darstellung, entgegen allen übrigen Erfahrungen, der
Darmstiel links vom Bauchstiel liegt, die Steissspitze rechts davon.

Embryonen von 4—5 mm.

Von meinen eigenen Beobachtungen fallen in diese Gruppe die
Embrj^onen III («) mit 4 mm und LVII (E) mit 5 mm, ausserdem
die defecten Stücke LVI (W) nnd XXVI (D 2) von je ca. 5 mm.
Von fremden Beobachtungen gehören hierher:

der CosTE\'sche Embryo IIa von ca. 4 mm

Embryo 4 von A. Thomson 1) == 4 ^
^ f ^ H
ensen^) ^ ^ 4,5 ^
" ^ E
ckee^) ^ ^ 4 ^

1) Köllikee, 1. c. Fig. 231.

2) Hessen, Arch. f. Anat. u. Physiol., anat. Abth. 1877. S. 1.

3) Eckee, ebendaselbst 1880. S. 403.

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Aus dieser Gruppe helben sich zunächst drei Stücke in auf-
fälhger Weise hervor; es sind dies die Embryonen von
Coste,
Allen Thomson
und mein Nr. III (a). Diese von drei verschiede-
nen Forschern in drei verschiedenen Ländern beobachteten und ge-
zeichneten Fälle zeigen, wenn sie auf dieselbe Vergrösserung ge-
bracht werden, unter sich sehr grosse Uebereinstimmung, und da der
eine von ihnen, der von
Coste, aus dem Uterus einer Selbstmörderin
stammt, so können wir nicht zweifeln, dass das Bild, das uns diese
drei Embryonen gewähren, ein typisches und normales sei. Alle
drei sind stark zusammengekrümmt, am stärksten der Embryo a.
Dabei zeigen sie dieselben Knickungsstellen, die wir schon von den
vorgerückteren Stufen kennen, Nacken-, Rücken- und Kreuzhöcker.i)

Am Gehirn sind Vorderhim und Zwischenhirn durch eine Furche
bereits von einander geschieden, jenes aber noch nicht mit selbst-
ständigen Hemisphären versehen, die Eautengrube deutlich markirt;
das Auge tritt als rundlicher Vorsprung vor dem Oberkiefer hervor2),
zeigt aber noch keine Linsenanlage, die Gehörblase ist geschlossen,
das Nasenfeld als flache Grube jederseits von der Basis des Hemi-
sphärenhirns erkennbar. Alle vier Schlundbogen sind sichtbar, ihre
vorderen Enden hegen hinter einander in einer beinahe geraden
Linie, deren Verlängerung den vordersten Abschnitt des Vorderhims
trifft. Die Wolff\'sche Leiste ist scharf markixt, die Extremitäten
noch kurz und mit breiter Basis der Leiste aufgesetzt. Das Herz
lässt sämmthche drei Abtheilungen äusserhch erkennen und die Ven-
trikelschleife ist bereits caudalwärts gerichtet. Die Nabelblase ist
zwar an ihrer Wurzel eingeschnürt, indess noch in breiter Verbin-
bindung mit dem Körper. Eine Leberanschwellung ist vorhanden,
aber schwach hervortretend.

Etwas älter als die drei eben besprochenen sind die Embryonen

1} Von Bensen und Eckee liegen directe Maassangaben (4 bez. 4.5 mm),
vom Embryo 4 von
Allen Thomson eine 4 mm lange Figur in natürlicher
Grösse vor. Der
CosiE\'sche Embryo, angeblich 15mal vergrössert, ist 6 cm
lang, was auch 4 mm natürliche Länge ergeben würde. Man kann sich auf
die
CosTE\'schen Vergrösserungsangaben nicht allzusehr verlassen, aber hier
stimmt die Entwickelungsstufe in der That genau mit den beiden Fällen von
Allen Thomson und von mir, die beide 4 mm lange Embryonen aufweisen.

2) Bei Coste im Original etwas undeutlich gehalten.

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LVII (R) und LVI (W), von denen letzterer mit aufgerissenem Leib
in meine Hände gelangt ist. Seine Kopfgrösse weist ihn in un-

Fig. 7-13.

Hier sind die Figuren UI (a), LVII (E) und LVI (W) eigener BaobachtungeJi nnd mit dem
Prisma gezeichnet. Die übrigen stammen
tou Alles Thomsoh, AT 41), Coste C IIa, Heksbn, H,
und Ecker E und sind auf fünffache Yergrösserung umgezeichnet. Embryo LVI ist defect und
durch die Präparation in seiner Form verändert.

mittelbare Nähe von E. Ich habe den Embryo R erhalten, nach-
dem das Amnion und die Nabelblase bereits entfernt waren und viel-

1) Die im ersten Theil S. 165 ausgesprochene Yermuthung, dass dieser,
bei Köllikbb abgebildete Embryo vom Holzschneider umgekehrt worden sei,
hat Herr A. Thomson als richtig anerkannt. Darnach liegt auch meine obige,
nach
Köllikbb angefertigte Copie auf der falschen Seite.

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leicht kommt es auf Rechnung dieses TJmstandes, dass derselbe
eine minder starke Riiokenkrümmung zeigt, als die Embryonen
früherer nnd späterer Stufen, denen er sich sonst in Betreff aller
übrigen typischen Verhältnisse vollkommen anschliesst.

Von den Grössen zwischen 5—7 mm habe ich bis jetzt keine
Embryonen erhalten und auch aus der Literatur sind mir dafür
keine verwendbaren Eälle bekannt. Die Lücke ist, wenigstens in
Betreff\' der äusserlichen Formverhältnisse, keine störende. Die Formen
von a oder von R und die von A oder B stehen sich so nahe, dass
eine Interpolation ohne allzugrosse Willkür möglich ist.

Hensen\'s Embryo zeigt bereits getheilte Hemisphären, was ihn
etwas höher stellen würde, als die drei Embryonen der mittleren
Zeile; anderntheils scheint er, soweit man aus der Zeichnung schliessen
kann, in der Grösse hinter jenen eher etwas zurück zu stehen, auch
ist seine Rückenkrümnmng eine erheblich geringere. Etwas fremd-
artig berührt mich bei
Hensen\'s Abbildung das Verhalten des Un-
terkieferfortsatzes: Derselbe ist auffallend kurz und bleibt in der
reinen Profilansicht i) hinter dem Oberkiefer sowohl, als hinter dem
zweiten Bogen zurück. Dies ist in Widerspruch nicht allein mit
dem Verhalten bei den ungefähr gleichaltrigen Formen, sondern
mit dem Verhalten bei jüngeren sowohl als bei älteren menschlichen
Embryonen, bei denen allen in übereinstimmender Weise der Unter-
kiefer durch seine relative Grösse sich auszeichnet. Ich möchte
vermuthen, dass im vorliegenden Fall eine Verstümmelung vorliegt,
und dass der vordere, durch eine Furche abgesetzte Theil des Fort-
satzes abgebrochen ist.

Der EcKER\'sche Embryo ist entschieden der jüngste von dieser
Gruppe. Auch bei ihm ist die Rückenkrümmung gering, zugleich
ist die Nackenkrümmung noch weit unter dem späteren Maasse.
Der Rumpf erscheint in der Profilansicht^) im Vergleich zur Kopf-
grösse etwas kurz, was möglicherweise daran liegt, dass in der
Profilansicht der Uebergang in den Beckentheil etwas verkürzt ist.

1) Fig. 2 der HENSEN\'schen Tafel. Arch. f. Anat. u. Physioi., anat. Abth.
1877. Taf. I.

2) Ebendas. 1880. Taf. XXIV. Fig. 5.

Sïïi

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Ich stelle hier die Kopfmaasse zusammen, wobei Tiefe und
Länge wie oben gemessen sind:

Sagittale Kopftiefe

Kopflänge

Ill(a) . . .

3.1 mm

A. Thomson 4

. . 1.7 ^

3.1 ^

Coste IIa

. . 1.8 -

2.9

Hensen . .

. . 1.85 ^

2.8 ^

ecker2) . .

. . 1.75

2.6 ^

Mittel . . .

2.9 mm

E.....

3.4 mm

W . . . .

. - 1.9 -

3.8 ^

Mittel . . .

. . 1.92 mm

3.6 mm

Formen vor Eintritt der Nackenhmmmung.

Die Zahl der in der Literatur beschriebenen, auch hinsichtlich
der Maassangaben brauchbaren Fälle von Embrj\'-onen vor Eintritt
der Nackenkrümmung ist keine allzubedeutende. Ich rechne dahin
die drei Beobachtungen von
Allen Thomson aus dem Jahr 1839,
die er selbst mit 1, 2, 3 nummerirt hat; ferner die im ersten Theil be-
schriebenen vier Fälle VH (E), VI (SEj, V (L 1) und IV (M). Als neue
Beobachtungen kommen dazu die fünf Fälle LX (Kln), LXVII (Lr),
LXV (BB), LXVm (Lg) und LXVI (Sch 1). Von diesen 12 Em-
brj^onen ist der letzte dem Uterus einer an einem Aneu-
rysma plötzlich verstorbenen Frau entnommen und er
nimmt somit unter den als normal zu beglaubigenden Fällen eine
erste Stelle ein. Das Präparat LXIV (Bff), das in der Tabelle mit
aufgeführt ist, betrifft eine Entwickelungsstufe vor der eigentlichen
Embryobildung und ich werde bei späterem Anlass auf dasselbe
zurückzukommen haben.

Auf S. 32 sind (mit Ausnahme von AT 1) die aufgezählten
Fälle bei 5 facher Vergrösserung zusammengestellt. Zu unterst das

1) In dem oben citirten Aufsatz „Zur Kritik" S. 411 ist die grösste
Kopftiefe zu 2 mm angegeben, es wurde dort die Linie von der Stirn bis
hinter das Hinterhirn gemessen.

2) Die beiden Profilfiguren 4—5 von Ecker diiferiren um 3 mm hinsicht-
lich der Kopftiefe. Obige Angabe bezieht sich auf die Figur 5.

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sny..

Flg. 14—25.

Auf dieser Tafel befinden sieh, ansser zwei auf Sfaehe
Yergrösserungen gebrachte Copien nach
Allen Thom-
sos AT 3 und AT % die Prismenzeichnungen meiner
eigenen zehn Beobachtungen, die Fälle durch die in
der Tabelle S. 7 angegebenen römischen Ziffern be-
zeichnet sind.

Präparat XLIV (Bff). Das-
selbe zeigt, dem Chorion un-
mittelbar verbunden, einen
ellipsoiden Körper, der nach
der einen Seite von einer
durchsichtigen Blase uhrglas-
artig überragt wird. Ich halte
den festeren Körper für die
Nabelblase, den durchsich-
tigen Theil für das Amnion
und vermuthe demnach, dass
die Embryonalanlage, soweit
eine solche vorhanden ist, auf
der Grenze zwischen beiden
liegt. Dem entspricht auch
die Art, wie das Gebilde am
Chorion festhaftet. Die Stelle
der Verbindung fällt näm-
lich in das Grenzgebiet der
Blase und des undurchsich-
tigen Körpers. Mit Hülfe von
Durchschnitten erwarte ich
später mehr Klarheit über
dies Präparat verbreiten zu
können, hier, wo die Ent-
wickelung der embryonalen
Form als nächste Aufgabe
vorliegt, kann es vorerst bei
Seite gelassen werden.

Die zweite Zeile von unten
umfasst die drei Embryonen
VI (SR), vn (E) und AT 2.
Letzterer ist nicht nach der
bekannten und so vielfach
copirten Figur aus dem Edin-
burgh med. and surg. Jour-
nal von 1839 genommen.

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sondern nach einer his jetzt unpuhhcirten Originalzeichnung, welche
der hochverehrte Forscher mir mitzutheilen die Güte gehabt hat.
Diese Figur habe ich wegen der reinen Profilansicht der bereits
publicirten vorgezogen.

Wie dies schon im ersten Theil dieser Schrift betont worden
ist, so stehen sich die drei Präparate hinsichthch ihrer absoluten
Maasse sehr nahe, am grössten ist die Nabelblase bei E (YH).
Auch darin stimmen dieselben überein, dass bei allen der Embryo
mit dem grösseren Theil seiner Länge auf der Nabelblase aufruht.
Die Linie, die den Embryo von der Nabelblase scheidet, bez. die
Grenze des Leibesnabels verläuft schräg, der Kopftheil erhebt sich
höher, als das untere Ende, wogegen der sagittale Durchmesser der
Nabelblase in der unteren Hälfte grösser ist, als in der oberen.
Bei zwei Präparaten, bei AT2 und bei SR, schneidet eine vom
unteren Rande ausgehende Kerbe in die Blase ein und trennt in
unvollkommener Weise einen dem Embryo zugewandten Keil vom
kughgen Theil der Blase; bei beiden Präparaten hebt sich die Herz-
anlage als ansehnhcher Wulst vom übrigen Kopftheil des Embryo
ab und ist zwischen diesen und die Nabelblase eingeschoben. Beim
Präparat E, das etwas jünger ist, denn die beiden anderen, steht
das freie Kopfende weniger weit von der Nabelblase ab und die
Herzanlage liegt noch vorwiegend lateralwärts vom übrigen Hinter-
kopfe. Der Fall AT 2 ist auch von der Dorsalseite her beobachtet
worden und zeigt in der betreffenden Ansicht eine tief gehöhlte
Medullarrinne, deren Ränder sich stellenweise schon bis beinahe
zur Berührung entgegengerückt sind. An meinen beiden Präpara-
ten kann ich nur aus etwas schrägen Profilansichten über das Ver-
halten der Medullarrinne schhessen; bei SR war sie noch klaffend,
bei E scheint überhaupt erst eine Primitivrinne vorhanden gewesen
zu sein.

In den beiden von mir gezeichneten Fällen ist der Embryo
durch einen dicken Bauchstiel mit dem Chorion verbunden. Das
Amnion umhüllt den Embryo und die dorsale Seite des Stieles, sein
vorderer Endpunkt schliesst sich über der Herzanlage an das Kopf-
ende des Körpers an; von da läuft sein Rand schräg zur Abgangs-
stelle des Bauchstieles und folgt diesem letzteren bis in die un-
mittelbare Nähe der Chorioninsertion.
Allen Thomson hat das

His, Menselil. Embryonen. II. 3

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Amnion in seinen Fall 2 nicht unverletzt beobachtet, dagegen
zeichnet er die vom Embryo abgehobene Membran als einen länge-
ren Fetzen, "welcher an einer Stelle oberhalb der Herzanlage noch
\' mit dem Körper des Embryo zusammenhängt.

Bei SE läuft der Körper an seinem Steissende in einen stumpfen
Zapfen aus, welcher hinter dem Bauchstiel selbstständig hervortritt;
auch AT 2 zeigt einen die Nabelblase nach abwärts überragenden
kurzen Körperstumpf. Ob bei Embryo E ein solcher vorhanden
gewesen sei, vermag ich aus meinen alten Zeichnungen nicht zu
entscheiden.

Für die gesammte Auffassung der Bauchstiel- und der Allantois-
entwickeluhg erscheint es äusserst wichtig, sich darüber klar zu
werden, ob der Embryo
2 von Allen Thomson wirklich frei in
der Fruchthöhle gelegen hat oder ob er durch einen Stiel befestigt
war. Ich habe schon im ersten Theil die Vermuthung ausgesprochen,
dass auch in diesem Fall ein Stiel vorhanden gewesen und bei der
Herausnahme des Embryo zerstört worden sei. Meine Gründe für
diese Annahme waren folgende: einmal giebt A.
Thomson selbst
an, dass der Eücken des Embryo und das hintere Ende der ISTabel-
Iblase der Innenfläche des Chorion durch dichtes Gewebe verbunden
gewesen seien. Auch ist die vorhandene Verletzung des Amnion mit
deijenigen des Bauchstieles in unmittelbaren Zusammenhang zu
bringen, da sie bei Durchschneidung des letzteren nothwendig ein-
treten musste. Sodann ist ja nicht nur mein Embryo SE, der mit
AT
2 gleichaltrig gesetzt werden kann, sondern auch der entschieden
>•;: jüngere E (VII) mit einem Stiel versehen gewesen, und endlich zeigt

auch die Beobachtung 1 von A. Thomson einen unmittelbaren Zu-
sammenhang des Embryo mit dem Chorion.
si Bei Anlass des voq ährigen internationalen Congresses in London

habe ich die Freude gehabt, mit Herrn Allen Thomson persönlich
die Frage besprechen zu können, und dahei ist er so freundlich
gewesen, mir seine alten Originalzeichnungen vorzulegen, die er mir
.... . seitdem auch hierher nach Leipzig anvertraut hat. Diese mit be-

I wundernswerther Treue und Sorgfalt ausgeführten Zeichnungen,

unter denen zwei bis dahin unpublicirte Ansichten des Embryo 2
I sich befinden, geben nun über den uns beschäftigenden Punkt

neue und höchst befriedigende Auskunft. Zunächst die vielcopirte

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Dorsalansicht: in der Reproduction des Edinb. med. and surg. Jour-
nal von 1839 schhesst die Medullarfurche nach rückwärts, ähnlich
wie nach vorn damit ab, dass die beiden Seitenwände abgerundet in
einander übergehen und somit eine Art von Bhndsack umschliessen.
Die Originalzeichnung, die ich mit der Erlaubniss des Herren
Allen
Thomson
in Copie wiedergebe, zeigt die beiden Seitenwände der
Medullarrinne getrennt, in zwei Spitzen auslaufend, und die bei-
gefügte Note sagt ausdrücklich: „the spinal canal seen open, parti-
cularly at the posterior end". Dazu kommt nun ferner eine un-
publicirte Ansicht vom Caudalende her. Dieselbe zeigt, dass in der
That das Präparat an dieser Stelle defect gewesen ist, da ein Loch

Copirt nach den Originalzeiehnungen Ton Herrn Allen Thomson. AT 2 (a) Ansicht vom Kücken
her, zeigt den Einschnitt am unteren Körperende, (b) Ansieht vom nnteren Ende her, zeigt das
vorhandene, in den Hinterdarm und den Dottersack führende Loch.
AT 1 Verbindung des Embryo l mit dem Chorion.

in die Nabelblase und in den Hinterdarmraum hereinführt. Die
zugehörige Originalbemerkung lautet: „View of the posterior extre-
mity of the foetus looking into the cavity of the intestine, which
being torn at the end, is seen to communicate with the sac of the
yolk". Und so erlauben diese so vorzüglichen alten Zeichnungen,
über eine Frage Aufklärung zu gewinnen, die zur Zeit ihrer An-
fertigung gar nicht in Betracht kam und die beim damaligen Stande
der Wissenschaft überhaupt nicht in Betracht kommen konnte.

Auch in Betreff des Embryo AT 1 ergiebt die Originalfigur
bestimmtere Auskunft als die Copie. In letzterer ist gerade die
Verbindung des Embryo mit dem Chorion etwas im Schatten, ich

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copire daher das betreffende Stück noch einmal als Linearfigur. Nach
meiner Auffassung ist hier der Embryo noch vom Amnion umgeben,
welch letzteres auch den vorhandenen Bauchstiel umhüllt. Ich halte
nämlich das rechte Ende der Figur für das Kopfende und nehme
an, dass das linke Ende den stark im Winkel gebogenen Bauchstiel
enthalten hat. In der ursprünglichen Beschreibung des Präparates
ist von einem Amnion nicht die Rede, es heisst dagegen, der Eücken
des Embryo sei zusammengerunzelt, auch seien Eückenwülste nicht
zu sehen gewesen. Bedenkt man, dass die Beobachtung am dritten
Orte, bei schlechtem Licht und ohne Berührung des Embryo durch
Instrumente hatte geschehen müssen, dass femer das Präparat zuvor
mit Essigsäure behandelt worden war, so wird es wohl verständlich,
dass die Umhüllung des Embrj^o durch ein knapp anliegendes Am-
nion dem Beobachter bei aller aufgewendeten Sorgfalt hat entgehen
können.

A

Die acht übrigen Embryonen der Zusammenstellung von S. 32
habe ich in vier Grmppen bez. in vier Zeilen angeordnet, welche
zwar hinsichtlich der Grösse, nicht aber hinsichtlich der allgemeinen
Form einen stätigen Fortschritt zeigen. Nach ihrer Form repräsen-
tiren sie nämlich zwei absolut entgegengesetzte Typen.
Der eine Typus zeigt, conform der späteren Gestaltung,
eine convexe Rückenlinie und ein nach vorn empor-
steigendes Beckenende des Körpers. Beim anderen
Typus dagegen ist derRücken tief eingeschnitten und
das Beckenende gestreckt nach abwärts gerichtet. Den
ersten Typus vertreten die Embryonen LX (Kln), LXVII (Er) und
IV (M), den zweiten die Embryonen LXVIH (Lg), LXVI (Sch) und
LXV (BB).i) Die Krümmungsverhältnisse des zweiten Typus ent-

1) AT 3 schliesst sich theilweise dem ersten, L 1 dem zweiten Typus an,
indessen zeigen beide Stücke die typische Krümmung nicht vollkommen aus-
gebildet, und beide sind defect zur Beobachtung gelangt. AT 3 war in einem
relativ zu grossen Chorion enthalten, also wohl erweicht zur Beobachtung ge-
langt; das Amnion fehlt an der Figur und das Herz hängt frei aus dem Kör-
per hervor. L 1 dagegen besass, als ich das Stück erhielt, weder Herz und
Nabelblase, noch Amnion und Bauchstiel.

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sprechen denen der jüngsten Stufen insofern, als auch diese (be-
sonders auffäUig SR) einen eingezogenen Rücken und ein den Bauch-
stiel frei überragendes Beckenende zeigen, allein dem Grade nach
sind die dorsalen Einziehungen von Lg und Sch weit erhebhcher,
als die von SR. Die Möglichkeit scheint mir nicht ganz abzuweisen,
dass bei den Embryonen Lg und Sch l in Folge der Präparation die
dorsale Einziehung über das Maass gesteigert worden ist, aber selbst
wenn dies der Fall wäre, so kann doch nicht bezweifelt werden, dass
bei diesen beiden Embryonen die primäre Rumpfkrümmung dorsal-
wärts concav und das Steissende nach abwärts gerichtet gewesen
ist. Für einen allmähhchen Uebergang dieser Biegung in die spätere
convexe fehlen die Zwischengheder. Die leichte Einziehung des
Rückens bei L 1 und AT 3 als Uebergänge zu betrachten, scheint
kaum erlaubt, weil die beiden Stücke ihres defecten Zustandes halber
in dieser Sache nicht beweiskräftig sind. Soweit ich die Verhält-
nisse beurtheilen kann, so muss sich der Uebergang der einen Form
in die andere ziemlich rasch vollziehen, und ich bin geneigt, als
deren Grundbedingung Spannungswirkungen des Amnion anzusehen.
Es bedarf dies einer etwas genaueren Erläuterung: Das Amnion
ist in diesen früheren Entwickelungsperioden an folgenden Theilen
befestigt:

1. am unteren Rande des Unterkiefers und von da ausgehend
an der Seitenfläche der Praecardialplatte; i)

2. unterhalb des Herzens verläuft sein Saum dem Leibesnabel
entlang und hängt somit mit dem noch offenen Seitenrande der
Rumpfwand zusammen;

3. am unteren Ende des Leibesnabels geht das Amnion auf
den Bauchstiel über und es haftet diesem letzteren an bis zu dessen
Insertionsstelle an das Chorion.

Es ergiebt sich hieraus, dass einerseits das Kopfende des Kör-
pers, andererseits dessen Beckenende als mehr oder weniger freie
Vorsprünge in den Raum der Amnionhöhle hineinragen, während
der Mittelrumpf vermöge seiner Verbindungsweise in einer directeren
Abhängigkeit vom Amnion steht. Wenn nämhch die Dehnung des

1) Hierüber vergleiche man meine Mitth. zur Embryologie der Säugethiere
und des Menschen. Arch. f. Anat. u. PhysioL, anat. Abth. 1881. S. 305 ff.

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, AmnioBsaumes im Bereich der Nahelstrecke (im obigen Bezirke 2)

mit dem Längenwachsthnm der Axengebilde nicht Schritt hält, so
sind zwei entgegengesetzt gekrümmte Stellungen des Rumpfes denk-
bar, aber keine gestreckte Zwischenstellung; eine relative Streckung
(wie bei Li) kann unter den Verhältnissen erst nach Ablösung des
«jii\'i Amnion zu Stande kommen. Wenn dem so ist, so ergiebt sich die

weitere Folgerung, dass der Uebergang aus der concaven Primär-
\' Stellung in die convexe Secundärstellung als eine Art von Feder-

Wirkung zu verstehen ist: Nachdem die Endpunkte der wirksamen
Zuglinie eine gewisse Verschiebung erfahren haben, federt der ge-
bogene Rumpf aus der einen in die andere Stellung über.

Jedenfalls ergiebt schon die einfache iSetrachtung der Quer-
j;t;:- schnittsbilder, dass der Körperabschnitt, der dem Bereiche des

Leibesnabels angehört, am biegsamsten sein muss; weiter vom und
weiter hinten bildet der Körper zu der Zeit einen geschlossenen
ifC" Cylinder, in der Mitte aber eine offene Platte. Es scheint denkbar,

dass gewisse Missbildungen ihren Grund in einem Ausbleiben der
!|>|FI richtigen Krümmung haben, und dass letzteres mit einer abnormen

Entwickelung des Amnion zusammenhängt, Anderntheils aber ist
unzweifelhaft, dass während einer gewissen Zeitdauer durch unzweck-
mässige Präparation, etwa durch Zug an der Nabelblase, die secun-
däre Krümmung wieder in die primäre übergeführt werden kann. So
glaube ich speciell den Fall LXV (BB) verstehen zu müssen: Der
Embryo LXV (BB) ist hinsichtlich seiner Grössenentwickelung dem
Embryo IV (M) etwas voraus, er scheint also etwas älter zu sein,
als dieser, und doch hat er die primäre, dieser aber die secundäre
Rumpfkrümmung. Nun ist meine Präparation von LXV nicht ganz
untadelhaft gewesen. Beim Eröffnen der Frucht und zwar beim
ersten Schnitte bin ich nämlich direct auf den Embryo gestossen,
habe das Amnion verletzt und auch die Nabelblase an einer Stelle
eingeschnitten. Demnach vermag ich nicht bestimmt zu sagen, dass
der Embryo schon vor Eröffnung der Frucht so gebogen war, wie
er sich später fand. An eine künstliche Erzeugung der starken
Rückenknickung muss ich um so mehr denken, als sich nach Mikro-
tomirung des Präparates herausgestellt hat, dass im eingebogenen
Theil das Rückenmark aus seinem Räume herausgetrieben war. Wie
leicht durch mechanische Beeinflussung in einer verhältnissmässig

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späten Zeit die primäre Krümmung des Rückens wieder auftreten
kann, das ergiebt der Embryo LVI (W.) von S. 29. An demselben
sind die Eingeweide herausgerissen und hat sich die dorsale Ein-
ziehung der früheren Entwicklungsstufen wieder eingestellt.

Bei dem raschen Wechsel der Biegungsverhältnisse des Rumpfes
ergiebt sich, dass während dieser frühen Entwickelungsperioden die
Bestimmung der grössten Länge einen unsicheren Maassstab für die
Stufenscheidung gewährt. Etwas brauchbarer scheint mir die Kopf-
länge zu sein, vom Scheitel bis hinter das Herz bez. bis zur Wurzel
der Nabelblase gemessen, obwohl auch dieses Maass nicht sehr
scharf bestimmbar ist.

Die sagittalen, von der Stirn aus gemessenen Kopftiefen und
die eben bezeichneten Kopflängen der acht Embryonen von S. 32
stelle ich in nachfolgender Tabelle zusammen:

Grösste Kopflänge, vom

sagittale Kopftiefe Scheitel bis hinter
das Herz gemessen

LXVm (Lg) . 0.6 mm i.o mm

V (L).... 0.5 . 1.1 .

LXVI (Sch 1) . 0.7 . 13

Mittel. . .

1.13 mm

IV (M) . .

. 0.8 mm

1.3 mm

AT3 . . .

. 1.05 ^

1.6 ^

LXV (BB) .

. 0.95 ^

1.4

Mittel. . .

1.43 mm

LX (Kln) .

. 1.25 mm

(2.3) mm

LXVII (Lr)

. 1.05 -

2.2 ^

1.15 mm 2.25 mm

In der Gestaltung des Kopfes zeigen die acht Embryonen ge-
wisse gemeinsame Züge. Bei allen ist das Vorderhirn schon so weit
vornüber gebogen, dass das Mittelhirn die höchste Stelle des Scheitels
einnimmt.\' Stirntheil und Gesichtstheil des Kopfes, sowie der Hinter-
kopf gliedern sich in charakteristischer Weise von einander ab, und
der Stirntheil überragt als kuglig gerundeter Wulst den Eingang zur
Mundbucht. Letztere wird zu beiden Seiten von den ziemlich hohen
Oberkieferfortsätzen wie von zwei Säulen eingefasst, während der

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mächtige, in der Mittelhnie durch eine Furche ahgetheilte ünter-
kieferfortsatz schräg unter demselben herabsteigt. Es ist der Ein-
gang zur Mundbucht weit klaffender als später, weil in der Folge
der vordere Abschnitt des Unterkiefers emporgedrängt wird und dem
mittleren Stirnfortsatz entgegentritt.

Nach abwärts gränzt sich der Unterkiefer durch die lange erste
Schlundfurche ab, eine zweite Furche lässt sich schon bei Y (L) und
bei LXYHI (Lg) erkennen; von LXY (BB) ab ist auch mit Sicherheit
die dritte Furche zu sehen. Bei LXYII bildet diese den oberen
Eand einer schräg dreieckigen Grube, deren unterer Theil den Ort
für die Bildung der vierten Furche enthält.

Die Augenblasen sind, wie die Durchschnitte lehren, schon bei
Y (L) und bei LXYIH (Lg) vom Gehirn durch tiefe Furchen abge-
setzt, indess treten sie noch bei keinem der acht Embryonen stark
genug über die Oberfläche hervor, um sich äusserhch kenntlich zu
machen. Bei . den beiden genannten jüngsten Embryonen ist die
Gehörgrube noch offen, bei lY (M) und bei LXY (BB) ist sie be-
reits zur Blase geschlossen.

Das Herz ist schon bei LXYHI (Lg) nicht mehr gestreckt,
sondern es bildet eine stark hervortretende Schleife,, deren Convexität
nach vorn gerichtet ist. Noch während einiger Zeit ist der quere
Durchmesser des Herzens der grössere, wenn auch bald der eine,
hnke Winkel der Schleife sich etwas nach abwärts zu wenden be-
ginnt. So lange die Nackenkrümmung des Embryo nicht einge-
treten, das Herz somit nicht in den Winkel zwischen Kopf und
Eumpf herabgeschoben ist, besitzt der Hinterkopf wegen des mäch-
tigen, seiner Yorderseite angefügten Organs eine auffällig plumpe
Gestalt. Bei allen diesen jüngeren Stufen bis zu Er hin ist das
Herz vom Amnion noch nicht völlig umschlossen und seine vordere
Fläche ist nur von der Präcardialplatte gedeckt. Das Amnion ver-
lässt diese Platte schon in ihrem Seitentheil, ohne bis zur vorderen
Mittellinie vorzudringen.

Die Urwirbelghederung des Eumpfes hat schon bei Y und bei
LXYIII begonnen, scheint sich indessen zu der Zeit noch nicht bis
zum hinteren Ende zu erstrecken. Auch zeigen die\'Durchschnitte,
dass bei diesen jüngeren Embryonen das Eückenmark in der unte-
ren Körperhälfte noch eine offene Rinne bildet. Dagegen ist von

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IV (M) und LXV (BB) ab das Eückenmark bis unten hin geschlos-
sen und die Urwirbelghederung erstreckt sich bis in den Becken-
theil herein.

Die ersten ohne Weiteres erkennbaren Anlagen der Extremitäten
finden sich bei den beiden Embryonen der oberen Zeile LX (Kln)
und LXVII (Lr). Durch genaue Vergleichung der Durchschnitte
habe ich mich übrigens überzeugt, dass schon bei LXV (BB) und
IV (M) Andeutungen von Extremitätenanlagen da sind; es sind näm-
lich die zu der Zeit schon deuthch ausgeprägten Wolff\'schen Leisten
im Bereich der Extremitätenbildung breiter als ausserhalb desselben.
Hervorzuheben bleibt endhch, dass bei den beiden Embryonen der
obersten Zeile die ISTackenkrümmung sich einzuleiten beginnt.

Ueber die Embryonen von Joh. Müller, von R. Wagner
und von Coste.

Ich habe in der obigen Darstellung die drei durch die Lite-
ratur so bekannten Fälle unberücksichtigt gelassen und ich muss
dies noch näher motiviren. Dies geschieht am besten, indem ich
dieselben auf fünffache Vergrösserung umgezeichnet hier wieder-
gebe. Für zwei derselben, den von
Joh. Müllee und den von E.
Wagner
, hegen directe Maassangaben vor. Dies gilt leider nicht
vom
CosTE\'schen, in Betreff dessen nur mitgetheilt wird, dass der-
selbe „ungefähr
15 fach vergrössert" sei. Kölliker giebt seine
Länge zu 4.4 mm an\'), ob er ihn selbst gemessen hat, weiss ich
nicht, jedenfalls hat er noch das Präparat bei
Coste gesehen. Die
Vergleichung der Kopfgrösse sowie der sonstigen Dimensionen würde,
falls die Grrössen- und Vergrösserungsangaben richtig sind, diesen
Embryo wenigstens an die Seite von LXVII (Lr), wo nicht noch
höher stellen, und doch weist die übrige Entwickelung, der lange
Leibesnabel, das noch schwach gekrümmte Herz, die geringe Aus-
bildung der Schlundspalten auf eine erheblich frühere Stufe, un-
gefähr auf die von Li, der doch nur halb so gross ist. An eine
pathologische Abweichung zu denken, scheint mir bei der vorzüg-

1) Entwickehingsgeschichte S. 307.

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liehen Erhaltung des Stückes in keiner Weise zulässig, und ebenso
wenig glaube ich, dass man innerhalb gesetzmässiger Entwickelung
eine so bedeutende Breite individueller Maassdifferenzen annehmen
darf. So komme ich zum Schluss, dass ein Fehler in den Ver-
grösserungs- bez. in den Grössenangaben bestehen muss. Die Zeich-
nung reiht sich sehr naturgemäss ein, wenn man annimmt, dass
die Vergrösserung nicht 15-, sondern 25—30 fach gewesen ist. Bei
der Wichtigkeit des Objects habe ich mich mit der Bitte um Ee-
vision der Maasse nach Paris gewandt und auch bei den Herren
Eanviee und Balbiani äusserst freundhches Entgegenkommen ge-

t
......

f.......

.....ji

y
■-\\i!.....

\'F

funden. Es war die Bereitschaft da, mir das Präparat zur Einsicht
zu überlassen, aber es stellten sich bei genauere^ Nachforschung
heraus, dass dasselbe zur Zeit verloren ist. Die CosxE\'sche Samm-
lung war Privateigenthum gewesen und hatte einige Male ihren
Standort gewechselt, ehe sie in den Besitz des Collège de France
überging.

Von den Embryonen von Joh. Müllee und von E. Wagnee
habe ich schon im ersten Theil gesprochen. Beide zeio\'en noch die
tiefe Einknickung des Eückens, trotzdem, dass die Entwickelungs-
stufe sie den Embryonen von
Hensen und von Eckee nähert. Ob
die Einknickung durch Präparation erzeugt war, oder ob sie patho-
logisch zurückgeblieben ist, das erlaube ich mir vorerst nicht end-

M

.......

j

-ocr page 243-

gültig zu entscheiden. Der WAGNER\'sche Fall mit seinem weiten
Amnionsack, seiner sonderbaren Gesichtshildung und seinen knolligen
Extremitätenanlagen macht mir doch sehr den Eindruck pathologi-
scher Verbildung, während der
MtiLLER\'sche, im Vergleich z. B. mit
mit LXV (BB) oder mit LXVLII (Lg) nur durch seine bedeutende
Grösse auffällt.

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Zweiter Monat.

.1

Ohne bereits in detaiUirte Altersbestimmungen einzutreten setze
ich (m Uebereinstimmung mit den meisten Beobachtern) Embryonen
von 7-71/2 mm auf das Ende des ersten Monats und lasse den
zweiten Monat mit solchen von 8—9 mm beginnen. Ueber die Länge
des Fötus am Schluss des zweiten Monats erlauben mir meine eigenen
Erfahrungen kein entscheidendes Urtheil.
Toldt giebt in seinem
Aufsatze über die Altersbestimmung menschlicher Embryonen die
Länge vom Scheitel zum Steiss, im Bogen gemessen, am Schluss
der achten Woche zu 3.5 cm ani), was einer gestreckten Länge (vom
Nackenhöcker zum Steiss) von ca. 2.2 cm entspricht. Die Fötus von
2.5 cm gestreckter Länge, mit denen ich diese Arbeit abschhesse
fallen demnach schon an den äussersten Schluss des zweiten Monats\'
Mit Absicht nenne ich das junge Geschöpf am Schluss des
zweiten Monats bereits Fötus und nicht mehr Embryo Wenn
diese beiden Ausdrücke überhaupt einen getrennten Sinn haben sollen
so kann es doch offenbar nur der sein, dass wir den werdenden Or-
gamsmus Embryo nennen, so lang derselbe noch eine provisorische
nur zur Einleitung der definitiven dienende Gliederung besitzt So
smd z. B. Urwirbel, Schlundbogen, Wolff\'sche Leiste u. s. w. embryonale
Organe, welche später in unveränderter Form nicht persistiren Von
emem Fötus reden wir dagegen da, wo die Gliederung bereits den
Charakter der bleibenden angenommen hat. Vollzieht sich auch die
Umwandlung des Embryo in den Fötus nicht mit einem Male so
können wir doch constatiren, dass von einem gewissen Zeitpunkte
ab der sich entwickelnde Körper eine Form angenommen hat die
über seine Natur keinen Zweifel mehr lässt. Noch bei einer Länge
von 12-13 mm sieht ein menschhcher Embryo so aus, dass nur
der erfahrene Forscher ihn unbedingt als solchen erkennen wird
Bei einer Länge von 16 mm dagegen wird die Form auch dem un-
erfahrensten Auge als die eines werdenden Menschen kennthch sein

1) Pragermed. Wochenschrift. 1879. Sep.-Abdr. S. 8.

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Der Uebergang vom Embryo zum Eötus fällt demnach beim Men-
schen ungefähr in die Entwickelungsstufe von 13—16 mm. Nach
Ueberschreitung dieser Stufe sind die Gestalt des Kopfes, und die
Ghederung der Extremitäten dehnitiv menschhch geworden.

Embryonen von 8—10 mm.

Zwischen 8—10 mm ist mein Beobachtungsmaterial verhältniss-
mässig gering. Yon den in der Tabelle verzeichneten Stücken sind
die besten die Nummern XYII LXXHI (Hn) und XXXIX, die
ich beistehend in Abbildung wiedergebe. Untadelhaft ist auch von
diesen 3 Stücken keines. LXXIII ist etwas weich gewesen und hat
an seinem unteren Ende entschieden gehtten, man sieht durch die
Haut hindurch, dass, eine kleine Strecke weit, das Rückenmark zer-
fallen ist. Auch XYII war etwas weich, sonst aber gut in seinen
Eormen, nur war der Kopf etwas beweghch. XXXIX kam verletzt
in meine Hände. Durch Yergleichung der Stücke unter einander und
mit denen der angrenzenden Stufen lässt sich, trotz der Unvollkom-
menheit des Materiales, doch folgendes über diese Stufe fest stellen.

Die Zusammenkrümmung des Leibes hat bereits etwas abge-
nommen und zwar nicht sowohl im Bereich der Nacken- als in dem
der Kreuzbeuge. Der Ort der letzteren hat sich nach abwärts ver-
schoben. Die Abgangsstelle der unteren Extremität befand sich
während der vorangegangenen Entwickelungsstufe noch im aufstei-
genden Schenkel der Eumpfspange, die Extremitäten waren mit ihrem
freien Rande nach oben oder selbst etwas nach rückwärts gerichtet.
Dies hat sich geändert: die Abgangsstelle der unteren Extremitäten
fällt jetzt in den hinteren Schenkel der Eumpfspange und ihr freier
Eand sieht nach vorn bez. nach vorn und nach oben.

Am Kopf ist die Grundform dieselbe geblieben wie früher, allein
es hat sich die zuvor offen dahegende Nasengrube zu einer Spalte
mit schmalem Zugang verengt. Eemer deckt nun der zweite Schlund-
bogen den dritten grösstentheils zu. Zwischen Mundspalte und Hals-
winkel sind zwei breite Streifen, der Unterkieferfortsatz und der
zweite Schlundbogen sichtbar, zwischen denen eine winklig gebrochene
Spalte vorhanden ist, der dritte Bogen ist höchstens noch an seiner
Wurzel unbedeckt ; ob in der Zeit noch ein Theil von der dritten

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Spalte sichtbar ist, das vermag wohl nur an absolut gut erhaltenen
Stücken ermittelt zu werden, an meinen Präparaten konnte ich eine
solche nicht deutlich wahrnehmen.

3

An den Extremitäten, der oberen sowohl, als an der unteren hat
sich eine scheibenförmige Endplatte als Anlage von Hand und Fuss
vom Wurzelstücke abgegliedert. Die
Abgüederung ist durch zwei
schräg gegen einander gerichtete Einschnitte erfolgt. Noch fehlt
ein scharf abgegränztes Mittelstück und die Extremitäten wurzeln
an ihrer Abgangsstelle mit breiter Basis in der Wolffschen Leiste.

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Die Segmentirung des Eückens zeichnet sich deuthch. An der
Seitenwand des Eumpfes ist die Einne zwischen Herz nnd Leber
bemerkbar, wogegen die Grenzen zwischen den einzelnen Abthei-
lungen des Herzens äusserlich nicht mehr deutlich hervortreten.
Für den Kopf bestimme ich nach oben angegebener Weise folgende
Maasse:

Gr. sagittale Kopftiefe Kopflänge

LXXni 3.3 mm 5.2 mm

XVII 3.4 ^ 5.2 ^

XXXIX 3.35 ^ 5.5

Mittel 3,35 mm 5.3 mm

Embryonen von 10—12 mm.

Von dieser Stufe habe ich eine Anzahl guter Präparate in
Händen gehabt. Vorzüglich erhalten waren insbesondere der schon in
meinen Briefen über die Körperform abgebildete Embryo\') X (Mch)
sowie die beiden Embryonen XXIX (Br
1) und LXXIV (Eg 1). Auch
XCVm war nicht übel. Die übrigen 7 Stücke, welche mehr oder
weniger weich, zum Theil auch verletzt waren, konnten wenigstens
als Controllstücke mit verwendet werden.

Die Oeffnung der Körperspange hat noch etwas mehr Fort-
schritte gemacht, immerhin hängt der Kopf noch stark vornüber,
mit dem Vorderrande des zweiten Schlundbogens die Aussenwand
berührend. Das Vomüberhängen des Kopfes wird jetzt um so auf-
fallender, da letztere an Umfang unverhältnissmässig viel rascher
zunimmt, als der Eumpf. Wir haben jetzt folgende Maasse:

Gr. sagittale Kopftiefe Kopflänge

XCVIII 5.4 mm 6.7 mm

X 5.5 7.8 ^

LXXIV 4.9 . 8.1 .

XXIX__5.5 ^ 8.2 .

Mittel 5.3 mm 7.7 mm

1) Die nach der Originalzeichnung copirte Figur in den Briefen über die
Körperform S. 194 zeigt hinter dem Unterkiefer noch zwei durch eine Spalte
getrennte schmale Schlundbogen; es beruht dies unzweifelhaft auf einem Miss-

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Während bei jüngeren Embryonen das Schlundbogengebiet des

Kopfes noch ein starkes Uebergewicht über den Vorderkopf behauptet,

gleicht sich dies allmählich durch relativ stärkeres Wachsthum des

Gehirns aus und schliesslich kehrt sich das Verhältniss vollständio-

Ö

w
\'N

um. Folgende Betrachtung kann dies anschaulich machen: Wir
legen durch das Auge eine Gerade, annähernd parallel mit der un-

verständniss. Beide Streifen müssen Bestandtheile desselben zweiten Bogens
sein, der zu dieser Zeit den dritten Bogen bereits zudeckt. Was dort als
zweite Spalte erscheint, kann nur eine untergeordnete Furche gewesen sein.

...........

........

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teren Eandlinie der Schlundbogen; ihr vorderer Endpunkt fällt an
die Kreuzungsstelle mit dem Kopfrande, ihr hinterer in die Höhe
des Halswinkels, bez. in den hinteren Eand des letzten sichtbaren
Schlundbogens. Das Auge bez. dessen Mittelpunkt, trennt an dieser
Geraden eine vordere und eine hintere Strecke, deren Verhältniss zu
einander in eben dem Maasse sich ändert, als das Gehirn mächtiger
sich entwickelt. Eür einige von den typischen Eepräsentanten der
verschiedenen Entwickelungsstufen ergeben sich folgende Zahlen:

Vordere

Hintere

Verb, in Proc. der

Strecke

Strecke

Gesammtlinie

in (4.0 mm)

0.7 mm

1.5 mm

32:68

II (7.5 ^ )

1.2 ^

2.1 ^

36 : 64

xvn (8.5 . )

1.4 .

2.2 ^

39:61

XXIX (11.0 ^ )

2.5 ^

2.9 ^

46 : 54

XL VI (13.8 ^ )

3.8

2.9 ^

57:43

Ueber die letzte von obigen Stufen hinaus lässt sich die Mes-
sung, wenigstens nach derselben Methode, nicht mehr wohl fort-
führen; allein es bedarf nur eines oberfiächhchen Bhckes auf die im
nachfolgenden mitgetheilten Profilflguren, um zu erkennen, dass noch
auf geraume Zeit hin das Gehirn sein Uebergewicht im relativen
Wachsthum behauptet.

Von sonstigen physiognomischen Veränderungen während der
Stufe von 10—12 mm ist die selbstständigere Abhebung einer äusseren
Nase namhaft zu machen. Die Umgebung der Nasenöffnung wulstet
sich etwas empor und erscheint nun durch eine seichte Eurche von
den anstossenden Theilen getrennt.

An den Extremitäten tritt allmählich die Dreigliederung hervor;
zwischen Endplatte und Wurzel hebt sich ein eingeschnürtes Zwi-
schenstück ab als Anlage von Vorderarm und von Unterschenkel. Zu-
gleich wird das Wurzelstück schmaler und trennt sich als Oberarm
und als Oberschenkel bestimmter von der immer noch deuthch
markirten Wolff\'schen Leiste. Ellbogen und Knie erscheinen als
nach auswärts gerichtete Vorsprünge. Die Gliederung der oberen
Extremität geht der der unteren etwas voraus und besonders gilt
dies von der Gliederung der Hand gegenüber derjenigen des Eusses.

Beide Endplatten, obere und untere, bestehen aus einem dicke-
ren Wulst, der von einem verdünnten Saum umfasst wird. Die

His, Menschl. Embryonen. II. a

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anfängliche IJmgrenziingslinie ist weder bei Hand- noch bei Fuss-
anlage gleichmässig gerundet, sondern sie besitzt drei hervortretende
Ecken, die dem Bereich des Finger- und Zehengebietes angehören.
Die obere Ecke entspricht der Stelle, wo sich der Daumen, bez. die
grosse Zehe bilden wird, die untere Ecke bezeichnet den Ort für
den kleinen Finger oder die kleine Zehe, und die mittlere Ecke
wird zu Mittelfinger oder Mittelzehe.

Die Fingergliederung leitet sich zunächst damit ein, dass inner-
halb des äusseren Saumes und ausserhalb des als Handwurzel zu
bezeichnenden Centraiwulstes, vier kleine Grübchen entstehen, dabei
bleibt anfangs noch ein ungegliederter äusserster Saum übrig, der
erst auf einer nächstfolgenden Stufe, in Folge des zunehmenden
Längenwachsthums der Finger, gekerbt wird und nun erst seinen
selbstständigen Charakter verliert. Aus Durchschnitten ergiebt sich,
dass in dieser Zeit der Saum der Hand und der Fussanlage je von
einem Gefässe durchzogen ist; an frischen Kaninchenembryonen der
entsprechenden Stufe ist dies Bogengefäss sehr schön in seiner To-
talität zu sehen. Von einer Gliederung der Zehen ist zur Zeit noch
keine Spur vorhanden. Die Anlage des Fusses ist etwas schmäch-
tiger, als die der Hand und die Entwickelung der vorderen Ecke bei
ihr noch ausgeprägter.

Am vorderen E,umpfabschnitte tritt in Folge der bedeutenden
Leberentwickelung eine zunehmende Eundung hervor. Ein Theil
des Leberwulstes wird von den noch vorwiegend nach abwärts ge-
richteten Händchen bedeckt. Der Nabelstrang setzt sich von dem
Leberwulst durch eine tiefe Einkerbung ab.

Unter dem Nabelstrang, und meistens an ihn unmittelbar an-
stossend, liegt das Steissende des Körpers. Auf jüngeren Stufen war
dasselbe mit stumpfer Eundung ausgelaufen, nunmehr endet es mit
einer zugespitzten, das eigentliche Wirbelgebiet überragenden Ver-
längerung, dem sog. Schwanzfaden. Unter dem Einflüsse des Nabel-
stranges ist letzterer häufig zur Seite oder nach vorn umgebogen.

Die drei Eepräsentanten der eben behandelten Entwickelungs-
stufe, welche auf S. 48 abgebildet sind, decken sich, wie man be-
merken wird, nicht in allen Punkten, es fällt besonders auf, dass
bei X der Kopf relativ grösser ist als bei XXIX und besonders
als bei LXXIV. Wie ich vermuthe, rührt dies davon her, dass die

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beiden im Jahre 1870 angefertigten Zeichnungen, die ich von jenem
Präparat besitze, nach dem frischen Object gezeichnet worden sind,
während die anderen Präparate in Alkohol aufbewahrt waren, als
sie copirt wurden.

Embryonen von 12—14 mm.

Auch aus dieser Zeit habe ich eine Anzahl von ausgezeichneten
Stücken, von denen ich wenigstens einige in Abbildung wiedergebe.
Wie man aus den Figuren ersieht, so bestehen die ferneren Ver-
änderungen der allgemeinen Köi-perform in einer zunehmenden
Streckung des Rückens bei gleichzeitiger Hebung des Kopfes und
Senkung des Beckens. Dabei tritt nun unterhalb des Nackenhöckers
in dem, übrigens convexen Rückenprofil eine concave Einziehung auf,
die ungefähr in der Höhe der äusseren Ohr Öffnung und oberhalb
der Abgangsstelle der oberen Extremität liegt; ich werde sie als
Nackengrube bezeichnen. Hinterkopfgrube kann man als-
dann die Einsenkung nennen, welche sich über dem Rautengruben-
gebiet des Gehirns, wenigstens an Alkoholpräparaten, stets vorfindet.
Durch die Existenz der beiden Einsenkungen tritt der dazwischen-
liegende Nackenhöcker ausserordentlich scharf hervor, weit schärfer
denn vor- und denn nachher. Eine über den Hinterkopf weggehende
und eine der oberen Rückenhälfte folgende Linie begegnen sich am
Nackenhöcker unter einem Winkel von nicht viel mehr denn QO\'*.
Die Beachtung dieser Gestaltungverhältnisse ist für das Verständ-
niss der späteren Halsbildung wichtig, denn wie ich dies schon an
anderem Orte betont habe \'), so wird erst durch diese Emportreibung
der Axengebilde der obere Theil der Wirbelsäule und des Eücken-
marks über dasjenige,Rumpfgebiet hinausgehoben, innerhalb dessen
die Höhlen hegen. Erst dadurch wird also die Möghchkeit geschaffen,
dass ein wirklicher Hals, d. h. ein höhlenfreier Körperabschnitt
entsteht.

Die Betrachtung des Kopfes der auf S. 52 und 53 mitgetheilten
Figuren besonders der Figuren 39, 40 und 41, zeigt noch eine Anzahl

1) Arcb. f. Anat. n. Physiol., anat. Abth. 1881. S. 319.

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bemerkenswertlier Fort-
schritte. In erster Linie
fällt die schon äusser-
lich erkennbare Zunahme
der Brückenkrümmung
ins Auge. Immer tiefer
schneidet die den Eau-
tengrubenrand bezeich-
nende winklige Linie in
den Hinterkopf ein, so
dass z. B. bei XL VI die
Vereinigungsstelle ihres
vorderen und hinteren
Saumes etwa 3 mm un-
terhalb der Hinterkopf-
grube liegen. Offenbar
steht diese Steigerung der
Brückenkrümmung mit
der zunehmenden Em-
portreibung des Nacken-
höckers in nahem cau-
salem Zusammenhange.
Es beschreibt ja die Oe-
hirnaxe beim Eintritt in
den Hinterkopf und in-
nerhalb des letzteren
eine Wellenlinie mit zwei
Wellenbergen und da-
zwischen liegendem Wel-
lenthale. Die zwei Wel-
lenberge sind der Nacken-
höcker und das G-ebiet
vom Cerebellum bis zum
Mittelhirn; das AVellen-
thal ist die Einsenkung
der Eautengrube bez. das
Grebiet der Brückenkrüm-

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muiig. Wenn nun die
Wellenlinie zusammen-
gesohoben wird, so
müssen sowohl die
Berge höher, als auch
das Thal tiefer werden.

Die vermehrte
Brückenkrümmung
muss, wie sich aus
dieser Ausführung er-
giebt, einhergehen mit
einer relativen Verkür-
zung des Hinterkopfes
und einem Tieferwer-
den desselben, es muss
mit anderen Worten
der Kopf eine gedrun-
genere Gestalt anneh-
men. Dies trifft auch
zu, wie sich am besten

an der veränderten
Stellung der Ohröff-
nung zeigen lässt. Bei
jüngeren Embryonen
von 4—8 mm schnei-
det die erste Schlund-
spalte bis auf etwa
zwei Fünftheile der
Hinterkopftiefe ein, ein
Verhältniss, das nach-
her bedeutend sich än-
dert. Bei Messung vom
vorderen Eande des
Unterkiefers aus er-
halte ich folgende Ab-
stände :

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Spaltengrund Hinterkopftiefe Differenz
I und II (Mittel) 0.85 mm 2.2 mm 1.35 mm
XL . . . 1.05 ^ 2.7 ^ 1.65 ^
XXIX ... 1.40 ^
4.0 ^ 2.60 ^^
LXTI . . . 1.60 ^ 5.4 ^ 3.80 ^
Im letzten Falle dieser Tabelle, mit dem auch die Fälle XLV
und XXXIV ziemlich genau übereinstimmen, beträgt der Abstand
des Spaltengrundes vom Unterkiefer nur noch ca. 30 Proc. von der ge-
sammten Hinterkopftiefe, im ersten gegen 40. Noch auffälhger wird
die Sache, wenn man den Abstand des ersten Schlundspaltengrundes
vom Unterkieferrand mit demjenigen von der Hinterkopfgrube ver-
gleicht. Beim Embryo von 7 mm ist letzterer etwa doppelt, bei
dem von ca. 14 mm nahezu dreimal so gross als jener. Auch er-
kennt man leicht aus der sprungweisen Zunahme der Zahlen der
dritten Eubrik obiger Zusammenstellung, wie die starke Tiefen-
zunahme des Hinterkopfes erst mit der rascheren Steigerung der
Brückenkrümmung sich eingestellt hat.

Auch über die relative Verkürzung des Hinterkopfes giebt die
Lage der Gehöröffnung den besten Aufschluss. Letztere ist bei
dem 13.8 mm langen Embryo XL VI nicht weiter vom Gebiet der
Nackengrube entfernt, als bei dem 11 mm langen Embryo XXIX,
obwohl die Gesammtkopflänge von 8.4 auf 10.6 mm, d. h. um 21\' Proc.
gestiegen ist. Auch steht bei allen jüngeren Embryonen die Gehör-
spalte noch weit vor der Abgangsstelle der oberen Extremität, bei
den Embrj^onen von 13—14 mm ist sie ziemlich nahe art-diese
herangerückt.

Ich stelle noch die Maasse der grössten Kopftiefe und der Kopf-
länge, so wie sie schon bei den früheren Stufen gegeben wurden,
zusammen:
 Gr. sagittale Kopftiefe Kopflänge

XXXV 6.2 mm 9.2 mm

XLV 7.5 ^ 10.3 ^

XLVI 7.5 ^ 10.1 ^

XXIV 7.6 ^_ 9.7 ^

Mittel 7.2 mm 9.8 mm

Die grösste Kopftiefe beträgt jetzt 73 Proc. der Kopflänge, bei
den Embryonen von 8—10 mm war die Verhältnisszahl noch 63 Proc.
gewesen, bei denen von 7—8 mm nur 57.7 Proc.

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Indem das Verhältniss der Kopflänge zur Kopftiefe mehr und
mehr zu Gunsten der letzteren sich geändert hat, hat der Kopf seine
gestreckte embryonale gegen die gerundete fötale Form umge-
tauscht. Gleichzeitig sind noch eine Anzahl anderweitiger Verände-
rungen eingetreten, die gemeinsam dazu beitragen, die Charaktere
der rein embryonalen Form allmählich zu verwischen. Dahin ge-
hören das stärkere Hervortreten der Grosshirnhemisphären, die Vor-
gänge in der Umgebung des Auges und die bestimmtere Ausbildung
des äusseren Ohres.

Indem die Hemisphären stärker sich entwickeln, wird zunächst
die Stirn mehr und mehr hervorgewölbt, w^obei der Einschnitt an
der Nasenwurzel eine entsprechende Vertiefung erfährt; ferner wird,
wohl unter demselben Einfluss, die Umgebung des Auges etwas
eingekerbt und die obere Grenze des Conjunctivalgebietes als wul-
stige Bogenlinie abgegrenzt. Die untere Grenze desselben Gebietes
wird durch den Rand des Oberkieferfortsatzes bestimmt, der schon
von früh ab das Auge in einem ausgedehnten Bogen umgriffen
hatte. Noch ist bei Embryonen von 14 mm der Oberkieferfortsatz
mit dem seitlichen Nasenfortsatz nicht verwachsen, eine schmale
Rinne verläuft zwischen beiden Bildungen, und eine vor dem Auge
befindliche dreieckige, trichterförmig vertiefte Grube bildet den obe-
ren Zugang derselben.

Im Beginn unserer Periode ist der zweite Schlundbogen \\ioch
deutlich ausgeprägt, die zweite Furche dagegen nicht mehr sichtbar.
Der Bogen zerfällt in drei durch Einkerbungen getrennte Höcker,
am Unterkiefer sind deren zwei, die Colliculi branchiales ant. und
post. I von
Moldenhauee vorhanden. Ein intermediärer Höcker
liegt über dem oberen quergeschlitzten Ende der einzig noch vor-
handenen ersten Spalte. Letztere ist somit von 6 rundlich vor-
springenden Höckern umgeben und läuft dem entsprechend in fünf
zugespitzte Buchten aus. Einige Schwierigkeit ergiebt sich hinsichtlich
der zweckmässigsten Bezeichnungsweise der einzelnen Höcker.
Mol-
denhauer der diese Verhältnisse am Hühnchen verfolgte, und der
hier am ersten wie am zweiten Schlundbogen zwei Höcker unterschie-
den hat, legt seiner Bezeichmmgsweise die horizontale Stellung der

1) Morpbol. Jabrb.IIL S. 118.

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Schlundbogen zu Grunde; er unterscheidet also an jedem der beiden
Bogen je einen vorderen und einen hinteren Höcker. Das hat zunächst
die Unbequemlichkeit, dass es mit der zur Zeit vorhandenen Stellung
der Spalten und Bogen nicht stimmt. Man müsste bei unseren Em-
bryonen von 12—14 mm den Kopf um 90« drehen, um die Bezeich-
nungsweise passend zu machen, denn die Spalte verläuft zur Zeit von
oben nach abwärts und zugleich etwas von vorn nach hinten, so dass
Moldenhaüeb\'s hinterer Höcker sogar vor seinem vorderen liegt. Es
entspricht dies der von Anfang ab schräg zur Längsaxe des Kopfes
verlaufenden Richtung der oberen Bogen und Spalten. Wenn nun
aber der Kopf auch völlig aufgerichtet ist, so steht immer noch die
OhröfFnung so, dass das eine Ende nach oben, das andere nach unten
sieht, nur ist jetzt eine Schrägstellung von hinten nach vom vor-
handen. Unter diesen Umständen scheint es, wenigstens für die
Besprechung des Ohres, zweckmässiger, die Bezeichnungsweisen so zu
wählen, dass man den Grund der Spalte oben, das freie Ende unten,
den ersten Schlundbogen vorn, den zweiten hinten nennt. Alsdann
sind zu unterscheiden zwei vordere, ein oberer und drei hintere
Höcker bez. eine vordere, zwei obere und zwei hintere Buchten.
Der untere Abschnitt des Unterkieferfortsatzes, der von Anfang ab
viel breiter gewesen war als das Wurzelstück, trennt sich durch
eine Rinne in einen vorderen und hinteren Streifen, jenen können
wir als Lippen-, diesen als Kinnwulst bezeichnen. Letzterer
bildet anfangs die vordere Grenze des unteren Spaltenrandes, dann
aber breitet sich sein hinteres Ende lappenartig nach aufwärts und
rückwärts aus und deckt die Spalte und den untersten Höcker des
zweiten Schlundbogens zu. Zu Ende der hier behandelten Periode
ist von der Spalte nur noch das obere Ende äusserlich sichtbar, und
an dessen Umgrenzung nehmen nun fünf Höcker Theil, ein oberer
(der intermediäre), ein vorderer (der erste obere), ein unterer (der
Decklappen des ersten unteren) und zwei hintere (der mittlere und
der obere zweite). Der unterste Höcker des zweiten Bogens ist jetzt
versteckt, gleich dem vor ihm liegenden
Spaltenabschnitt. Zur völligen
Verwachsung kommt es erst während der nächstfolgenden Entwicke-
lungsstufe.

Die Umbildung des Rumpfes, soweit sie sich auf die veränderte
Krümmung bezieht, ist oben bereits besprochen worden, noch ist

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die Urwirbelgliederung äusserlicb erkennbar und auch die Wolff\'sche
Leiste hebt sich durchweg deuthch ab. An den Extremitäten sind
die drei Abtheilungen bestimmt aus einander getreten, und im
Winkel von einander abgebogen. Ellbogen und Knie sind lateral-
wärts gekehrt. An der Hand beginnen die Einger als kurze dicke
Stümpfe über den Randsaum hervorzuwachsen. Die Ghederung der
Zehen, Anfangs noch nicht angedeutet, beginnt erst gegen das Ende
der Stufe sich einzuleiten. Die Fussanlage gliedert sich nicht
allein später als die Hand, sie ist auch kleiner als diese.

Die Auftreibung des Bauches durch die Leber hat noch mehr
zugenommen. Unterhalb des Nabelstranges und oberhalb des frei
nach vorn ragenden Steissendes breiten sich als ein dreieckig um-
grenztes Faltensystem die Anlagen der äusseren Geschlechtsorgane
aus, über die bei späterem Anlasse berichtet werden soll. Der Schwanz-
faden ist auf dem Höhepunkt seiner Entwickelung, in der Regel nach
vorn oder zur Seite umgebogen.

Entwickelungsstufen von 14—16 mm.

Wie schon am Eingang des Abschnittes erwähnt wurde, so voll-
zieht sich während der nun zu behandelnden Entwickelungsstufe
der definitive Uebergang des Embryo zum Fötus. Ziemlich rasch
erhebt sich der Kopf, so dass der Nackenhöcker mehr und mehr
vom Mittelhirn überragt wird. Allein noch weit über unsere Stufe
hinaus bleibt der Nackenhöcker leicht erkennbar, als convexer,
zwischen zwei concaven Einziehungen, der Nackengrube und der
Hinterkopfgrube hervortretender Vorsprung. Eine der Nacken-
grube entsprechende, obwohl weit schwächere Einziehung zeigt das
Rückenprofil in seiner unteren Hälfte, ungefähr in der Höhe des
Abganges des Nabelstranges. Diese Einziehung war schon bei Em-
bryonen der vorangegangenen Stufe sichtbar gewesen und wir können
sie als Lenden grübe bezeichnen. Ihr Vorkommen scheint nicht
constant zu sein.

Am Kopf sowohl, als am Rumpf verwischen sich in zuneh-
mendem Maasse jene zahlreichen Modellirungen, welche bei jünge-
ren Embryonen das Detail der unterliegenden Organe hatten durch-

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sohimmem lassen. Statt dessen werden die äusseren Formen mehr
gleichmässig gerundet, eine Veränderung, an deren Zustandekommen
einestheils die Ausbildung eines selbstständigen Skelettes, anderen-
theils die reichlichere Entwickelung subcutanen Bindegewebes An-
theil nimmt.

Die Verwachsung des Oberkieferfortsatzes mit dem Seitenab-
schnitt der Nase, sowie
diejenige der beiden
coUiculi branchiales in-
feriores 1 und 2 voll-
ziehen sich definitiv,
und damit schwinden
die letzten vorüberge-
henden Rinnen und
Spalten der Kopfober-
fläche. Das Conjunc-
tivalgebiet des Auges
ist jetzt von zwei sich
schneidenden Bogenli-
nien eingefasst, um
welche herum, als erste
Andeutung von Augen-
lidern die Haut sich

etwas emporwulstet.
An der Mundspalte tre-
ten die Lippen, an der
Ohröffnung die Ohrmu-
schel selbstständiger
hervor, letztere Anfangs
noch etwas plump in
ihrer Form.

Die Extremitäten nehmen in ihren verschiedenen Abschnitten an
Länge zu, am raschesten Ober- und Vorderarm sowie Ober- und
Unterschenkel, letzterer setzt sich vom Fussrücken durch eine ein-
springende Furche ab und am Fuss beginnt die deutliche Ausprä-
gung der Zehen.

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Enhoickelungsstufen von 16 mm ab bis zum Ende des
zweiten Monats.

Die Streckung des Rückens vollzieht sich soweit, dass ein vom
Scheitel gefällte längste Grerade schliessMch den Körper ganz nahe
hinter dem Steisshöcker
trifft. Letzterer tritt
immer noch in scharfer
Abgrenzung, wenn auch
nicht mehr in scharfer
Zuspitzung unterhalb

des äusseren Ge-
schlechts - und After-
gebietes nach vorn her-
vor. Nachdem Gehirn
und Leber einen länge-
ren Wettstreit hinsicht-
lich der bedeutenderen
Grössenzunahmen ge-
führt hatten, bleibt
schliesslich das Gehirn
definitiv Meister, und
am Schluss der Periode
ist wie Figur 46 zeigt
der Kopf grösser denn
der Rumpf. Von einem
eigentlichen Hals, we-
nigstens von einer vor-
deren Halswand, kann
man selbst jetzt, da
der Kopf beinah verti-
kal in die Höhe steht,
kaum reden. Noch bleibt zwischen Kinn und Brust ein nur schmaler
Substanzstreifen übrig, der nach seiner genetischen Bedeutung noch
mit zum Kopf zu rechnen ist, da er dem Gebiete des zweiten
Schlundbogens angehört.

Um die Augen herum entwickeln sich die ersten Anlagen der

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Lider als noch niedrige Falten. Die Ohrmuschel bekommt eine
präcisere G-estalt, indem ihr hinterer Rand vom Kopf schärfer sich
abhebt und indem ferner die Hauptgebilde ihre definitiven Bezie-
hungen zu einander annehmen. Bei LXXVII sind bereits Helix
und Anthelix, sowie Tragus und Antitragus bestimmt gezeichnet,

und zwar ist aus dem Colliculus anterior, dem früheren Wurzel-
stück des ersten Bogens die Spina helicis, aus dem CoUiculus
inferior oder dem Decklappen des früher (S. 56) unterschiede-
nen Kinnwulstes der Tragus hervor. Die Incisura intertra-

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gica erscheint als der letzte Eest der früheren unteren Spalten-
strecke; aus dem mittleren Colhculus des zweiten Bogens wird der

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Antitragus 1), aus dem Colliculus intermedius das Bogenstück des
Helix. Der Wurzelhöcker des zweiten Bogens bildet, indem er sieb
unter dem Colliculus intermedius vorschiebt und so einen Theil der
Gehörspalte abschhesst, den Anthelix. Diese Umbildung der
ersten Schlundspalte wird vielleicht noch übersichtlicher, wenn wir
die einzelnen Höcker anstatt mit Namen mit Ziffern versehen. Die
beiden römischen Ziffern bedeuten die Ordnungsnummern der Schlund-
bogen, 1 und 2 die beiden Abtheilungen des ersten, 4—6 die drei
des zweiten Bogens und 3 den Colhculus intermedius. Das Anfangs-
verhältniss ist nachstehendes:

3

4

II

h

6

Indem alsdann 6 durch 1 zugedeckt wird, ergiebt sich das Lage-
rungsverhältniss:

3

4

2

5

1

1 wird zum Tragus, 5 zum Antitragus, 2 zur Spina helicis, 3 zum
Best des Helix und 4 zum Anthehx.

Die Extremitäten treten beide nach vom hervor und über-
ragen zu Ende unsere Periode den Rumpf um ein gutes Stück. Die
Knickung des Ellbogens ist nach abwärts, die des Knies nach auf-
wärts gerichtet. Im Uebrigen ist auch die feinere Ghederung der
Extremitäten erhebhch fortgeschritten. Am Oberarm gränzt sich das
Deltoidesgebiet deuthch durch seine grössere Mächtigkeit vom un-
teren Humerusgebiet ab. Der Vorderarm ist etwas spindelförmig
aufgetrieben, durch eine tiefe Einschnürung von der Hand abgesetzt.
Letztere hat in ihrem hinteren Abschnitte die Gestalt eines rund-

1) Moldenhauee, obwohl er seine Untersuchungen über die Bildung des
äusseren Ohres nicht bis auf Säugethierembryonen ausgedehnt hat, hat doch
schon die Yermuthung formulirt, dass bei diesen der Tragus aus dem ersten,
der Antitragus aus dem zweiten Schlundbogen sich entwickele.

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liclieii Kissens, aus dessen Eand die Fingerchen als kurze Cylinder
hen\'ortreten. Der Daumen, nach aufwärts gekehrt, ist durch einen
breiten Abstand von dem bereits nach vorn stehenden Zeigefinger
getrennt.

Die beiden unteren Extremitäten sind so gestellt, dass die Füss-
chen sich ihrer Sohlenfläche zukehren. Auf der Grenze von Unter-
schenkel und Fuss markiren sich die beiden Knöchel, besonders der
äussere als leichte Vorsprünge, auch die Ferse zeichnet sich scharf.
Der Fächer, in welchem die Zehen sich ausbreiten, umfasst einen
weit geringeren Bogen, als derjenige der Finger. Die grosse Zehe,
wie der Daumen zu oberst stehend, kehrt ihr freies Ende nach vom
und ihre Wurzel, obwohl etwas weiter hinten ansitzend, als die der
zweiten Zehe, berührt letztere doch noch unmittelbar.

Zum Schluss mag noch darauf hingewiesen werden, dass die
Oberschenkel noch nicht hinreichend mächtig sind, um die Damm-
gegend völlig zu verdecken; auch wenn sie völlig gestreckt werden,
bleibt der untere Theil der Sexualfalten nebst dem Steisshöcker von
ihnen unbedeckt. Infolge der Biegung des Knies lässt die Profil-
ansicht von Fig. 46 nicht nur die letzteren, sondern auch das ziem-
hch entwickelte und an seiner Spitze zur Eichel angeschwollene
Sexualglied frei.

Rückblick auf einige Grrundvorgänge der äusseren
Formentwickelung.

Der Entwickelungsgang des Embryo von den ersten Anfängen
ab bis zu jener Ausbildung, da das Gepräge der Art leicht erkenn-
bar ist, setzt sich aus einer Reihe von Vorgängen zusammen, von
welchen die einen mehr genereller, andere mehr spezifischer Natur
sind und es scheint angemessen, die wichtigsten derselben noch ein-
mal im Zusammenhange durchzugehen.

Zu den fundamentalsten Vorgängen gehört die Ausbildung jener
Quer- und Längsfalten des Keimes, welche in ihrer weiteren Aus-
bildung die Abgrenzung von Kopf und von Rumpf, von Stamm

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und von Parietalzone bedingen. Mit der Umlegung der vordersten dem
Bmbryonalgebiet angehörigen Querfalte (der vordem Keimfalte, nach
meiner älteren Terminologie)\') leitet sich die Gliederung des
Kopfes in Vorder- und Hinterkopf ein. Von diesen beiden Ab-
theilungen tritt die erstere frei hervor und ist als eine Art ausgestülp-
ten Blindsackes auch an ihrer facialen Fläche von Anfang ab ge-
schlossen. Der Hinterkopf dagegen hegt zuerst als flach ausgebreitete
Platte dem Dotter auf und participirt später, nach Erhebung der seit-
hchen Keimfalten, gleich der Rumpfanlage an der Umgrenzung des
Leibesnabels; wie der Rumpf bedarf er daher zum ventralen Schluss
einer successiven Verwachsung seiner beiden Seitenhälften. Die
jüngstbekannten menschlichen Embryonen, wie sie auf der zweit-
untersten Zeile von Seite 32 zusammengestellt sind, zeigen bereits
den frei hervortretenden Vorderkopf, und von der dritten Zeile ab
macht sich an letzterem auch die scharfe Trennung von Stirntheil
und von Gesichtstheil geltend. Die dem Hinterkopf angehörige
Herzanlage ist schon bei den jüngstbekannten menschlichen Em-
bryonen sichtbar, während die in seiner Seitenwand auftretenden
Schlundfurchen erst von der nächstfolgenden Stufe (Lg und L 1) ab,
erkennbar sind.

Von nicht minder genereller Bedeutung als die Ghederung des
Kopfes, erscheint das Auftreten longitudinaler Körperzonen,
der Stamm- und der Parietalzone, von denen erstere das Gebiet
des Medullarrohres und der Urwirbel umfasst. Auch diese Schei-
dung ist auf der Stufe der Embryonen L 1 und Lg bereits eine
sehr prägnante und sie erhält sich, äusserhch erkennbar, bis in die
Periode hinein, da durch die zunehmende Entwickelung des Skelettes
und des subcutanen Gewebes das Oberflächrehef des Körpers sich
vereinfacht und einer mehr gleichmässigen Rundung der Formen
Platz macht.

Im Parietaltheile des Rumpfes sowohl, als in demjenigen des
Hinterkopfes macht sich von früh ab eine weitere Ghederung geltend,
in einen an den Stammtheil grenzenden und einen dem Amnion bez.
dem Nabelgebiet zugewendeten Streifen. Ersterer tritt von Anfang an
als convexe Leiste über die Oberfläche empor und ich habe ihn

1) Briefe über die Körperform S. 20.

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seiner Zeit als Wolff\'sche Leiste bezeichnet, man kann ihn nach
seiner Hauptleistung allenfalls auch Extremitätenleiste nennen. Der
zweite, Anfangs lateralwärts, späterhin aber medialwärts und vor der
Wolffschen Leiste liegende dünnere Streifen, entspricht grössten-
theils
Eathke\'s Membrana reuniens inferior, und ich habe daher vor-
geschlagen, ihn den
Eathke\'sehen Streifen zu nennen.i) Die
Wolff\'sche Leiste deckt am Rumpfe nur den hintersten Abschnitt
der umschlossenen Höhle bez. das Gebiet der Urnieren, wogegen der
Kathke\'sche Streifen die dünne Wand liefert, welche das Herz und
die Leber nebst einem Theil der Darmanlage umhüllt. Die obere
Fortsetzung der Wolffschen Leiste bildet am Hinterkopf den Streifen
seiner Seitenwand, der durchfurcht und in die einzelnen Schlund-
bogen gegliedert ist; am Vorderkopf gehören ihm noch die Ober-
kieferfortsätze an, und vielleicht darf man ihm selbst die Stirnfort-
sätze noch zutheilen. Der .Rathke\'sche Streifen reicht nur bis zum
Eande des Vorderkopfes, d. h. bis zum Unterkieferfortsatze, welch
letzterer vom Anfang ab die obere Grenzlinie des Leibesnabels
bildete. Später aber löst sich der dem Hinterkopf angehörige Theil
des Rathke\'schen Streifens von den Schlundbogen ab und verbleibt
mitsammt dem Herzen bei der vorderen Brustwand. In schräger
Richtung verläuft nach erfolgter Zusammenkrümmung des Körpers
die Wolfifsche Leiste von der oberen Extremität zum untersten
Schlundbogen und bezeichnet nunmehr als Clavicularlinie die De-
markationsgrenze der beiden morphologisch ungleichwerthigen Ge-
biete.

Von sehr allgemeiner Bedeutung sind ferner die Verhältnisse
der Axenkrümmung. Wie alle Embryonen cranioter Wirbel-
\'thiere, so zeigt auch der menschliche schon im Zeitpunkt frühester
Bildung eine mehrfache Krümmung der Längsaxe, Hebung des Kopfes,
Einsenkung der oberen und Hebung der unteren Rumpfstrecke.
Auf diese primäre Krümmung folgt beim Menschen, wie bei aUen
höheren Wirbelthieren jene secundäre, infolge deren sich der Rücken
des Embryo nach Art einer Spange zusammenkrümmt, der Kopf sich
senkt und der Beckentheil sich hebt; damit combinirt sich eine
Torsion des Körpers, welche, obwohl niemals ganz fehlend, doch in.

1) Arch. f. Anat. u. Physiol-, anat. Abth. 1881. S. 317.

His, Mensehl. Embryonen. II.

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sehr verschiedenen Gradationen aufzutreten pflegt. Beim mensch-
lichen Embryo äussert sich diese Torsion darin, dass nach erfolgter
Zusammenkrümmung des Körpers der Kopf nach rechts, das Steiss-
ende nach links abweicht.

Es erreicht beim menschlichen Embryo die Zusammenkrüm-
mung des Körpers sehr rasch ihr Maximum und zwar beginnt die-
selbe mit Hebung des Beckentheiles, auf welche dann erst die Sen-
kung des Kopfes folgt. Bei der später eintretenden Wiederöffnung
der Körperspange rückt der Ort der unteren Umbiegungsstelle mehr
und mehr vom mittleren zum unteren Wirbelgebiet herab. Bei
Embryo a ist der tiefste Punkt (bez. der Punkt durch den sich
die Nackenlinie legen lässt) noch im Bereich der mittleren Dorsal-
segmente, bei A und bei B fällt er bereits in den unteren Bauch-
theil und bei den nachfolgenden Stufen rückt er in den Sakraltheil,
schhesshch fällt der Fusspunkt der Nackenlinie bei Figur 46 so
tief, dass wohl überhaupt nur noch das Steissbein von ihm ge-
troffen wird. Auf diese Weise rücken das untere Darmende (bez.
die Cloake) und die schon sehr frühzeitig angelegten Sexualfalten
aus ihrer ursprünglichen Stellung in die definitive ein. Bei den
Embryonen E, A und B liegt noch eine nicht unbeträchthche
Strecke des Darmes im aufsteigenden Beckenschenkel; die äussere
Cloakenbucht ist dabei dorsalwärts gekehrt. Dann erfährt letztere
zugleich mit ihrer Umgebung eine allmähliche Drehung von nahezu
180" und wird schliesslich von dem unmittelbar an den Nabel-
strang anstossenden Sexualghed überragt.

Noch viel tiefergreifend sind die bleibenden Folgen der Stel-
lungsänderungen des Kopfes. Nach Wiederaufrichtung des letzteren
äussern sie sich, wie ich dies schon im ersten Theil ausgeführt
habe, darin, dass das Herz, das ursprünghch als ein Organ des
Hinterkopfes angelegt worden war, von diesem, mitsammt der Wand
der umschhessenden Höhle (der Parietalhöhle i an die Brust abgegeben
worden ist. Wie auch die Bildung eines selbstständigen Halses mit
diesem Vorgang der Vornüberkrümmung und Wiederaufrichtung des
Kopfes zusammenhängt, habe ich gleichfalls schon an anderer Stelle
ausgeführt, und ich werde im nächsten Theil wieder Gelegenheit
haben, darauf zurückzukommen.

Als einer der allgemeinsten Vorgänge bei jeghcher Körperent-

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Wickelung ergiebt sich das Wachsthum und wir sind längst ge-
wöhnt in letzterem das bestimmende Motiv der Entwickelung über-
haupt zu suchen. Das Beispiel der Embryobildung bei Knochen-
Iischen 0 zeigt, dass die ersten Gestaltungsvorgänge nicht absolut an
ein wirkliches Massenwachsthum geknüpft sind, sondern dass bei
jenen ein von der Massenzunahme unabhängiges Flächenwachsthiim
d. h. eine gesetzmässig vor sich gehende Aenderung in der Substanz-
vertheilung in erster Linie maassgebend ist. Bei höheren Wirbel-
thieren comphciren sich von Anfang ab Substanzverschiebung und
Substanzzunahme, und soviel ergiebt sich jedenfalls mit Sicherheit,
dass die besondere Vertheilung der Massen- und Elächenwachsthümer
nach Ort und nach Zeit einem jeden einzelnen Entwickelungsprocess
das specifische und weiterhin sogar das individuelle Gepräge giebt,
da durch sie nicht allein die erste Gliederung, sondern auch alle
nachfolgende Gestaltung bestimmt wird.

Es kann hier nicht die Aufgabe sein, in eine subtilere Unter-
suchung über die besonderen Wachsthumsverhältnisse des mensch-
lichen Embryo einzutreten. Hierzu müssen erst die bezüglichen
Untersuchungsmethoden geschaffen werden und jedenfalls sind zuvor
noch andere, dringendere und zur Behandlung reifere Aufgaben zu
erfüllen. Immerhin scheint es mir angemessen, der messenden Be-
trachtung einige jener Verhältnisse zu unterwerfen, welche einfachen
Hülfsmitteln zugänglich sind und welche dabei doch die Physiogno-
mie des menschlichen Embryo wesentlich mit bestimmen. Dahin
gehört vor allem die Vertheilung der Flächen im Profil-
bilde. Ob der Kopf oder der Unterleib gross ist, das giebt dem
Profil natürlich ein völlig anderes Gepräge und leicht lässt sich
ja quantitativ bestimmen, welches der Antheil des einen und des
anderen Elementes ist.

Ich habe für einige meiner Embryonen mit Hülfe des Amsler\'-
schen Polarplanimeters Ausmessungen der Profilflächen vorgenommen
und stelle sie in nachfolgender Tabelle HI zusammen. Die Aus-
messung geschah meistens an den 10 oder 20 fach, bei den grösse-
ren Embryonen auch an 5 fach, bei den kleinsten an 40 fach ver-
crrösserten Zeichnungen; die Zahlenwerthe, in qmm, beziehen

1) Arcb. f. Anat. u. Physioi.. anat. Abth. 1878. S. 209.

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Tabelle III. Ueber die G^rösse der Profilfläehen.

In qmm

In Proc.

Gesammt-
profil

Kopf

Eumpf

Kopf

Eumpf

LXVIII (Lg)......

(1.62)

(0.6)

(1.02)

(38.2)

(61.8)

IV (M)......

2.4

0.95

1.45

42.1

57.9

LXV (BB)......

2.45

1.0

1.45

44.1

55.9

LXVII (Lr)......

4.9

2.1

2.8

42.9

57.1

III («).......

12.2

4.0

8.2

32.3

67.7

LVII (E)......

15.2

4.7

10.5

30.7

69.3

I (B)......

27.4

9.4

18.0

34.3

65.7

II (A)......

29.4

9.0

20.4

30.6

69.4

LXXIII (Hn)......

29.8

10.8

19.0

36.2

63.8

XVII ......

37.3

14.2

23.1

38.1

61.9

X (Mch).....

62.0

30.4

31.6

49.0

51.0

LXXIV (Rg 1) ....

69.7

29.2

40.5

41.9

58.1

XXIX (Br 1).....

71.5

30.0

41.5

42.0

58.0

XXXV (S 1).....

79.8

40.0

39.8

50.1

49.9

XLV (Br 2).....

103.3

53.5

49.8

51,8

48.2

XXXIV (Dr 1) ....

105.0

51.0

54.0

48.6

51.4

XL VI (Sch 2) ... .

105.7

54.7

51.0

51.8

48.2

XXI (7t).......

113.5

57.5

56.0

50.7

49.3

XXXVI (S 2).....

118.0

55.5

62.5

47.0

53.0

XCIX ........

144.8

62.8

82.0

43.4

56.6

XLI (Fr)......

178.0

80.0

98.0

44.9

55.1

LXXVII (Wt).....

258.0

146.0

112.0

56.6

43.4

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sieh auf das unvergrösserte Profil Es wurden zunächst Kopf und
Eumpf ausgemessen, wobei die Grenze zwischen beiden durch eine
vom Halswinkel aus zur Mitte des Nackenhöckers geführte Linie
gezogen worden ist. Die den Eumpf überragenden Abschnitte der
Extremitäten sind in Tabelle III nicht mitgemessen und ebenso-
wenig der Nabelstrang, dessen Anfang sich ja ziemlich scharf ab-
zugrenzen pflegt. Bei den vier jüngsten Embryonen ist der Gleich-
mässigkeit halber das Herz anstatt zum Kopf gleichfalls zum Rumpf
gerechnet und ausserdem dem letzteren das durch eine Abschnürung
markirte Wurzelstück der Nabelblase zugetheilt worden. An und für
sich sind diese Messungen bei sehr jungen Formen wegen der un-
scharfen Grenzen nicht sehr genau ausführbar.

Sehen wir zunächst ab von den vier obersten, durch einen
Strich abgegrenzten Zahlenreihen, so zeigen die absoluten Werthe
des Gesammtproflls von dem nur 4 mm langen Embryo « zu
dem 22 mm langen Wt eine Zunahme von 12.2 auf 258 d. h. un-
gefähr um das 21 fache, dabei hat der Kopf von 4 auf 146 d. h. um . ||
das 36 V2fache, der Eumpf aber von 8.2 auf 112, um nur das 13^/sfache | i|j
zugenommen. Kop^ und Eumpfvergrösserung sind also in der an-
gegebenen Periode in sehr ungleicher Weise ^rtgeschritten. Wäh-
rend der Kopf bei a nicht einmal ein Drittheil des Profils aus-
macht, bei E sogar nur 30.7 Proc., ist er bei Wt dahin gelangt
den Rumpf um mehr denn 7 Proc. des Gesammtproflls zu überholen.
Wie er aber diesen Vorrang nicht durch die ganze nachfolgende giL

iiii

Iii:

Entwickelungszeit hindurch zu behaupten vermag, so ist er auch |||

nicht unbestritten auf jenen Gipfelpunkt hingelangt. Die Colonne der ii^\'l

procentischen Ziffern zeigt, dass zwischen der Grössenentwickeking |[\'!|

von Kopf und von Rumpf eine Art von Wettiauf statt flndet, indem
abwechselnd der eine Theil den anderen überholt. Schon auf dem
Wege von den jungen Stufen (M, BB, Lr) an, bis zu den Stufen « und
R hin, hatte der Rumpf einen bedeutenden Vorsprung gewonnen; denn,
trotz der Hinzurechnung des Herzens und eines Stücks der Nabel-
blase zum Rumpf, behauptet der Kopf bei den Embryonen M, BB
und Lr immer noch einen Antheil von 42—44 Proc. 0, von dem er

f\'

1\'
iill

1) Rechnet man das Herz anstatt zum Rumpf zum Kopf, dem es ja in
der That während dieser früheren Periode ausschliesslich angehört, so be-

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beim IJebergang zu a und zu E um 10-12 Proc. herunter fällt.
Er befindet sich nun auf dem Minimum seiner relativen Entwicke-
lung, von dem er sich erst langsam und dann rascher wieder er-
hebt; bei den 8 und 81/2 mm langen Embrj^onen Hn und ^ beträgt
sein Antheil wieder 36 und 38 Proc., bei den 11 und 11.5 mm
langen schon 42 Proc. und bei dem 12.5 mm langen Si ist das
Gleichgewicht zwischen Kopf und Eumpf eingetreten, i) Eine Zeit-
lang balanciren sich beide Werthe, wobei das Uebergewicht eher
noch auf Seiten des Kopfes fällt, dann aber tritt nochmals ein nicht
unbeträchthches Steigen des Eumpfwerthes ein, so dass der Kopf
wieder auf 43.4 und 44.9 Proc. heruntergedrückt wird und nun erst
folgt für letzteren nach neuer Wachsthumssteigerung die Erreichung
des Maximum, mit welchem unsere Tabelle abschliesst.

Prüft man die Formverhältnisse des Profils, während der ver-
schiedenen Etappen des obigen Entwicklungsganges etwas genauer,
so überzeugt man sich, dass die Zunahme der Stammgebilde des
Eumpfes in ziemhch gleichmässiger Weise vor sich geht; dasselbe
gilt auch für das Schlundbogengebiet, sowie für das Herz. Dagegen
schreiten, einestheils das Gehirn, anderentheils die Leber ungleich-
mässig vor und an ihrem wechselnden Gang liegt es, dass bald der
Kopf, bald der Rumpf mehr das Uebergewicht erlangt. Die Periode,
da der Kopf sein Minimum zeigt, fällt mit der Zeit der ersten
Leberentwickelung zusammen, dann folgt mit der Entwickelung der

kommt letzterer das quantitative Uebergewicht, wie untenstehende kleine Ta-
belle zeigt.

qmm

Proc.

Kopf

Eumpf

Kopf

Rumpf

(Lg)

(0.91)

(0.71)

(56.6)

(43.4)

(M)

1.30

1.10

54.2

45.8

(BB)

1.35

1.10

52.9

47.1

(Lr)

2.70

2.20

55.1

44.9

1) Auf die dazwischen liegenden, etwas abweichenden Verhältnisse des
Embryo Mch ist schon oben hingewiesen worden. Es handelt sich um eine
meiner ältesten Zeichnungen, aber ich habe keinen Grund, an ihrer Genauig-
keit zu zweifeln.

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Hirnhemispliären die stetige Steigung des Kopfprofils bis zur Er-
reichung des Gleichgewichts; nun aber kommt eine Periode, wo die
Leber wieder mächtig sich ausdehnt, wie die runden Bäuche der
Figuren 44 und 45 deuthch genug zeigen, allein zum zweitenmal
gewinnt das Gehirn die Oberhand und führt nun zu einer mächtigen
Auftreibung des Kopfes.

Die Extremitäten sind bei obiger Tabelle nicht mit hereinge-
zogen worden; es verlohnt sich indessen, ihr Verhalten noch kurz
zu betrachten und ich theile zu dem Zwecke ein paar Profilmes-
sungen mit. Es bedarf keines besonderen Hinweises darauf, dass bei
der unvermeidhchen Verkürzung, in welcher jeweilen bestimmte
Abschnitte sich darstellen, die Zahlen auch hier nur zur Beurthei-
lung der physiognomischen Verhältnisse, nicht des wirkhchen Extre-
mitätenwachsthums dienen können. Der Flächeninhalt an den Pro-
filbildern beträgt in □ mm bei:

Zusanimen
in Proc. des
Gesamnitproflls

7.5
11.9
13.5
13.2
15.0
17.7

Die paar Zahlen illustriren die im Vergleich zum übrigen Körper
rasche Vergrösserung der Extremitäten überhaupt, sowie das un-
zweifelhafte Uebergewicht der oberen über die untere Extremität.

Obere

Untere

Extremität

Extremität

II (A)

1.0

1.2

LXXF^ (Rg)

4.2

4.1

XXXV (S 1)

5.8

5.0.

XL VI (Sch 2)

7.0

6.8

XCIX

11.2

10.4

Lxxvn (Wt)

25.2

20.8

I

m

ijfil
?

i!«-!!

\'ii;!:!
:i«i ?

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Zur Frage der Altersbestimmung und des
Befruchtungstermins.

Bei Beurtheilung der hier in Betracht kommenden Fragen ist
es nöthig, von bestimmten leitenden Gesichtspunkten auszugehen,
falls man sich nicht völhg ins Unbestimmte verlieren will. Meine,
schon im ersten Theil dieser Schrift (S. 166) auseinander gesetzten
leitenden Gesichtspunkte sind nun folgende:

1. Den Beginn der Entwickelung setzen wir in den Zeitpunkt
der Imprägnation, d. h. in den Moment, da Samenelemente in das
Ei eindringen und es befruchten.

2. Der Austritt der Eier aus dem Ovavium ist durch die
menstruale Periode bestimmt, indess fällt das Platzen des Follikel
nicht nothwendig mit dem Beginn der Blutung zusammen, es kann
letzterem um 2—3 Tage vorausgehen, oder auch erst im Verlaufe
der Blutung geschehen.

3. Das Ei ist nicht in jeder beliebigen Strecke seiner Bahn
vom Eierstocke zum Uterus hin befruchtungsfähig, sondern nur in
deren Beginn, kurz nach seinem Eintritte in den Eileiter.

i. Der in die iveibliehen Sexualorgane eingeführte Samen muss
das Ei im oberen Theil des Eileiters erwarten und er kann hier,
ehe dasselbe eintrifft, einige Tage, vielleicht selbst Wochen lang
lebenskräftig vertveilen; der Zeitpunkt der Cohabitation steht daher
in keiner directen Beziehung zum Alter der Frucht.

In fasse diese Sätze nicht etwa als unangreifbare Dogmen auf,
wohl aber als solche, die mit unseren Erfahrungen vom Wesen der

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Zeugung am besten in Uebereinstimmung zu bringen sindJ) Nach
meinem Dafürhalten muss man zunächst versuchen, ob es gelingt,
unter Beiseitelassung der Cohabitationsvariabeln das Alter der Em-
bryonen und die Menstruationszeit in gesetzmässigen Zusammen-
hang zu bringen. Geht dies nicht, dann mag es wieder an der Zeit
sein, den Zeitpunkt der Cohabitation mit in Rechnung zu ziehen.

Im ersten Theil dieser Schrift habe ich mich im Sinne von
Reichekt dafür ausgesprochen, dass als Ausgangspunkt der em-
bryonalen Altersberechnung der Termin der ersten ausgebhebenen
Periode zu nehmen sei, wobei ich indessen schon darauf hinwies,
dass nicht alle Beobachtungen dieser Regel sich fügen. Nun können
wir während der ersten zwei Monate das Alter eines Embryo zwar
nicht auf Tage, aber doch auf Wochen genau schätzen, jedenfalls
werden wir nicht in Gefahr kommen, einen siebenwöchentlichen
Embryo für dreiwöchentlich oder einen sechswöchenthchen Embryo
für vierzehntägig zu erklären. Wir können also unter Zugrunde-
legung der Altersschätzung der Embryonen zu bestimmen suchen,
welchem Menstruationstermin das befruchtete Ei muss angehört
haben. In nachfolgender kleiner Tabelle habe ich die Eälle, für
welche mir brauchbare Notizen zu Gebote gestellt worden sind, zu-
sammengeordnet und auch einige in der Literatur vorhandene An-
gaben beigefügt. Die Colonnen 2 und 3 geben den Eintritt der
letzten stattgehabten und den Zeitpunkt der ersten ausgebliebenen
Periode, die Colonnen 5 und 6 den Zeitabstand zwischen diesen
Terminen und dem Tage des Abortus. In der 7. Colonne habe
ich von den beiden in Betracht kommenden Zeiträumen denjenigen
als muthmasshches Alter des Embryo eingetragen, welcher der
Entwickelungsstufe entspricht. Am Euss der Tabelle folgen dann
noch einige Notizen über die Cohabitationsverhältnisse.

1) In etwas abweichender Weise fasst Hbnsen in seiner Physiologie der
Zeugung die Dinge auf, da er den Einfiuss der Copulation auch beim Menschen
nicht unbedingt ausschliesst, man vergleiche S. 67—75 d. a. W.

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Talbelle III.

Fälle von

1

Länge

des
Embryo

Tum

2

Eintritt
der letzten
Periode

3

Zeitpunkt
der ersten
ausgeblieb.
Periode

4

Tag des
Abortus

5

Zeitraun-
Abort

letzter statt-
gehabter P.

i /
L zwischen
US und

■ erster ausge-
bliebener P.

7

Muth-
massliches
Alter der
Frucht

Eeichert\') .

10. Oct.

7. Nov.

21. Nov.

42 T.

14 T.

14 T.

bkbuss. . . ,

x

x4-28 T.

x 38T.

38 T.

10 T.

10 T.

AT 1.....

2.1

X

x-f-28 T.

x 42 T.

42 T.

14 T.

14 T.

AT 2.....

2.5

24. Mai

1. Juni

8 T.

8 (?) T.

VI (SE)2) . .

2.2

Mitte Aug.

lt.6w.Typ.

14./15.0ct.

ca. 60 T.

ca. 14 T.

ca. 14 T.

Ende Sept.

LXVIII (Lg)

2.15

10. Sept.

8. Oct.

20. Oct.

40 T.

12 T.

12 T.

LXV (BB). .

3.2

26. März

23. April

13./16.Mai

48 Ï.

20 T.

20 T.

E. Wagner .

4.5

x

x-I-20T.

20 T.

20 T.

III («)3) . . .

4

4. Oct.

l.Nov.

24. Nov.

51 T.

23 T.

23 T.

LVI (W). . .

(5)

5. März

26. März

21 T.

21 T.

Hensen . . .

4.5

x

x-i-21 T.

21 T.

21 T.

XL (Stt) .. .

7.75

5./8. Juli

2./5. Aug.

31. Aug.

57 T.

29 T.

29 T.

bis 3 Sept.

Ecker^) . . .

10

4. April

2. Mai

3. Juni